Wenn der Gast nicht zum Wirt kommt
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Wenn der Gast nicht zum Wirt kommt
Branche Trend-Report «Home Delivery» (l): Wenn der Gast nicht zum Wirt kommt ... …muss der Wirt halt zum Gast gehen! Etwa so wie beim Propheten und dem Berg... Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten bestellen ihr Essen bei einem gastronomischen Lieferservice. «Home Delivery» heisst das Zauberwort, das klugen GastroUnternehmern aus den verschiedensten Branchen-Segmenten neue (Haus-)Türen öffnet — ein exklusives Stimmungsbild des GOURMET-Teams nahe am boomenden Markt! Text: Daniela Dambach «Was kommt heute auf den Tisch?» Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, wenden sich immer mehr Leute ans Internet: Die Suchmaschine spuckt in weniger 10/14 als ungefähr 30 Sekunden 1 370 000 Treffer aus. Der moderne Mensch hat offenbar das Bedürfnis nach «Vielfalt frei Haus», und es ist mittlerweile normal, die Mahlzeiten per Telefon, Internet oder über eine mobile Applikation zu ordern. Das Business mit dem «Home Delivery» wächst, wie die stark steigende Anzahl an Lieferservices zeigt. Heimlieferdienste treffen den Nerv der Zeit, schliesslich bleibt fürs Selberkochen oder Auswärtsessen kaum Zeit, und doch besteht ein grosser Appetit auf ausgewogen komponierte Gerichte und Mahlzeiten in den eigenen vier Wänden. Für Gastro-Unternehmer eröffnet diese «Gesellschaft in Lieferservice-Laune» ein neues, zusätzliches Marktsegment. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Konzepte, dieses wachsende Marktpotenzial erfolgreich zu erschliessen. 41 Branche Outsourcing: Absatzquellen anzapfen Das Angebot an Home-Delivery-Gerichte geht mittlerweile weit über Pizza und Pizza-Kuriere — wohl der «Mamma» aller Lieferdienste — und über den einschlägigen Asia-Food hinaus. So bietet zum Beispiel die Internetplattform «Hofmeier‘s» seit 2011 in Zürich und Luzern einen zusätzlichen Absatzkanal für die gehobene Gastronomie. Spitzenrestaurants können damit die gesamte Logistik des Home Delivery komplett outsourcen. Hohe Investitionen in eigenes Lieferpersonal, Fahrzeuge und Material fallen weg. «Hofmeier‘s» bietet den Partner-Restaurants sozusagen ein flächendeckendes Netz mit eigenen «Driving Butlern» — einer gut geschulten und gut gekleideten Fahrer-Flotte. Für die Restaurant-Partner fällt eine Kommission an, um die Kosten für den Lieferservice zu decken. «Qualitätsspeisen — als Alternative zur klassischen Pizza — zu Hause oder im 42 Büro zu geniessen, liegt voll im Trend», beobachtet Andreas Hofmeier, Inhaber von «Hofmeier‘s». «Die Leute suchen laufend nach guten Alternativen.» Von 2011, dem Lancierungsjahr von «Hofmeier’s», bis heute, verzeichnet der «HighEnd»-Lieferdienst beim Bestellvolumen eine Wachstumsrate im zweistelligen Bereich. Erst im August 2014 eröffnete das Zürcher Startup-Unternehmen in Luzern seinen zweiten Standort mit zehn Restaurant-Partnern. Die Restaurateure profitieren wechselseitig vom zusätzlichen Absatzkanal: Online-Besteller sind auf einmal Gäste im Restaurant — umgekehrt lassen sich Stammgäste eines schönen Wochenendes zur Abwechslung das Essen aus ihrem Lieblingsrestaurant heimbringen. Das Simmentaler Rindsfilet per Kurier kommt offenbar gut an... Auf einer ähnlichen Schiene fährt «Mosi‘s», allerdings schon länger: Zürichs erster Restaurant-Kurier bietet seit rund 16 Jahren eine fixfertige Lieferlösung, einschliesslich Marketing, Bestelladministration, Logistik und Inkasso. Der Kurierdienst verfügt über eine eigens entwickelte Software zur Auftragsabwicklung und eine Web-Applikation für die 60 Kuriermitarbeitenden. Der hungrige Kunde kann Gerichte und Mahlzeiten von rund 90 Partner-Betrieben in Zürich, Zug und Winterthur bestellen und mittels «Order-Tracking» mitverfolgen, wo sich die Saisonsuppe, die Speckrösti oder das Cordon Bleu gerade befinden. Die angeschlossenen Gastronomen stellen lediglich die bestellten Gerichte innert der vereinbarten Frist bereit – die Kuriere übernehmen diese «ab Pfanne» und liefern sie in speziellen Isoliertaschen aus. Die Restaurants finanzieren den Lieferservice über einen reduzierten Verkaufspreis, ansonsten fallen für sie keinerlei Kosten an. Auch Martin Mosimann, Inhaber und Geschäftsführer von «Mosi‘s», blickt optimistisch in die Zukunft: «Der Markt wächst, was unter anderem auf die 10/14 Branche demografische Entwicklung zurückzuführen ist. Wir haben heute deutlich mehr Kunden im Alterssegment 50plus als damals, als wir im Jahre 1998 angefangen haben.» Dieser Prognose entsprechend hat «Mosi’s» diesen Herbst den neuen Standort Bern eröffnet. Kuriere: Intern oder extern Die Negishi Sushi Bar, ein Unternehmen der Fredy Wiesner Gastronomie mit total acht Restaurants in Basel, Zürich, Winterthur und Zug, setzt für das Mittags- und Nachmittagsgeschäft auf den Lieferdienst von «Mosi‘s». Abends bewerkstelligt Negishi den Lieferservice mit eigenen Velokurieren, welche die Sushis in speziellen Verpackungen ausliefern, in denen sie während der Fahrt nicht verrutschen. Bei der Zusammenarbeit mit externen Kurieren erfolgt die Abrechnung pro Fahrt, bei eigenen Kurieren hingegen pro Kunde. Als grösste Herausforderung sieht Daniel Wiesner, Projektleiter von 10/14 Negishi Sushi Bar, drei Faktoren: Personal, Wetterabhängigkeit und Einhaltung der Lieferfristen während Spitzenzeiten. Um sowohl die Küche als auch die Logistik-Infrastruktur optimal auszulasten, von der Werbewirksamkeit zu profitieren und dem wachsenden Bedürfnis an «Home Delivery» nachzukommen, entschied sich Negishi Sushi Bar für die Zusatzdienstleistung. Um weitere Kunden zu gewinnen, schloss sich Negishi Sushi Bar zudem der Online-Plattform www.eat.ch an. Plattformen: Anschluss finden www.eat.ch ist, als Teil der weltweit agierenden JUST EAT Gruppe, die grösste Schweizer Online-Bestellplattform, was diese Zahlen unterstreichen: Mehr als 1000 angeschlossene Partner, mehr als 350 000 registrierte Benutzer, ein geschätztes Marktvolumen im Schweizer Food-Delivery-Markt von vier bis sechs Millionen Franken. Eat.ch bietet keine Logistik-Dienstleistungen, dafür aber ein ganzes Service-Paket für den Restaurateur. Eat.ch stattet seine Partner mit einer Technologie zur effizienten Abwicklung des Bestellprozesses aus, betreibt ein professionelles Call-Center und übernimmt das Beschwerde-Management. Darüber hinaus investiert Eat.ch in Online- und Offline-Werbemassnahmen und unterstützt die Partner mit Flyer-Druck, Pizzaschachtel-Produktion oder der Zusammenarbeit mit Grossisten. Eine Sign-up-Gebühr, ein Depot für die Bestellsoftware und eine Kommission von zehn bis zwölf Prozent auf dem vermittelten Umsatz sind die Gegenleistungen, welche die an die Plattform angeschlossenen Gastro-Unternehmen zu erbringen haben. Die Plattform www.foodarena.ch mit rund 600 Partner-Restaurants, die nach einem ähnlichen System funktioniert, verzeichnet monatlich Bestellungen im mittleren fünfstelligen Bereich. Foodarena.ch bietet ebenfalls ein Marketing-Paket für die 43 Branche teilnehmenden Restaurants an, das unter anderem eine eigene Website einschliesst, die den Kunden ermöglicht, auch direkt zu bestellen. Weiter kurbelt Foodarena.ch mit gezielten MarketingAktionen zu Feiertagen oder Events den Absatz an. Zukunft: Auf den Spuren von Schweden? Eat.ch beobachtet einen starken Trend zu Online- oder Mobile-Bestellungen: Während es hierzulande leidglich zehn Prozent sind, erfolgt in anderen Märkten bereits die Hälfte der Bestellungen auf elektronischem Weg. Eat.ch spricht von einer zunehmenden «Professionalisierung der Branche», was sich im Einsatz von GPRS (Lieferungsverfolgung via Funknetz), professionellen Auftritten an der Haustür oder modernen Inkassosystemen äussert. Auf Anfrage von GOURMET schreibt foodarena.ch: «Wir denken, dass die Nachfrage nach Lieferservices in Zu- 44 kunft weiter steigen wird. Es gibt Länder wie beispielsweise Schweden, in denen Online-Einkauf in jeglicher Form — nicht nur beim Essen — bereits eine viel grössere Akzeptanz geniesst als hierzulande. Gerade die Skepsis gegenüber Online-Bezahlmethoden oder Bestellbestätigungen via E-Mail stellt eine Hürde dar. Dank den laufenden technischen Fortschritten wird aber auch das dereinst zum Alltag gehören.» (goldene) Mittelweg für jene, die den Zusatzaufwand einer betriebseigenen Logistik scheuen. So können sich die Gastro-Unternehmer weiterhin auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, aber bestehende Logistik- und DistributionsInfrastrukturen effizienter nutzen und durch die zusätzlichen Bestellungen mehr Absatz generieren – so ganz «nebenbei»! Fazit Die Beispiele zeigen: Das Bedürfnis nach «Home Delivery» ist längst nicht gestillt, und die Möglichkeiten für die Lancierung eines zusätzlichen Dienstleistungszweiges namens «Home Delivery» sind gerade auch in der Gastronomie sehr vielfältig. Die Bestellungen verlagern sich je länger je mehr ins WWW, weg vom Telefon und vom Pizza-Flyer im Briefkasten. Vielmehr sind Kooperationen mit externen Kurierdiensten und Plattformen sozusagen der Hofmeier’s www.hofmeiers.ch, [email protected] Restaurant Kurier GmbH www.mosi.ch, [email protected] Negishi Sushi Bar www.negishi.ch, [email protected] eat.ch GmbH www.eat.ch, [email protected] foodarena GmbH www.foodarena.ch, [email protected] 10/14