Die Situation der Beschäftigten in den ambulanten Pflegediensten

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Die Situation der Beschäftigten in den ambulanten Pflegediensten
Bericht > Ambulante Pflegedienste
Die Situation der Beschäftigten
in den ambulanten Pflegediensten
im Land Bremen
Arbeitnehmerkammer
Bremen
Die Situation der Beschäftigten
in den ambulanten Pflegediensten
im Land Bremen
Bericht
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ........................................................................................5
Zusammenfassung .........................................................................7
1
Einleitung...................................................................... 10
2
Die Pflegeversicherung ................................................... 15
2.1
Ziele und Funktion der Pflegeversicherung ...........................15
2.2
Die Leistungen der Pflegeversicherung.................................17
2.3
LeistungsempfängerInnen der Pflegeversicherung .................19
2.4
Die Finanzierungsgrundlagen der ambulanten Pflege.............23
3
Pflegebedarf und Pflegeinfrastruktur................................. 28
3.1
Die Pflegeinfrastruktur im Land Bremen ..............................29
3.2
Umstrukturierung in der Trägerlandschaft ............................33
3.3
Neue Herausforderungen durch aktuelle Änderungen
im Gesundheitswesen........................................................36
4
Die Pflegepersonen in der ambulanten Pflege .................... 38
4.1
Beschäftigtenzahlen und Qualifikation der Pflegekräfte
in Bremen........................................................................38
4.2
Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnisse der
Pflegekräfte in Bremen ......................................................42
4.2.1 Voll- und Teilzeitbeschäftigung ...........................................42
4.2.2 Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und
kapazitätsorientierte Arbeitszeiten .......................................47
4.2.3 Beschäftigung von Frauen und Männern in der
ambulanten Pflege ...........................................................49
4.3
Vergütung in der ambulanten Pflege....................................50
4.4
Arbeitslosigkeit bei Pflegeberufen im Land Bremen ...............53
4.5
Pflegearbeit: Berufliche und familiäre Frauenarbeit ...............55
4.6
Häusliche Pflege zwischen Familienarbeit, Caritas
und Dienstleistung ............................................................58
5
Arbeit und Gesundheit in der ambulanten Pflege ............... 63
5.1
Arbeitsschutz in der ambulanten Pflege ...............................65
5.1.1 Organisation des Arbeitsschutzes ........................................68
5.1.2 Beratung und Überwachung durch die staatliche
Gewerbeaufsicht ...............................................................70
5.2
Arbeitsunfähigkeit und Berufskrankheiten ............................72
5.3
Gesundheitliche Belastungen in der ambulanten Pflege......... 73
5.3.1 Gefährdungen durch Gestaltung und Einrichtung der
Arbeitsstätte .................................................................... 73
5.3.2 Gefährdungen durch physikalische, chemische und
biologische Einwirkungen .................................................. 74
5.3.3 Gefährdungen durch Gestaltung, Auswahl und Einsatz
von Arbeitsmitteln ............................................................ 75
5.3.4 Gefährdungen durch die Gestaltung von Arbeits- und
Fertigungsverfahren .......................................................... 76
5.3.5 Gefährdungen durch unzureichende Qualifikation und
Unterweisung der Beschäftigten ......................................... 79
5.4
Lebensphasen und demografischer Wandel:
Schwangerschaft und Altern .............................................. 81
5.5
Ressourcen zur Bewältigung gesundheitlicher Risiken........... 83
6
Ausbildung und Berufsbild ...............................................84
6.1
Pflegeberufe in der ambulanten Pflege ................................ 86
6.2
Herausforderungen an ein neues Berufsbild in der
ambulanten Pflege............................................................ 88
7
Fazit: Folgerungen für eine Weiterentwicklung
des Pflegegesetzes und die bremische Landespolitik ...........93
7.1
Perspektiven für die bremische Gesundheitswirtschaft .......... 93
7.2
Die Neubewertung der Pflege – eine gesellschaftliche
Herausforderung............................................................... 95
7.3
Qualitativ hochwertige Pflege ist menschenwürdige Pflege
unter humanen Arbeitsbedingungen – Forderungen .............. 97
Literatur ................................................................................... 100
Anhang .................................................................................... 104
5
Vorwort
Die Kommunen sind ein Garant der Daseinsvorsorge: Sie sind Träger
der Sozialhilfe und sollen auch die Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen sicherstellen.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stellt dies eine
wachsende Herausforderung dar. Es wird in den Kommunen mehr alte
und pflegebedürftige Menschen geben, die auf fremde Hilfe angewiesen
sind. Gleichzeitig sind sowohl die Pflegekassen als auch die Kassen der
kommunalen Sozialhilfeträger – beide kommen für die Finanzierung von
Pflegeleistungen in Frage – leer. Grund hierfür sind unter anderem die
Massenarbeitslosigkeit und die damit sinkenden Beiträge zur Sozialversicherung.
Bremen als finanziell notleidendes Land muss daher die Entwicklung
bei der Pflegebedürftigkeit von Menschen besonders aufmerksam verfolgen. Themen wie z.B. die Förderung von ambulanten vor stationären
Versorgungsformen sind daher auch auf kommunaler Ebene als strategische Steuerungsaufgabe anzunehmen, wenn steigende Kosten für die
Sozialhilfe abgewendet werden sollen.
In Bremen erhalten derzeit knapp 20 000 Menschen Leistungen nach
dem Pflegeversicherungsgesetz. Nahezu 3 000 Pflegekräfte arbeiten
derzeit im ambulanten Bereich, mehr als 4 000 in der stationären Pflege. Mit 40 Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich ist die ambulante Pflege damit von hoher wirtschaftlicher und beschäftigungspolitischer Bedeutung.
Ob in stationären oder ambulanten Pflegeeinrichtungen: die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten haben sich in den vergangenen Jahren
kontinuierlich verschlechtert. Und dies in einem Erwerbsbereich – hier
arbeiten hauptsächlich Frauen – der mit seinen hohen Anforderungen
immer schon schlechter gestellt war als andere Bereiche. Die „Abwärtsspirale“ bei den Arbeitsbedingungen muss gestoppt werden – im Interesse der Pflegbedürftigen aber auch im Interesse der Beschäftigten.
6
Eine Reform der Pflegeversicherung steht nicht zuletzt deshalb an. Sie
allein unter finanziellen Aspekten anzugehen, greift indes zu kurz.
Vor allem der kommunalen Ebene wird hier eine entscheidende Aufgabe
zuwachsen: Neue Konzepte und Strukturen (z.B. Wohngruppen und
Wohnformen) müssen erprobt und umgesetzt werden, Angebote zur
Prävention und Beratung müssen weiterentwickelt und koordiniert
werden.
Bremen verfügt bereits über ein Potenzial an ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungseinrichtungen, das aber noch ausbaufähig ist. Die Ansiedlung von Pflege- und Altersheimen im Bremer
„Speckgürtel“ weist zugleich darauf hin, dass diesbezüglich auch in
Bremen noch weitere Anstrengungen zur Verbesserung des Angebotes
nötig sind. Zugleich bietet Bremen durch seine Struktur und Überschaubarkeit die Möglichkeit modellhaft und zukunftsweisend Möglichkeiten zur Gesundheitsversorgung zu entwickeln.
Die „Stadt“ ist nicht nur für junge Menschen ein attraktiver Wohnort.
Gerade für ältere Menschen ist die städtische Infrastruktur eine Möglichkeit der Teilhabe und kann helfen, ein möglichst selbständiges und
selbstbestimmtes Leben zu führen. Ein gutes Versorgungsangebot, eine
hochwertige Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur ist dabei ein entscheidender Faktor für die Attraktivität der Städte Bremen und
Bremerhaven.
Die vorliegende Broschüre soll eine Grundlage für die Auseinandersetzung der kommunalen Akteure mit dem Bereich der ambulanten
Pflege sein. Sie will die Auseinandersetzung mit dieser Zukunftsbranche
fördern, die Chancen und Risiken benennen, die dort anzutreffen sind.
In diesem Sinne wünsche ich eine anregende und informative Lektüre.
Dr. Hans-L. Endl
Geschäftsführer Arbeitnehmerkammer Bremen
7
Zusammenfassung
In dem vorliegenden Bericht wird erstmals für das Land Bremen die
Situation der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten dargestellt.
Diese Dienstleistung ist ein relativ junger Zweig innerhalb der Gesundheitswirtschaft, die sich seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr
1995 etabliert und innerhalb weniger Jahre in Folge von Reformgesetzen und Neuordnungen der Gesundheitsversorgung einen gewaltigen
Strukturwandel vollzogen hat. Aufgrund des demografischen Wandels
unserer Gesellschaft und des gesundheitspolitischen Grundsatzes „ambulant vor stationär“, der explizit als Steuerungsleitlinie bremischer Altenpolitik formuliert wird, ist davon auszugehen, dass sich der Bedarf
an ambulanten Dienstleistungen weiter erhöhen wird.
Um die Rahmenbedingungen und den Versorgungsbedarf in Bremen
aufzuzeigen, geht es zunächst darum, die Funktion der Pflegeversicherung, gesetzliche Vorgaben, Versorgungsbedarfe und Pflegeinfrastruktur
darzustellen. Derzeit werden im Land Bremen von den etwa 19.000
Pflegebedürftigen knapp 5.400 durch rund 120 ambulante Pflegedienste mit etwa 3.000 Beschäftigten pflegerisch versorgt. Damit hat sich
dieser Dienstleistungssektor seit Einführung der Pflegeversicherung im
Jahr 1995 vervierfacht. Zahlenmäßig überwiegen bei den Diensten
zwar die privaten Träger, gemessen an den versorgten Pflegebedürftigen
und Beschäftigten, stellen allerdings die freigemeinnützigen Betriebe die
weitaus größeren Einrichtungen dar.
Die ambulante Pflege ist ein Frauenarbeitsbereich, 85 Prozent der Beschäftigten sind weiblich. Weitere Kennzeichen: ungünstige Arbeitszeiten, wie Wochenend-, Teil- und Schichtarbeit. Die Tätigkeiten sind häufig schlecht bezahlt, unzureichend abgesichert und bieten kaum Karrierechancen. Obwohl Männer in den Pflegeberufen deutlich unterrepräsentiert sind, stellen sie einen höheren Anteil in Leitungspositionen als
Frauen. Daher müssen selbst innerhalb dieses „typischen“ Frauenar-
8
beitsbereiches Frauen gezielt gefördert beziehungsweise Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet werden. Derzeit arbeiten weniger als 25 Prozent aller
Beschäftigten in Vollzeit, über 50 Prozent in Teilzeit. Diese Entwicklung
muss hinsichtlich der besonderen Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen in diesem Bereich kritisch betrachtet werden.
Durch den starken Wettbewerb unter den Diensten, die viel zitierte
„Pflege im Minutentakt“ als ein Ergebnis der Rationalisierung der ambulanten Pflege unter den Bedingungen des Pflegeversicherungsgesetzes,
den begrenzten Finanzmitteln und einem veränderten Nachfrageverhalten ist eine deutliche Arbeitsverdichtung festzustellen. Die gesundheitlichen Belastungen für die Beschäftigten haben sich entsprechend erhöht. Daher ist der Handlungsbedarf hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für die Beschäftigten in der ambulanten Pflege von
zunehmender Bedeutung. Abbau versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, Outsourcing, Privatisierung, Neustrukturierung der
Anbieter und Konzentrationsprozesse verschärfen den Wettbewerb, wirken sich zu Ungunsten der Beschäftigten aus und mindern die Attraktivität des Berufes.
Neue Anforderungen an die Pflegeberufe entstehen durch die Veränderungen in der Versorgungslandschaft. Dies bezieht sich auf Anleitung,
Schulung und Beratung von PatientInnen und pflegenden Angehörigen,
was eine hohe Fachkompetenz voraussetzt. Daher stellen eine fundierte
und umfassende dreijährige Ausbildung sowie regelmäßige Fort- und
Weiterbildungen wichtige Voraussetzungen dar, um diese Herausforderungen meistern zu können. Daneben sind niedrigschwellige Einstiege
zur Qualifizierung, Möglichkeiten zur Nachqualifizierung von HelferInnen zu Fachkräften und eine durchlässige Ausbildungsstruktur notwendig, um den spezifischen Bedarfen von Frauen Rechnung zu tragen.
9
Der vorliegende Bericht stellt eine erste Problemanalyse dar und zeigt
Ansätze zur Entwicklung einer qualitativ guten Pflege unter humanen
Arbeitsbedingungen auf. Das Pflegeversicherungssystem und seine Finanzierung müssen in einem gesellschaftspolitischen Diskurs neu bestimmt werden. Eine notwendige finanzielle Reform zum Ausbau ambulanter Versorgungskonzepte darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten in den Pflegediensten ausgetragen werden.
Neben den bundespolitisch vorgegebenen Rahmenbedingungen gibt es
aus landespolitischer Sicht eine Reihe möglicher Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Bremen. Bremen verfügt bereits über ein Potenzial an
ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungseinrichtungen,
das ausbaufähig ist. Vorhandene Angebote sind – in Kooperation mit
der Wohlfahrtspflege und privaten Anbietern – weiterzuentwickeln und
Möglichkeiten für die Neuansiedlung von Dienstleistungsunternehmen
zu schaffen. Zugleich bietet Bremen durch seine Struktur und Überschaubarkeit die Möglichkeit, modellhafte und zukunftsweisende Projekte der gesundheitlichen Versorgung zu entwickeln.
Angesichts der demografischen Entwicklung gilt es insbesondere für ältere Menschen die Nachfrage und Angebote an Dienstleistungen weiter
zu entwickeln. „Stadt“ kann sowohl für junge als auch ältere Menschen
attraktiv sein. Eine hochwertige Gesundheitsinfrastruktur ist dabei ein
entscheidender Faktor für die Attraktivität einer Stadt.
10
1
Einleitung
Verschiedene Gründe haben in den letzten Jahren die Arbeitnehmerkammer Bremen 1 veranlasst, sich mit Aspekten und Problemlagen der
Beschäftigung im stationären und ambulanten Gesundheitswesen zu
befassen (Wienberg 2004, Linke 2004, Bury 2001, Marstedt 1993).
Im Gesundheitsbereich und insbesondere in den ambulanten Diensten
ist die Zahl der Beschäftigten in den letzten Jahren gestiegen, womit
dieser Sektor zu den personenbezogenen Dienstleistungen zählte, der
noch bis Ende der 1990er Jahre ein Wachstum der Beschäftigung zu
verzeichnen hatte. Die mit Abstand größte Gruppe bei den Beschäftigten stellen die MitarbeiterInnen aus den Pflegeberufen. Die meisten Beschäftigten sind Angestellte und weiblich. Im personenbezogenen
Dienstleistungsbereich nimmt der Gesundheits- und Sozialpflegesektor
gut ein Drittel ein und der Gesundheitsbereich gilt als Hoffnungsträger
für Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum. Dieser Tatsache trägt
das Land Bremen mit der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe “Förderung der Gesundheitswirtschaft” Rechnung, die seit Jahren besteht.
Die in den letzten Jahren verabschiedeten Reformgesetze und Neuordnungen zur Gesundheitsversorgung haben die Strukturen und Angebote
in der medizinisch-pflegerischen Versorgung nachhaltig verändert. Der
gesamte Gesundheitsbereich befindet sich derzeit in einem Prozess
grundsätzlicher Neuverteilungen und Umstrukturierungen, was dazu
führt, dass die einzelnen Einrichtungen, Unternehmen und wohlfahrtsverbandlichen Institutionen einen gewaltigen Strukturwandel zu bewältigen haben. Auf der Versorgungsseite hat insbesondere die Einführung
der Pflegeversicherung nachhaltige Impulse gegeben und Veränderungen bewirkt. Während vor wenigen Jahren noch von einem stetigen
1
Am 1.1.2001 haben sich Angestelltenkammer und Arbeiterkammer zur Arbeitnehmerkammer Bremen zusammengeschlossen.
11
Wachstum im Gesundheitswesen und insbesondere bei den pflegerischen Versorgungssystemen ausgegangen wurde, werden aktuell auch
in diesem Bereich wirtschaftliche Probleme offenkundig. Ökonomische
Fragestellungen, wie sozialversicherungsrelevante Finanzierungsgrundlagen und Kosten-Nutzen-Rechnungen gewinnen zunehmend an Bedeutung und bestimmen quantitative sowie qualitative Leistungserbringung.
Darüber hinaus weist der Bereich der pflegerischen Versorgung – einem
typischen Frauenarbeitsbereich – eine Reihe für die Beschäftigten relevanter Probleme auf: Häufig sind die Beschäftigungsverhältnisse
schlecht bezahlt, nur unzureichend abgesichert und bieten kaum Karrierechancen.
Der demografische Wandel unserer Gesellschaft führt auch in Bremen
zu einem stetig anwachsenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Mehr als 129.000 Menschen, die älter als 65 Jahre sind
(19,5 Prozent) 2 , leben heute im Land Bremen. In den nächsten Jahren
wird diese Altersgruppe stetig anwachsen und mit zunehmendem Alter
werden auch deren Hilfe- und Pflegebedarfe steigen. Die 1995 eingeführte Pflegeversicherung wurde unter anderen mit dem erklärten politischen Ziel verabschiedet, das Pflegeangebot quantitativ und qualitativ
zu steigern, um damit eine Lücke im sozialen Sicherungssystem zu
schließen und eine Grundsicherung bei Pflegebedürftigkeit zu gewährleisten.
Derzeit werden im Land Bremen knapp 5.400 Menschen nach dem
SGB XI (Pflegeversicherungsgesetz) durch rund 120 ambulante Pflegedienste mit etwa 3.000 Beschäftigten pflegerisch versorgt. Der Anteil
der Pflegekräfte im ambulanten Bereich macht nahezu 40 Prozent aller
Beschäftigten in der Pflege aus, womit zwar der stationäre Bereich dominiert, aber die ambulante Pflege sich zu einem wichtigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Sektor in Bremen entwickelt hat.
2
Statistisches Landesamt Bremen, Bevölkerungsstand am 31.12.2003.
12
Bezüglich der Situation der Pflegebedürftigen sind in den letzten Jahren
von den Medien vor allem Qualitätsmängel des Pflegeangebotes und betrügerische Abrechnungen aufgegriffen worden. Dagegen haben Beschäftigungseffekte, Ausbildungsfragen und Verschlechterungen der Beschäftigungsverhältnisse durch zunehmend restriktive wirtschaftliche
Rahmenbedingungen nur wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Mit dem Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes am
1. Januar 2004 hat sich für viele ambulante Pflegedienste und deren
Beschäftigte die Situation zugespitzt. Die hohen Zuzahlungen, Ausgliederung von Leistungen, Neuregelungen zwischen den Zuständigkeiten
von Kranken- beziehungsweise Pflegeversicherung haben viele Menschen verunsichert und überfordern ihre finanziellen Möglichkeiten. Mit
zunehmender Arbeitslosigkeit und ökonomischen Einbußen ist für zusätzliche Dienstleistungen kaum Geld vorhanden. Die Pflege von Angehörigen wird daher in die Familie verlagert, um zusätzliche Ausgaben zu
vermeiden beziehungsweise weil das dadurch erlangte Pflegegeld im
Familienetat eingeplant ist.
Bislang liegt nur wenig Datenmaterial vor und es werden kaum Studien
durchgeführt, welche die Auswirkungen der politischen Vorgaben und
ökonomischen Rahmenbedingungen auf den Bereich der ambulanten
Pflege transparent machen. Daher ist es an der Zeit, dies im Hinblick
auf die Entwicklung der Pflegeinfrastruktur sowie die Situation der Beschäftigten zu tun, um mögliche Problemlagen erkennen und deren Lösung angehen zu können. So weisen einige der bereits jetzt auffallenden
Strukturmerkmale auf eine beschäftigungspolitisch sensible Situation
mit hohem Konfliktpotential hin: Bei der ambulanten Pflege handelt es
sich um einen Frauenarbeitsbereich mit ungünstigen Arbeitszeiten, wie
Teil- und Schichtarbeit sowie einer Reihe an gesundheitlichen Belastungen; darüber hinaus gibt es einen hohen Anteil kleinbetrieblicher
Strukturen, die vor allem in einem zunehmenden Wettbewerb mit den
meist großen Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände in Konkurrenz ste-
13
hen. Sowohl die kleinen als auch die großen Betriebe sehen sich zunehmend restriktiv werdenden finanziellen Rahmenbedingungen ausgesetzt und es ist leicht vorstellbar, dass dieser Druck die Situation der
Beschäftigten nachhaltig beeinflusst. Einer aktuellen Studie zur Situation der ambulanten Pflege in Deutschland zufolge, leisteten die Beschäftigten ambulanter Pflegedienste im Jahr 2003 hochgerechnet etwa acht Millionen Überstunden und mehr als 80 Prozent aller befragten
Pflegedienste sehen sich in absehbarer Zeit in ihrer unternehmerischen
Existenz gefährdet (DIP 2004).
Neben den sozial- und gesundheitspolitischen Vorgaben und den von
Kostenträgerseite formulierten Rahmenbedingungen wirken sich aber
auch arbeitsorganisatorische, medizin- und pflegetechnische sowie
kommunikationstechnologische Veränderungen auf Arbeitsbedingungen
und Anforderungsprofile der Beschäftigten grundlegend aus. Im Interessengeflecht von Patientenwünschen, Pflegeeinstufung, Kassensätzen,
Trägervorgaben und betriebswirtschaftlichen Vorgaben werden vorhandene Problemlagen und Widersprüche nur zu oft auf dem Rücken der
betroffenen ArbeitnehmerInnen ausgetragen.
Für den hier vorliegenden Bericht wurde in erster Linie auf Daten des
Statistischen Landesamtes Bremen zurückgegriffen, die durch Literaturangaben ergänzt wurden. Erstmals wurden in einem Workshop im Februar 2000, an dem Beschäftigte aus bremischen ambulanten Pflegediensten teilnahmen, verschiedene Fragestellungen erörtert, die an
14
schließend in Einzel- und Informationsgesprächen mit VertreterInnen
aus der Alten- und Krankenpflege sowie mit ExpertInnen aus diesem
Bereich ergänzt und aktualisiert wurden 3 .
Es wäre wünschenswert, wenn künftig auf der Grundlage quantitativer
und qualitativer Erhebungen ein erweiterter Blick auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und ihrer gesundheitlichen Situation in der
ambulanten Pflege in Bremen und bundesweit möglich wäre. Auf der
Basis einer gezielten Problemanalyse könnten systematisch Lösungsansätze formuliert und umgesetzt werden, um zu einer Verbesserung der
Situation zu kommen. Der vorliegende Bericht stellt einen ersten Schritt
in diese Richtung dar.
3
Viele Kolleginnen und Kollegen aus ambulanten Diensten und Expertinnen und
Experten aus verschiedenen Institutionen haben uns bei unseren Recherchen
zur Situation der Beschäftigten unterstützt und Hinweise gegeben. Da ein
Großteil namentlich nicht genannt werden wollte, verzichten wir auf die Nennung einzelner Personen. Es sei allen an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.
15
2
Die Pflegeversicherung
Im Folgenden geht es darum, die Funktion und Leistungen der Pflegeversicherung als wichtigen Motor für die Veränderungen innerhalb der
ambulanten Pflege zu erläutern. Zur Darstellung der Situation der
LeistungsempfängerInnen werden entsprechende Daten für das Land
Bremen vorgestellt, sowie die finanziellen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung.
2.1
Ziele und Funktion der Pflegeversicherung
Die ambulante Pflege ist in Deutschland mit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes (Pflege VG SGB XI) zum 1. Januar 1995 in das
Blickfeld der breiten Öffentlichkeit gerückt. Dieses Gesetz, welches als
eigenständiger Zweig die so genannte fünfte Säule des Sozialversicherungswesens darstellt, war Teil des Versuches, die „Kostenexplosion“
im Gesundheitswesen mit gesetzlich verordneten Sparmaßnahmen in
den Griff zu bekommen. Durch die Gründung von Pflegekassen wurden
die Krankenkassen von Kosten für Pflege außerhalb der Akutbehandlung
und die Sozialhilfeträger von Zahlungen bei pflegebedingter Sozialhilfeabhängigkeit entlastet. Seit dem 1. April 1995 erhalten Versicherte
Leistungen bei häuslicher Pflege, bei stationärer Pflege seit dem 1. Juli
1996. Der im Gesetz formulierte Vorrang der häuslichen Pflege entspringt sowohl ökonomischen als auch sozialen Motiven. Die Versorgung Pflegebedürftiger durch deren soziales Netz ist zum einen – auch
mit Unterstützung durch Pflegedienste – kostengünstiger als eine vollstationäre Unterbringung. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass
die meisten Pflegebedürftigen lieber in ihrer häuslichen Umgebung als
in einer Einrichtung versorgt werden wollen.
Rund 97 Prozent aller Bundesbürger erhielten durch die Einführung des
Pflegeversicherungsgesetzes einen Versicherungsschutz bei Pflegebedürftigkeit, den es vorher in dieser Art nicht gab. Im Jahr 2002 waren
16
in der Bundesrepublik insgesamt etwa 71 Millionen Personen in der sozialen Pflegeversicherung und rund 9 Millionen Personen in der privaten
Pflege-Pflichtversicherung abgesichert (RKI 2004).
Im Vergleich zu den Konstruktionen der bereits bestehenden sozialen
Sicherungssysteme zeichnet sich die Pflegeversicherung durch einige
Besonderheiten aus. Sie stellt lediglich eine „Grundabsicherung“ bei
Pflegebedürftigkeit dar, die Leistungen bei einem Mindestbedarf standardisierter Hilfestellungen bis zu einer Obergrenze bietet. Ob eine pflegebedürftige Person Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz
erhält, richtet sich nach dem durch die Medizinischen Dienste der
Krankenkassen (MDK) ermittelten Pflegebedarf. Der nicht abgedeckte
Bedarf muss durch Eigenleistungen, Angehörige oder Sozialhilfe gedeckt
werden. Hinsichtlich der Zuständigkeiten im Bereich der ambulanten
Pflege wurden die Kompetenzen der Länder- und Kommunalverwaltungen erheblich begrenzt, während die Pflegekassen und die Medizinischen Dienste der Krankenkassen weitgehende Befugnisse erhielten.
Die Ausdehnung des ambulanten Pflegemarktes war mit Einführung der
Pflegeversicherung intendiert und die Wohlfahrtsverbände mit ihrer traditionellen Vorrangstellung im Bereich der häuslichen Alten- und Krankenpflege erhielten Konkurrenz durch privat gewerbliche Anbieter.
Neben den Leistungen zur häuslichen Pflege über die Pflegeversicherung können Leistungen zur so genannten häuslichen Krankenpflege
auch über die Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) finanziert werden. Dabei wird zwischen der Sicherungspflege und der Krankenhausvermeidungspflege unterschieden. Die Sicherungspflege wird eingesetzt,
um das Ziel einer ärztlichen Behandlung im Rahmen häuslicher Pflege
zu sichern, während die Krankenhausvermeidungspflege dazu dient, einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden, zu verkürzen oder ganz zu
ersetzen. Die häusliche Krankenpflege bedarf einer ärztlichen Verordnung, die sich nach den seit dem Jahr 2000 vorliegenden Richtlinien
17
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen 4 zu orientieren
haben.
2.2
Die Leistungen der Pflegeversicherung
Die Leistungen der Pflegeversicherung variieren nach drei Pflegestufen.
Zudem wird unterschieden, ob sie ambulant, das heißt zu Hause in Anspruch genommen werden oder ob es sich um stationäre Leistungen
handelt. Werden Leistungen zur ambulanten Pflege in Anspruch genommen, können Pflegebedürftige zwischen Pflegesachleistungen oder
Pflegegeld wählen. Pflegegeld wird gezahlt, wenn die häusliche Pflege
mit Hilfe der Familie oder anderen Laienhelfern organisiert wird. Pflegesachleistungen werden zur Finanzierung von Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes eingesetzt. Die Differenz zwischen Pflegegeld und
Pflegesachleistungen beträgt je nach Pflegestufe bis zu über 700 Euro
zu Gunsten der Finanzierung professionell erbrachter Leistungen (vgl.
Tabelle 1). Es ist auch möglich, Pflegesachleistung und Pflegegeld zu
kombinieren.
Im Rahmen stationärer Pflege werden Leistungen als Zuschuss zu den
Heimkosten in Abhängigkeit von der Höhe der bewilligten Pflegestufe
erbracht. Für die darüber hinausgehenden Kosten müssen die Pflegebedürftigen selbst aufkommen, beziehungsweise werden diese vom Sozialhilfeträger übernommen. Statt Leistungen zur häuslichen oder vollstationären Versorgung können auch – ebenfalls in Abhängigkeit von der
Pflegestufe – Leistungen zur teilstationären Pflege in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus ist es möglich, einmal im Jahr einen Zuschuss zur Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu beantragen.
4
Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die
Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr.6 und
Abs. 7 SGB V.
18
Tabelle 1: Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick (RKI 2004)
Art der Leistung
Pflegestufe
I
II
III
(Euro)
(Euro)
(Euro)
Häusliche Pflege (monatlich)
Pflegesachleistung (Pflegedienst)
Pflegegeld (pflegende Angehörige)
384
921
1.432
205
410
665
Vollstationäre Pflege (monatlich)
1.023
1.279
1.432
Teilstationäre Pflege (monatlich)
384
921
1.432
1.432
1.432
1.432
Kurzzeitpflege (jährlich)
Dieses abgestufte Finanzierungssystem der Pflegeversicherung bringt für
die Versorgung der Pflegebedürftigen und die Bedingungen der ambulanten professionellen Versorgung eine Reihe von Problemen. So sieht
dieses Finanzierungsmodell beispielsweise in der Pflegestufe I lediglich
38 Prozent des Betrages, welcher in der vollstationären Pflege gewährt
wird, als Pflegesachleistung vor. Für eine umfassende Versorgung durch
einen professionellen Pflegedienst reicht dieser Betrag jedoch meist
nicht aus, weshalb Angehörige oftmals ohne fachliche Unterstützung
die häusliche Pflege sicherstellen müssen.
19
2.3
LeistungsempfängerInnen der Pflegeversicherung
Die Anzahl der LeistungsempfängerInnen in Bremen ist innerhalb der
letzten Jahre leicht ansteigend. Im Jahr 1999 wurden 17.143 Pflegebedürftige gezählt, im Jahr 2001 waren es 18.711 und Ende 2003
waren es 18.946 Menschen, die Pflegeversicherungsleistungen erhalten
haben (Statistisches Jahrbuch Bremen 1999, 2001, 2003). Dabei
nimmt der größte Anteil, nämlich mehr als 40 Prozent Pflegegeldleistungen in Anspruch, während mit jeweils knapp 30 Prozent Pflegesachleistungen (und damit ambulante Pflegedienste) sowie stationäre Pflege
in Anspruch genommen wird. Die Anzahl an BezieherInnen von Geldleistungen ist im Jahr 2003 im Vergleich zu den Vorjahren leicht rückläufig, während er in der stationären Pflege etwas zugenommen hat
(vgl. Abbildung 1, Tabelle A1 siehe Anhang).
10.000
1999
2001
2003
8.000
6.000
4.000
2.000
Pflegegeld
(pflegende
Angehörige)
Pflegesachleistung Stationäre Pflege
(Pflegedienst)
Abbildung 1: Anzahl der LeistungsempfängerInnen der Pflegeversicherung im
Land Bremen von 1999, 2001 und 2003 hinsichtlich der Verteilung nach
Pflegeleistungen (Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003;
EmpfängerInnen von Kombinationsleistungen sind bei den EmpfängerInnen von
Pflegesachleistungen und Leistungen zur stationären Pflege mit berücksichtigt)
20
Hinsichtlich der Verteilung nach Leistungsarten und Pflegestufen fällt
auf, dass die meisten EmpfängerInnen von Geldleistungen in der Pflegestufe I eingestuft sind. Darüber hinaus hat sich bei den PflegegeldempfängerInnen die Anzahl derjenigen mit der Pflegestufe II zwischen
den Jahren 1999 und 2003 verringert. In der stationären Pflege überwiegen dagegen erwartungsgemäß die Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen der Pflegestufen II und III. Dabei hat sich seit dem Jahr 1999
vor allem die Anzahl der LeistungsempfängerInnen der Pflegestufe III
erhöht. Bei den EmpfängerInnen von Pflegesachleistungen, die also
ambulante Pflegedienste in Anspruch nehmen, hat sich in erster Linie
die Anzahl derjenigen in Pflegestufe I und auch leicht die Anzahl derjenigen aus Pflegestufe III erhöht (vgl. Tabelle 2).
21
Tabelle 2: Anzahl der LeistungsempfängerInnen im Rahmen der Pflegeversicherung nach Leistungsarten und Pflegestufen im Land Bremen,
in den Jahren 1999, 2001 und 2003 (Statistisches Landesamt Bremen 1999,
2001, 2003; EmpfängerInnen von Kombinationsleistungen sind bei den
EmpfängerInnen von Pflegesachleistungen und Leistungen zur stationären
Pflege mit berücksichtigt)
Pflegestufe
keine
Angabe
I
II
III
1999
4.205
3.105
629
2001
5.005
3.002
742
2003
4.904
2.624
634
1999
2.162
1.847
536
2001
2.542
1.897
589
2003
2.876
1.863
634
1999
1.167
2.219
1.070
203
2001
1.237
2.237
1.311
149
2003
1.495
2.329
1.464
123
Pflegegeldleistung
(pflegende Angehörige)
Pflegesachleistung
(Pflegedienst)
Stationäre Pflege
Vergleicht man die Daten über die LeistungsempfängerInnen in Bremen
mit den Bundesdaten, zeigen sich einige wenige Unterschiede.
Hinsichtlich der Einteilung in Pflegestufen liegt der Anteil derjenigen in
Pflegestufe III in Bremen mit knapp 15 Prozent etwa zwei Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt, der 13 Prozent beträgt (vgl.
Abbildung 2).
22
Land Bremen
Deutschland
50%
Bremen:
N = 18.823*
Deutschland:
N = 2.076.935
40%
30%
20%
10%
0%
Pflegestufe I
Pflegestufe II
Pflegestufe III
*Die fehlenden 123 LeistungsempfängerInnen waren zum Zeitpunkt der Erhebung
noch keiner Pflegestufe zugeordnet.
Abbildung 2: Prozentuale Verteilung der LeistungsempfängerInnen nach Pflegestufen im Land Bremen und in Deutschland im Jahr 2003 (Statistisches
Landesamt Bremen 2003, Statistisches Bundesamt 2005a)
Bei der Verteilung der LeistungsempfängerInnen nach Leistungsarten
unterscheidet sich Bremen vom Bundesdurchschnitt insofern, dass im
Vergleich zum Pflegegeld und der stationären Pflege etwas mehr Pflegesachleistung, also professionelle Pflegedienste in Anspruch genommen
werden. In Bremen sind es etwa 28 Prozent aller LeistungsempfängerInnen, während es bundesweit nur etwa 22 Prozent sind (vgl.
Abbildung 3).
23
Land Bremen
Deutschland
50%
Bremen:
N = 18.946
Deutschland:
N = 2.076.935
40%
30%
20%
10%
0%
Pflegegeld
(pflegende
Angehörige)
Pflegesachleistung
(Pflegedienst)
Stationäre
Pflege
Abbildung 3: Prozentuale Verteilung der LeistungsempfängerInnen nach
Leistungsarten im Land Bremen und in Deutschland im Jahr 2003
(Statistisches Landesamt Bremen 2003, Statistisches Bundesamt 2005a)
2.4
Die Finanzierungsgrundlagen der ambulanten Pflege
Die Pflegesätze aller Leistungsbereiche werden auf Grundlage der in der
Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (LAG) verhandelten
Steigerungsraten jährlich fortgeschrieben. Allerdings steht die gesamte
Sozial- und damit auch Finanzierungspolitik in Bremen unter der Zielvorgabe der Sanierung der Landesfinanzen. Dieser Aufgabe haben sich
aus Landessicht offensichtlich alle inhaltlichen und fachlichen Fragestellungen unterzuordnen. Daher werden unter anderem für die Leistungen des SGB XI von den Wohlfahrtsverbänden, dem Sozialsenator und
den Pflegekassen Rahmenvereinbarungen über eine Null-Fortschreibung
der Pflegesätze angestrebt. Im Jahr 2000 wurde die Vereinbarung von
einigen Wohlfahrtsverbänden – u.a. den im Paritätischen zusammengeschlossenen – nicht unterschrieben, mit der Begründung, dass die NullFortschreibung der Pflegesätze eine faktische Entgeltabsenkung bedeute
24
und bestehende Versorgungsstandards gefährde (Paritätischer Wohlfahrtsverband Bremen e.V. 2000).
Für die häusliche Krankenpflege wurde zwischen 2001 und 2003 eine
Erhöhung der maximalen Punktwertbemessung von 0,0327 Euro auf
0,0373 Euro verhandelt. Im Vergleich mit den anderen westdeutschen
Ländern liegt Bremen damit in der Vergütungshöhe auf einem der hinteren Plätze (Deutscher Bundestag 2004, siehe Anhang). Der Paritätische
Wohlfahrtsverband stellte bereits im Jahr 2000 kritisch fest: „Da aber
eine Stunde häuslicher Pflege nur mit 43,80 DM vergütet wird, können
Pflegekräfte auch weiterhin nur relativ schlecht bezahlt werden. Zusammen mit den schlechten Arbeitsbedingungen in der häuslichen Pflege (hohe körperliche und psychische Belastung, häufig geteilte Arbeitszeit und Wochenenddienste) hat dies zu einem Pflegekräftemangel geführt, der in Zukunft zu einem Pflegeengpass führen kann.“ (Paritätischer Wohlfahrtsverband Bremen e.V. 2000, S. 35).
Bei der Finanzierung und Zuordnung der Kosten muss differenziert werden zwischen:
x
so genannten behandlungspflegerischen Leistungen; hierbei handelt es sich um ärztlich angeordnete Leistungen nach SGB V –
Krankenversicherung (finanziert durch die Krankenkassen, theoretisch unbegrenzte Leistungsgewährung möglich, vgl. Kasten) und
x
Leistungen nach SGB XI – Pflegeversicherung (finanziert durch die
Pflegekassen, nach festgesetzten Leistungskatalog und Punktesystem).
Im Gegensatz zu allen anderen Sozialversicherungsgrundsätzen wurde
die Pflegeversicherung als „gedeckeltes” Leistungsangebot konzipiert.
25
Verordnung pflegerischer Leistungen durch ÄrztInnen
Pflegebedürftigkeit und damit die Bewilligung von Leistungen der
Pflegeversicherung werden durch den Medizinischen Dienst der
Krankenkassen (MDK) festgestellt. Dagegen wird die häusliche
Krankenpflege durch den behandelnden Arzt beziehungsweise
Ärztin verordnet, was wiederum durch die zuständige Krankenkasse
genehmigt werden muss. Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege
besteht nur, wenn keine der im Haushalt lebenden Personen die
Betroffenen im erforderlichen Umfang pflegen und versorgen
können. Hierzu gelten gesonderte Bestimmungen, die sowohl bei
ÄrztInnen, Pflegebedürftigen und deren Angehörigen für Unsicherheiten sorgen, was häufig zu Verzögerungen und damit zu einer
unzureichenden pflegerischen Versorgung führen kann.
Aufgrund solcher Verzögerungen übernehmen Pflegedienste häufig
Pflegeleistungen trotz ungesicherter Finanzierungszusagen. Zusätzlich müssen dabei von den Diensten unbezahlte Beratungsleistungen für die Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und verordnenden
ÄrztInnen im Vorfeld erbracht werden. Daher wäre eine entsprechende Weiterbildung der ÄrztInnen sowie eine Vereinfachung der
Leistungsregelung sinnvoll.
Die Ausgaben für Leistungen der Pflegeversicherung beliefen sich im
Jahr 2004 bundesweit auf etwa 17,7 Mrd. Euro. Davon wurde nahezu
die Hälfte, nämlich 47 Prozent (8,35 Mrd. Euro) für die stationäre Pflege verwendet, während für Pflegesachleistungen zur Finanzierung von
Pflegediensten lediglich etwa 13 Prozent (2,37 Mrd. Euro) ausgegeben
wurden (vgl. Abbildung 4).
26
Ausgaben in Mrd. Euro
stationäre
Pflege
8,35
Pflegegeld
4,08
Pflegesachleistung
(Pflegedienst)
2,37
soz. Sicherung
Pflegeperson
0,93
Urlaubs-, Tages-,
Nachtpflege
0,47
Pflegehilfsmittel
0,34
Verwaltungskosten
0,87
0
2
4
6
8
10
Abbildung 4: Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung in Deutschland nach
Leistungsarten in Mrd. Euro im Jahr 2004 5 .
5
www.bmgs.bund.de/downloads/03-Die_Finanzentwicklung_der_sozialen_
Pflegeversicherung.pdf. Diese Daten liegen ausschließlich für das gesamte
Bundesgebiet vor und werden nicht für die Länder getrennt erhoben.
27
Um Leistungen nach dem SGB V und SGB XI abrechnen zu können,
müssen Pflegedienste mit den Pflege- und Krankenkassen Verträge abschließen. In diesen Verträgen werden die Einzelheiten der Versorgung
sowie die Preise und Abrechnungsmodalitäten geregelt. In der Regel
haben die Pflegedienste einen Versorgungsvertrag für Leistungen der
Pflegeversicherung und der häuslichen Krankenpflege, so dass eine erforderliche Versorgung auch im Fall verschiedener Leistungsträger aus
einer Hand erbracht werden kann. Daraus erklärt sich auch der hohe
Anteil an Fachkräften in den ambulanten Pflegediensten, die in der Regel die behandlungspflegerischen, also nach SGB V abzurechnenden
Leistungen erbringen. Die Abrechnung von Pflegeleistungen nach SGB
XI erfolgt, indem differenziert festgelegte Punktwerte für pflegerische
und hauswirtschaftliche Leistungen bewilligt und in Rechnung gestellt
werden können.
Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Verschiebung von Kosten
zwischen den Leistungsträgern für die Einrichtungen ein erhebliches
Problem darstellt. So wurde in den letzten Jahren eine zunehmende
Splittung von Pflegeleistungen betrieben, die dann den jeweiligen Kostenträgern zuzuordnen ist. Während zum Beispiel Maßnahmen wie die
Körperpflege bei einer Pflegeeinstufung über die Pflegeversicherung abzurechnen sind, muss eine solche Versorgung in Folge einer Erkrankung
oder Operation über die Krankenversicherung abgerechnet werden. Zudem wurden im Rahmen der Gesundheitsreformgesetze Leistungen der
häuslichen Krankenpflege aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen
gestrichen.
28
3
Pflegebedarf und Pflegeinfrastruktur
Auch in Bremen führt der demografische Wandel zu einem stetig wachsenden Anteil älterer Menschen. Mehr als 129.000 Menschen leben
heute im Land Bremen, die älter als 65 Jahre sind und stellen mit 19,5
Prozent etwa ein Fünftel der Bevölkerung dar 6 . Obwohl ein hohes Alter
nicht zwangsläufig mit Pflegebedürftigkeit verknüpft sein muss, ist davon auszugehen, dass gemäß dem bundesweiten Trend auch in Bremen
eine jährliche Steigerung der Anzahl Pflegebedürftiger von etwa 0,8
Prozent bis 1,2 Prozent zu erwarten ist (Bremische Bürgerschaft
2005a).
Bundesweit waren im Jahr 2003 rund zwei Millionen Menschen im
Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) pflegebedürftig – die
Mehrheit waren Frauen (69 Prozent). Es werden nahezu drei Viertel der
Pflegebedürftigen (71 Prozent beziehungsweise 1,4 Mio.) in Deutschland zu Hause versorgt. Dabei braucht mehr als ein Drittel der Pflegbedürftigen rund um die Uhr Hilfe bei der Ernährung, Körperpflege und
Mobilisation (Statistisches Bundesamt 2005a).
Um der politischen Prämisse „ambulant vor stationär“ nachzukommen,
müssen einige Anstrengungen unternommen werden, da das Unterstützungspotential pflegender Angehöriger eher abnimmt. Gründe dafür liegen zum einen in der zunehmenden Anzahl von Ein-PersonenHaushalten, die nicht auf helfende MitbewohnerInnen zurückgreifen
können. Zudem sind Frauen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren, die
hauptsächlich Angehörigenpflege leisten, zunehmend erwerbstätig.
Wenige Jahre nach Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes ließ
sich bundesweit feststellen, dass der Pflegemarkt stark expandierte,
6
In der Stadt Bremen leben etwa 47.000 Menschen, die über 75 Jahre alt sind
(Statistisches Landesamt Bremen, Bevölkerungsstand am 31.12.2003).
29
insbesondere im ambulanten Bereich. Seitdem ist die Zulassung von
Pflegediensten nicht mehr an den regionalen Bedarf gekoppelt. Kranken- und Pflegekassen müssen alle Pflegedienste zulassen, die bestimmte Auflagen erfüllen. Auf dem Pflegemarkt stellen mittlerweile die
privat gewerblichen Anbieter mit mehr als der Hälfte aller ambulanten
Pflegedienste den größten Anteil. Durch die ungefähr verdoppelten finanziellen öffentlichen Mittel erfolgte eine deutliche Ausweitung und
Verbesserung der Pflegeinfrastruktur, die ein erhebliches Wachstum der
Beschäftigung in diesem Bereich mit sich brachte. Ende 2001 arbeiteten bei ambulanten Pflegediensten in Deutschland insgesamt etwa
190.000 Personen, im Jahr 2003 waren es 201.000 Beschäftigte. Die
Bedeutung der Versorgung Pflegebedürftiger durch ambulante Pflegedienste nimmt bundesweit weiterhin zu. Zwischen den Jahren 2001
und 2003 stieg die Zahl der ambulanten Versorgten um 15.000 (3,6
Prozent) (Statistisches Bundesamt 2005a, RKI 2004).
3.1
Die Pflegeinfrastruktur im Land Bremen
Mit der Pflegestatistik auf Basis des §109 Abs. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) wurden mit dem Stichtag 15. Dezember 1999
erstmals in den Ländern sowie bundesweit Pflegedaten erhoben, die in
zweijährigem Abstand aktualisiert werden. Mit Zustimmung der Länder
wurde per Rechtsverordnung eine einheitliche rechtliche Grundlage für
die Pflegestatistik geschaffen, um mithilfe regionalisierter Daten einen
Überblick zum Angebot und zur Nachfrage pflegerischer Versorgung zu
gewinnen.
Von den rund 19.000 LeistungsempfängerInnen im Land Bremen wurden im Jahr 2003 nahezu drei Viertel der Pflegebedürftigen zu Hause
betreut. Durch ambulante Dienste wurden etwa 28 Prozent (5.373) der
Pflegebedürftigen versorgt. Seit 1998 bieten zwischen 120 und 130
Pflegedienste privater und freigemeinnütziger Träger ambulante Pflege
an. Damit hat sich dieser Dienstleistungssektor mehr als vervierfacht,
30
da die Anzahl ambulanter Pflegedienste vor Einführung der Pflegeversicherung unter 30 Anbietern lag. Bis zum Jahr 2001 war eine Zunahme
der Dienste auf 128 zu verzeichnen, während ihre Anzahl im Jahr
2003 mit 116 Diensten in etwa wieder den Stand von 1998 erreicht
hat (vgl. Tabelle 3). Es bleibt abzuwarten, ob diese Entwicklung das
Zeichen einer Konsolidierung der Anzahl an Pflegediensten in Bremen
ist, oder ob es sich um einen Abwärtstrend beziehungsweise einen Konzentrationsprozess hin zu größeren Diensten handelt.
Tabelle 3: Anzahl der ambulanten Pflegedienste in Bremen (Stadt),
Bremerhaven und im Land Bremen in den Jahren 1995/96, 1998, 1999,
2001 und 2003 (Bremische Bürgerschaft 2001, Statistisches Landesamt
Bremen 1999, 2001, 2003)
Bremen
Bremerhaven
Land Bremen
1995/96*
20
7
27
1998
82
35
117
1999
97
29
126
2001
103
25
128
2003
92
24
116
*vor Einführung der Pflegeversicherung
In Bremen werden pro Pflegedienst im Schnitt 46 Pflegebedürftige betreut, das sind etwa vier mehr als im Bundesdurchschnitt. Dabei versorgt im Land Bremen ein freigemeinnütziger Dienst durchschnittlich
67, ein privater Dienst 33 Pflegebedürftige – im Bundesdurchschnitt
werden von privaten Trägern 32 und von freigemeinnützigen Trägern 56
Pflegebedürftige betreut (Statistisches Bundesamt 2005b). Damit wird
bereits deutlich, dass die freigemeinnützigen Dienste die größeren Un-
31
ternehmen darstellen, was sowohl bundesweit als auch für Bremen gilt
(vgl. Abbildung 6).
Die Anzahl der Beschäftigten in den Einrichtungen der ambulanten
Pflege stieg in den Jahren 1999 bis 2003 von 2.749 auf 2.974, das
heißt um etwa 8 Prozent an. Der Anteil an Frauen ist in dieser Pflegebranche erwartungsgemäß hoch und lag in diesem Zeitraum unverändert bei etwa 85 Prozent (vgl. Abbildung 5, siehe auch Tabelle A2, Anhang).
Männer
15%
N = 2.974
Frauen
85%
Abbildung 5: Prozentuale Verteilung weiblicher und männlicher Beschäftigter
bei den ambulanten Pflegediensten in Bremen im Jahr 2003 (Statistisches
Landesamt Bremen 2003)
Hinsichtlich der Trägerschaft sind im Jahr 2003 mehr als die Hälfte,
das heißt 69 Anbieter (59 Prozent) der ambulanten Pflegedienste privat
gewerblich. Die restlichen 47 Einrichtungen (41 Prozent) sind in freigemeinnütziger Trägerschaft, öffentliche oder kommunale Träger gibt es
im Land Bremen nicht (vgl. Abbildung 3, siehe auch Tabelle A3 im Anhang). Private Pflegedienste betreuen durchschnittlich weniger Pflegebedürftige als freigemeinnützige Anbieter und beschäftigen insgesamt
deutlich weniger Personal. Bei privaten Trägern waren im Jahr 2003
32
998 Personen (34 Prozent) und bei den freigemeinnützigen Anbietern
1.976 Personen (66 Prozent) beschäftigt (vgl. Abbildung 6).
privat gewerblich
freigemeinnützig
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Pflegedienste
Beschäftigte
Pflegebedürftige
Abbildung 6: Prozentuale Verteilung aller Pflegedienste in Bremen (N = 116),
deren Beschäftigte (N = 2.974) und betreute Pflegebedürftige (N = 5.373)
nach Trägerschaft im Jahr 2003 (Statistisches Bundesamt 2005b, Statistisches Landesamt Bremen 2003)
Die privaten Dienste sind damit deutlich kleinere Unternehmen, die im
Vergleich zu größeren Einrichtungen in Zeiten gesundheitspolitischer
Veränderungen möglicherweise flexibler reagieren können, aber auch in
wirtschaftlichen Krisenzeiten weniger Spielräume haben und mehr Unsicherheiten in Kauf nehmen müssen.
Stationär wurden im Land Bremen im Jahr 2003 mit 5.411 etwa ebenso viele Pflegebedürftige versorgt wie ambulant. Die Anzahl der Pflegeheime ist zwischen 1999 und 2001 von 71 auf 76 gestiegen und damit die zur Verfügung stehenden Heimplätze von 4.873 auf 5.118. Von
den Einrichtungen sind mit 54 Heimen die meisten unter freigemein-
33
nütziger Trägerschaft, 21 Heime werden von privaten Anbietern betrieben und eines steht unter öffentlicher Trägerschaft 7 . In den stationären
Einrichtungen sind im Jahr 2003 mit 7.449 Personen mehr als doppelt
so viele beschäftigt wie im ambulanten Bereich. Der Anteil der Frauen
dominiert auch hier mit knapp 85 Prozent (6.273 Frauen und 1.176
Männer).
Vor dem Hintergrund der desolaten Haushaltslage in Bremen und Bremerhaven hat der Senat erklärt, dass „Bremen die Entwicklungen bei
der Pflegebedürftigkeit, den verschiedenen Versorgungsformen und deren Kosten besonders aufmerksam verfolgen und frühzeitig und vielfältig
darauf eingehen (muss). Daher sind Themen wie ‚Flexibilisierung der
Versorgung bei gleichzeitiger Kostenreduzierung’, ‚Förderung von ambulanten vor stationären Versorgungsformen’, ‚Förderung neuartiger Versorgungsformen’ sowie nicht zuletzt ‚Bemühungen um eine Reform der
Pflegeversicherung (SGB XI) als strategische Steuerungsaufgaben anzunehmen.“ (Bremische Bürgerschaft 2005a, S. 3).
3.2
Umstrukturierung in der Trägerlandschaft
Die Gegebenheiten der Vollkostendeckung und geringe Wettbewerbsstrukturen im Gesundheitsbereich haben dazu beigetragen, dass sich
ein zielorientiertes Management von sozialen Organisationen im
Nonprofitbereich nur langsam entwickelt hat. Ziel des Gesetzgebers ist
7
Erhebungen des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen e.V. und des Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes e.V. (VdAK/AEV), Stichtag 30.09.2000, schriftliche Mitteilung. Darüber hinaus bestehen in Bremen 10 Pflegeeinrichtungen
mit vollstationärer Kurzzeitpflege durch freigemeinnützige und private Anbieter, davon neun im Verbund mit einer Dauerpflegeeinrichtung und eine Einrichtung zur ausschließlichen Kurzzeitpflege. Ebenfalls 10 Pflegeeinrichtungen
bieten teilstationäre Tagespflege, Nachtpflege wird in Bremen nicht angeboten.
34
es mittlerweile, Wettbewerbsstrukturen vor allem über das Pflegegesetz
zu etablieren.
Veränderungen der sozialpolitischen Rahmenbedingungen und der steigende Effizienzdruck zwingen alle sozialen Einrichtungen zunehmend,
ein neues unternehmerisches Selbstverständnis zu entwickeln. Aktuelle
Gesetzesreformen und die Entwicklungen des europäischen Binnenmarktes stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Damit werden den
sozialen Einrichtungen und Wohlfahrtsverbänden vermehrt die zuvor
„geschützten” Bereiche streitig gemacht und sie müssen sich den zunehmenden Wettbewerbssituationen stellen 8 . Allerdings finden entsprechende Managementkenntnisse bislang nur langsam Anwendung in der
Praxis, da die Entwicklung solcher Kenntnisse auf akademischer Ebene
erst seit wenigen Jahren durch Ausbildungsangebote an Bildungseinrichtungen, Fachhochschulen und Universitäten forciert wird.
Die von außen auffälligsten Veränderungsprozesse bei den nicht gewinnorientierten gemeinnützigen Einrichtungen sind Umstrukturierungen in der stationären Pflege. Hier machten in den letzten Jahren vor allem das Outsourcing durch Privatisierung oder Neustrukturierungen in
einzelnen Bereichen, wie Küche, Hauswirtschaft oder Reinigungsdienst,
von sich reden.
Die finanziellen Voraussetzungen und Bedingungen für analoge Veränderungen betreffen zwar auch die ambulanten Kranken- und Pflegedienste, lassen sich aber hier weniger konkret fassen, da sich in der
häuslichen Pflege nur bedingt Anteile ausgliedern lassen. Die auffälligsten Änderungen der Arbeitsstrukturen erfolgen durch eine stärkere Trennung zwischen hauswirtschaftlichen und pflegerischen Tätigkeiten. Dies
wird durch eine striktere Handhabung der Einsätze nach Qualifikation
8
Dies gilt besonders für die Bereiche der sozialen Pflegeversicherung, der
Sozialhilfe, Leistungen für Behinderte und den Bereich der Kinder- und
Jugendhilfe.
35
der Beschäftigten einerseits und Bedarf auf Seiten der PatientInnen andererseits realisiert, was zu einer deutlichen Verdichtung der Arbeit im
ambulanten Pflegebereich führt.
Zur Organisation der ambulanten Pflege werden vermehrt EDV-gestützte
Planungs- und Abrechnungsprogramme eingesetzt, die aufgrund der optimierten Planungsvorgaben sowie den Zeitvorgaben der Kranken- und
Pflegekassen kaum zeitliche Spielräume für eine flexibel handhabbare
Pflege lassen. Ein Stau, Parkplatzsuche, aber auch Verzögerungen
durch die Pflegebedürftigen oder Angehörigen, können daher bei den
Beschäftigten erheblichen Stress verursachen, wenn vorgegebene Zeiten
nicht eingehalten werden können. Die vielzitierte „Pflege im Minutentakt“, die ein Ergebnis der starken Effektivierung und Optimierung der
ambulanten Pflege darstellt, ist vor allem daher in die Kritik geraten,
weil durch eine Fixierung auf Finanzkennzahlen Faktoren wie Pflegequalität, soziale und ethisch-humane Grundsätze in den Hintergrund geraten.
Vor allem die Qualitätsvorgaben der Pflegekassen bedingen ein effektiveres Management mit Einsatzplanung und Abrechnung, die von kleinen Pflegediensten nicht mehr effektiv erfüllt werden können, beziehungsweise sich entsprechende Investitionen zum Beispiel in EDVgestützte Einsatzpläne für diese nicht lohnen. So hat in den letzten Jahren in Bremen ein deutlicher Trend zu mittleren Unternehmensgrößen
bei den Pflegediensten eingesetzt. Hatten in der Pflegestatistik zum
Stichtag 15.12.1999 noch knapp 50 Prozent aller privaten ambulanten
Pflegedienste im Land Bremen bis zu 25 Pflegebedürftige zu betreuen 9 ,
haben im Jahr 2003 mehr als die Hälfte der privaten ambulanten
9
Im Jahr 1999 haben von insgesamt 126 Pflegediensten im Land Bremen
18 Dienste bis zu 10 PatientInnen versorgt, 60 Pflegedienste haben bis zu
25 Pflegebedürftige betreut und 53 Dienste haben zwischen 26 und 70 Pflegebedürftige versorgt (Statistisches Landesamt Bremen 1999).
36
Dienste zwischen 25 und 50 Pflegebedürftige versorgt (Statistisches
Landesamt Bremen 2003). Bei den freigemeinnützigen Trägern lässt
sich sowohl ein Trend zu größeren Einheiten zwischen 70 und über
150 Pflegebedürftigen beobachten, als auch eine Konsolidierung in den
Einrichtungen mittlerer Größe mit 21 bis 50 PatientInnen feststellen. Es
ist zu vermuten, dass diese Konzentrationsprozesse in Bremen noch
nicht abgeschlossen sind. Begünstigt werden dabei insbesondere die
aus der Wohlfahrtspflege ausgegliederten größeren Einheiten sowie die
größeren und mittleren privaten Anbieter.
3.3
Neue Herausforderungen durch aktuelle Änderungen
im Gesundheitswesen
Seit dem Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG)
am 1. Oktober 2004 hat sich die finanzielle Situation für Pflegebedürftige nach dem SGB V verschlechtert. Für viele ist die Inanspruchnahme
professioneller Pflege auf Grund der wirtschaftlichen Situation sehr teuer geworden. So müssen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung 10 Prozent der Kosten und 10 Euro je Verordnung (für maximal
28 Tage im Jahr) zur häuslichen Krankenpflege beziehungsweise Behandlungspflege zuzahlen. Die Eigenbeteiligung ist zwar auf 2 Prozent
des Bruttojahreseinkommens (1 Prozent bei chronisch Kranken) beschränkt – viele Betroffene scheinen aber nicht in der Lage, beziehungsweise sind nicht entsprechend informiert, das Verwaltungsverfahren zur Befreiung der Zuzahlungen einzuleiten. Daher führen die neuen
Regelungen zu einer erheblichen Verunsicherung auf Seiten der Pflegebedürftigen und nicht selten zu einem Verzicht auf Pflegeleistungen. Finanzielle Einbrüche bei Pflegediensten im Verlauf des Jahres 2004
können in diesem Zusammenhang gesehen werden.
37
Auswirkungen auf die ambulante Pflege ergeben sich ebenfalls durch
den Strukturwandel und Veränderungen zwischen den für die Versorgung zuständigen Sektoren. Ebenfalls zum 1. Januar 2004 trat ein
neues Abrechnungssystem für Krankenhäuser in Kraft, das zum Ziel
hat, die stationären Kosten zu senken 10 . Entsprechend soll die Verweildauer von PatientInnen in den Krankenhäusern gesenkt werden. Für die
ambulante Pflege bedeutet dies, dass PatientInnen früher und kränker
nach Hause entlassen werden und deren ambulante Versorgung sicherzustellen ist. Krankenhäuser haben diesbezüglich eine Gewährleistungspflicht und sind gehalten für eine nahtlose Überleitung in den
häuslichen Bereich zu sorgen. Auch in Bremen werden Möglichkeiten
für ein Überleitungsmanagement diskutiert. Aus den Reihen der
gewerblichen ambulanten Pflege wird dabei jedoch eine geringe
Transparenz und deren Benachteiligung – im Vergleich zu
freigemeinnützigen Diensten – beklagt.
Durch die Zunahme des Nachsorgebedarfes in allen Altersgruppen im
Anschluss an die stationäre Versorgung wird es auch zu veränderten
Anforderungen hinsichtlich Quantität und Qualität in der ambulanten
Pflege kommen und das Versorgungsangebot muss entsprechend angepasst werden. Diese strukturellen Veränderungen dürfen nicht auf Kosten der Beschäftigten und PatientInnen umgesetzt werden. Daher müssen Personalkosten deckende Vergütungssätze verhandelt werden, der
steigende Verwaltungsaufwand bei der Leistungsvergütung muss berücksichtigt werden und es sind Qualifizierungsmaßnahmen mit Blick
auf die steigenden Anforderungen zu entwickeln.
10
Es handelt sich dabei um die Einführung von Pauschalvergütungen, den so
genannten DRGs (Diagnostic Related Groups).
38
4
Die Pflegepersonen in der ambulanten Pflege
4.1
Beschäftigtenzahlen und Qualifikation der Pflegekräfte
in Bremen
Die Anzahl der Pflegedienste und Beschäftigtenzahlen ist nach Einführung der Pflegeversicherung stark angestiegen. Der Anstieg hält weiterhin an und im Land Bremen hat sich die Anzahl der Beschäftigten in
ambulanten Pflegediensten zwischen 1999 und 2003 von 2.749 auf
2.974 erhöht. Dabei hat sich vor allem der Anteil an Beschäftigten mit
einer altenpflegerischen Qualifikation erhöht. Auch der Anteil nichtärztlicher Heilberufe, zu denen beispielsweise HeilerziehungspflegerInnen
und HeilpädagogInnen zählen, ist leicht angestiegen, während sich die
Anzahl der Beschäftigten mit sonstigen Berufsabschlüssen deutlich verringert hat (vgl. Tabelle 4).
39
Tabelle 4: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten nach
Berufsabschlüssen im Land Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003
(Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Berufsabschluss
1999
2001
2003
Krankenschwester,
Krankenpfleger
756
716
769
Altenpfleger/in
316
382
452
Krankenpflegehelfer/in
117
122
152
Altenpflegehelfer/in
53
119
164
Kinderkrankenschwester,
-pfleger
62
60
66
Familienpfleger/in, Dorfhelfer/in
23
29
39
353
361
360
sonstige Pflegeberufe
nichtärztliche Heilberufe
11
55
84
89
sozialpädagogischer
Berufsabschluss
27
31
23
Pflegewissenschaftlicher
Abschluss 12
14
13
19
hauswirtschaftlicher
Berufsabschluss
19
48
31
sonstiger Berufsabschluss
587
458
434
ohne Berufsabschluss / noch in
Ausbildung
367
413
376
2.749
2.836
2.974
Gesamt
11
12
Einschließlich heilerzieherische und heilpädagogische sowie ergotherapeutische Abschlüsse.
An einer Fachhochschule oder Universität.
40
Gemäß den Grundsätzen zur Qualitätssicherung in der ambulanten
Pflege 13 , soll die von einem Pflegedienst angebotene ambulante Pflege
unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft
durchgeführt werden. Diese ist verantwortlich für die fachliche Planung
der Pflegeprozesse, die fachgerechte Führung der Pflegedokumentationen, die an dem individuellen Pflegebedarf orientierte Einsatzplanung
der Pflegekräfte sowie die fachliche Leitung der Dienstbesprechungen
innerhalb des Pflegedienstes. Voraussetzung für die Übernahme der Tätigkeit als verantwortliche Pflegefachkraft ist eine abgeschlossene, in
der Regel dreijährige Berufsausbildung zur „Gesundheits- und KrankenpflegerIn“ beziehungsweise „Gesundheits- und KinderkrankenpflegerIn“.
Die verantwortliche Pflegefachkraft soll, sofern sie nicht EigentümerIn
oder GesellschafterIn des Pflegedienstes ist, innerhalb der letzten fünf
Jahre mindestens zwei Jahre den Beruf hauptamtlich ausgeübt haben davon mindestens ein Jahr im ambulanten Dienst. Darüber hinaus
muss sie den Abschluss einer Weiterbildungsmaßnahme für leitende
Funktionen vorweisen können 14 . Alternativ kann der Abschluss einer
Ausbildung im Pflegemanagement an einer Fachhochschule oder Universität vorgelegt werden.
13
14
Darauf einigten sich die Spitzenverbände der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung
der Kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene: Gemeinsame Grundsätze und Maßstäbe
zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in der ambulanten Pflege
vom 10. Juli 1995.
Mit einer Mindeststundenzahl von 460 Stunden; verantwortliche Pflegefachkräfte, die über diese Weiterbildung nicht verfügen, müssen im Rahmen einer
Übergangsfrist von sieben Jahren nach Abschluss der Vereinbarung diese Qualifikation erworben haben.
41
Die Anzahl an Pflegedienstleitungen ist bei den ambulanten Diensten in
Bremen zwischen 1999 und 2003 von 223 auf 194 zurückgegangen,
womit deren Anteil an allen Beschäftigten von 8,1 Prozent auf 6,5 Prozent abgenommen hat. Dies lässt sich vermutlich mit der Konzentration
der Anbieter auf mittlere und größere Unternehmen erklären. Im Jahr
2003 war demnach jede/r 15. MitarbeiterIn in einem ambulanten Pflegedienst als Pflegedienstleitung tätig. Der hauptsächliche Einsatzbereich des Personals in ambulanten Pflegediensten ist der Bereich der so
genannten Grundpflege 15 . Hier arbeiten in der Regel mehr als zwei Drittel der Beschäftigten: Im Jahr 2003 waren es 76 Prozent, im Jahr
2001 75 Prozent und im Jahr 1999 74 Prozent. Etwa 10 Prozent der
Beschäftigten sind in diesen Jahren in der hauswirtschaftlichen Versorgung tätig gewesen, während der Anteil der für die Geschäftsführung
und Verwaltung des Dienstes zuständigen MitarbeiterInnen von 4,6
Prozent auf 3,5 Prozent leicht rückläufig ist (Statistisches Landesamt
Bremen 1999, 2001, 2003).
Die Mehrzahl der Beschäftigten in den ambulanten Diensten verfügt
über dreijährige Berufsabschlüsse und der Anteil qualifizierter Beschäftigter ist – entgegen häufig gehörter Vorurteile – bei privaten Anbietern
erheblich höher als bei freigemeinnützigen. So weist die Bremer Pflegestatistik für das Jahr 2003 für private Anbieter aus, dass 59 Prozent
der Beschäftigten Berufsabschlüsse in den drei Kategorien „staatlich
anerkannte/r Altenpfleger/in, Krankenschwester/-pfleger und Kinderkrankenschwester“ vorweisen. Bei freigemeinnützigen ambulanten
Diensten dagegen umfassen diese drei Berufsgruppen lediglich 35 Prozent der Beschäftigten (Statistisches Landesamt Bremen 2003).
15
Hierzu zählt die pflegerische Unterstützung bei Aktivitäten des täglichen
Lebens, wie Körperpflege, Mobilität und Ernährung.
42
4.2
Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnisse der
Pflegekräfte in Bremen
Die Arbeitszeiten in der ambulanten Pflege müssen sehr flexibel gehandhabt werden und sind den sachlichen Anforderungen der pflegerischen Arbeit geschuldet. Eine zeitlich umfassende Versorgung lässt sich
nur durch Schicht- einschließlich Nachtarbeit sowie Wochenend- und
Bereitschaftsdienste gewährleisten. Es gibt eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen, wobei in der ambulanten Pflege insbesondere Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung eine Rolle spielen. Diese Regelungen können einerseits den Belangen von vielen Frauen nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenkommen. Andererseits können sie
auch individuellen Arbeitszeitwünschen entgegenstehen und Beschäftigungen mit besonderen Belastungen mit sich bringen.
4.2.1
Voll- und Teilzeitbeschäftigung
Die so genannten „geteilten Dienste“ stellen sowohl für Vollzeit-, als
auch für Teilzeitbeschäftigte eine besondere Belastung dar: Bei diesen
beginnt die Dienstzeit zumeist vor 7 Uhr und endet erst nach 19.00
Uhr, manchmal 22.00 Uhr. Geteilt werden die Einsatzzeiten durch eine
lange Arbeitsunterbrechung 16 . Manchmal müssen sogar dreiteilige
Schichten (zur Früh-, Mittag- und Abendversorgung) mit jeweiligen Unterbrechungen von zwei bis drei Stunden geleistet werden. Da die pflegerische Versorgung auch an den Wochenenden sichergestellt werden
muss, bedeutet dies für die Beschäftigten regelmäßige Wochenendarbeit, zumeist jedes zweite Wochenende. Mit der Akzeptanz solcher Arbeitszeiten, welche von Seiten der MitarbeiterInnen ambulanter Pflegedienste wenig beeinflussbar sind, zeigen diese eine besondere Flexibilität, wie sie für Beschäftigte in anderen Branchen kaum denkbar wäre.
16
Umgangssprachlich wird häufig von einer „langen Pause“ gesprochen - im
arbeitsrechtlichen Sinne ist dies aber als Arbeitsunterbrechung zu bezeichnen.
43
Von Seiten der Pflegedienste wird vorgetragen, dass – bedingt durch die
geteilten Dienste – rein rechnerisch eine Vollzeitbeschäftigung kaum
möglich ist. Im Gegensatz dazu wird von den beschäftigten ArbeitnehmerInnen berichtet, dass eine Vollzeitbeschäftigung gerade aufgrund der
besonderen Belastung der Arbeitsorganisation, also der geteilten Dienste, diese in Vollzeit und auf Dauer gesundheitlich kaum getragen werden kann. Die zunehmende Bedeutung der Teilzeitarbeit in der ambulanten Pflege kann daher nicht nur damit erklärt werden, dass sie den
Bedürfnissen der Beschäftigten Rechnung tragen sondern auch, dass
sie ein Ergebnis der besonderen strukturellen Eigenheiten der Arbeitsorganisation sind. Teilzeitarbeit kann daher aus Sicht der Beschäftigten
zum einen erzwungen sein durch die Art der Arbeitsorganisation, die
keine Vollzeitbeschäftigung zulässt und zum anderen kann sie erzwungen sein durch die eigene gesundheitliche Situation, die einen dauerhaft
geteilten Dienst (um eine Vollzeitbeschäftigung zu erreichen) nicht zulässt. Eine solche Entwicklung hin zur Zunahme der Teilzeitarbeit, erschwert eine eigenständige Existenzsicherung der ArbeitnehmerInnen in
der ambulanten Pflege.
In Bremen ist, besonders im Vergleich zu anderen Bundesländern, der
hohe Anteil von teilzeitbeschäftigten Personen in der ambulanten Pflege
auffällig 17 . Der abnehmende Trend bei der Vollzeitbeschäftigung in der
ambulanten Pflege in Bremen lässt sich seit 1997 verfolgen. Während
der Anteil der Vollzeitbeschäftigten im Jahr 1997 noch knapp 34 Prozent betrug (Gerste & Rehbein 1998, S. 90), ist er mittlerweile auf 24
17
Der Trend zu mehr Teilzeitarbeit in der Pflege (ambulant und stationär) bestätigt sich auch bundesweit: Obwohl in den Jahren 1997 bis 2001 vollzeitäquivalente Stellen in der Pflege von 528.000 auf 526.000 Stellen abgenommen
haben, ist der Anteil der Beschäftigten um etwa 1,2 Prozent angestiegen (RKI
2004). Im Vergleich zwischen Bremen-Stadt und Bremerhaven fällt für den
gesamten Erhebungszeitraum der höhere Anteil der Vollzeitbeschäftigten und
der über 50 Prozent Teilzeitbeschäftigten sowie der geringere Anteil an geringfügig Beschäftigten in Bremerhaven auf.
44
Prozent abgesunken. Danach sind derzeit weniger als ein Viertel aller
Beschäftigten in der ambulanten Pflege in Vollzeit erwerbstätig. Dagegen ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten auf über 50 Prozent angestiegen (vgl. Abbildung 7 und Tabelle 5) 18 . Diese Entwicklung ist sicher
nicht ausschließlich im Zusammenhang mit Belangen und Wünschen
zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit der in der ambulanten
Pflege beschäftigten Frauen erklärbar, sondern muss hinsichtlich der
besonderen Arbeitsorganisation und Arbeitsbelastungen in diesem Bereich diskutiert werden. Dies gilt umso mehr, als auch Betroffene in den
letzten Jahren von einer Zunahme erzwungener Teilzeitbeschäftigung
aus gesundheitlichen Gründen berichteten.
1999
2001
2003
40%
30%
20%
10%
0%
Vollzeit
Teilzeit >50%
Teilzeit <50%
geringfügig
Abbildung 7: Prozentuale Verteilung der Beschäftigten in der ambulanten
Pflege im Land Bremen nach Beschäftigungsverhältnis in den Jahren 1999,
2001 und 2003 (vgl. Tabelle 6)
18
Zur Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse bei den verschiedenen
Berufsabschlüssen siehe Anhang, Tabelle A4.
45
Tabelle 5: Anzahl und Anteile der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten
in Bremen-Land, Bremen-Stadt und Bremerhaven nach Beschäftigungsverhältnis in den Jahren 1999, 2001 und 2003
(Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Beschäftigungsverhältnis
Personal insgesamt
Vollzeit
Teilzeit über 50%
Teilzeit unter 50% 19
geringfügig beschäftigt
Sonstige 20
Beschäftigungsverhältnis
Personal insgesamt
Vollzeit
Teilzeit über 50%
Teilzeit unter 50% 21
geringfügig beschäftigt
Sonstige 22
Beschäftigungsverhältnis
Personal insgesamt
Vollzeit
Teilzeit über 50%
Teilzeit unter 50% 23
geringfügig beschäftigt
Sonstige 24
19
20
21
22
23
Land Bremen 1999
2.749
727
1.022
345
621
34
26%
37%
13%
23%
1%
Land Bremen 2001
2.836
707
1.122
411
518
78
25%
40%
14%
18%
3%
Land Bremen 2003
2.974
710
1.191
397
621
55
24%
40%
13%
21%
2%
Bremen-Stadt 1999
2.110
539
735
292
520
24
29%
45%
8%
16%
2%
B’haven 2001
622
174
286
68
79
15
24%
38%
15%
20%
3%
Bremen-Stadt 2003
2.344
540
898
334
528
44
639
188
287
53
101
10
26%
35%
14%
25%
<1%
Bremen-Stadt 2001
2.214
533
836
343
439
63
B’haven 1999
28%
46%
11%
13%
2%
B’haven 2003
23%
38%
14%
23%
2%
Nicht geringfügig Beschäftigte.
PraktikantInnen, Auszubildende, Zivildienstleistende, SchülerInnen,
HelferInnen im sozialen Jahr.
Nicht geringfügig Beschäftigte.
PraktikantInnen, Auszubildende, Zivildienstleistende, SchülerInnen,
HelferInnen im sozialen Jahr.
Nicht geringfügig Beschäftigte.
630
170
293
63
93
11
27%
46%
10%
15%
2%
46
Interessant ist, dass sich die Träger hinsichtlich der Anteile an Voll- und
Teilzeitbeschäftigten in Bremen deutlich unterscheiden. So ist der Anteil
an Vollzeitstellen bei den privaten Diensten doppelt so groß wie bei den
freigemeinnützigen Trägern. Während die Vollzeitbeschäftigten bei den
privaten Anbietern mit 36 Prozent den größten Anteil der Beschäftigten
stellen, arbeiten bei den freigemeinnützigen Diensten mit 48 Prozent
die meisten ArbeitnehmerInnen in Teilzeit mit über 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit (vgl. Abbildung 8, siehe auch Tabelle A5 im Anhang).
privat gewerblich
freigemeinnützig
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Vollzeit
Teilzeit >50% Teilzeit <50%
geringfügig
Abbildung 8: Prozentuale Verteilung der Beschäftigungsverhältnisse in
ambulanten Pflegediensten bei privaten (N = 998) und freigemeinnützigen
(N = 1.976) Trägern in Bremen im Jahr 2003 (Statistisches Landesamt
Bremen 2003)
24
PraktikantInnen, Auszubildende, Zivildienstleistende, SchülerInnen,
HelferInnen im sozialen Jahr.
47
4.2.2
Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und
kapazitätsorientierte Arbeitszeiten
Der Anteil geringfügig Beschäftigter beläuft sich im Land Bremen im
Jahr 2003 auf 21 Prozent und macht damit immerhin ein Fünftel aller
Beschäftigten in der ambulanten Pflege aus. Ihr Anteil hat sich seit
1999 kaum verändert. Dieser relativ hohe Einsatz geringfügig Beschäftigter lässt sich möglicherweise zum Teil durch den Bedarf an qualifiziertem und hoch flexiblem Personal erklären. Das Problem der Gewinnung von ausreichend qualifiziertem Personal zeigt sich bundesweit
sehr unterschiedlich. Einer Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung zufolge stellt sich diese Problematik vor allem
in den ostdeutschen Bundesländern sowie im Saarland, in RheinlandPfalz und auch in Bremen dar (DIP 2004). In einer Umfrage bei ambulanten Pflegediensten in Bremen im Jahr 2003/2004 gaben 60 Prozent
der befragten Dienste an, dass aus ihrer Sicht auf dem Arbeitsmarkt
kein hinreichendes Angebot an qualifizierten Kräften besteht (Linke
2004).
Daher ist es mittlerweile in der ambulanten Pflege nicht unüblich, dass
beispielsweise Beschäftigte aus Krankenhäusern für stundenweise Einsätze angeworben werden. Diese examinierten Pflegekräfte übernehmen
in ihren schichtbedingten Freizeiten Teilschichten in der ambulanten
Pflege. Allerdings sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse häufig
arbeitsrechtlich hinsichtlich Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall nicht geklärt. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen,
dass der hohe und zunehmende Anteil geringfügig Beschäftigter in der
schlechten Arbeitsmarktsituation begründet ist. Dabei werden Risiken
zunehmend auf ArbeitnehmerInnen übertragen und Arbeitsbedingungen
sowie Einkommensmöglichkeiten verschlechtert.
Es ist davon auszugehen, dass in Zeiten eines hohen Arbeitsaufkommens vermehrt geringfügig Beschäftigte in der ambulanten Pflege eingesetzt werden. Daneben existieren möglicherweise auch Beschäftigungen
48
mit „kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeiten“ (KAPOVAZ). Allerdings ist weder für Bremen, noch bundesweit bekannt, inwieweit solche
Arbeitsverhältnisse in der ambulanten Pflege bestehen. Während die
Scheinselbständigkeit aufgrund der rigiden Nachweispflicht gegenüber
den Kostenträgern zurückgegangen sein dürfte, scheint es bei KAPOVAZ-Arbeitsverhältnissen eine gewisse Dunkelziffer zu geben. In der Arbeitsrechtsberatung der Arbeitnehmerkammer wurden in den vergangenen Jahren einzelne entsprechende Fälle beraten. Möglicherweise gewinnt diese Form des Beschäftigungsverhältnisses, wie es vorwiegend
im Einzelhandel praktiziert wird, auch in der freien Wohlfahrtspflege
und bei ambulanten Diensten zunehmend an Bedeutung. Dort dient sie
aber nicht zur Flexibilisierung und Ergänzung einer „Stamm-Teams”,
sondern es besteht die Gefahr, dass das unternehmerische Risiko von
Pflegeeinsätzen auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt wird. Arbeitsverträge, die keine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festlegen, sondern nur
vorsehen, dass sich die Arbeit und die Entlohnung nach dem Arbeitsanfall richten sollen, sind zwar unzulässig, scheinen aber teilweise bei den
Beschäftigten – insbesondere bei kleineren Pflegediensten – toleriert zu
werden. Mit einem solchen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis kommen die Pflegedienste zwar den Anforderungen der Pflegekassen nach, ohne jedoch das unternehmerische Risiko zu tragen.
Ambulante Pflege erscheint demnach vor allem für Frauen zunehmend
ein Zweitjob zur Sicherstellung des Familienunterhaltes darzustellen,
zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit des Ehepartners oder dessen vorzeitiger Berentung.
49
4.2.3
Beschäftigung von Frauen und Männern in der
ambulanten Pflege
Betrachtet man die Beschäftigungsverhältnisse und Tätigkeitsbereiche
in der ambulanten Pflege im Jahr 2003 unter der Geschlechterperspektive, so fällt auf, dass unter den weiblichen Beschäftigten der Anteil der
Teilzeitbeschäftigten mit 57 Prozent am höchsten liegt, während unter
den männlichen Beschäftigten dieser Anteil lediglich 32 Prozent beträgt. Vollzeitbeschäftigt sind 36 Prozent der Männer, aber nur 22 Prozent der Frauen. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten liegt bei beiden Geschlechtern bei etwa 20 Prozent. Hinsichtlich der Tätigkeitsbereiche fällt der mit 10 Prozent vergleichsweise hohe Anteil an Pflegedienstleitungen unter den Männern auf, während unter den weiblichen
Beschäftigten lediglich 6 Prozent die Funktion einer Pflegedienstleiterin
ausüben (vgl. Abbildung 9, siehe auch Tabelle A6 im Anhang)
Frauen
Männer
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Vollzeit
Teilzeit
geringfügig
Pflegedienstleitung
Grundpflege
Abbildung 9: Prozentuale Verteilung beschäftigter Frauen (N = 2.537) und
Männer (N = 437) bei ambulanten Pflegediensten in Bremen im Jahr 2003
nach Beschäftigungsverhältnis und Tätigkeitsbereichen (Statistisches
Landesamt Bremen 2003)
50
Der im Vergleich zu Männern deutlich höhere Anteil an teilzeitbeschäftigten Frauen weist darauf hin, dass Frauen diese Art der Beschäftigung
vermutlich zur besseren Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit
nutzen. Männer scheinen sich dagegen auch in pflegerischen Berufen
eher auf die Erwerbstätigkeit zu konzentrieren und streben eine Vollzeitbeschäftigung an. Hinsichtlich der Karrierewege scheinen sich selbst
die Pflegeberufe, als klar von Frauen dominierte Sparte, nicht von der
üblichen geschlechtsspezifischen Hierarchie in der Erwerbsarbeit zu unterscheiden. Obwohl Männer in der professionellen Pflege deutlich unterrepräsentiert sind, stellen sie einen höheren Anteil in Leitungspositionen als Frauen. Daher müssen selbst innerhalb der Pflegeberufe Frauen
– die hier die Mehrheit und nicht die Minderheit darstellen – gezielt gefördert beziehungsweise Möglichkeiten eröffnet werden, damit sie Leitungspositionen einnehmen können. Darüber hinaus gilt es die Karrieremöglichkeiten innerhalb der Pflegeberufe deutlich zu erweitern.
4.3
Vergütung in der ambulanten Pflege
Zwischen dem Qualifikationsniveau der Beschäftigten und dem Einkommensniveau besteht in der Pflege allgemein und in der ambulanten
Pflege im Besonderen eine eklatante Diskrepanz. Während die Qualifikation im mittleren Bereich liegt, sind die Tarife eindeutig im unteren
Gehaltsbereich angesiedelt. Da ein großer Teil der Beschäftigten in
Klein- und Kleinstbetrieben arbeitet, gibt es im ambulanten Bereich nur
einen geringen Grad tariflicher Regulierungen. Lediglich die großen
Wohlfahrtsverbände sind in der Regel tarifvertraglich gebunden. Dabei
gehen auch diese zunehmend aus Tarifverträgen heraus, zumeist infolge
von Umstrukturierungen und Outsourcing und viele Einrichtungen der
ambulanten Pflege machen ihre Tarifstruktur nach außen hin nicht
transparent. Das bedeutet, dass ArbeitgeberInnen die Arbeitsbedingungen im Rahmen eigener Regelungen mit den ArbeitnehmerInnen individuell aushandeln. Zumeist geht es dabei um Einzelarbeitsverhältnisse
51
beziehungsweise -verträge und -vergütungen. Solche Verträge müssen
zwar Mindestansprüche erfüllen, die sich aus gesetzlichen Regelungen
(zum Beispiel dem Arbeitsschutzgesetz, dem Arbeitszeitgesetz und dem
Bundesurlaubsgesetz) ergeben. Sie entsprechen allerdings selten üblichen tariflichen Regelungen und fallen daher zumeist zu Ungunsten der
Beschäftigten aus, zum Beispiel hinsichtlich Gehaltshöhe und Urlaubszeiten.
Da in der ambulanten Pflege vergleichsweise wenige MitarbeiterInnen
gewerkschaftlich organisiert sind, werden die ArbeitgeberInnen auch
kaum mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. Im Rahmen einer
Befragung zur Qualitätsentwicklung in der ambulanten Pflege in Bremen, gaben fast die Hälfte aller Dienste an, nicht über eine Arbeitnehmervertretung zu verfügen; etwa ein Drittel gab an, eine Mitarbeitervertretung zu haben, über einen Betriebsrat verfügten 14 Prozent (Linke
2004). Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist im Bereich der ambulanten Pflegedienste extrem gering – bis maximal 30 Prozent in wenigen Diensten – weshalb nur in wenigen Betrieben eine entsprechende
betriebliche Interessenvertretung besteht.
Der Verdienst einer examinierten Pflegekraft beträgt laut BAT zwischen
1.887 Euro und 2.368 Euro im Monat 25 , was einem Stundenlohn von
etwa 12 Euro bis 15 Euro entspricht. In der ambulanten Pflege in Bremen liegt der Verdienst gemäß den Tarifverträgen einiger Wohlfahrtsverbände allerdings seit Jahren etwa zwischen 9 Euro und 13 Euro
brutto pro Stunde. Es gibt auch Informationen, dass in einzelnen Fällen
lediglich zwischen 4,50 Euro und unter 10 Euro pro Stunde bezahlt
werden.
25
Tarifarchiv Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (www.wsi.de),
Angaben für den Krankenpflegetarif KrIV und V.
52
Unter dem örtlichen Konkurrenzdruck der Pflegedienste und einer
Verbraucherseite, die häufig ausschließlich unter Kostengesichtspunkten
beziehungsweise unter Versprechen auf unbezahlte zusätzliche Dienstleistungen Pflegeverträge abschließt, sind die Beschäftigten in der Regel
das schwächste Glied. Die Abrechnung von Einzelleistungen zwingt die
Pflegedienste dazu, äußerst scharf zu kalkulieren. Overheadkosten, Ausfallzeiten der Beschäftigten und Pflegeausfälle müssen entsprechen einkalkuliert werden. Bei den knappen Budgets erscheinen als mögliche
Kosten-Einsparungs-Ressourcen vor allem die Gehälter der Beschäftigten und die Reduzierung nicht zwingend vorgeschriebener Leistungen
sowie privat abzurechnende Leistungen. In einer Publikation des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zur Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen
wird auf den zunehmenden Konkurrenzkampf auf dem Pflegemarkt hingewiesen und bestätigt, dass dieser „manchmal leider auch über Lohnhöhen geführt wird, statt über die Qualität des Angebotes“ (Paritätischer
Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V. 2000, S. 12). Pflegedienste,
die sich über ein qualitativ hochwertiges Angebot profilieren möchten
sehen daher Gehaltseinsparungen nicht als Möglichkeit, Kosten zu reduzieren, da die Gehälter vergleichsweise niedrig sind.
In jüngster Zeit reagieren einige ambulante Dienste mit Veränderungen
des Lohnsystems. So führte der Paritätische Dienst in Bremen ein
Grundlohnmodell ein, das durch einen Bonus, der bis zu 15 Prozent
vom jeweiligen Basisgehalt betragen kann, ergänzt wird. Das Lohnsystem ist Teil eines insgesamt fünf Betriebsvereinbarungen umfassenden
Kontraktes, zu dem auch ein flexibles Arbeitszeitmodell gehört. Aus
Sicht der Gewerkschaft ver.di wäre ein Bonussystem und Arbeitszeitkonten durchaus verhandelbar gewesen, allerdings sind die Gespräche
zwischen den paritätischen Diensten und der ver.di aufgrund des niedrigen Grundlohnniveaus geplatzt 26 .
26
Weser-Kurier, 01.09.2000: Neues Lohnsystem ist gut angelaufen.
53
4.4
Arbeitslosigkeit bei Pflegeberufen im Land Bremen
Obwohl ausgebildete Pflegekräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben, eine Stelle zu finden,
sind auch sie zunehmend von Arbeitslosigkeit betroffen. Mittlerweile
gibt es bundesweit in der Kranken- und Altenpflege einen zum Teil erheblichen BewerberInnenüberhang (Deutscher Bundestag 2004). Durch
den steigenden Rationalisierungs- und Kostendruck im Gesundheitswesen wird vor allem im stationären Bereich Pflegepersonal eingespart, so
dass heutzutage längst nicht mehr ein großer Teil der an den Krankenhäusern ausgebildeten Pflegekräfte übernommen wird, wie dies noch
bis vor wenigen Jahren der Fall war. Mit der starken Ausweitung der
ambulanten Pflege hat sich hier zwar ein neuer Arbeitsmarkt aufgetan,
der allerdings mittlerweile je nach Region stagniert.
Für viele der stationär ausgebildeten Kräfte stellt die ambulante Pflege
allerdings kein attraktives Berufsfeld dar. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit können Stellen in der Alten- und Krankenpflege vor
allem aufgrund der unregelmäßigen Arbeitszeit, fehlender Mobilität und
gesundheitlichen Einschränkungen oder des Alters von arbeitslosen
Pflegekräften nicht besetzt werden. Davon sind in der Vermittlung besonders Frauen mit Familie betroffen, was nicht selten zu einem totalen
Ausstieg dieser Frauen aus dem Pflegeberuf führt (Deutscher Bundestag
2004). Zudem ist davon auszugehen, dass sich unter den derzeit gemeldeten arbeitslosen Pflegekräften auch ein relevanter Teil befindet,
der aufgrund gesundheitlicher Belange faktisch nicht mehr einsatzfähig
ist. Wie sich die Situation am Arbeitsmarkt jedoch infolge des Arbeitsplatzabbaus in den Krankenhäusern entwickelt, bleibt offen.
Im Land Bremen hat sich die Anzahl arbeitsloser Pflegekräfte innerhalb
der letzten fünf Jahre von 541 auf 644 hinsichtlich der Gesamtanzahl
aller Arbeitslosen nur leicht erhöht. Der Anteil arbeitsloser Pflegekräfte
unter allen Arbeitslosen blieb in dieser Zeit zwischen 1,2 Prozent und
54
1,5 Prozent auf relativ niedrigem Niveau. Die Entwicklungen hinsichtlich Arbeitslosigkeit verlaufen in den verschiedenen Pflegeberufen allerdings unterschiedlich. Während die Anzahl arbeitsloser examinierter
Krankenschwestern und -pfleger über die Jahre etwa gleich geblieben
ist, haben sich vor allem bei den AltenpflegehelferInnen die Arbeitslosenzahlen deutlich erhöht (vgl. Tabelle 6). Ob dies in der zu niedrigen
Qualifikation begründet ist, oder ob statt dieser HelferInnen auf dem
Arbeitsmarkt möglicherweise die noch günstigeren unqualifizierten beziehungsweise lediglich angelernten Kräfte bevorzugt eingestellt werden,
muss an dieser Stelle offen bleiben. Grundsätzlich muss jedoch festgestellt werden, dass der Abschluss einer dreijährigen Ausbildung in der
Regel mehr Einsatzmöglichkeiten und Chancen auf dem Arbeitsmarkt
bietet.
Tabelle 6: Anzahl der Arbeitslosen im Land Bremen in den Jahren 2000 bis
2005 (jeweils Februar des Jahres), in verschiedenen Pflegeberufen und prozentualer Anteil der Pflegeberufe an allen Arbeitslosen im Land Bremen
(Bundesagentur für Arbeit 2005)
2000
2001
2002
2003
2004
2005
37.546
35.526
35.647
37.899
37.267
50.131
99
87
89
75
92
122
KrankenpflegehelferInnen
222
183
148
140
136
146
AltenpflegerInnen
220
132
68
66
90
120
AltenpflegehelferInnen
-
55
137
165
234
256
Gesamt
541
457
442
446
552
644
1,4%
1,3%
1,2%
1,2%
1,5%
1,3%
Anzahl aller
Arbeitslosen
Krankenschwestern/
-pfleger
Prozentualer Anteil
55
4.5
Pflegearbeit: Berufliche und familiäre Frauenarbeit
Der Beruf der Krankenschwester, beziehungsweise der einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, wie die Berufsbezeichnung nunmehr lautet, nimmt unter den Berufswünschen junger Frauen noch immer einen
der ersten Plätze ein. Wie in allen anderen pflegerischen Versorgungsbereichen, stellt auch die ambulante Alten- und Krankenpflege einen
typischen Frauenerwerbszweig dar: Im Land Bremen sind etwa 85 Prozent aller Beschäftigten in der ambulanten Pflege Frauen.
Die in der professionellen Pflege tätigen Frauen treffen in ihrer beruflichen Arbeit auf die ebenfalls mehrheitlich weiblichen – nicht bezahlten,
ehrenamtlich pflegenden Angehörigen – und zwar in erster Linie auf die
Töchter, Schwiegertöchter und (Ehe)Partnerinnen der Pflegebedürftigen.
Einer repräsentativen Studie zufolge, stellen Frauen etwa 80 Prozent aller pflegenden Angehörigen in Deutschland (vgl. Tabelle 7).
Tabelle 7: Prozentuale Verteilung pflegender Angehöriger in der häuslichen
Pflege in Deutschland, in Beziehung zur pflegebedürftigen Person und nach
Geschlecht, im Jahr 1998 (N = 1.426, Schneekloth & Müller 2000) 27
Beziehung zur pflegebedürftigen
Person
pflegende Angehörige
Frauen
Männer
(Ehe) Partner/in
20%
12%
Mutter/ Vater
11%
2%
Tochter/ Sohn
23%
5%
Schwiegertochter/ -sohn
10%
0%
27
Die in der Tabelle fehlenden 17 Prozent werden von anderen Verwandten,
FreundInnen und Nachbarn gestellt, die in dieser Studie nicht nach
Geschlecht getrennt aufgeführt sind.
56
Weibliche Angehörige stellen nicht nur die meisten Hauptpflegepersonen in der häuslichen Pflege dar, sondern sie sind nicht selten die Einzigen, welche die Versorgung leisten, da sie oftmals auf keinen mittragenden Familienverband zurückgreifen können. Dem Bremer Frauengesundheitsbericht zufolge zieht sich die Pflegetätigkeit häufig über viele
Jahre hin: Etwa die Hälfte aller Hauptpflegepersonen geben an, die
Pflege bereits seit ein bis fünf Jahren durchzuführen und etwa ein Viertel pflegt zwischen fünf und zehn Jahren. Der Anteil derjenigen, die bereits seit 20 und mehr Jahren Pflege leisten ist mit 12 Prozent erstaunlich hoch (Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales
2001). Die hohe körperliche und psychische Belastung der häuslichen
Pflegearbeit ist mittlerweile eindrücklich dokumentiert und betrifft aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in erster Linie Frauen
(exemplarisch Gräßel 1998).
Mit Einführung der Pflegeversicherung erfolgte erstmals eine gewisse
soziale Absicherung pflegender Angehöriger. Wenn diese keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die über 30 Stunden wöchentlich liegt beziehungsweise wenn keine Altersrente bezogen wird und die Pflegetätigkeit mindestens 14 Stunden pro Woche beträgt, werden im Rahmen
der Pflegeversicherung Rentenversicherungsbeiträge geleistet. Bei diesen – bundesweit etwa 555.000 pflichtversicherten Pflegepersonen –
handelt es sich sogar um mehr als 90 Prozent Frauen als pflegende Angehörige. Die Rentenversicherungsbeiträge liegen, je nach Umfang der
Pflegetätigkeit, zwischen rund 100 Euro und 370 Euro monatlich. Damit entsteht ein monatlicher Rentenanspruch für über den Zeitraum eines Jahres geleistete Pflegetätigkeit zwischen 6 Euro und 20 Euro 28 .
28
Zahlen und Fakten der Pflegeversicherung: www.bmgs.bund.de
57
In Anbetracht der Tatsache, dass Frauen als pflegende Angehörige vor
Einführung der Pflegeversicherung die Pflege ohne finanzielle und versicherungsbezogene Unterstützung geleistet haben, stellen die heutigen
Möglichkeiten der Finanzierung und Absicherung zumindest einen ersten gesellschaftlich-solidarischen Beitrag dar. Dennoch gilt es zu bedenken, dass die Übernahme informeller Pflegetätigkeit im Vergleich zu
Erwerbsarbeit finanziell deutliche Nachteile mit sich bringt: Wer seine
Berufstätigkeit zugunsten häuslicher Pflegetätigkeit ganz oder teilweise
aufgibt, muss in der Regel finanzielle Einbußen in Kauf nehmen und
dies, obwohl der Arbeitsaufwand für eine häusliche Pflege, im Vergleich
zur Erwerbsarbeit, eher größer ist. Darüber hinaus gilt es zu bedenken,
dass sich durch gesamtgesellschaftlich wirksame wirtschaftliche Restriktionen und der damit verbundenen steigenden Arbeitslosigkeit in
Deutschland die Wahlmöglichkeiten im Bereich der Erwerbsarbeit zunehmend einschränken. Aus Erfahrung der ambulanten Pflegedienste
macht sich dies bemerkbar, indem immer mehr pflegende Angehörige
und damit vorwiegend Frauen, die häusliche Pflege aufgrund mangelnder Alternativen auf dem Arbeitsmarkt übernehmen, um das Pflegegeld
zur Existenzsicherung am unteren Minimum des Haushaltes einsetzen
zu können 29 .
Hinsichtlich personenbezogener Dienstleistungsberufe bieten sich für
viele Frauen speziell in der Altenpflege eine der wenigen Chancen zur
Rückkehr in die Erwerbstätigkeit. Hier stehen sie zum einen nicht in direkter Konkurrenz zu Männern und können zum anderen spezifische
Qualifikationen und Kenntnisse aus der Familienphase einbringen. Daher ist es besonders problematisch – und gleichzeitig in einem para-
29
Dies hat aus Sicht der ambulanten Pflegedienste Auswirkungen auf die Qualität der häuslichen Pflege, da eine notwendige professionelle Unterstützung –
um beispielsweise eine Überforderung pflegender Angehöriger vermeiden zu
können - aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen nicht hinzugekauft werden kann (DIP 2004).
58
digmatischen Zusammenhang zu sehen – dass Pflegeberufe nur
schlechte Verdienst- und Aufstiegschancen bieten und einen niedrigen
beruflichen Status haben, denn zugleich bietet diese Unattraktivität eine
Art „Bestandsschutz” der weiblichen Erwerbstätigkeit in diesem Bereich. Unterstützt wird dies vor allem durch die Tatsache, dass die Altenpflege in früheren Jahren kein Ausbildungsberuf war und sich aus
dem Bereich der Krankenpflege entwickelt hat.
4.6
Häusliche Pflege zwischen Familienarbeit, Caritas
und Dienstleistung
Von den 2,08 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wurden im
Jahr 2003 gemäß den Daten der Pflegestatistik 1,44 Millionen Menschen zu Hause versorgt. Von diesen wurden etwa eine Million ausschließlich von Angehörigen versorgt, der Rest durch Pflegedienste und
ebenfalls in der Regel durch Unterstützung von Angehörigen (Statistisches Bundesamt 2005a). Die Pflegeversicherung stellt lediglich eine
Teilabsicherung dar, die in ihren nach oben begrenzten Leistungssätzen
nur einen Teil der pflegerischen Verrichtungen abdeckt, weshalb zur Sicherstellung einer umfassenden Versorgung in der Regel eine Unterstützung durch Familienangehörige beziehungsweise durch ein anderes soziales Netz der Pflegebedürftigen notwendig ist.
Allerdings ist heute die früher als relativ selbstverständlich angesehene
Übernahme der Pflege innerhalb der Familie durch Frauen, zum Beispiel nach der Erziehungsphase durch deren häufigere Berufstätigkeit
sowie durch die längeren Pflegephasen oftmals nicht mehr oder nur in
geringerem Umfang möglich. Mit dieser Erosion traditioneller Familienstrukturen und einer Grundabsicherung von Pflegeleistungen durch die
Pflegeversicherung fand eine verstärkte Verlagerung der Alten- und
Krankenpflege in professionelle Hände statt, wie aus der Entwicklung
der ambulanten Pflegedienste ersichtlich geworden ist.
59
Die professionelle Pflege als Dienstleistung und gewerbliches Angebot in
der häuslichen Kranken- und Altenpflege ist daher relativ neu und steht
in einem Spannungsverhältnis zur familiären Pflege. „Pflegen kann Jede/r“ ist ebenso wie die Geringachtung hauswirtschaftlicher Tätigkeit
ein Paradigma, aufgrund dessen die professionelle Pflege wenig berufsständisches Ansehen genießt. Die Benachteiligung der ambulanten professionellen Pflege gegenüber der Heimunterbringung führt ebenfalls zur
Abwertung der ambulanten Pflege und es gibt einen immensen Kostendruck beziehungsweise Konkurrenz zwischen Angehörigenpflege und
professioneller ambulanter Pflege.
Dass und was professionelle Pflege mehr leisten kann als familiär beziehungsweise informell erbrachte Pflege, konnte bislang auch durch
eine vermehrte Aus- und Weiterbildung sowie die zunehmende Akademisierung innerhalb von Pflegeberufen nicht deutlich gemacht werden.
Hinzu kommt das innerhalb der Gesellschaft immer noch stark caritativ
geprägte Bild der Pflege. Dieses führt dazu, dass sowohl der informellen
als auch der formellen, also professionellen Pflege eine grundlegend altruistische Motivation unterstellt wird. Die moderne Pflege tut sich mit
der Entwicklung hin zu einer professionellen Dienstleistung nicht zuletzt
deshalb so schwer, weil sie als Beruf in einer religiös-caritativen Einstellung verwurzelt ist, mit der die Arbeit lange Zeit als „Liebesdienst“
begriffen wurde. Dieses Erbe sowie die Unterordnung der Pflege unter
die Medizin erschwert deren Wertschätzung als Profession. Hinzu
kommt, dass die berufliche Pflege ihre Professionalität zwischen Laienpflege und Medizin beziehungsweise anderen Gesundheits- und Sozialberufen – zumindest in Deutschland – noch nicht überzeugend behaupten konnte.
Aufgrund dieser Entwicklungen, den abnehmenden beziehungsweise
mittlerweile unzureichenden familiären Unterstützungspotenzialen sowie
60
der wenig wertgeschätzten professionellen Pflege, die aus Sicht der
Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen teuer erscheint oder mit
vorhandenen Mitteln nicht finanzierbar ist, erhöht sich der Bedarf an
günstigem Hilfspersonal. So kann beispielsweise eine kontinuierliche
und regelmäßige häusliche Betreuung und Versorgung Pflegebedürftiger
über mehrere Stunden am Tag oder rund um die Uhr nur über gering
qualifiziertes Personal finanziert werden. Damit verstärkt sich nicht nur
der Eindruck „pflegen kann Jede/r“, sondern es gerät auch die Qualität
einer solchen Versorgung aus dem Blick. Deren Beurteilung wird ganz
in die Hände von Pflegebedürftigen und Angehörigen gelegt, wobei diesen aber in der Regel zur Bewertung der Pflegequalität das Wissen über
fachpflegerische Kriterien fehlt. Eklatante Qualitätsmängel werden möglicherweise erst dann erkannt, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist.
Hinzu kommt die Gefahr, dass die Pflegebedürftigen selbst aufgrund ihrer abhängigen Situation kaum eine tatsächlich unabhängige Bewertung
vornehmen können.
Hilfspersonal in der häuslichen Betreuung zu deutlich geringeren Kosten
kommt im Rahmen der zunehmenden Europäisierung vermehrt aus osteuropäischen Ländern. So können beispielsweise Haushaltshilfen aus
Osteuropa für drei Jahre legal in Deutschland beschäftigt werden. Diese
dürfen zwar nicht direkt pflegerisch tätig werden, was sich allerdings
einer Überprüfung weitgehend entzieht. Mittlerweile kommen auch in
Osteuropa ausgebildete Pflegekräfte nach Deutschland, um hier für
mehrere Monate eine pflegerische häusliche Versorgung rund um die
Uhr zu übernehmen (Sattler 2005). Mit freier Kost und Logis sowie einem monatlichen Gehalt von etwa 800 Euro im Monat scheint beiden
Seiten gedient: Für Pflegebedürftige und deren Angehörige ist eine
häusliche Betreuung in finanzierbarem Maße möglich, während der für
deutsche Verhältnisse ausgesprochen geringe Monatslohn in osteuropäischen Ländern ein mehrfaches an Kaufkraft bedeutet.
61
Durch die Legalisierung dieser Art der Beschäftigung ist sie sozialversicherungspflichtig und damit deutlich teurer als Schwarzarbeit, weshalb
Letztere vermutlich weiterhin überwiegt. Zu deren Ausmaß gibt es keine
offiziellen Daten – die geschätzte Anzahl solcher HelferInnen wird bundesweit mit ungefähr 60.000 angenommen. Diese Zahl wird allerdings
als noch zu niedrig gegriffen eingeschätzt (Sattler 2005). Aus Sicht ambulanter Pflegedienste in Deutschland handelt es sich hiermit um eine
Art der „Billigpflege“, gegenüber der sie aufgrund der Dumping-Löhne
kaum konkurrenzfähig sein können. Die Pflegebranche befürchtet darüber hinaus, dass diese Konkurrenz demnächst weiter legalisiert wird.
Die derzeit diskutierten Dienstleistungsrichtlinien könnten dazu führen,
dass Pflegedienste aus Osteuropa gemäß den Gesetzen ihres Herkunftslandes in Deutschland ihre günstige Pflege anbieten. In Bremen hat der
Senat erklärt, dass er sich auf Bundesratsebene gegen die Einbeziehung
des Gesundheits- und Verbraucherschutzes in die Europäischen Dienstleistungsrichtlinie ausspricht (Bremische Bürgerschaft 2005b). Nach
Ansicht der Arbeitnehmerkammer sind alle sensiblen Bereiche der Daseinsvorsorge wie Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen aus der geplanten Dienstleistungsrichtlinie zu nehmen. Bei Regelungen nach dem
Herkunftslandprinzip würden Schutz- und Kontrollmöglichkeiten für Beschäftigte, wie Pflegebedürftige und PatientInnen eingeschränkt.
Häusliche Pflege bewegt sich demnach in einem prekären Spannungsfeld zwischen emotional und moralisch intendierter Familienarbeit, gering qualifizierter Hilfsarbeit und professioneller Erwerbsarbeit. Die gesellschaftliche Solidarität hinsichtlich der Versorgung Pflegebedürftiger
hat sich bislang auf die Frauen innerhalb der Familie beschränkt. Doch
dies zu erkaufen mit dem Druck sozialer Erwünschtheit ist auf Dauer
weder für die betroffenen Frauen und Pflegebedürftigen noch im Sinne
einer gerechten Gesellschaft tragbar. Die sich auf dem Pflegemarkt anbahnende dramatische Verbilligung und Dequalifizierung von Pflegearbeit steht in einem krassen Missverhältnis zu den Qualitätsbestrebun-
62
gen und –offensiven im Bereich der gesundheitlichen Versorgung. Daher
sollte durchaus das breite Dienstleistungsspektrum professioneller Pflege zwischen hoch qualifizierter Arbeit bis hin zu Hilfsarbeit ausgeschöpft und dem Bedarf der häuslichen Versorgung Pflegebedürftiger
angemessen verteilt werden. Darüber hinaus ist es dringend an der Zeit,
dass personenbezogene Dienstleistungen definiert und gewertet und
damit entsprechend vergütet werden.
63
5
Arbeit und Gesundheit in der ambulanten Pflege
Die Besonderheiten der ambulanten Pflege begründen spezifische Arbeitsbelastungen. Um die Arbeit gesundheitsgerecht zu gestalten, müssen die Wechselwirkungen zwischen Rahmenbedingungen, Bedürfnissen der PatientInnen und Angehörigen sowie dem Selbstverständnis
und den Kompetenzen der Beschäftigten berücksichtigt werden. Allgemein lässt sich zur gesundheitlichen Belastungssituation feststellen,
dass Arbeitsbelastungen in der ambulanten Pflege zugenommen haben.
Es sind immer mehr Pflegefälle pro Pflegeperson und Tag zu bewältigen. Die im Pflegeversicherungsgesetz begründeten rigiden Zeitvorgaben
für einzelne Tätigkeiten, die nahezu alle sozialen und individuellen Besonderheiten der PatientInnen negieren, sind auffallendes Merkmal der
Entwicklung von Vorgaben in der ambulanten Pflege, die mit einer Arbeitsverdichtung einhergehen. Insbesondere die seit dem Juli 2000 gültigen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen
zur häuslichen Krankenpflege lassen den Pflegekräften nur noch wenig
Spielraum in der Zeitgestaltung. Die wirtschaftlich bedingte striktere
Trennung qualifizierter Pflegetätigkeit von hauswirtschaftlichen Leistungen erfordert eine hohe Flexibilität und Professionalität bei immer engeren Zeitvorgaben. Diese Arbeitsverdichtung belastet sowohl Pflegende
als auch PatientInnen.
Folgende Charakteristika der Arbeit in der ambulanten Pflege wirken
sich in Bezug auf Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten erschwerend aus:
x
In der Branche dominieren klein- und mittelbetriebliche Strukturen. Deshalb stehen für die Organisation und Umsetzung des
Arbeitsschutzes relativ geringe Ressourcen zur Verfügung. Das
Verhältnis der Anteile zwischen Overheadleistungen und konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen ist eher ungünstig, da in jedem einzelnen Betrieb gewissermaßen „das Rad immer wieder
64
von Neuem erfunden werden“ muss, was in den kleinen, meist
wirtschaftlich sehr eng kalkulierenden Betrieben als eine zusätzliche Belastung empfunden wird.
x
Es gibt nur wenige Betriebe mit Interessenvertretung und einen sehr niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Dies
erschwert es den Beschäftigten, über ihre Rechte gut Bescheid
zu wissen, sie zu vertreten und durchzusetzen.
x
Die Kerntätigkeit der ambulanten Pflege findet in Privathaushalten statt. Diese fallen nicht unter die Arbeitsstättenverordnung, welche „die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der
Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten“ regelt (Arbeitsschutzgesetz, vgl. Kasten Seite 66). Personen, die nicht Beschäftigte des Pflegedienstes sind, haben
keinen Zutritt zu der Privatwohnung, in der die Tätigkeit einer
ambulanten Pflegekraft stattfindet. Dies gilt auch für den Betriebsarzt beziehungsweise die Betriebsärztin, die Sicherheitsfachkraft, die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft.
Deshalb sind in der ambulanten Pflege spezielle Konzepte erforderlich.
x
Einen großen Anteil der Arbeitstätigkeit machen die Wege zwischen den Einsätzen aus, die zu Fuß, per Fahrrad oder mit
dem PKW zurückgelegt werden, entsprechende Einflüsse
durch den Straßenverkehr kommen hinzu.
x
Ambulante Pflege ist Einzelarbeit, das heißt die Pflegekräfte
arbeiten in der Regel alleine und haben zu ihren KollegInnen
während der Arbeit keinen Kontakt. Eine Teamarbeit kann daher nur sehr bedingt stattfinden. Da die Belegschaft nur selten
zusammenkommt, sind die Bedingungen für einen Informationsaustausch, gemeinsame Besprechungen und Fortbildungen
erschwert.
65
x
5.1
Es herrscht eine Vielzahl an individuellen, meist als Teilzeitoder geringfügige Beschäftigung angelegte Arbeitszeitregelungen vor. Damit kann es sich um eine durch die Arbeitsverhältnisse verdeckte kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (KAPOVAZ) handeln. Wer in Vollzeit arbeiten möchte, muss entweder ArbeitgeberIn oder Pflegedienstleitung werden oder eine
auf die Stoßzeiten des Arbeitsanfalls fallende geteilte Arbeitszeit in Kauf nehmen.
Arbeitsschutz in der ambulanten Pflege
Wie die Situation des Arbeitsschutzes im ambulanten Pflegebereich in
Bremen und Bremerhaven aussieht, ist bislang nur in wenigen Fällen
untersucht. Es lässt sich feststellen, dass die Branche wie auch andere
Bereiche des Dienstleistungssektors, inzwischen auch als Ort für Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement „entdeckt“ wurde, was die
steigende Zahl der Forschungs-, Umsetzungs- und Beratungsvorhaben
zeigt. Daher liegt eine Reihe an Untersuchungen zu arbeitsbedingten
Belastungen in der ambulanten Pflege vor, von denen auszugehen ist,
dass deren Ergebnisse zumindest partiell auch für Betriebe im Land
Bremen zutreffen. Aus allen einschlägigen Untersuchungen und Modellvorhaben wird ein erheblicher Handlungsbedarf hinsichtlich Arbeitsund Gesundheitsschutz in der ambulanten Pflege deutlich (Wienberg
2004, BGW 2004, Geißler-Gruber 2004, Büssing et al. 2000).
Für den gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten sind nach dem Arbeitsschutzgesetz die ArbeitgeberInnen verantwortlich. Sie müssen geeignete Maßnahmen des Arbeitsschutzes bestimmen, durchführen und
diese auch auf ihre Wirksamkeit überprüfen (vgl. Kasten S. 66). Die
Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes folgen dem Konzept der Mehrfachbelastungen. Danach können verschiedene Belastungen, die auf Beschäftigte am Arbeitsplatz einwirken, sich gegenseitig verstärken. So
kann beispielsweise eine Rückenbelastung infolge eines unergonomisch
66
gestalteten Arbeitsplatzes gravierender wirken, wenn der, beziehungsweise die ArbeitnehmerIn auch Stress durch Zeitdruck, durch Konflikte
oder widersprüchliche Arbeitsanforderungen ausgesetzt ist. Das Zusammenwirken von Belastungen ist bei der Gefährdungsbeurteilung zu
berücksichtigen. Gleiches gilt für die eingeleiteten Arbeitsschutzmaßnahmen und deren Wirksamkeitsüberprüfung.
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
Der Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten sind für die
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) einheitlich geregelt. In
Deutschland erfolgte die Umsetzung im Jahr 1996 durch das Arbeitsschutzgesetz. Es schreibt die Verantwortung der ArbeitgeberInnen für Gesundheit
und Sicherheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz fest. Gemäß der EUArbeitsschutzphilosophie gibt es einen Rahmen vor, der in jedem Betrieb orientiert an den jeweiligen Gegebenheiten auszufüllen ist. Um dieses zu verwirklichen, müssen die ArbeitgeberInnen die Kriterien der Gesundheit und Sicherheit bei allen Entscheidungen und auf allen Hierarchieebenen des Betriebes einbeziehen sowie die dafür erforderlichen Ressourcen bereitstellen. Es
müssen geeignete Maßnahmen des Arbeitsschutzes entwickelt und verwirklicht werden. Um diesen Auftrag einzulösen, sind die Arbeitsbedingungen der
Beschäftigten zu ermitteln und daraufhin zu beurteilen, ob sich aus ihnen gesundheitliche Gefährdungen 30 ergeben. Die ergriffenen Maßnahmen sind auf
ihre Wirksamkeit zu kontrollieren und regelmäßig zu aktualisieren. In Betrieben ab zehn Beschäftigten (Teilzeitbeschäftigte anteilig gerechnet) ist dies
auch zu dokumentieren.
Führungskräfte sind in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich für den Arbeitsschutz verantwortlich. Die ArbeitgeberInnen können Pflichten im Zusammenhang mit Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auf befähigte
Beschäftigte übertragen.
30
Der Begriff der Gefährdung bezeichnet im Gegensatz zur „Gefahr“ die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne
bestimmte Anforderungen, an deren Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit.“
(Kittner & Piper 1997, S. 80). Es muss also nicht bereits eine tatsächliche
Gefahr vorhanden sein, sondern es geht darum, planerisch im Vorfeld Risiken
abzuschätzen.
67
Fachliche Beratung durch BetriebsärztInnen und Sicherheitsfachkräfte muss
hinzugezogen werden.
Bei der Auswahl von Arbeitsschutzmaßnahmen sind nach § 4 ArbSchG allgemeine Grundsätze zu beachten. Gefahren müssen an ihrer Quelle bekämpft
und der Stand der Technik und Arbeitsmedizin berücksichtigt werden. Bei der
Planung von Maßnahmen sind „Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen“. Erst wenn alle technischen und organisatorischen Maßnahmen ausgeschöpft sind, soll zu personenbezogenen Schutzmaßnahmen gegriffen werden.
Die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen dürfen ArbeitgeberInnen nach § 3(3)
ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegen.
Die Beschäftigten sind systematisch zu informieren und zu unterrichten, welche Gefährdungen an ihren Arbeitsplätzen bestehen und wie sie ihre Gesundheit schützen können. Sie haben aber auch Mitwirkungspflichten, indem sie
ihre Vorgesetzten beziehungsweise die ArbeitgeberInnen auf gesundheitliche
Gefährdungen und Belastungen hinweisen.
Wenn im Betrieb eine Interessenvertretung vorhanden ist, hat sie umfangreiche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, denn das Arbeitsschutzgesetz
gibt lediglich einen Rahmen vor, der spezifisch für den jeweiligen Betrieb
ausgefüllt werden muss.
Da das Arbeitsschutzgesetz auf die Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zielt, kann Arbeitsschutz nicht mit einer einmaligen
Aktion abgearbeitet werden. Vielmehr muss er im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses organisiert werden, dessen Gelingen wesentlich
von der Entwicklung von Information, Kommunikation, Qualifikation und Beteiligung der Beschäftigten abhängt.
68
5.1.1
Organisation des Arbeitsschutzes
In zahlreichen Betrieben, darunter vor allem in Klein- und Mittelunternehmen wird das Arbeitsschutzgesetz bisher kaum oder nur unvollständig umgesetzt, wie Untersuchungen der Bremer Gewerbeaufsicht und
der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
ergaben (Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales
2004, Senator für Arbeit 1998). Den Arbeitsschutz zu organisieren und
die Beschäftigten dabei einzubeziehen stellt eine große Herausforderung
für den Gesundheitsschutz in der klein- und mittelbetrieblich strukturierten ambulanten Pflege dar. Dennoch kann eine wohl strukturierte Organisation des Arbeitsschutzes für einen Betrieb in der ambulanten Pflege
eine Reihe an positiven Effekten bieten. So sind Arbeitssicherheit und
Qualität eines Produktes beziehungsweise in diesem Falle einer Dienstleistung eng miteinander verknüpft. Dies heißt, wenn dem Arbeits- und
Gesundheitsschutz der Beschäftigten in der ambulanten Pflege Rechnung getragen wird, kann dies positive Auswirkungen auf Qualität und
KundInnenzufriedenheit haben, was wiederum der Produktivität und
Wirtschaftlichkeit eines Betriebes zugute kommt. Daher werden moderne Konzepte des Arbeitsschutzes als Arbeitsschutz-ManagementKonzepte entwickelt, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als integrativer Bestandteil eines Unternehmens, auf allen Ebenen und bei allen Prozessen berücksichtigt und gemanagt werden 31 .
Seit 1996 muss jeder Betrieb einen Betriebsarzt oder eine Betriebsärztin und eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellen. In welchem Umfang dies zu erfolgen hat, wird durch Vorschriften der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaft geregelt. Orientiert an der Schwere von Be-
31
Exemplarisch kann hier das in Bremen am Institut für Arbeit und Wirtschaft
(IAW) durchgeführte Projekt PRAG: Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz – Qualitätssicherung für die ambulante Pflege genannt werden
(www.iaw.uni-bremen.de/pflege-projekt).
69
lastungen in verschiedenen Branchen und Berufen werden jeweils bestimmte, so genannte Mindesteinsatzzeiten für betriebsärztliche und
sicherheitstechnische Betreuung vorgeschrieben. Die Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege hat derzeit folgende
Mindesteinsatzzeiten pro Jahr festgelegt: Bei einem Betrieb mit 10 Beschäftigten ist ein beziehungsweise eine BetriebsärztIn für etwa 3,3
Stunden innerhalb von drei Jahren oder 1,1 Stunden innerhalb eines
Jahres zu bestellen – in einem Betrieb mit 50 Beschäftigten sind es
16,6 Stunden in drei Jahren beziehungsweise 5,5 Stunden innerhalb
eines Jahres. Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit muss bei 6 bis 20 Beschäftigten für 1,5 Stunden pro Jahr bestellt werden, bei einer Betriebsgröße von 21 bis 99 MitarbeiterInnen sind es insgesamt zwei
Stunden 32 . Hierbei sind auch Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte
mitzuzählen. Da es sich um Mindesteinsatzzeiten handelt, bedeutet
dies, dass je nach Erfordernissen im Betrieb auch mehr Einsatzstunden
eingekauft werden können. Derzeit wird bei der Berufsgenossenschaft
eine neue Vorschrift erarbeitet, die für Kleinbetriebe keine Mindesteinsatzzeiten mehr festlegen wird.
Zwar kann festgestellt werden, dass inzwischen die ambulanten Pflegebetriebe flächendeckend formal die Bedingungen der arbeitssicherheitstechnischen und betriebsärztlichen Betreuung erfüllen. Betriebe mit
sehr wenigen Beschäftigten haben allerdings – wie oben ausgeführt –
sehr niedrige Mindesteinsatzzeiten, was bedeuten kann, dass die
Betreuung nicht ausreicht. Erschwerend kommt hinzu, dass Beschäftigte in der ambulanten Pflege selten an einem Ort, wie in einem klassischen Betrieb versammelt sind, da ihre Tätigkeit sich schwerpunkt-
32
Die Angaben können den Berufsgenossenschaftlichen Vorschriften für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (www.bgw.online.de ) sowie der Unfallverhütungsvorschrift der gewerblichen Berufsgenossenschaft entnommen werden.
(www.pr-o.info/bc/uvv/123_36/2.htm)
70
mäßig in Privathaushalten beziehungsweise auf den Wegen dazwischen
abspielt.
Um diese unbefriedigende Situation zu verbessern, entwickelt und erprobt derzeit die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege in einem Modellvorhaben in Hamburg ein alternatives
Betreuungsmodell, in dem das Amt für Arbeitsschutz (Gewerbeaufsichtsamt) und die Berufsgenossenschaft zusammenarbeiten. In diesem
Vorhaben geht es darum, ArbeitgeberInnen und Führungskräfte für ihre
Verantwortung im Arbeitsschutz besser zu qualifizieren und Betreuungsleistungen sinnvoll zu koordinieren beziehungsweise zu bündeln 33 .
Für Bremen wären auch andere Modelle denkbar – so könnten sich beispielsweise mehrere kleine Betriebe in Bremen und Bremerhaven für
die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung zu einer Einheit zusammenschließen. Auch könnten einzelne kleine Unternehmen
von Fachleuten aus größeren Einrichtungen (zum Beispiel Altenpflegeheimen oder Krankenhäusern) beraten und betreut werden. Bestimmte
Leistungen, die für alle Betriebe gültig sind, wie z. B. Informationsveranstaltungen und Unterweisungen könnten dann von einer Stelle aus
koordiniert für alle kooperierenden Unternehmen angeboten werden.
5.1.2
Beratung und Überwachung durch die staatliche
Gewerbeaufsicht
Erkenntnisse über die Situation des Arbeitsschutzes in den Betrieben in
Bremen, vor allem aber in Bremerhaven konnten inzwischen durch
mehrere Aktivitäten des Gewerbeaufsichtsamtes gewonnen werden
(Wienberg 2004). Weiterhin kamen anlässlich von Workshops, Tagun-
33
Projekt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
und des Amtes für Arbeitsschutz Hamburg: „Arbeitsschutz in der ambulanten
Pflege“, Laufzeit 2004 – 2006
(www.bgw-online.de und www.fhh.hamburg.de ).
71
gen und ExpertInnengesprächen in beiden Städten gesundheitsbezogene
Risiken und Handlungsbedarfe zur Sprache. Eigene Vorhaben der Arbeitnehmerkammer Bremen, teilweise in Kooperation mit dem Institut
für Arbeit und Wirtschaft (IAW) konnten belegen, dass ambulante Pflegebetriebe ein großes Interesse an der Entwicklung des betrieblichen
Arbeitsschutzes haben, wenn sie auf geeignete Unterstützung und Beratung zugreifen können.
Die Aktionen der Bremer Gewerbeaufsicht bestanden in:
x
einer Fragebogenaktion im Jahr 1996, in die alle Betriebe in Bremen und Bremerhaven einbezogen waren; es wurden erhebliche
Mängel im Arbeitsschutz offenbar.
x
einer Überprüfung Bremerhavener Betriebe im Jahr 2000, anhand
eines gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), der AOK-Pflegekasse, der Interessenvertretung der ambulanten Pflegebetriebe und dem Bremer
Landesgewerbearzt entwickelten Fragebogens. Im Ergebnis wurde
trotz der Feststellung etlicher Mängel eine Trendwende zu Verbesserungen deutlich. Von den Betrieben wurde die mit dem persönlichen Gespräch verbundene Information durch die Gewerbeaufsicht
als hilfreich und qualitätsförderlich wahrgenommen.
x
einer dritten, stichprobenartigen Überprüfung im Jahr 2003 in
Bremerhaven, bei der keine Verstöße gegen Arbeitszeitvorschriften
und keine Beschwerden von MitarbeiterInnen mehr festgestellt
wurden.
Zusammenfassend vertritt das Gewerbeaufsichtsamt die Auffassung,
dass das Verantwortungsbewusstsein für die branchenspezifischen
Probleme des Arbeitsschutzes gewachsen ist und sich die Qualität des
Arbeitsschutzes und der Arbeitsbedingungen verbessert hat. Als besonders positiv wird hervorgehoben, dass Hemmschwellen zwischen den
72
Betrieben und der Gewerbeaufsicht abgebaut wurden und sich durch
die kontinuierliche Beratung und Begleitung die Zusammenarbeit verbessert hat.
5.2
Arbeitsunfähigkeit und Berufskrankheiten
Die Datengrundlage für das Belastungs- und Krankheitsgeschehen in
der ambulanten Pflege insgesamt und bezogen auf die Beschäftigten in
Betrieben im Land Bremen ist lückenhaft. Ambulante Pflege kommt als
spezieller Bereich kaum in epidemiologischen Auswertungen entsprechender Daten vor. Meist werden die Berufsgruppen Kranken- und Altenpflege zusammengefasst, oder es geht um den „Gesundheitsdienst“
beziehungsweise „Gesundheits- und Sozialberufe“ oder um die stationäre Kranken- und/oder Altenpflege. Gegenwärtig lassen sich deshalb
noch keine Aussagen für alle Beschäftigten einer Berufsgruppe oder einer Branche treffen. Die Gesundheitsberichterstattung der Gesetzlichen
Krankenversicherung fasst zudem die Beschäftigten im Gesundheitswesen zu einer Gruppe zusammen. Wenn Auswertungen für Pflegeberufe
gemacht wurden, dann beziehen sie sich auf Kranken- und Altenpflegekräfte sowie die entsprechenden HelferInnenberufe, die im stationären
Bereich und nicht in der ambulanten Pflege tätig sind.
Gleichwohl ist bekannt, dass beispielsweise der Krankenstand in den
Pflegeberufen – im Vergleich zu anderen Branchen – eher hoch ist und
es liegen einige Erkenntnisse vor, die einen Handlungsbedarf hinsichtlich der Verbesserung des Arbeitsschutzes speziell für die ambulante
Pflege belegen. Als Berufskrankheiten nehmen im Pflegebereich Hautkrankheiten und darunter die Hautallergien die Spitzenstellung ein. Aufgrund der engen Vorgaben im Berufskrankheitenrecht spiegeln entsprechend dokumentierte Daten jedoch nur einen sehr kleinen Ausschnitt
73
des tatsächlichen Gesundheitsverschleißes im Gesundheitswesen wider 34 .
5.3
Gesundheitliche Belastungen in der ambulanten Pflege
Aus zahlreichen Gesprächen mit ExpertInnen und VertreterInnen aus
dem Bereich der ambulanten Pflege resultiert die Erkenntnis, dass bei
der Diskussion von arbeitsbedingten Belastungen seitens der Arbeitsschutz-Fachleute meist Rücken- und Hautbelastungen, Unfallgefahren
sowie die ergonomische Gestaltung des PC-Arbeitsplatzes in der
Verwaltung im Vordergrund stehen. Ein anderer, wesentlicher Teil des
Belastungsgeschehens ist schwerer zu greifen, denn er spielt sich im
Bereich der Arbeitsorganisation und der Gestaltung von Arbeitsabläufen
ab. Im folgenden Abschnitt werden auf der Grundlage von Erkenntnissen aus aktuellen Studien gesundheitliche Gefährdungen, die in der
ambulanten Pflege eine Rolle spielen, analog der Systematik des § 5
Arbeitsschutzgesetz (Beurteilung der Arbeitsbedingungen) aufgezeigt.
5.3.1
Gefährdungen durch Gestaltung und Einrichtung der
Arbeitsstätte
In der häuslichen Pflege stellt die Privatwohnung der PatientInnen die
Arbeitsstätte der Beschäftigten ambulanter Pflegedienste dar. Diese
Wohnungen sind nur in den seltensten Fällen in ihrer baulichen Beschaffenheit und Ausstattung an die spezifischen Anforderungen der
häuslichen Pflege angepasst. Als typische bauliche Mängel sind bei-
34
Damit eine Erkrankung tatsächlich als Berufskrankheit anerkannt wird, muss
ein kausaler Zusammenhang zwischen einer festgelegten Einwirkungsdauer
und -intensität und der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen werden. In einem
langwierigen und für die Betroffenen nicht immer durchschaubaren Berufskrankheitenverfahren scheitern viele Anträge. Die Anerkennung bedeutet noch
nicht, dass eine Entschädigung gezahlt wird, da diese an den Grad der attestierten gesundheitlichen Einschränkung geknüpft ist.
74
spielsweise zu kleine und zu enge Bäder die Ursache dafür, dass Pflegekräfte unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen. Hinzu
kommt oftmals das Beharren der Pflegebedürftigen, in ihrem eigenen
Bett statt in einem Pflegebett versorgt zu werden, was ein rückengerechtes Arbeiten verhindert. Eine Absprache hinsichtlich Mindestanforderungen der für die Pflege relevanten Gegebenheiten in einer Wohnung
kann beim Erstbesuch und beim Vertragsabschluss mit den Pflegebedürftigen und Angehörigen erfolgen, um für die Beschäftigten gesundheitsgefährdende Bedingungen der Arbeitsstätte zu minimieren.
5.3.2
Gefährdungen durch physikalische, chemische und
biologische Einwirkungen
Als physikalische Belastungen gelten in der pflegerischen Arbeit insbesondere alle Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen verbunden sind.
Dies ist in der ambulanten Pflege vor allem daher besonders relevant,
da die Pflegekraft die Pflegebedürftigen meist alleine versorgt. Belastungen für Rücken und Gelenke können mittels arbeitswissenschaftlich
fundierter Handlungshilfen, wie sie beispielsweise die Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) in gedruckter Version, aber
auch online kostenlos zur Verfügung stellt, relativ einfach und praxisnah
ermittelt und beurteilt werden (www.baua.de/prax/lasten). Es können
auch technische Hilfen wie Pflegebetten, Lifter, Gehhilfen und Rollstühle verwendet werden. Allerdings wird deren Einsatz je nach Ausbildungsstand des Personals und Unterstützung durch Pflegedienstleitung
und ArbeitgeberInnen durchaus unterschiedlich gehandhabt. Häufig fehlen auch Kenntnisse, wann, welche und wie Hilfsmittel beschafft und
sinnvoll eingesetzt werden können.
Chemische Belastungen die durch Desinfektionsmaßnahmen, Reinigungstätigkeiten und Medikamente verursacht werden, sind in den letzten Jahren von den Berufsgenossenschaften durch verschiedene Aktivitäten verstärkt thematisiert worden. Dennoch liegen in vielen Betrieben
75
immer noch keine Hautschutzpläne vor und es erfolgen keine systematischen Unterweisungen der Beschäftigten, wie sie ihre Haut bei der Arbeit gesund erhalten können.
Infektionsrisiken als biologische Belastungen bestehen insbesondere für
die Infektionskrankheiten Hepatitis A, B und C, die durch Kontakt mit
Körperflüssigkeiten beziehungsweise Ausscheidungen der Pflegebedürftigen übertragen werden können sowie Tetanus. Auch nach der im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebenen Unterweisung der Beschäftigten
und trotz des Tragens von Schutzkleidung kann eine Infektionsgefahr
nicht immer ausgeschlossen werden. Die erforderliche arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach § 15 BioStoffV 35 sowie notwendige
Schutzimpfungen, stellen Maßnahmen des Arbeitsschutzes dar. Diese
müssen die ArbeitgeberInnen finanzieren, die Krankenkassen zahlen
Schutzimpfungen gegen Hepatitis A und B nicht.
5.3.3
Gefährdungen durch Gestaltung, Auswahl und Einsatz
von Arbeitsmitteln
Für die ArbeitnehmerInnen in ambulanten Diensten stellt in der Regel
der PKW ein Arbeitsmittel dar. Daher können Gefährdungen durch die
zahlreichen Fahrten zwischen den Einsatzorten entstehen. Im Straßenverkehr, zu Stoßzeiten und oftmals unter Zeitdruck, zum Beispiel durch
zu knapp bemessene Wegezeiten besteht ein erhöhtes Unfallrisiko und
es kommt im Vergleich zu anderen Branchen häufig zu Unfällen. In einem Projekt zum Arbeitsschutz in der ambulanten Pflege wurde ermittelt, dass es sich hier um ein etwa dreimal höheres Risiko handelt als
im Durchschnitt verschiedener, bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) unfallversicherten Bran-
35
Verordnung zur Umsetzung der EG-Richtlinien über den Schutz der
Beschäftigten gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit
(BioStoffV) vom 27.01.1999.
76
chen (BGW 2004). Dem trägt die gesetzliche Unfallversicherung beispielsweise dadurch Rechnung, dass sie die Teilnahme an Fahrtrainings
bezuschusst.
5.3.4
Gefährdungen durch die Gestaltung von Arbeits- und
Fertigungsverfahren
In der ambulanten Pflege bezieht sich die Bezeichnung „Arbeits- und
Fertigungsverfahren“ aus dem Arbeitsschutzgesetz zur Beurteilung der
Arbeitsbedingungen auf die Gestaltung der pflegerischen Arbeit. Ein
Ausdruck entsprechender Gefährdungen sind beispielsweise Belastungen, die durch die Lage, Verteilung und Dauer der Arbeitszeit auftreten.
Die Bremer Gewerbeaufsicht stellte bei Überprüfungen in ambulanten
Diensten teilweise erhebliche Arbeitszeitverstöße fest, wie etwa die Unterschreitung der ununterbrochenen Ruhezeit (Wienberg 2004).
Darüber hinaus ist die Tätigkeit von Beschäftigten in der ambulanten
Pflege immer wieder gekennzeichnet durch unsichere Situationen. Unklarheiten und unvorhergesehene Probleme und der Druck, aufgrund
vorab nicht geklärter Fragen alleine und unter Zeitnot Entscheidungen
fällen zu müssen, erzeugen ein hohes Maß an psychischer Belastung.
Pflegekräfte fühlen sich häufig in der Verantwortung für Fragen, die außerhalb ihrer Zuständigkeit und ihrer Handlungskompetenz liegen und
versuchen dann ein Problem aus eigener Kraft zu lösen. Gelingt dies
nicht oder nicht zufrieden stellend, steigt das Belastungsempfinden der
Beschäftigten. Entscheidungsunsicherheit und Unklarheiten entstehen
vor allem dann, wenn betriebliche Regelungen und Absprachen nicht
vorhanden sind oder nicht ausreichen. Daher müssen beispielsweise in
einem Pflegevertrag die für eine gefährdungsfreie und die Beschäftigten
möglichst wenig belastende Pflegearbeit erforderlichen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Raumgröße und Beschaffenheit der Einrichtung im Privathaushalt formuliert werden. Liegen hierzu keine klaren
Vereinbarungen vor, müssen die Beschäftigten vor Ort immer wieder
77
aus eigener Kraft und zu eigenen Lasten die bestehenden Defizite ausgleichen.
Auch das Fehlen einer systematischen Pflegeanamnese kann dazu führen, dass Unklarheiten über die notwendigen pflegerischen Dienstleistungen auftreten. Pflegekräfte sehen sich dadurch einem persönlichem
Druck ausgesetzt, weil sie – vor Ort auf sich allein gestellt – mit Ansprüchen von PatientInnen und Angehörigen umgehen müssen. Dabei
handelt es sich oftmals um Tätigkeiten, die ein Pflegedienst nicht abrechnen kann und die eine Pflegekraft vor dem wirtschaftlichen Hintergrund des Pflegedienstes nicht einlösen dürfte. Tut sie es dennoch, so
bedeutet dies oft unbezahlte Zusatzarbeit.
Hinzu kommt, dass die im Katalog der Pflegeversicherung aufgeführten
Pflegeleistungen sehr eng kalkuliert sind und menschliche Individualität
weitgehend außer Acht lassen. In einer gesundheitsbezogenen Arbeitsanalyse der ambulanten Pflege in Hamburg konnte der Widerspruch
zwischen den Zeitvorgaben zur Abrechnung von Pflegeleistungen und
der „human notwendigen Zeit“ zur Versorgung der PatientInnen und der
damit entstehende Zeitdruck für die Beschäftigten als herausragende
psychische Belastung aufgezeigt werden (Geißler-Gruber 2004, S. 9).
In diesem Bericht wird auch die reale Variationsbreite der benötigten
Zeiten für einzelne Pflegeleistungen exemplarisch dargestellt. So kann
beispielsweise die „große Pflege“ (gemeint ist hier eine Körperpflege,
die bestimmte, fest definierte Leistungen enthält) zwischen 16 und 50
Minuten variieren. Über alle in dieser Untersuchung betrachteten pflegerischen Tätigkeiten konnte eine Schwankungsbreite von etwa 10 Minuten bis über 30 Minuten dokumentiert werden. Diese Schwankungen
kommen aufgrund individueller und situativer Verschiedenheiten bei
den Pflegebedürftigen zustande, die beispielsweise durch einen lang
andauernden Toilettengang oder ein besonders ausgeprägtes Gesprächsbedürfnis mehr Betreuungszeit als geplant in Anspruch nehmen
(Geißler-Gruber 2004). In den Vorgaben der pflegerischen Abrech-
78
nungszeiten sind solche individuellen und menschlichen Bedürfnisse
nicht berücksichtigt, wodurch das Problem der schwierigen Planbarkeit
pflegerischer Dienstleistung auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.
Ein ebenfalls von vielen Beschäftigten geäußerter zeitlicher Stressfaktor
ist die „Pünktlichkeit“, die von KlientInnen gefordert und gleichsam als
Qualitätsmerkmal eines Pflegedienstes gehandelt wird. Dahinter steckt
ein erhebliches Konfliktpotential: Die meist älteren PatientInnen nehmen die angekündigte Zeit des Erscheinens der Pflegekraft oft sehr
wörtlich, da diese häufig einen der wenigen, sehnlich erwarteten Außenkontakte darstellen. Viele ältere Menschen messen auch aufgrund
ihrer eigenen Erziehung der Pünktlichkeit einen sehr hohen Stellenwert
bei. Die Pflegekraft muss ihre Zuverlässigkeit und die des Pflegedienstes
unter Beweis stellen, indem sie genau zur verabredeten Zeit erscheint.
Ein Anspruch, der aufgrund der knappen Wegezeiten und möglicherweise bei vorhergehenden Einsätzen eingetreten Verzögerungen schwer
einzulösen ist.
Für viele Pflegekräfte, die mit einem bestimmten beruflichen Selbstverständnis ihre Arbeit ausüben, stellt der aus dem Zeitdruck entstehende
Konflikt, nicht so arbeiten zu können, wie es ihrer Ansicht nach gut und
richtig wäre, oftmals die größte Belastung dar. Schließlich führen auch
deutliche Unterschiede im beruflichen Selbstverständnis der einzelnen
Pflegekräfte untereinander häufig zu Konflikten. Insbesondere dann,
wenn innerhalb eines Pflegedienstes nicht über individuelle Ansprüche
an die Tätigkeit gesprochen wird und Unklarheiten über die Qualitätskriterien pflegerischer Arbeit innerhalb eines Dienstes bestehen. Entsprechende Probleme und Belastungen könnten hier gelöst beziehungsweise
gemindert werden, indem beispielsweise an einem gemeinsamen Leitbild des Unternehmens gearbeitet wird.
79
Weitere psychische Belastungen können entstehen, wenn zwischen
Pflegekräften und Pflegebedürftigen beziehungsweise deren Angehörigen Konflikte auftreten oder wenn Demenzkranke und Sterbende betreut
werden. Diese psychisch besonders belastenden Situationen sollten in
der Regel durch Supervision und psychologische Hilfestellung der Beschäftigten aufgefangen werden. Ein solches Angebot scheint es allerdings in Bremer Pflegediensten nur in Ausnahmefällen zu geben. Selbst
regelmäßige Teamsitzungen und Fallbesprechungen, die eine gewisse
Entlastungsfunktion haben können, gehören nicht immer zum allgemeinen Standard von Pflegediensten.
Die ambulante Pflege ist ein Bereich, in dem sehr viel Kommunikation
stattfindet, die aber häufig nicht strukturiert und zielgerichtet ist. Dies
zeigt sich nicht nur im Umgang bei den KlientInnen zu Hause, sondern
auch in der Verwaltung beziehungsweise im Büro eines Dienstes. Die
dort beschäftigten Personen sind für die Verhandlungen mit Pflegekassen, PatientInnen, Angehörigen, ÄrztInnen usw. zuständig und stellen
gleichzeitig die AnsprechpartnerInnen für die in der direkten Pflege Beschäftigten dar. Um permanente Störungen als Belastungsfaktor zu
vermeiden, ist eine gute Organisation auch der Verwaltungs- und Managementaufgaben bei ambulanten Pflegediensten notwendig.
5.3.5
Gefährdungen durch unzureichende Qualifikation und
Unterweisung der Beschäftigten
Die Beschäftigten in der ambulanten Pflege benötigen eine gute Grundqualifikation und die Möglichkeit, diese aufrecht zu erhalten und zu aktualisieren. Dies ist einerseits notwendig, um eine qualitativ gute Arbeitsleistung erbringen zu können und andererseits, um sich vor gesundheitlichen Schädigungen zu schützen. Dazu müssen neue Erkenntnisse aus Pflege- und Gesundheitswissenschaft, Recht und Medizin
vermittelt werden und die Beschäftigten müssen dazu befähigt werden,
sie in der eigenen Berufspraxis anzuwenden. Systematische Fortbil-
80
dungspläne und -programme gibt es jedoch in der ambulanten Pflege
praktisch nicht. Einer Teilnahme stehen aber selbst bei den wenigen
Ausnahmen die finanzielle Eigenbeteiligung beziehungsweise die Nichtanrechnung von Arbeitszeit sowie Zeitknappheit entgegen. Ein Grund
dafür ist, dass die Kosten für Fortbildung des Pflegepersonals in der
Pflegeversicherung bei weitem nicht angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist eine ständig sich weiter entwickelnde Qualifikation nicht
nur für die Beschäftigten von Vorteil, sondern stellt auch eine Chance
dar, die Qualität des Dienstleistungsangebots zu steigern.
Nur wenige Pflegedienste bieten ihren Beschäftigten, die bei längerer
Tätigkeit in der Pflege mehrheitlich über Rückenprobleme berichten,
entsprechende Fortbildungen beziehungsweise Präventionsmaßnahmen
an. So werden Erkenntnisse, wie Pflegekräfte durch Unterstützung und
Mobilisierung der eigenständigen Bewegung der Pflegebedürftigen im
Rahmen einer wissenschaftlich fundierten aktivierenden Pflege (zum
Beispiel Kinästhetik) Kräfte schonend arbeiten können, kaum oder nicht
ausreichend vermittelt. Zum Thema Hautschutz können beispielsweise
Angebote der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege in Form von Fortbildungen wahrgenommen werden. Um die
Unfallrisiken in der ambulanten Pflege zu verringern, bietet die Berufsgenossenschaft Fahrtraining an.
Laut Arbeitsschutzgesetz haben ArbeitgeberInnen die Pflicht, eine Betriebsanweisung zu erstellen, die eine sichere Arbeitsweise beschreibt.
Die Beschäftigten sollen vor Aufnahme der Tätigkeit und danach – abhängig von der ermittelten gesundheitlichen Gefährdung – in regelmäßigen Abständen über den Arbeitsschutz und hygienisches Arbeiten informiert werden, was es auch zu dokumentieren gilt. Dies ist derzeit
noch nicht flächendeckend umgesetzt und damit als wirksames Instrument des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Beschäftigte in der ambulanten Pflege noch nicht hinreichend ausgeschöpft.
81
5.4
Lebensphasen und demografischer Wandel:
Schwangerschaft und Altern
Bei den engen Rahmenbedingungen und knappen Ressourcen in Kleinund Mittelbetrieben, wie sie in der ambulanten Pflege gegeben sind,
werden die Wechselfälle im Leben von ArbeitnehmerInnen im Betrieb
als kaum zu bewältigende Problemlagen wahrgenommen. Hier besteht
ein erheblicher Verbesserungsbedarf, gerade, weil in der Branche vorwiegend Frauen beschäftigt sind.
Wird eine Pflegekraft schwanger, erscheint es kaum möglich, Tätigkeiten zu finden, die den Mutterschutzvorschriften entsprechen. Die Folge
ist meist ein durch das Mutterschutzgesetz begründetes totales
Beschäftigungsverbot. Die Pflegekraft fällt für den Betrieb aus, obwohl
dieser ihr Gehalt für die Dauer des Beschäftigungsverbotes, also in der
Regel bis zur Geburt des Kindes weiter tragen muss. Betriebe mit bis zu
20 Beschäftigten können in dieser Situation zwar an dem im Entgeltfortzahlungsgesetz begründeten Umlageverfahren teilnehmen, was aber
oftmals aus Unkenntnis heraus unterbleibt. Dies ist umso bedauerlicher, da hier ohne zusätzliche Kosten für den Betrieb die ausgefallene
Mitarbeiterin ersetzt werden könnte. In Bremen sind Fälle bekannt, bei
denen sich Schwangere in ambulanten Pflegediensten dazu genötigt sahen, sich krankschreiben zu lassen, obwohl während ihrer Schwangerschaft keine Erkrankung vorlag. In solchen Fällen setzt dann nach sechs
Wochen die Lohnfortzahlung durch die gesetzliche Krankenkasse ein,
was den Betrieb entlastet. In Einzelfällen wurde beschäftigten schwangeren Frauen sogar nahe gelegt, das Arbeitsverhältnis selbst aufzulösen.
Über die Altersstruktur der Beschäftigten in der ambulanten Pflege ist
wenig bekannt. Bei größeren und gemeinnützigen Trägern scheint der
Altersdurchschnitt höher zu liegen als bei kleinen und privatwirtschaftlich organisierten Betrieben, die meist auch erst seit wenigen Jahren
bestehen. In vielen Fällen wird es zum unlösbaren Problem, wenn ältere
82
ArbeitnehmerInnen aufgrund einer chronischen Gesundheitsschädigung,
zum Beispiel der Wirbelsäule, nicht mehr alle anfallenden Pflegetätigkeiten ausführen können. Einzelne Einsätze auf mehrere Pflegekräfte zu
verteilen, lässt sich aufgrund der knapp kalkulierten Vergütungsweise
nicht realisieren und Tätigkeiten, die körperlich weniger belastend sind,
wie beispielsweise in der Verwaltung und im Management, sind nur begrenzt vorhanden. Nicht selten läuft es darauf hinaus, dass der oder die
Beschäftigte den Betrieb mehr oder weniger freiwillig verlässt.
Da gerade Beschäftigte im höheren Alter über viele berufliche Kompetenzen und Erfahrungen verfügen, wäre es für die Betriebe durchaus
sinnvoll, diese zu halten, auch wenn sie in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. So könnten sie beispielsweise in der
Betreuung von Demenzkranken eingesetzt werden, wenn diese noch
nicht sehr gebrechlich sind. Bei der Versorgung dieser Menschen stehen
nicht körperliche sondern vor allem kommunikative Leistungen im Vordergrund, über welche sowohl berufs- als auch lebenserfahrene Pflegekräfte möglicherweise eher verfügen als junge MitarbeiterInnen und BerufsanfängerInnen. Dazu müssten allerdings solche Leistungen überhaupt abrechenbar sein beziehungsweise besser vergütet werden. Um
alternsgerechte Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege zu schaffen, müssten gezielte Fortbildungen, Präventionsmaßnahmen und ein
effektives Gesundheitsmanagement entwickelt werden (Morschhäuser
2002, Behrens et al. 1998).
In den kommenden Jahren dürften Fragen zur alternsgerechten Gestaltung der Arbeit in der ambulanten Pflege besonders virulent werden, da
sich die indizierten Probleme einer begrenzten Tätigkeitsdauer in dem
Berufsfeld verstärken werden. Zu bedenken ist auch, dass sich die
Branche durch einen zeitlichen Bestand vieler gewerblicher Pflegebetriebe seit Anfang der 1990er Jahre auszeichnet, die zusammen mit ihren MitarbeiterInnen inzwischen „in die Jahre gekommen“ sind. Darüber hinaus macht der Wandel in der Branche durch Veränderungen
83
der gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen sowie der allgemeine demografischen Wandel in der Gesellschaft die Entwicklung
zur alternsgerechten Arbeitsgestaltung erforderlich.
5.5
Ressourcen zur Bewältigung gesundheitlicher Risiken
Die Tätigkeit und Organisation eines ambulanten Pflegedienstes bringt
es mit sich, dass die Pflegekräfte in der Regel isoliert arbeiten und bei
allen pflegerischen Erfordernissen auf sich allein gestellt sind. Dies bedeutet im Vergleich zum stationären Bereich auf der einen Seite einen
Zugewinn an Entscheidungs-, Gestaltungs- und Handlungsspielräumen,
auf der anderen Seite wird der Verlust kollegialer Unterstützung beklagt.
Folgende mögliche Ressourcen werden in der ambulanten Pflege – vor
allem im Vergleich zur stationären Pflege – wahrgenommen (Büssing et.
al. 2000):
x
x
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x
x
das selbständige eigenverantwortliche Arbeiten,
der bessere körperliche und geistige Zustand der Pflegebedürftigen,
die Wahrnehmung der Pflegebedürftigen als
PartnerInnen in der Pflege,
ein gewisses Maß an zeitlicher Flexibilität,
der Kontakt zu und Austausch mit Angehörigen.
Diese Punkte enthalten jedoch auch Konfliktpotenzial – wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben – womit sie einer gesundheitsförderlichen Wirkung entgegenstehen können. Um gesundheitsförderliche Ressourcen zu entwickeln und zu unterstützen, müssen entsprechend zielgerichtete Fortbildungsmaßnahmen, Supervision und Teamgespräche angeboten werden. Eine wirksame Gesundheitsförderung und
Prävention besteht in der besseren Organisation betrieblicher Abläufe,
der Definition und Umsetzung von Standards in der pflegerischen Arbeit, so dass die Beschäftigten mehr Rückenstärkung (sowohl im übertragenen als auch im eigentlichen Sinne des Wortes) erfahren.
84
6
Ausbildung und Berufsbild
Es ist davon auszugehen, dass die Berufe der Krankenschwester beziehungsweise der Gesundheits- und KrankenpflegerIn sowie der AltenpflegerIn und der Kranken- und AltenpflegehelferInnen durch die demografische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten zunehmend gebraucht werden. Durch die entsprechend höhere Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen wird die Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben
weiter an Bedeutung gewinnen.
Der Pflegebereich scheint für Frauen, die nach einer Familienphase in
die Erwerbstätigkeit zurückkehren wollen, bessere Möglichkeiten zu bieten als andere Berufe. Auch Fragen einer zusätzlichen Altersabsicherung
und eines Beitrages zum Familieneinkommen spielen dabei eine Rolle.
Diesen Frauen könnte für den Wiedereinstieg durch entsprechende Weiterbildungsangebote eine Perspektive geboten werden. Aber der berufliche Auf- und Wiedereinstieg ist durch fehlende Karrierewege und die
bislang noch wenig geregelten Fort- und Weiterbildungsstrukturen
schwierig. Zur Förderung der Mobilität wäre es zudem wünschenswert,
geeignete Verbindungslinien zwischen verschiedenen Pflege- und
Dienstleistungsbereichen zu schaffen, um die Möglichkeit der Verknüpfung von verschiedenen Leistungsangeboten aber auch flexible Reaktionen der Beschäftigten auf die nachgefragten Dienstleistungen zu ermöglichen.
Voraussetzung dafür ist aber, dass bildungspolitische Forderungen nach
qualifizierten pflegerischen Ausbildungen zum Tragen kommen.
Niedrigschwellige Möglichkeiten zum Qualifizierungseinstieg und eine
durchlässige Ausbildungsstruktur, die erworbene soziale und familiäre
Qualifikationen berücksichtigt, darf jedoch nicht mit einer Minderqualifikation verwechselt werden. Die Arbeitnehmerkammer lehnt daher Forderungen von Seiten der ArbeitgeberInnen nach einer zweijährigen min-
85
derqualifizierten Pflegeausbildung für ambulante und stationäre Pflege
grundsätzlich ab.
Eine angemessene pflegerische Versorgung der zunehmend chronischdegenerativ sowie demenziell erkrankten alten Menschen setzt eine hohe Fachkompetenz voraus. Diese ist gerade im Berufsfeld der Altenpflege, in dem in einigen Bereichen eine große Anzahl nicht ausgebildeter
Pflegehilfskräfte arbeitet, nicht grundsätzlich gegeben. Durch die Veränderungen in der Versorgungslandschaft entstehen neue Anforderungen an die Pflegeberufe, wie beispielsweise Anleitung, Schulung und
Beratung von PatientInnen und pflegenden Angehörigen. In diesem Zusammenhang lässt sich ein stetig wachsender Bedarf an professioneller
Pflege feststellen, der neben den traditionellen pflegerischen Aufgaben
eine umfassendere und auch spezialisierte Ausbildung erfordern wird.
Ein grundsätzliches Problem der pflegerischen Ausbildungen sowie der
Fort- und Weiterbildungen liegt in den unterschiedlichen Bundes- und
Länderzuständigkeiten und den verschiedenen Ausbildungssystemen.
Bundesweit anerkannte und zertifizierte Qualifizierungen bestehen nur
in wenigen Spezialisierungsbereichen.
Ein weiteres Problem liegt in der rasanten Entwicklung der Anforderungsprofile der Pflegeberufe. Auf dem Weg eines dienstleistungsorientierten, von KundInnenvorgaben und ökonomischen Bedingungen geleiteten Bereichs, werden die pflegerischen Aufgaben – insbesondere im
ambulanten Sektor – durch weitere Qualifikationen der Beschäftigten
ergänzt werden müssen. Betriebswirtschaftliche Führung, KundInnenorientierung, Organisations- und Personalentwicklung, der Einsatz neuer
technisch-methodischer Verfahren bei gleichzeitiger arbeitsbereichsübergreifender Zusammenarbeit mit anderen Bereichen der Sozialwirtschaft sowie der Bereich der Qualitätssicherung erweitern und ergänzen
die bisherigen Aufgaben (EQUIB 2001). Die Anforderungen im pflegerischen Bereich haben sich in den letzten Jahren vor allem geändert
durch:
86
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x
die Zunahme von chronischen und geriatrischen Erkrankungen, sowie Mehrfacherkrankungen,
eine rasante medizinische und medizintechnische Entwicklung mit
einer immer weiter fortschreitenden Spezialisierung und Arbeitsteilung,
sowie Entwicklungen bei den Informations- und Kommunikationstechniken, insbesondere an den Schnittstellen zur Verwaltung und
zu den anderen Gesundheits- und Sozialpflegeberufen.
Der Bedarf an Ausbildungsplätzen für die dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin beziehungsweise zum Altenpfleger wird zur Zeit für das
Land Bremen auf jährlich 150 Ausbildungsplätze veranschlagt. Für die
Jahre 2003 und 2004 wurden diese Ausbildungskapazitäten auch erreicht. Für die kommenden Jahre geht die Behörde von einer
tendenziellen Abnahme an Ausbildungsplätzen in der Altenpflege aus.
Begründet wird dies mit einer „Sättigung bei den Pflegekräften“
(Bremische Bürgerschaft 2005a, S. 12). Es muss jedoch festgestellt
werden, dass für eine solche Aussage derzeit keine empirischen Daten
vorliegen.
6.1
Pflegeberufe in der ambulanten Pflege
Als die klassischen Pflegeberufe in der ambulanten Pflege gelten die
Gesundheits- und KrankenpflegerInnen und AltenpflegerInnen sowie die
Kranken- und AltenpflegehelferInnen. Die dreijährige Krankenpflegeausbildung zur „Gesundheits- und KrankenpflegerIn“ ist seit Anfang 2004
gesetzlich neu geregelt und soll mit dieser neuen Bezeichnung die Neuausrichtung und Erweiterung der Ausbildung deutlich machen (Krankenpflegegesetz KrPflG, seit 1.1. 2004). Mit der Reform der Ausbildung
soll durch eine entsprechende Formulierung der Ausbildungsziele der
Zunahme chronisch-degenerativer Erkrankungen Rechnung getragen
werden sowie dem Ausbau ambulanter und teilstationärer Versorgungsstrukturen; darüber hinaus wird eine Übernahme präventiver, rehabilita-
87
tiver und palliativer Aufgaben in das Berufsbild der Gesundheits- und
KrankenpflegerIn angestrebt (RKI 2004).
Die Ausbildung in der Altenpflege ist seit Mitte 2003 über das bundesweit gültige Altenpflegegesetz geregelt (Altenpflegegesetz AltPflG, seit
1.8.2003). Die Ausbildung soll sich insbesondere an der Entwicklung
in Altenpflegeeinrichtungen mit zunehmend hochbetagten, multimorbid
sowie gerontopsychiatrisch erkrankten BewohnerInnen und der damit
verbundenen pflegerischen und betreuerischen Herausforderungen ausrichten (RKI 2004). Die praktischen Ausbildungsanteile finden sowohl
in der Kranken- als auch in der Altenpflege in erster Linie in stationären
Einrichtungen statt, während ambulante Einsätze eine deutlich geringere Rolle spielen.
Die Ausbildung für die PflegehelferInnenberufe ist länderspezifisch geregelt. In Bremen haben auf Initiative des Senators für Arbeit, Frauen, Jugend und Soziales in der Altenpflege Tätige ohne Ausbildung die Möglichkeit eine einjährige berufsbegleitende Qualifizierung zur Altenpflegehelferin durchzuführen. Unter anderen fanden in den letzten Jahren
auch Qualifizierungsmaßnahmen für die Zielgruppe der MigrantInnen
statt. Für die solchermaßen ausgebildeten AltenpflegehelferInnen war
vorgesehen, dass sie nach einigen Jahren eine weitere Qualifizierung zur
AltenpflegerIn (Gesamtausbildungszeit drei Jahre) durchführen können.
Berufsbegleitende Maßnahmen wurden bislang nicht durchgeführt. Die
erreichte Qualifizierung kann lediglich im Rahmen einer dreijährigen
Ausbildung angerechnet werden. Dies entspricht der grundsätzlichen
Forderung der Arbeitnehmerkammer, systematische Anschlussmöglichkeiten und Weiterbildungsangebote zu etablieren, um sowohl dem Bedarf an qualifiziertem Personal, als auch den Spezifika weiblicher Erwerbsbiographien Rechnung zu tragen. Entsprechendes gilt für die Ausbildungen am Schulzentrum Walle. Allerdings müssen niedrigschwellige
Qualifizierungsangebote insbesondere dann als problematisch angesehen werden, wenn durch die Etablierung einer einjährigen „Schmal-
88
spurausbildung“ eine Höherbewertung und Professionalisierung der
Pflegeberufe zusätzlich erschwert wird und kein systematischer Anschluss zu weitergehenden Fort- und Weiterbildungen möglich ist.
Bedauerlich ist, dass die Agentur für Arbeit die Zahl der Umschulungen
erheblich reduziert als auch Maßnahmen im Rahmen von Jobrotation
eingestellt hat und damit die bisherigen Ausbildungszahlen in Bremen
eingebrochen sind. Zusätzliche Probleme entstehen durch die reduzierte
Förderungsdauer durch die Agentur für Arbeit auf zwei Jahre. Die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres wird derzeit verhandelt.
Durch den zunehmenden pflegerischen Versorgungsbedarf muss zwar
einerseits ein quantitativer Ausbau im pflegerischen Versorgungssystem
stattfinden, der möglicherweise nur unter Zuhilfenahme von weniger
qualifizierten Kräften zu leisten ist. Andererseits verlangen die geschilderten Entwicklungen hinsichtlich des Versorgungsbedarfes von Pflegebedürftigen eine fachlich gut fundierte und qualifizierte Ausbildung von
Pflegekräften. Hinsichtlich der Ausbildung werden auch weiterhin Berufsabschlüsse von weniger qualifizierten bis hin zu hoch spezialisierten
Pflegekräften möglich sein. Ansonsten gilt es jedoch ein durchlässiges
und transparentes Ausbildungssystem zu entwickeln, das auch
niedrigschwellige Angebote und Zugangsmöglichkeiten für nichtqualifizierte Frauen bereithält.
6.2
Herausforderungen an ein neues Berufsbild in der
ambulanten Pflege
Sowohl durch die weitreichenden demografischen Änderungen, das
heißt mit älter werdenden Pflegefällen und einer zunehmenden Bedeutung chronisch-degenerativer Krankheitsbilder, Multimorbidität und gerontopsychiatrischer Erkrankungen als auch der politischen Prämisse
„ambulant vor stationär“, ist davon auszugehen, dass zukünftig ein erhöhter Bedarf an ambulanten Dienstleistungen in der Gesundheits- und
89
Alterspflege entstehen wird. Die sozialpolitische Prioritätensetzung wird
vor allem aus ökonomischen Gründen einen immer größeren Stellenwert
erhalten. Diese Entwicklung wird sich durch Veränderungen in anderen
Bereichen verstärken, wie etwa durch die Einführung eines pauschalierten Abrechnungssystems im stationären Bereich auf der Grundlage von
Diagnostic Related Groups (DRGs).
Diese Position vertritt auch der Bremische Senat, der im Grundsatz
„ambulant vor stationär“ eine Steuerungsleitlinie bremischer Altenpolitik
sieht (Bremische Bürgerschaft 2005a). Begründet wird dies vor allem
mit der begrenzten finanziellen Leistungsfähigkeit der Pflegekassen sowie der Sozialhilfeträger. Kommunalpolitische Aufgaben werden danach
in der Beratung und Zusammenarbeit der Bremer Träger und deren
Entwicklung eines Hilfs- und Versorgungsangebotes gesehen, mit dem
Ziel eines reduzierten Pflegeheimangebotes. Über diese unverbindliche
Beratungstätigkeit hinaus stellt der Senat fest: „In welchem Umfang Investitionen in Pflegeeinrichtungen finanziell vom Land Bremen unterstützt werden sollen, wird gegenwärtig vom Senator für Arbeit, Frauen,
Gesundheit, Jugend, und Soziales in Abstimmung mit den Zentralressorts auch auf der Grundlage eines Vergleichs der Förderpraktiken der
Länder überprüft.“ (Bremische Bürgerschaft 2005a, S. 3).
Hinsichtlich beruflicher Qualifikationen werden daher kranken- und altenpflegerische, psychosoziale und soziale Kompetenzen stärker benötigt und die Anforderungen an das Pflegepersonal erstrecken sich zukünftig auch auf präventive und rehabilitative Maßnahmen. Durch diese
in der ambulanten Pflege anfallenden neuen Aufgaben, wird zunehmend ein neues Berufsbild entstehen, das sich noch deutlicher als zuvor von der stationären Altenpflege unterscheiden wird. So müssen ambulant tätige Pflegekräfte zum Beispiel über ein hohes Maß an selbständiger Entscheidungsfähigkeit und entsprechender fachlicher Kompetenz verfügen, da sie vor Ort meist allein arbeiten. Darüber hinaus sind
sie MittlerInnen und MitorganisatorInnen für weitere Dienstleistungen
90
und benötigen dafür in hohem Maße organisatorische Kompetenzen,
wie sie zum Beispiel im Rahmen des zunehmend an Bedeutung gewinnenden Konzepts des Case-Managements zu erlernen sind. Auch die
Bereiche Schulung, Anleitung und Beratung werden in der häuslichen
Betreuung Pflegebedürftiger für diese sowie für deren Angehörige zunehmend von professionellen Pflegekräften anzubieten sein, wofür deren Qualifikation hinsichtlich pädagogischer und beraterischer Tätigkeiten entsprechend auszuweiten ist. Daneben steht es in den Pflegeberufen immer noch an, dass die in diesen Berufen notwendigen Fähigkeiten hinsichtlich kommunikativer und sozialer Kompetenzen nicht als
allgemeine „menschliche Tugenden“ vorausgesetzt werden, sondern
durch entsprechende qualifikatorische Maßnahmen zum beruflichen
Handwerkszeug entwickelt werden. Diese bilden die Voraussetzung für
professionelle Beziehungsarbeit und Einfühlungsvermögen im Rahmen
der Realisierung einer patientInnenorientierten Arbeitsweise.
Entsprechendes gilt auch für Kenntnisse über Gefährdungen und Belastungen in den Pflegeberufen beziehungsweise für den Gesundheits- und
Arbeitsschutz. Daher sollte sich die durch die Reform der Ausbildungsinhalte der „Gesundheits- und KrankenpflegerIn“ angestrebte Erweiterung pflegerischer Aufgaben auf den Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung nicht nur auf die von ihnen zu betreuenden Zielgruppen beschränken, sondern auch eine entsprechende Entwicklung
im eigenen Beruf anstoßen. Diese müsste über technische Fragen des
Arbeitsschutzes hinausgehen und beispielsweise folgende Themen angehen: „Wie kann ich meine körperlichen und psychischen Ressourcen
schonen?“, „Wie erkenne ich meine Belastungsgrenzen?“ „Wie kann ich
langfristig Burnout vermeiden?“. Während sich in anderen Wirtschaftsbereichen in den letzten Jahren durchaus präventive Ansätze wie Gesundheitszirkel, Stressbewältigungs- und Bewegungsprogramme etabliert haben, findet dies im Pflegebereich bislang kaum Anwendung.
91
Um sich auf dem ambulanten Pflegemarkt als Pflegekraft selbständig
machen zu können und sich selbst sowie den Beschäftigten einen sicheren Arbeitsplatz zu bieten, ergeben sich Aufgaben, vor denen sich
Pflegeberufe bislang kaum gestellt sahen. Daher sind in den Bereichen
der betriebswirtschaftlichen Führung eines solchen Dienstes, der Organisations- und Personalentwicklung sowie der Qualitätssicherung entsprechende Fort- und Weiterbildungen notwendig. Dem steht allerdings
derzeit noch einiges im Wege. So sind beispielsweise Altenpflegekräfte,
die sich zur Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitung weiterbilden wollen, bislang immer noch in einigen Bundesländern von dem so genannten „Meister-BAföG“ nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz
ausgeschlossen (Borutta & Stock 2005). Die Stärkung der beruflichen
Weiterbildung gerade in diesem Frauenberuf durch die Möglichkeit der
Förderung des „Meister-BaföG“ wäre eine konkrete Hilfestellung. Für
Bremen kann festgestellt werden, dass in den letzten Jahren mehrere
gesetzliche Fortbildungsregelungen auf Landesebene auf den Weg gebracht wurden, die Voraussetzung für die Anwendung des MeisterBaföGs sind.
Die breite Palette an neuen beruflichen Herausforderungen an die ambulante Pflege auf dem Weg zu einem professionellen Dienstleistungsberuf haben bislang keine entsprechenden Auswirkungen auf die Gehälter. Es muss im Gegenteil eher festgestellt werden, dass der schon seit
längerem beschworenen Professionalisierung und Akademisierung der
Pflege keine Anpassung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse
gefolgt ist. „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit” lautet die gewerkschaftliche Forderung nach Höherbewertung von Schlüsselqualifikationen in typischen Frauenberufen, wobei in den Pflegeberufen eine deutliche Diskrepanz, insbesondere im ambulanten Sektor vorliegt. Qualifizierungsstrategien sollten grundsätzlich das Ziel verfolgen, die Gesundheits- und Pflegeberufe zu attraktiven Berufen – vor allem gleichwertig
zu den Fachberufen in anderen Wirtschafts- und Berufsbereichen – zu
92
machen. Solange hier aber nicht grundsätzlich die ökonomischen Rahmenbedingungen geändert werden, bleiben diese Bemühungen ohne
Folgen.
93
7
Fazit: Folgerungen für eine Weiterentwicklung
des Pflegegesetzes und die bremische Landespolitik
7.1
Perspektiven für die bremische Gesundheitswirtschaft
Neben den bundespolitisch vorgegebenen Rahmenbedingungen gibt es
aus landespolitischer Sicht eine Reihe möglicher Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Bremen. Die Arbeitnehmerkammer begrüßt die im September 2000 erfolgte Einrichtung einer ressortübergreifenden Projektgruppe „Gesundheitswirtschaft“ 36 . Als erste Ansatzpunkte ist hier die
Förderung der regionalen Beschäftigung durch Initiativen in der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsstrukturpolitik zu nennen. Dazu
zählen auch Maßnahmen der Seniorenwirtschaft, mit Betreuungs- und
Wohnungsangeboten für ältere Menschen. Darüber hinaus werden auch
spezielle Informations- und Beratungsdienstleistungen für ältere BürgerInnen und deren Angehörige an Bedeutung gewinnen sowie die Entwicklung spezieller Gesundheitsdienstleistungen, die sich an neuen
Wünschen und Lebensformen auszurichten haben.
Alte Menschen im Land Bremen zu halten oder über entsprechend attraktive Angebote sogar neue Bürger zu gewinnen hat sowohl fiskalische,
wie beschäftigungspolitische Aspekte. Zudem verfügen zumindest Teile
dieser Generation über ein nicht unerhebliches Finanzvolumen, das sowohl im Rahmen von Ergänzungen zur kassenfinanzierten Grundversorgung wie durch darüber hinausgehende Leistungen wirtschaftlich relevant ist. Das Halten und Zurückgewinnen von Menschen in der Region
hat in Bezug auf den Länderfinanzausgleich zudem hohe Bedeutung.
36
Die Projektgruppe ist angesiedelt beim Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit,
Jugend und Soziales; die Bremer Innovationsagentur (BIA) ist mit der Koordinierung und Umsetzung von Projekten beauftragt.
94
Bremen verfügt bereits über ein Potenzial an ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungseinrichtungen, das ausbaufähig ist. Die
Ansiedlung von Pflege- und Altersheimen im Bremer „Speckgürtel”
weist darauf hin, dass diesbezüglich weitere Anstrengungen zur Verbesserung eines städtischen Angebotes nötig sind. Vorhandene Angebote
sind – in Kooperation mit der Wohlfahrtspflege und privaten Anbietern –
weiterzuentwickeln und Möglichkeiten für die Neuansiedlung von
Dienstleistungsunternehmen zu schaffen. Zugleich bietet Bremen durch
seine Struktur und Überschaubarkeit die Möglichkeit, modellhafte und
zukunftsweisende Projekte der gesundheitlichen Versorgung zu entwickeln. Zu nennen wären hier Modelle zur integrierten Gesundheitsversorgung und die Entwicklung von speziellen Angeboten für Zielgruppen
(zum Beispiel im Bereich von ambulanter Rehabilitation und zur Versorgung bei spezifischen Krankheiten).
Angesichts der demografischen Entwicklung gilt es insbesondere für ältere Menschen Dienstleistungen und Angebote weiter zu entwickeln.
„Stadt“ kann sowohl für junge als auch ältere Menschen attraktiv sein.
Eine hochwertige Gesundheitsinfrastruktur ist dabei ein ebenso entscheidender Faktor für die Attraktivität einer Stadt als Lebens- und
Wohnort, wie ein attraktives Wohnangebot, ein funktionierendes Bildungswesen oder ein qualifiziertes Angebot an sozialen und kulturellen
Einrichtungen.
Maßnahmen zur Professionalisierung und Höherbewertung von personenbezogenen Dienstleistungen vor allem auch in der ambulanten
Kranken- und Altenpflege sollten stärker unter gesundheitswirtschaftlichen Fragestellungen gesehen werden. Sie sind Voraussetzung dafür,
dass qualifizierte Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden.
Unter anderem wäre zu prüfen, inwieweit die in Bremen ansässigen
Forschungseinrichtungen, Institute, die Universität Bremen und die
95
Hochschule in Bremen und Bremerhaven einbezogen und Aktivitäten
koordiniert werden können 37 .
7.2
Die Neubewertung der Pflege – eine gesellschaftliche
Herausforderung
Wie, in welchem Tempo und auf welchem Qualitätsniveau sich eine
Versorgung der Alten- und Krankenpflege in Zukunft darstellen und welche Trends sich qualitäts-, wirtschafts- und beschäftigungsfördernd realisieren lassen, hängt entscheidend von den sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen ab. Eine zukunftsorientierte Sozial- und Gesundheitspolitik muss sich vorrangig an Versorgungszielen und nicht ausschließlich an ökonomischen Zielen wie der Beitragsstabilität orientieren. Darüber hinaus muss sie sich auch wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Fragen stellen.
Die Entgelte für pflegerische Leistungskomplexe sind pauschal festgelegt. Diese „politischen“ Preise berücksichtigen nicht die realen Kosten
der Leistungserbringung. Die ökonomisch engen Rahmenbedingungen
gehen zu Lasten der Beschäftigten, deren Arbeitsbedingungen sich in
den letzten Jahren immer weiter verschlechtert haben. Das Pflegeversicherungssystem und seine Finanzierung müssen daher in einem gesellschaftspolitischen Diskurs neu bestimmt werden.
Der Wettbewerb unter den Einrichtungen nimmt zu. Die Qualitätsanforderungen von Seiten der Pflegekassen, die Kostenerstattung und Entgel-
37
Bremen hat eine große Zahl renommierter und bundesweit anerkannter Einrichtungen, die ein wichtiges Innovationspotenzial einbringen können. Um nur
einige zu nennen: Das Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) an
der Universität Bremen, das Bremer Institut für Präventionsforschung (BIPS),
das Zentrum für Medizinische Diagnosesysteme und Visualisierung (MeVis) –
an den Hochschulen und der Universität hat sich in den letzten Jahren ein
breit gefächertes Angebot in Bremen entwickelt.
96
te für einzelne Dienstleistungen nehmen dagegen eher ab. Bei allen
Kostenfaktoren wird deutlich, dass die Auswirkungen weitestgehend auf
die Beschäftigten abgewälzt werden. Die Entwicklung der letzten Jahre
hat auch dazu geführt, dass selbst durch Neustrukturierungen keine Effektivitätssteigerungen mehr erreichbar sind und, dass das Limit an
Strukturverbesserungen erreicht ist.
Die Reaktionen auf diese Entwicklung sind in den letzten Jahren deutlich geworden:
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x
Outsourcing in den Heimen, zum Beispiel der Küche, den hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und im Reinigungsdienst
Tarifflucht
Arbeitsverdichtungen in der Pflege in allen Sektoren
Änderungen in den Arbeitsstrukturen
Änderungen der Rechtsform der Träger
niedrige gewerkschaftliche Organisation
hohe Krankenstände
Die Arbeit in den ambulanten Pflegediensten wird von den Beschäftigten als eine Gratwanderung und ein ständiges Abwägen zwischen pflegerisch-medizinisch notwendigen und psycho-sozial erforderlichen
Maßnahmen beschrieben. Die Pflegekräfte stehen zwischen den Anforderungen der Pflegebedürftigen, den Ansprüchen der Angehörigen, Vorgaben des Medizinischen Dienstes und der Krankenkassen. Zudem sind
sie den Vorgaben ihres Arbeitgebers unterworfen, der den Pflegedienst
nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen führt und die Dienstleistungen abrechnet. Diese widersprüchlichen Anforderungen, einerseits eine
qualitativ hochwertige ganzheitliche und an den Bedürfnissen der
PatientInnen ausgerichtete Pflege zu verrichten, andererseits ein vereinbartes Dienstleistungspaket „abzuarbeiten“, das ökonomischen Regeln
unterworfen ist, werden zunehmend Belastung empfunden.
97
Die vergleichsweise niedrigen Gehälter, die geringe Wertschätzung, die
diesem Beruf entgegen gebracht wird und die häufig an Einzelfällen und
Skandalen aufgehängte öffentliche Berichterstattung tragen in keiner
Weise zu einem positiven Berufsbild mit Ausstrahlungskraft und Attraktivität auch für jüngere Menschen bei. Dabei bestünde gerade in dieser
Phase der Umstrukturierung des Sozial- und Gesundheitswesens eine
Chance, die Pflege für die Zukunft weiter zu entwickeln und damit insbesondere Frauen neue Perspektiven zu erschließen. Den Preis der finanziellen, zeitlichen und gesundheitliche Ausbeutung und Selbstausbeutung zahlen die MitarbeiterInnen von ambulanten Pflegediensten. Es
ist daher an der Zeit, dass die Beschäftigten in der ambulanten Pflege
sich stärker an die Öffentlichkeit und Politik wenden und für bessere
Arbeitsbedingungen eintreten.
7.3
Qualitativ hochwertige Pflege ist menschenwürdige Pflege
unter humanen Arbeitsbedingungen – Forderungen
Die Arbeitnehmerkammer fordert Verbesserungen für die Pflegebedürftigen und die Pflegekräfte. Pflege muss der Menschenwürde und hohen
Qualitätsstandards verpflichtet sein und muss gute Arbeit bieten: Humane Arbeitsbedingungen, eine bedarfsgerechte Personalbemessung
und verlässliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für
die Beschäftigten.
Forderungen zur Weiterentwicklung des Pflegegesetzes und seiner politischen Rahmenbedingungen:
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Die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung und eine notwendige
Finanzreform darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten in der
Pflege ausgetragen werden.
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Die Sachleistungsbeträge für die ambulante Pflege müssen angehoben werden. Dies ist Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige
häusliche Pflege.
98
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In die Anforderungen an die Pflegetätigkeit müssen stärker qualitative und weniger quantitative Messgrößen einfließen. Kompetenzen
und Berufsfeld müssen systematisch entwickelt werden.
x
Auf kommunaler Ebene müssen wohnortnahe Netzwerkstrukturen,
zum Beispiel durch neue Wohnformen oder familiäre und bürgerschaftliche Hilfe aufgebaut und gefördert und mit professioneller
Hilfe verzahnt werden. Hierzu gehört auch der Ausbau eines Entlassungs- und Überleitungsmanagements sowie durchlässige Strukturen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung.
x
Eine Deregulierung der Gesundheits- und Sozialleistungsbereiche ist
grundsätzlich abzulehnen. Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen
müssen aus der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen werden.
Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege:
x
Niedrigschwellige Einstiege zur Qualifizierung, Möglichkeiten zur
Nachqualifizierung von HelferInnen zu Fachkräften und eine durchlässige Ausbildungsstruktur sind notwendig, um den spezifischen
Bedarfen von Frauen Rechnung zu tragen.
x
Eine fundierte und umfassende dreijährige Ausbildung, regelmäßige
Fortbildungen, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sind
Voraussetzungen für ein besseres Berufsbild der Pflege und zur
Weiterentwicklung dieses Frauenarbeitsbereiches.
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Die Gehaltsstruktur muss vergleichbaren Tätigkeiten angepasst und
die Gehälter angehoben werden. Bestehende Tarifbindungen sind
zu respektieren.
99
x
Die Arbeitsverhältnisse müssen den Belangen nach Vereinbarkeit
von Beruf und Familie Rechnung tragen. Erzwungene Teilzeit auf
Grund von arbeitsbedingten Belastungen oder geteilten Diensten ist
abzulehnen.
x
Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz muss in die betrieblichen Abläufe und in ein Qualitätsmanagement integriert sein und in
besonderer Weise die Gefährdungen und Belastungen in den Bereichen Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Arbeitstätigkeit sowie Qualifikation
berücksichtigen.
100
Literatur
Behrens Johann, Elkeles Thomas, Schulz Detlef (1998). Begrenzte Tätigkeitsdauer und relative Gesundheit – Berufe und betriebliche Sozialverfassungen als Ressourcen für Tätigkeitswechsel. In: Heinz, Werner et
al. (Hg.). Was prägt Berufsbiographien? Lebenslaufdynamik und Institutionenpolitik. IAB (215), Nürnberg, S. 196-228.
BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Amt für Arbeitsschutz (2004). Ergebnisbericht der Befragungen
zum Projekt Arbeitsschutz in der ambulanten Pflege. Auswertung der
Bestandsaufnahme in Hamburg, Hamburg.
BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hg) (2002). Gesundheitsrisiken in ambulanten Pflegediensten,
Hamburg.
Borutta Manfred, Stock Christof (2005). „Äußerst peinlich!“ Altenpflege
30 (2), S. 24-26.
Bremische Bürgerschaft (2005a). Mitteilung des Senats vom
12.04.2005. „Bedarfsgerechte Versorgung für pflegebedürftige Menschen“. Bremische Bürgerschaft, Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/583.
Bremische Bürgerschaft (2005b). Mitteilung des Senats vom
5.04.2005 „Europäische Dienstleistungsrichtlinie im Bereich der Pflege
und Gesundheitsdienstleistungen“. Bremische Bürgerschaft, Landtag,
16. Wahlperiode, Drucksache 16/581.
Bremische Bürgerschaft (2001). Mitteilung des Senats vom 09. 01.
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104
Anhang
Tabelle A1: Anzahl und Anteile der LeistungsempfängerInnen der Pflegeversicherung im Land Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003, Verteilung
nach Pflegeleistungen (Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003;
EmpfängerInnen von Kombinationsleistungen sind bei den EmpfängerInnen von
Pflegesachleistungen und Leistungen zur stationären Pflege mit berücksichtigt)
Jahr
gesamt
Pflegegeld
(pflegende
Angehörige)
Pflegesachleistung
(ambulanter
Pflegedienst)
Stationäre
Pflege
1999
17.143
100%
7.939
46%
4.545
27%
4.659
27%
2001
18.711
100%
8.749
47%
5.028
27%
4.934
26%
2003
18.946
100%
8.162
43%
5.373
28%
5.411
29%
Tabelle A2: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten im Land
Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003, nach Geschlecht
(Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Beschäftigte
1999
2001
2003
Frauen
2.331
2.403
2.537
Männer
418
433
437
2.749
2.836
2.974
Insgesamt
Tabelle A3: Anzahl ambulanter Pflegedienste nach Trägerschaft der Einrichtung im Land Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003
(Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
freigemeinnützige Träger
zufr. Wohlf.
sonst.
sammen
pflege
gemeinn.
insgesamt
private
Träger
1999
126
80
46
32
14
2001
128
77
51
41
10
2003
116
69
47
40
7
Jahr
105
Tabelle A4a: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten im Land
Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003 nach Beschäftigungsverhältnis
(Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Beschäftigte insgesamt
Berufsabschluss
1999
2001
2003
AltenpflegerIn, staatlich anerkannt
316
382
452
AltenpflegerhelferIn, staatl. anerk.
53
119
164
Krankenschwester/-pfleger
756
716
769
KrankenpflegehelferIn
117
122
152
62
60
66
408
445
449
sozialpädagog. Berufe
50
60
61
Abschluss einer pflegewiss.
Ausbildung an der FH oder Uni
14
13
19
48
32
Kinderkrankenschwester/-pfleger
sonst. Abschluss
nichtärztliche/pfleg. Heilberufe
hauswirtschaftl. Berufsabschluss
19
sonstiger Berufsabschluss
587
458
434
ohne Berufsabschluss/
noch in Ausbildung
367
413
376
Personal insgesamt
2.749
2.836
2.974
106
Tabelle A4b: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten im Land
Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003 nach Berufsabschluss/Vollzeit
(Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Vollzeit
Berufsabschluss
1999
2001
2003
AltenpflegerIn, staatlich anerkannt
142
145
157
AltenpflegerhelferIn, staatl. anerk.
21
26
30
256
264
262
KrankenpflegehelferIn
37
35
29
Kinderkrankenschwester/-pfleger
15
19
15
sonst. Abschluss
nichtärztliche/pfleg. Heilberufe
90
86
78
sozialpädagog. Berufe
9
14
14
Abschluss einer pflegewiss.
Ausbildung an der FH oder Uni
5
7
9
10
13
11
101
77
74
41
21
31
727
707
710
Krankenschwester/-pfleger
hauswirtschaftl. Berufsabschluss
sonstiger Berufsabschluss
ohne Berufsabschluss/
noch in Ausbildung
Personal insgesamt
107
Tabelle A4c: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten im Land
Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003 nach Berufsabschluss/Teilzeit
über 50 Prozent (Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Berufsabschluss
Teilzeit >50%
1999
2001
2003
AltenpflegerIn, staatlich anerkannt
174
166
197
AltenpflegerhelferIn, staatl. anerk.
32
73
103
499
180
195
KrankenpflegehelferIn
80
52
57
Kinderkrankenschwester/-pfleger
47
21
29
318
215
222
41
22
31
Abschluss einer pflegewiss.
Ausbildung an der FH oder Uni
9
0
3
hauswirtschaftl. Berufsabschluss
9
12
5
sonstiger Berufsabschluss
476
213
177
ohne Berufsabschluss/
noch in Ausbildung
303
168
172
1.988
1.122
1.191
Krankenschwester/-pfleger
sonst. Abschluss
nichtärztliche/pfleg. Heilberufe
sozialpädagog. Berufe
Personal insgesamt
108
Tabelle A4d: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten im Land
Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003 nach Berufsabschluss/Teilzeit
unter 50 Prozent (Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Berufsabschluss
Teilzeit <=50%1)
1999*
2001
2003
AltenpflegerIn, staatlich anerkannt
36
54
AltenpflegerhelferIn, staatl. anerk.
4
16
118
105
15
18
9
9
sonst. Abschluss
nichtärztliche/pfleg. Heilberufe
58
64
sozialpädagog. Berufe
13
9
5
4
hauswirtschaftl. Berufsabschluss
10
5
sonstiger Berufsabschluss
48
62
ohne Berufsabschluss/
noch in Ausbildung
95
51
411
397
Krankenschwester/-pfleger
KrankenpflegehelferIn
Kinderkrankenschwester/-pfleger
Abschluss einer pflegewiss.
Ausbildung an der FH oder Uni
Personal insgesamt
1)
ab 50 Prozent und darunter, aber nicht geringfügig
* Die Pflegestatistik für 1999 unterscheidet lediglich nach Vollund Teilzeitbeschäftigung
109
Tabelle A4e: Anzahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten im Land
Bremen in den Jahren 1999, 2001 und 2003 nach Berufsabschluss/geringfügig Beschäftigte (Statistisches Landesamt Bremen 1999, 2001, 2003)
Berufsabschluss
geringfügig Beschäftigte
1999*
2001
2003
AltenpflegerIn, staatlich anerkannt
35
44
AltenpflegerhelferIn, staatl. anerk.
16
15
152
206
KrankenpflegehelferIn
20
48
Kinderkrankenschwester/-pfleger
11
13
sonst. Abschluss
nichtärztliche/pfleg. Heilberufe
84
85
sozialpädagog. Berufe
11
8
1
2
hauswirtschaftl. Berufsabschluss
12
10
sonstiger Berufsabschluss
84
85
ohne Berufsabschluss/
noch in Ausbildung
92
105
518
621
Krankenschwester/-pfleger
Abschluss einer pflegewiss.
Ausbildung an der FH oder Uni
Personal insgesamt
* Die Pflegestatistik für 1999 unterscheidet lediglich nach Vollund Teilzeitbeschäftigung
110
Tabelle A5: Anzahl und prozentuale Verteilung der Beschäftigten in
ambulanten Pflegediensten bei privaten und freigemeinnützigen Trägern
im Land Bremen im Jahr 2003 nach Beschäftigungsverhältnissen
(Statistisches Landesamt Bremen 2003)
Beschäftigungsverhältnis
Personal insgesamt
Vollzeit
gesamt
2.974
private
Träger
freigemeinnützige
Träger
998
1.976
710
355 36%
355
18%
Teilzeit > 50%
wöchentl. Arbeitszeit
1.191
253 25%
938
48%
Teilzeit < = 50%
wöchentl. Arbeitszeit
397
139 14%
258
13%
geringfügig Beschäftigte
621
244 24%
377
19%
48
2%
sonstige
55
7
1%
111
Tabelle A6: Anzahl und prozentuale Verteilung der Beschäftigungsverhältnisse
und Tätigkeitsbereiche von Frauen und Männern in der ambulanten Pflege im
Land Bremen im Jahr 2003 (Statistisches Landesamt Bremen 2003)
Beschäftigungsverhältnis
Frauen
2.537
Männer
437
Vollzeit
551
22%
159
36%
Teilzeit
1.447
57%
141
32%
536
21%
85
20%
3
<1%
52
12%
150
6%
44
10%
1.989
78%
276
63%
hauswirtschaftliche Tätigkeiten
236
9%
49
11%
sonstige Tätigkeiten
162
7%
68
16%
Geringfügig beschäftigt
sonstiges
Tätigkeitsbereiche
Pflegedienstleitung
Grundpflege
112
Anhang: Deutscher Bundestag (2004), Auszug zur Punktewertbemessung in
der ambulanten Pflege im Land Bremen
Verfasserinnen
Carola Bury, Arbeitnehmerkammer Bremen
Julia Lademann, Institut für Public Health
und Pflegeforschung, Universität Bremen
Barbara Reuhl, Arbeitnehmerkammer Bremen
Herausgeber
Arbeitnehmerkammer Bremen
Bürgerstr. 1, 28195 Bremen
Tel. 0421· 36301- 0
Fax 0421· 36301- 89
[email protected]
www.arbeitnehmerkammer.de
Bremen, Januar 2006
(abgeschlossen im Oktober 2005)
Schutzgebühr 5,50 Euro.
Für Mitglieder der Arbeitnehmerkammer
Bremen ist diese Broschüre kostenlos.
ISBN 3- 98156-075 -3

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