Bauchspeck mit Vinhão

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Bauchspeck mit Vinhão
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Überraschend kombiniert
Bauchspeck
mit Vinhão
Jeder kennt Geheimtipps bei der Kombination von
Wein und Speisen. Zu gegrilltem, fettem Fleisch
wie etwa Bauchspeck serviert VINUM-Redakteur
Benjamin Herzog rustikalen, säurestarken Rotwein.
Versuchen Sie’s!
Die Speise
Sehr fettes Schweinefleisch, gegrillt oder
auch gekocht. Unbedingt dafür sorgen,
dass das Fleisch nicht zu stark oder gar
scharf gewürzt wird. Beim Grillen wie
gewohnt vorgehen, aber darauf achten,
dass die Temperatur nicht allzu hoch
steigt – das Fleisch oder die Marinade
sollten in keinem Fall so stark gebraten
werden, dass Bitterstoffe entstehen.
Geeignet sind Fleischstücke wie Bauchspeck, Brustspitz, Spareribs oder Würste
mit erkennbaren Speckstücken wie eine
grobe, rohe Bratwurst, ein Schweizer
Grillschüblig oder eine österreichische
beziehungsweise slowenische Krainer.
Text: Benjamin Herzog, Foto: Martin Hemmi
E
s ist eines der Verkostungserleb­
nisse, die ich nie vergessen werde.
Carlos Teixeira, Weinmacher im
Weingut Quinta da Lixa in der Region
Minho in Portugal, präsentierte mir seine
grosse Weinpalette: Wie in der Region
üblich, produziert er hauptsächlich weis­
sen Vinho Verde, leichte, spritzige Weine
mit einer präsenten Säure. Es war mein
letzter Termin auf dieser Reise, und ganz
ehrlich hatte ich langsam genug vom
immer gleichen Geschmacksprofil, von
Zitrusfrucht, Birne, hellem Steinobst und
exotischen Früchten. Carlos war der ers­
te Winzer, der mir ungefragt auch einen
Rotwein zeigte, einen Vinhão.
Die Weinsorte wird hauptsächlich in
dieser Region produziert und auch ge­
trunken. Oft wird daraus Rosé gekeltert.
Als Rotwein ausgebaut, ist Vinhão näm­
lich eher gewöhnungsbedürftig. Obwohl
Carlos Teixeira moderne Kellermetho­
den bei der Vinifizierung seines Rotweins
einsetzt, grenzte die Verkostung senso­
risch an eine Katastrophe: Der Geruch
war mehr abstossend als anziehend,
der Wein roch nach überreifen dunklen
Beeren, Leder, moderigem Waldboden
und Pferd. Von Anfang an waren Säure
und CO2 am Gaumen präsent, aber nur
so lange, bis die harschen, grünlichen
Tannine griffen. Zum Schluss trocknete
mir die Kombination von Gerbstoff und
Kohlensäure den Gaumen komplett aus.
«Hast du je so etwas probiert?», fragte
mich Carlos Teixeira, als ich den ersten
Schluck nahm und das Gesicht verzog.
Ich verneinte – und er erklärte mir, dass
ich besser keine Notiz zum Wein schrei­
ben solle, wir würden ihn beim Mittag­
essen noch einmal kosten.
Auf der Fahrt zum Restaurant frag­
te mich Carlos, ob ich keine Mühe mit
deftigen Gerichten hätte, ob ich Wurst
möge, Zunge, Lunge oder Speck. Ich be­
jahte – und Carlos war sichtlich erfreut,
mir eines der portugiesischen Natio­
nalgerichte vorstellen zu können, die
Cozido à Portuguesa, einen Eintopf mit
allerlei stark fetthaltigen Fleischsorten,
Karotten, Kartoffeln und Lauch, ein Ge­
richt, das vor allem im Winter gegessen
wird. Den roten Vinhão dazu servierte er
gekühlt. Das müsse so sein. Mir graute
es: Der Eindruck von Tannin wird durch
niedrige Temperaturen schliesslich noch
verstärkt. Was nun aber folgte, war eine
Offenbarung: In Kombination mit dem
deftigen Fleischgericht begann der Wein
plötzlich harmonisch zu werden. Und,
noch besser, die hohe Säure und das
harsche Tannin sorgten dafür, dass das
Essen keinen Moment zu deftig schien,
der Wein vermochte das Fett zu brechen.
Zu Hause wollte ich dieses Erlebnis
wiederholen. Leider ist Vinhão hier aber
schwer zu kriegen. Carlos schickte mir
nach der Ernte also eine Flasche, und ich
entdeckte, dass kalter Vinhão eigentlich
im Sommer noch besser schmeckt als im
Winter. Und er unterstützt den Genuss
von fettigem, gegrilltem Schweinefleisch
wie Bauchspeck, Brustspitz oder Würs­
ten mit hohem Fettanteil perfekt.
Der Wein
Als Rotwein ausgebaut, ergibt Vinhão
rustikale Weine von dunkelvioletter Farbe, die von starker Säure und harschen,
oft grünen Tanninen geprägt sind. Und
auch ihre Aromatik ist gewöhnungsbedürftig: hauptsächlich dunkle Beeren,
aber immer auch animalische Nuancen,
Teer, Erde, Leder und auch Schokolade.
Früher machte Vinhão den biologischen
Säureabbau oft auf der Flasche und war
daher immer spritzig, und trotz moderner Kellermethoden sind seine Merkmale
dieselben geblieben. Die Weine wurden
bis vor wenigen Jahren nur in Portugal
getrunken, heute werden kleine Mengen
exportiert – auch nach Deutschland und
in die Schweiz.
Die Mariage
Auf diese Mariage muss man sich einlassen: der Speise und des Weines wegen.
Menschen, die eine hohe Säure, eine grobe Tanninstruktur oder fettiges Fleisch
nicht mögen, werden auch von der
Kombination nicht begeistert sein. Unbedingt darauf achten, dass das Fleisch
auf dem Grill keine zu dunkle Kruste
bildet, diese ist bitter und unterstreicht
die Bitterkeit des Weines noch. Das
weisse Speckfett ohne Kruste ist aber in
der Lage, die negativen Eigenschaften
des Weines abzufedern, auf der anderen
Seite helfen die Säure und die Gerbstoffe, die Fettzellen aufzubrechen und die
Speise verträglicher zu machen. Jedoch
empfehlen wir unbedingt, einen frischen,
weissen Reparaturwein bereitzuhalten –
oder ein Reparaturbier.