GESAMTDOWNLOAD Ausgabe September 2008

Transcrição

GESAMTDOWNLOAD Ausgabe September 2008
www.wirtschaftskurier.de
51. Jahrgang • B7388 E
€ 2,00
€ 2,30 (Österr.)
CHF 4,00
NACHRICHTEN UND KOMMENTARE AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT
SEPTEMBER 2008
Der Schritt war überfällig
Ende eines Ausflugs
Die verrückte Welt der Börse
Von der Automobilbranche lernen
Der Rücktritt von Kurt Beck war notwendig. Die
SPD hat damit wieder die Chance, zu der starken
Kraft zu werden, die das Land braucht.
KOMMENTAR
Seite 2
Versicherungen und Banken passen nicht zusammen. Das zeigt der Verkauf der Dresdner Bank, deren traditionsreicher Name nun verschwindet.
AKTUELLES THEMA
Seite 3
Ist der Porsche-Anteil an VW mehr wert als die
ganze Porsche SE? Die Kapitalisierung drückt immer weniger den „Wert“ einer Firma aus.
INDUSTRIE & MÄRKTE
Seite 5
Nach der Industrialisierung sind die Versicherer
auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen:
Emotionalisierung der Produkte steht im Fokus.
SPECIAL VERSICHERUNGEN
ab Seite 13
Wirtschaft setzt auf Partner Russland
Voreilige Aufregung um Georgien | Ursache und Wirkung
WIRTSCHAFTSPOLITIK
Warnzeichen
VON GÜNTER SPAHN
Der Tourismus-Boom in Berlin
bricht plötzlich weg. Ursache ist
der Konjunkturabschwung.
I
n der EU und in den USA gibt es derzeit sehr kontroverse Meinungen zur
Rolle Russlands. Das Land habe jüngst
in Georgien völlig überreagiert und
auf einem EU-Sondergipfel wurde jetzt in
der Abschlusserklärung sogar betont, dass
man in den Beziehungen zu Russland am
Scheideweg stünde. Die Verhandlungen um
ein neues Partnerschaftsabkommen müssten unterbrochen werden. Einige Medien
zeterten sogar schon wieder Sicherheitsbedenken gegenüber Russland herbei. Floskeln wie „Wiederaufleben des Kalten Krieges“ stehen im Raum.
Diese Aufregungen sind aber bei Lichte
besehen ein grober Unfug. Um was geht
es? Ein völlig unverantwortlich handelnder
Präsident von Georgien hat just im Umfeld
der Eröffnungszeremonie der Olympischen
Spiele in Peking einen völlig unnützen
Krieg gegen zwei Provinzen mit mehrheitlich russischer Bevölkerung begonnen. Der
Mann, Michail Saakaschwili, hat dabei in
völliger Verkennung der Lage mit dem Feuer gespielt und dabei darauf gehofft, den
Westen zu einem Abenteuer zu bewegen. In
der Tat gehört Saakaschwili zu den Schützlingen der USA, die Georgien militärisch
aufrüsteten. Hinzu kamen Militärberater
der USA. Zu Recht hat jetzt der Altkanzler
Gerhard Schröder dem Westen schwere
Versäumnisse gegenüber Russland vorgeworfen. Schröder: „Es kommt schon darauf an, wer begonnen hat“, und ohne Frage befahl Saakaschwili den Beginn der militärischen Auseinandersetzungen. Russland
hatte – und zwar eben nicht nur nach den
vermeintlich ausgegebenen Pässen – russische Bürger zu schützen.
Nach dem Auseinanderdriften
der ehemaligen Sowjetunion
Dazu muss man wissen, dass nach dem
Auseinanderdriften der ehemaligen Sowjetunion zwischen August und Dezember
des Jahres 1991 die alte UdSSR von zahlreichen Republiken (unter anderem die
Ukraine, die baltischen Länder, Weißrussland, Kasachstan) verlassen wurde. Die
Sowjetunion hatte vor dem Auseinanderdriften noch eine Fläche von 22,403 Mio.
Quadratkilometern und ca. 249 Mio. Einwohner. Heute hat das Kerngebiet der alten UdSSR, nämlich Russland, noch eine
Fläche von 17 Mio. Quadratkilometern und
ca. 145 Mio. Menschen. In fast allen verlassenen Republiken ist der Anteil der Russen
sehr hoch. In der Ukraine mit 603 700 Quadratkilometern und 47 Mio. Einwohnern beträgt der russische Bevölkerungsanteil
22%, in Kasachstan sind es sogar 37% und
in den baltischen Ländern Lettland 30,4%
und in Estland 28%.
Auf der Krim – ein Geschenk Russlands
an die Ukraine in den 50er Jahren – überwiegt infolgedessen der russische Bevölkerungsanteil. Auch in Südossetien und Abchasien ist der russische Bevölkerungsanteil exponiert hoch. Mit Ausnahme der Ereignisse im Kaukasus hat es – dies ist für
die Ukraine und für das Baltikum aber
auch für Russland positiv herauszuheben –
keine militärischen Auseinandersetzungen
gegeben. Viele Ukrainer betonen sogar,
dass eigentlich Russen und Ukrainer Brüdervölker seien. Nicht wenige auf der Krim
sehen daher Störungen, die von dritter Seite in das Land getragen werden, als Aufwiegelei. Die russische Schwarzmeer-Flotte jedenfalls ist bei der Krim-Bevölkerung
willkommen.
Was soll damit gesagt werden? Die Ereignisse auf Teilgebieten der ehemaligen Sowjetunion sind eben nicht so einfach zu beurteilen, wie das jetzt im Westen gemacht
wird. Zu berücksichtigen sind doch viele
gewachsene Verbindungen.
Man darf nicht vergessen, dass nach
dem Auseinanderdriften der Sowjetunion
in den Staaten außerhalb Russlands (aber
innerhalb der UdSSR) heute 50 Mio. Russen leben. Russland hat sich seit 1991 in
vielen Dingen demütigen lassen. Das Land
4 195007 102003
09
INHALT
2
INDUSTRIE & MÄRKTE
Öl aus Deutschland
Die Exploration von deutschem
Öl ist schwierig, aber
lohnt sich wieder.
7
Zukunft gestalten
Der 14. Datev-Kongress informiert
über aktuelle Steuerthemen und
Trends in der IuK-Technologie.
8
IMMOBILIEN
Expo Real 2008
Nachhaltiges Bauen und
Renovieren ist das Topthema
der Immobilienbranche.
ab 17
AUTO
Sportliche Alternative
Der BMW 525d Touring ist das
ideale Mehrzweckfahrzeug für
Beruf, Familie und Sport.
20
JOURNAL
Wunder dauern länger
Die Zeiten, in denen der Kreml (unser Bild) Bittsteller nach dem Auseinanderdriften der alten Sowjetunion war, sind längst vorbei. Russland hat enorme Gold- und
Währungsreserven (steigende Tendenz) in Höhe von derzeit 582 Mrd. US-Dollar und eine starke Position als Lieferant von Öl und Gas und lässt schon aus diesen
Gründen nicht mehr mit sich herumspringen. Bei den Ereignissen in Georgien waren die westlichen Aufregungen übertrieben. Die deutsche Wirtschaft sieht in Russland einen verlässlichen Partner und vor allem einen wichtigen Absatzmarkt, zum Beispiel für die Produkte der deutschen Automobilindustrie.
Foto: Bilderbox
wurde übergangen im Kosovo und fühlt
sich systematisch eingekreist durch die
NATO. Sowohl unter Jelzin als auch unter
Putin wurde immer wieder die Partnerschaft und Freundschaft des Westens zu
Russland betont; alte Feindbilder bestünden nicht mehr und der neue gemeinsame Feind sei der internationale
Terrorismus. Die NATO war immer im
Grundverständnis ein Verteidigungsbündnis gegen den damaligen Ostblock.
Aber den gibt es nicht mehr. Weshalb –
so fragen sich die Russen – muss aber
dann das Land regelrecht durch die
NATO eingekreist werden?
Gedemütigt wurde Russland auch unter
Jelzin, als das Land abgewirtschaftet hatte
und regelrecht um westliche Kredite betteln musste. Dies alles zum Hintergrund der
russischen Empfindungen gerade in einem
Umfeld, in dem das Land wirtschaftlich geradezu kometenhaft schnell zu einer – vor allem im Bereich der Energie – Macht wurde.
Wie ist Russland heute zu sehen? Nur
mit Russland kann es zu Lösungen sowohl
im Kaukasus aber auch in der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus kommen.
Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass eine
dauerhafte Befriedung etwa in Afghanistan
oder im Iran nur im engen Zusammenwirken mit Russland möglich ist.
Weil dies alles so ist, sind vereinzelte
„Kraftmeiereien“ im Westen durch wirtschaftliche Drohungen mit eventuellen
Isolationen gegenüber Russland völlig unsinnig und kontraproduktiv. Wenigstens
Deutschlands Außenminister Steinmeier
zählt auf der westlichen Seite zu den wenigen Politikern, die von Verurteilungen
Russlands absolut nichts halten.
Aufregungen bei der Kosovo-Anerkennung waren bei uns im Westen nicht zu
vermelden, obwohl drei Viertel der Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo eben
nicht anerkannt haben. Darunter sind, wie
der Altpolitprofi Egon Bahr so treffend sag-
te, so „kleine Staaten wie China und Indien“. Die Wirtschaft, meist viel pragmatischer als die Politik, setzt vor allem in
Deutschland auf den weiteren Ausbau der
wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland.
Und dies ist auch richtig.
Dabei ist Russland keineswegs nur unter
dem Aspekt der Rohstoff-Lieferanten zu
sehen. Es ist richtig: In den Bereichen Öl
und Erdgas ist Russland für Deutschland
der wichtigste Partner geworden. Allein an
den deutschen Rohölimporten hat Russland einen Anteil von 32%. Russland ist mit
großem Abstand der größte Erdgasproduzent der Welt. Das Land produzierte im
Jahre 2007 die gewaltige Menge von 607,4
Mrd. Kubikmeter (zum Vergleich: der
zweitgrößte Produzent, der Iran, erreichte
111,9 Mrd. Kubikmeter). Ohne Russland
läuft energiewirtschaftlich in Deutschland
nicht viel. Entgegen vieler Herbeizeterungen, die die Berechenbarkeit Russlands als
Lieferant in Frage stellen, sei nur darauf
RUSSLAND HAT HOHE GOLD- UND WÄHRUNGSRESERVEN
Man muss sich immer wieder wundern,
wie oberflächlich vermeintliche Fachleute
analysieren. Hans-Henning Schröder, Leiter der Forschungsgruppe Russland/
GUS, hat jüngst in einem Beitrag für das
„Handelsblatt“ geschrieben, dass Russland in ernsthafte Schwierigkeiten komme, wenn seine Volkswirtschaft vom europäischen Markt abgeschnitten würde.
Zunächst könnte man entgegnen, dass
ohne das russische Öl und Gas Deutschland in dramatische Schwierigkeiten kommen würde. Aber darum geht es nicht.
Selbstverständlich ist das immer noch mit
großem Abstand (gemessen an der Fläche) größte Land der Erde derzeit dabei,
seine Wirtschaft zu modernisieren. Das
sind Chancen für Deutschland. Aber an
der Tür stehen etwa auch Japan oder
Frankreich. Um nur zwei Länder zu nennen.
Die Russen sitzen auf gewaltigen Devisen- und Goldreserven von derzeit ca.
582 Mrd. US-Dollar, steigende Tendenz –
trotz temporärer Abflüsse infolge des
Georgien-Krieges. Die Russen haben
noch unter Putin einen riesigen Investitionsfonds von über 100 Mrd. Euro gebildet, der ausschließlich in die Modernisierung des Landes, seiner Infrastruktur und
seiner Unternehmen gesteckt wird. Quel-
le ist natürlich der sagenhafte Reichtum
durch Öl und Gas. Wie prosperierend
Russland ist, zeigt die Entwicklung der
Devisenreserven: 1998 praktisch null und
heute die erwähnten 582 Mrd. US-Dollar.
Die Wirtschaft wächst mit Zuwachsraten
(2007 beispielsweise mit 8,1%), von der
wir nur träumen können.
Für wichtige deutsche Schlüsselbranchen
(Automobilindustrie) ist Russland derzeit
der Rettungsanker. Aufgrund der Vernetzung vieler russischer Investoren mit der
russischen Föderation hat Russland die
Möglichkeit, modernste Technologie zu
erwerben. Ein gutes Beispiel dafür ist der
Einstieg des russischen Investors Viktor
Vekselberg beim schweizerischen Renommierunternehmen Oerlikon.
Während laut Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft Russland im Jahre 2000
noch bescheidene 20 Mrd. US-Dollar im
Ausland investierte, wird in diesem Jahr
die Marke 200 Mrd. US-Dollar überschritten.
Russische Investoren unterstützen beziehungsweise stabilisieren inzwischen große deutsche Unternehmen wie etwa die
TUI AG. Größter Eigner ist der Russe Alexej Mordaschow (Stahlunternehmer). Nur
durch die Hilfe von Mordaschow konnte
sich das TUI-Management halten und
einstweilen ein Zerfleddern des Unternehmens (Hapag-Lloyd) verhindert werden.
Auch die Aker-Werften in Rostock und
Wismar wurden durch russische Unternehmer stabilisiert. Der Russe Oleg Deripaska wurde Kernaktionär bei Hochtief
und beim Bekleidungs- beziehungsweise
Modeunternehmen Escada stieg Rustam
Aksenenko ein.
Als vor zwei Jahren das Stahltechnologieunternehmen Arcelor durch den Inder
Mittal – zunächst feindlich geplant – übernommen wurde, sahen die Luxemburger
in dem Russen Mordaschow zunächst einen „weißen Ritter“, der dann auch aus
politischen Gründen verhindert wurde.
Bereits im Energiebereich will inzwischen
die EU-Kommission den Einfluss von Investoren außerhalb der EU begrenzen.
Damit sollen offensichtlich russische
Investoren verhindert werden. Russland
sieht darin einen klaren Verstoß bestehender Vereinbarungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Alles in allem: Russland ist wieder voll da.
Das Land sieht sich allerdings durch die
NATO immer stärker eingekreist und modernisiert daher derzeit mit einem ehrgeizigen Programm seine militärischen Kapazitäten, zum Beispiel mit modernsten AtomU-Booten der neuesten Generation. sp
hingewiesen (siehe auch WirtschaftsKurier
August 2008, Seite 24, www.wirtschaftskurier.de), dass Russland beziehungsweise
die UdSSR in 35 Jahren (seit Beginn der
Lieferungen) zu Deutschland immer ein
seriöser Partner war.
Auf russischer Seite wird ganz bewusst
nicht verkannt, dass das Land in Deutschland einen wichtigen Kunden sieht. Es ist
richtig, Russland hat seinen neuen Reichtum auch dem Kunden Deutschland zu
verdanken. Aber es ist völlig unsinnig, die
Rolle Russlands nur auf die eines Energielieferanten herunterzuberechnen. Im Übrigen wird hierzulande vergessen, dass
Russland sein Öl und sein Erdgas natürlich auch verstärkt nach China verkaufen
kann.
Russischer Markt sichert
deutsche Arbeitsplätze
Russland ist als Wirtschaftspartner für
die deutsche Industrie vor allem auch
ein enorm wichtiger Markt und ohne
diesen Markt sähe es für viele Branchen
sehr trübe aus.
Der russische Automarkt hat für die
deutsche Automobilindustrie eine geradezu ausschlaggebende Bedeutung erhalten. Jeder siebte Neuwagen, der derzeit in
Russland zugelassen wird, sei eine deutsche Marke, betonte vor wenigen Tagen
Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA),
anlässlich des Moscow International Automobile Salon. Die russische Bevölkerung biete für die deutschen Autohersteller ein enormes Nachfragepotenzial.
Wie das Handelsblatt jüngst berichtete,
stieg im ersten Halbjahr der Autoabsatz
in Russland um 41% auf 1,645 Mio.
Fahrzeuge. In Deutschland wurden im
gleichen Zeitraum bereits weniger Autos (1,63 Mio.) verkauft. Vor allem auch
die Premiummarken mit einer hohen
Wertschöpfung verkaufen die Deutschen
in Russland. Mercedes steigerte seinen
Pkw-Absatz auf dem russischen Markt um
65%, BMW legte um 55% zu und Audi um
52%.
Auch Opel in Rüsselsheim profitiert vom
Autoboom in Russland. Im vergangenen
Juli 2008 verkauften die Rüsselsheimer in
Russland 62 000 Fahrzeuge. Dies entspricht
dem gesamten Jahresabsatz von Opel in
Russland im Jahre 2006.
Auch der so wichtige Nutzfahrzeugemarkt Russland hat für die deutschen Hersteller eine herausgehobene Bedeutung,
obwohl in diesem Bereich bei Lkw über
Noch gibt es keine
serienreifen Alternativen
zum Verbrennungsmotor.
24
sechs Tonnen der russische Hersteller
Kamaz mit einem Marktanteil von 61%
deutlich Marktführer ist.
Allein die MAN konnte mit ihrem Bereich Nutzfahrzeuge bei schweren Fahrzeugen wieder einen spektakulären Auftrag aus Russland erhalten. Die Münchner
liefern erneut 4 700 schwere Lastwagen
und haben eine weitere Option über 3 000
Einheiten. Auch bei der MAN wird betont,
dass sich Russland zu einem wichtigen
Wachstumsmotor entwickelt habe.
Bei der russischen Erfolgsstory im Autosektor partizipiert natürlich auch die deutsche Zulieferindustrie. ZF will sein Montagewerk in Russland ausbauen und Bosch
steigerte seinen Russland-Umsatz um 26%
auf 600 Mio. Euro im Jahre 2007.
Siemens liefert Hochgeschwindigkeitszüge. Darüber hinaus ist der Konzern an
zahlreichen anderen Projekten in Russland
beteiligt. Der Salzgitter-Konzern wiederum
partizipiert an den zahlreichen PipelineProjekten in Russland mit den entsprechenden Röhren.
Im Energiebereich sind die traditionellen Partner Russlands auf deutscher Seite die BASF (Wintershall und Wingas) sowie Eon-Ruhrgas; darüber hinaus sieht
aber auch Eon im klassischen Stromerzeugungsbereich ein großes Chancenpotenzial in Russland. So will Eon im sibirischen Surgut eines der weltweit größten
Kraftwerke bauen. Bereits im prosperierenden Moskau hat Eon ein Kraftwerk
realisiert, das jetzt sogar erweitert wird.
Auf der Baustelle wird schon kräftig gearbeitet.
Dies alles zeigt, dass Russland eben
nicht nur der Rohstofflieferant (Öl und
Gas) ist. Natürlich brauchen die Russen
den guten Kunden Deutschland – aber
ohne das russische Öl und Gas bricht unsere Wirtschaft zusammen. Was in der
deutschen und westlichen Wirtschaftspolitik völlig untergeht ist aber die Tatsache,
dass ohne den riesigen Wachstumsmarkt
Russland bereits zahlreiche deutsche
Schlüsselbranchen Probleme hätten. Die
Russen können auch japanische Fahrzeuge
kaufen.
Die Wirtschaft in Deutschland weiß dies
alles und hat daher für die derzeitigen
Kraftmeiereien – Außenminister Steinmeier ausgenommen – in der deutschen Politik und in einzelnen Medien nur sehr begrenzt Verständnis. Russland boomt und
russische Investoren stabilisieren bereits
deutsche Unternehmen (siehe weiteren
Beitrag auf dieser Seite).
WIRTSCHAFTSPOLITIK
2 WirtschaftsKurier
Verlierer sind alle
KOMMENTAR.
Neue SPD-Spitze
Der Schritt war überfällig! Kurt Beck
wurde immer mehr zum Spielball. Der
wuchtige Mann konnte sich einfach
nicht durchsetzen und deshalb gingen
die Umfragewerte der traditionsreichen Sozialdemokratie immer mehr in
den Keller. Auch die Vorkommnisse in
Hessen mit einer Möchtegern-Politikerin namens Andrea Ypsilanti, die in
einem zweiten Anlauf mit der Unterstützung der Linkspartei Ministerpräsidentin des Landes Hessen werden
will, hatte Beck nicht mehr im Griff.
Die Gefahr bestand (und besteht
einstweilen noch), dass die SPD die
Linkspartei zu Lasten ihres eigenen
Profils hoffähig machen würde. Die
SPD hätte sich auf Dauer zu einer
20% Partei entwickeln können.
An dieser Stelle war schon ein anderer
Kommentar geschrieben. Ein Satz
hieß: Wann haut Kurt Beck als SPDChef endlich einmal auf den Tisch und
pfeift Ypsilanti zurück? Dies muss er
nun nicht mehr tun. Er trat jetzt zurück
oder man legte ihm nahe, dass es mit
ihm keinen Zweck mehr hat.
Die Sozialdemokratie hat jetzt eine
neue Chance, auch wieder bürgerliche Kreise zu gewinnen und nur so
kann sie wieder zur Union aufschließen. Beck’s Vorgänger Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg, nannte Ross und Reiter, nachdem dazu Beck nicht mehr fähig war.
Zur Linkspartei sagte Platzeck: „Das
ist immer noch dieselbe Partei, die
uns vor zwei Jahrzehnten das Fiasko
der abgewirtschafteten DDR hinterlassen hat; es sind teilweise sogar genau
noch dieselben Leute, die heute nassforsch verkünden, jetzt wollen wir
auch mal wieder ran.“ Die Linkspartei
habe unter anderer Flagge dieses
Land an die Wand gefahren. Platzeck
sieht keinen Unterschied zwischen der
DDR-Führungspartei SED und ihrem
Nachwende-Nachfolger, der Linkspartei – wie er sagte. Bravo! Die Sozialdemokratie hat jetzt die Weichen gestellt:
Frank-Walter Steinmeier wird Kanzlerkandidat und Franz Müntefering
kommt zurück und wird vermutlich
neuer Parteichef. Man darf getrost davon ausgehen, dass im Hintergrund
Altkanzler Gerhard Schröder sich für
die jetzige Lösung stark gemacht hat.
Für die Unionsparteien könnte es wieder enger werden. Steinmeier ist ein
hoch angesehener und kompetenter
Mann, der für noch höhere Aufgaben
geeignet ist. Und wenn jetzt wieder
Gerhard Schröder in einem fulminanten
Wahlkampf im nächsten Jahr hilft – und
davon ist auch auszugehen –, könnte
die SPD wieder auf Augenhöhe kommen. Dies ist gut so, denn die Wirtschaft und die Bevölkerung braucht
Berechenbarkeit. Eine Linkspartei hat
da keinen Platz. Scharlatanerie kann
unser Land nicht gebrauchen. Deshalb
brauchen wir eine starke Union und
eine starke Sozialdemokratie.
sp
WirtschaftsKurier
– Bundesweite Verbreitung –
Pflichtblatt der Bayerischen Börse
WIKU Verlagsgesellschaft mbH
Redaktion: Parkring 4, 85748 Garching bei München
Zentrale: (0 89) 63 89 81-0
Telefax: (0 89) 63 89 81-20
([email protected])
Herausgeber und Chefredakteur:
Günter Spahn (verantwortl.)
([email protected])
Redaktionsleitung und Chef v. Dienst:
Elwine Happ-Frank
([email protected])
Redakteure:
Ulrich Kirstein ([email protected])
Martin Spahn ([email protected])
Weitere Mitarbeiter der Redaktion:
Wilhelm K. Gänsler (Sonderthemen)
Dieter Heumann (Wirtschaftspolitik)
Paul Kellenbenz (Köln/Bonn)
Hannsjörg Lawrenz (Ruhrgebiet und Westfalen)
Oskar H. Metzger (Finanzen/Anlage)
Dr. Wulf-Hinrich Möller (Hamburg)
Werner Staudte (Rhein-Main)
Gerhard Weisse (Berlin)
Klaus G. Wertel (Baden-Württemberg)
Verlag:
Sitz des Verlages:
Curt-Frenzel-Str. 2
86167 Augsburg
Geschäftsführer: Dipl.-Kfm. Andres Santiago
Mitglied der Geschäftsleitung: Oliver Vogt
([email protected])
Verlags- und Anzeigenleitung:
Anne-Marie Kwak (verantwortl.)
Mediaberatung:
Alexander Michl
([email protected])
Telefon: (0 89) 63 89 81-77
Alexandra Nohe
([email protected])
Telefon: (0 89) 63 89 81-54
Vertrieb: VU Verlagsunion KG, Walluf
Telefon (06123) 620-0
Namentlich gekennzeichnete Gastbeiträge stellen nicht
unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für unverlangt
eingesandte Manuskripte und Rezensionsexemplare besteht
kein Anspruch auf Rücksendung. Die mit (x) oder p. r.
gekennzeichneten Artikel erscheinen im Auftrag
der betreffenden Firmen.
Anzeigen gemäß Preisliste Nr. 26
Erscheinungsweise: 11x pro Jahr. In jedem
Quartal liegt dem WirtschaftsKurier ein
„WK-Journal“ bei. Bezugszeit jährlich.
Bezugspreis 19 Euro (inkl. MwSt.
und Inlands-Zustellgebühr).
Bankverbindung:
Dresdner Bank AG Augsburg (BLZ 720 800 01)
Konto-Nr. 0110040300
Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH
Frankenallee 71–81
60327 Frankfurt am Main
Abo-Service (von 9.00 bis 16.00 Uhr):
Telefon (0180) 36 84 39 16 20
(9 ct. pro Minute aus dem dt. Festnetz)
[email protected]
SEPTEMBER 2008
Nach dem Scheitern von Doha | Die Protektionismus-Gefahr wächst
A
uch im vierten Anlauf konnte die
Doha-Runde 2008 in Hongkong keine Einigung erzielen. WiKu-Mitarbeiter Dieter W. Heumann fragte DiplomVolkswirt Georg Koopmann, Senior Economist am Institut für Außenhandel und
Wirtschaftsintegration der Universität
Hamburg und Research Associate am
Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut
(HWWI), nach den Folgen des Scheiterns
der Verhandlungen, die eine stärkere Berücksichtigung der Entwicklungsländer im
Weltwirtschaftshandel zum Ziel hatten.
WirtschaftsKurier: Herr Koopmann, was
bedeutet das Scheitern der Doha-Runde
für Welthandel und Weltwirtschaft?
Georg Koopmann: Durch den Abbruch der
Verhandlungen verschlechtern sich die
bestehenden Handelsbedingungen nicht
schlagartig. Unter den bisherigen Bedingungen erlebt ja gerade Deutschland
seit Jahren eine Expansion seiner Exporte, die deutlich stärker ist als das Wachstum seines Bruttoinlandsprodukts. Sollte es allerdings zu einem endgültigen
Scheitern der Doha-Runde kommen,
kann niemand garantieren, dass die bestehenden Regeln dann noch stets strikt
beachtet werden.
WiKu: Aber droht nicht jetzt die Gefahr einer größeren Abschottung einzelner Länder, um ihre Unternehmen vor dem internationalen Wettbewerb zu schützen?
Koopmann: Ich rechne nicht mit einem
„Wettlauf“ gegenseitiger Abschottung.
Protektionistische Bestrebungen gab es
auch in der Vergangenheit. So beispielsweise in den USA, die seit den letzten
Kongresswahlen – aus denen die Demokraten als Sieger hervorgingen – auf
mehr Interventionismus setzen, vor allem gegenüber China. Es könnte aber
sein, dass unter dem Vorwand des Abbruchs der Doha-Runde mehr Versuche
zu Gegen- und Schutzmaßnahmen gestartet werden. Erste Anzeichen sind
zum Beispiel schon in Brasilien gegenüber den USA zu erkennen.
WiKu: Glauben Sie, dass bei einem Sieg
der Demokraten im Kampf um die USPräsidentschaft die USA vermehrt zum
Protektionismus greifen werden?
Koopmann: Nein, nicht unter einem Präsidenten Obama, der im Grunde für eine
stärkere Liberalisierung des Welthandels
steht.
WiKu: Der Abbau von Zöllen ist ein ehrgeiziges Ziel, das voraussetzt, dass der politische Wille stark genug ist, den globalen Gemeinsinn über nationale Egoismen zu stellen. Hinzu kommt, dass die
WTO mittlerweile 153 Mitglieder zählt.
Beschlüsse können in der Regel nur einstimmig gefasst werden. Sind da nicht Verhandlungsmisserfolge vorprogrammiert?
Koopmann: Nicht unbedingt. Da stets eine
breite Palette von Themen verhandelt
wird, ergeben sich eigentlich immer
Möglichkeiten, durch Kompromisse zu
einem Ausgleich der unterschiedlichen
Interessen der Länder zu kommen. Auch in
der Doha-Runde wurden ja von 20 Punkten, die zuletzt auf der Agenda standen,
bereits 18 erfolgreich abgearbeitet.
WiKu: Kurz vor dem Aus der Doha-Runde
in Genf gab es durchaus Hoffnungen
Georg Koopmann, Research Associaauf einen Abschluss. Warum scheiterte
te am HWWI in Hamburg.
Foto: HWWI
die Konferenz dann letztlich doch?
menbedingungen für den Welthandel
Koopmann: Dass die Verhandlungen doch
und für internationale Investitionen wenoch scheiterten, lag an einem Konflikt
sentlich verbessert. Dies würde Unsizwischen den USA einerseits und China
cherheit bei Entscheidungen mindern,
sowie Indien andererseits. Letztere wolTransparenz erhöhen und Vertrauen
len Handelshürden aufstellen dürfen,
schaffen und dadurch Wachstum und
wenn ihre Märkte von ausländischen
Wohlfahrt fördern.
Agrarprodukten überflutet werden. Im
WiKu: Welche der beiden Parteien ist nach
Prinzip gestanden die Amerikaner dies
dem Scheitern der Gespräche härter gezu. Strittig war aber vor allem der
troffen worden?
Schwellenwert. Chinesen und Inder
Koopmann: Verlierer sind alle, aber in erster
wollten die Schutzklausel bereits bei einem Anstieg der Importe ab 10%, die
Linie die ärmsten Entwicklungsländer. Was
USA dagegen erst ab
zu deren Gunsten in der
40% greifen lassen. GeDoha-Runde bereits ver„Ich rechne nicht
messen an den 18 abgeeinbart wurde, wie ein
mit einem Wettlauf weitgehend zoll- und quohakten Punkten war dieser Konflikt eher margitenfreier Zugang ihrer
gegenseitiger
nal. Schwieriger wäre
Produkte
zu
IndusAbschottung.“
Punkt 20 geworden. Hier
trieländermärkten, liegt
forderten afrikanische
nun erst einmal auf Eis.
Baumwoll-Produzenten die Streichung
Diese Länder werden auch kaum von bilader grotesk hohen Subventionen für USteralen Handelsabkommen profitieren, die
Farmen in diesem Sektor. Aber so weit
jetzt wohl noch stärker als bislang schon
kam die Ministerrunde dann nicht mehr.
von den WTO-Mitgliedern angestrebt werWiKu: Was hätten die Gespräche – bei erden, als eine Art Ersatzdroge.
folgreichem Ausgang – für die IndusWiKu: Die Bundesrepublik ist ja bereits
trienationen und für die Schwellenbei den Warenausfuhren Exportweltmeisund Entwicklungsländer gebracht?
ter. Welche Vorteile hätte die Doha-Runde
Koopmann: Die Rede ist von globalen
den Deutschen noch bringen können?
Wohlfahrtsgewinnen um die 70 Mrd. USKoopmann: Für Deutschland wäre es
Dollar. Wichtiger als die Ergebnisse solleichter geworden, seine starke Ausfuhrcher Modellrechnungen ist aber einmal,
position zu sichern oder noch weiter
dass durch einen Erfolg der Doha-Runde
auszubauen. Gerade durch einen nachdie Kosten eines Misserfolgs vermieden
haltigen Zollabbau in den Schwellenlänwürden. Zum anderen würden die Rahdern hätten deutsche Industrieexporte
Warnzeichen der Konjunktur
Berlin | Der Tourismus-Boom in der Hauptstadt bricht plötzlich weg
eine wichtige Stütze erfahren. Aber eine
Katastrophe sehe ich durch das Scheitern
der Verhandlungen in Genf für die deutschen Exporte und damit auch für die
deutsche Konjunktur nicht heraufziehen.
WiKu: Die Gewichte in der Weltwirtschaft
werden neu verteilt. Schätzen die USA
und Europa ihre Verhandlungsposition
vor allem gegenüber Indien und China
realistisch genug ein?
Koopmann: Sowohl in Washington als
auch in Brüssel ist nicht ignoriert worden, dass sich die Gewichte in den Verhandlungen der WTO bereits deutlich
verschoben haben. Wir beobachten seit
einiger Zeit eine vermehrte Gruppenbildung innerhalb der WTO. Dabei sind vor
allem Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika stärker hervorgetreten.
Die Zeiten, da die USA der Hegemon waren und die transatlantische Allianz das
Geschehen bestimmte, sind vorbei.
WiKu: Hat die WTO nach den gescheiterten Verhandlungen Schaden genommen?
Koopmann: Die WTO ist nicht nur ein Forum für Verhandlungen über den Marktzugang, sondern stellt auch einen Ordnungsrahmen für den internationalen
Handel dar, in dem die Mitgliedsländer
ihre Konflikte austragen. Ihre Glaubwürdigkeit als Regelgeber, Schiedsrichter und
Moderator könnte geschwächt werden.
WiKu: Ärgerlich sind die nichttarifären
Handelshemmnisse. Nehmen solche
Hemmnisse zu?
Koopmann: Ein dramatischer Anstieg ist
nicht zu verzeichnen, aber der internationale Handel wird durch allerlei Schikanen
– auch Korruption – an der Grenze erheblich beeinträchtigt. Nicht minder gravierend sind die Handelsschranken „hinter
der Grenze“, also der regulatorische Protektionismus in Form unterschiedlicher
Normen, Standards und so weiter. Daran
sind fast alle Länder mit mehr oder weniger großer Kreativität beteiligt.
WiKu: Sie hatten bereits gesagt, dass die
Einstellung zum freien Welthandel in
den USA Risse zeigt. Ist das auch weltweit zu beobachten?
Koopmann: Sicherlich gibt es solche Tendenzen auch in anderen Ländern, nehmen Sie zum Beispiel Frankreich oder
auch einige Staaten Lateinamerikas. Viele Länder wollen mehr Gestaltungsspielraum – „policy space“ –, um negativen
AUFGESPIESST.
Mit der Pickelhaube gegen das Böse
VON WILHELM K. GÄNSLER
W
ird der befürchtete Konjunkturabschwung in der Bundesrepublik, falls er über die eingetretenen
Quartalsabschwächungen hinausgeht und
einen negativen Trend setzt, auch die
Hauptstadt in Mitleidenschaft ziehen? Ohnehin lief Berlins Wirtschaft in den vergangenen Jahren nie so gut wie in Westdeutschland und blieb auf dem bescheidenen
Wachstums-Niveau der ostdeutschen Bundesländer. Im Tourismus jedoch, der für die
Attraktivität der Hauptstadt von entscheidender Bedeutung ist, gab es immer wieder
zweistellige Zuwachsraten. Der TourismusBoom schien fest etabliert. Im ersten Halbjahr 2008 aber gab es bei 8,2 Mio. Übernachtungen zum ersten Mal seit Jahren einen Zuwachs von „nur“ 1,9%. Die Erwartungen für
die nächsten Monate sind skeptisch. Verliert
der Slogan „Berlin ist eine Reise wert“ an
Zugkraft?
Im Juni gab es bei den deutschen Gästen
sogar einen Rückgang von 0,5%, was die Lokalpresse gleich in helle Aufregung versetzte.
Beginnen die Deutschen, sich von ihrer
Hauptstadt abzuwenden? Mit einem Plus
von 5,7% bei ausländischen Touristen wurde
allerdings der Rückgang bei inländischen
Besuchern mehr als ausgeglichen. Doch
auch international wird eine Abschwächung
der Reiselust beobachtet, was auf die Hauptstadt durchschlagen könnte. Der Anteil der
Ausländer am Berlin-Besucheraufkommen
war in den letzten Jahren durch internationale Werbung der Berlin Tourismus Marketing (BTM) und der Hotelbranche von 25%
auf 40% gesteigert worden.
Bis 2010 werde die Hauptstadt bei jährlichen Zuwachsraten von 1 Mio. Übernachtungen die magische Jahresgrenze von 20
Mio. überschreiten können, hieß es bisher.
Jetzt rückt BTM-Chef Hanns Peter Nerger
von dieser Prognose vorsichtig ab. Vorsorglich fordert er mehr Aktivitäten Berlins am
internationalen Reisemarkt, um die Tourismus-Erfolgsgeschichte, aus der die Hauptstadt viel Selbstvertrauen bezog, fortzuschreiben.
In diesem Zusammenhang beklagte Nerger das Desinteresse des Berliner Einzelhandels an der Tourismus-Werbung. Der Handel
kassiert zwar rund 40% der durch die Touristen jährlich nach Berlin fließenden Einnahmen von rund 8 Mrd. Euro, leistet aber nur
einen geringen Beitrag zur Finanzierung der
Berlin-Werbung. Es sei sehr schwer, den Ein-
Bei einheimischen Touristen nicht mehr – ganz – so beliebt wie in den vergangenen Jahren: der Gendarmenmarkt mit Schinkels Theater.
Foto: visitberlin.de
zelhändlern klarzumachen, wie sehr sie von
den Touristen profitieren, gab der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes, Nils
Busch-Petersen, zu bedenken. Immerhin sei
es gelungen, pro Jahr nunmehr etwa 40 000
bis 50 000 Euro zur Mitfinanzierung von Tourismus-Kampagnen „zusammenzukratzen“.
Ausländische Finanzgruppen setzen weiter auf die Zukunft der Hauptstadt und
investieren in steigendem Umfang in Wohnimmobilien und Hotelbauten. Neuerdings
werden verstärkt spanische Investoren verzeichnet. Die ausländischen Aktivitäten werden auch nicht dadurch gebremst, dass die
Auslastung der Bettenkapazitäten im Durchschnitt nicht mehr als 50% beträgt. Das Angebot an Hotelbetten wird also weiter wachsen
und dürfte von derzeit 90 000 bis 2022 auf
rund 103 000 steigen.
Was die allgemeine Konjunkturentwicklung angeht, zeichnet sich wie in Westdeutschland auch in der Hauptstadt-Region
bisher allenfalls eine leichte Schwächung ab.
Wenn es wie jetzt „zu einer leichten Abkühlung an internationalen Märkten kommt,
spüren wir dies natürlich auch in unserer
Region. Von einer Rezession sind wir aber
weit entfernt, unsere Unternehmen stellen
immer noch neue Mitarbeiter ein“, sagte der
Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der
Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. Die Auftragseingänge in der Hauptstadt-Region zeigen zwar seit Juni leichte Rückgänge, doch
die Auftragsbücher gelten als „gut gefüllt“.
Noch laufe die Brandenburger Industrie auf
Wachstumskurs.
„Weiter auf Wachstumskurs“, das reklamierte der Wirtschaftssenator Berlins, Ha-
rald Wolf, auch für die Hauptstadt. Nach
dem Wirtschafts- und Arbeitsmarktbericht
2007/08, den er jetzt vorlegte, könne die Berliner Wirtschaft im laufenden Jahr noch mit
1,3% Wachstum rechnen, nach 2,0% im Jahr
2007. „Das ist erreichbar, trotz explodierender Energiepreise, Rezessionsängste und internationaler Finanzkrise“, meinte Wolf. Die
Arbeitslosenquote Berlins konnte von 17,5%
im Vorjahr auf 13,6% abgebaut werden, hat
sich aber, dem Bundestrend folgend, seit Juli
wieder leicht erhöht. Der Berliner Einzelhandel spiegelt die bundesweit zu beobachtende Schwäche des privaten Verbrauchs wider. Die Umsätze gingen im ersten Halbjahr
2008 um 1,3% zurück, meldet das Statistische Landesamt. Die Beschäftigtenzahl stieg
um 0,5%, allerdings nur durch Zunahme der
Teilzeitkräfte.
Die
Arbeitnehmereinkommen
in
Deutschland zeigen übrigens weiter beträchtliche Unterschiede, was das Statistische Landesamt Berlin mit einer neuen Erhebung belegt. Ein Berliner Arbeitnehmer
„in Vollzeit“ verdiente 40 888 Euro brutto in
2007, das durchschnittliche Einkommen aller Bundesbürger betrug dagegen im Schnitt
40 368 Euro. Daraus aber zu folgern, Berlin
sei „Spitze“, wäre falsch. Den 40 888 Euro
der Berliner steht im westdeutschen Durchschnitt ein Bruttojahresverdienst von 42 129
Euro gegenüber. Für Ostdeutschland ermittelte das Amt ein Jahreseinkommen von
29 289 Euro. Die Politiker haben die Tendenz, die Statistiker von West-/Ost-Vergleichen abzubringen und nur auf gesamtdeutsche Durchschnittswerte zu setzen. Das
nach wie vor bestehende West-Ost-Gefälle
sollte aber nicht verschleiert werden. wei
Einflüssen aus der Globalisierung entgegenzuwirken. Eine Rückkehr zu ähnlich
starker Abschottung und Intervention,
wie sie etwa nach der großen Depression
zwischen den beiden Weltkriegen stattgefunden hat, sehe ich in der Weltwirtschaft heute aber nicht.
WiKu: Sehen Sie Chancen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen?
Koopmann: Ich denke, dass die Doha-Runde weitergeführt und zum Abschluss gebracht werden wird. Angesichts des Präsidentenwechsels in den USA Anfang
2009, der Parlamentswahlen in Indien
im Frühjahr und der Neubesetzung der
EU-Kommission im Herbst 2009 wird
dies realistischerweise aber wohl erst im
Jahre 2010 möglich sein.
WiKu: Aber was macht die Chancen eines
Erfolgs dann größer?
Koopmann: Letztlich ist es der politische
Wille, der vorhanden sein muss. Der
könnte nach den Wahlen größer sein als
heute. Konkret wäre etwa denkbar, dass
den Entwicklungsländern der erwähnte
Schutzmechanismus für Kleinbauern in
der gewünschten Form gewährt wird und
die Schwellenländer im Gegenzug bei den
Industriezöllen stärker nachgeben.
WiKu: Werden die Verhandlungen wieder
bei Null beginnen?
Koopmann: Die Karten werden neu gemischt, aber das – beträchtliche – Erreichte sollte nicht zur Disposition stehen. Allerdings werden auch die bisher
erzielten Ergebnisse erst dann umgesetzt werden können, wenn alle Punkte
erfolgreich verhandelt worden sind.
WiKu: Ist nicht auch ein Geflecht bilateraler Abkommen ein guter Weg?
Koopmann: Seit Bestehen der WTO sind die
bilateralen Abkommen wie Pilze aus dem
Boden geschossen. Mittlerweile gibt es
etwa 200 solcher Vereinbarungen. Als
einziges WTO-Land ist die Mongolei an
keinem derartigen Abkommen beteiligt.
Dieses Geflecht bilateraler Handelsbeziehungen wirkt diskriminierend auf Dritte
und benachteiligt vor allem kleine und
mittlere Unternehmen. Für sie ist – im
Gegensatz zu den Großunternehmen –
der Aufwand oft größer als der Nutzen, weil
sie sich zunächst durch einen Dschungel
unterschiedlichster Regelungen kämpfen
müssen. Ein Weg, wie in Doha begonnen,
ist immer der bessere, gerade auch weil er
Transparenz für alle garantiert.
Mit Beifall können die kreativen „Gesetzesstricker“ vor allem dann rechnen, wenn
sie Ängste und drohende Gefahren von uns
Bürgern fernhalten. Das gilt auch für die
vom Bundeskabinett beschlossene Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes. Die
Neuregelung räumt der Bundesregierung
ein Vetorecht ein, wenn sich außereuropäische Investoren mit mehr als 25% an einem deutschen Unternehmen beteiligen
wollen. Dann kann die Ministerialbürokratie nun drei Monate prüfen, ob die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Gefahr geraten. In den „Heuschrecken“, vor
allem aber in den potenten „Staatsfonds“,
wittern Politiker gefährliche fremdländische Einflüsse, ja einen Ausverkauf der
stolzen deutschen Wirtschaft.
Die große „Exportnation“ hat sich angesichts dieser möglichen Gefahren die Pickelhaube aufgesetzt. Mit diesem schon im
alten Preußen respekteinflößenden Kopfschutz hofft die Bundesregierung die anlagesuchenden Staatsfonds auf dem „guten
Pfad“ halten zu können.
Das Aufmucken gegen diese neue antimarktwirtschaftliche Regelung war bislang nur im Kammerton zu hören. Für den
deutschen Groß- und Außenhandel ist die
Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes
„das falsche Signal zur falschen Zeit“. Auch
der Präsident des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI), Jürgen R. Thumann, äußerte Bedenken gegen die geplante Investitionskontrolle. Er befürchtet
einen Rückgang der ausländischen Finanzengagements. Schon vor zwei Jahren hatten Banker und Unternehmensmanager vor den – im Durchschnitt um jährlich 8% wachsenden –
Staatsfonds gewarnt und von der
Bundesregierung eine Investitionskontrolle gefordert.
Ganz offensichtlich lähmt
die massive Finanzkraft der
Staatsfonds, die nach den
Berechnungen der DZ Bank
AG ein Vermögen von geschätzten 3,7 Bio. US-Dollar
verwalten, die Kreativität der
im globalen Wettbewerb geforderten Manager.
Natürlich beeilt sich der
Bundeswirtschafts-
minister zu versichern, dass sich die Kontrollen auf „extreme Ausnahmefälle“ beschränken werden. Doch wer beurteilt, ob
und wann ein ausländisches Engagement
in diese Kategorie fällt und ob der Finanzier in guter oder heimtückischer Absicht
in der Bundesrepublik investiert? Selbstverständlich darf das Treiben der Staatsfonds nicht zu blauäugig betrachtet werden. Aber muss der „Exportweltmeister“
gleich die „Marktabschottungs-Keule“
schwingen?
Mit ihrer liberalen Handels- und Finanzpolitik ist die Bundesrepublik Deutschland
bislang gut gefahren. Auch das Engagement des kuwaitischen Staatsfonds, der
seit 1975 das von den Quandts abgegebene
Daimler-Aktienpaket (14%) hält und im
Aufsichtsrat sitzt, hat der deutschen Wirtschaft nicht geschadet. Nach den Erkenntnissen des BDI beschäftigen die im ausländischen Besitz befindlichen Unternehmen in Deutschland fast 2 Mio. Menschen.
Die Summe der ausländischen Investitionen in der Bundesrepublik taxiert der BDI
auf etwa 440 Mrd. Euro.
„Staatsfonds“, so der Leiter des Bereichs Research und Volkswirtschaft der DZ Bank,
Klaus Holschuh, „sind an einem langfristigen, kontinuierlichen Wertzuwachs interessiert. Es besteht also kein Grund zur Sorge.“ Diese Ansicht teilt offensichtlich auch
der Bundeswirtschaftsminister: „Ich kenne kein konkretes Beispiel für eine Firmenübernahme, die wir untersagen müssten.“
Warum dann die marktwirtschaftsfeindliche Keule Investitionskontrolle? Mit der
Gesetzesänderung soll auch kein neuer
Bürokratismus geschaffen werden. Ja wer
prüft denn dann? Haben die Beamten,
die künftig die Investitionsanträge bearbeiten, bisher nur Däumchen gedreht? Könnte es sein, dass mit
dieser beifallsschwangeren
„Bewahrung vor einem
Ausverkauf“ vor den Wahlen nur die Hoheit über
den Biertischen zurückerobert werden soll?
Die echte ist nur noch in
Schweden in Gebrauch,
symbolisch greift nun
auch Deutschland wieder darauf zurück:
die Pickelhaube.
AKTUELLES THEMA
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
3
Neuer Bankenriese oder Totgesagte leben länger
Commerzbank übernimmt Dresdner Bank | China Development Bank (CDB) geht leer aus
VON GÜNTER SPAHN
M
it der Übernahme der traditionsreichen Dresdner Bank durch die
Commerzbank entsteht für deutsche Verhältnisse ein weiterer Finanzkoloss, so die außerordentliche HV der Commerzbank Anfang 2009 den jetzt ausgehandelten Deal absegnet. Es wäre übrigens
nicht das erste Mal, dass ein bereits gefeierter Zusammenschluss (Deutsche Bank
mit ebenfalls der Dresdner Bank) schlussendlich doch nicht zustande kam.
Mit der Übernahme durch die Commerzbank gibt die Dresdner Bank als ein
traditionsreiches Finanzinstitut ihre
Selbstständigkeit auf. Nimmt man das Vorgängerinstitut der Bank, die 1771 gegründete Privatbank Kaskel als „Ahnherrin“, so
kann die Bank sogar auf das Geburtsjahr
1771 verweisen. 1872 wurde dann die eigentliche Dresdner Bank gegründet. Die
Bank hat in ihrer Geschichte viele Hochs
und Tiefs erlebt – aber sie entwickelte sich
insbesondere in den guten Jahren des
deutschen Wirtschaftswunders nach dem
Zweiten Weltkrieg zur zweitgrößten deutschen Bank und zeitweise war der Abstand
zum Platzhirsch Deutsche Bank nicht
mehr sehr groß.
Insofern ist es bedauerlich, dass die
Dresdner Bank im deutschen Finanz-
Aachener und Münchener (seinerzeit noch
nicht im Verbund der italienischen Generali) unter ihrem legendären Chef Dr. Helmut Gies die Bank für Gemeinwirtschaft
(BfG), die ihrerseits in den 70er Jahren zu
Zeiten der sozialliberalen Bundesregierung
Willy Brandt unter „Papa“ Hesselbach hervorragend aufgestellt war. Die BfG kam
dann in Sogwirkung der Krisen Coop und
Neue Heimat selbst in den Problembereich
und deshalb verkaufte die Gewerkschaftsholding die Bank an die Aachener und
Münchener.
Schon früher funktionierte
Allfinanz nicht
Wie auch immer: Schon damals hat, wie
gesagt, Allfinanz nicht funktioniert. Auch
die Aachener und Münchener trennte sich
dann später wieder von der BfG, die dann
an die französische Großbank CL weitergereicht wurde, die ihrerseits später die Bank
an die Schweden (SEB) verkaufte. Die
„deutsche“ SEB ist auch heute noch im
Markt.
Wenn also heute vom Misserfolg des Allfinanzgedankens im Verbund der Allianz
mit der Dresdner Bank gesprochen wird,
dann ist dies eben nicht neu, wie das Beispiel Aachener und Münchener mit der
BfG zeigt. Aber offenbar wollte man bei der
Allianz schlauer sein. 2001 kostete die
Dresdner Bank die Allianz bereits 24,5 Mrd.
Euro. Rechnet man die
Verluste der Dresdner
auch durch die Finanzkrise hinzu, dann war
das Engagement ein
teures Vergnügen für
die ansonsten erfolgsverwöhnten Versicherungsmanager der Allianz.
Jetzt erhält die Allianz
für die Dresdner noch
9,8 Mrd. Euro und an
der neuen erweiterten
Großbank ist dann die
Allianz immerhin mit
30% Großaktionär. Dies
wäre dann gleichzeitig
ein Beitrag für die nachhaltige Stabilisierung
des Aktionärskreises bei
der
Commerzbank,
wenn sich die Allianz als
langfristig orientierter
Kernaktionär sieht.
Mit einer addierten
Bilanzsumme von 1,116
Bio. Euro wäre die neue
Commerzbank zwar mit
deutlichem Abstand zur
LBBW die unangefochtene Nummer zwei in
Deutschland, jedoch ist
Mag auch im Rahmen der Übernahme der traditionsrei- weiterhin die Deutsche
chen Dresdner Bank durch den bisherigen Konkurrenten Bank mit einer BilanzCommerzbank der Name Dresdner Bank verschwinden, summe von 2,020 Bio.
so bleibt er doch unauslöschlich mit dem großartigen Euro klarer Marktführer.
Im internationalen
Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche verbunden.
Das Institut hat sich unmittelbar nach der Wiedervereini- Maßstab sind die deutgung exponiert für die aufwändige Rekonstruktion einge- schen Banken – sieht
setzt und diese gefördert und ohne dieses Engagement man einmal von der
gäbe es vermutlich die Frauenkirche heute nicht. Die Deutschen Bank ab –
Dresdner hat sich durch ihre Initiative für Dresden und längst überflügelt. Doch
Deutschland verdient gemacht.
Foto: Stadt Dresden Bilanzsummengröße ist
nicht alles. Es ist einfach
auch ein Unfug, wenn immer wieder damarkt keine eigenständige Rolle mehr
von gesprochen wird, dass durch die verspielt. Doch muss man fairerweise sagen,
meintliche Allmacht und Abschottung der
dass die Bank spätesten am 23. Juli 2001 –
öffentlich-rechtlichen Institute (Sparkasda wurde die Allianz-Gruppe in München
sen und Landesbanken) eine international
neuer Eigner der Dresdner – ihre Eigenbessere Aufstellung der deutschen Banken
ständigkeit verlor. Die eigentlichen Konnicht möglich wäre.
zernentscheidungen der Dresdner wurAusländische Banken sind auch deshalb
den in der vornehmen Münchner Könian den Deutschen vorbeigezogen, weil sie
ginstraße (dort ist der Sitz der Allianz) seit
besser die Chancen im europäischen
2001 vorgegeben.
Markt nutzten. Zu Zeiten, in denen die
Dass es überhaupt zur Übernahme
führenden Institute hierzulande den Kondurch die Allianz kommen musste, wäre
kurrenten aus Frankreich, Spanien und Itaeine eigene Geschichte und würde den
lien noch deutlich überlegen waren, fehlte
Rahmen dieses Beitrages sprengen. Fakt
den Deutschen auch der Mut. Spanier haist, dass sich die Dresdner Bank offenbar
ben sich im Vereinigten Königreich engabereits 2001 an einen kräftigen Partner angiert, die Italiener in Deutschland: diese
lehnen musste.
Rolle hätten unsere Banken spielen müsBanken und Versicherungen
sen. Niemand hat sie daran gehindert und
haben verschiedene Kulturen
deshalb hinkt das Beispiel mit der Dreigliedrigkeit des deutschen Bankensystems.
Leider verstand es auch die Allianz nicht,
Wer war schon etwa vor wenigen Jahrzehndie Dresdner wieder zu einer ertragsstarten (als das Trio Deutsche, Dresdner und
ken Bank fortzuentwickeln und darüber
Commerzbank auch europaweit führend
müsste man bei Gelegenheit nachdenken.
war) der Crédit Agricole oder die Société
Für viele Kenner war die Sache vorherzuGénérale (beide Frankreich) oder etwa der
sehen. Die Kulturen der Banken und VersiBanco Santander (Spanien) oder die Unicherungen sind zu verschieden. Und dies
credito Italiano SpA, die die HypoVereinshätte eigentlich die Allianz wissen müsbank übernahm?
sen, denn es gab bereits negative ErfahDer alleinige Maßstab Bilanzsummenrungen zum Thema Allfinanz. Allfinanz –
größe kann jedenfalls nicht das Kriterium
dies war das neue Schlagwort für den gefür die Überlebensfähigkeit einer Bank
meinsamen Verkauf von Versicherungsauch im europäischen Markt sein. Immerund Finanzprodukten. Kurz ging es darhin ist eine Bank vom „alten“ Zuschnitt der
um, dass über die Bankschalter VersicheCommerzbank ja keineswegs klein und wir
rungspolicen verkauft werden sollten und
haben nie verstanden, weshalb gerade diegleichzeitig setzte man hohe Erwartungen
ses Institut je nach Zeitlaune einmal mit jein die Vermarktung von Bankdienstleisner und dann wieder mit einer anderen
tungen (wie Kredite) durch den AußenBank „verbandelt“ wurde. Wie oft wurde
dienst der Versicherungen. Allfinanz – und
gesagt, dass der Commerzbank die stratedies hätte die Allianz wissen müssen – hatgische Größe (was immer dies sein möge)
te aber bereits beim ersten Pilotversuch
für das Bestehen des Wettbewerbes fehle.
nicht funktioniert.
Und wie oft wurde die Bank als klassischer
Bereits 1987 kaufte die damals zweitÜbernahmekandidat gehandelt. Doch Totgrößte deutsche Erstversicherungsgruppe
gesagte leben oft länger. Mit der jetzigen
Übernahme der Dresdner Bank muss nicht
zwingend eine völlige Neuordnung des
deutschen Finanzsystems verbunden sein.
Da wird vieles herbeigeredet und herbeigeschrieben.
Finanzplatz Deutschland
wird gestärkt
Viel wichtiger ist, ob die Commerzbank die
geplante Übernahme (noch muss die HV,
wie bereits gesagt, zustimmen) gut stemmen kann. Es wäre schade, wenn sie für
das Engagement Tafelsilber, wie attraktive
Beteiligungen, verkaufen müsste. Die
Commerzbank ist Großaktionär bei der
Perle Linde AG. Dieses Engagement hat der
Commerzbank gerade in den letzten Jahren viel Freude bereitet. Die Commerzbank
ist einer der Garanten für die Stabilität des
Aktionärskreises der Linde AG.
Keine Frage: Auf der Strecke bleiben
auch Mitarbeiter. Künftig wird es keine
Überschneidungen mehr geben. Viele Aktivitäten, die jede Bank vorhält (etwa Kommunikation und Werbung), können gebündelt werden. Informatikkosten, die eine Bank
immer noch stark belasten, können besser
genutzt werden. Sicher ist das Potenzial der
Synergien groß. Wenn die Commerzbank sich
an der Übernahme der Dresdner Bank nicht
verschluckt, ist die Chance groß, dass das
Thema Commerzbank „neu“ eine Erfolgsstory gibt. Es wäre der Bank zu wünschen.
Der Finanzplatz Deutschland wird nun
gestärkt. Wenn man auch getrost davon
ausgehen kann, dass die Allianz während
der Verhandlungsphase mit der Commerzbank auch mit der China Development
Bank (CDB), die ja ernsthaft am Erwerb
der Dresdner Bank interessiert war, vor allem gepokert hat, so ist aber nicht ganz
auszuschließen gewesen, dass die Chinesen durch unglückliche Umstände doch
zum Zuge gekommen wären. Freilich hätte
sich dann die Allianz ihren Namen zumindest in Deutschland verbrannt.
Alles in allem ist die jetzt angepeilte Lösung unter dem Strich positiv. So bleibt nur
die Frage, weshalb die Allianz offenbar
schon wieder mit dem Gedanken spielt,
eine Bank zu kaufen. Die Rede ist von einem
diesmal kleinen, aber feinen Institut. Dies
könnte dann funktionieren. Die Nürnberger
Versicherungsgruppe jedenfalls hat mit der
Fürst Fugger Privatbank viel Freude.
Etwas Wehmut bleibt. Die Dresdner
Bank war zu guten Zeiten ein feines Institut und hat sich vor allem beim Wiederaufbau der großartigen Dresdner Frauenkirche, dem Flaggschiff der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), bleibende
Verdienste erworben. Ohne die Dresdner
Bank gäbe es Deutschlands wohl schönste
und inzwischen zu einem Publikumsmagneten gewordene Kirche mit ihrer einmaligen riesigen Steinkuppel nicht. Danke
Dresdner Bank!
Innovativer Klimaschutz –
Für Mensch und Natur
Vattenfall entwickelt die zukunftsweisende Energieerzeugung: Am 09. September
nehmen wir am Standort Schwarze Pumpe in der Lausitz die weltweit erste Pilotanlage
für ein Kohlekraftwerk mit CO2-Abscheidung in Betrieb. Kohlendioxid gelangt nicht mehr
in die Atmosphäre, sondern wird verflüssigt und tief unter der Erde gespeichert. So
wirken wir dem Treibhauseffekt entgegen. Davon profitieren wir alle – Mensch und Natur.
www.vattenfall.de/ccs
Energie für frische Luft
REPORT
4 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Innovationen erhöhen Verkehrssicherheit
Zahl der Verkehrstoten seit 1970 auf weniger als ein Viertel gesunken | Weitere Verbesserungen durch ein Bündel an Maßnahmen möglich
Richtungsfahrbahnen mit Standstreifen für
Pannen- und Unfallfahrzeuge.
Nicht seriös zu beantworten bleibt die
hypothetische Frage, in welchem Umfang
die Verkehrsunfallbilanz bei einem auch
nur annähernd dem wachsenden Verkehrsaufkommen entsprechenden Ausbau
der Verkehrswege noch hätte verbessert
werden können: Die Unfallursache „Stress
durch zu hohe Verkehrsdichte“ wird weder
polizeilich erhoben noch statistisch erfasst.
VON KLAUS G. WERTEL
Den meisten deutschen Tageszeitungen
war die „Pressemitteilung Nr. 257“ des Statistischen Bundesamtes kaum mehr als
eine Zehn-Zeilen-Meldung im „Vermischten“ wert: „Zahl der Verkehrstoten im Jahr
2007 erstmals unter 5 000.“ Allenfalls der
Umstand, dass Deutschland die von der
EU vorgegebene Zielsetzung einer Halbierung der Unfalltoten im Zeitraum 2001 bis
2010 wohl verfehlen werde, schien vielen
Redaktionen interessant genug, betont zu
werden. Dass die Zahl der Verkehrstoten
seit 1970 auf weniger als ein Viertel gesunken ist, wurde dagegen kaum erwähnt.
Nun mag es ja sein, dass beim Thema
Unfallentwicklung so manche Redaktion
nur ungern das seit Jahren gepflegte Zerrbild vom „immer schlimmer werdenden
Verkehr“ und vom „Moloch Auto“ durch
tendenziell anders lautende Meldungen
ins Wanken bringen mag. Doch es kommt
noch ein ganz allgemein zu beobachtender
Trend hinzu: Die schwindende Neigung
zeitgenössischer Berichterstatter – freilich
auch ihrer Rezipienten –, die Dinge auf der
langfristigen Zeitachse zu betrachten, führt
zwangsläufig zu Momentaufnahmen, die
über Entwicklungen fast gar nichts aussagen – aus denen auch kaum brauchbare
Erkenntnisse für künftiges Handeln gewonnen werden können. So könnte – für
sich genommen – der Rückgang der Verkehrstoten im Jahresvergleich 2006/07 um
142 auf 4 949 (minus 2,8%) theoretisch die
Folge eines glatteisarmen Winters oder einer verregneten Motorradsaison gewesen
sein. Erst im Zusammenhang mit den Verkehrsunfallbilanzen der Jahre und Jahrzehnte zuvor und mit den langfristigen Erkenntnissen der Unfallforschung gewinnen die aktuellen Zahlen Profil und Aussagekraft.
Fahrzeugbestand mehr
als verdreifacht
Autofahrer in der
dritten Generation
Die positive Wirkung von Verbesserungen
an Fahrzeugen und Fahrwegen schlägt sich
auch in der Unfallstatistik nieder: Der Anteil technischer Defekte, Unzulänglichkeiten an Fahrbahn oder Beschilderung und
Witterungseinflüsse als Hauptunfallursachen ist seit 1970 von rund einem Drittel
auf unter 10% gesunken. Doch auch der
„Faktor Mensch“ soll – so betonen die
meisten Unfallforscher – Fortschritte machen. Während sich noch in den 60er Jahren überwiegend Führerscheinneulinge
und Fahrer mit wenigen Jahren Erfahrung
auf den Straßen tummelten, „haben wir inzwischen Autofahrer in der dritten Generation“, so beschreibt etwa der ADAC eine
Tendenz zu mehrheitlich eher besonnenem, souveränem Fahren. Besichtigen
lässt sich die entspannende Wirkung langjähriger Übung seit langem in den USA,
wo die allgemeine Motorisierung mindestens eine Generation früher als hierzulande begann.
In dem Umstand, dass noch immer der
Anteil der jungen, wenig erfahrenen Fahrer
am Unfallgeschehen überdurchschnittlich
hoch ist, sehen Unfallforscher eine Bestätigung der Annahme, dass Übung und Erfahrung wichtige Faktoren der Risikominderung sind.
Hoffnung auf Navigationshilfen
Entgegen der „gefühlten“ Gefahr sind Autobahnen die sichersten Verkehrswege.
Die volle Tragweite der Entwicklung vom
traurigen Höhepunkt mit 21 332 Verkehrstoten im Jahre 1970 auf die 4 949 Opfer des
Vorjahres lässt sich nur ermessen, wenn
man dabei auch noch die Vermehrung der
Kraftfahrzeuge im selben Zeitraum bedenkt: Deren Bestand hat sich von 17,8
Mio. (1970) auf 57,4 Mio. (2007) mehr als
verdreifacht. Trotz rückläufiger Fahrleistungen pro Fahrzeug hat sich die gesamte
Straßenverkehrsleistung deutlich mehr als
verdoppelt. 1953, im ersten Jahr nach der
Wiederaufnahme der Verkehrsunfallstatistik, starben – bei 4,8 Mio. zugelassenen
Fahrzeugen – 12 631 Menschen durch Verkehrsunfälle in Deutschland.
Auch die verbreitete Ansicht, der Rückgang der Verkehrsopfer habe vielleicht den
Autofahrern genutzt, sei aber an den
schwächsten Verkehrsteilnehmern – Fußgängern und Radfahrern – vorbei gegangen, lässt sich durch einen Blick ins Archiv
des Statistischen Bundesamts widerlegen.
Mangels früherer Differenzierung muss
hier freilich auf das Basisjahr 1980 Bezug
genommen werden. Insgesamt sank die
Zahl der Verkehrstoten im Zeitraum 1980
bis 2007 um 67%. Dabei war der Rückgang
bei den Getöteten bei den Fußgängern mit
minus 81% am höchsten, gefolgt von den
Radfahrern (minus 68%), den Fahrzeuginsassen (minus 62%) und den Motorradfahrern (minus 49%).
Die Gesamtzahl der „Unfälle mit Personenschaden“ ist im Zeitraum 1970 bis 2007
weit weniger gesunken als die Zahl der Verkehrstoten: von 414 362 auf 335 845 (mi-
Der Ausbau des Straßennetzes ist eine wichtige Maßnahme zur Verringerung der
Gefahren im Straßenverkehr.
Foto: Bilderbox
nus 19%). Die Zahl der Verletzten ging von
578 032 auf 431 419 (minus 25%) zurück.
Bei den Haupt-Unfallursachen wurde im
Vorjahr – erstmals seit vielen Jahren – die
„nicht angepasste Geschwindigkeit“ von
Platz eins verdrängt: Jetzt lagen „Fehler
beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren,
Ein- und Anfahren“ mit 16% knapp vorne.
Die zu eiligen Fahrer (15%) mussten sich
Platz zwei mit den Fällen von „Missachtung
der Vorfahrt“ (ebenfalls 15%) teilen. Die Au-
tobahnen haben 2007 erneut ihren Ruf als
sicherste Straßen verteidigt: Hier sank die
Zahl der Verkehrstoten (im Vergleich zu
2006) um 6,7% auf 602. Bei den Landstraßen sank die Zahl der Opfer um 1,6% auf
3 012, innerorts um 3,5% auf 1 335 Getötete.
40 Jahre Fortschritt: Von der
Zweikreisbremse bis zum ESP
Der Umstand, dass die nachhaltige Trendwende zum Besseren bereits Anfang der
ZAHL DER TOTEN IM STRASSENVERKEHR
Die Entwicklung von 1953 bis 2007
25
Foto: Bilderbox
70er Jahre gelang, legt die Vermutung nahe,
dass die frühen Grundlagen dieser positiven Entwicklung spätestens in den 60er
Jahren geschaffen wurden. Wie auch heute
noch, so dauerte es schon damals stets viele Jahre, bis sich eine technische Verbesserung in der Breite der Fahrzeugflotte
durchsetzen und damit auch in der Unfallstatistik auswirken konnte.
Die Vermutung, dass schon „Innovationen“ der 60er Jahre maßgeblich zur Senkung der Zahl der Unfalltoten beigetragen
haben, lässt sich durchaus erhärten: So hat
allein der Übergang von der Einkreis- zur
Zweikreisbremse die Häufigkeit schwerer
Unfälle durch Undichtigkeiten in der
Bremshydraulik dramatisch sinken lassen.
Die mehr und mehr zumindest an der Vorderachse verbauten Scheibenbremsen waren standfester als die Trommelbremsen.
Die Ablösung des Diagonal-Reifens durch
den Gürtelreifen hat die Unfallursache Reifenschaden selten und die „Reifenplatzer“
beherrschbarer werden lassen. Schließlich
lagen auch die Anfänge der Entwicklung
stabiler Fahrgastzellen und verformbarer
Knautschzonen in den 60er Jahren.
Der „Lebensretter Nummer eins“, wie
der Sicherheitsgurt bereits in den späten
60er Jahren empfohlen wurde, setzte sich
erst in den 70er Jahren in Form des komfortabel gewordenen Drei-Punkt-Gurts in
der Breite durch – in den 80er Jahren
durch Airbags zum „Rückhaltesystem“ ergänzt. Ebenfalls beginnend in den 80er
Jahren, bescherte uns der Einzug der Elektronik ins Auto nicht nur allerlei Schnickschnack, sondern auch hoch sicherheitsrelevante Helfer: Zunächst verkürzte die
automatische „Stotterbremse“ – ABS – den
Bremsweg auf nasser oder glatter Fahrbahn erheblich. Später kamen Anfahrund Spurhaltehilfen („Antischlupfregelung“) hinzu. In den 90er Jahren gelang es,
all diese Frühwarn- und Hilfssysteme in
„ESP“ und ähnlich genannten Steuerungssystemen zu bündeln. Obwohl die Wirksamkeit elektronischer Stabilitätspro-
gramme nicht mehr umstritten ist, werden noch immer viele Fahrzeuge ohne
ESP gebaut – und gekauft.
Auch der Ausbau und die Gestaltung der
Verkehrswege – innerorts wie außerorts –
haben einen Beitrag zur Absenkung des Risikos, tödlich zu verunglücken, geleistet.
Dass Autobahnen – und vergleichbar
ausgebaute Straßen – mit Abstand die sichersten Verkehrswege sind, mag dabei
zwar dem „gefühlten Risiko“ vor allem ungeübter Autofahrer widersprechen. Dennoch belegt die Unfallstatistik seit Jahr-
Nach den Zweikreisbremsen, den
Gürtelreifen und den Gurten hat vor
allem der Einzug der Elektronik in die
Fahrzeuge mit ABS und ESP die Zahl
der Unfalltoten entscheidend gesenkt.
Foto: BMW
zehnten: Innerorts und auf Landstraßen
mit Gegenverkehr ist die Häufigkeit tödlicher Unfälle doppelt und dreifach höher
als auf den kreuzungsfrei ausgebauten
Was lässt sich aus diesem Blick in den
Rückspiegel der Unfallentwicklung für eine
vorausschauende Verkehrs- und Technologiepolitik ableiten? Zumindest dreierlei:
■ Erstens: Die Verbesserung der Verkehrssicherheit ist vor allem ein Resultat vielfältiger Verbesserungen an Fahrzeugen,
Verkehrswegen und der fahrerischen
Kompetenz. Und genau in diesem Dreier-Verhältnis gibt es auch in der Gegenwart die wichtigsten Ansätze zu weiteren
Fortschritten. Große Hoffnungen setzen
Experten vor allem in den Aufbau interaktiver Kommunikations- und Navigationssysteme – bis hin zu automatischen
Warn- und Notbremssystemen in Gefahrensituationen.
■ Zweitens: Vor dem Hintergrund der seit
langem bekannten Tatsache, dass die
Autobahnen die mit Abstand sichersten
Straßen sind, sollte jede Maßnahme, die
zu einer Verlagerung von Verkehr auf
nachrangige Straßen führt, unterbleiben.
Dies gilt insbesondere für die immer
wieder diskutierte Einführung einer –
wie auch immer gearteten – Pkw-Autobahnmaut.
■ Drittens: Auch wenn kein wirklich bedarfsgerechter Ausbau der Verkehrswege
möglich ist – die Verkehrssicherheit sollte bei allen Planungen wieder einen höheren Stellenwert erhalten. So kann der
gelegentlich ökologisch begründete und
durchgesetzte Verzicht auf Standstreifen
an Fernstraßen genauso tödliche Folgen
haben, wie zu enge Kurvenradien oder
der Verzicht auf einen Mittelstreifen zwischen den Richtungsfahrbahnen.
Dass die knapp 5 000 Verkehrstoten des
Jahres 2007 noch immer 5 000 zu viel sind,
sollte nicht nur in Sonntagsreden beklagt,
sondern auch bei konkreten Weichenstellungen bedacht werden.
Letzte Meldung: Auch im ersten Halbjahr 2008 hat sich der positive Trend fortgesetzt. Die Zahl der Verkehrstoten sank (im
Vergleich zum Zeitraum Januar bis Juni
2007) um 298 oder 12% auf 2 170. Die Zahl
der Verletzten ging um 8% auf 194 600 zurück.
20
15
Getötete in Tausend
10
5
4.949
0
1955
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005 2007
Im ersten Halbjahr 2008 hat sich dieser Trend fortgesetzt. Die Zahl der Verkehrstoten
sank von Januar bis Juni 2008 um 12% auf 2 170.
Grafik: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2008
Große Hoffnungen setzen Experten für Verkehrssicherheit in den Aufbau interaktiver Kommunikations- und Navigationssysteme – bis hin zu automatischen Warn- und Notbremssystemen in Gefahrensituationen.
Foto: BMW
INDUSTRIE & MÄRKTE
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
5
Volle Fahrt für deutsche Autos
Heimisches Öl
Mehr Sonne an der Börse
Leasing löst Kredit ab
Trotz lahmender Weltkonjunktur und Problemen
in den USA können die deutschen Autobauer
steigende Absatzzahlen melden.
Seite 6
Zäh und tief, aber bei den heutigen Preisen wieder lukrativ: Wintershall baut auch auf Öl aus
Quellen in Deutschland.
Seite 7
Die Schott-Tochter Schott Solar wagt den Sprung
aufs Parkett, um das dynamische Wachstum mit
eigenen Mitteln stemmen zu können.
Seite 7
Selbst der konservative Maschinenbau setzt verstärkt auf Leasing, doch passt diese Finanzierungsform nicht in jedem Fall.
Seite 8
Börsenwert oder Unternehmenswert
Ungleiche Elefantenhochzeit | Die Porsche-Anteile an VW sind mehr wert als die gesamte Porsche SE
VON KLAUS G. WERTEL
W
enn sich die Besitzer der 87,5
Mio. Porsche-Vorzugsaktien anlässlich der am 1. September begonnenen Umtauschaktion in Papiere der
neuen Konzernmutter „Porsche Automobil Holding SE“ etwas genauer mit dem
Wert ihres Anteils an dem noblen Stuttgarter Autobauer beschäftigen, dann wird
sich so mancher Aktionär verwundert die
Augen reiben: Der Börsenwert des 31%Anteils, den Porsche Ende August an der
Volkswagen AG hielt, ist höher als der Börsenwert der gesamten Porsche SE.
Bei einem derzeit knapp unter 100 Euro
pendelnden Kurs sind die Porsche-Vorzugsaktien insgesamt rund 8,5 Mrd. Euro wert.
Selbst wenn man die ebenfalls 87,5 Mio.
Stammaktien im Besitz der Familien Porsche und Piëch etwas höher bewertet als
die stimmrechtslosen Vorzugsaktien, wäre
also der Porsche-Konzern – nach Börsenkurs – allenfalls 18 Mrd. Euro wert. Aus dem
seit Wochen zwischen 200 und 210 Euro
pendelnden Kurs der VW-Aktie (105 Mio.
Vorzugsaktien – 291 Mio. Stammaktien) errechnet sich ein Wert des VW-Konzerns von
rund 80,5 Mrd. Euro. Der 31%ige PorscheAnteil an den Porsche-Stammaktien repräsentiert demnach einen Börsenwert
von rund 18,5 Mrd. Euro. Der „Rest“ von
Porsche wäre also gar nichts wert?
Porsche-Finanzchef Holger Härter ist
eher ein Mann der leisen Töne. Aber die
gegenwärtigen Verzerrungen der Börsenwerte, speziell im Automobilsektor, nennt
der Architekt des Porsche-Einstiegs bei VW
„absurd“. Die Auto-Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die
neben Porsche auch den Daimler-Konzern
ganz gut kennen, bestätigen Härters Einschätzung kopfschüttelnd: „Mit Marktentwicklungen und Unternehmensdaten sind
manche Entwicklungen an der Börse nicht
mehr seriös zu begründen.“
„Die Börse“ versteht
Porsche nicht
Nun begegnen sich das Haus Porsche und
die Wortführer der „Börse“ seit langem in
ehrlicher Abneigung: Der Porsche-Vorstandvorsitzende, Wendelin Wiedeking,
verweigert standhaft die von der Börse verlangte Abgabe von Quartalsberichten und
reibt sich gern und oft an den Moden des
Börsen-Zeitgeistes: etwa am Dogma der
„Beschränkung auf das Kerngeschäft“.
Auch lässt Wiedeking kaum eine Gelegenheit aus, sich an nicht eingetretenen Prognosen von Analysten und Aktionärsverbänden zu laben.
Umgekehrt reagieren Börsenvertreter,
Fonds und Analysten fast schon reflexartig
negativ auf strategische Entscheidungen
bei Porsche. Insbesondere der Einstieg bei
VW, den kein Analyst auf der Rechnung
hatte, löste geradezu wütende Kommentare aus: Der „mittelständische Sportwagenbauer“ Porsche verstehe vom Geschäft eines weltweit tätigen Großserienherstellers
nichts, so die überwiegende Einschätzung
in den Analysten-Kommentaren.
Dass „die Börse“ Porsche nicht versteht
und übel nimmt, schlug und schlägt sich
auch im Aktienkurs nieder: Unmittelbar
nach Ankündigung des Erwerbs einer ersten Tranche von VW-Aktien durch Porsche
stürzte die Porsche-Aktie um gut 10% ab –
der Porsche-Kurswert sank innerhalb eines Tages um mehr als 1 Mrd. Euro. Trotz
hervorragender Unternehmenszahlen –
Porsche wird für das Geschäftsjahr
2007/08 mehr Gewinn als Umsatz ausweisen – hat sich die Porsche-Aktie seither
nie mehr wirklich erholen können.
Umgekehrt ist freilich der Börsenwert
der VW-Aktie förmlich explodiert. Noch
in den Jahren 2005/06 galt VW mit Aktienkursen von 30 Euro bis 55 Euro und
einem Börsenwert von weniger als 20
Mrd. Euro als vergleichsweise billiges
Anlage- und Übernahmeobjekt für
Fondsgesellschaften oder auch ausländische Konkurrenten. Jetzt ist VW das
Vierfache wert. An der Übernahme der
VW-Mehrheit durch Porsche gibt es –
spätestens seit der Billigung dieses Vorhabens durch die EU-Kommission im
Juli 2008 – keine ernsthaften Zweifel
mehr.
Doch für das offenkundige Missverhältnis der Börsenwerte des 31%-Anteils
von Porsche an VW und der gesamten Porsche SE liefern weder die besonderen Beziehungen zwischen Börse und Porsche
noch eventuell vereitelte VW-Übernahmephantasien eine hinreichende Erklärung.
Auch Daimler und BMW
klagen über Börsenwert
Mit der Entwicklung des Börsenwerts ihres Unternehmens hadern allerdings
nicht nur Porsche-Manager. Auch Daimler und BMW scheinen bei Analysten
und Fonds in Ungnade gefallen zu sein:
Bei der Vorlage der Halbjahresberichte
beider Konzerne vor wenigen Wochen
(vgl. Seite 6) brachen die Börsenkurse
um jeweils mehr als 10% ein. Der Börsenwert der Daimler-Aktien sank in den
ersten Minuten der Telefonkonferenz zur
Erläuterung der Halbjahresbilanz zeitweise um fast 5 Mrd. Euro auf unter 40
Mrd. Euro. Dabei hatten sowohl Daimler
als auch BMW ihre Umsatz- und Gewinnprognosen – gemessen an den auf
vielen Weltmärkten deutlich schwieriger
gewordenen Bedingungen – nur moderat nach unten korrigiert, was eigentlich
niemanden überraschen konnte. Insofern wirkten einige der Kommentare der
„Automobilexperten“ von Banken und
Fondsgesellschaften dann doch einigermaßen peinlich.
Zwar konnten sich die Aktien von
Daimler und BMW zwischenzeitlich wieder einigermaßen erholen. Doch hat dieser Vorgang zumindest im Hause Daimler
zu einer verstärkten Suche nach verlässlichen Partnern im Aktionariat geführt.
Im Gegensatz zu Porsche und BMW, die
durch ihre Hauptgesellschafter – die
Familien Porsche/Piëch (Porsche) und
Quandt (BMW ) – gegen unerwünschte
Übernahmen insbesondere durch Hedge-
schwer, ausreichende Mittel in die Zukunftssicherung des Unternehmens – in
Innovationen und strategische Beteiligungen – zu investieren.
Die eigentliche Substanz
gilt als totes Kapital
Nur weil VW auf die größere Zahl von verkauften Automobilen verweisen kann –
im Bild das Erfolgsmodell Golf in seiner sechsten Auflage – muss der Konzern
noch lange nicht an der Börse mehr wert sein als Porsche.
Foto: VW
fonds gesichert sind, bieten der mehr als
90%ige Streubesitz bei Daimler, der seit
Herbst 2007 von knapp 80 Euro auf derzeit rund 42 Euro fast halbierte Börsenkurs der Daimler-Aktien und die mehr
als 8 Mrd. Euro Liquiditätsreserven in
der Konzernkasse offene Flanken – und
vermutlich auch Anreize für Großinvestoren.
Daimler-Chef Dieter Zetsche setzt nach
zuverlässigen Informationen zur Abwehr
aggressiver Hedgefonds vor allem auf arabische Staatsfonds. So sollen DaimlerEmissäre derzeit bei dem seit 1974 im
Daimler-Aktionärskreis engagierten Fonds
des Emirats Kuwait sondieren, ob und in
welchem Umfang Interesse an einer Aufstockung des gegenwärtig 7,6% betragenden Anteils an den Daimler-Aktien besteht. Kuwait ist derzeit der einzige „Großaktionär“ bei Daimler. Parallel sollen auch
Gespräche mit dem weltweit größten
Staatsfonds „Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) über einen Einstieg ins
Daimler-Aktionariat geführt werden.
Der Sturz der New Economy
hat nichts geändert
Nun ist es ja keine völlig neue Entwicklung, dass Aktienkurse fast nur noch kurzfristige Gewinnprognosen und immer weniger reale Unternehmenswerte widerspiegeln. Der spätestens seit den Jahren der
„New Economy“ wachsende Anteil überwiegend spekulativen Kapitals hat nicht
nur den Umfang der Kurssprünge – nach
oben wie nach unten – dramatisch vergrößert. Die Verdrängung des klassischen,
langfristig orientierten Anlegers durch Zocker und Hedgefonds hat auch zu einer
weitgehenden Entkoppelung der Börsenwerte von der realen Unternehmensent-
wicklung geführt – mit teilweise fatalen
Folgen: In einem Kapitalgeber-Umfeld,
dass jährlich wachsende Ausschüttungen
erwartet, tun sich Manager zunehmend
Die Substanz und die eigentlichen Entwicklungspotenziale der Unternehmen
spielen in den Analysen, die die Börsenkurse im Wesentlichen treiben, kaum mehr
eine positive Rolle: Grundstücke und Immobilien, Maschinen und Materialien gelten oft genug als „totes Kapital“, Investitionen in Entwicklungsvorhaben, die nicht
kurzfristig Gewinn abwerfen, als „Kapitalvernichtung“. Erfahrung, Kompetenzen
und Motivation von Mitarbeitern, Kundenbindung durch Qualität und Vertragstreue,
Unternehmenskultur und gesellschaftliche
Mitverantwortung sind Kategorien, für die
die „Börse“ keine Antennen und keine
Messmethoden hat.
Das Platzen der Blase der „New Economy“ hat diesen Trend auf dem Kapitalmarkt nicht gebrochen – die Fonds haben
lediglich andere Zielfelder in den Fokus ihrer Anlagestrategien gerückt: auf Finanzmarkt-Derivate von – wie inzwischen leidvoll erfahren – sehr unterschiedlicher Seriosität, auf Warentermingeschäfte von
Metallen über Getreide bis zum Öl – und
eben auch auf die noch vor zehn Jahren als
„Old Economy“ belächelten klassischen
Industriebranchen.
PERSONALIEN.
Mit Wirkung zum 31. Dezember 2008
wird Dr. Werner Müller den Vorstandsvorsitz der Evonik Industries
AG, Essen, abgeben. Müller hatte um
vorzeitige Auflösung seines Vertrages gebeten. Der ehemalige Wirtschaftsminister hatte die Umwandlung des Kohle-Sektors der RAG in
eine Stiftung und des „weißen“ Bereichs in eine AG durchgesetzt. Zum
Nachfolger hat der Aufsichtsrat Dr.
Klaus Engel, Mitglied des Evonik-Vorstands und Vorsitzender der Evonik
Degussa GmbH, bestimmt.
Frithjof Schäfer wurde zum 1. September 2008 neuer Finanzvorstand
(CFO) der Logistiktochter der Deutschen Bahn AG, Schenker Deutschland
AG. Schäfer ist nicht nur für die Deutsche Landesgesellschaft, sondern auch
für die Region Europe Central zuständig.
Zum 1. Juli 2008 hat Dr. Wolfram von
Fritsch den Vorstandsvorsitz der
Deutschen Messe AG übernommen.
Sepp D. Heckmann ist nach 27 Jahren im Vorstand der Deutschen Messe
in den Ruhestand gewechselt. Von
Fritsch ist bereits seit 1. April im Vorstand der Deutschen Messe und wird
künftig die Bereiche Hannover Messe
sowie Marketing, die strategische
Unternehmensplanung, die Revision
und die Unternehmenskommunikation
verantworten.
Auf dem Weg zur Börse
Deutsche Bahn | Mehdorn erkennt eine gute Stimmung bei Investoren
O
bwohl die derzeitige Börsenlage kritisch ist, hält Bahnchef Hartmut
Mehdorn am Zeitplan für den Börsengang fest. Im Herbst dieses Jahres soll es
„nach einem langwierigen politischen Prozess und leidenschaftlichen Diskussionen“
so weit sein. Die Deutsche Bahn AG, Berlin,
bringt bis zu 24,9% ihrer neuen „Börsentochter“ DB Mobility Logistics unter die
Leute. Mehdorn ist vom Erfolg dieser Aktion
überzeugt. Er erklärte: „Wir sind mit Investoren weltweit im Gespräch. Die Stimmung
ist sehr gut und es ist genug Geld da.“ Ein
Teil der Aktien soll auch zu besonderen Konditionen an die Mitarbeiter veräußert werden.
„Die Teilprivatisierung ist eine gute Lösung –
für das System Schiene in Deutschland, für
die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns, für
die Kunden und für die Mitarbeiter“, betonte
der Bahn-Chef.
Mit guten Zahlen der neuen Tochter im
ersten Halbjahr 2008 und einer zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember angekündigten Preiserhöhung um im Schnitt 3,9% will
der Vorstand den Käufern der Aktien den
Einstieg schmackhaft machen. Die Verteuerung der Tickets wird mit Preiserhöhungen
für Energie und den höheren Personalkos-
ten begründet. Die Bahn ist der größte deutsche Energieverbraucher und hat im letzten
Jahr für Strom und Diesel fast 2 Mrd. Euro
ausgegeben.
In der zum 1. Januar 2008 gegründeten
DB Mobility Logistics AG (DBML) wurden
die Bereiche Personenverkehr (Fern-, Regio- und Stadtverkehr), Transport und
Logistik (Schenker-Gruppe) und die konzerninternen Dienstleistungen zusammengefasst. Das Schienen- und Energienetz sowie die Bahnhöfe verbleiben bei der Bahn
AG als 100%ige Tochter des Staates.
Finanzvorstand Diethelm Sack erläuterte
die „insgesamt erfreuliche Entwicklung“
der DBML in den ersten sechs Monaten.
Der Umsatz des Teilkonzerns stieg um 6,8%
auf 16,2 Mrd. Euro. Das operative Wachstum um etwa 3% wurde vor allem von den
Geschäftsfeldern Fernverkehr, DB Schenker Logistics und Rail bewirkt. Das EBITDA,
also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und
Abschreibungen, nahm um rund 6% auf
1,87 Mrd. Euro zu. Das bereinigte EBIT
stieg um knapp 10% auf 1,11 Mrd. Euro.
Für den Börsengang und die Dividendenerwartung künftiger Aktionäre hält Vorstandsvorsitzender Mehdorn eine Kenn-
zahl für besonders wichtig. Das ist die Rendite auf das betrieblich eingesetzte Kapital,
die unter dem Begriff „ROCE“ gehandelt
wird. Sie stieg im ersten Halbjahr von 17,6%
auf gute 18,3%.
Der gesamte DB-Konzern hat beim Umsatz 8,2% zugelegt (16,6 Mrd. Euro) und ist
organisch um 5% gewachsen. Der Konsolidierungskreis wurde um fünf Gesellschaften
erweitert. Dabei handelt es sich um EWS,
Transfesa, Spain-Tir, Schenker Russija und
Chiltern. Das brachte 564 Mio. Euro mehr
Umsatz und 7 200 zusätzliche Mitarbeiter.
Während der gesamte Personenverkehr in
Deutschland im ersten Halbjahr rückläufig
war, haben 1,4% mehr Fahrgäste die Züge
benutzt. Auch der Güterverkehr auf der
Schiene wächst kräftig.
Mehdorn kann eine stolze Zwischenbilanz ziehen: „Wir sind in Europa die Nummer eins im Regional- und Stadtverkehr
und im Frachttransport über Land. Wir sind
mit Schenker Rail die Nummer zwei im europäischen Schienengüterverkehr und weltweit
in der Speditions- und Logistikbranche. Wir
werden mit den Privatisierungserlösen diese
Strategie fortsetzen. Da wird es für Anleger
keine Überraschungen geben.“
st
Für beständigen
unternehmerischen
Erfolg braucht man
VERTRAUEN
Sie am besten auf die Leistung im Doppelpack: die Beratung durch Ihren Steuerberater
und Unternehmenssoftware von DATEV.
Auf Ihren Steuerberater können Sie sich in jeder Situation verlassen.
Er kennt Ihr Unternehmen genau. Mit allen Zahlen und Abläufen.
Und er weiß, mit welcher Unternehmenssoftware Sie die Herausforderungen erfolgreich meistern. Auch bei aktuellen steuerlichen
Themen ist er immer auf dem neuesten Stand. Informieren Sie sich –
auch über DATEV-Software für Warenwirtschaft, Rechnungswesen,
Personalwirtschaft und Office-Management – bei Ihrem Steuerberater
oder unter der Telefonnummer 0800 1001116.
www.datev.de/unternehmensloesungen
Zukunft gestalten.Gemeinsam.
INDUSTRIE & MÄRKTE
6 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Steigende Absatzzahlen im ersten Halbjahr
Deutsche Autoproduktion | Trotz verhaltener Weltkonjunktur behaupten sich die deutschen Hersteller
VON ULRICH KIRSTEIN
S
chwerer als die gegenwärtig geführten Diskussionen um die Umweltverträglichkeit von Autos trifft die deutschen Hersteller die Kaufzurückhaltung
der Kunden, gerade auch auf dem deutschen Heimatmarkt, aber auch in ganz
Westeuropa und den USA. Immerhin
rutschten die deutschen Hersteller in der
jüngst veröffentlichten Auto-Umweltliste
deutlich nach oben, gerade auch bei den
Massenfahrzeugen. Die konjunkturelle Abkühlung bei steigenden Kosten lässt aber
viele Käufer vor der Anschaffung eines
Neuwagens generell zurückschrecken. So lagen die Pkw-Zulassungen laut Verband der
Automobilindustrie (VDA) im Juli 2008 mit
1,3 Mio. Fahrzeugen um 8% unter dem Vorjahresniveau, im ersten Halbjahr bewegte
sich der Pkw-Absatz in Europa mit 9,6 Mio.
Fahrzeugen um 3% unter dem Vorjahresvergleich. Vor allem Italien, Spanien und
Großbritannien verzeichnen eine anhaltende Negativentwicklung, während in den
neuen, östlichen EU-Ländern noch ein
Plus von 5% erreicht werden konnte, das
sich jedoch im Juli bereits in ein Minus von
8% gedreht hat und insofern nichts Gutes
für 2008 insgesamt erahnen lässt.
Die vier großen deutschen Hersteller
zeichnen ein sehr viel positiveres Bild:
Der bayerische Premium-Hersteller
BMW AG aus München überraschte vor allem mit seiner Ankündigung, mit der Fiat
Group Automobiles (FGA) Möglichkeiten
einer Zusammenarbeit in den Bereichen
Plattformen und Komponenten zu überprüfen. Die Gemeinsamkeiten sollen sich
auf die Marken Mini bei BMW und Alfa Romeo bei Fiat beziehen, so Friedrich Eichiner, im BMW-Vorstand für Konzern- und
Markenentwicklung zuständig.
BMW produzierte im ersten Halbjahr
819 306 Pkw (plus 3,9%) und 60 561 Motorräder (minus 11,7%). Bei der Marke
BMW lag das Absatzplus bei 2,4%
(637 569), bei Mini bei 17,9% (126 810) und
bei Rolls-Royce bei 68,4% (495). Motorräder konnten im ersten Halbjahr 66 612 veräußert werden, ein leichtes Minus von
2,3%. Auf der Umsatzseite brachte dies
BMW 27,837 Mrd. Euro oder ein Plus von
4,5% ein, das EBIT sank allerdings um
35,2% auf 1,252 Mrd. Euro. Verantwortlich
dafür machte BMW die anhaltende Fi-
Die Autokonjunktur schwächelt, denn aufgrund der verhaltenen Weltwirtschaft, der weltweiten Finanzkrise und der steigenden Lebenshaltungskosten üben sich viele Verbraucher in Kaufzurückhaltung. Die deutschen Autobauer, die im ersten Halbjahr dennoch überwiegend steigende Absatzzahlen ausweisen konnten, setzen
auf den Show-Effekt: BMW präsentierte seinen neuen 7er spektakulär in Moskau, Daimler baut auf Auto und Mode mit Model Eva Padberg, VW setzt beim New Beetle
auf Sand und Porsche – geradezu klassisch – auf Rennwagen mit dem RS Spyder.
Fotos: BMW; Daimler; VW; Porsche
nanzkrise, Zurückhaltung bei den Käufern
bei gleichzeitigem Ansteigen der Rohstoffund Energiepreise sowie den starken Euro.
Neu in diesem Zeitraum kam der BMW
X6, das erste Sports Activity Coupé, im
April auf den Markt. Vom X6 konnten seither fast 8 700 Stück an Kunden in aller Welt
ausgeliefert werden. Im Juni erfolgte die
Erstpräsentation der neuen 7er Reihe, im November wird das neue Flaggschiff der Marke
dann in Europa auch zu haben sein.
Porsche, VW und Audi machten vor allem aufgrund der Aufkaufpolitik der Stuttgarter Porsche AG von sich reden. Auslieferungszahlen gab Porsche nur über den
„Problemmarkt“ USA bekannt, und hier
wurden insgesamt 33 692 Fahrzeuge im
gesamten Geschäftsjahr 2007/08 (31.7.)
verkauft, die hohen Vorjahreswerte um
lediglich 5% verfehlt. Für Porsche ein Erfolg, immerhin wurde der 911 Carrera einem Modellwechsel unterzogen. Dafür
kauften sich die Amerikaner besonders
gerne den sportlichen – und teuren – Cayenne GTS.
Der Volkswagen Konzern konnte allen
Widrigkeiten der Weltwirtschaft zum Trotz
im ersten Halbjahr 2008 einen Auslieferungsrekord einfahren und setzte weltweit
3,27 Mio. Fahrzeuge ab, ein Plus von 5,8%.
Allein nach China gingen eine halbe Mio.
Autos mit dem Wolfsburger Symbol. Auf
der Umsatzseite wirkte sich dies mit einem
Plus von 3% auf 56,5 Mrd. Euro aus, das
operative Ergebnis kletterte sogar um
21,8% auf 3,4 Mrd. Euro. „Unsere innovativen Produkte werden von den Kunden begeistert angenommen“, freute sich der VWVorstandsvorsitzende Prof. Dr. Martin Winterkorn ob dieses Ergebnisses.
Die Daimler AG aus Stuttgart erzielte ein
sehr gutes zweites Quartal und erhöhte
den Umsatz des ersten Halbjahres 2008 um
3% auf 48,837 Mrd. Euro. Das EBIT sank
im gleichen Zeitraum um 26% auf 4,029
Mrd. Euro, wobei der Rückgang insbesondere aus Restrukturierungsaufwendungen bei Chrysler (280 Mio. Euro) und
einem Rückgang der Erträge aus der
EADS-Beteiligung resultierte. So konnte
im (Haupt-)Segment Mercedes-Benz Cars
das EBIT um 18% auf 2,364 Mrd. Euro gesteigert werden. Auf der Absatzseite legten
Mercedes-Benz Cars um 11% auf 353 976
Einheiten und Daimler Trucks um 10% auf
122 809 Stück zu.
Den schwierigen Rahmenbedingungen trotzen
Chemie und Pharma | Halbjahres-Zahlen zeigen ein – wenn auch verlangsamtes – Wachstum
D
ie überwiegende Mehrheit der großen Chemiekonzerne konnte nach
dem Boomjahr 2007 auch in diesem Jahr kräftig weiter wachsen, wenn
auch nicht immer an das hohe Niveau des
Vorjahres anknüpfen. Immerhin die Hälfte
der publizitätspflichtigen 18 Chemieunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland,
die über 1 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2007
erreichten, können auf zweistellige Wachstumsraten beim Ergebnis (EBIT) verweisen
und konnten dabei das Ergebnis überproportional zum Umsatz steigern. Trotz
einknickender Weltwirtschaft und hoher
Rohstoff- und Energiepreise ist die deutsche Chemiewirtschaft also wohl gerüstet,
wenn man auf die „Großen“ blickt. Aber
auch die Branche insgesamt – die viertgrößte in Deutschland –, so berichtet der
Verband der Chemischen Industrie (VCI),
konnte im ersten Halbjahr bei der Produktion um 3% zulegen, was allerdings einer
Halbierung des Vorjahreswertes entspricht. Für das gesamte Jahr 2008 geht
der VCI nur noch von einem ProduktionsWachstum von 2,5% aus, während der Umsatz um 5,5% zulegen sollte.
Ein „Erfolgsgeheimnis“ der Branche liegt
in den hohen Forschungsaufwendungen,
die in diesem Jahr etwa 9,68 Mrd. Euro erreichen werden, so Dr. Alfred Oberholz,
Vorsitzender des Ausschusses für Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI.
Der Chemiegigant BASF SE, Ludwigshafen, setzte seinen Wachstumskurs im
ersten Halbjahr 2008 unbeirrt fort und
legte beim Umsatz noch einmal um 10%
auf über 32 Mrd. Euro zu. Das EBIT vor
Sondereinflüssen kletterte sogar um fast
15% auf 4,762 Mrd. Euro. Als besondere
Herausforderung hat sich BASF dem Klimawandel gestellt und als erstes Industrieunternehmen überhaupt eine umfassende CO2-Bilanz der weltweiten Aktivitäten vorgelegt. Ergebnis: BASF-Produkte
sparen dreimal mehr Treibhausemissionen ein als bei der Herstellung, Nutzung
aber auch Entsorgung aller Produkte anfallen. Diese Untersuchungsergebnisse
wurden durch das Freiburger Öko-Institut
extern bestätigt. Mit Dr. Ulrich von Deessen hat BASF außerdem einen eigenen
Klimabeauftragten eingestellt. Rund 400
Mio. Euro, mehr als ein Drittel der gesamten Forschungsausgaben, investiert BASF
jährlich in innovative Technologien und
Materialien für einen nachhaltigen Klimaschutz.
Die Bayer Schering Pharma AG, Leverkusen und Berlin, knüpfte im ersten Halbjahr 2008 ebenfalls an das starke vergangene Jahr an und legte beim Umsatz im fortgeführten Geschäft um 3% auf 17 Mrd.
Euro zu – bereinigt um Währungs- und
Portfolioeffekte um 8,3% – und beim Ergebnis um 7,2% auf 2,7 Mrd. Euro. Für die
zweite Jahreshälfte geht Bayer Schering
trotz aller weltwirtschaftlichen Probleme
von einem stabilen Wachstum der relevanten Märkte aus, gerade auch in der Landwirtschaft. Währungs- und portfoliobereinigt soll der Umsatz im Gesamtjahr um
über 5% wachsen. Auch Bayer Schering hat
sich der Nachhaltigkeit verschrieben und
will in Zukunft weiter wachsen, „ohne dabei das globale Klima zusätzlich zu belasten“, wie Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang
Plischke betonte, der deshalb ein eigenes
„Bayer Climate Program“ auf- und vorstellte. Bis Ende 2009 will auch Bayer die industrielle Produktion einschließlich der Vorkette – also der Rohstoffe, der Logistik und
des Energieaufwands – einer genauen
CO2-Analyse hinsichtlich möglicher Reduktionen unterziehen.
Linde will die 3 Mrd. Euro-Marke
knacken – beim Ergebnis
Ein „sehr erfreuliches organisches Umsatzwachstum“ meldete Kasper Rorsted,
der Vorstandsvorsitzende der Henkel
KGaA, Düsseldorf, zum zweiten Quartal
2008. Im ersten Halbjahr erzielte Henkel
ein Umsatzplus von 4,6% auf 6,8 Mrd.
Euro, während das EBIT aufgrund von Restrukturierungs- und Integrationsmaßnahmen auf 433 Mio. Euro zurückging.
Neu integriert in das Unternehmen wurden die Aktivitäten der National StarchGruppe, deren Eingliederung samt des
neuen Effizienzsteigerungsprogramms
Henkel im Gesamtjahr 2008 mit etwa 770
Mio. Euro belasten wird.
Der Industriegase- und EngineeringKonzern The Linde Group aus München
legte beim Umsatz um 6,3% auf 6,256 Mrd.
Euro zu, während das Vorsteuerergebnis
(EBT) auf 544 (896) Mio. Euro zurückging.
Grund war hier ein Buchgewinn in Höhe
von 574 Mio. Euro im Vorjahr aufgrund von
Veräußerungen von Unternehmensteilen.
Für das Gesamtjahr 2008 geht der Vor-
standsvorsitzende des Technologie-Konzerns, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle, von
einer Steigerung des Umsatzes und einer
überproportionalen Ergebnisverbesserung
aus. Für 2010 strebt Linde ein operatives
Konzernergebnis von mehr als 3 Mrd. Euro
an – im ersten Halbjahr 2008 betrug es 1,258
Mrd. Euro.
Der Gesundheitskonzern Fresenius AG,
Bad Homburg vor der Höhe, steigerte in
den ersten sechs Monaten 2008 den Umsatz nach Ist-Kursen um 2% auf 5,7 Mrd.
Euro und hielt das Vorjahresergebnis von
781 Mio. Euro – währungsbereinigt war
ein Ergebnisanstieg um 8% zu verzeichnen. Für das Gesamtjahr erwartet Fresenius
einen Anstieg des Konzernumsatzes um
währungsbereinigt 8% bis 10% und eine Erhöhung des Jahresüberschusses um 10% bis
15%.
Die Chemiesparte als größtes der drei
Geschäftsfelder von Evonik Industries, Essen, erwirtschaftete im ersten Halbjahr einen Umsatz von 5,873 Mrd. Euro – der Gesamtumsatz von Evonik lag im gleichen
Zeitraum bei 7,926 Mrd. Euro. Noch kräftiger war das EBIT im Geschäftsfeld Chemie
gestiegen, um 17% auf 608 Mio. Euro. Als
Ursache nannte Evonik dafür eine deutlich
höhere Mengennachfrage, eine gestiegene
Kapazitätsauslastung und erfolgreiche Restrukturierungen.
Die Darmstädter Merck-Gruppe erzielte
im ersten Halbjahr ein organisches Wachstum von 13% – bereinigt um Währungseffekte von 5,8% – auf über 3,7 Mrd. Euro.
Das operative Ergebnis konnte um 31%
auf 680 Mio. Euro zulegen. Allein Merck
Serono verzeichnete einen Umsatz von
über 2,4 Mrd. Euro.
CHEMIEUNTERNEHMEN IN ZAHLEN
Die umsatzstärksten Chemieunternehmen (erstes Halbjahr 2008)
mit Stamm- beziehungsweise Konzernsitz in Deutschland*
in Mio. Euro
Umsatz (Zuwachs in %)
EBIT (Zuwachs)
BASF SE
32 226
(10%) 4 662
(16,1%)
Bayer Schering Pharma AG
17 047
(3%) 2 448
(17,0%)
Henkel KGaA
6 830
(4,6%)
433 (-34,6%)
The Linde Group**
6 256
(6,3%)
842
(15,8%)
Fresenius AG
5 710
(2%)
781
(0%)
Boehringer Ingelheim GmbH
k.A.
k.A.
Evonik Industries, Geschäftsf. Chemie**
5 873
(11%)
608
17%)
Merck KGaA
3 761
(5,8%)
680
(31%)
Lanxess AG
3 300
(-4,0%)
156
(-)
Beiersdorf AG
3 091
(8,5%)
392
(5%)
Wacker Chemie AG
2 142
(13%)
424
(16%)
B.Braun Melsungen AG
k.A.
k.A.
Cognis GmbH
k.A.
k.A.
K+S AG
2 398
(39%)
553
(220%)
Ratiopharm GmbH
k.A.
k.A.
Stada Arzneimittel AG
823
(12%)
110
(8%)
Altana AG
717
(2%)
106
(31%)
Fuchs Petrolub AG
719
(4,7%)
98
(4,6%)
Paul Hartmann AG
679
(7,4%)
39
(14,5%)
Symrise AG
676
(2,3%)
108
(2%)
Süd-Chemie AG
670
(7%)
54
(-2%)
* Auswahl anhand des VCI für 2006 u. eigener Recherche, Reihenfolge bestimmt vom Jahresumsatz 2007.
** EBIT vor Abschreibung auf aufgedeckte stille Reserven und Sondereinflüsse.
Die Lanxess AG aus Leverkusen konnte
operativ um 14% wachsen und den Umsatz auf 3,3 Mrd. Euro hochschrauben. Das
Konzernergebnis des Spezialchemieunternehmens drehte im zweiten Quartal 2008
von minus 59 Mio. Euro im Vergleichszeitraum auf plus 53 Mio. Euro, das Halbjahres-Ergebnis kletterte damit von 32 Mio.
Euro auf 156 Mio. Euro. Für das Gesamtjahr geht Lanxess weiterhin von einer operativen Umsatzsteigerung aus.
Die Beiersdorf AG steigerte wechselkursbereinigt den Konzernumsatz im ersten
Halbjahr um 8,5% – wechselkursbereinigt
um 11,5% – auf über 3 Mrd. Euro und erreichte ein EBIT in Höhe von 392 Mio.
Euro. Dabei konnte Beiersdorf auch im
Heimatmarkt Deutschland wieder Wachstum verzeichnen und aufgrund einer Neuausrichtung des US-Geschäftes auch in
Übersee ein hervorragendes organisches
Wachstum erzielen. In den nächsten Jahren strebt Beiersdorf hier in ausgewählten
Segmenten die Nummer eins-Position an.
Die Wacker Chemie AG aus München
konnte in den ersten sechs Monaten 2008
zweistellig zulegen: beim Umsatz um 13%
auf über 2,1 Mrd. Euro und beim EBIT um
16% auf 366 Mio. Euro. Als wesentliche
Treiber des Geschäftes nannte WackerChef Rudolf Staudigl die starke Nachfrage
aus der Solarindustrie, aber auch die strategischen Investitionen von Wacker in die
Erweiterung der Kapazitäten.
Einen hervorragenden Lauf aufgrund
der gestiegenen Nachfrage und hohen
Preise in der Landwirtschaft nimmt gerade
auch die K+S Gruppe aus Kassel, die den
Umsatz im ersten halben Jahr 2008 um
39% auf 2,398 Mrd. Euro erhöhte und das
operative Ergebnis auf 553 Mio. Euro mehr
als verdoppelte. Für das Gesamtjahr erhöhte der Düngemittelkonzern die Prognosen und geht jetzt von einem Umsatz
von 5,3 Mrd. Euro bis 5,5 Mrd. Euro aus
und einem EBIT zwischen 1,4 Mrd. Euro
und 1,6 Mrd. Euro.
Von einer eher gedämpften Wachstumsdynamik und deshalb von nur „zufriedenstellendem Wachstum“ sah der Arzneimittelhändler Stada AG aus Bad Vilbel das bisherige Geschäftsjahr 2008 geprägt. Der
Konzernumsatz legte aber um 12% auf 823
Mio. Euro und das operative Ergebnis um
8% auf 110 Mio. Euro zu. Für das Gesamtjahr erwartet der Vorstand einen deutli-
chen Umsatzzuwachs im Konzern, ob das
zweistellige Wachstum allerdings gehalten
werden kann, sei fraglich.
Altana behauptet sich auch nach
dem Verkauf der Pharmasparte
Das Spezialchemieunternehmen Altana
AG aus Wesel konnte mit einem leichten
Umsatzplus von 2% auf 717 Mio. Euro und
einer EBIT-Steigerung von 31% auf 106,3
Mio. Euro aufwarten. Für Altana-Chef Dr.
Matthias L. Wolfgruber zeigte das Ergebnis,
dass sein Unternehmen durchaus robust aufgestellt und in der Lage sei, das operative Geschäft erfolgreich weiter zu entwickeln.
2008 hält Altana einen Umsatz zwischen
1,41 Mrd. Euro und 1,45 Mrd. Euro und ein
Vorsteuerergebnis (EBT), das etwas geringer ausfallen wird als im Vorjahr, für möglich.
2007 waren hohe Erträge aus der kurzfristigen Anlage des Pharma-Verkaufs angefallen.
Die im Schmierstoffbereich tätige Fuchs
Petrolub AG, Mannheim, erhöhte den Umsatz im ersten Halbjahr 2008 organisch um
9%, bereinigt um 4,7%, auf 718,7 Mio. Euro
und das Ergebnis um 4,6% auf 98,4 Mio.
Euro. Für 2008 geht Fuchs von einer leichten Steigerung des Ergebnisses aus.
Der Medizinkonzern Paul Hartmann AG
aus Heidenheim steigerte im ersten Halbjahr 2008 den Wachstumskurs weiter und
ließ die Umsatzerlöse um 7,4% auf 678,5
Mio. Euro klettern. Das operative Konzernergebnis erhöhte sich überproportional
um 22,1% auf 22,5 Mio. Euro, das operative
EBIT um 14,5% auf 39 Mio. Euro. Für 2008
erwartet Hartmann ein deutliches Umsatzwachstum in den medizinischen Kernsegmenten und eine Beibehaltung der positiven Ergebnisentwicklung.
Die auf Duft- und Geschmacksstoffe fokussierte Symrise AG aus Holzminden erhöhte den Umsatz im ersten Halbjahr dieses Jahres um 2,3% auf 676 Mio. Euro und
das EBIT um 2% auf 107,9 Mio. Euro. Für
2008 geht Symrise von einer Umsatzsteigerung von 6% bis 7% aus.
Die Süd-Chemie AG, München, erhöhte
den Umsatz auf 669,7 Mio. Euro (plus 7%),
während das EBIT auf 54,1 Mio. Euro leicht
um 2% sank – währungsbereinigt aber um
5% zulegte. Der Vorstandsvorsitzende Dr.
Günter von Au rechnet für 2008 mit einem
Konzernumsatz zwischen 1,15 Mrd. Euro und
1,2 Mrd. Euro und einem EBIT in der Höhe
zwischen 110 Mio. und 115 Mio. Euro.
uk
INDUSTRIE & MÄRKTE
SEPTEMBER 2008
Streit steht ins Haus
N
D
März 2008 sich negativ bemerkbar machte.
Auch durch ein straffes Kostenmanagement von Seiten der EWE konnten diese
Ertragskürzungen nicht wettgemacht werden. Die Umsatzerlöse stiegen dagegen um
6,9% auf 830 Mio. Euro.
Sehr erfreulich hingegen entwickelte
sich der Geschäftsbereich Telekommunikation und IT (I+K). Hier kletterte der Umsatz um 12,4% auf 285,6 Mio. Euro, während das EBIT sich auf 20,1 (10,2) Mio.
Euro verdoppelte. Allein im Bereich Telekommunikation erhöhte sich die Zahl der
Kunden um rund 25%. Nicht zuletzt trug
hierzu der Erwerb des Braunschweiger Telekommunikationsanbieters BCC und des
Hamburger Kabelnetzbetreibers Martens
bei. Aber auch das organische Wachstum
aller Telekommunikationsgesellschaften
(Brekom, EWE Tel, htp, osnatel und Teleos)
trug dazu bei. Besonders dynamisch entwickelte sich das DSL-Geschäft mit einer
Steigerung um 15% auf rund 500 000 Kunden im Breitbandbereich. Trotz des anhaltend starken Preisdrucks konnte sich der
IT-Bereich in einem schwierigen Marktumfeld behaupten.
Für das Gesamtjahr 2008 rechnet EWE
mit einem operativen Ergebnis unter dem
Vorjahr und für den Konzern mit einem
Rückgang des EBIT um etwa 10%. „Der
Verlauf des ersten Halbjahres hat die Erwartungen, die wir angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen auf den Energiemärkten für das Gesamtjahr haben, bestätigt“, so Brinker. „Wir sind optimistisch,
wenn es darum geht, die Gegebenheiten
unserer Märkte mit den Anforderungen
unserer Kunden in Einklang zu bringen
und überzeugende Lösungen anzubieten“,
so der Vorstandsvorsitzende weiter. Neben
neuen Produkten will EWE auch in neuen
Märkten aktiv sein und konnte zum Beispiel durch den Einstieg beim türkischen
Erdgasversorger Kayserigaz das internationale Geschäft weiter ausbauen.
Jetzt steht der EWE allerdings Streit ins
Haus, denn die zwölf kommunalen Anteilseigner (VuV) in der Leipziger Verbundnetz Gas AG (VNG) haben den Konsortialvertrag mit VNG-Hauptaktionär EWE gekündigt – wogegen die EWE Klage einreichen möchte.
uk
Schott Solar | Finanzierung des rasanten Wachstums
D
as Börsenjahr 2008 war hinsichtlich neuer und spektakulärer IPOs
alles andere als erfreulich, obwohl
es von einigen Experten zum „Spitzenjahr“
für Börsengänge deklariert worden war,
besser als 2007, in dem sich 25 Unternehmen aufs Parkett (Entry- und Prime Standard) wagten. In den regulierten Markt der
Frankfurter Börse, den Prime Standard,
trauten sich bis August 2008 aber nur zwei
Unternehmen mit einer Neuemission: die
SMA Solar Technology AG, ein Hersteller
von Solar-Wechselrichtern aus Niestetal
bei Kassel mit einem Umsatz von etwa 350
Mio. Euro, und die GK Software AG aus
Schöneck, die Standardsoftware für den
Handel liefert. SMA Solar konnte im Juni
den Ausgabepreis von 47 Euro um einen
Euro bei der Erstnotiz toppen und am
Abend mit immerhin 55,50 Euro schließen, GK Software, die kurz vorher an der
Börse gestartet war, konnte den Ausgabepreis mit 21,40 Euro als erstem Kurs leicht
übertreffen.
Großunternehmen, die ihren Börsengang für 2008 angekündigt hatten oder von
denen ein Public Going erwartet wurde,
wie Evonik, Kion, Talanx, HSH Nordbank,
manroland oder Tommy Hilfiger, halten
sich bis jetzt bedeckt. Evonik will erst ab
2010 aufs Parkett, und auch von den anderen Unternehmen ist nicht bekannt, dass
der Börsengang auch nur im nächsten Jahr
anvisiert wird. Auf jeden Fall noch in diesem Jahr aufs Parkett will die Deutsche
Bahn (siehe Seite 5) mit ihrer Verkehrssparte
und der Solarbereich des Traditionsunternehmens Schott.
Wieder Börsengang eines
Solarunternehmens
Schon Ende August hat sich die Schott Solar GmbH in eine AG umbenannt und will
frühestens am 19. September in den Prime
Standard der Frankfurter Börse. Damit tritt
erneut ein Unternehmen aus der Solarbranche an und wäre gleich ein guter Kandidat für den TecDax, in dem sich bereits
die Solarfirmen Centrotherm (Börsengang
2007!), Ersol Solar Energy, Phoenix Solar,
Q-Cells, SolarWorld und Solon tummeln.
Die 100%ige Tochter der Mainzer Schott
Die Schott Solar AG, Tochter des internationalen Technologiekonzerns Schott
AG, sieht sich für den Kapitalmarkt gerüstet.
Foto: Schott Solar
AG produziert als einziger Hersteller wesentliche Komponenten sowohl für (dezentrale) Photovoltaik-Anwendungen als
auch für (zentrale) Solarthermie-Kraftwerke über die mit der Umfirmierung der Mutter in eine AG jetzt Schott Solar CSP GmbH
SCHOTT
Die Mainzer Schott AG definiert sich
als internationaler Technologiekonzern, der auf die Herstellung von Spezialwerkstoffen, Komponenten und
Systemen für die Hausgeräteindustrie,
Pharmazie, Solarenergie, Elektronik,
Optik und Automotive fokussiert ist.
Im Geschäftsjahr 2006/07 (30.06) erwirtschaftete Schott mit 16 700 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,14 Mrd.
Euro und ein EBIT von 267 Mio. Euro.
54% des Umsatzes erzielt Schott in
Europa, 23% in Nordamerika und
18% in Asien.
Einziger Aktionär der Schott AG ist die
Carl-Zeiss-Stiftung in Heidenheim an
der Brenz und Jena, die außerdem
noch 100% an der Carl Zeiss AG in
Oberkochen hält.
genannte Tochter im bayerischen Mitterteich. Die Transaktion soll zum größten Teil
aus einer Kapitalerhöhung von rund 500 Mio.
Euro bestehen. Die Preisspanne der insgesamt über 38 Mio. Aktien wird auf der Basis
der Resonanz aus Investorengesprächen zu
einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
„Wir haben in den vergangenen Monaten
unsere Unternehmensstrategie weiterhin
konsequent umgesetzt und fühlen uns mit
unserer einzigartigen Positionierung in unseren Geschäftsbereichen Concentrated Solar
Power und Photovoltaics bestens für die Zukunft und den Kapitalmarkt gerüstet“, begründete Dr. Martin Heming, Geschäftsführer und künftiger CEO von Schott Solar, den
geplanten Schritt. Begleitet wird der Börsengang von Schott Solar von der Commerzbank, der Deutschen Bank und JP Morgan als
Joint Global Coordinators und Joint Bookrunners. Mit im Boot sitzt außerdem die Landesbank Baden-Württemberg als Co-Lead Manager. Die Transaktion soll zum größten Teil
aus einer Kapitalerhöhung bestehen und etwa
500 Mio. Euro zusätzliche Mittel in die Gesellschaft führen, die ganz überwiegend in das geplante Wachstum investiert werden sollen.
In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2007/08 (30.6.) verzeichnete die
Schott Solar GmbH einen Umsatzanstieg um
46% auf 311,1 Mio. Euro und ein EBIT von
26,1 Mio. Euro – ein Plus von 120%, so gab die
Gesellschaft – erstmals – bekannt. Allein im
dritten Quartal legte der Umsatz um 96% und
das EBIT um rund 310% zu, insofern gestalten sich die Aussichten für das Gesamtjahr
2008 mehr als sonnig.
Erfolge feiert vor allem der noch junge
Geschäftsbereich Concentrated Solar
Power (CSP), bei dem die Entwicklung,
Fertigung und Vermarktung hocheffizienter Receiver für Solarkraftwerke mit Parabolrinnentechnologie im Mittelpunkt stehen. Diese Kraftwerke ermöglichen die
zentrale Stromerzeugung im großen Maßstab und stellen eine gute Ergänzung zu
dezentralen Lösungen dar, mit denen sich
der Geschäftsbereich Photovoltaics, in
dem multikristalline Solarwafer, -zellen
und Photovoltaikmodule entwickelt und
produziert werden, überwiegend beschäftigt. Die Wafer werden dabei im Joint Venture
mit der Münchner Wacker Chemie AG an den
Standorten Jena und Alzenau gefertigt.
Schott Solar ist mit insgesamt knapp
1 500 Mitarbeitern an Standorten in
Deutschland (Mainz, Alzenau, Mitterteich
Jena), Spanien (Aznalcóllar bei Sevilla),
Tschechien und den USA (Albuquerque in
New Mexico) tätig. Im Joint Venture mit
Wacker sind noch einmal knapp 300 Beschäftigte tätig.
Im August hat die Solarsparte von Schott
den Unternehmenssitz nach Mainz verlagert, um dort das Management und die
Administration konzentrieren zu können.
Der bayerische Produktionsstandort Alzenau soll außerdem bis 2011 weiter ausgebaut werden. Die neue Unternehmenszentrale auf dem Gelände der Schott AG soll
bis Ende 2009 fertig gestellt sein.
Vielleicht gibt Schott Solar ja die Initialzündung und es folgen noch so viele IPOs,
dass auch 2008 doch noch ein gutes Börsenjahr wird. Die Anzeichen dafür stehen
gar nicht so schlecht, denn viele Beteiligungsunternehmen sitzen auf Unternehmen, die sie nicht auf dem freien Kapitalmarkt loswerden können – da bleibt nur
noch die Möglichkeit, sie aufs Parkett zu
werfen. Etwas Sonne auf dem Parkett kann
auf jeden Fall nicht schaden.
uk
Wind über den Wassern
Öl aus Deutschland
Alpha Ventus vor Borkum | Auch in Deutschland beginnt das Offshore-Zeitalter
Wintershall | Mit viel Dampf kommt das Öl an die Oberfläche
ass auf dem Meer beständiger
und mehr Winde wehen als an
Land wusste sich die Menschheit
schon seit Erfindung des Segelschiffs zunutze zu machen. Doch seit etlichen Jahren beschäftigt sich auch die Energiebranche mit der Möglichkeit, riesige
Windräder im Wasser aufzustellen. Während im europäischen Ausland, vor allem
vor den windreichen Küsten Dänemarks,
Schwedens oder Großbritanniens, schon
seit längerer Zeit riesige Offshore-Windparks – auch mit deutscher Beteiligung –
entstehen, gab es in Deutschland selbst
bisher, außer zwei vergleichsweise kleinen
Versuchsanlagen bei Emden (Enercon mit
einer 4,5 Megawatt-Anlage) und Rostock
(Nordex mit einer 2,3 Megawatt-Anlage)
noch kein einziges Windkraftwerk auf
See. Vor allem zeitintensive und aufwändige Genehmigungsverfahren waren der
Grund für diese Zurückhaltung. Da in
Deutschland Windkraftanlagen als „störend“ empfunden werden, müssen sie
weit vor den Küsten in bis zu 40 Metern
Wassertiefe errichtet werden, was die
Baukosten erhöht und die technischen
Voraussetzungen kompliziert. Trotzdem
will die Bundesregierung bis zum Jahr
2030 etwa 20 000 bis 25 000 Megawatt
Windenergie offshore gewinnen.
Um diese Leistung zu erreichen, schätzt
der Bundesverband WindEnergie den Investitionsbedarf auf bis zu 45 Mrd. Euro,
Windparks auf See rentieren sich erst ab einer Leistung von über 100 Megawatt.
Zuständig für die Genehmigung von Offshore-Windanlagen ist in Deutschland das
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Mitte Juli hat das BSH die
formelle Baufreigabe für die ersten sechs
Anlagen des Offshore-Windenergieparks
im Testfeld Alpha Ventus rund 45 Kilometer
nördlich von Borkum („Borkum West“) erteilt. Eine erste Bau- und Betriebsgenehmigung datierte bereits aus dem Jahr 2001.
2005 wurde die Stiftung Offshore-Windenergie ins Leben gerufen und im gleichen
Jahr noch die Betreibergesellschaft DOTI,
Deutsche Offshore-Testfeld und Infrastruktur-GmbH & Co. KG. Hier haben sich die
drei großen Energiekonzerne Eon AG mit
der Eon Climate & Renewables, die EWE
AG und die Vattenfall Europe AG zusammengefunden. Die Windanlagen der FünfMegawatt-Klasse werden von der ProkonTochter Multibrid aus Bremerhaven erstellt, weitere sechs Anlagen wird die REpower Systems AG im Laufe des Jahres
2009 errichten. Begleitet wird das Projekt
von der Forschungsinitiative RAVE (Research At Alpha Ventus), um die Erfahrun-
gen beim Bau und Betrieb einer solchen
Offshore-Anlage wissenschaftlich begleiten
zu können. Das Bundesumweltministerium
stellt dafür 50 Mio. Euro zur Verfügung.
Norderney und durch den Nationalpark
Niedersächsisches Wattenmeer bis zum
Anschluss an das Eon-Umspannwerk Hage
Nord an der Küste geführt.
Gerade Offshore-Anlagen wollen gut verankert sein: Auf den so genannten Tripods werden die insgesamt einmal zwölf Windenergieanlagen des ersten Offshore-Windparks in Deutschland vor Borkum in 30 Metern Wassertiefe positioniert – wenn es das Wetter zulässt.
Foto: Alpha Ventus
Derzeit bewegt sich die Bauflotte, die die
700 Tonnen schweren Fundamente der
Windenergieanlagen, die so genannten Tripods, in 30 Meter Wassertiefe installieren
soll, noch auf den Windpark zu – momentan herrscht für einen reibungsvollen Ablauf der Arbeiten zu viel Wind! Eigentlich
sollten die ersten sechs Anlagen noch in
diesem Jahr fertig gestellt sein, inzwischen
wird Anfang 2009 als eher realistischer Termin angesehen.
Die Ausmaße der einzelnen Windenergieanlagen sind beeindruckend: Der Rotordurchmesser beträgt 116 Meter, die Nabenhöhe 85 Meter und die Stahlmasse von
Tripod, Turm und Gondel beläuft sich auf
1 000 Tonnen.
Das Umspannwerk, das den Strom der
dann insgesamt 12 Windenergieanlagen
zusammenführt und das eigentliche Herzstück der Anlage ist, wird von der EWE
konzipiert und umgesetzt. An der etwa 25
Meter über dem Wasser schwebenden
Plattform können Schiffe andocken und
ein Helicopter kann darauf landen, insofern ist es auch der logistische Mittelpunkt
des Windparks. Die etwa 70 Kilometer lange Kabeltrasse wird von Eon Netz über
7
Wieder mehr Sonne an der Börse
EWE | Energieversorger wächst in der Telekommunikation
achdem die EWE AG, Oldenburg,
erst im Juli 2008 eine Partnerschaft
mit der EnBW Energie BadenWürttemberg eingegangen war, um in einer Art Nord-Süd-Kooperation vor allem
in den Bereichen der erneuerbaren Energien, bei Gas und im Ausland zusammenzuarbeiten, legte die EWE nun ihre Halbjahreszahlen vor. Trotz der hohen Energieund Rohstoffkosten auf der Beschaffungsseite konnten sich die Oldenburger gut behaupten und den Umsatz um 11,1% auf
2,6 Mrd. Euro steigern.
Trotz der aus Preis- wie Mengensteigerungen resultierenden höheren Umsatzerlöse ging das Ergebnis vor Zinsen und
Steuern (EBIT) um 12,1% auf 229,8 Mio.
Euro zurück. „Die Strom und Gasbezugskosten haben sich in den vergangenen
zwölf Monaten stark verteuert“, erklärte
Dr. Werner Brinker, der Vorstandsvorsitzende der EWE AG, diesen Rückgang. „Diese Kosten mussten wir an die Kunden weitergeben. Die Zeitverzögerung, mit der das
in der Regel geschieht, hat unser Ergebnis
belastet“, so Brinker weiter.
Der Periodenüberschuss lag im Konzern
bei 127,2 Mio. Euro, nach 145,1 Mio. Euro
im Vergleichszeitraum. Die Zahl der Beschäftigten stieg in den ersten sechs Monaten erfreulicherweise von 4 693 auf 5 117
an, wobei hierfür vor allem der sehr dynamische Bereich Telekommunikation und
IT verantwortlich zeichnete.
Den deutlichsten Rückgang beim EBIT
musste der Geschäftsbereich Energie mit
einem Minus von 33,9% auf 91,8 Mio. Euro
verzeichnen. Die Oldenburger mussten dabei nicht nur dem stark verteuerten Energiebezug, sondern auch dem wachsenden
Wettbewerb Tribut zollen. Die Erhöhung
des Umsatzes um 9,2% auf 1,934 Mrd. Euro
resultierte aus den gestiegenen Großhandelspreisen, in deren Folge EWE im April
und November 2007 die Preise erhöht hatte. Während beim Strom die Mengen zurückgingen, konnte bei Gas aufgrund des
strengeren Winters die Absatzmenge um
6,8% erhöht werden.
Im Geschäftsbereich Netz sank das EBIT
um 13,7% auf 76,3 Mio. Euro, wobei hier
vor allem die Kürzung der Stromnetzentgelte durch die Bundesnetzagentur zum 1.
WirtschaftsKurier
Die European Wind Energy Association
(EWEA) schätzt, dass noch in diesem Jahrzehnt etwa 40 000 Megawatt Offshore-Leistung installiert werden und bis 2020 sogar
70 000 Megawatt. Aktuelle Projekte mit
deutscher Beteiligung in Europa sind etwa
der Windpark Thornton Bank in der belgischen Nordsee, bei dem die REpower Systems AG, Hamburg, gemeinsam mit der
Areva T&D Ende Juli die erste von sechs 5Megawatt-Windkraftanlagen erstellte. Die
auf regenerative Energien fokussierte
RWE-Tochter RWE Innogy hat noch im Juli
die Fundamente für insgesamt 25 Windturbinen trotz schwieriger Wetterbedingungen vollendet. Hierbei kam das Spezialschiff HLV Svanen zum Einsatz, das die
Fundamente und Übergangsstücke im Meeresboden verankerte. Der nächste Bauabschnitt mit der Errichtung der Turbinentürme und Gondeln ist für Herbst anvisiert.
Insgesamt konnte die Windenergiebranche in Deutschland wieder kräftig – um
20% bei der installierten Leistung – zulegen und damit hängen in Deutschland zur
Mitte 2008 insgesamt 19 869 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von
23 044 Megawatt am Netz.
uk
D
eutschland als Ölförderland steht
nicht unbedingt im Fokus des allgemeinen Bewusstseins, aber tatsächlich wird nahe der niederländischen
Grenze, bei Emlichheim in Niedersachsen,
seit mehr als 60 Jahren Öl gefördert. Engagiert ist hier die Wintershall AG aus Kassel
und die setzt jetzt – wieder – verstärkt auf
das einheimische Ölvorkommen. Bis
Herbst 2008 sollen dort vier Bohrungen
vorgenommen werden. Doch nicht nur im
Nordwesten der Republik, auch im Süden,
in der Nähe von Augsburg, will Wintershall
eine zusätzliche Suchbohrung vollziehen.
Das Erdölfeld in Aitingen ist mit einer Jahresförderung von 36 000 Tonnen das größte im Alpenvorland.
„Der Anteil des verbrauchten Erdöls, der
in Deutschland gefördert wird, ist zwar vergleichsweise gering – die heimische Produktion von 3,7 Mio. Tonnen deckt 3% des hiesigen Bedarfs – dennoch unterstützt jede Förderung vor der eigenen Haustür die Versorgungssicherheit“, erklärte Dr. Ties Tiessen,
Wintershall-Vorstandsmitglied und dort verantwortlich für die Produktion.
Das Erdölfeld Emlichheim ist eine der
ältesten deutschen Lagerstätten, das Fördervolumen liegt bei rund 140 000 Tonnen
pro Jahr – das reicht immerhin für die Beheizung von 42 000 Eigenheimen. Insgesamt wird dort aus 14 so genannten Schollen gefördert, die sich unterirdisch über einen Bereich von rund vier Quadratkilometern erstrecken. Mit Hilfe von neuen Bohrungen sollen nun die bereits bestehenden
Lagerstätten besser erschlossen werden.
Im Sommer wurde bereits eine Bohrung
durchgeführt – abgeteuft. Im Spätsommer
startete Wintershall gemeinsam mit Exxon
Mobil Deutschland zwei weitere Bohrungen. Bisher konnten etwa 10% des Erdöls
der Scholle gefördert werden. Nun soll
durch den Einsatz von Dampflufttechnik
und durch neu platzierte Bohrungen die
Förderquote auf 40% erhöht werden. Dazu
wurde eine Bohrung nach 500 Metern in der
Tiefe erst einmal abgelenkt und (fast) horizontal weitergeführt, um dann noch eine Tiefe von rund 800 Metern zu erreichen.
Die Dampflufttechnik wird von Wintershall in Emlichheim bereits seit über 25 Jahren eingesetzt. Das Förderfeld wird damit
nach heutigen Berechnungen auch noch
in den nächsten 20 bis 25 Jahren einen Beitrag zur Versorgung Deutschlands mit Erdöl leisten.
Dass das Öl einfach zu sprudeln beginnt
und die Pipelines füllt, wenn danach gebohrt wird, über dieses Primärförderung
genannte Stadium ist Wintershall in Emlichheim allerdings längst hinaus. Auch die
Fast wie in Texas sieht es an der deutsch-niederländischen Grenze aus, denn hier
wird inzwischen fleißig Öl gefördert.
Fotos: Wintershall
Der Nachteil der deutschen Ölvorkommen ist, dass sie sehr tief liegen und sehr
zähflüssig sind, insofern sind spezielle Fördertechniken notwendig.
Sekundärförderung, in der das Erdöl durch
zusätzlichen Wasserdruck gefördert wird,
ist längst abgeschlossen. Das äußerst zähflüssige, tief in den Gesteinsporen verborgene Öl in Emlichheim wird mit 300 Grad
heißem Dampf mit rund 100 bar Druck aus
der Lagerstätte förmlich herausgepresst –
Tertiärförderung. Denn dadurch erwärmt
sich das Erdöl, wird dünnflüssiger und
kann leichter zu Tage gefördert werden.
Neu in Emlichheim war nicht die bewährte Dampflufttechnik, sondern die Kombination mit dem ebenfalls produktionssteigernden Verfahren der Horizontalbohrtechnik.
Innovative, aber teure Techniken zur Ölförderung gewinnen an Bedeutung – je
größer der Wettbewerb nach Öl ist und je
teurer der Rohstoff gehandelt wird. Mit diesen Techniken „kann die Lebensdauer bestehender, älterer Ölfelder deutlich verlängert
werden“, so Tiessen, nicht nur in Deutschland. Denn im Weltdurchschnitt werden
Ölfelder nur zu rund einem Drittel ausgefördert, der Rest bleibt in den Gesteinsporen sitzen. Insofern wird in Zukunft nicht
nur die Suche nach neuen Feldern, sondern vor allem auch die nachhaltige Nutzung vorhandener Reserven an Bedeutung
gewinnen.
uk
INDUSTRIE & MÄRKTE
8 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Eine Alternative – aber kein Allheilmittel
Leasing | Zusatz-Dienstleistungen machen diese Finanzierungsform noch interessanter für den Mittelstand
VON DIETER W. HEUMANN
D
er Ertrag, nicht das Eigentum, an
einer Sache ist für den wirtschaftlichen Erfolg entscheidend, so der
amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin in
seinem Buch „Access – Das Verschwinden
des Eigentums“. In den Vereinigten Staaten
stehen nur etwa ein Drittel der Betriebsimmobilien im Eigentum der Unternehmen.
In Deutschland sind dagegen noch gut drei
Viertel als Aktiva in den Bilanzen der Unternehmen ausgewiesen. Dabei erfordert
gerade im deutschen Mittelstand die dünne Eigenkapitaldecke ein Überdenken der
Finanzstrukturen.
Die Lösung kann durchaus Leasing heißen, denn Leasing schont Liquidität sowie
Kreditlinien und sorgt für Bilanzneutralität. Viele deutsche Unternehmen haben
dies erkannt und Leasing mittlerweile zur
beliebtesten Finanzierungsform gemacht.
Das jährliche Neugeschäftsvolumen, der
Anschaffungswert der Objekte – Mobilien
und Immobilien –, über die im jeweiligen
Jahr neue Leasing-Verträge abgeschlossen
werden, hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen – von gut
2,8 Mrd. Euro in 1975 auf über 57,4 Mrd.
Euro im vergangenen Jahr, so der jüngste
Marktbericht des Münchner Ifo-Instituts.
Danach betrug die Wachstumsrate im Leasing-Geschäft 2007 9,5%. Die gute Stimmung hält an. Nach Friedhelm Westebbe,
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL),
ist das erste Quartal 2008 „gut angelaufen“.
Die Branche verbuchte in den ersten drei
Monaten im Mobilien-Leasing ein Volumenplus in Höhe von 11,2%. Für das Gesamtjahr rechnet der Verband mit einem
„gut einstelligen Wachstum“. Derzeit werden in Deutschland insgesamt Wirtschaftsgüter im Wert von über 200 Mrd. Euro verleast.
Der Markt beobachtet einen Übergang
vom Investitionskredit zum Leasing. Selbst
Branchen wie der konservative Maschinenbau, die früher ausnahmslos das klassische Kreditgeschäft für Finanzierungen
nutzten, gehen zunehmend zum Leasing
über. Die Leasing-Gesellschaften dürften
weiter auf der Überholspur bleiben und in
absehbarer Zeit mehr als die Hälfte der außenfinanzierten Investitionen der Unternehmen auf sich vereinigen. Gefördert
wird dieser Trend aber auch von den Banken selbst, die seit längerem erkannt haben, dass für Objektfinanzierungen im
Mittelstand und auch bei den begleitenden Dienstleistungen viel spezielles Knowhow und eine entsprechende Infrastruktur
benötigt werden. Sie haben dieses Geschäft daher an Tochterunternehmen im
Leasing-Sektor ausgegliedert.
Es gibt also viele Gründe, die Leasing
auch für kleine und mittlere Unternehmen
interessant machen. Besonders interessant
wird Leasing in Verbindung mit zusätzlichen Dienst- und Serviceleistungen, etwa
beim EDV-Leasing oder beim Flotten-Leasing, das heute teilweise bereits von Leasing-Gesellschaften bei zehn bis zwanzig
Fahrzeugen angeboten wird. Aber auch
beim Immobilien-Leasing zählen Planungs-, Projektsteuerungs- und FacilityManagement-Services zum Angebot.
Weit mehr als eine reine
Gebrauchsüberlassung
Barwert der Leasingraten
als Vergleichsmaßstab
Das Leasing ist artverwandt mit dem Mieten. Der klassische Unterschied zum Mietvertrag besteht aber darin, dass der Leasing-Vertrag Elemente enthält, die über
eine reine Gebrauchsüberlassung des Gegenstands hinausgehen. Der Leasing-Nehmer übernimmt in der Regel zusätzliche
Pflichten. So ist er zum Beispiel verantwortlich für Wartungs- oder Instandsetzungsleistungen, Reparaturen oder Versicherungen. Für den Leasing-Gegenstand,
den der Leasing-Geber dem Leasing-Nehmer zur Nutzung überlässt, zahlt der Leasing-Nehmer eine monatliche LeasingRate. In der Regel bleibt der Leasing-Geber
rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasing-Gutes und nimmt den
Gegenstand in seine Bilanz auf. Nach Ablauf des Leasing-Vertrags erhält der Leasing-Geber den Gegenstand zurück. Dieser
kann dann aber auch vom Leasing-Nehmer käuflich erworben werden.
Zwar sind Leasing-Gesellschaften grundsätzlich nicht bereit, höhere Risiken als Kreditinstitute einzugehen. Doch haben sie
diesen gegenüber gewisse Vorteile, die sich
auch auf das Vergabeverhalten und auf die
Preisgestaltung auswirken. Da Eigentümer
der verleasten Gegenstände die LeasingGesellschaft bleibt, hat sie im Falle der Insolvenz des Leasing-Nehmers bevorzugten
Zugriff auf ihr Eigentum. Banken müssen
sich im Falle eines ungesicherten Kredits
dagegen in die Gläubigerschlange einreihen und ihre Forderungen möglicherweise
abschreiben.
Wenn es in vielen Fällen günstiger ist,
ein Objekt zu leasen und es voll nutzen zu
Dennoch ist Leasing kein Allheilmittel für
jeden Zweck und jedes Unternehmen. Eine
Menge von Punkten sind zu beachten, von
denen hier nur einige wichtige genannt
seien: Zunächst sollten die Leasing-Kosten
mit denen eines Bankkredits verglichen
werden. Erscheint Leasing günstiger, ist es
unumgänglich, Angebote mehrerer Leasing-Gesellschaften einzuholen. Unterschiede verschiedener Leasing-Angebote
liegen häufig in der Vertragslaufzeit und im
Restwert. Um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Angebote zu ermöglichen,
sollte der Barwert der jeweiligen LeasingRaten ermittelt werden. Zudem ist es sinnvoll, beim Vergleich der Leasing-Raten verschiedener Anbieter die Zusammensetzung aufzuschlüsseln. Die Leistungsfähigkeit des Leasing-Gebers kann durch Referenzen überprüft werden – umgekehrt wird
der Leasing-Geber die Bonität des LeasingNehmers vor Vertragsabschluss überprüfen. Sichergestellt werden sollte seitens des
Leasing-Nehmers, dass das Leasing-Objekt
nicht zur Haftungsmasse der Leasing-Gesellschaft gehört. Gerät der Leasing-Geber
in Konkurs, muss der Leasing-Nehmer das
Objekt unter Umständen abtreten. Das beeinträchtigt den Produktions- oder Geschäftsablauf. Besonders wichtig ist es für
den potenziellen Leasing-Nehmer, möglichst realistisch abzuschätzen, wie lange
die Investition im Unternehmen genutzt
werden soll. Die Vertragslaufzeit sollte mit
der Nutzungsdauer der Investition möglichst übereinstimmen, damit der die Liquidität schonende Aspekt voll genutzt
werden kann.
In Deutschland setzen noch immer viele Unternehmen auf das tatsächliche Eigentum ihrer industriellen Anlagen – in den
USA baut man eher auf den Besitz, zum Beispiel in Form von Leasing.
Foto: Bilderbox
können, warum sollte man es dann teuer
kaufen? Möchte zum Beispiel ein neu gegründetes Unternehmen eine EDV-Anlage
leasen, so geht es zunächst selbst am
Markt auf Suche. Ist es fündig geworden,
wird versucht, Rabatte, Skonti und Vergünstigungen auszuhandeln. Danach wird ein
Leasing-Vertrag über das gefundene Objekt mit einer Leasing-Gesellschaft abgeschlossen. Sobald die EDV-Anlage beim
Unternehmen eingetroffen ist, beginnt die
Laufzeit des Leasing-Vertrags. Die LeasingGesellschaft begleicht die Rechnung und
wird so Eigentümerin der EDV-Anlage.
Diese wird dem Unternehmen dann – gegen Zahlung der vereinbarten Leasing-Raten – zur Nutzung zur Verfügung gestellt.
Geleast werden kann heute nahezu alles –
von der Laboreinrichtung über Maschinen,
Firmenwagen beziehungsweise ganze Auto-
14. Datev-Kongress | Trends in der IuK-Technologie
D
ter, Lehrstuhlinhaber für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität
München, spannen. Auf einem weitaus
sichereren Boden bewegt sich der Zukunftsforscher Lars Thomsen. Er wird
auf dem Kongress Szenarien der kommenden zehn Jahre beleuchten: Megatrends, Chancen aber auch Gefahren für
die Gesellschaft, die Unternehmen und
für jeden Einzelnen.
Dominieren werden natürlich die Themen für die Steuerberater, Rechtsanwälte
und Wirtschaftsprüfer. Etwa für die Wirtschafsprüfer das Thema „Die Zukunft des
nationalen Handelsbilanzrechts“ oder für
die Rechtsanwälte ein Referat zur Fragestellung „Wie sehen Rechtsanwälte ihre
Zukunft? – Ergebnisse empirischer Untersuchungen“.
Flankiert wird der Kongress durch eine
Ausstellung unter der Überschrift „Software, Service und Wissen“ von Datev. Die
Datev sieht sich aus ihrem Know-how heraus als ein führender Dienstleister der
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und
Rechtsanwälte.
Am 25. und 26. September 2008 findet im Nürnberger Messezentrum der 14. Datev-Kongress statt, diesmal unter dem Motto „Zukunft gestalten. Gemeinsam“.
„Bilanzneutralität“ von Leasing-Geschäften verbessert zudem wichtige Bilanzrelationen – vor allem die Eigenkapitalquote,
die bei einem Bankkredit nicht nur das
obligatorische Rating begünstigt, sondern
auch den verschärften Vorschriften nach
Basel II entsprechen muss.
Die Motive, Leasing zu nutzen, sind also
vielfältig: Nach einer Umfrage von TNS Infratest für den BDL unter mehr als Tausend Unternehmen in Deutschland wurden diese auch gefragt, weshalb sie leasen.
Das häufigste Argument ist bereits oben
genannt worden – nämlich, dass Kosten
beim Leasing gleichmäßig und genau
kalkulierbar seien. Als zweitwichtigster
Punkt zählte für die befragten LeasingNutzer, dass die Betriebsausstattung
dank Leasing stets auf dem neuesten
Stand zu halten sei.
Die Zukunft von Private Equity
Herausforderungen gestalten
er am 25. und 26. September 2008
im Nürnberger Messezentrum
stattfindende Kongress der Datev
für die Beratungspraxis basiert inzwischen
auf einer langen Tradition und hat somit
bundesweit eine gute Reputation. Unter
dem Motto „Zukunft gestalten.Gemeinsam“ wird sich diesmal der Kongress vor
allem mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Neben aktuellen Wirtschafts- und Steuerthemen werden Trends
im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie aufgezeigt.
In vielen zielgruppenspezifischen Fachreferaten werden namhafte Referenten die
Zukunftsaussichten behandeln. Aber auch
die ethische Verantwortung wird auf dem
Kongress eine Rolle spielen. So spricht
Prof. Dr. Herrmann von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
über den Wertewandel in Ethik und Recht
der freien Berufe.
Einen sehr weiten und vielleicht auch
ungewöhnlichen Bogen im Zusammenhang mit dem Motto „Zukunft gestalten.Gemeinsam“ wird Prof. Dr. Ulrich Wal-
flotten oder IT-Zubehör bis hin zum Diamanten-Collier, so ein Kenner des Geschäfts.
Leasing ermöglicht – gerade auch für
mittelständische Unternehmen – ohne üppige Eigenkapitalausstattung Investitionen
ohne den Einsatz von Eigenmitteln. In seiner Wirkung ist es mit einer 100%igen
Fremdfinanzierung vergleichbar. Aber welche Bank finanziert zu 100%? Zudem müssen, um einen Gegenstand zu leasen, keine
Sicherheiten hinterlegt werden. Die Leasing-Raten können die Unternehmen aus
den Erträgen des Investitionsobjekts zahlen. Die Kosten sind über die gesamte
Grundmietzeit fest vereinbart und kalkulierbar. Dadurch schont Leasing die Liquidität, bewirkt, dass bestehende Kreditlinien nicht ausgenutzt werden müssen und
führt letztlich zur Ausweitung des unternehmerischen Handlungsspielraums. Die
Kampf gegen die Widrigkeiten des Kapitalmarktes | Renditen in Europa konnten stabil gehalten werden
D
ie nationalen wie internationalen
Private-Equity-Gesellschaften kämpfen noch immer mit den Widrigkeiten des Kapitalmarktes. Abzulesen ist
dies an ihren eigenen Kursverläufen. Nicht
zuletzt die Übernahmeversuche von Continental durch das Familienunternehmen
INA-Schaeffler zeigen, wo momentan das
Geld sitzt: Private-Equity-Unternehmen
scheinen derzeit nicht in der Lage zu sein,
einen Dax-Fisch wie Continental zu
schlucken.
So machte sich die European Private
Equity & Venture Capital Association
(EVCA) bei ihrer Jahrestagung in Madrid
bei ihrem 25. Jahressymposium Gedanken
über die Zukunft der Branche. Unter „Global Scenarios for Private Equity and Venture Capital“ wurden mögliche Zukunftsperspektiven der Branche unter Berücksichtigung branchenspezifischer, makroökonomischer und politischer Faktoren beleuchtet. Als Grund für die langfristige Untersuchung gab Javier Echarri, Generalsekretär
der EVCA, an, dass Fonds beispielsweise
auf mindestens zehn Jahre angelegt würden. „Dies macht eine strategische Planung für alle aktiven Teilhaber unverzichtbar“, so Echarri. Heraus kamen dabei vier
Szenarien, die von „Three Towers“ über
„Gulfstream“ und „Trading Up“ bis „Going
East“ reichen. Die drei Türme umschreiben dabei das Zerbrechen der globalen
wirtschaftlichen Integration in drei regionale Blocks, innerhalb derer aber Handel
und Investitionen weiterhin florieren und
Private Equity als maßgeblicher Lösungsbestandteil für die Probleme des öffentlichen Marktes betrachtet wird. Beim Golfstrom konzentrieren sich Handel und Investitionen vor allem auf die wohlhabenden
Nationen und die wichtigsten Schwellenländer, Venture Capital (VC) profitiert hier
vor allem von der zunehmenden Innovationsfreudigkeit und dem verstärkten Austausch von Ideen. Szenario Nummer drei,
Trading Up, ist gekennzeichnet durch ein
florierendes multilaterales Handelssystem
aufgrund starker institutioneller Unterstützung. Eine tragende Rolle spielen dabei
Staatsfonds, gerade bei der Finanzierung
von F&E. VC entwickelt sich auf dieser Basis in Europa sehr positiv, eventuell steht es
aufgrund politischem Einverständnis auch
Einzelpersonen frei, mit persönlichen Pensionsrücklagen in Private Equity zu investieren. Im Going East-Szenario übernehmen China und Indien die Führungsrolle,
während europäische Entscheidungsträger
die öffentlichen Kapitalmärkte präferieren,
Akzeptanz von Beteiligungskapital habe sich
auch bei traditionsbewussten Familienunternehmen merklich erhöht. So expandiert
Hannover Finanz fleißig und legt auch neue
Fonds auf. Insgesamt erwirtschafteten die
beteiligten Unternehmen 2007 einen Umsatz von 3,4 Mrd. Euro. In diesem Jahr konnte Hannover Finanz zum Beispiel 70% des
traditionsreichen Gießerei-Unternehmens
Industrie Holding Isselburg GmbH (IHI)
übernehmen und damit den Fortbestand
des Unternehmens im Sinne einer Nachfolgeregelung sichern. Zum Portfolio von Hannover Finanz zählen das sehr erfolgreiche
Solarunternehmen Aleo Solar AG, die Köhler
Automobiltechnik GmbH oder die Runners
Point Warenhandelsgesellschaft mbH.
Minderheitsbeteiligungen
im öffentlichen Interesse
Das Bild der Heuschrecke, die sich die besten Börsenunternehmen sucht, hat ja
noch nie gepasst. Momentan ist es aber völlig unzeitgemäß, denn das große Geld
für spektakuläre Übernahmen sitzt nicht bei Private-Equity-Firmen. Foto: Bilderbox
der Schwerpunkt für Venture Capital allerdings verschiebt sich deutlich in den Osten.
Alle Szenarien geben sich also optimistisch
für Private Equity.
Konkret auf das vergangene Jahr zurück
geblickt, konnten die Renditen beim europäischen Beteiligungskapital zumindest
stabil gehalten werden. So sind die Nettoerträge von 1980 bis 2007 um insgesamt
11,8% gestiegen. Wie der Blick auf einige –
exemplarische – Geschäftszahlen beweist,
sehen die Unternehmen mit Optimismus
in die Zukunft.
Die Deutsche Beteiligungs AG, Frankfurt, konnte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2008 (30.4.) den Fehlbetrag
aus dem ersten wieder auffangen und mit
einem Quartals-Konzernüberschuss von
24,5 Mio. Euro ein Halbjahresergebnis von
2,9 Mio. Euro erzielen. Insgesamt lagen die
Bewertungsverhältnisse an den Aktienbörsen zum Bewertungsstichtag am 30. April
deutlich niedriger als zu Beginn des Geschäftsjahres am 1. November 2007. Dies
konnte jedoch durch höhere Erträge und
eine niedrigere Verschuldung der Beteiligungsunternehmen ausgeglichen werden.
Für das Gesamt-Geschäftsjahr gibt sich
Vorstandssprecher Wilken von Hodenberg
dennoch optimistisch, sowohl „das Port-
folio um viel versprechende Unternehmen
zu ergänzen, aber auch für die Weiterentwicklung des Portfolios“. Für das gesamte
Geschäftsjahr geht von Hodenberg außerdem davon aus, ein positives Ergebnis zu
erwirtschaften. Im Portfolio der Deutschen
Beteiligungs AG befinden sich derzeit etwa
die Homag Group AG aus Schopfloch, die
Lewa GmbH aus Leonberg oder die Dr.
Vogler-Gruppe aus Bad Homburg.
Die Hannover Finanz GmbH aus der Niedersächsischen Landeshauptstadt konnte
das Jahr 2007 sogar mit einem sehr guten
Ergebnis abschließen und profitierte eher
noch von den Verwerfungen der SubprimeKrise. Der auf den Mittelstand fokussierte
Finanzierer nutzte dabei die hohen Preise
am Private-Equity-Markt für Verkäufe. „Wir
wollen lieber einen stetigen Renditefluss
zwischen 15% und 20% für unsere Investoren erreichen als auf jeder Superwelle mitreiten“, so der Vorstandsvorsitzende Albrecht Hertz-Eichenrode. „Wir sind auch
Ende der 90er Jahre gut damit gefahren, uns
nicht vom Internet-Hype verführen zu lassen. Wir lagen in der Mitte immer goldrichtig“, erinnerte Hertz-Eichenrode.
Noch immer erreichten die Hannover Finanz qualifizierte Anfragen von inhabergeführten Unternehmen in großer Zahl. Die
Dass gerade die mittelständischen Beteiligungsunternehmen und hier wiederum
die öffentlich geförderten Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer weiterhin
gut aufgestellt sind, macht eine vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) herausgegebene Statistik deutlich. Demnach investierten
diese Gesellschaften seit ihrem Bestehen
mehr als 3 Mrd. Euro in fast 10 000 kleinere und mittelgroße Unternehmen – allein
in den letzten zehn Jahren 1,7 Mrd. Euro.
Die Investitionen fließen dabei zum größten Teil in Form von stillen Beteiligungen,
die öffentlich geförderten Gesellschaften
streben keine Mehrheitsbeteiligung an. Auf
dem Höhepunkt im Jahr 2002 investierten
diese Institute insgesamt 193,9 Mio. Euro.
Seit dem Bruch 2003, als nur noch 155,1
Mio. Euro investiert wurden, kletterte das
Volumen wieder an und hält sich inzwischen bei 175,5 Mio. Euro (2007). Angeführt werden diese Investitionen von der
MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft in Stuttgart mit 38,8 Mio. Euro und der
BayBG in München mit 35,6 Mio. Euro.
Ein Jubiläum feierte Barclays Private
Equity in München, denn das Unternehmen mit Hauptsitz in London ist seit zehn
Jahren in Deutschland präsent. Seit 1998
hat Barclays in Deutschland mehr als 2,8
Mrd. Euro investiert und über 35 Transaktionen abgeschlossen. Der Fokus von Barclays liegt auf dem mehrheitlichen Erwerb
von mittelständischen Unternehmen mit
einem Umsatzvolumen zwischen 50 Mio.
und 500 Mio. Euro. Zu den erfolgreichsten
Transaktionen zählt Barclays diejenigen von
Minimax, Buch & Kunst sowie der Tuja
Group.
uk
FINANZEN & BÖRSE
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
9
(Un)liebsame Investoren
Viele neue Filialen
Zweit-Depot
Absage an die Kostenlos-Welle
Die Wirtschaft ist vom neuen Außenwirtschaftsgesetz wenig begeistert. Die Unternehmen sehen
weniger Gefahren als die Politik.
Seite 10
Die österreichische Oberbank setzt ihren Expansionskurs ungebremst fort. Im Fokus stehen Firmen- und gehobene Privatkunden.
Seite 10
Ein Zweit-Depot schafft Klarheit bei der Abgeltungssteuer: Gastbeitrag von Lothar Behrens,
Vorstand der Augsburger Aktienbank.
Seite 11
Die baden-württembergischen Sparkassen wollen den Preiskampf nicht mitmachen und setzen
auf Qualitätswettbewerb – mit Erfolg.
Seite 11
Die Konsolidierung nimmt Fahrt auf
KOMMENTAR.
Die Börse hängt am Öltropf
Deutsche Banken | Ein zweiter nationaler Champion
VON ELWINE HAPP-FRANK
L
ange angekündigt war sie ja, die Konsolidierungswelle in der Bankenlandschaft. Jetzt scheint sie tatsächlich zu
kommen. Nachdem schon die SachsenLB
von der LBBW, die deutsche Citibank von
der französischen Crédit Mutuel und die
IKB von Lone Star übernommen wurden,
steht jetzt eine weitere große Transaktion
an. Mit der Übernahme der Dresdner Bank
durch die Commerzbank entsteht ein
zweiter großer Champion neben der Deutschen Bank. Ein Sondergutachten des
Sachverständigenrats zur Situation des
deutschen Finanzsystems hat aber kürzlich festgestellt, dass die deutschen Banken
im internationalen Vergleich immer noch
recht klein sind. Deshalb sind weitere Zusammenschlüsse zu erwarten.
Ursache für die Bewegung in der deutschen Bankenlandschaft ist die Finanzkrise. Auch der Verkauf der Dresdner Bank
durch die Allianz erfolgt vor diesem Hintergrund. Dabei war bis zuletzt die China
Development Bank (CDB) im Rennen. Beide Lösungen – sowohl der Commerzbankals auch der CDB-Deal – haben aus Sicht
der Politik Nachteile. Während mit den
Chinesen ein „Fremder“ Zutritt zum deutschen Finanzplatz bekommen hätte, droht
nun bei der Commerzbank-Übernahme
eine hohe Zahl von Entlassungen.
Für die China Development Bank hätte die Übernahme der Dresdner Bank einen reizvollen Eintritt in den deutschen
Markt bedeutet. Doch die Tatsache, dass
Durch die Übernahme der Dresdner Bank wird die Commerzbank zweite im Bankenmarkt hinter der Deutschen Bank. Besteht für die größte deutsche Bank
Handlungsbedarf?
Foto: Markus Goetzke/Commerzbank
die deutsche Bankenlandschaft stark
fragmentiert ist, hat sowohl lockende als
auch abschreckende Wirkung, heißt es
im Bankenbarometer 2008 der Unternehmensberatung Ernst & Young. Da
bisher keine marktbeherrschende Stellung existiert, scheint die Rolle des dominanten Marktführers noch zu besetzen zu sein. Andererseits wird eine solche Position nicht durch den Erwerb eines entsprechenden Instituts ermöglicht, sondern bedarf anderer, zusätzlicher Maßnahmen, meint Ernst & Young.
Ausländische Anbieter treffen aber auch
auf ein Marktumfeld, in dem bereits ein
intensiver Verdrängungswettbewerb im
Privatkundensegment herrscht, das für
die meisten Institute wesentlich ist.
Chinesen auf dem Vormarsch
Gerade die chinesischen Banken haben im
internationalen Maßstab in jüngster Zeit
aufgeholt. Die Finanzkrise hat die Rangfolge der weltweit größten Institute – gemessen an der Marktkapitalisierung – kräftig durcheinander gewirbelt und zu deutli-
chen Rangverlusten bei der Citigroup und
der UBS geführt, während gleichzeitig chinesische Banken unter die ersten 20 der
Welt vorstoßen konnten. Jedoch erscheinen deutsche Banken nach wie vor nicht
auf den vorderen Plätzen, schreibt der
Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten.
Im Inland ist die Deutsche Bank unangefochtener Branchenprimus. Allerdings
gibt es durch die Dresdner-Übernahme
nun eine neue Ausgangslage. Damit
kommt die Commerzbank nahe an die
Deutsche Bank heran, was die Börsenkapitalisierung betrifft. Bei der Anzahl der
Privat- und Firmenkunden könnte das
fusionierte Duo die Nase sogar leicht
vorn haben. Das dürfte den Druck auf
die Deutsche Bank erhöhen, in Sachen
Postbank vielleicht doch noch zu einem
Abschluss zu kommen. Die Gespräche,
die sich wohl schon in einem sehr fortgeschrittenen Stadium befanden, scheinen ins Stocken gekommen zu sein.
Grund dürfte der gesunkene Aktienkurs
der Postbank sein, der den Verkauf derzeit für die Post unattraktiv macht.
Hoher Druck zur Konsolidierung lastet
auch auf den Landesbanken, die mehr als
alle Bankengruppen in die Falle der Finanzkrise getappt sind. Dabei spielt weniger das Drei-Säulen-System, das immer als
„Problem“ des deutschen Bankenmarktes
deklariert wird, eine Rolle. Denn die damit
einhergehende Fragmentierung ist gar
nicht so groß, meinen die sieben „Weisen“.
Würden die Verbünde der Sparkassen und
VON ANDRÉ WILL-LAUDIEN*
der Genossenschaften als Konzern betrachtet, würde sich die rechnerische Konzentration stark erhöhen. Der deutsche
Bankenmarkt könnte dann sogar als sehr
konzentriert angesehen werden.
Kritisch werden vielmehr die hohen Verluste im Zuge der Finanzmarktkrise gesehen, die von der öffentlichen Hand oder
von den Sparkassen getragen werden müssen. Bis Mai 2008 wurden Abschreibungen
in Höhe von 21 Mrd. US-Dollar bekannt.
Damit hat diese Bankengruppe, die einen
Anteil von 21% nach Bilanzsumme am
deutschen Bankenmarkt hat, 43% der Verluste angehäuft.
Das bedeutet aber nicht, dass die Landesbanken generell zu risikofreudig agiert
haben. Einige stehen sogar besser da als
die Großbanken. Dennoch zieht das Sondergutachten den eindeutigen Schluss,
dass „grundlegende Reformen unumgänglich sind“. Für ein Nebeneinander mehrerer öffentlich-rechtlicher Großbanken, denen teilweise ein klares Geschäftsmodell
fehlt, „kann es keine Rechtfertigung geben“.
Aus Sicht der Wirtschaftspolitik besteht
aber kein Anlass, die Strukturen – mit Ausnahme der Landesbanken – grundsätzlich
in Frage zu stellen. Denn mit den Sparkassen und Kreditgenossenschaften sowie einer Reihe von Regionalbanken und ausländischen Instituten verfügt das deutsche
Finanzsystem über eine stark ausgeprägt
dezentrale Struktur, die sich in der aktuellen Krise als stabilisierender Faktor erwiesen hat.
Kreditverbriefungen bleiben wichtig
Interview | Jürgen Fitschen, Mitglied des Group Executive Committee und Vorsitzender des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank
WirtschaftsKurier: Herr Fitschen, der Verkauf der IKB an den amerikanischen Investor Lone Star ist perfekt. Aber es haJürgen Fitschen, Mitglied des Group
gelt – vor allem aus dem Lager der PoliExecutive Committee der Deutschen
tik – Kritik.Waren der Verkauf zum jetziBank.
Foto: Deutsche Bank
gen Zeitpunkt und der Verkaufspreis
eine Fehlentscheidung? Oder sollte man
Konsumnachfrage – keinen Ausgleich.
froh sein, die Bank endlich los zu sein?
Zudem nimmt die InvestitionsgüternachJürgen Fitschen: Schlimm ist stets eine
frage nicht mehr zu. Die Aktivitäten des
Hängepartie. Kunden und Mitarbeiter
Staates sind ohnehin schwach, da die fiwollen Klarheit haben. Der Wert des Insnanziellen Mittel fehlen. Das vorhandene
Geld muss für die Haushaltskonsolidietituts hätte sich nicht zwangsläufig erhöht, wenn die Entscheidung vertagt
rung verwandt werden – daran wird der
worden wäre. Die Frage, die sich – geraFinanzminister gemessen. Konjunkturde für ein Private-Equity-Unternehmen
programme des Staates sind schon aufgrund seiner finanziellen Situation nicht
– stellt, lautet: Was kann man aus der
IKB machen? Wie ist es möglich, einen
verantwortbar. Wir rechnen zwar nicht
Mehrwert zu schaffen?
mit einem wirtschaftlichen Einbruch in
WiKu: Neue Hiobsbotschaften zu ameriDeutschland. Aber die Wachstumsrate
kanischen Instituten sorgten jüngst
dürfte im kommenden Jahr auf 0,8% zuwieder für neue Unsicherheit. Ein amerückgehen bei 2,2% Preissteigerung. Die
rikanischer Experte sieht die größten
Preise für Rohstoffe und Energie werden
hoch bleiben – mit Folgen für andere
Schwierigkeiten noch vor uns und rechProdukte.
net mit dem Zusammenbruch einer
WiKu: Müssen sich Mitgroßen US-Geschäftsbank: Panikmache oder
„Die hohen Volatili- telständler auf Verteuerungen beim Zins einsteckt mehr hinter der
täten bereiten vielen stellen?
Aussage?
Fitschen: Die Situation Unternehmen Prob- Fitschen: Ich erkenne
keine Tendenzen,
bleibt angespannt. Da
leme. Deshalb sind derzeit
dass sich das generelle
wird man immer wieder
unsere AbsicheZinsniveau reduzieren
Botschaften vernehmen,
wird. Ich sehe im Modie Anlass zum Nachrungsprodukte
ment ein stabiles Zinsnidenken geben. Dass
noch ein großer Unfall besonders gefragt.“ veau, mit dem wir eine
Weile leben müssen. Refipassieren wird, kann ich
nanzieren sich die Banken am Kapital– nach meinen Informationen – nicht semarkt, dann müssen sie – als Folge der
hen, aber auch nicht ausschließen.
Finanzkrise – höhere Kosten zahlen. In
WiKu: Wagen Sie eine Prognose hinsichtdem Maße, wie sich die Refinanzielich des Fortgangs der Krise?
rungskosten erhöhen, spürt der Kunde
Fitschen: Wichtig ist, dass man zur Noreine Verteuerung. Die Bank hat damit
malität an den Märkten zurückfindet
und dass das Interbankengeschäft wieaber noch nicht mehr verdient. Ihre Marge
der nach den alten Kriterien läuft. Ich
hat sich insgesamt nicht verbessert; das
bin zuversichtlich, dass wir dies im Lauverhindert der kräftige Wettbewerb der
fe des Jahres 2009 erreichen werden.
Banken untereinander.
WiKu: Wie sehen Sie die konjunkturelle
WiKu: Welche Angebote werden von den
Situation in Deutschland?
Mittelständlern am meisten nachgeFitschen: Die Exporte schwächen sich befragt?
reits ab. Die Binnenwirtschaft schafft –
Fitschen: Die derzeit hohen Volatilitäten
vor allem aufgrund der unbefriedigenden
am Markt bereiten vielen Unternehmen
Probleme. Sie müssen die Rohstoffpreise
langfristig unter Kontrolle haben können. Folglich ist die Nachfrage nach unseren Absicherungsprodukten sehr
hoch. Ein anderes Problem ist für den
Kunden der Zahlungsverkehr. Den
möchte er europaweit durch eine Bank
abwickeln lassen, sodass sich seine
Belastungen verringern. Wir haben viel
Zeit und Geld investiert, um dem Kunden ein System anbieten zu können,
dass es ihm ermöglicht, im bargeldlosen Zahlungsverkehr in Europa sehr
effiziente Lösungen zu nutzen. Ein
weiteres häufiges Thema ist die Nachfolge bei Familienunternehmen. Hier
können wir dem Kunden qualifizierte
Ansprechpartner anbieten, die bei diesem vielschichtigen Thema sowohl die
Unternehmensfinanzierung als auch
die private Vermögensplanung im
Blick behalten. Generell ist es unser
primäres Ziel, dem Kunden Dienstleistungen anzubieten, die ihm helfen, effizienter zu wirtschaften, Wachstum zu
erzielen und Risiken besser zu managen.
WiKu: Die Deutsche Bank betreibt das Geschäft der Verbriefung von Krediten intensiv. Geht es dabei eher um Großkredite oder auch um Kredite von Mittelständlern?
Fitschen: Wir haben die Losgrößen bei
Schuldscheindarlehen weit nach unten verschoben, um auch kleineren
Mittelständlern Zugang zum Kapitalmarkt bieten zu können. Verbriefungen ermöglichen es uns, Mittelständler
in den Genuss langfristiger Finanzierungen zu attraktiven Konditionen zu
bringen.
WiKu: Und welche Vorteile haben Kreditverbriefungen für die Banken?
Fitschen: Wenn eine Bank einen Kredit gewährt, muss sie ihn mit Eigenkapital unterlegen. Werden Kredite oder Kreditrisiken verbrieft und am Markt platziert, so
wird Eigenkapital frei. Damit können
neue Ausleihungen unterlegt werden.
Kreditverbriefungen ermöglichen Wachstum, ohne das Eigenkapital anpassen zu
müssen.
WiKu: Können Kunden bei Kreditverbriefungen unliebsame Überraschungen erleben – wie bei Kreditverkäufen?
Fitschen: Häufig werden gar nicht die Kredite, sondern nur Kreditrisiken verbrieft. Aber auch bei der Verbriefung
von Krediten übernimmt die veräußernde Bank in der Regel im Rahmen
eines so genannten „Service-Agreements“ für die Investoren die Verwaltung der Kredite. Der Kreditnehmer
leistet seine Zins- und Tilgungszahlun-
gen also weiter an die Bank, die ihm
den Kredit gewährt hat. Die KundeBank-Verbindung besteht weiter. Da
gibt es keine Überraschungen.
WiKu: Angesichts der Flaute an den Kapitalmärkten herrscht Zurückhaltung bei
verbrieften Kreditportfolios?
Fitschen: Das ist richtig. Alle strukturierten
Produkte werden heute anders gesehen
als noch vor einem Jahr. Das macht es
auch für mittelständische Unternehmen
schwieriger, an die angesprochenen
wichtigen langfristigen Finanzierungen
zu kommen.
WiKu: Aber das Verbriefungsgeschäft
bleibt bedeutungsvoll für Ihr Haus?
Fitschen: Auf alle Fälle. Es wäre eine Tragik, wenn ein Instrument, das Risiken
grundsätzlich besser managen hilft,
über alle Asset-Klassen hinweg langfristig in Verruf kommen würde. Im
Subprime-Geschäft wurden zweifellos viele Fehler gemacht. Aber das
Mittelstandsgeschäft ist eben kein
Subprime-Geschäft. Das zugrunde
liegende Kreditgeschäft hat eine völlig
andere Qualität. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch auf Dauer Verbriefungen eine interessante Variante
bleiben, um Mittelständlern Zugang
zu langfristigen Finanzierungskonditionen zu ermöglichen.
tungen von bis zu 200 US-Dollar für ein
Fass Öl noch verstärkt.
Aktuell sind die Ölpreisnotierungen nach
steilem Aufwärtstrend wieder merklich gesunken. Daneben hat der breit gemischte
DJ-AIG Commodity Index mit Energie, Industrie- und Edelmetallen sowie Agrarrohstoffen ebenfalls deutlich an Wert verloren, während der Dax sich erholte. Damit bestätigt sich erneut, dass niedrige Ölund Rohstoffpreise die Phantasie und damit die Aktienkurse beflügeln.
Verstärkt wird diese Wechselwirkung
durch neue Anlageformen, die es nahezu
jedem Marktteilnehmer erlauben, flexibel
und zeitnah „das Pferd zu wechseln“.
Nach einem auslösenden Effekt, wie zum
Beispiel einer Missernte oder einer Naturkatastrophe, fließt in Erwartung einer baldigen Verknappung schneller und deutlich mehr Geld als in der Vergangenheit
aus herkömmlichen Aktien in Rohstoffe.
Zur aktuellen Börsensituation: Die
schlechten Nachrichten aus dem US-Bankensektor reißen nicht ab. Die präsentierten neuen Milliardenabschreibungen machen den Hoffnungsschimmer auf ein baldiges Ende der Finanzkrise zunichte. Das
Ausbleiben weiterer Hiobsbotschaften sollte niemanden veranlassen, schon jetzt
Entwarnung zu geben. Dies könnte
frühestens im Oktober, wenn die Zahlen
für das dritte Quartal eine Überwindung
der Krise nachweisen, möglich sein.
Aufgrund der schwachen Umsätze in den
Sommermonaten gehen wir zunächst von
einer schwankungsintensiven Seitwärtsbewegung aus. Halten Sie also das Pulver
noch trocken!
* André Will-Laudien ist Abteilungsleiter
des Investment Centers von
Reuschel & Co. Privatbankiers.
Die Abgeltungsteuer kommt:
Mit dem Augsburger Zusatz-Depot
machen Sie das Beste daraus
ot zum halb
p
e
D
s
e
g
ti
r
Vollwe
. + MWSt.
a
.
p
o
r
u
E
15,–
en Preis !
Durch die Kombination traditioneller Bankprodukte mit einem
umfassenden Wertpapierangebot, das von Aktien, Fonds bis hin zu
Zertifikaten reicht, bieten wir Ihnen die ideale Produktpalette, um
steueroptimiert das Beste aus der Abgeltungsteuer zu machen.
Unser Top-Zusatz-Depot in Verbindung mit unserem 4,0 % p. a.
Tagesgeld-Angebot als Parkplatz für Fondsinvestionen bringt Sie
in die Poolposition! Attraktive Konditionen sowie perfekten Service
in der Abwicklung schätzen unsere Kunden.
Ihr starker Partner für Geldanlage und Kredit. www.aab.de
IHR S TA R K ER PA R T NER !
www.Liquid.ag
I
m Prinzip gibt es keine Finanzierungsprobleme im Mittelstand, stellte Jürgen
Fitschen, Mitglied des Group Executive
Committee und Vorsitzender des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank, im Interview fest. Der Zins
bleibt stabil, doch das Verbriefungsgeschäft sollte sich wieder normalisieren, um
den Unternehmen attraktive Konditionen
zu ermöglichen. Das Gespräch führte Dieter W. Heumann, Mitarbeiter des WirtschaftsKurier.
Vor kurzer Zeit wurden die Börsen von
den Auswirkungen der Finanzkrise und
von Gewinnwarnungen erschüttert, worauf sich viele Anleger mit teils herben Verlusten aus Aktien zurückgezogen haben.
Dieser Pessimismus wurde durch Erwar-
FINANZEN & BÖRSE
10 WirtschaftsKurier
Fördervolumen steigt stark
NRW.Bank | Hohe Nachfrage nach Eigenprodukten
D
ie NRW.Bank hat im ersten Halbjahr 2008 eine deutliche Zunahme
bei den Fördermitteln verzeichnet.
Das Volumen erhöhte sich um 30% auf
jetzt 4,6 Mrd. Euro. Der Überschuss stieg in
diesem Zeitraum um 5,7% auf 66,7 Mio.
Euro, die anteilige Förderdividende um
48,6% auf 22 Mio. Euro. Das kommt den
Unternehmen, die Förderkredite erhalten,
direkt zugute. Denn mit Hilfe der Förderdividende vergünstigt die NRW.Bank ihre
Programme. Die NRW.Bank wird seit 1.
September 2008 von Dieter P. Binkowska
geleitet, dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse KölnBonn. Er trat
die Nachfolge von Ulrich Schröder an, der
zur KfW Bankengruppe wechselte.
Größter Posten des gesamten Neugeschäfts der NRW.Bank im ersten Halbjahr
war die Mittelstandsförderung mit 1,8 Mrd.
Euro, die um 24% über dem Vorjahreswert
lag. Diese Entwicklung sei wesentlich
durch den Anstieg des Neugeschäfts mit
eigenen Produkten geprägt, teilte die
NRW.Bank mit. Mit einem Volumen von 1,5
Mrd. Euro wurde hier eine Zunahme um
33% gegenüber dem Vorjahreshalbjahr erreicht. Hier wurden insbesondere der
NRW.Bank.Universalkredit und der NRW.
Bank.Mittelstandskredit stark nachgefragt.
Das Zusagevolumen im Bereich der Infrastruktur- und Kommunalförderung be-
trug Ende Juni 2008 1,7 Mrd. Euro und lag
damit um 75% über dem Vorjahr. Insbesondere die Produkte zur Kommunalförderung verzeichneten eine hohe Nachfrage. Die Ende 2007 neu eingeführten Produkte NRW.Bank.Kommunal Invest und
Kommunal Invest Plus hätten die Erwartungen übertroffen. Infrastrukturmaßnahmen wurden mit 373 Mio. Euro gefördert.
Im sozialen Wohnungsbau stieg das
Neugeschäftsvolumen im ersten Halbjahr
2008 um 24,6% auf 222,7 Mio. Euro. Für
diesen Geschäftsbereich ist innerhalb der
Förderbank die Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen (Wfa) zuständig, die in diesem Jahr 50 Jahre alt wird.
In dieser Zeit hat die Wfa von 8,5 Mio.
Wohnungen in NRW 3,8 Mio. mitfinanziert
– fast die Hälfte aller neu entstandenen
Wohnungen. Während angesichts wachsender Einkommensunterschiede in der
Gesellschaft die klassische soziale Wohnraumförderung mit zinsgünstigen Darlehen weiter aktuell bleibt, haben sich neue
Ansatzpunkte ergeben. Vor dem Hintergrund
des Klimawandels kommt Anreizen zur energetischen Gebäudesanierung eine höhere
Bedeutung zu. Auch die Schaffung von
barrierefreiem und seniorengerechtem
Wohnraum steht angesichts einer alternden Gesellschaft und sinkender Alterseinkommen verstärkt im Vordergrund.
hp
Viele neue Filialen
Oberbank | Unabhängigkeit ist oberste Maxime
O
berstes strategisches Ziel der österreichischen Oberbank ist die Unabhängigkeit. Das Institut mit Hauptsitz in Linz sah sich vor dem Hintergrund
der von UniCredit angekündigten Absicht,
ihre Anteile zu verkaufen, genötigt, das zu
unterstreichen. „Das Wichtigste ist, dass die
Selbstständigkeit gewahrt bleibt“, sagte
Franz Gasselsberger, Generaldirektor der
Oberbank, bei der Vorstellung der Halbjahres-Ergebnisse in München.
UniCredit hält eine Beteiligung von 32,8%
an der Oberbank. Die Italiener sind damit
die größten Anteilseigner. Nachdem mit einer Reihe weiterer Großaktionäre eine Syndikatsvereinbarung besteht, sieht die Oberbank ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet.
Dazu zählen die Bank für Tirol und Vorarlberg AG (18,61%), die BKS Bank AG (18,62%)
sowie die Wüstenrot Wohnungswirtschaft
GenmbH (5,16%). Die Oberbank ist nach
eigenen Angaben in den Verkaufsprozess
der Anteile, die UniCredit hält, eingebunden. „Wir sehen in neuen Aktionären auch
neue Chancen und stehen einem potenziellen Aktionärswechsel grundsätzlich positiv
gegenüber“, sagte Gasselsberger.
Der Verkauf der Anteile erfolgt vor dem
Hintergrund einer soliden Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2008. Die Bilanzsumme stieg um 5,1% auf 14,8 Mrd.
Euro. Das Kreditvolumen erhöhte sich um
6,5% auf 9,3 Mrd. Euro, die Primäreinlagen um 10,3% auf 9,2 Mrd. Euro und das
Kundenvermögen um 2,8% auf 16,8 Mrd.
Euro. Der Überschuss nach Steuern betrug
im ersten Halbjahr 52,7 Mio. Euro, das sind
5,8% mehr als im Vorjahreszeitraum.
Die Oberbank setzt in diesem Jahr ihre
Expansionspolitik weiter fort. Seit Mitte
2007 wurden acht Filialen eröffnet, sodass es jetzt 126 Bankstellen gibt. Die Belegschaft erhöhte sich in diesem Zeitraum um 124 auf jetzt 2 133 Mitarbeiter.
Franz Gasselsberger, Generaldirektor
der Oberbank: „Wir sehen in neuen Aktionären auch neue Chancen.“
Pro Jahr will die Oberbank sechs bis acht
neue Filialen eröffnen. In diesem Jahr
stehen zwei Neueröffnungen in Bayern,
zwei in Tschechien, drei in Ungarn und
eine in Österreich, nämlich in Wien-Hietzing, auf der Agenda.
Gasselsberger unterstrich die solide Finanzsituation der Oberbank. Die Eigenmittel-Quote lag Ende Juni 2008 bei 13,8%.
Die günstige Risikosituation habe einen
Abbau der Vorsorge um 6% auf 31,3 Mio.
Euro erlaubt. Die Risk/Earning-Ratio
konnte um 2,6% auf 22,4% verbessert werden. Die Cost-Income-Ratio lag trotz der
vielen Neueröffnungen bei 53,5%. Der Return on Equity nach Steuern stieg leicht
von 11,8% auf jetzt 11,9%.
Für das Gesamtjahr hat sich die Oberbank zum Ziel gesetzt, das Vorjahresergebnis zu erreichen beziehungsweise leicht zu
übertreffen. Bis 2012 soll die Anzahl der Filialen auf 150 erhöht werden.
hp
Erst in zwei Jahren profitabel
IKB | Keine Arbeitsplatzgarantie von Lone Star
D
ie Rettung der Mittelstandsbank
IKB kostet 10,7 Mrd. Euro. 86% dieses Aufwandes tragen die staatseigene KfW und der Bund und somit der
Steuerzahler. Die Summe kann sich noch
erhöhen, denn die KfW hat beim Verkauf
der Bank an den amerikanischen Finanzinvestor Lone Star weitere Risiken der IKB
übernommen. Dass diese wahrscheinlich
auch eintreten, beweist die Vorsorge der
Bundesregierung. Sie hat im Zuge des Verkaufs erneut 600 Mio. Euro abgesichert.
Der Verkaufserlös ist nur bescheiden.
Der offizielle Sprachgebrauch von KfWSprecher Wolfgang Kroh: „Ein niedriger
dreistelliger Millionenbetrag, die Erwartungen an die Höhe des Kaufpreises haben sich nicht erfüllt.“ Erhofft hatte Bundesfinanzminister Steinbrück 800 Mio.
Euro, herausgekommen sind aber nur 137
Mio. Euro.
Trotzdem will Karsten von Köller,
Deutschland-Chef von Lone Star, nicht
von einem „Schnäppchen“ reden. Er
rechnet damit, dass die IKB erst in zwei
Jahren wieder schwarze Zahlen schreibt.
Der Finanzinvestor gibt deshalb auch
keine Arbeitsplatz-Garantie ab. Von den
heute 1 750 Mitarbeitern der IKB werden
wohl eine ganze Menge ihren Arbeitsplatz verlieren, damit die Bank wieder
rentabel wird. Zunächst muss Lone Star
425 Mio. Euro für eine Kapitalstärkung und
den Ausbau des Geschäftes einbringen.
Die Refinanzierung für die Bank wird nicht
einfach. Denn die Ratingagenturen werden
die IKB herunterstufen, nachdem ihr nun
nicht mehr die Staatsbank KfW den Rücken stärkt.
Von Köller verspricht, dass sich die IKB
auf ihr Kerngeschäft, die Finanzierung des
deutschen Mittelstandes, konzentrieren
wird. Um die in diesem Bereich nur schwache Rendite aufzubessern, will Lone Star
das Angebot erweitern. Es ist die Rede von
speziellen Darlehen und Serviceleistungen
für das Exportgeschäft, von Factoring, Forderungsmanagement und Überbrückungsfinanzierungen. Von Köller denkt
auch an Geld- und Zahlungsmanagement,
Exportversicherungen, Vermögensverwaltung und Unternehmensberatung.
Lone Star hatte bereits 2005 die Mitteleuropäische Handelsbank von der Nord/LB
erworben und war dadurch zu einer Banklizenz in Deutschland gekommen. Im gleichen Jahr kam die Allgemeine HypothekenBank Rheinboden in den Besitz des Finanzinvestors. Damals mussten die Gewerkschaften als ehemaliger Besitzer von
Rheinboden noch 870 Mio. Euro hinzuzahlen, damit sie die Bürde loswurden.
st
Gegen unliebsame Investoren
ANLAGE-TIPPS.
Henkel (ISIN: DE 000 6048 432) - Anlagerat: Das Bankhaus M. M. Warburg &
Co. empfiehlt die Henkel-Aktie bei einem
Stand von 27,79 Euro zum Kauf und
nennt als Kursziel 33,70 Euro. Chancen:
Die laufenden Programme zur Verbesserung der Effizienz und Profitabilität hat
das Unternehmen bestätigt. Die kurzfristigen Einsparungen, die bereits im laufenden Jahr wirksam werden sollen,
konnten um insgesamt 30 Mio. Euro angehoben werden. Risiken: Allerdings ist
die Sparte Wasch- und Reinigungsmittel,
wie die Analysten betonen, überproportional stark von den Kostenanstiegen für
Rohstoffe und Verpackungsmaterial betroffen. Zudem können hier lediglich zeitverzögert Preiserhöhungen durchgesetzt
werden. Unternehmen: Henkel hat als
konsumnahes Unternehmen der Spezialchemie die Umsatzerwartung für 2008
leicht angehoben, ist aber bezüglich der
Gewinnentwicklung vorsichtiger. Die
Highlights des zweiten Quartals 2008
waren die Konsolidierungseffekte und
weitere Marktanteilsgewinne.
Wolters Kluwer (ISIN: NL 000 0395 903)
- Anlagerat: Die Privatbank Hauck & Aufhäuser empfiehlt die Aktie von Wolters
Kluwer bei einem Stand von 14,11 Euro
zum Kauf und nennt als Kursziel 22 Euro.
Chancen: Auf Basis der Kurse vom 30.
Juli 2008 beläuft sich das Kurs-GewinnVerhältnis der Wolters-Kluwer-Aktie auf
rund neun. Damit ist sie nach Einschätzung der Analysten unterbewertet. Die
Zusammenlegung von Datenzentren, die
Zentralisierung des Einkaufs und die Verlagerung von Dienstleistungen nach
Asien und Osteuropa sollten in den kommenden Jahren jedoch für weitere Margenverbesserungen sorgen. Risiken: Zu
den Schwächen des Unternehmens zählen die Analysten die immer noch relativ
hohe Verschuldung, die Abhängigkeit
vom US-Dollar sowie die saisonalen
Schwankungen. Unternehmen: Das defensive Medienunternehmen ist nach
Einschätzung der Analysten nahezu unabhängig von der Werbemarktentwicklung. Vielmehr basiert ein Großteil des
Geschäfts auf Abonnements; der Umsatzanteil des nicht-zyklischen Geschäfts
beläuft sich auf 8%. Darüber hinaus produziert Wolters Kluwer so genannte
„Must-Have“-Informationen, die Fachleute fortlaufend zur Ausübung ihrer Berufe
benötigen. Dies ermöglicht solide Umsatzwachstumsraten und vergleichsweise hohe Margen. Außerdem ist das Geschäft gut planbar.
SEPTEMBER 2008
Außenwirtschaftsgesetz in der parlamentarischen Beratung | Wirtschaft ist wenig begeistert
VON DIETER W. HEUMANN
P
rivate ausländische Investoren und
Staatsfonds stehen mit überbordenden Geldkoffern auch vor den Toren
der Bundesrepublik. Kein Wunder, schließlich sind nach deutlichem Kursverfall an
den Börsen manche Unternehmen zu
Schnäppchenpreisen zu haben und der
Boom an den Rohstoffmärkten hat vor allem den Öl- und Gasexporteuren die Kassen kräftig gefüllt. Wachsende Staatsfonds
aus Russland oder arabischen Ölstaaten,
aber auch die mit hohen Währungsreserven ausgestatteten Chinesen suchen weltweit Anlagemöglichkeiten. Schätzungen
zufolge halten 3 000 Mrd. US-Dollar Ausschau nach lohnenden Objekten.
Nach Untersuchungen der Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst & Young
werden Staatsfonds aus Golfstaaten und
rohstoffreichen Ländern fast so wichtig
werden wie die Private-Equity-Fonds, die
in den Boomjahren 2000 bis 2007 einen ca.
20%igen Anteil an den globalen Transaktionen erreichten. In Deutschland wird
eine massive Ausweitung der Investitionen
durch Staatsfonds erwartet. Während deutsche Manager eifrig Verteidigungs-Handbücher studieren und viele Vorstände
überlegen, wie man mit Hilfe passiv agierender Staatsfonds die eigene Aktienstruktur stabilisieren kann, haben deutsche Politiker vor allem die Staatsfonds misstrauisch ins Visier genommen. Zu Recht, wie
der russische Oligarch, Milliardär und Privatinvestor Alexander Lebedew meint, der
vor russischen und chinesischen Staatsfonds warnt. Lebedew ist bereits in
Deutschland engagiert, bemüht sich derzeit um den Reiseveranstalter Öger Tours
und würde „mit Vergnügen die Anteilsmehrheit an einer deutschen Bank kaufen“.
Die Bundesregierung will den Einfluss
von Investoren von außerhalb Europas in
Deutschland begrenzen. Das „13. Gesetz
zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes“ sieht Folgendes vor:
■ Die Regierung erhält künftig ein Prüfund Untersagungsrecht bei ausländischen Übernahmen und Beteiligungen
an deutschen Unternehmen – soweit
mehr als 25% der Anteile übernommen
werden.
■ Allerdings sollen Übernahmen beziehungsweise Beteiligungen nur dann untersagt werden können, wenn dadurch
die öffentliche Ordnung oder Sicherheit
in der Bundesrepublik gefährdet wird.
Dies könnte zum Beispiel beim Verkauf
von Stromnetzen der Fall sein.
■ Um die betroffenen Firmen möglichst
wenig zu belasten, wird auf eine allgemeine Meldefrist von größeren Beteiligungen verzichtet.
■ Die Kontrolle ist nicht wie bisher auf bestimmte Wirtschaftsbereiche begrenzt.
Schon bisher verfügte die Regierung
über Kontroll- und Untersagungsmöglichkeiten im Rüstungs- und Kryptotechnologiebereich.
■ Hält das Wirtschaftsministerium eine
Gefährdung öffentlicher Ordnung oder
Sicherheit für möglich, soll ein Prüfungsverfahren eröffnet und der Investor verpflichtet werden, dem Wirtschaftsministerium die vollständigen Unterlagen
über den Erwerb zu übermitteln.
■ Nach Eingang der Unterlagen kann es binnen zwei Monaten den Erwerb – nach Zustimmung der Bundesregierung – untersagen oder Anordnungen erlassen.
■ Will ein ausländischer Investor frühzeitig Klarheit darüber haben, ob das beabsichtigte Investment in Deutschland
nicht gefährdet ist, kann er beim Bundeswirtschaftsministerium eine Bescheinigung zur Unbedenklichkeit des Vorhabens beantragen.
■ Nicht betroffen sein sollen von den Kontrollen neben Investoren aus der EU
auch solche aus den EFTA-Ländern
(Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island).
Die Wirtschaft ist von dem Gesetz wenig
begeistert. Nach Nils Hubert, Referent im
Bereich Außenwirtschaft des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), ist
es zwar ein legitimes Recht der Bundesregierung, sich vor den befürchteten Gefahren zu schützen, allerdings fehle die Begründung, wovor das Gesetz schützen soll.
Die stets angeführten Bereiche Telekommunikation und Energienetze seien bereits
durch die bestehende Gesetzgebung abge-
deckt. Zudem, so der BDI, profitiert gerade
Deutschland als Exportweltmeister mehr
als jedes andere Land von weltweit offenen
Märkten. Der Verband weist darauf hin,
dass die deutschen Investitionen im Ausland mit 811 Mrd. Euro fast doppelt so
hoch sind wie die ausländischen Investitionen hierzulande.
Der Sachverständigenrat, der sich in seinem Herbstgutachten in einer Analyse mit
dem Problem ausländischer Investitionen
befasste, kann „ein spezielles Problem mit
ausländischen privaten oder staatlichen
Investoren nicht erkennen“. Befürchte die
Regierung Abhängigkeiten von einem ausländischen Investor, müsse das Wettbewerbsrecht eingesetzt werden, um Marktmacht zu beschränken.
Die Amerikanische Handelskammer in
Deutschland (AmCham Germany) sieht in
dem Bestreben, die Schutzklausel im Außenwirtschaftsgesetz auszubauen, „ein gewisses Risiko für das Investitionsklima“.
AmCham Germany verweist darauf, dass
derzeit auf internationaler Ebene, zum Beispiel durch die EU, den IWF oder die
OECD, Verhaltensstandards gemeinsam
mit den betroffenen Staaten ausgearbeitet
werden. Die Kammer fordert die Bundesrepublik auf, die internationalen Vereinbarungen mitzutragen und zur Grundlage eigener Politik zu machen. Ein einheitlicher
Ansatz auf EU- und nationaler Ebene zu
Staatsfonds sei wünschenswert, um eine
Fragmentierung des Binnenmarktes zu
vermeiden.
Nach Ansicht des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK) drohen
– durch die Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes – Investitionen zum Spielball politischer Interventionen zu werden.
Kontrollen sollten nach Axel Nitschke,
DIHK-Außenwirtschaftschef, „allenfalls
streng auf Fragen der nationalen Sicherheit begrenzt bleiben“, hierfür fehlten aber
im Gesetz klare Kriterien.
Nachdem die Bundesregierung den Gesetzentwurf bereits abgesegnet hat, dürfte
die parlamentarische Beratung im September beginnen. Der Zustimmung des Bundesrates bedarf die Gesetzesnovellierung nicht.
Es wird damit gerechnet, dass das Gesetz
noch bis Ende des Jahres in Kraft tritt.
Depot-Check vom Profi
Eine Aktion der DAB bank und des WirtschaftsKurier | Den Kunden fehlt oft Zeit und Wissen
Fresenius (ISIN: DE 000 5785 638) Anlagerat: Die Bayerische Landesbank
empfiehlt die Fresenius-Aktie bei einem
Stand von 52,02 Euro zum Kauf und
nennt als fairen Wert 68 Euro. Chancen:
Die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr sind bei dem Unternehmen
weiterhin positiv. Fresenius erwartet einen Anstieg des Konzernumsatzes von
8% bis 10%. Währungsbereinigt soll
dabei der Jahresüberschuss um 10%
bis 15% wachsen. Risiken: Zu den Risiken des Unternehmens zählen die Analysten allerdings die starke Abhängigkeit
vom US-Dollar sowie die geringe Planungssicherheit im staatlichen Gesundheitswesen, insbesondere in Deutschland. Zudem sind Neuentwicklungen
von Medikamenten sehr teuer und das
Risiko einer Nichtzulassung ist hoch.
Unternehmen: Fresenius ist ein weltweit
tätiger Gesundheitskonzern mit Produkten und Dienstleistungen für die Dialyse,
das Krankenhaus und die ambulante
medizinische Versorgung von Patienten.
Zum Fresenius-Konzern gehören drei
Unternehmensbereiche, die weltweit eigenverantwortlich wirtschaften und handeln: Fresenius Medical Care, Fresenius
Kabi und Fresenius ProServe.
Iberdrola (ISIN: ES 014 4580 Y14) - Anlagerat: Die Landesbank Baden-Württemberg empfiehlt die Iberdrola-Aktie
bei einem Stand von 8,29 Euro zum
Kauf und nennt als Kursziel 10 Euro.
Chancen: Der Aufschlag der Aktie ist
nach Meinung der Analysten aufgrund
des hohen Kapazitätsanteils an Wasserkraft und erneuerbaren Energien
(hauptsächlich Wind) gerechtfertigt. Insbesondere die Stromerzeugung mit Hilfe von Wasserkraft ist in Zeiten steigender Preise aufgrund der vergleichsweise
niedrigen Herstellungskosten (kein Rohstoffbezug) besonders vorteilhaft. Risiken: Zu den Schwächen des Unternehmens zählen die Analysten die Tatsache, dass ein verlässlicher Großaktionär
nicht vorhanden ist, sowie neue Rahmenbedingungen und Integrationsrisiken. Unternehmen: Iberdrola ist führend
im spanischen Versorgungsmarkt und
produziert Strom durch konventionelle
Erzeugungsarten (Kohle, Öl und Kernkraft) sowie zunehmend mit Hilfe erneuerbarer Energieträger (Wasser- und
Windkraft). In der Stromerzeugung mittels Windenergie belegt das Unternehmen weltweit Platz eins.
Mzg
W
arum einen unabhängigen Vermögensverwalter einschalten? Beispielsweise deshalb, weil er sich
mehr Zeit für einen Kunden nimmt. „Während sich der Berater einer Bank im Regelfall
um einige 100 Kunden kümmern muss, betreut ein Vermögensverwalter nur einige
Dutzend“, erklärt ein Insider. Durch den engen persönlichen Kontakt kennt der Vermögensverwalter die Verhältnisse seiner Klienten sehr genau. Über 400 Vertreter dieser
Zunft sind in Deutschland tätig. Sie helfen wohlhabenden Anlegern, deren Vermögen zu erhalten und zu mehren.
„Unser Mehrwert gegenüber einer
klassischen Anlageberatung bei einer Geschäftsbank ist die strikte Trennung zwischen Abwicklung und Beratung“, sagt
Direktor Ingo Schweitzer von der AnCeKa
Vermögensbetreuungs AG. Dadurch vermeidet man Interessenskonflikte und
kann für seinen Kunden in der Abwicklung bedeutend günstigere Konditionen
aushandeln. Auch hat man für seine Kunden eine absolute Unabhängigkeit in der
Auswahl von Produkten. Zudem ist die
Kontinuität des Betreuers gewährleistet,
was gerade in der heutigen Zeit von großer
Bedeutung ist.
Was sind die Notwendigkeiten für einen
Vermögensverwalter? Das fragte die DAB
bank vor einem Depot-Check. Sie ist die Direktbank Nummer eins im Wertpapiergeschäft in Deutschland und Österreich.
„Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermögensverwaltung ist zunächst
eine genaue Vermögensanalyse“, sagt Hans
Eberhardt, Geschäftsführer der Unikat Vermögensverwaltung GmbH. Dann muss zusammen mit dem Kunden das Risikoprofil
erarbeitet werden. Dabei gilt es, seine Zielvorstellungen und Erwartungen zu besprechen unter Berücksichtigung von Zeithorizont, Alter und familiärer Umgebung.
Danach wird die Anlagestrategie für den
Vermögensverwalter festgelegt. Hierbei
handelt es sich beispielsweise um das Verhältnis zwischen Anleihen und Aktien sowie
sonstigen Anlagemöglichkeiten. Erst nachdem diese Punkte besprochen sind, wird
der Vermögensverwalter die Umsetzung sowie die laufende Anpassung an sich verändernde Märkte eigenständig und verantwortungsvoll vornehmen.
Für Hans Eberhardt gibt es gute Gründe,
einen Vermögensverwalter zu engagieren,
statt sein Depot in Eigenregie zu managen.
Wie ein Depot-Check zeigt, ist beim Kunden
oft fehlendes Fachwissen zu beobachten.
Hinzu kommen Zeitmangel durch Urlaub,
geschäftliche Abwesenheit und Krankheit.
Der Kunde agiert in der Regel mit Emotionen und will oftmals Kursverluste aussitzen. Dagegen verkauft der Vermögensverwalter, auch wenn Titel zum Beispiel noch
Kursverluste aufweisen.
Ein Vermögensverwalter empfiehlt sich
vor allem bei einem größeren Vermögensbetrag und der Notwendigkeit zur Streuung.
Bei der Depotstrategie und deren Umsetzung handelt er emotionslos. Er kommt zu
Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermögensverwaltung ist eine genaue Vermögensanalyse.
Foto: Fotolia
klaren Entscheidungen über Kauf, Verkauf
und Limits beziehungsweise Stopps. Zudem
kann der Vermögensverwalter die Kurse
zeitnah beobachten und durch seine direkte Verbindung zu den Börsenplätzen
schneller handeln.
Als Profi hat er, wie der Depot-Check
zeigt, einen Informationsvorsprung und dadurch bessere Vergleichsmöglichkeiten. Er
hat die im Depot befindlichen Werte unter
täglicher Beobachtung und wird außerdem
in der Regel durch umfassende Spezialsoftware unterstützt. Zudem überblickt der Vermögensverwalter das gesamte Spektrum
der Anlageklassen und kann individuell und
marktbezogen streuen.
„Der Gang zu einem unabhängigen Vermögensverwalter ist gleichbedeutend mit
einer Abkehr von Produkt- und Hauszwängen, denen gebundene Bankberater oft unterliegen“, erläutern Insider. „Meist müssen
diese bestimmten Weisungen folgen und
beispielsweise vorgegebene Produkte empfehlen oder Anlageideen des eigenen Hau-
ses in den Vordergrund stellen“, kritisieren
sie. Die einzige Maxime, der unabhängige
Vermögensverwalter folgen, sei dagegen das
Interesse des Kunden.
KONTAKT
In Kooperation mit der DAB bank haben Leser des WirtschaftsKurier die
Möglichkeit, ihre gesamten Geldanlagen von Aktien, Zertifikaten, Investmentfonds oder Anleihen über Immobilien und Lebensversicherungen kostenlos von einem bankenunabhängigen Vermögensverwalter in ihrer Nähe
überprüfen zu lassen. Testen Sie, ob
Ihr Geld richtig angelegt ist, um 2008
und darüber hinaus erfolgreich zu
sein. Einzige Bedingung: Sie haben
mindestens 25 000 Euro gespart oder
wollen eine entsprechende Summe
anlegen. Die Beratung ist kostenlos
und verpflichtet zu nichts. Sie umfasst
ein bis zu zweistündiges, persönliches
oder telefonisches Gespräch. Es besteht keinerlei Verpflichtung. Ein Anspruch auf eine mehrseitige schriftliche Analyse besteht nicht.
Die DAB bank versichert, dass alle Informationen vertraulich behandelt
werden. Die Verwendung und Speicherung Ihrer Daten sowie die Übermittlung an den Vermögensverwalter
erfolgt ausschließlich zum Zweck der
Durchführung des Depot-Checks.
Unter der Telefonnummer 08 00 /3 22
30 02 können Sie sich von Montag
bis Sonntag zwischen 10 und 20 Uhr
anmelden und informieren.
Bitte geben Sie dabei das Stichwort:
„WirtschaftsKurier“ an.
Der Anruf ist aus dem Festnetz der
Telekom kostenlos. Mobilfunk kann
abweichen.
Darüber hinaus können Sie einen Brief
an die
DAB bank AG
Stichwort: „WirtschaftsKurier“
Landsberger Straße 300
80687 München
schreiben.
Des Weiteren besteht auch unter
www.wirtschaftskurier.de/depotcheck
die Möglichkeit der Online-Anmeldung.
Anmeldeschluss: 31.12.2008
FINANZEN & BÖRSE
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
11
Zweit-Depot empfohlen
Absage an die Kostenlos-Welle
Abgeltungssteuer | Wie man das Beste daraus macht
Sparkassenverband Baden-Württemberg | Konsolidierung der Landesbanken gefordert
VON LOTHAR BEHRENS*
D
as entscheidende Finale liegt nun
schon eine Weile hinter uns, ist aber
trotzdem sicher noch vielen in Erinnerung. Einige werden sich vielleicht auch
noch an die bewegenden Momente und das
Interview mit Jens Lehmann direkt im Anschluss an das verlorene Match erinnern:
„Klar, das Leben geht weiter, aber das war
meine letzte Chance als Meister vom Platz
zu gehen. Das muss ich erst mal langsam
verdauen, eine weitere Chance habe ich als
Fußballer leider nicht mehr!“
So oder ähnlich wird es wahrscheinlich
vielen deutschen Anlegern irgendwann im
nächsten Jahr ergehen, natürlich weniger
emotional und spektakulär wie nach dem
Finale in Wien – aber vielleicht persönlich
genauso einschneidend. Es sei denn, sie
handeln noch rechtzeitig bis Jahresende.
Denn fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit tritt zum 1. Januar 2009 das Gesetz zur Abgeltungssteuer in Kraft. Bei mehreren hundert Änderungen von Gesetzen
und Verordnungen pro Jahr mit einer Vielzahl von Paragrafen wundert es kaum, dass
laut einer repräsentativen Meinungsumfrage der GfK mehr als zwei Drittel der Bundesbürger nur unzureichend über die neue
Steuer informiert sind. 40% der Befragten
wissen „gar nichts“, 30% „etwas“ über die
Abgeltungssteuer. Immerhin will sich die
Hälfte der Wertpapierbesitzer bis zum Jahresende über die neue Steuer informieren.
Noch 2008 handeln
Doch dann kann es bereits zu spät sein.
Denn nur wer jetzt aktiv wird, gewinnt. Um
in der Fußballersprache zu bleiben: Die
Regeln zur Besteuerung von Kapitaleinkünften ändern sich massiv. Wer noch in
2008 handelt und in Wertpapiere oder
Fonds investiert, hat „einen Schuss“ nach
altem Steuerrecht frei. Er profitiert nach
seiner sechsmonatigen Haltedauer von der
Steuerfreiheit seiner erzielten Erträge. Und
dies unabhängig davon, ob er seine Gewinne in 2009, 2019 oder etwa erst in 2029
realisiert. Je weiter der „Abschlag“ in die
Zukunft, desto lohnender. Insofern ist es
elementar wichtig, einen langfristigen Ver-
mögensaufbau zu planen und dafür in
2008 zu handeln, das heißt zu investieren.
Veräußerungsgewinne sind nur für diejenigen Wertpapiere abgeltungssteuerpflichtig,
die nach dem Stichtag erworben wurden.
Realisiert ein Anleger beispielsweise erst in
fünf Jahren Gewinne aus Papieren, die er
bereits heute erworben hat, so sind diese
Gewinne abgeltungssteuerfrei. Da kann es
sich im Einzelfall sogar lohnen, geplante
Wertpapierinvestitionen bewusst ins Jahr
2008 vorzuziehen.
In diesem Zusammenhang raten Finanzund Steuerexperten außerdem zur Anlage
eines Zweit-Depots – ein cleverer Weg, um
Wertpapiere oder Ansparpläne nach neuem und altem Steuerrecht eindeutig zu
trennen. Ansonsten greift bei Verkäufen
von Wertpapierbeständen das FiFo-Prinzip (first in – first out): Es gelten diejenigen
Anteile einer Gattung innerhalb eines Depots als zuerst verkauft, die zuerst angeschafft wurden.
Steuerchaos vermeiden
Möchten Sie selbst entscheiden, ob steuerfreie oder steuerpflichtige Anteile zuerst
verkauft werden? Möchten Sie von den
Möglichkeiten der bisherigen Regelung
profitieren und die schmerzliche Abgeltungssteuerfalle von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag vermeiden? Dann gilt: Trennen Sie Ihre Wertpapiere nach neuem und
altem Steuerrecht und bewahren Sie sich
so Ihre Handlungsfreiheit gegenüber den
Finanzbehörden. Ein weiterer angenehmer
Nebeneffekt dabei: Sie sparen sich viel
Mühe und Zeit bei Ihrer Steuererklärung.
Unser Haus macht Wertpapierkunden hier
ein spezielles Angebot: halber Preis – volle
Leistung für ein Zusatz-Depot.
Ein weiterer Tipp, der sich für Wertpapierinteressierte auszahlt: Führen Sie Depots verschiedener Anbieter, sofern noch
nicht geschehen, bei einer Bank zusammen. Nur dann profitieren Sie davon, dass
Gewinne und Verluste aus Wertpapiergeschäften bankseitig automatisch saldiert
werden. So fällt der sofort zu entrichtende
Abgeltungssteuerbetrag niedriger aus, der
durch die Bank abgeführt wird. Anderenfalls müssten Sie die zeitaufwändige steu-
H
auptthema für das zweite Halbjahr
2008 wird die Konsolidierung der
Landesbanken sein, sagte Peter
Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. „Das alte
Geschäftsmodell der reinen WholesaleBank ist überholt.“ Darauf gebe es nur eine
Antwort: Die Reduzierung der Landesbanken auf eine deutlich kleinere Zahl als bisher. Schneider stellte klar, dass seiner Ansicht nach kein Weg an einer international
ausgerichteten Landesbank vorbeiführt.
Ein solches Institut müsse sich Marktpotenziale jenseits der Sparkassen erschließen.
Zur Lage der LBBW, deren Verwaltungsratsvorsitzender er ist, sagte Schneider:
„Die LBBW hat bis heute ein funktionierendes Geschäftsmodell. Sie hat noch nie
Lothar Behrens, Vorstand der Augsburger Aktienbank: „Wer jetzt handelt,
gewinnt das Spiel.“
Foto: AAB
erliche Veranlagung wählen, um die eventuell zuviel abgeführte Abgeltungssteuer
selbst vom Finanzamt zurückzufordern.
Wie beim Torwart Lehmann geht das Leben natürlich auch nach dem Stichtag 1. Januar 2009 weiter. Nach aller Wahrscheinlichkeit wird die Anlage in Unternehmenswerte, das heißt in Aktien oder entsprechende Fonds, auf lange Sicht weiterhin
die höchsten Erträge im Vergleich zu anderen Anlageformen generieren. Doch wer
sich erst im neuen Jahr zum Kauf entschließt, der belastet sein Investment automatisch vom Start weg mit einer 25%igen
Abgeltungssteuer. Über dieses stichtagsbezogene Handikap sind sich leider die wenigsten Anleger richtig bewusst. So erklären 60% der befragten Deutschen, sie würden bis zum Jahresende nicht in Aktien investieren und auch sonst nichts unternehmen. Schade, denn hier entgeht vielen eine
einmalige Chance, die – wie bei einem
Fußballendspiel – nicht wiederkommt.
*Lothar Behrens, Mitglied des Vorstands
der Augsburger Aktienbank AG.
Kapital gekostet. Die Integration von Sachsen und Rheinland-Pfalz koste eine Menge
Kraft und Geld. Auch die Belastungen der
LBBW aus der Finanzmarktkrise kämen zu
einem erheblichen Teil von dort. Es gebe
daher keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg der Integration.
Für das Gesamtjahr geht Schneider von
einem Betriebsergebnis leicht unter dem
Vorjahresniveau aus. Im vergangenen Jahr
erzielten die 55 Sparkassen ein Betriebsergebnis vor Bewertung von 1,477 Mrd. Euro.
Den Banken macht vor allem der sinkende
Zinsüberschuss zu schaffen. Im operativen
Geschäft verzeichneten die Institute deshalb seit vier Jahren einen Rückgang der
Rentabilität.
Eine Absage erteile der Präsident des
größten Sparkassen-Regionalverbandes in
Deutschland einem Preiskampf. Die Kos-
tenlos-Welle werden die Sparkassen nicht
mitmachen. Stattdessen setzen sie auf einen Qualitätswettbewerb. Gegen den bundesweiten Trend gewinnen die Sparkassen
in Baden-Württemberg seit drei Jahren sogar leicht bei Girokonten hinzu.
Gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt stieg
die Bilanzsumme der baden-württembergischen Sparkassen um 5,3% auf 165 Mrd.
Euro. Die Einlagen der Kunden stiegen um
3% auf 99 Mrd. Euro. Die Höhe der Einlagen sei ein Garant dafür, dass die Sparkassen Kredite vergeben könnten. Die Unternehmenskredite erhöhten sich um 6,5%
auf 42,332 Mrd. Euro. „Von einer Kreditklemme kann bei den Sparkassen überhaupt keine Rede sein“, stellte Schneider
fest. Die Entwicklung bei den Krediten an
Privatkunden stagnierte mit 46,2 (46,5)
Mrd. Euro auf hohem Niveau.
hp
Ausbau der Marktposition
VP Bank | Investitionen in Personal und IT
A
ls „Phase der Bewährung“ bezeichnete Hans Brunhart, Präsident des
Verwaltungsrats der liechtensteinischen VP Bank, das erste Halbjahr. Die Rahmenbedingungen waren gekennzeichnet
durch die Finanzmarktkrise, die Diskussionen um das Bankgeheimnis sowie hohe Investitionen in Marktbearbeitung und Technologie. Doch habe sich gezeigt, „dass die
generelle Ausrichtung sowie das Geschäftsmodell stimmen“, so Brunhart.
Der Konzerngewinn der VP Bank Gruppe
für das erste Halbjahr 2008 reduzierte sich
um 57,7% auf 41,0 Mio. CHF. Dieser Rückgang beruhe im Wesentlichen darauf, dass
die unter dem „Übrigen Erfolg“ verbuchten
Finanzanlagen gegenüber der von Sondereffekten geprägten Vergleichsperiode des Vorjahres um 31,0 Mio. CHF niedriger lagen.
Die VP Bank sei aber nicht von der Subprimekrise betroffen und habe keinen Abschreibungsbedarf aus den Folgen der Fi-
nanzmarktkrise. Allerdings hätten sich die
wirtschaftlichen Voraussetzungen für das
Bankgeschäft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich verändert.
Neben der negativen Entwicklung der Finanzmärkte habe sich auch der zunehmende internationale Druck auf Länder, die ein
Bankkundengeheimnis kennen, ausgewirkt.
Liechtenstein hat mittlerweile mit der EU
die Verhandlungen über ein Betrugsabkommen weitestgehend abgeschlossen. Das bedeutet, dass grenzüberschreitendes Banking
zunehmend von regulatorischen Standards
dominiert wird, die für Banken wie für Kunden gleichermaßen von Relevanz sind, teilte
die VP Bank mit.
Die VP Bank, die per Ende Juni 2008 eine
Bilanzsumme von 11,5 Mrd. CHF (plus 1,0
Mrd. CHF) aufwies, sei trotz der schwierigen
Rahmenbedingungen strategisch auf Kurs
geblieben. Im Fokus steht derzeit der Ausbau der Position in neuen Märkten im Fer-
nen und Mittleren Osten, wo im Juni 2008
die VP Bank (Singapore) an den Start ging.
Darüber stand auch die Einführung eines
neuen Banken-Software-Pakets auf dem
Programm, die planmäßig verlaufen sei.
Überdies sei der Personalbestand um 40
Vollzeitstellen ausgebaut worden. Am 1. Juli
2008 traten auch Änderungen der Organisationsstruktur in Kraft, die die Führung der
Gruppe über die Marktorganisation verstärken und den Geschäftseinheiten operativ
mehr Spielraum geben. Durch die überdurchschnittlich hohen Investitionen sei die
Cost/Income-Ratio von 43,0% auf 62,7% gestiegen, die Kennzahl werde sich aber wieder zurückbilden.
Die VP Bank Gruppe geht von einem weiterhin sehr volatilen Marktumfeld aus. Im weiteren Jahresverlauf stehen der Ausbau der Marktposition und die Modernisierung der IT-Infrastruktur bei gleichzeitiger Kostendisziplin
auf dem Programm.
hp
Die Für
st Fugge
r Privat
in der E
bank un
lite der
verände
Vermög
rt
ensverw
auch 20
08 mit
alter –
der Aus
zeichnu
ng
„magna
Zukunft braucht Herkunft.
Und Herkunft verpflichtet.
1486 wurde die Fuggerbank als erste Bank
Deutschlands genannt. Damals war das Bankhaus
bereits mit dem kaiserlichen Haus Habsburg im
Geschäft. Jahrzehntelang logierten die Kaiser in den
Augsburger Fuggerhäusern, der Zentrale des
bedeutendsten Bankhauses dieser Epoche – heute
Stammsitz der Fürst Fugger Privatbank. Mit dem
Habsburger Wappen auf dem „Adlertor“ der
Fuggerhäuser zeichneten die Kaiser ihre Gastgeber
aus. Ausgezeichnet wird auch das Bankhaus von heute.
Seit dem Jahr 2005 gehört die Fürst Fugger
Privatbank bei umfassenden Tests von Banken und
Vermögensverwaltern durch die „Elite ReportEdition“ kontinuierlich zur Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum. 2008 bekam
die Fürst Fugger Privatbank von der „Elite Report
Edition“ und ihrem Medienpartner „Handelsblatt“
erneut das Prädikat „magna cum laude“ verliehen.
AUGSBURG
MÜNCHEN
NÜRNBERG
S T U T T G A RT
Maximilianstraße 38
Kardinal-Faulhaber-Straße 14 a
Rathenauplatz 2
Kronprinzstraße 11
Telefon 0821 3201-0
Telefon 089 290729-0
Telefon 0911 52125-0
Telefon 0711 870359-0
Mehr Informationen unter www.fuggerbank.de
cum lau
de“
12
AKTIENSPIEGEL
WirtschaftsKurier
DIE DAX-WERTE
DAX VOM 29.08. 6 422,30 | 31.07. 6 479,56
Unternehmen
letzte
29.08.
Dividende
Adidas
0,50
40,05
Allianz*
5,50
114,10
BASF*
3,90
39,38
Bayer*
1,35
54,01
BMW
1,06
28,00
Commerzbank
0,75
20,09
Continental
2,00
74,05
Daimler*
2,00
39,90
Deutsche Bank*
4,50
58,20
Deutsche Börse*
2,10
64,82
Deutsche Post
0,90
16,00
Deutsche Postbank
1,25
44,63
Deutsche Telekom*
0,78
11,31
Eon*
4,10
39,85
Fresenius Medical Care 0,54
36,60
Henkel VZ
0,53
26,76
Hypo Real Estate
0,50
16,68
Infineon
0
5,85
Linde
1,70
86,01
Lufthansa NA
1,25
14,70
MAN
3,15
66,85
Merck
3,20
78,25
Metro
1,12
38,03
Münchener Rück*
5,50
106,18
RWE*
3,15
73,63
SAP*
0,50
38,20
Siemens*
1,60
74,26
ThyssenKrupp
1,30
31,21
TUI
0,25
13,59
Volkswagen*
1,80
204,00
31.07.
30.06.
30.05.
30.04.
31.03.
29.02.
31.01.
39,41
109,32
40,69
55,42
28,1
20,78
72,35
37,33
59,59
73,51
15,09
45,51
11,16
122,45
35,43
25,65
18,06
4,90
88,88
14,77
64,70
77,62
36,25
106,80
76,96
37,26
78,76
35,1
14,78
204,76
45,32
111,90
43,82
53,56
30,55
18,84
65,27
39,28
54,85
71,69
16,60
55,76
10,40
128,15
35,01
25,31
17,88
5,53
89,30
13,70
70,51
90,29
40,54
111,26
80,23
33,26
70,52
39,88
14,72
183,28
40,99
121,69
96,37
57,00
38,07
22,69
81,50
48,92
68,73
92,23
20,45
62,10
10,76
136,76
35,82
30,73
21,25
5,79
96,59
16,67
100,26
90,36
47,32
120,50
83,09
35,52
72,92
43,43
17,01
177,05
42,11
130,93
91,65
54,80
35,25
23,30
75,53
49,93
76,97
94,22
20,03
56,32
11,54
130,71
34,09
27,35
24,02
6,01
94,10
16,87
89,74
91,21
50,96
124,26
73,94
32,39
75,57
40,23
18,38
189,39
41,94
125,48
85,31
50,76
34,99
19,80
64,59
54,15
71,70
102,03
19,35
60,47
10,55
117,26
31,85
29,28
16,46
4,45
89,49
17,13
84,14
78,07
51,18
123,88
77,86
31,48
68,65
36,24
16,25
183,64
42,48
117,50
83,98
50,85
36,18
20,08
64,72
55,79
74,26
104,89
21,98
64,38
12,57
124,20
34,36
29,21
18,94
5,36
87,82
15,49
87,22
82,19
55,47
116,39
79,87
31,61
85,24
38,15
15,90
151,79
51,26
119,46
87,21
54,83
36,80
20,26
69,50
52,19
75,16
116,85
21,66
55,57
13,74
123,60
34,46
30,55
20,94
6,77
87,47
15,97
82,33
82,90
54,84
120,27
82,46
32,20
86,18
32,74
14,49
156,10
Hoch
Tief
(52 Wochen)
51,63
34,36
166,60
95,76
52,87
38,54
66,45
45,60
48,92
25,80
32,04
16,40
106,00
50,90
78,85
35,30
96,72
47,48
136,32
58,67
24,38
14,52
67,10
39,37
15,87
9,92
154,11 110,60
39,30
29,65
40,00
21,73
45,70
12,95
12,41
4,08
97,90
79,39
21,94
12,59
126,99
62,55
100,82
72,28
68,60
35,58
139 101,54
102,54
71,10
42,08
28,31
109,96
64,89
46,92
29,69
21,80
12,17
215,43 144,30
* Diese Dax-Werte gehören auch zum Euro Stoxx 50
Konjunktur nur mit kurzer Delle?
EZB spricht von kurzer Schwächephase | M. M.Warburg ist nicht so optimistisch
D
ie Europäische Zentralbank (EZB)
hat Zurückhaltung bei der Zinsentwicklung geübt. Wer angesichts der
konjunkturellen Eintrübung(en) mehr erwartet hatte, der sah sich von der jüngsten
Zinsentscheidung und den folgenden Äußerungen von EZB-Chef Jean-Claude Trichet
enttäuscht. Die obersten Währungshüter
des Euro wiesen nur auf die nach wie vor
bestehenden Inflationsrisiken und die Gefahr von möglichen Zweitrundeneffekten
hin. Nach oben gingen allerdings die Projektionen des EZB-Stabs für die Inflationsraten für 2008 (auf 3,5%) und 2009 (auf
2,6%).
Somit scheint die EZB, so die Analysten
von M. M. Warburg, den aktuellen Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten, die deutlich nach unten weisen, keine Nachhaltigkeit zuzusprechen. Denn nach eigenen Berechnungen kommt Warburg zu dem
Schluss, dass eine Inflationsrate von 2,6%
im nächsten Jahr nur dann erreicht würde,
wenn die Energiepreise bis Ende 2009 stagnieren und Nahrungsmittel, Industriegüter und Dienstleistungen sich wie im
Durchschnitt der vergangenen zwölf Mo-
nate verteuern würden, wobei sich bei den
Nahrungsmitteln zuletzt die Preise – ähnlich wie auf den Rohstoffmärkten – abgeschwächt haben. Alles in allem halten die
Fachleute von Warburg das Inflationsszenario der EZB mit hoher Wahrscheinlichkeit für zu negativ.
„Technische“ Rezession
Aber für noch geringer halten die Banker
die Eintrittswahrscheinlichkeit des von der
EZB prognostizierten Konjunkturszenarios. Denn die EZB mache sich um die
Konjunktur in den Ländern der europäischen Währungsunion vergleichsweise wenig Sorgen. Den Rückgang des Bruttosozialprodukts im zweiten Quartal betrachtete
die EZB lapidar als technische Gegenreaktion auf das starke erste Quartal und die
anhaltende Schwächephase des dritten
Quartals wurde kurzum als Delle bezeichnet. Danach werde es laut Trichet mit der
Wirtschaft wieder aufwärts gehen. Warburg
kann den Optimismus der EZB hier allerdings nicht nachvollziehen. „Nicht nur die
Frühindikatoren, sondern auch die realwirtschaftlichen Daten sprechen eine an-
DIE EURO STOXX 50-WERTE
Unternehmen
Aegon
Air Liquide
Alcatel
Arcelor Mittal
AXA-UAP
Banco Bilbao
Banco Santander
BNP Paribas
Carrefour
Credit Agricole
Danone
Enel
ENI
Fortis
France Télécom
GdF Suez
Generali
Iberdrola
ING
Intesa Sanpaolo
L’Oréal
LVMH
Nokia
Philips
Repsol S.A.
Renault
Saint Gobain
Sanofi-Aventis
Schneider Electric
Société Generale
Telecom Italia
Telefonica de Espana
Total
Unicredito Italiano
Unilever
Vinci
Vivendi
letzte
Dividende
0,32
2,25
0,16
0,38
1,20
0,28
0,28
3,35
1,08
0,94
1,10
0,29
0,70
0,59
1,30
1,26
0,90
0,15
0,82
0,38
1,38
1,25
0,53
0,60
0,50
3,80
2,05
2,07
3,30
0,08
0,39
1,07
0,26
0,50
1,05
1,30
dere Sprache“, so Warburg. Immerhin sinken die Auftragseingänge in Deutschland
zum achten Mal in Folge, doch Trichet
baut auf den anhaltenden Boom aus den
Schwellenländern. Aber auch hier waren
die Frühindikatoren vergleichsweise
schwächer und so hätten nach Warburg die
Konjunkturprognosen der EZB nichts
mehr mit der gegenwärtigen wirtschaftlichen Realität zu tun. Die für dieses Jahr
vorausgesagten 1,4% Wachstum können
vielleicht so eben noch erreicht werden,
aber die Erwartung, dass sich das Wirtschaftswachstum 2009 nur marginal auf
1,2% verringern wird, ist, so Warburg,
„fernab aller ökonomischen Vorstellungskraft, würde dies doch voraussetzen, dass
die Wachstumsdynamik im nächsten Jahr
wieder kräftig zunimmt“.
Warburg hält jedoch eine „technische
Rezession“, also einen erneuten Rückgang
des realen Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal in Deutschland, inzwischen für
fast sicher. Insofern geht Warburg davon
aus, dass der Druck auf die EZB, die Zinsen
zu senken, in nächster Zeit deutlich zunehmen wird.
uk/M. M. Warburg
EURO STOXX 50 VOM 29.08. 3 365,63 | 31.07. 3 367,82
29.08.
31.07.
30.06.
30.05.
30.04.
31.03.
29.02.
31.01.
8,05
83,01
4,15
53,76
21,86
11,56
11,64
61,48
36,13
14,52
47,59
6,27
22,18
9,48
20,14
39,40
22,70
8,24
21,34
3,66
67,91
72,72
17,08
22,24
21,20
57,27
41,90
48,61
68,90
66,10
1,11
16,91
49,05
3,67
18,85
38,85
26,44
7,54
84,27
3,87
57,22
18,99
11,83
12,48
63,80
32,93
13,77
47,75
5,94
21,72
9,08
20,37
40,34
22,30
8,76
21,01
3,62
67,40
70,95
17,65
21,48
21,62
53,71
40,21
45,07
71,42
59,84
1,16
16,73
49,40
3,83
18,03
36,50
26,97
8,41
83,87
3,86
62,80
18,86
12,17
11,67
57,54
35,96
12,98
44,60
6,06
23,58
10,16
18,71
43,24
24,37
8,51
20,26
3,64
69,10
66,58
15,49
21,61
25,03
52,10
39,79
42,43
68,61
55,29
1,27
16,88
54,20
3,88
21,01
39,00
24,10
9,82
94,48
4,86
63,67
22,71
14,33
13,39
66,34
45,07
17,01
56,27
7,24
26,26
15,74
19,51
47,91
26,79
9,28
24,54
4,22
78,22
75,21
18,53
24,68
26,60
66,00
51,84
47,91
80,74
66,80
1,42
18,45
56,09
4,49
21,60
48,43
27,02
10,33
96,72
4,33
56,79
23,91
14,77
13,85
69,25
45,23
21,65
56,84
6,99
24,77
17,50
20,16
45,50
28,53
9,41
24,51
4,81
76,21
73,42
19,72
24,15
26,04
66,05
51,75
50,15
78,61
75,16
1,35
18,57
53,94
4,88
21,27
47,43
26,07
9,32
96,57
3,62
51,89
22,99
13,95
12,62
63,89
45,23
19,60
56,64
6,72
21,53
15,96
21,30
41,57
28,67
9,82
23,72
4,48
80,44
70,50
20,04
24,23
21,86
70,10
51,65
47,52
81,96
62,02
1,33
18,20
47,04
4,26
20,53
45,79
24,75
9,96
93,95
3,91
50,67
22,48
13,76
11,93
59,57
48,87
18,04
51,98
7,13
22,77
14,68
22,28
42,21
28,27
9,60
22,25
4,44
78,72
68,23
24,10
25,98
22,85
71,20
52,22
48,79
75,72
71,10
1,65
19,24
49,99
4,87
21,79
45,96
26,22
9,96
92,94
4,19
44,10
22,88
14,07
11,83
65,83
46,68
20,49
54,03
7,45
21,65
14,89
23,62
40,86
28,44
10,18
21,68
4,77
82,46
68,53
24,36
26,18
21,33
75,79
52,07
54,35
77,12
83,20
2,04
19,54
48,71
4,94
25,19
45,42
26,85
Hoch
Tief
(52 Wochen)
14,35
7,12
95,65
74,68
8,11
3,24
67,79
35,35
32,49
16,08
17,54
10,71
15,23
10,50
82,85
51,23
54,20
30,20
26,64
11,08
64,00
40,53
8,41
5,37
27,36
20,70
23,96
7,76
27,33
17,08
44,77
32,86
33,84
21,90
12,03
7,55
32,53
17,76
5,67
3,29
99,97
60,62
89,36
59,49
28,76
14,71
32,27
19,31
22,91
18,27
117,30
47,96
80,49
31,92
66,90
41,27
100,91
60,11
121,36
47,55
2,26
1,05
23,48
15,82
59,50
45,45
6,39
3,35
25,72
17,10
58,24
33,05
32,68
23,05
SEPTEMBER 2008
DIE MDAX-WERTE
MDAX VOM 31.07. 8 280,11 | 29.08. 8 681,82
Unternehmen
letzte
29.08.
Dividende
Aareal Bank
0,50
16,44
Altana
0,51
10,90
AMB Generali Holding 2,90
115,54
Arcandor
0
5,41
Beiersdorf
0,70
39,65
Bilfinger Berger
1,80
48,11
Celesio
0,77
26,15
Douglas Holding
1,10
30,41
Demag Cranes
1,10
37,36
Deutsche EuroShop
1,05
23,89
Deutz
0,40
4,26
EADS
0,65
15,33
Fraport
1,15
43,95
Fresenius
0,67
55,68
Fuchs Petrolub
50,00
Gagfah
9,49
Gea Group
0,20
21,50
Gildemeister
0,35
16,52
Hamburger Hafen
42,76
Hannover Rück
2,30
29,17
Heidelberger Druckm. 0,95
14,00
HeidelbergCement
1,30
77,00
Hochtief
1,30
57,69
Hugo Boss VZ
6,46
23,95
IVG Immobilien
0,70
12,57
K+S
2,00
82,80
Klöckner & Co
0,80
27,37
Krones VZ
0,53
50,06
KUKA
1,00
15,87
Lanxess
1,00
26,35
Leoni
0,90
30,36
MLP
0,50
13,89
MTU Aero Engines
0,93
23,80
Norddt. Affinerie
1,45
31,64
Pfleiderer
0,30
10,25
Praktiker Bau- u. H.
0,45
10,22
Premiere
0
12,69
ProSiebenSat1 VZ
1,25
6,99
Puma
2,75
215,04
Rheinmetall VZ
1,30
43,65
Rhön-Klinikum VZ
0,28
22,86
Salzgitter
3,00
105,10
SGL Carbon
0
41,11
Stada Arzneimittel VNA 0,71
37,28
Südzucker
0,40
11,59
Symrise
0,50
11,80
Tognum
0,60
14,95
Vossloh
1,70
88,94
Wacker Chemie
3,00
125,74
Wincor Nixdorf
2,78
50,30
31.07.
30.06.
30.05.
30.04.
31.03.
29.02.
31.01.
15,53
10,10
117,34
7,43
41,50
43,46
20,99
30,39
35,29
23,01
4,85
12,26
39,26
52,20
53,21
8,75
21,19
18,47
41,81
30,64
11,81
76,66
50,08
24,47
12,20
79,59
32,36
50,95
15,35
24,97
26,64
11,63
19,90
34,64
7,69
34,64
11,63
5,47
207,65
39,48
20,65
105,66
42,98
33,27
11,23
11,01
14,14
83,07
133,30
48,19
15,57
10,10
115,22
7,38
46,77
55,33
22,98
33,10
30,29
24,31
5,84
12,01
43,10
54,87
60,00
9,02
22,44
17,99
49,40
31,35
13,03
92,17
64,61
32,52
12,52
366,30
36,38
54,35
20,63
26,08
27,20
11,42
20,72
34,67
8,67
13,43
13,99
6,37
213,16
45,91
20,17
116,40
44,59
45,62
11,52
13,80
17,12
82,80
132,76
44,22
19,13
10,95
115,34
11,62
50,67
59,50
27,20
24,51
37,15
26,16
6,99
15,08
42,85
56,55
64,76
11,05
25,03
22,19
55,56
35,44
16,07
110,15
74,40
32,15
15,47
301,34
38,79
53,87
21,73
28,99
32,58
11,52
27,78
30,90
12,44
16,95
13,50
9,06
251,34
51,02
19,85
126,30
47,80
42,15
14,60
16,04
18,38
93,10
153,95
51,05
24,04
12,16
117,47
12,07
54,69
55,09
27,55
34,10
35,56
27,32
7,04
16,21
46,44
53,20
65,95
11,07
23,75
18,92
53,53
34,96
15,30
108,04
66,15
33,37
16,18
269,59
35,16
54,58
23,64
25,01
34,32
10,75
29,48
27,12
13,66
13,93
13,67
9,98
228,76
48,69
19,42
132,12
43,81
43,61
14,62
15,93
18,50
92,94
159,00
49,14
20,67
13,36
108,08
12,67
53,29
54,56
31,36
34,47
28,92
26,58
7,29
15,04
45,72
52,75
59,09
11,88
21,30
15,94
48,25
33,02
17,01
109,07
58,00
32,06
17,72
207,31
32,41
51,70
21,76
25,43
30,32
9,02
26,75
25,08
16,00
16,93
14,16
13,70
243,94
44,70
18,77
110,19
40,00
46,01
14,05
16,36
13,89
89,36
129,78
50,70
22,45
13,36
99,20
11,67
52,95
52,54
37,92
35,10
28,28
25,14
6,92
17,44
49,23
55,65
53,50
11,01
21,59
15,54
31,57
16,10
105,55
72,14
39,55
23,10
192,76
31,38
51,14
21,34
25,20
27,90
9,32
33,60
26,55
14,70
16,52
14,84
14,26
235,56
46,21
19,10
117,18
37,01
46,42
14,50
17,98
16,10
91,87
142,11
52,69
22,60
15,32
96,54
12,43
51,55
41,76
39,25
33,79
27,01
24,08
6,17
17,04
50,45
52,28
51
12,12
20,60
13,75
29,88
18,16
100,33
67,23
36,21
22,70
168,28
27,48
51,88
21,18
23,20
27,75
10,52
35,79
29,27
14,76
14,23
12,90
13,43
240,25
47,46
17,89
104,32
33,68
42,05
14,22
16,66
16,40
82,50
143,86
51,72
DIE SDAX-WERTE
Unternehmen
Air Berlin
Alstria Office Reit
Arques Ind.
Bauer
BayWa
Biotest
C.A.T OIL
Colonia Real Estate
comdirekt bank
CTS Eventim
Curanum
D+S Europe
Dt. Beteiligungs AG
Deutsches Wohnen
DIC Asset
Dürr
Dyckerhoff VZ
Elexis
ElringKlinger
EM.Sport Media
Escada
Fielmann
Gerresheimer
Gerry Weber
Gesco
GfK
Grammer
GrenkeLeasing
HCI Capital
Highlight Comm.
Homag Group
H&R Wasag
IKB
INDUS Holding
Interhyp
Jungheinrich VZ
Koenig & Bauer
KWS Saat
Medion
MPC Capital
MVV Energie
Patrizia Immo
Rational
Sixt
SKW Stahl-Metal.
Springer Axel
TAG Tegernsee
Takkt
Vivacon
Wacker Constr.
letzte
Dividende
0,52
0,51
1,00
0,32
0,36
0,25
0,41
0,49
0,10
0
3,50
0
1,65
0,40
1,32
0,54
1,40
0
0
1,40
0,40
0,40
1,50
0,45
1,00
0,60
0,70
0,90
0,80
0
1,20
4,10
0,58
0,60
1,40
0,15
3,50
0,80
0
4,50
1,18
0,50
4,00
0,10
0,80
0,50
0,50
Hoch
Tief
(52 Wochen)
36,78
11,32
18,13
9,72
121,65
90,16
24,19
5,20
56,72
38,52
65,65
35,21
49,45
20,34
45,50
29,00
39,98
18,22
29,10
20,76
9,57
3,38
24,99
10,70
60,49
35,16
60,71
45,63
72,80
40,00
15,39
8,06
28,34
18,11
23,64
9,74
68,30
39,26
37,23
23,57
34,04
10,04
118,52
69,43
98,31
44,62
48,94
21,38
32,26
10,73
97,35
24,50
52,48
19,05
64,88
40,50
31,79
14,44
38,00
20,77
46,81
22,90
14,44
7,83
50,00
17,66
38,69
20,69
19,04
6,83
31,34
9,08
20,30
11,10
25,69
4,23
315,15 179,00
64,97
33,76
24,13
16,30
151,80
80,51
50,34
24,20
48,78
29,90
16,67
10,88
21,30
9,83
25,17
13,12
99,49
62,60
200,00 113,47
69,19
41,35
SDAX VOM 29.08. 4 118,58 | 31.07. 4 791,88
29.08.
31.07.
30.06
30.05.
30.04.
31.03
29.02.
31.01.
4,05
10,23
9,27
57,46
32,94
60,20
6,54
5,75
6,98
27,60
3,90
13,00
18,00
9,94
13,81
23,09
43,95
16,00
15,74
2,48
12,75
51,99
34,41
19,12
52,00
25,20
15,13
23,00
8,93
6,88
16,43
16,35
2,34
18,67
63,94
16,50
16,60
118,64
11,95
27,25
32,90
2,76
119,95
20,60
19,15
71,40
4,57
10,75
9,82
6,92
3,43
10,85
7,65
61,65
42,00
57,99
7,57
7,21
7,07
27,60
3,99
12,90
17,82
7,77
15,21
23,80
44,00
15,85
17,56
2,49
12,92
52,42
33,31
19,33
55,00
23,64
15,91
26,49
7,46
6,94
17,15
7,46
2,17
18,27
64,01
16,65
18,12
128,75
11,12
29,70
31,36
2,53
199,50
22,53
19,60
76,48
4,73
10,90
7,75
7,80
3,80
10,50
5,80
61,32
41,65
53,50
9,00
7,05
7,25
27,60
4,03
13,02
16,06
9,57
16,04
25,99
43,80
17,00
60,19
2,38
13,50
45,85
32,36
20,02
49,75
28,47
16,27
21,11
8,24
7,15
18,65
13,24
2,80
21,49
63,50
17,70
18,73
146,00
10,00
33,45
32,91
3,11
128,10
25,12
18,40
68,68
5,42
11,19
6,05
9,44
7,58
11,50
7,45
67,46
41,80
45,01
9,35
10,60
8,30
27,60
4,76
13,00
17,97
14,96
20,60
32,00
46,75
18,03
72,60
2,78
14,30
49,40
34,90
23,25
54,22
28,00
16,93
25,80
11,52
6,88
22,05
16,00
3,75
25,01
66,71
22,09
21,60
160,13
13,70
44,90
31,25
3,75
143,39
34,30
27,02
70,39
6,30
11,45
8,67
12,12
8,01
12,55
8,63
51,60
42,02
42,44
9,83
13,08
9,20
27,60
4,65
13,10
15,95
15,80
20,97
27,93
40,99
18,00
76,00
2,32
12,50
47,04
35,81
21,90
50,99
29,25
18,00
25,50
13,70
6,90
23,63
17,55
4,43
22,82
45,04
21,80
21,00
138,23
12,88
44,00
31,00
3,68
142,01
31,24
24,10
70,83
5,77
12,34
11,19
12,78
7,38
13,38
12,38
41,65
37,68
37,10
10,71
12,90
8,15
27,60
4,94
8,70
16,09
18,16
21,07
26,60
40,20
16,83
70,75
2,68
17,38
39,07
31,87
22,65
48,17
25,05
16,65
22,00
14,14
7,25
19,01
14,76
4,10
22,20
48,42
23,00
19,90
127,05
16,01
44,66
31,10
4,71
125,32
28,26
21,78
78,00
5,95
11,39
13,38
12,71
10,31
11,68
13,99
42,30
36,00
31,48
14,22
15,86
7,70
27,60
6,09
9,53
19,75
21,79
20,51
24,66
41,58
16,08
70,06
2,89
12,83
38,84
31,99
20,50
43,60
26,16
18,33
24,40
15,75
7,40
19,85
14,46
5,61
20,74
48,16
23,40
18,60
144,70
17,14
49,58
31,70
4,11
192,92
26,48
22,08
81,90
6,47
11,21
15,27
13,75
11,50
11,20
14,77
39,26
33,00
28,50
15,15
14,02
8,36
27,60
81,30
9,05
18,93
23,72
19 ,73
20,61
39,99
15,50
67,92
3,04
12,40
37,77
34,35
19,86
41,19
24,60
17,95
20,85
14,40
1,64
17,92
16,16
6,73
20,67
44,88
20,92
16,50
130,00
15,65
42,91
31,50
4,34
123,81
25,92
17,99
80,92
6,00
10,80
12,90
11,76
Hoch
Tief
(52 Wochen)
14,43
3,16
14,10
9,21
35,53
5,18
71,81
30,00
47,85
25,53
64,00
25,41
20,96
6,40
30,41
5,25
10,06
6,02
38,33
23,63
9,63
3,25
15,15
6,51
28,20
15,10
32,89
7,32
25,95
12,59
35,00
17,51
50,40
33,55
25,50
13,40
29,67
14,50
5,08
1,98
30,44
8,80
52,42
32,59
39,40
29,30
24,82
14,60
59,45
35,80
31,27
19,51
23,00
14,03
32,00
18,04
16,08
6,05
9,66
6,21
29,45
15,85
28,50
11,06
14,50
1,99
28,38
17,50
88,50
37,07
37,18
15,50
29,53
15,51
176,00 104,56
20,93
9,09
66,90
25,10
34,70
25,11
11,88
2,42
164,68 107,00
39,50
20,00
37,45
15,60
129,66
60,00
9,09
4,45
14,05
9,50
22,68
5,99
24,00
6,38
SPECIAL VERSICHERUNGEN
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
13
Turbo für die Rendite
Rente vor 67
Zukunft der PKV
Das verdrängte Risiko
Ein neues Konzept für fondsgebundene Lebensversicherungen ermöglicht respektable Garantien
– bei vollständiger Anlage in Aktien.
Seite 14
Mit dem Zeitwertkonto können Arbeitnehmer ihre Lebensarbeitszeit verkürzen. Auch steuerlich
ist das Instrument der bAV interessant. Seite 15
Zwei Klagen sind entscheidend für die weitere
Entwicklung in der privaten Krankenversicherung.
Seite 16
Noch steht die gesetzliche Pflegeversicherung gut
da. Doch ist schon jetzt absehbar, dass das System bald an seine Grenzen kommt.
Seite 16
Von der Automobilindustrie lernen
Was kommt nach der Industrialisierung? | Versicherer auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen
VON ELWINE HAPP-FRANK
D
ie vergangenen Jahren waren die
Versicherer damit beschäftigt, die
Industrialisierung ihrer Prozesse
voranzutreiben. Dabei haben die Gesellschaften gute Fortschritte erzielt. Doch die
Vorteile schmelzen dahin wie Butter in der
Sonne. Denn die Effizienzgewinne frisst
der harte Wettbewerb wieder auf. Die Versicherer müssen für die Zukunft neue Geschäftsmodelle entwickeln. Emotionalisierung der Produkte, Erweiterung des Leistungsangebots und Kooperationen sind
der Schlüssel zum Erfolg, stellt eine Studie
der Unternehmensberatung A.T. Kearney
fest. Dabei können die Unternehmen von
den Autoherstellern lernen.
Schwerpunkt der Industrialisierung der
Prozesse in der Versicherungswirtschaft
war die Konzentration beziehungsweise
Zentralisierung der Prozesse. Die Allianz
beispielsweise hat in den vergangenen Jahren ein völlig neues Betriebsmodell eingeführt: Die Post wird komplett eingescannt
und digital verteilt. Die eingehenden Telefonate werden an neu eingerichteten Computerarbeitsplätzen angenommen und
meist direkt am PC bearbeitet. Der klassische Sachbearbeiter bekommt nur die
komplizierteren Fälle auf den Tisch.
In ähnlicher Weise haben viele Gesellschaften ihre Prozesse durchleuchtet, angefangen vom Fuhrpark über Training bis
zur Druckerei und Kantine. In vielen Fällen
wurden diese Arbeiten an externe Partner
ausgelagert, sodass sich die Eigenfertigung
in den angestammten Geschäftsfeldern
der Versicherer wie Schaden oder Antrag
auf heute etwa 80% reduziert hat, so A.T.
Kearney.
Vergleiche mit anderen Branchen relativieren diesen Erfolg jedoch. Die Banken
sind mit einer Eigenfertigungstiefe von
derzeit knapp 70% der Assekuranz bereits
einen Schritt voraus. Das Outsourcing von
Abwicklungsprozessen ist Branchenstandard. Die Postbank beispielsweise erledigt
für die Deutsche Bank, die Dresdner Bank
sowie die HypoVereinsbank den Zahlungsverkehr. Viele Institute haben die Wertpapierabwicklung an entsprechende Factories ausgelagert.
So weit so gut – die Automobilindustrie
ist hier aber noch viel weiter. Im Schnitt
liegt die Eigenfertigungstiefe bei gerade
einmal 20%. Die Hersteller fokussieren sich
konsequent auf „identitäts- und positionierungsbestimmende Ausschnitte der
Wertschöpfung“, heißt es in der A.T. Kearney-Studie. Die Branche arbeitet mit einer
Vielzahl von Zulieferern zusammen und
geht Entwicklungskooperationen ein.
Die sicherlich deutlichen Erfolge bei der
Industrialisierung haben die Profitabilität
und das Wachstum bei Versicherungen
nicht verbessert. Effizienzgewinne fließen
direkt in einen ruinösen Preiswettbewerb.
Das vom GDV prognostizierte Beitragswachstum von nominal 0,8% für 2008 bedeutet real eine Marktschrumpfung. Da
der Konzentrationsgrad in der Branche bereits hoch ist, kann zusätzliches Wachstum
– in einem gesättigten Markt – kaum durch
Übernahmen kommen.
Die Industrie muss sich also nach neuen
Modellen umschauen. Der Blick fällt dabei
wieder auf das Vorbild der Automobilindus-
Das VW-Fan-Paket beispielsweise beinhaltet eine Autofinanzierung, eine Kfz-Versicherung, eine kostenlose Gap-Versicherung, eine Neuwagen-Anschlussgarantie
gegen unerwartete Reparaturkosten sowie
eine optionale Restschuldversicherung mit
kostenloser Arbeitslosigkeitsversicherung.
Steuern statt besitzen
Der VW Touareg und der Porsche Cayenne sind fast baugleich. Dennoch kann
Porsche einen Preisaufschlag von 15% realisieren. Auch die Versicherer wollen
nun ihre Produkte „emotionalisieren“.
Foto: Volkswagen
trie. Auch hier ist der Markt gesättigt. Dennoch weisen die Hersteller in den vergangenen Jahren ein robustes Wachstum von 3%
pro Jahr auf. Eine Ursache dafür ist, dass
die Autobauer einen großen Teil der Effizienzgewinne in das Innovationsmanagement investieren.
Ein wesentlicher Baustein ist dabei die
Emotionalisierung der Marke. Dieser Faktor ermöglicht Autoherstellern einen Preisaufschlag bei ansonsten gleichwertigen
Produkten. So besteht beim VW Touareg
und beim Porsche Cayenne aus technischer Sicht ein Übereinstimmungsgrad
von 92%. Unterschiede beim Markenprofil
und Image führen jedoch zu Preisunterschieden von rund 15% und in der Folge zu
Margenunterschieden von 200% zugunsten von Porsche.
Bei den Massenmodellen gehen die
Pkw-Hersteller dazu über, ihr Angebot
durch All-Inclusive-Pakete zu differenzieren. Statt einem Auto wird heute Mobilität
gegen eine monatliche Rate angeboten.
Abgesehen davon, dass die Versicherer von
diesen Aktivitäten der Autohersteller profitieren, können sie ähnliche Konzepte für
ihre Kunden entwickeln. Dabei sollten sie
sich, wie die Autoindustrie, auf folgende
Punkte fokussieren:
n Emotionalisierung von Produkt und Marke,
n neue Leistungsangebote durch Erweiterung von Aktivitäten in angrenzenden
Märkten sowie
n Komplexitätsmanagement durch reduzierte Eigenfertigung und Kooperationen.
Der Punkt Emotionalisierung ist bei Versicherungen schwierig, denn dabei handelt es sich um eine trockene, zum Teil
auch komplizierte Materie. Versicherer
müssen deshalb versuchen, mit serviceorientierten Problemlösungen statt reiner
Kostenerstattung das Produkt Versicherung erlebbar zu machen. Dabei wird insbesondere der Schadenfall zum zentralen
Prüfstein für das Serviceversprechen des
Versicherers.
Geeignete Themen für Paketangebote
sind „Mobilität“, „Urlaub und Reise“,
„Haus und Heim“ sowie „Gesundheit“. Beispiele dafür gibt es bereits. Die Kfz-Assistance des ADAC wurde als „gelber Engel“
positioniert. Die Allianz verkauft seit 2004
spezielle Assistance-Policen, etwa einen
Haus- und Wohnungsschutzbrief inklusive
eines Schlüsselnotdienstes, HandwerkerService und Schädlingsbekämpfung. Assistance-Tarife, die Pflege-, Einkaufs- und
Haushaltshilfen nach Unfällen bieten, sind
besonders bei älteren Kunden populär.
Erfolgreiche Versicherer bieten weit mehr
als Assistance-Dienstleistungen an. Zum Beispiel in der Kfz-Versicherung: Kaum eine Gesellschaft beschränkt sich auf die reine Erstattung von Gutachter- und Reparaturkosten. Längst wurde das Produkt durch Assistance-Leistungen im Schadenfall wie Hol-/
Bringservice, Abschleppservice oder Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges aufgepeppt.
Darüber hinaus kann der Versicherer selbst
als Anbieter von Reparaturleistungen auftreten. Die HUK-Coburg arbeitet beispielsweise mit zahlreichen Kfz-Werkstätten zusammen und erzielt durch die Bündelung
von Auftragsvolumina Kostenvorteile. In
einem nächsten Schritt hat der Versicherer
nun eine Beschaffungsplattform für Ersatzteile entwickelt. Darüber hinaus bietet
die HUK nun auch anderen Kfz-Versicherern und Flotten eine Kooperation zur Nutzung des Werkstattnetzes an.
Diese Konzepte könnten noch weiter
ausgebaut werden. Denkbar wäre das Angebot neuer Mobilitätsbündel – zum Beispiel rund um Gebrauchtwagen. „Die Rolle
des Versicherers wäre die eines Geschäftsmodell-Betreibers mit nur geringer Eigenfertigungstiefe“, meint A.T. Kearney. Denn Versicherungsunternehmen müssen ihr Geschäftsmodell so steuern, dass sie die originäre Eigenleistung verringern – getreu dem
Grundsatz „Lieber steuern als besitzen“.
Private Krankenversicherung
„Privat krankenversichert –
das ist ’s !
Ich habe mich entschieden.“
Warten auch Sie nicht länger auf Wunder!
Nach dem Motto „leistungsstark zu günstigen Preisen“
bietet die INTER privaten Gesundheitsschutz auf TopNiveau:
Einbettzimmer und Chefarztbehandlung
Leistung auch oberhalb der Höchstsätze der Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte
100 % Erstattung für ambulante Behandlung (Hausarztprinzip)
Leistungen für Heilpraktiker-Behandlung
Noch Fragen?
Wir beantworten Sie gern.
Noch interessanter durch kundenorientierte Highlights:
Sie senken Ihren Beitrag durch einen sinnvollen Selbstbehalt
Dieser Selbstbehalt entfällt bei Unfall
Eine attraktive erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung
ermöglicht weitere Kostensenkungen
24 Std. medizinische Hilfe über unser Service Center
INTER Versicherungen
Hauptverwaltung
Erzbergerstraße 9 – 15
68165 Mannheim
Service Center 0621 427-427
Telefax 0621 4 27- 944
E-Mail: [email protected]
www.inter.de
Und das Beste zum Schluss:
33-jährige Frau
33-jähriger Mann
244,50 € 174,02 €
594_36/08_WK
Monatsbeitrag*
Monatsbeitrag*
* Tarif INTER ComfortLine S20,1.200 Euro Selbstbehalt pro Jahr über alle Leistungsbereiche,
zzgl. Pflegepflichtversicherung;
Maßgebend für Beiträge und Leistungen sind die jeweiligen gültigen Tarife und Bedingungen.
stalten –herheit
e
g
t
f
n
u
Zuk
mit Sic
SPECIAL VERSICHERUNGEN
14 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Renditeturbo mit Schleuderschutz
Fondsgebundene Lebensversicherungen | Mit dem Konzept der Variable Annuities bieten Versicherer flexible, sichere Angebote
vorderster Front agierend. Variable Annuities sind demnach nichts anderes als
fondsgebundene Rentenversicherungen,
bei denen sich der Kunde für die Anlage
seiner Sparanteile bis zu 100% in Aktien
entscheiden kann und ihm dennoch eine
Mindestrente garantiert ist. Grote zufolge
muss in den Produktunterlagen deutlich
zum Ausdruck kommen, dass es sich um
eine Endfälligkeit dieser Garantie handelt.
Bei der konventionellen Rentenversicherung besteht die Garantie darin, dass die
Jahr für Jahr festzulegende Gutschrift tatsächlich erfolgt, und dass das jeweils entsprechend gestiegene Sparguthaben dem
Versicherten fest garantiert ist sowie dem
Zugriff des Versicherers entzogen bleibt.
Was diese Garantie kostet, erfährt der Kunde nicht. Anders bei den Variable Annuities, hier zielt die Garantie auf den Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten Fälligkeit ab. Wer zwischenzeitlich storniert, hat
eben keine garantierte Leistung, gegebenenfalls erhält er Teile der bezahlten Garantiekosten ausbezahlt, jedenfalls muss,
so Grote, dem Kunden angezeigt werden,
was die Garantien kosten und was davon
tatsächlich verbraucht worden ist.
VON PAUL KELLENBENZ
D
as starre Garantiekorsett der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherung hindert die Versicherer daran, die langfristig deutlich rentablere Aktienanlage zu forcieren. So legen die
Versicherer jeweils im Voraus den Zinssatz
fest, den sie ihren Kunden am Jahresende
gutschreiben. Der scharfe Wettbewerb
sorgt dafür, dass dieser Satz engen Kontakt
hält zur Rendite der Staatsanleihen. Die
Ende 2007 für das laufende Jahr beschlossenen Gutschriften lagen im Branchendurchschnitt bei 4,3%, die Umlaufsrenditen der Staatsanleihen im Dezember 2007
ebenfalls.
Die Folge ist, dass die Kapitalanlagemanager sich im Wesentlichen auf zinssichere
Anlagen konzentrieren und sich nur dann
größere Aktienengagements leisten können, wenn ihre finanzielle Ausstattung bestens und damit ihre „Risikotragfähigkeit“
entsprechend groß ist, was nur bei wenigen Versicherern der Fall ist. Hätte etwa
ein Versicherer mit geringer Risikotragfähigkeit den gesetzlich erlaubten Spielraum
– einen Aktienanteil von bis zu 35% – voll
genutzt, käme er wohl im laufenden Jahr
angesichts der bisherigen Kursverluste in
die Bredouille, denn diese könnte er aus
den Zinsen seiner restlichen Kapitalanlagen schwerlich kompensieren. So ist die
Branche der Aktie gegenüber sehr zurückhaltend, im vergangenen Jahr kam sie auf
einen Anteil von nur 12% und diesen dürfte sie mittlerweile noch deutlich verringert
haben.
Komplexe Konstruktionen
Neue Konzepte für fondsgebundene Lebensversicherungen nutzen den Bullenmarkt und gehen beim Bärenmarkt nicht baden. Dabei sind selbst bei vollständiger Anlage in Aktien respektable Garantien bei der Versicherungsleistung möglich.
Foto: Bilderbox
Die Neuerung kommt
aus den USA
Die Versicherer haben in den vergangenen
Jahren deshalb fondsgebundene Produkte
forciert, bei denen der Kunde den Aktienanteil – jedenfalls in Grenzen – selbst bestimmen kann, aber auch das Kapitalmarktrisiko zu tragen hat. Dabei wurden
zunehmend Techniken entwickelt, die es
ermöglichen, bestimmte Leistungen eben
doch zu garantieren. Wie so häufig kommen diese Neuerungen aus den USA, und
eine, die wohl in den nächsten Jahren
schnell an Bedeutung gewinnen dürfte,
heißt Variable Annuities. Hierbei sind
selbst bei vollständiger Anlage in Aktien
respektable Garantien möglich. In einer
Euroforum-Konferenz zu diesem Thema in
Köln stellte der Versicherungsspezialist
Joachim Grote von der Kanzlei Bach, Langheid & Dallmayr seine Definition vor, die
verkürzt wie folgt lautet: Variable Annuities sind „fonds- oder indexgebundene Lebensversicherungen (...) mit (...) garantierter Mindestleistung, deren Bewertung abhängig von der zu Grunde liegenden Kapi-
talanlage ist und die nicht durch eine Deckungsrückstellung (...), sondern durch derivative Finanzinstrumente im Wege des so
genannten dynamischen Hedgings abgesichert wird“.
Worum es hierbei aus Kundensicht geht,
ist ganz einfach, so der souveräne Tagungsleiter Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften in Ulm und bei der Entwicklung hochkomplexer Finanzmarkttechnologien an
So einfach die Kundensicht ist, so komplex
ist die Konstruktion der Garantie. Da ist
der rechtliche Rahmen, der die Konstruktion von Variable Annuities bislang in
Deutschland nicht zulässt, wobei allerdings das Bundeskabinett mittlerweile Vorschläge zur Änderung des Versicherungsaufsichtsrechts verabschiedet hat, mit denen diese auch hierzulande eingeführt
werden können. Wie Grote darstellte, lässt
die einschlägige EU-Richtlinie im Vergleich
zum deutschen Aufsichtsrecht viel weitergehende gesetzliche Regelungen zu. Hiervon hätten einige EU-Länder Gebrauch gemacht, etwa Luxemburg und Irland. Im
Rahmen der Dienstleistungsfreiheit können deutsche Versicherer mit einem dort
beheimateten Kooperationspartner Variable Annuities auch in Deutschland anbieten.
Was nun die Garantie anbetrifft, so werden hierzu Ruß zufolge Hedging- und Finanzderivate eingesetzt. Bei der Diskussion der Details, Variationen und Finessen
waren die meist mathematisch versierten
Virtuosen in Sachen Finanzmarkttechnologie so in ihrem Element. Hier sei darauf
verzichtet, sich auf das Glatteis des Versuchs einer Widergabe zu begeben, mit
Ausnahme der Tatsache, dass sich die Experten einig darüber waren, dass diese
Technologien es ermöglichten, die langfristigen Renditechancen einer Aktienanlage
so mit hohen garantierten Rentenzahlungen zu kombinieren, dass ein bisher nicht
mögliches Optimum im, so die Axa in ihrer
Produktinformation, „Rendite-GarantieDilemma“ erreicht wird.
Wichtig ist, dass diese Technologien
zwar eigentliches Bankgeschäft seien, doch
habe, so Ruß, der Versicherer Vorteile bei
Gestaltung wie Finanzierung der Garantie.
Dieser muss also mit einem Bankpartner
kooperieren oder aber er stellt die Garantie
selbst dar und muss hierzu sozusagen eine
eigene Bankabteilung mit entsprechendem Know-how aufbauen.
Die hierzu erforderlichen Ressourcen
haben freilich nur die Großen der Branche. Die Axa, die bereits vor etwa zwei Jahren aus Irland heraus die Rolle des Pioniers
im deutschen Markt übernommen hatte,
hat sich für diese interne Lösung entschieden. Fabian Rupprecht von der Geschäftsleitung der Axa-Winterthur in der Schweiz
und Konstrukteur sowie Promotor der Variable Annuities in Deutschland unter dem
Namen TwinStar bezifferte die Einführungskosten auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Allerdings fallen darunter
auch die Kosten der Einführung in anderen
EU-Ländern und in der Schweiz. Er stellte
aber auch klar, dass dabei eine Menge
Grundlagenarbeit drinstecke, die jetzt
kommende Nachahmer nutzen könnten.
Damit meinte er auch, dass sich die Axa für
kleinere Versicherer als Kooperationspartner anbiete.
Produkte mit dem
neuen Konzept
TwinStar von Axa, mit dem sich auch Riestern lässt, bietet Rupprecht zufolge eine
garantierte Rente, die etwa 10% bis 20%
über der von Direktversicherern angebotenen konventionellen Rente liegt. Der Kunde kann seine Anlagestrategie selbst festlegen und aus fünf Dachfonds oder acht Ein-
zelfonds einen Dachfonds oder drei Einzelfonds wählen, wobei der Aktienanteil bei
100% liegen kann. Sowohl bei der Einzahlung als auch beim Leistungsbezug gibt es
eine bei der konventionellen Rente nicht
mögliche Flexibilität. So sind einerseits bei
laufender Prämie Einmalzahlungen möglich, andererseits kann auf das angesammelte Kapital zurückgegriffen werden oder
aber es wird eine laufende Rente gewählt.
Diese Wahlmöglichkeit besteht bis zum 85.
Lebensjahr. Die Garantie kostet bei laufender Prämienzahlung 0,75% bis 1,05% und
bei Einmalzahlung 1,1% bis 1,75%.
Der zweite Versicherer, der Variable Annuity nutzte, war Ergo mit Global topReturn. Angeboten wird die Rentenversicherung über eine Luxemburger Tochter einer
Ergo-Tochter, also sozusagen von einem
Ergo-Enkelchen. Frank Neuroth, Vorstand
bei den Ergo Lebensversicherern, zufolge
war für die Einführung unter anderem ausschlaggebend, dass der Vertrieb Produkte
mit laufender Beitragszahlung will. Dem
Kunden wird, wie Neuroth in Köln ausführte, eine Mindestverzinsung von 3% auf den
Sparanteil garantiert. Je nach Risikoneigung kann er in vier Strategiedepots in
Fonds namhafter Kapitalanlagegesellschaften investieren, wobei jederzeit ein Wechsel von Depot zu Depot möglich ist. Der
Ansparvorgang lässt sich völlig flexibel gestalten, so sind neben laufenden Beiträgen
Einmal- und Zuzahlungen sowie Anpassungen möglich. Die Rente startet mit 60
oder auch erst mit 85 Jahren.
Erst kürzlich hat die Allianz ihr VariableAnnuity-Produkt, Allianz Invest4Life vorgestellt. Wie Alf Neumann, Leiter der „Life
Product Development“ in „Global Life“ der
Allianz in Köln ausführte, handelt es sich
hierbei um eine Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag. Der Kunde kann zwischen zwei Anlagestrategien wählen, entweder mit 50% oder mit 75% Aktienanteil.
Die Rente wird sofort, spätestens aber
nach 15 Jahren bezogen, sie kann nie sinken und ist lebenslang garantiert; steigt sie
als Folge günstiger Kursentwicklung, wird
auch die erhöhte Rente garantiert. Neumann: „Wir sind bei diesem RentenLocking aggressiv vorgegangen.“ Bei Storno wird der vorhandene Fondswert ausbezahlt. Die Garantie kostet 1,2% bis 1,6%.
bAV sollte Chefsache sein
Kosten rücken in den Fokus
Betriebliche Altersvorsorge | Die Hälfte der Beschäftigten nutzt Steuervorteile nicht
Neue fondsgebundene Rentenversicherung der WWK | Vorteile bei der Abgeltungssteuer
VON ROLF DUBEN*
D
ass die gesetzliche Rente heutzutage keinesfalls mehr sicher ist, das
weiß mittlerweile jedes Kind. Ganz
sicher ist dagegen: Wer später seinen
wohlverdienten Ruhestand genießen oder
einfach den gewohnten Lebensstandard
halten möchte, der muss zusätzliche Vorsorge betreiben. Wie die Studie „Kundenkompass Betriebliche Altersversorgung“
von Delta Lloyd und dem F.A.Z.-Institut
zeigt, haben mittlerweile auch viele Arbeitnehmer in Deutschland die Notwendigkeit einer zusätzlichen Altersversorgung erkannt: Acht von zehn Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen
sorgen neben der gesetzlichen Rente zusätzlich für das Alter vor. Besonders bei
der privaten Altersvorsorge hat die Nachfrage in den letzten Jahren deutlich angezogen.
Die Nachfrage nach Produkten für die
betriebliche Altersversorgung (bAV) fällt
dagegen nach wie vor bescheiden aus:
Mehr als die Hälfte der Beschäftigten lässt
ihr Recht auf eine steuerbegünstigte Altersvorsorge ungenutzt. Nur rund 47% verfügen bislang über entsprechende Anwartschaften. Dabei wurden die gesetzlichen
Rahmenbedingungen für die bAV in den
letzten Jahren erheblich verbessert: 2005
wurde mit dem Alterseinkünftegesetz der
Rolf Duben, Leiter Firmengeschäft der
Delta Lloyd Deutschland AG: „Viele Arbeitgeber haben einfach immer noch
nicht erkannt, dass die bAV ein schlagkräftiges Argument im Kampf um Talente ist.“
Foto: Delta Lloyd
Übergang zur nachgelagerten Besteuerung
eingeleitet und Ende 2007 hat der Gesetzgeber beschlossen, dass die Beiträge zur
bAV weiterhin sozialabgabenfrei bleiben.
Ebenso wurde die Portabilität erleichtert,
sodass bestehende Anwartschaften beim
Wechsel des Arbeitgebers einfacher übertragen werden können.
Hauptargumente gegen den Abschluss
FÜR DIE B AV FEHLT DAS GELD
Gründe gegen den Abschluss einer bAV
38,4
Geld für Zusatzvorsorge fehlt
31,1
Bisherige Altersvorsorge reicht nicht aus
15,7
Nie mit dem Thema bAV beschäftigt
Leistungen in der
Auszahlungsphase sind zu gering
Beschäftigte kennen bAV-Angebot und Info-Stellen
nicht, wollen Arbeitgeber nicht aktiv danach fragen
14,4
11,0
Private Altersvorsorge ohne Beteiligung
des Arbeitgebers ist attraktiver
8,5
Zu viel Bürokratie bei bAV
5,9
Furcht vor Abhängigkeit und eingeschränkter
Flexibilität durch bAV-Vertrag
5,7
Furcht vor Problemen bei Arbeitgeberwechsel
4,2
In % aller Beschäftigten, die bislang nicht über bAV vorsorgen.
Mehrfachnennungen möglich
Grafik: WirtschaftsKurier 2008, Delta Lloyd, F.A.Z.-Institut
einer bAV sind der Studie zufolge knappes
Geld und falsche Sicherheit: 38,4% der befragten Beschäftigten geben an, ihnen fehle gegenwärtig das Geld für eine bAV und
34,1% gehen irrtümlicherweise noch immer davon aus, dass ihre bisherige Altersvorsorge ausreicht, um ihnen im Alter einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. 15,7% der Befragten haben sich
noch nie mit dem Thema beschäftigt. 11%
kennen weder das bAV-Angebot ihres Arbeitgebers, noch wissen sie, wo sie sich informieren können.
Doch was ist es dann, was Arbeitnehmer
dazu bringt, eine betriebliche Altersversorgung abzuschließen? Der Studie von Delta
Lloyd und dem F.A.Z.-Institut zufolge steht
und fällt der Erfolg der bAV mit dem Engagement des Arbeitgebers. Ein aktiver Chef
und lukrative Rentenprodukte überzeugen
die meisten Beschäftigten. Wenn sich der
Arbeitgeber zudem finanziell beteiligt, wird
die Betriebsrente noch attraktiver. Allerdings geht nur jeder vierte Arbeitgeber von
sich aus aktiv mit einem Angebot zur bAV
auf seine Mitarbeiter zu. Nur in gut jedem
zweiten mittelständischen Unternehmen
bietet das Management den Beschäftigten
Informationsveranstaltungen und ausführliche Beratungsgespräche. Knapp 30% der
Beschäftigten geben an, ihr Arbeitgeber
habe sein bAV-Angebot nur einmal auf einer Mitarbeiterversammlung präsentiert
und danach nicht mehr viel davon hören
lassen. Nur wenige Befragte können über
ihren Arbeitgeber Beratungsgespräche mit
Fachberatern in der eigenen Wohnung vereinbaren. Auch die Zahl der Angestellten,
die Informationen über Tarifangebote von
Gewerkschaften erhalten, ist gering. Viele
Arbeitgeber haben wohl einfach immer
noch nicht erkannt, dass die bAV ein
schlagkräftiges Argument im Kampf um
die Talente ist und ein wichtiges Instrument der Mitarbeitermotivation darstellt.
Ein ganz erstaunliches Ergebnis der Studie ist, dass sich jeder zweite Befragte dafür
ausspricht, die Vorsorgepflicht über eine
betriebliche Altersversorgung gesetzlich zu
verankern. Viele Beschäftigte sind sich anscheinend der unzureichenden Zusatzvorsorge für den Lebensabend bewusst und
das schlägt ihnen offensichtlich auch aufs
Gewissen. Doch sie brauchen wohl den
staatlichen Druck, um in Sachen betriebliche Zusatzvorsorge aktiv zu werden.
*Rolf Duben ist Leiter Firmengeschäft
der Delta Lloyd Deutschland AG.
VON RAINER GEBHART*
A
nleger, die im Rahmen ihrer Altersvorsorge die Renditechancen der
globalen Aktienmärkte nutzen
möchten, wählen die Anlageform häufig
nach den Kriterien „Qualität der angebotenen Anlagealternativen“ und „hohe Flexibilität bei Ein- und Auszahlungen“ aus.
Doch auch das Merkmal „Steuer- und Kosteneffizienz“ rückt zunehmend in den Fokus der Anleger.
Die Abgeltungssteuer zwingt Anleger ab
dem 1. Januar 2009, Kursgewinne ihrer
Wertpapiere unabhängig von der Haltedauer zu versteuern. Und dies nicht zu
knapp: Gewinne werden pauschal mit einem Steuersatz in Höhe von 25% zuzüglich
Solidaritätszuschlag und eventueller Kirchensteuer besteuert.
Anders fondsgebundene Lebensversicherungen: Wurden sie seit dem 1. Januar 2005 abgeschlossen, unterliegen Erträge unter bestimmten Voraussetzungen zu 50% dem persönlichen Einkommenssteuersatz. Die Erträge aus diesen
Versicherungen werden auch nach der
Einführung der Abgeltungssteuer weiterhin unverändert besteuert. Selbst beim
derzeit geltenden Höchststeuersatz von
42% werden bei Einhaltung der Voraussetzungen lediglich 21% der Erträge besteuert.
Anleger können also durch die Wahl einer fondsgebundenen Versicherung anstel-
le einer Aktienfondsanlage ab 2009 ihre
Steuerbelastung deutlich verringern. Entscheidet sich der Sparer statt der Auszahlung für eine Verrentung des angesparten
Vermögens, ist zudem nur der geringe Ertragsanteil zu versteuern.
Künftig rücken auch Kostengesichtspunkte bei fondsgebundenen Tarifen
stärker in den Blickpunkt der Anleger.
Durch das neue Versicherungsvertragsgesetz wollte der Gesetzgeber eine deutliche Verbesserung bei der Transparenz
bei Finanzprodukten schaffen. Im Rahmen der Novellierung müssen Anbieter
von Lebensversicherungen seit dem 1.
Juli 2008 bei allen Produkten ihre einkalkulierten Kosten in Euro und Cent angeben. Kunden sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, Produkte besser vergleichen und damit auch kosteneffiziente Angebote auswählen zu können.
Eine Versicherungslösung, die den Anforderungen der Anleger in hohem Maße
gerecht wird, ist der neue fondsgebundene
Rentenversicherungstarif „WWK Premium
FondsRente maxx“, den die WWK Lebensversicherung a. G. seit Anfang Juli 2008 anbietet.
Vergleicht man mit der Vergleichssoftware „LV-Win“ des unabhängigen Analysehauses Morgen & Morgen die entsprechenden Tarife verschiedener Anbieter, so
überzeugt die WWK mit ihrem neuen Tarif
bei einer Vielzahl von Vertragskonstellationen mit einer sehr guten Ablaufleistung.
Künftig rücken Steuer- und Kostengesichtspunkte bei fondsgebundenen Tarifen
stärker in den Blickpunkt der Anleger.
Foto: Bilderbox
Rainer Gebhart, Vorstand der WWK
Versicherungen: „Anleger können
durch die Wahl einer fondsgebundenen Versicherung anstelle einer Aktienfondsanlage ab 2009 ihre Steuerbelastung deutlich verringern.“ F.: WWK
Damit zählt die Versicherung in diesem
Marktsegment zu den kostengünstigsten
Serviceversicherern am deutschen Versicherungsmarkt.
Die Tarifkonstruktion ist zudem äußerst flexibel: Im Rahmen eines Lebensphasenmodells vereinbart der Kunde zunächst eine Grundphase. Je nach Dauer
schließt sich daran automatisch eine Abruf- beziehungsweise immer eine beitragsfreie Verfügungsphase bis zum Alter
80 an. Optional steht danach noch eine
Renditephase zur Verfügung. Flexible
Zuzahlungen in der Ansparphase zur
Optimierung der individuellen Steuersituation sind jederzeit möglich.
Auf der Anlageseite steht im Rahmen einer „Open Architecture“ eine Vielzahl von
top-gerateten Fonds namhafter Investmentgesellschaften zur Verfügung. Insgesamt kann aus einer Palette von knapp 50
Fonds, dem Garantiefondskonzept „DWS
FlexPension“ und der speziell konzipierten Anlagestrategie „WWK Premium Basket“ gewählt werden.
Die neue Versicherungslösung wurde bereits vor Produktstart von der anerkannten Ratingagentur Franke & Bornberg mit
der Bestnote „FFF“ in allen Ratingkategorien ausgezeichnet.
*Rainer Gebhart ist
Vorstandsmitglied
der WWK Versicherungen.
SPECIAL VERSICHERUNGEN
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
Zeitwertkonto gewinnt an Bedeutung
Betriebliche Altersvorsorge | „Sechster“ Durchführungsweg
VON PAUL KELLENBENZ
I
mmer mehr Arbeitnehmer haben offenbar begriffen, dass sie verstärkt für
ihr Alter vorsorgen müssen, und die
Förderung durch den Staat kann sich ja
durchaus sehen lassen. Dies gilt sowohl
für die Vorsorge in eigener Regie und
durch die Riesterrente, und dies gilt auch
für die betriebliche Altersvorsorge. Auf
mehr als 17 Mio. wird die Zahl jener Arbeitnehmer geschätzt, die in den Genuss einer
betrieblichen Rente kommen. Bis zu einem
Betrag von 2 544 Euro können sie jährlich
über ihren Arbeitgeber in eine Betriebsrente einzahlen, und dies frei von Steuerund Sozialabgaben. Hierzu werden entsprechende Teile ihres Gehalts – seien es
Abzüge aus dem Monatssalär, seien es Abzüge aus Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld oder aus Leistungsprämien –
umgewandelt, daher die Bezeichnung Entgeltumwandlung.
Signifikante Verbesserung
Hier hat es zu Jahresbeginn eine signifikante Verbesserung gegeben, denn die bis Ende
2007 befristete Befreiung von Sozialabgaben dieser Entgeltumwandlung hat der Gesetzgeber aufgehoben. Obwohl der gesunde
Menschenverstand gar keine andere Entscheidung zugelassen hätte, war diese keineswegs selbstverständlich, schließlich
richtet sich der Fiskus nicht an diesem aus,
sondern daran, was ihm mehr in die Kassen
spült. Dass der Verzicht darauf, dieses in
Rentenansprüche umgewandelte Gehalt
mit Sozialabgaben zu belegen, nur recht
und billig ist, ergibt sich daraus, dass die
dann im Alter bezogene Rente ohnehin mit
Abzügen für die gesetzliche Kranken- sowie
Pflegeversicherung belastet wird. Privat
Krankenversicherte sind hierbei ohnehin
schon insofern im Vorteil, als ihre Rente von
derlei Belastungen frei ist.
Insgesamt gibt es fünferlei Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge, wobei rund zwei Drittel aller begünstigten Arbeitnehmer mehr oder weniger
vom Unternehmen unterstützt werden.
Traditionell die Nase vorn hat die so ge-
nannte Pensions- oder Direktzusage. Obwohl hier die Arbeitnehmer selbst zusätzlich einzahlen können, bringen in der Regel die Unternehmen die Mittel für diese
Form der Altersvorsorge auf. Hierfür bilden sie Rückstellungen, die wiederum den
Vorteil haben, dass sie zur Innenfinanzierung der Unternehmen beitragen und es
diesen ermöglichen, Steuerzahlungen in
die Zukunft zu verschieben. Der Deckungsstock, den die deutsche Wirtschaft
hierfür aufgebaut hat, dürfte sich mittlerweile auf rund 240 Mrd. Euro belaufen.
Auch beim Durchführungsweg der Unterstützungskasse finanzieren die Arbeitgeber
in der Regel die Altersvorsorge allein und
haben hierfür Deckungsmittel in Höhe von
etwa 40 Mrd. Euro gebildet.
Bei den anderen drei Durchführungswegen, das sind die Pensionskasse, die Direktversicherung und der Pensionsfonds, finanzieren die Arbeitnehmer ihre Altersvorsorge selbst, gegebenenfalls unterstützt
vom Arbeitgeber. Es empfiehlt sich, den Arbeitgeber hierauf anzusprechen, denn der
Betrag an Sozialabgaben, der bei der Entgeltumwandlung beim Arbeitnehmer entfällt, fällt auch beim Arbeitgeber weg. Hier
verbleiben die angesammelten Mittel jedoch nicht im Unternehmen, sondern werden weitergeleitet an eine Pensionskasse
beziehungsweise einen Pensionsfonds oder
– im Falle der Direktversicherung – an eine
Lebensversicherung. Zusammen sind für
diese drei Varianten der betrieblichen Altersvorsorge bisher Deckungsreserven von
etwa 150 Mrd. Euro gebildet worden.
Probleme beim
Arbeitsplatzwechsel
Probleme können entstehen beim Wechsel
des Arbeitgebers. Im Falle der zuletzt erwähnten drei Durchführungswege können
Betriebsrenten, die ab 2005 abgeschlossen
wurden, im Rahmen der Höchstgrenze von
63 300 Euro auf den neuen Arbeitgeber
übertragen werden. Dieser muss die bisher
erworbenen Ansprüche in sein Regelwerk
übertragen und seinem neuen Arbeitnehmer einen entsprechenden Anspruch einräumen. Dies ist allerdings nicht immer
Auf mehr als 17 Mio. wird die Zahl der Arbeitnehmer geschätzt, die in den Genuss
einer betrieblichen Rente kommen.
sinnvoll, denn nur dann, wenn bei diesem
Qualität und Spielregeln der betrieblichen
Altersvorsorge gleich oder zumindest ähnlich sind, ist eine solche Übertragung ohne
Leistungsverlust möglich. Wenn gewisse
attraktive Leistungskomponenten bei der
Übertragung verloren zu gehen drohen, ist
es sinnvoller, die beim bisherigen Arbeitgeber erworbenen Ansprüche bestehen zu
lassen und beim neuen Arbeitgeber neue
Ansprüche aufzubauen.
Seit dem Beschluss des Gesetzgebers, das
Renteneintrittsalter sukzessive auf 67 Jahre
zu erhöhen, gewinnt das Instrument des
Zeitwertkontos an Bedeutung, und dies
umso mehr, als die Tage der staatlich geförderten Altersteilzeit gezählt sind. Bietet ein
Arbeitgeber solche, gelegentlich als sechsten Durchführungsweg bezeichnete Zeitwertkonten an, was zunehmend auch tarifvertraglich geregelt wird, kann der Arbeitnehmer hierüber seine Lebensarbeitszeit
!"#!#$#%
&&$
'()&*#
+
+
!""#$"%!##&'("%!##
)*+,*
-./-
/0/1)10
23" &! $$4-5
666**
verkürzen, sei es, dass er früher in Ruhestand geht, sei es, dass er eine Auszeit etwa
zur Kindererziehung oder auch als Sabbatjahr nimmt. Das Gehalt wird in der Freistellungsphase aus dem Zeitwertkonto bezahlt
und der Sozialversicherungsschutz bleibt
erhalten. Gefüttert wird das Zeitwertkonto
durch Gutschrift von geleisteten Überstunden oder auch von Resturlaubstagen etc.
sowie durch laufende Einzahlung aus dem
Bruttogehalt oder Einmalzahlungen aus
Sonderleistungen des Unternehmens oder
Gewinnbeteiligung.
Absicherung gegen Insolvenz
Da das Unternehmen dieses Instrument
beispielsweise auch dazu nutzt, saisonale
Schwankungen seines Arbeitsanfalls auszugleichen, sind die Interessen allerdings
nicht immer deckungsgleich, so wird die
Firma schwerlich bereit sein, Guthaben im
Gleitzeitkonto ins Zeitwertkonto zu über-
tragen. Doch wird der Betriebsrat in aller
Regel bei der Festlegung der Rahmenbedingungen hinzugezogen und er kann seinen Einfluss geltend machen, wenn es darum geht, die Art und Weise sowie die
Höhe der Einzahlungsmöglichkeiten festzulegen. Wird etwa in Form von Zeit eingezahlt, wird diese nach aktueller Gehaltshöhe in Geldwerte umgerechnet. Zu versteuern sind die angesammelten Guthaben
erst, wenn hieraus Gehalt bezahlt wird,
dann werden auch Sozialabgaben fällig.
Dies ist auch der Fall, wenn sich ein Arbeitnehmer bei Kündigung sein Guthaben
auszahlen lässt, weil sein neuer Arbeitgeber dieses Instrument nicht nutzt. Doch
trotz Steuer- und Sozialabgabepflicht kann
diese Einmalauszahlung steuerlich immer
noch recht günstig sein.
Die Gothaer Versicherung, die unkomplizierte Zeitkonten-Lösungen und flexible
Arbeitszeitmodelle für jede Unternehmensgröße anbietet, legt Wert darauf, die begünstigten Arbeitnehmer im Falle einer Insolvenz des Unternehmens zu schützen. Bisher ist es absurderweise so, dass zwar die
Unternehmen verpflichtet sind, die Zeitwertguthaben vor einer etwaigen Insolvenz
zu schützen, doch wird dies nicht kontrolliert. Im Arbeitsministerium geht man davon aus, dass mehr als die Hälfte der betreffenden Unternehmen hier nicht vorgesorgt
haben. Kommt es dann zum Crash, kommen die Guthaben in die Insolvenzmasse
und sind verloren. Der Gothaer zufolge ist
die derzeit einfachste und auch häufigste
Lösung des Problems die Verpfändung der
Guthaben an die Arbeitnehmer. Bei größeren Belegschaften bezeichnet sie es als sinnvoll, die Verwaltung einem Treuhänder zu
übertragen. Bei der Verpfändungs- wie bei
der Treuhandlösung sind die Zeitwertkonten vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters gesichert. Doch scheint auch der Gesetzgeber begriffen zu haben, dass er hier
gefordert ist. Durch das „Flexi II“-Gesetz sollen künftig die mit Sanktionsmöglichkeiten
ausgestatteten Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung kontrollieren, ob
die Unternehmen für Insolvenzschutz gesorgt haben.
15
TIPPS.
Arbeitnehmer mit BU-Police schützen
wie sein Auto: Die eigene Existenz sollte nicht schlechter geschützt sein als
das Auto. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Police) ist für Wolfgang
Otte von der Volksfürsorge deshalb
nichts anderes als eine Kaskoversicherung für den Hauptverdiener. Denn was
ist, wenn man durch einen gesundheitlichen Crash beruflich aus der Bahn geworfen wird? Die private Berufsunfähigkeitsversicherung hilft da mit einer
Rente finanziell aus der Klemme. Mit
der Erhöhung des Rentenalters auf 67
Jahre wird es immer unwahrscheinlicher, dass man seinen Job bis zur normalen Altersrente durchhält. Dabei hat
sich der Charakter dieser Gefährdung
in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Es sind nicht mehr
so sehr körperliche Leiden, die den
Ausstieg aus dem Job erzwingen. Vielmehr bedeuten immer häufiger psychische Erkrankungen das Ende des Berufslebens. Laut Marktführer Allianz tritt
die Berufsunfähigkeit derzeit im Schnitt
schon mit 43,4 Jahren ein.
Wer bei PKV-Ärger schnell hilft:
Wenn es bei der Beratung nicht geklappt hat oder wenn es Ärger mit
der privaten Krankenversicherung
gibt, dann hat der Bundesbürger
mehrere Anlaufstellen. Zum einen
kann man sich an die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin,
www.bafin.de) wenden. Außerdem ist
Helmut Müller der neue Ombudsmann
für Kunden, die sich mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) streiten. An den außergerichtlichen Streitschlichter können sich
sowohl privat Krankenversicherte
wenden als auch Kunden, die Probleme mit einer Zusatzversicherung haben (www.pkv-ombudsmann.de). Müller erwartet, dass die Zahl der Beschwerden in Zukunft weiter steigen
wird. Ursache dafür sei auch die
jüngste Gesundheitsreform, aus der
sich neue Fragen ergeben dürften. Als
Beispiele nannte er etwa den Basistarif und die Übertragbarkeit der Alterungsrückstellungen.
Mzg
SPECIAL VERSICHERUNGEN
16 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Die Zukunft der Krankenversicherung
Zwei Klagen sind entscheidend für die weitere Entwicklung | Annäherung der Systeme der PKV und der GKV?
VON ELWINE HAPP-FRANK
E
s bleibt spannend, wie die Zukunft
der privaten Krankenversicherung
aussehen wird. Durch die Belastungen der Gesundheitsreform stehen die Gesellschaften zwar vor großen Herausforderungen, aber die Folgen sind doch nicht so
dramatisch, wie ursprünglich angenommen. Jedenfalls kommt eine Studie von
FitchRating mit dem Titel „Nun da sich
der Nebel lichtet“ zu dem Schluss, dass es
wohl nicht „zu dem beschworenen Szenario einer Abwärtsspirale für die Krankheitsvollversicherung kommen wird“.
Allerdings sehen laut Fitch „gewisse politische Kreise“ die Gesundheitsreform als
Versuchsballon an, um die Effekte der Portabilität der Alterungsrückstellungen und
des Basistarifs zu testen. Sollten diese
Maßnahmen überschaubare Konsequenzen nach sich ziehen, dürften Teile der Politik versuchen, die Daumenschrauben für
die PKV weiter anzuziehen. Dazu kommt,
dass sich die PKV-Branche über die zukünftige Entwicklung selbst nicht einig ist.
In letzter Zeit sei ja schon zu beobachten
gewesen, dass die Einheit der PKV-Branche
Risse bekommt, heißt es in der Studie.
Die nähere Zukunft der privaten Krankenversicherung wird durch den Ausgang
von zwei Klagen bestimmt: Eine betrifft die
Einführung des Basistarifs, die andere eine
GKV-Zusatzversicherung, die de facto die
gleiche Leistung wie eine private Krankenversicherung bietet.
Der Klage gegen den Basistarif vor dem
Bundesverfassungsgericht, die am 31.
März 2008 eingereicht wurde, haben sich
30 PKV-Unternehmen angeschlossen, die
95% aller privat Versicherten repräsentieren. Die Versicherungen argumentieren
damit, dass der Basistarif nicht kostendeckend sei, sodass die anderen privaten Ver-
sicherten diesen Tarif mit Mehrbelastungen subventionieren müssten.
Allerdings drängt die Zeit. Denn dieser
Teil der Gesundheitsreform tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Dass die Verfassungsrichter in Karlsruhe noch in diesem Jahr
ein Urteil fällen werden, gilt als unwahrscheinlich. Für den Fall, dass sich das Verfahren in die Länge zieht, hat sich die PKV
vorbereitet. Sollte sich im Oktober 2008
kein Urteil abzeichnen, will der Verband
eine einstweilige Verfügung beantragen.
Ein Ziel der Gesundheitsreform war es,
den Wechsel zwischen verschiedenen privaten Krankenkassen zu erleichtern. Ein
besonderes Hindernis war dabei die Mitnahme der Alterungsrückstellung, die jetzt
mit dem neuen „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ möglich ist. Im ersten Halbjahr 2009
können nun zum ersten Mal Bestandsversicherte unter teilweiser Mitnahme der angesparten Mittel in den Basistarif eines anderen PKV-Unternehmens wechseln.
Doch nicht alle Krankenversicherer sind
begeistert über die neuen Möglichkeiten
des Wettbewerbs. Insbesondere „ältere“
Gesellschaften, die dieses Geschäft schon
länger betreiben und deren Kundenstamm
ein höheres Durchschnittsalter hat, fürchten Abwanderungen. Denn diese Unternehmen mussten in den vergangenen Jahren aufgrund steigender Aufwendungen
zum einen die Beiträge anheben, zum anderen eine teilweise restriktive Erstattungspolitik fahren. Die „jüngeren“ Krankenversicherer wie die Axa, Central, HUK Coburg,
LVM und andere sahen in dem neuen Gesetz Chancen, Kunden abzuwerben.
Der Kompromiss: Man einigte sich darauf, dass die Kunden beim Wechsel zu einer anderen Krankenkasse 18 Monate im
Basistarif bleiben müssen, den ab 2009
jede private Krankenversicherung anbieten muss. Allerdings macht das den Wech-
Durch die Belastungen der Gesundheitsreform stehen die privaten Krankenversicherer zwar vor großen Herausforderungen, aber die Folgen sind doch nicht so
dramatisch, wie ursprünglich angenommen.
Foto: Fotolia
sel ziemlich unattraktiv. Denn die Konditionen des Basistarifs sind in etwa vergleichbar mit der gesetzlichen Krankenversicherung. So kommt es nun darauf an, wie
innovativ die Gesellschaften sein werden,
um mit Zusatzversicherungen das Manko
des Basistarifs abzufangen.
Die Klage gegen die Einführung des Basistarifs beinhaltet auch eine Überprüfung
der 18-Monats-Frist. Wenn diese Regelung
durch das Verfassungsgericht gekippt wird,
dann rechnen einige Versicherer mit einem
massiven Neugeschäft im ersten Halbjahr
2009, berichtet Fitch. Insgesamt geht man
davon aus, dass jeder 15. privat Versicherte
wechselwillig ist. Das bedeutet eine Anzahl
von 400 000 bis 600 000 Verträgen.
BASISTARIF
Ab 1. Januar 2009 muss jede private
Krankenversicherung einen Basistarif
anbieten. Die Leistungen sind vergleichbar mit denen der GKV. In den
Tarif können privat Versicherte in der
Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2009
unter Mitnahme der Altersrückstellungen wechseln. Danach können sie nur
dann in den Basistarif wechseln, wenn
sie das 55. Lebensjahr vollendet haben oder wenn Rentenanspruch oder
Hilfsbedürftigkeit besteht.
Darüber hinaus steht dieser Tarif allen
Neukunden der PKV, die ab dem 1. Januar 2009 einen Vertrag abschließen,
ohne zeitliche Beschränkung offen.
Überdies können freiwillig Versicherte
innerhalb von sechs Monaten nach
Einführung des Basistarifs beziehungsweise innerhalb von sechs Monaten
nach Beendigung der Versicherungspflicht wechseln. Dritter Personenkreis
sind bislang nicht Versicherte, die auf
diese Weise wieder einen Krankenversicherungsschutz erhalten können.
Die Beiträge richten sich nur nach
dem Eintrittsalter und dem Geschlecht
des Versicherungsnehmers, aber nicht
nach dem Gesundheitsstatus. Es wird
zwar eine Gesundheitsprüfung durchgeführt, die jedoch nur für die Bestimmung des Risikoausgleichs notwendig ist. Die Versicherung kann keinen
Versicherten ablehnen, denn es besteht Kontrahierungszwang. Der Beitrag beim Basistarif darf den Höchstbeitrag in der GKV nicht überschreiten
(2008: 532,80 Euro). Eine kostenfreie
Mitversicherung von Ehegatten und
Kindern gibt es nicht.
Kein Selbstbehalt bei Unfall
Die Zeit drängt
Inter Krankenversicherung | Tarif ComfortLine mit verschiedenen Selbstbehalten
Pflegereform 2008 | Ohne weitere Verbesserungen kommt das System bald an seine Grenzen
D
ie Inter Krankenversicherung aG
reagiert auf den Versicherungsbedarf und hat dafür eine interessante Tarifstufe bei ihrem gut eingeführten
Produkt Inter ComfortLine mit verschiedenen Selbstbehalten konzipiert. So hat
der Tarif Inter ComfortLine S10 einen
Selbstbehalt von 600 Euro, die Produktvariante Inter ComfortLine S20 einen Selbstbehalt von 1 200 Euro.
Zu dem umfangreichen Leistungsangebot gehören:
■ die ambulante ärztliche Behandlung
und Arzneimittel,
■ 100% Erstattung (im Rahmen des Hausarztprinzips),
■ 100% Erstattung im Einbettzimmer und
Chefarztbehandlung,
■ übersichtliche Selbstbeteiligung über
alle Leistungsbereiche von 180 Euro beziehungsweise 1 200 Euro (CCLS 20),
■
■
■
■
■
■
■
sehr gute Leistungen für Heilpraktikerbehandlung und Psychotherapie,
100% Erstattung für Zahnbehandlung,
75% Leistung für Zahnersatz – auch für
Implantate (Implantate bis 3 750 Euro
pro Kiefer),
100% Erstattung für Heilmittel, wie Massagen, Krankengymnastik etc. (10%
Selbstbeteiligung max. 50 Euro),
100% Erstattung für Hilfsmittel, wie Sehhilfen, orthopädische Schuhe etc. (max.
300 Euro alle zwei Jahre),
ambulante Kurbehandlung bis jeweils
28 Tage,
sehr hohe, erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit sowie
umfassende medizinische Beratungsund Serviceleistungen mit Gesundheitsmanagement und ServiceCenter.
In allen drei Tarifvarianten wird bei
unfallbedingten Krankheitskosten auf
die Anrechnung des absoluten Selbstbehaltes verzichtet, sofern der Unfall sich
nach dem Versicherungsbeginn ereignete und weniger als 24 Monate zurückliegt.
Vor dem 1. Januar 2009 wird es keine
Beitragsanpassung für die neuen Tarifstufen geben. Auch die neue Sterbetafel
PKV 2007 ist bereits eingerechnet. Alle
drei Tarifvarianten bieten die Option,
zum Ende des dritten und des fünften
Versicherungsjahres, ohne erneute Risikoprüfung und Wartezeiten auf einen
niedrigeren Selbstbehalt innerhalb der
jeweiligen Produktlinie umzustellen. Bei
Leistungsfreiheit wird eine erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung von bis zu
sechs Monatsbeiträgen aus dem ambulanten und zahnärztlichen Beitragsteil
gezahlt.
Das verdrängte Risiko
Pflegeversicherung | Vorsorge in jungen Jahren zahlt sich aus
VON MICHAEL KURTENBACH*
I
Nach mehreren Jahren mit konstanten
beziehungsweise abnehmenden Beständen in der Krankenvollversicherung wittern zahlreiche Unternehmen erstmals
wieder die Möglichkeit für ein deutliches
Bestandswachstum. Einige Unternehmen
bewerben schon jetzt aktiv diese Wechselmöglichkeit und bieten Optionstarife an,
bei denen zum tatsächlichen Wechselzeitpunkt im ersten Halbjahr 2009 auf eine erneute Gesundheitsprüfung und die sonst
üblichen Wartezeiten verzichtet wird.
Gleichzeitig hofieren die Gesellschaften
ihre eigenen Versicherten, indem sie relativ
große Kulanz bei Abrechnungen zeigen,
und schieben Prämienanpassungen bis
nach dem 30. Juni 2009 hinaus.
Die Einführung des Basistarifs bedeutet
für die Versicherungen einen immensen
Aufwand. Die KarstadtQuelle Krankenversicherung AG und die BBV Krankenversicherung AG haben deshalb bereits ihr Neugeschäft in der Vollversicherung eingestellt
und ihre Bestände auf größere Gesellschaften übertragen. Fitch geht davon aus, dass
noch zwei bis drei weitere der insgesamt 40
deutschen Krankenversicherer die Kosten
schwer alleine schultern können.
Was die zweite Klage der privaten Versicherer gegen die quasi-private GKV-Zusatzversicherung betrifft, ist der Ausgang
ebenfalls ziemlich offen. Seit April 2007
bietet die AOK Rheinland/Hamburg Kostenerstattungstarife mit Leistungen wie
Chefarztbehandlung, Einzel- oder Zweibettzimmer bei Krankenhausaufenthalten
und volle Kostenerstattung bei Zahnersatz
an. Solche Wahltarife sind in der GKV seit
der Verabschiedung des Wettbewerbsstärkungsgesetzes möglich. Drei Versuche der
PKV, die Zusatztarife der AOK vor Gericht
zu stoppen, sind gescheitert. Die PKV sieht
sich gegenüber der GKV im Nachteil, weil
die Kassen als Sozialversicherungen steuerbefreit sind, kein Eigenkapital hinterlegen müssen, keine Solvabilitätsvorschriften erfüllen müssen und bei ihrer Tarifkalkulation keine Progression der Kosten im
Alter berücksichtigen müssen. Sollte die
PKV mit ihrer Klage keinen Erfolg haben,
dann stehen einige GKV-Unternehmen
schon in den Startlöchern, um ähnliche Tarife anzubieten.
Diese Entwicklungen könnten dahin
führen, wohin die Politik wohl ohnehin
tendiert: die Unterschiede in der privaten
und der gesetzlichen Krankenversicherung
zu egalisieren. Damit wäre die Basis für ein
einheitliches System geschaffen. Denn auf
Dauer werden sich die beiden Parallelwelten nicht finanzieren lassen.
mmer mehr gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland stellen sich in
der Gesundheitsversorgung auf ein höheres Maß an Eigenverantwortung ein.
Drei Viertel sind der Meinung, dass die
Ausgaben des Einzelnen im Krankheitsfall
stark steigen werden. Insbesondere bei den
finanziellen Mehrkosten im Alter, geben
sich die Kassenpatienten keinen Illusionen
hin. So halten 72% von ihnen eine private
Pflegeversicherung für wichtig. Dennoch
haben bisher nur 13% eine solche Police
abgeschlossen, um die drohende Versorgungslücke zu schließen. Bei keiner anderen Ergänzungsversicherung ist der Unterschied zwischen theoretischer Erkenntnis
und praktischem Handeln derart groß. Ein
wesentliches Hindernis auf dem Weg zum
Abschluss ist, dass es vielen Kassenversicherten an Orientierungshilfe fehlt. Viele
können den eigenen Bedarf an Ergänzungspolicen nicht richtig identifizieren
und haben damit auch keine Vorstellung
davon, wie sich Versorgungslücken schließen lassen. Das hat der Kundenkompass
Zusatzversicherung, eine repräsentative
Umfrage der Gothaer Krankenversicherung in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.Institut ergeben.
Eine knappe Mehrheit der gesetzlich
Versicherten in Deutschland steht ohne
privaten Zusatzschutz da. Nur 28% aller
Befragten planen, dies in absehbarer Zukunft zu ändern. Viele Versicherte vermeiden eine Auseinandersetzung mit dem
Thema, weil sie angesichts der komplizier-
ten Themenmaterie im Zusammenhang
mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ratlos sind. So beklagen
drei Viertel der Kassenpatienten, dass ihnen ein Überblick über die Lücken im Leis-
Michael Kurtenbach, stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Gothaer
Krankenversicherung.
Foto: Gothaer
tungskatalog der Krankenkassen fehlt.
Hinzu kommt, dass der Markt für Zusatzpolicen schwierig zu überschauen ist. Vor
dieser Herausforderung scheuen viele Befragte zurück. Maximal jeder zweite Kassenpatient verschafft sich vor dem Abschluss einer Zusatzpolice einen Gesamtüberblick über das Marktangebot, indem
er sich bei seiner Krankenkasse oder über
Verbrauchermagazine informiert. 38% vertrauen auf Ratschläge aus dem persönlichen Umfeld.
Insbesondere bei der Absicherung des
Pflegerisikos kann sich die Zögerlichkeit
der Kassenpatienten als bitteres Versäumnis erweisen. Denn auch hier gilt die Regel,
dass Absicherung in jungen Jahren sich im
Zeitverlauf günstiger auswirkt. Obwohl
dies vielen bekannt ist, zeigt die Befragung,
dass sich das abwartende Kundenverhalten kurzfristig nicht ändern wird. Nur 8%
der Kassenversicherten wollen in den
kommenden zwei Jahren für den eigenen
Pflegefall vorsorgen.
Das Risiko, einmal pflegebedürftig zu
werden, ist im Bewusstsein der Menschen
durchaus vorhanden. 71% der Männer und
73% der Frauen erkennen den Nutzen einer entsprechenden Zusatzversicherung
an. Allerdings denken viele Befragte, dass
die Zeit für einen Abschluss noch nicht gekommen sei. Die Scheu vor hohen Kosten
bildet dabei das Haupthindernis: Acht von
zehn Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Familienversicherten nennen die finanzielle Belastung
durch Ergänzungstarife als Grund gegen
den weiteren Abschluss von Versicherungen. Knapp 60% sehen den Kostenaspekt
sogar als sehr großes Hindernis an. Das gilt
neben der Pflegeergänzung auch für alle
anderen Ergänzungstarife wie beispielsweise Zahnbehandlung, Vorsorgeuntersuchungen oder Krankentagegeld. Das Kostenargument nimmt jedoch mit steigendem Haushaltsnettoeinkommen ab.
*Michael Kurtenbach ist stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der
Gothaer Krankenversicherung AG.
VON DR. ULRICH RUMM*
M
it dem am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetz hat die große Koalition auf ihrer Agenda für die aktuelle Legislaturperiode das Thema „Pflegereform
2008“ abgehakt. Tatsächlich enthält das
Gesetz einige Verbesserungen, wie zum
Beispiel eine Anhebung der Versicherungsleistungen, mehr Leistungen für Demenzkranke und einen Anspruch auf Pflegeberatung. Darüber hinaus besteht nun die
Möglichkeit für Arbeitnehmer, zehn Tage
so genannte Pflegezeit zur Organisation einer akut auftretenden Pflegesituation naher Angehöriger oder sechs Monate unbezahlte, jedoch sozialversicherte Freistellung zur Pflege von Angehörigen in Anspruch zu nehmen. Das sind sicher Fortschritte auf dem Weg zu einer besseren
Versorgung von Alten und Kranken.
Insgesamt gesehen wurde mit dieser Reform aber wieder eine Chance vergeben,
die soziale Pflegeversicherung auf eine
nachhaltig sichere finanzielle Basis zu stellen. Denn in dem Umfang, wie die allesamt umlagefinanzierten Leistungen ausgeweitet werden, werden sich demografisch bedingt die Finanzierungsprobleme
der sozialen Pflegeversicherung sogar verschärfen. Die großen Herausforderungen
des demografischen Wandels im Hinblick
auf eine nachhaltige Finanzierung finden
bei dieser Reform überhaupt keine Berücksichtigung.
Noch funktioniert das System
Genau genommen funktioniert die ja erst
1995 als umlagefinanziertes System eingeführte soziale Pflegeversicherung im Moment ja auch reibungslos. Denn die Finanzierungslast von Pflegefällen wird noch für
einige Jahre auf die breiten Schultern der
erwerbstätigen geburtenstarken Babyboomer verteilt, zahlen diese doch auch weitaus höhere Beiträge als die Rentner.
Doch was die Väter der Pflegeversicherung wie der damalige Gesundheitsminister Norbert Blüm als Errungenschaft feierten, wird auf längere Sicht zur Achillesferse
des Systems. Die Veränderung der idealtypischen Alterspyramide zu einem kopflastigen Gebilde wird der sozialen Pflegeversicherung noch arg zu schaffen machen.
Ein Grund dafür liegt darin, dass in
Deutschland der Nachwuchs fehlt. Nur um
eine stabile Altersschichtung und damit
noch nicht einmal die idealtypische Pyramide langfristig zu erhalten, wäre eine „Reproduktionsrate“ von über 2 notwendig.
Im Schnitt müsste demnach jede Frau im
gebärfähigen Alter 2,1 Kinder bekommen.
Diese Rate pendelt aber bereits seit rund
30 Jahren um einen Wert von 1,4 herum.
Somit wurden aber schon vor 25 Jahren
nicht die Mädchen geboren, die heute die
Kinder für eine stabile Altersschichtung
bekommen müssten. Das jüngst einge-
führte Elterngeld wird daran auf absehbare Zeit auch nichts ändern.
Grundsätzlich ist die Abweichung von
der Pyramidenform der Vergangenheit
durchaus positiv zu sehen. Denn diese Altersschichtung ist mit relativ vielen Sterbefällen pro Jahrgang verbunden. Hier haben
der medizinische Fortschritt und die ver-
Dr. Ulrich Rumm, Chef der Allianz Private Krankenversicherung. Foto: APKV
besserten Lebensumstände dafür gesorgt,
dass wir alle auf ein längeres Leben hoffen
dürfen.
Die umlagefinanzierte Pflegeversicherung sieht sich hingegen einer dramatischen Veränderung der Voraussetzungen
für ihr Funktionieren gegenüber: Wenn die
geburtenstarken Jahrgänge in etwa 15 bis
20 Jahren in das „pflegenahe“ Alter kommen, dann zeigt der so genannte Pillenknick bereits seine ersten Auswirkungen.
So wird die Altersgruppe der zwischen 20und 65-Jährigen schrumpfen. Prognosen
sagen einen Rückgang von heute 61% auf
53% im Jahre 2040 voraus. Gleichzeitig verdoppelt sich mit der steigenden Zahl von
Senioren bis 2050 wohl auch die der Pflegefälle.
In diesen Szenarien, die mit dem verstärkten Trend zur Kleinfamilie einhergehen, wird insbesondere die Pflege kranker,
älterer Menschen im häuslichen Umfeld
zu einer Randerscheinung. Zwangsläufig
gewinnt die professionelle, jedoch auch
weitaus teuere Pflege in stationären Einrichtungen an Bedeutung.
Da spielt es dann auch für die Höhe der
insgesamt in der Gesellschaft anfallenden
Pflegekosten keine Rolle, dass sich die Pflegebedürftigkeit von Senioren in immer höhere Altersjahrgänge verschieben wird. Im
Ergebnis ist zu erwarten, dass der demografische Wandel insgesamt zu mehr Pflegefällen führt und gleichzeitig die durchschnittlichen Kosten für die Pflege steigen.
Betrachtet man die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung – und diese ist
nicht erst seit gestern bekannt – dann zeigt
sich, was von vornherein absehbar war:
Die Konstruktionsfehler der Pflegeversi-
cherung werden das Umlageverfahren in
der Pflegeversicherung mittelfristig an den
Rand seiner Funktionsfähigkeit bringen. Es
droht eine Überforderung der dann Erwerbstätigen und der ohnehin brüchige
Generationenvertrag muss zunehmend in
Frage gestellt werden.
Voraussetzung für einen akzeptablen Lösungsweg muss deshalb Generationengerechtigkeit sein. Das kann unter den gegebenen Voraussetzungen aber nur dann
umgesetzt werden, wenn jede Generation
für sich selbst zusätzlich vorsorgt. Zweifellos kann der hierzu notwendige Schwenk
vom Umlageverfahren auf das generationengerechte Kapitaldeckungsverfahren
nur schrittweise funktionieren. Andernfalls
kommen die „Sandwich-Generationen“
unter die Räder. Denn sie müssen die heutigen Pflegefälle finanzieren und werden
gleichzeitig durch eigene Ansparleistungen
überfordert.
Hierzu gibt es bereits erste Überlegungen: Die Vorsorge dieser Generationen sollte über rechnerisch individualisierte Vorsorgebeiträge organisiert werden. Diese
Lösung wäre einem pauschalen prozentualen Zuschlag auf den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung vorzuziehen. Bei
der Aufgabe einer generationengerechten
Auflösung von Alterungsrückstellungen
würde eine pauschale Kapitalbildung versagen. Denn es ließe sich nicht verhindern,
dass letztlich eine Reihe von Jahrgängen
leer ausgehen würde. Es lässt sich heute
nicht prognostizieren, wann die Altersschichtung wieder stabil sein wird und ein
Umlagesystem wieder reibungslos funktionieren würde. Das wäre der Zeitpunkt, an
dem die Rückstellungen den Wert Null erreichen dürften.
Dieses Problem hat das Kapitaldeckungsverfahren, wie es bei der privaten
Krankenversicherung zur Anwendung
kommt, nicht. Es bietet beispielsweise das
Instrumentarium, um für jeden Jahrgang
bedarfsgerecht Alterungsrückstellungen
aufzubauen wie auch wieder abzubauen.
So funktioniert heute bereits die ebenfalls
1995 parallel zur gesetzlichen Pflegeversicherung eingeführte private Pflegepflichtversicherung.
Mit dem Einstieg in die Kapitaldeckung
bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung sollte die Politik aber nicht mehr
allzu lange warten. Die Zeit drängt. In rund
zehn Jahren beginnt der Prozess, dass geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen
und damit deren Beiträge zur Pflegeversicherung massiv sinken. Ein paar Jahre später steigt wiederum das Pflegerisiko dieser
Personen. Wenn dann die Ausgaben zur
sozialen Pflegeversicherung signifikant
steigen, ist es für eine zusätzliche Vorsorge
bereits längst zu spät.
*Dr. Ulrich Rumm ist Vorstandsvorsitzender
der Allianz Private
Krankenversicherung (APKV).
IMMOBILIEN
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
17
Globales Wachstum
Grünes Rechenexempel
Beglaubigte Energieeffizienz
Messen zu kleinen Preisen
Deutschland ist weltweit für Investoren ein wichtiger Standort, doch auch deutsche Immo-Unternehmen sind international aktiv.
Seite 18
Immobilienbesitzer und -nutzer wünschen sich
eine energetische Aufrüstung ihrer Objekte, sie
wollen allerdings finanziert sein.
Seite 18
Investoren achten stärker auf die nachhaltige
Ausstattung von Gebäuden – und zwar mit Brief
und Siegel.
Seite 19
Auch kleine Unternehmen wagen mit den Fixpreis-Angeboten von easyFairs ihren ersten
Messeauftritt.
Seite 20
Green is gold – und Voraussetzung für Erfolg
Expo Real 2008 | In zahlreichen Foren,Vorträgen und Diskussionen beschäftigt sich die Branche wieder mit nachhaltigen Immobilien
D
ie Expo Real in München wirft ihre
Schatten voraus. Die elfte internationale Fachmesse für Gewerbeimmobilien findet vom 6. bis 8. Oktober auf
dem Messegelände in München statt. Auf
der vergangenen Expo Real hatten sich
1 823 Unternehmen aus 43 Ländern auf
63 000 Quadratmetern präsentiert. Fast
24 000 Fachbesucher aus 77 Ländern interessierten sich damals für die Angebote
von Immobilien aus aller Welt. Zu den Top
Ten der Besucherländer zählten nach
Deutschland Großbritannien, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, die Tschechische
Republik und die Russische Föderation.
Zu den Ländern mit großer Ausstellungspräsenz in diesem Jahr gehört gerade
auch die Russische Föderation, aber auch
viele andere osteuropäische Märkte. Aus
Russland kommen 2008 über 70 Investoren, Projektentwickler und Dienstleister
sowie Städte und Regionen und damit so
viele wie noch nie zuvor. Umgekehrt wird
aber auch Russland für westliche Investoren ein immer interessanterer Markt, auch
wenn sich das Gros noch immer auf die
wirtschaftlichen Hot Spots Moskau und St.
Petersburg konzentriert. Mehr und mehr
in den Blickpunkt geraten jedoch auch die
so genannten Millioniki, also Städte in
Russland mit mehr als 1 Mio. Einwohnern.
Für diese regionalen Zentren wie etwa Ekaterinburg oder Samara werden für die
nächsten Jahre erhebliche Wachstumsraten prognostiziert. Im vergangenen Jahr
betrug der Investmentumsatz bei gewerblichen Immobilien in Russland allein gut 5
Mrd. US-Dollar – und das trotz anwachsender, weltweiter Kreditkrise.
Die Expo Real widmet speziell diesen
Millioniki zwei Veranstaltungen, zum einen den detaillierten Marktüberblick mit
dem Real Estate Investors Guide „Russische Föderation“ sowie innerhalb des Investment Locations Forum. Dort sprechen
Fachleute wie Georgii A. Ivanov, geschäftsführender Gesellschafter von Eurasia aus
Moskau, und Lawrence J. Mahon, Co-Bereichsvorstand Bau bei Basic Element. In
einem Russian Afternoon wird in der Media Lounge außerdem noch über die boomenden Städte Russlands und mögliche
Investoren diskutiert werden.
Begleitend zur Ausstellung widmet sich
die Expo Real im Rahmen ihres Konferenzprogramms zahlreichen Trends und Themen aus der Immobilienwirtschaft. So
zeigt die Vielfalt der nutzungsgebundenen
Immobilien das Special Real Estate Forum.
Hier werden Experten aus den Marktsegmenten Hotel, Büro, Einzelhandel und Lo-
Auch wenn die Immobilienmärkte noch von der US-Hypothekenkrise überschattet werden, erwartet die Branche auf der Expo Real in München bessere Zeiten, wobei es neben ökologisch aufgerüsteten Einzelobjekten vor allem auf dynamische Märkte ankommt. Weniger die USA (im Bild oben links New York) als vielmehr Länder wie die Türkei (Istanbul oben re.) sowie Russland (St. Petersburg unten li.) und Asien (Singapur unten re.) zählen zu den Wachstumszonen.
Fotos: Bilderbox
gistik ihre Projekte vorstellen und über die
Marktentwicklung in ihren Bereichen spekulieren. Im Investment Locations Forum
werden interessante und lukrative Investitionsstandorte weltweit aufgezeigt. Neben
den europäischen Ländern werden hier die
aufstrebenden Emerging Markets in Mittel- und Südosteuropa sowie Asien in den
Brennpunkt gerückt.
Selbstverständlich spielen auch nachhaltige Immobilien auf der Expo Real 2008
wieder eine wesentliche Rolle, nachdem
sie bereits 2007 die Diskussionen beherrscht haben. Die Expo Real wird deshalb einen eigenen „Green Thinker Award“
verleihen. Mit dieser von dem niederländischen Künstler David Veldhoen gestalteten
Skulptur – einer Art Brokkoli-Männchen –
sollen Projektentwickler ausgezeichnet
werden, die sich durch eine besonders
konsequente Ausrichtung um Nachhaltigkeit und ökologische Verträglichkeit verdient machen. Die Jury besteht neben
Anna Braune, Leiterin der Geschäftsstelle
der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, aus einer Reihe internationaler
Profis der Baubranche.
Innerhalb des Konferenzprogramms befasst sich das Expo Real Forum etwa in den
Diskussionsrunden: „Die globale Perspektive: Green is gold“ oder „N.N. Nutzer und
Nachhaltigkeit – Die unbekannte Größe“
mit nachhaltiger Immobilienwirtschaft.
Immerhin sind Immobilien, rein auf den
CO2-Ausstoß bezogen, die größten Umweltverschmutzer auf der Welt. In den
Städten summiert sich der Anteil, den Immobilien am CO2-Ausstoß haben, auf bis
zu 70%. Die renommierte Royal Institution
of Chartered Surveyors (RICS) hat nun
erstmals einen Katalog von Leitlinien zum
CO2-Management erstellt. In diesem „Carbon Management of Real Estate – A guide
to best practice“ werden Standards beispielsweise zu Techniken zur Reduzierung
der CO2-Emissionen und zur Vorhersage
der CO2-Bilanz einer Organisation gegeben. Aufgrund der steigenden Energiepreise werden ökologische Bauten mit
geringerem Energieverbrauch aber auch
zusehends lukrativer für Investoren – und
Mieter.
In der Diskussion „Green is gold“ wird
die globale Perspektive des Immobilienmanagements unter der Konstante des
ökologischen Bauens auf der Expo Real
von Experten von Wien bis Dubai diskutiert. Eine nicht unwichtige Rolle werden dabei auch Zertifizierungen wie die US-amerikanische LEED durch das Green Building
Council spielen.
uk
Die Branche rüstet sich für bessere Zeiten
Immobilienunternehmen in Deutschland | Die Mieten werden langfristig wieder steigen
D
ie erste Jahreshälfte 2008 erlebten
Immobilienunternehmen
in
Deutschland äußerst unterschiedlich. Soweit sie überhaupt Quartalszahlen
veröffentlichen, spielten bei auf Bestandswahrung fokussierten Unternehmen vor
allem Marktwertänderungen eine Rolle,
die die Ergebnisentwicklung nach unten
drückten. Denn noch immer stagnieren
die Immobilienpreise, gebremst von der
Zinsentwicklung und der sehr viel restriktiveren Kreditvergabe der Banken. Allerdings
prognostiziert der Immobilienverband
Deutschland (IVD) laut Wohnpreisspiegel
2007/08 wieder leicht ansteigende Immobilienpreise im Heimatmarkt, auf jeden
Fall sei der Sinkflug gestoppt.
Die Deutsche Annington Immobilien
GmbH (DAIG), Bochum, erweiterte ihr Immobilienportfolio im ersten Halbjahr und
erwarb im Ruhrgebiet von der Deutschen Angestellten-Wohnungsbau-Aktiengesellschaft
(DAWAG), Hamburg, 626 Wohnungen. Die
DAIG will die Wohnungen langfristig halten.
2007 erzielte die Deutsche Annington aus der
Immobilienbewirtschaftung Erlöse in Höhe
von 1,075 Mrd. Euro und aus dem Verkauf
von Immobilien 74,7 Mio. Euro. Das Adjusted
EBITDA kletterte auf 462,2 (452,3) Mio.
Euro, die FFO (Funds from Operations)
von 152,1 Mio. Euro auf 190,1 Mio. Euro.
Die IVG Immobilien AG, Bonn, musste
im ersten Halbjahr Marktwertänderungen
im Immobilienportfolio von minus 168,3
Mio. Euro verbuchen, auch wenn diese
nicht zahlungswirksam waren. In der Vergleichsperiode hatten die Marktwertänderungen noch mit plus 142,8 Mio. Euro zu
Buche geschlagen. Insofern schrumpfte
die Gesamtleistung von 525,2 Mio. Euro
zerns aus Düsseldorf – vormals RAG Imauf 463,2 Mio. Euro und das Adjusted EBIT
mobilien – konnte das EBIT von 39 Mio.
sank von 306,4 Mio. Euro auf 151,1 Mio.
Euro auf 86 Mio. Euro im ersten Halbjahr
Euro. Das Konzernergebnis sank von 184,9
2008 deutlich steigern. Hauptursachen daMio. Euro auf 51,1 Mio. Euro. Für das Gefür waren die erstmalige Einbeziehung der
samtjahr senkte die IVG die Prognose desseit Dezember 2007 at Equity bilanzierten
halb beim Konzernergebnis auf eine SpanTHS Wohnen sowie Veräußerungsgewinne
ne zwischen 50 Mio. Euro und 60 Mio. Euro
aus bereits 2007 vereinbarten, aber erst im
(bisher 90 Mio. Euro bis 100 Mio. Euro).
ersten Quartal 2008 durchgeführten Ver„Die IVG hat sich im ersten Halbjahr opekäufen von Gewerbeimrativ gut entwickelt. So
mobilien. Damit hat die
konnte zum Beispiel unser
Zwar stagnieren
Evonik ImmobiliensparGeschäftsbereich IVG Development sieben Projekte die Immobilienpreise te den angekündigten
Ausstieg aus den Gewersehr erfolgreich veräuweiterhin, doch
beimmobilien und die
ßern“, so der VorstandsKonzentration auf Wohvorsitzende
Wolfhard
der Sinkflug
nen weitestgehend abgeLeichnitz. Auch sei es geist gestoppt.
schlossen. Der Umsatz im
lungen, die Mieten weiter
zu erhöhen und den LeerReal Estate-Bereich des
stand abzubauen, außerdem laufe der AusEnergie-, Chemie- und Immobilienkonzerns
bau der Kavernenanlage auf Hochtouren.
Evonik kletterte um 4% auf 170 Mio. Euro,
Gegen den marktbedingten Rückgang bei
wobei hier vordringlich Verkäufe aus dem
der Bewertung setze die IVG auf eine forBauträgergeschäft zu Buche schlugen.
cierte Umsetzung ihres KostensenkungsDie Pirelli & C. Real Estate Deutschland
programms, mit dem jährlich 30 Mio. Euro
GmbH wird im September 2008 die deuteingespart werden sollen.
sche Zentrale in die Hamburger City Nord
Die Deutsche Wohnen AG hat sich nach
verlegen. Damit will die erst 2007 gegrünihrem Zusammenschluss mit der Berliner
dete Tochter der Pirelli & C. Real Estate SpA
GEHAG einer optischen Verjüngungskur
auch die erfolgreiche Integration der
unterzogen. Die Integration der GEHAG sei
DGAG Deutsche Grundvermögen AG und
– zumindest was die Personalstruktur beder BauBeCon und den weiterhin angetrifft – inzwischen abgeschlossen und Kosstrebten Expansionskurs dokumentieren,
teneinsparungen in Höhe von etwa 10 Mio.
immerhin stehen ihr dann mehr als 5 000
Euro ab 2009 anvisiert. Bei den WohneinQuadratmeter Bürofläche zur Verfügung.
heiten konnte das SDax-Unternehmen beErst im März hatte Pirelli innerhalb eines
reits 85% des Jahreszieles abverkaufen und
Konsortiums mit unter anderem der ita98 Mio. Euro einnehmen. Das EBITDA
lienischen Borletti Group den Erwerb von
ohne Restrukturierungsaufwendungen be49% an Highstreet von Arcandor bekannt
lief sich auf 65,5 Mio. Euro.
gegeben. Highstreet umfasst 164 LiegenDie Immobiliensparte des Evonik-Konschaften (Kaufhäuser) in Deutschland mit
einer Gesamtfläche von 3,2 Mio. Quadratmetern, darunter so stolze Kaufhaustempel wie das KaDeWe in Berlin oder das
Haus Oberpollinger in München. Die vordringlich auf Immobilien im Norden
Deutschlands fokussierte Pirelli RE erzielte
2007 einen Nettogewinn von 151,1 Mio. Euro.
Die Augsburger Patrizia Immobilien AG
konnte das erste Halbjahr 2008 mit einem
positiven Ergebnis abschließen, was angesichts der allgemeinen Immobilienkrise ja
bereits als Erfolg bewertet werden muss.
Im ersten Quartal hatte die Patrizia noch
deutlich rote Zahlen geschrieben, nach der
Jahreshälfte betrug der Vorsteuergewinn
2,7 Mio. Euro. Trotzdem hält der PatriziaVorstandsvorsitzende Wolfgang Egger an
einem Jahresergebnis von 25 Mio. Euro bis
30 Mio. Euro fest, da sein Geschäft sehr
stark saisonal beeinflusst sei. „Wir gehen
davon aus, dass der weitere Verlauf des in
der Immobilienbranche erfahrungsgemäß
stärkeren zweiten Halbjahres das Erreichen der Prognose sichern wird“, so Egger.
Die InCity Immobilien AG, Köln, spezialisiert auf die Entwicklung und Realisierung von Immobilien in Innenstadtlagen,
erzielte im ersten Halbjahr 2008 einen Umsatz (nach IFRS) von 33,6 Mio. Euro – eine
Steigerung von 165% gegenüber dem Vergleichszeitraum (der noch nach HGB bilanziert wurde). Das EBIT des erst 2007 an
die Börse gegangenen Unternehmens verbesserte sich auf rund 5,5 Mio. Euro. „Dank
der guten Geschäftsentwicklung im ersten
Halbjahr ist abzusehen, dass wir unsere
Gesamtjahresplanung erfüllen und damit
unser nachhaltiges Wachstum fortsetzen
werden“, so Vorstand André Peto.
Die mittelständische VIB Vermögen AG,
Neuburg an der Donau, die sich insbesondere auf Gewerbeimmobilien in Süddeutschland konzentriert, konnte die Umsatzerlöse auf 19,6 Mio. Euro mehr als verdoppeln und das EBIT um 146,8% auf 16,4
Mio. Euro kräftig erhöhen. Allein in der ersten Jahreshälfte investierte die VIB 48 Mio.
Euro in die Aufstockung ihres Immobilienbestandes, insgesamt sollen es 2008 etwa
100 Mio. Euro werden. Ende vergangenen
Jahres hatte die VIB außerdem die BBI
Bürgerliches Brauhaus Immobilien AG
übernommen und in diesem Jahr per Ergebnisabführungsvertrag an sich gebunden. Die auf Einzelhandelsobjekte ausgerichtete BBI steigerte ihre Umsatzerlöse im
ersten Halbjahr 2008 um 4,7% auf 11,17
Mio. Euro. Das EBIT sank hingegen von 4,7
Mio. Euro auf 3,51 Mio. Euro. Grund für
den Rückgang waren Sondereffekte im Vorjahr, wie eine einmalige Wertzuschreibung
im Bereich des historischen Altbestands.
Hoch qualifiziertes Personal
als Wettbewerbsvorteil
Die auf die Vermittlung von Gewerbe- und
Wohnimmobilien ausgerichtete DB Immobilien, Heidelberg, konnte den Umsatz
2007 um 14% auf 15,2 Mio. Euro Provision
steigern. Das vermittelte Objektvolumen
kletterte um 15% auf 344 Mio. Euro. Seit
2008 ist neben der Deutschen Bank auch
die Berliner Bank Kooperationspartner der
DB Immobilien und das bundesweite Filialnetz wurde um zwei neue Standorte erweitert. Im ersten Halbjahr 2008 verzeichnete das Unternehmen einen weiteren,
nicht genannten Umsatzanstieg gegenüber
dem Vergleichszeitraum. „Wir setzen weiterhin auf strategisches Wachstum und auf hoch
qualifiziertes Personal, das wir im eigenen
Unternehmen ausbilden“, so Dietmar Franz,
Geschäftsführer der DB Immobilien.
Die Real I.S. AG, eine 100%ige Tochter
der Bayern LB, sammelte im ersten Halbjahr 2008 um 15% mehr Eigenkapital im
Privatkundengeschäft ein als im Vergleichszeitraum. Die Asset ManagementGesellschaft für gewerbliche Immobilien
konnte gerade bei den geschlossenen Immobilienfonds deutlich zulegen. „Wir wollen mit dem Real I.S. Investmenthaus insgesamt bis Dezember die 500 Mio.-Grenze
wieder erreichen“, so Andreas Heibrock,
Mitglied der Geschäftsleitung von Real I.S.
Geschlossene Fonds allgemein seien im
Vorteil bei so wichtigen Themen wie Inflation und Abgeltungssteuer.
Die HSH Nordbank sieht sich als führenden Anbieter von Finanzierungs- und
Beratungsdienstleistungen für Immobilienkunden mit dem Fokus auf Gewerbeund Wohnimmobilien im Inland und einem internationalen Schwerpunkt in
Nordamerika, Skandinavien und Westeuropa. 2007 konnte der Geschäftsbereich
auf eine insgesamt positive Geschäftsentwicklung zurückblicken und ein Betriebsergebnis nach Risiko von 333 Mio. Euro
einfahren – 44% mehr als im Vorjahr. „Unser Geschäftsfeld war im vergangenen Jahr
maßgeblich von einer hohen Nachfrage
nach Immobilieninvestments geprägt“, so
Peter Rieck, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank AG.
Alles in allem wird erst die Vorlage der
Jahreszahlen 2008 zeigen, welche Auswirkungen die internationale Immobilienkrise
auf die deutschen Unternehmen tatsächlich hatte.
uk
IMMOBILIEN
18 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Weltweite Wachstumsmärkte für Immobilien
EXPO Real | Von Dubai bis Australien bieten sich interessante Chancen für Investoren
U
nbeachtet von der aus den USA
aus in die Welt schwappenden Finanzkrise erfreuen sich die internationalen Immobilienmärkte insgesamt
eines allgemeinen Wachstums. Hier sind
vor allem geografisch das östliche Europa
und Russland, aber auch Teile des Nahen
Ostens wie etwa das rasch wachsende Dubai und Schwellenländer wie Indien und
China an erster Stelle zu nennen.
Der deutsche Heimatmarkt ist einerseits
von stark ausgeprägten regionalen Unterschieden beherrscht, konnte sich insgesamt
aber nicht ganz von den Auswirkungen der
Finanzkrise abkoppeln. „Die Grundstimmung am deutschen Markt für Gewerbeimmobilien ist optimistisch“, zu dieser Einschätzung kommt aber Jürgen Michael
Schick, Vizepräsident und Pressesprecher des
Immobilienverband Deutschland (IVD) in
Berlin. Gerade auch in den großen Städten
konnte der Gewerbepreisspiegel des IVD
wieder steigende Mieten verzeichnen. Insgesamt musste der IVD aber immer noch
einen Rückgang von 1% bei den Gewerbemieten verzeichnen, nach 1,5% im Vorjahr.
Alles in allem betrachtet liegt nach der
Immobilienberatung King Sturge, Frankfurt und Berlin, in Deutschland zwar ein
Abschwung vor, doch gebe es keine heftigen Einbrüche wie in den USA oder Spanien. „Die deutschen Immobilienmärkte sind
solide finanziert, zeigen ordentliche Mietrenditen und gelten zudem als realistisch bewertet“, so Sascha Hettrich, CEO und Managing Partner bei King Sturge Deutschland.
Neben Deutschland und Russland spielt
auch Osteuropa eine wichtige Rolle, auch
wenn hier momentan ebenfalls eher Stagnation auf den Immobilienmärkten vorherrscht. Hier werden in Zukunft Lage und
Qualität die Diskussion beherrschen und
so manches vorschnell im Zuge des Booms
durchgezogene Projekt könnte sich langfristig nicht rechnen. Nachholbedarf ist auch
hier – ähnlich wie in Russland – bei den
Städten hinter den Hauptstädten, den so
genannten „Zweitstädten“, zu sehen, wo
noch Einkaufszentren und Büroimmobilien benötigt werden. Dass mit hochwertigen Immobilien auch in Osteuropa gut
Wohnen und arbeiten in der Moderne – in Deutschland: Bild links Spreebellevue in Berlin (Deutsche Annington), rechts oben das Hackesche Quartier, ebenfalls in
Berlin (IVG Immobilien AG), und rechts unten – mit der Anmutung eines gestrandeten Wals – das Airrail Center Frankfurt, eines der größten Gewerbeimmobilien-Projekte Europas, von der Fraport AG und der IVG Immobilien AG zusammen durchgeführt.
Fotos: Deutsche Annington, IVG
verdient werden kann, bewies die österreichische CA Immo International, eine Tochter der CA Immo, Wien, etwa durch den
Verkauf des Renaissance Towers in Warschau zu einem Preis, der 10% über dem
letzten Bewertungsergebnis lag.
Von ungebrochenem Wachstum gekennzeichnet ist auch Dubai am Persischen Golf. Die Nachfrage nach Wohnund Büroraum ist ungebrochen, denn hier
arbeiten zehntausende von Gastarbeitern
und Fachkräften, außerdem werden Büroflächen für die vielen internationalen Konzerne mit Repräsentanz in Dubai benötigt.
50 000 Wohnungen werden jährlich gebraucht, Schätzungen gehen davon aus,
dass sich die Stadtbevölkerung von Dubai
bis zum Jahr 2012 verdoppelt, von jetzt 1,3
Mio. auf 2,5 Mio. Einwohner. Investoren
werden seit der Öffnung des Immobilienmarktes für Ausländer im Jahr 2002 mit
Steuerfreiheit und Finanzierungshilfen
umworben, die meisten einheimischen
Immobilienunternehmen sind in der Hand
der Herrscherfamilie Al Maktoum. Kennzeichen für den Boom sollen Hochhäuser
setzen, so rechnet die Bundesagentur für
Außenwirtschaft mit 13 Türmen mit jeweils mehr als 100 bewohnbaren Stockwerken, die das Stadtbild prägen sollen.
Bisher existieren bereits sieben solcher
Wolkenkratzer. Gesamtbudget von fünf zu
bauenden Ungetümen über 600 Metern
Höhe: 7 Mrd. US-Dollar.
Dass auch in Australien Potenzial auf
dem Immobilienmarkt vorhanden ist, zeigt
die Real I.S. AG, München, die bereits den
vierten Bayernfonds Australien aufgelegt
hat mit einem Eigenkapitalvolumen von
135 Mio. Australischen Dollar. Real I.S. hatte bereits 2005 den ersten Australienfonds
aufgelegt, bei dem das Objekt schon 2007
wieder veräußert werden konnte und die
meisten Anleger Rückflüsse in Höhe von
147% erhielten. Immerhin verzeichnete die
australische Baukonjunktur in den vergangenen beiden Jahren Umsatzzuwächse von
je 6%. Auch in Australien steigen die Hypothekenzinsen und einige Hausbauer kommen in die Bredouille, doch von US-Zuständen ist das Land noch weit entfernt.
uk
Grünes Bauen muss sich rechnen
Nachhaltigkeit | Energetische Maßnahmen sind oft eine Frage der Finanzierung
G
Konzentrieren Sie
Ihre Lesezeit:
Unverzichtbar für Entscheider mit Überblick!
Bitte in Blockbuchstaben ausfüllen
Fax: 089 / 63 89 81-40
oder im Kuvert senden an:
WirtschaftsKurier, Parkring 4, 85748 Garching bei München
Ja! Wirtschafts-Wesentliches interessiert mich.
Bitte senden Sie mir kostenlos und unverbindlich die beiden nächstfolgenden
Ausgaben.
Das günstige Jahres-Abonnement von 19,– Euro inklusive Zustellgebühr
und Mehrwertsteuer (Inland) möchte ich wahrnehmen.
Ich zahle den Jahresbetrag nach Erhalt der Rechnung.
Firma
Name, Vorname
Telefon
Straße, Hausnummer
Postleitzahl, Wohnort
E-Mail
Datum
Unterschrift des neuen Abonnenten
Widerrufsgarantie: Sie können die Bestellung innerhalb von 10 Tagen nach Bestelldatum
(Poststempel) beim WirtschaftsKurier, Parkring 4, 85748 Garching bei München widerrufen.
Datum, Unterschrift
rüne Immobilien oder besser gesagt die Effizienz von Immobilien
gerade im Energiebereich spielen
eine immer größere Rolle. Sowohl Investoren als auch Mieter legen und werden darauf mehr Wert legen und nicht zuletzt fordert die Bundesregierung hier bei deutschen Immobilien einen hohen Standard
ein: nicht nur durch Förderprogramme,
sondern auch durch gesetzliche Maßnahmen wie die Energieeinsparverordnung
(EnEV), die die Mindesterfordernisse je
nach Gebäudebestand festlegt. Zum 1. Januar 2009 soll eine neue EnEV mit um
etwa 30% höheren Anforderungen in Kraft
treten, im Jahr 2012 sollen weitere Verschärfungen noch einmal 30% Einsparungen mit sich bringen. Schon mit der EnEV
2009 zählt Deutschland zu den Ländern
mit den schärfsten Effizienzanforderungen
auf der Welt, aber im Erlassen von Vorschriften macht Deutschland ja so schnell
niemand etwas vor. Sowohl Vermieter als
auch Mieter sehen jedoch in erster Linie
auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis (Mehrkosten auf der einen Seite stehen niedrigere Verbrauchskosten beziehungsweise höhere Mieterträge auf der anderen Seite gegenüber), während der Bundesregierung
in erster Linie an einer möglichst hohen
CO2-Einsparung gelegen ist, um ihren ambitionierten Vorgaben nachkommen zu
können.
Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI), Berlin,
hat in einer Studie einmal grundsätzlich
über die Wirtschaftlichkeit energiesparender Maßnahmen für selbst genutzte Wohnimmobilien und den vermieteten Bestand
nachgedacht. Die vom Institut Wohnen
und Umwelt GmbH durchgeführte Studie
basiert auf der Grundannahme, dass
Mehrinvestitionen für Klimaschutz über
erhöhte Mieten wieder hereingeholt werden (müssen) und nicht über etwaige
Energieeinsparungen. Insofern sind alle
Maßnahmen nur dann ökonomisch sinnvoll, wenn die notwendigen Preiserhöhungen am Markt auch durchsetzbar sind. Bei
Selbstnutzern, so die Studie, ergibt sich
über 20 Jahre hinweg rein rechnerisch eine
Wirtschaftlichkeit der energiesparenden
Maßnahmen, allerdings abhängig von der
Finanzierung – allerdings auch abhängig
von den prognostizierten Energiekosten.
Da kann es nicht wundern, dass bisher nur
etwa 1% der Gebäudehüllen energetisch
erneuert werden, die Hausbesitzer also
nach dem Motto „abwarten und Tee trinken“ verfahren.
Dazu passt vielleicht auch eine GfK-Studie im Auftrag der Allianz Deutschland AG,
die feststellte, dass für zwei Drittel aller Immobilienbesitzer ein niedriger Energieverbrauch bei selbst bewohntem oder vermietetem Eigentum besonders wichtig ist und
eine wachsende Zahl deshalb in den nächsten Jahren Maßnahmen zur Energieeinsparung vollziehen will. Dazu benötigen sie
jedoch, mangels eigenen Kapitals, verstärkt
verschlungen. Im Rahmen der Vorträge
auf dem Consense-Kongress stellte Martin Haas von Behnisch Architekten eine
einfache Rechnung über die Nachhaltigkeit von Bauprojekten und ihre Renditemöglichkeiten auf: Ein 40 Stockwerke hoher Büroturm in Chicago erhielt den
LEED-Zertifikations-Level Silber und kos-
Grünes Bauen erfordert qualifizierte Gütesiegel und erhält schöne Preise: So
wurde die Nullemissionsfabrik des Solarunternehmens Solvis AG in Braunschweig „PROM des Jahres 2007“, vergeben von der RWE Energy.
Foto: Solvis
Fremdfinanzierungsmöglichkeiten. Ein
weiteres Ergebnis der Studie war allerdings
auch die überraschende Erkenntnis, dass
90% der Eigentümer völlig ahnungslos darüber sind, wie viel Warmwasser sie benötigen und nur ein Fünftel tatsächlich Bescheid darüber weiß, wie hoch ihr Heizungsverbrauch ist. 73% haben außerdem
keinen Überblick darüber, wie viel Strom
sie benötigen. Immerhin sieht knapp die
Hälfte aller Befragten (49%) größere Modernisierungsmaßnahmen auf sich zukommen, während etwa 30% in den vergangenen vier Jahren Modernisierungsmaßnahmen durchgezogen haben, überwiegend in moderne Heizungsanlagen und
Heiztechnik sowie neue Fenster. Da sich
die Kosten bei durchschnittlich 28 000 Euro
einpendelten, sehen viele der Befragten
Bedarf in Fremdkapital.
Über die Notwendigkeit, mehr in der
energetischen Gebäudesanierung zu unternehmen, informierte die DGNB, Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen,
die sich für das von ihr erstellte Zertifizierungsmodell stark macht. Die DGNB stellte im Rahmen ihres Consense-Kongresses
und ihrer Ausstellung in der Messe Stuttgart einige Fakten vor: In Altbauten muss
drei bis fünf Mal so viel Energie aufgewendet werden wie in Neubauten, wobei
etwa ein Viertel (23%) des Gesamtenergieverbrauchs für das Beheizen von Gebäuden eingesetzt wird. Würden nur 50%
aller Gebäude saniert, könnten etwa 200
Mio. Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Für eine Emissionsminderung um
20% im Bausektor bis 2020 würden zwischen 800 Mrd. Euro und 1,1 Bio. Euro
tete im Bau 200 Mio. US-Dollar, verkauft
werden konnte das quasi neue Gebäude
für 144 Mio. US-Dollar. Ein mit Gold zertifiziertes Gebäude, ebenfalls in Chicago, hatte 270 Mio. US-Dollar gekostet und 386 Mio.
US-Dollar Verkaufserlöse erzielt.
Dass nachhaltiges und energieeffizientes Bauen nicht nur die Kosten senken und
die Verkaufserlöse steigern, sondern auch
Ehren und Preise einbringen kann, beweist
nicht nur der erstmals auf der Expo Real
verliehene „Green Thinker“, sondern der
bereits 2007 zum ersten Mal verliehene
PROM des Jahres. Diese Auszeichnung von
RWE Energy mit dem Deutschen Verband
für Wohnungswesen, Städtebau und
Raumordnung, dem Zentrum für Umweltbewusstes Bauen, dem Fraunhofer Institut
sowie der TU München als Projektpartner
geht an die energieeffizientesten Gewerbeimmobilien in Deutschland. 2007 wurde
das neue Produktions- und Verwaltungsgebäude der Solvis AG in Braunschweig mit
dem ersten Preis bedacht. Das Gebäude
für über 250 Mitarbeiter überzeugte durch
sehr guten Wärmeschutz, eine Gebäudetechnik mit geringem Stromverbrauch sowie einer Versorgung des Gebäudes ausschließlich aus regenerativen Energien, vor
allem Sonne und Biomasse. Schirmherr
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
bekräftigte bei der Verleihung Anfang 2008:
„Wir können unsere anspruchsvollen Klimaziele nur erreichen, wenn alle Akteure mitziehen“, und zeigte sich überrascht
von der Vielseitigkeit der Vorschläge und
der jeweils erzielten hohen Energieeinsparung.
uk
IMMOBILIEN
SEPTEMBER 2008
Union Investment | Die Nutzungsanforderungen an Immobilien wandeln sich – und damit die Investmentstrategien
fikate sind diese heute kaum mehr erfolgreich am Markt zu platzieren.
Welches der zahlreichen Zertifizierungssysteme – LEED, BREEAM, HQE oder gar
das deutsche DGNB-Siegel – sich am Ende
durchsetzen wird, ist offen; auch die Frage,
ob sich in Europa ein einheitliches Label für
nachhaltige Gebäude herauskristallisieren
wird. Entscheidend ist, dass die Immobilienwirtschaft ein einheitliches Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffes entwickelt, der die soziale Dimension der Nachhaltigkeit ebenso erfasst wie die ökologische und wirtschaftliche. Nachhaltigkeitskriterien werden in zunehmendem Maße
renditerelevant. Einer repräsentativen Umfrage von Union Investment unter europäischen Immobilieninvestoren zufolge planen
fast 60% künftig deutlich mehr in nachhaltige Immobilien zu investieren. Ganz offensichtlich hat die Nachhaltigkeitswelle
auch die Immobilienwirtschaft erfasst.
VON FABIAN HELLBUSCH*
D
er Megatrend der internationalen
Immobilienwirtschaft heißt Nachhaltigkeit – zentraler Treiber für
Veränderungen in der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeit ist deren ökonomische Relevanz. Entsprechend bedeutsam wird das Thema für Immobilieninvestoren: Im Verständnis vieler Investoren ist
„Nachhaltigkeit“ das perfekte Risikomanagementsystem.
Die Immobilienwirtschaft in Deutschland stellt gegenwärtig die Weichen: Der
Anstieg der Energiepreise, die wachsenden
Anforderungen an die gesellschaftliche
Verantwortung der Branche, die veränderten Erwartungen der Mieter an die energetische Qualität von Gebäuden und nicht
zuletzt der Handlungsdruck resultierend
aus neuen Rahmenbedingungen, die der
Gesetzgeber zum Beispiel in Form des
Energieausweises auch für gewerblich genutzte Immobilien geschaffen hat, bringen
Bewegung in den Immobilienmarkt.
*Fabian Hellbusch ist Leiter
Immobilien Marketing und Kommunikation
bei der Union Investment Real Estate AG.
Energetische Qualität
rückt in den Fokus
All dies hat einen Bewusstseinswandel eingeleitet, an dessen Ende eine vollständige
Neubewertung der Qualität von Immobilien stehen wird: Die Immobilienwirtschaft
erkennt in zunehmendem Maße, dass die
Energieeffizienz und der ressourcenschonende Materialeinsatz im Gebäude ebenso
Ausdruck der Werthaltigkeit einer Immobilie ist wie ihre Flächeneffizienz, ihre Nutzungsflexibilität oder ihre verkehrliche Erreichbarkeit. Oder anders gesagt: Bei den
Marktteilnehmern reift die Erkenntnis,
dass fehlende Nachhaltigkeit Risiken birgt,
die sich auf mittlere Sicht möglicherweise
in der Nicht-Vermietbarkeit, in Leerständen und damit in Renditeabschlägen dokumentieren werden. Unabhängig voneinander durchgeführte Umfragen zeigen,
dass gewerbliche Mieter ihre Entscheidung
über die Anmietung künftig stärker von der
energetischen Qualität der Immobilie –
und damit von den Nebenkosten – abhängig machen werden. Damit verbindet sich
die berechtigte Erwartung der Eigentümer,
dass Gebäude mit einem nachhaltigen
Energie- und Klimakonzept und anderen
„grünen“ Merkmalen in Zukunft höhere
UNION INVESTMENT
Das Unilever-Hochhaus wird von Union Investment ab April 2009 unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien saniert. Das berühmte, 22-stöckige Hochhaus im Herzen Hamburgs wurde in den frühen 60er Jahren von Helmut Hentrich
und Hubert Petschnigg errichtet und galt damals als das modernste Bürogebäude der Welt. Ende 2008 räumt Unilever das
unter Denkmalschutz stehende Haus und zieht in die HafenCity.
Foto: Union Investment
Nettokaltmieten erzielen, einen Vermarktungsvorteil gegenüber herkömmlichen
Gebäuden erzielen und Mieter durch einen hohen Nutzerkomfort langfristig an
das Objekt binden können.
Die Schere zwischen Mieter- und Investorennachfrage und dem hierzulande noch
dürftigen Angebot an wirtschaftlich effizienten und profitablen nachhaltigen Gebäuden dürfte sich in absehbarer Zeit weiter schließen. Baukonzerne wie Hochtief
und Projektentwickler wie Hammerson berücksichtigen die veränderten Markt- und
Kundenanforderungen bereits bei vielen
ihrer Neubauvorhaben. Als Alternative
zum Abriss gewinnt die Modernisierung
von Bestandsobjekten unter Nachhaltigkeitsaspekten ebenfalls an Attraktivität.
Hier ist die Entwicklung vorgezeichnet:
Insbesondere große und anspruchsvolle
Bauprojekte dürften künftig ausschließlich
nach Nachhaltigkeitskriterien geplant und
realisiert werden. Immobilienfondsgesellschaften wie Union Investment setzen
ebenfalls die veränderten Nutzeranforderungen in ihren Investmentstrategien um
und berücksichtigen „grüne“ Kriterien bei
der Ankaufsprüfung und im Due Diligence-Prozess. Speziell bei Immobilientransaktionen im Premium-Segment werden Investoren in steigendem Maße darauf
achten, dass die Anforderungen der international etablierten Nachhaltigkeitszertifikate erfüllt werden. Ein nicht zu unterschätzender Anreiz für die Bauwirtschaft,
im Sinne des künftigen Nutzers und der
Werthaltigkeit „nachhaltige“ Immobilien
zu produzieren, liegt eben in der Zertifizierung: Denn ohne eines der gängigen Zerti-
Zur 1956 von 14 genossenschaftlich
organisierten Banken gegründeten
Union Investment Gesellschaft zählen
heute unter dem Dach der Management Holding AG in Frankfurt am Main
die Unternehmen Union Investment
Privatfonds, Union Investment Institutional, Union PanAgora Asset Management, Union Investment Luxembourg, BEA Union Investment Management Ltd. und die Union Investment Real Estate AG in Hamburg.
Die Union Investment Real Estate ist
Deutschlands zweitgrößte Gesellschaft für offene Immobilienfonds und
managt ein Fondsvermögen von 14
Mrd. Euro. Das Portfolio besteht derzeit aus etwa 160 erstklassigen Immobilien in 22 Ländern. Gegründet
wurde die Immobilienfondsgesellschaft der Union Investment bereits
1965, damals aber noch unter dem
Namen Difa, seit 2007 führt sie ausschließlich den Namen Union Investment Real Estate.
Der Luxus entdeckt Berlin
Gelungene Restrukturierung
„Place to be“ | Noch ist der Immobilienmarkt in der Bundeshauptstadt unterbewertet
Aurelius AG | Wie aus Postwohnheimen eine Hotelkette wurde
VON DAJANA LOTHERT*
D
ie Attraktivität der deutschen
Hauptstadt ist bei internationalen
Bestverdienern angekommen, die
Nachfrage nach exklusiven Luxuswohnungen übersteigt in guten Lagen bereits das
Angebot. Der Reiz an einem Domizil in der
Spree-Metropole liegt vor allem in der innovativen Kunst- und Kulturszene – aber
auch in den guten Renditeaussichten gerade von Luxusimmobilien in dem unterbewerteten Berliner Markt.
Berlin zieht Menschen aus der ganzen
Welt an. Im Ausland, besonders in den USA
und in Großbritannien, gilt die Spree-Metropole derzeit als der „place to be“. Anfangs waren es vor allem die günstigen Lebenshaltungskosten sowie die vergleichsweise günstigen Preise für Wohnungen, die
die Stadt für Künstler und Kreative so attraktiv machten. Heute sind es vermehrt
die Wohlhabenden aus aller Welt, die den
Reiz an eben dieser Szene, an der Kultur und
Sub-Kultur sowie an dem neu entstandenen
internationalen Flair von Berlin genießen.
Luxuswohnen in
den Szenevierteln
Diese Entwicklung wird auch in der jüngsten Marktrecherche von Winters & Hirsch
deutlich: Die Nachfrage nach luxuriösem
Wohnraum ist in den letzten zwei Jahren in
der deutschen Hauptstadt deutlich gestiegen. Vor allem Objekte im Preissegment
zwischen 3 000 und 5 000 Euro pro Quadratmeter sind gefragt, wie die Wettbewerbsobjekte „Living 106“, „Am Zirkus 1“
in Berlin-Mitte, „Hofjäger-Palais“ und „Esplanade Residence“ (Sony Center) im Tiergarten zeigen. Die Eigentumswohnungen
im Projekt „Palais Kolle Belle“ (Standort
Prenzlauer Berg, Nähe Kollwitzplatz) waren ab Vertriebsbeginn innerhalb von nur
acht Monaten vollständig verkauft. Bis auf
zwei Wohnungen wurden sogar alle Einheiten vor dem Baubeginn veräußert – ein
gutes Ergebnis für die Entwickler. Und die
Nachfrage nach exklusiven Wohnobjekten
wächst weiter.
Liebhaber der neuen Luxusdomizile sind
vor allem moderne Multi-Homer, die sich
in Berlin ihren Zweit- oder Drittwohnsitz
einrichten. So sind etwa die Eigentumswohnungen im Sony Center zu über 90%
von einer internationalen Kundschaft
nachgefragt. Sie kommen hauptsächlich
aus Osteuropa, Skandinavien, Irland und
19
Nachhaltiges Bauen als Wertfaktor
ZERTIFIZIERUNG
Grüne, Öko- oder nachhaltige Immobilien erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit: Stellt sich nur die Frage, was ist eigentlich eine „grüne“ Immobilie und wer legt das fest? Um hier
eine sichere Basis zu schaffen, wurden Zertifizierungen eingeführt – nur
leider keine einheitlichen, schon gar
nicht international.
Vorreiter für Zertifizierungen waren die
USA, wobei es hier anfangs vor allem
um ein gesundes Innenraumklima von
Bürogebäuden ging. Hintergrund lieferten zahlreiche Sammelklagen von
Bürobeschäftigten, die gesundheitliche Schädigungen aufgrund des
Raumklimas geltend machen wollten.
So wurden schon in den 80er Jahren
erste Zertifizierungsmaßnahmen für
Gewerbeimmobilien entwickelt. 1998
schließlich führten die USA die verbindliche LEED-Zertifizierung ein,
durchgeführt vom US Green Building
Council. LEED steht dabei für Leadership in Energy and Environmental Design. Derzeit bewirbt sich das neue
Hochhaus des Süddeutschen Verlages in München darum.
Bereits vor der LEED-Zertifizierung
existierte BREFAM (Building Research
Establishment Environmental Assessment Method), gestartet 1990 in Großbritannien. Seit 1996 wurde es in Kanada und bald darauf auch in den
USA angewendet. Entwickelt wurde
das Gütezeichen von einem Forschungslabor für Immobilien in UK.
Hier steht neben der ökologischen
auch die ökonomische Betrachtungsweise von Immobilien im Zentrum.
Das DGNB-Siegel wird von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges
Bauen, die 2007 von Architekten, Bauingenieuren, Wissenschaftlern und Investoren gegründet wurde, vergeben.
Das Kürzel steht für Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen. Es soll auf
der Baumesse BAU München 2009
erstmals vergeben werden.
Grüne Immobilien – egal ob sanierte
Alt- oder Neubauten, Wohn- oder Gewerbebauten – sind auf dem Vormarsch, schon weil nur so die anspruchsvollen Klimavorgaben, die sich
viele Nationen gesetzt haben, zu halten sind. Denn schätzungsweise 40%
des weltweiten Kohlendioxides werden von Gebäuden freigesetzt.
uk
WirtschaftsKurier
Dajana Lothert ist Research Advisory
bei der Winters & Hirsch Property Consultants GmbH in Berlin. F.: Property Con.
Großbritannien und suchen das besondere
Lebensgefühl des urbanen Wohnens mit
Komfort in Berlin. Derzeit entstehen in
Berlin-Mitte zahlreiche neue Luxusquartiere für die neue Kundschaft: so zum Beispiel die Fellini Residences in der Alten
Jacobstraße, die Choriner Höfe in der Choriner Straße und die Kastaniengärten in der
Schwedter Straße. Interessenten dieser Luxuswohnungen möchten ganz bewusst
mitten in den Szenevierteln in Mitte oder
am Fuße des Prenzlauer Berges leben –
und entscheiden sich oftmals gegen die
etablierten Lagen, wie etwa das Touristenzentrum am Potsdamer Platz. Ein Trend,
der zum Beispiel den New Yorker Immobilienmarkt bereits erreicht hat: Hier gibt es
schon seit längerem Luxuswohnungen in
Szenevierteln wie SoHo und jüngst im
Meatpacking District.
Ein Zuhause mit Rendite
Obgleich das Berliner Angebot an hochwertigen Eigentumswohnungen vielfältig
ist, gibt es mittlerweile gerade in den guten
Lagen der Hauptstadt ein deutliches Unterangebot an Luxuswohnungen in SolitärImmobilien. Nicht allein die spannende
Stadt mit ihrer einmaligen Kunst- und Kulturszene, sondern auch die guten Renditeaussichten locken die Käufer auf den Berliner Immobilienmarkt, der im internationalen Vergleich als deutlich unterbewertet
gilt. So konnten bei Eigentumswohnungen
in Berlin-Mitte im letzten Jahr Umsatzzuwächse von über 6% erreicht werden. Vor
allem im High-Class-Segment ist die Nach-
frage enorm. Winters & Hirsch geht davon
aus, dass eine top-ausgestattete Wohnung
im Zentrum von Berlin in zehn Jahren ihren Wert um 30% steigern kann. Da wird
aus einem luxuriösen Zuhause schnell ein
gewinnbringendes Anlageobjekt.
Entscheidend für eine gute Rendite bei
Luxuswohnungen ist vornehmlich die
Lage. Neben den klassischen Villenvierteln
im Grunewald ist gerade auch die Innenstadt stark im Kommen. So wurden im vergangenen Jahr die höchsten durchschnittlichen Kaufpreise in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte, Prenzlauer
Berg und Steglitz-Zehlendorf erzielt. Hier
beginnen die Preise für hochwertige Eigentumswohnungen bei 3 000 Euro pro Quadratmeter. Im internationalen Vergleich sind
das echte Schnäppchenpreise: In London
zahlt man für eine vergleichbare Fläche in
der City schnell das Acht- bis Zehnfache.
Auch innerhalb Deutschlands ist die
Hauptstadt damit noch recht günstig: In
Frankfurt am Main beginnen die Preise für
ein Zuhause der Luxusklasse überhaupt erst
bei 4 000 Euro pro Quadratmeter, in Hamburg bei 4 500 Euro in Neubauten mit Alsterblick und in München gar bei 6 000 Euro.
Selbst in dem Berliner Top-Segment in
den teuersten Lagen wie dem Potsdamer
Platz (Parkside Apartments im Beisheim
Center) oder dem Grunewald (Charlottenburg-Wilmersdorf) mit Spitzenpreisen bis
zu 8 000 Euro pro Quadratmeter ist die
Spree-Metropole noch vergleichsweise
preiswert: In München zahlt man für Premium-Objekte bis zu 14 000 Euro.
So zieht die deutsche Hauptstadt gerade
im High-Class-Segment mehr und mehr
Käufer an – und das in einer Stadt, die mit
einem Eigentumsanteil von gerade einmal
rund 13% als klassische Mieterstadt gilt.
Wieder einmal bestätigt sich, dass kaum
ein städtischer Wohnungsmarkt so große Unterschiede aufweist wie der Berliner Markt.
Die Winters & Hirsch Gruppe zählt zu
den führenden, inhabergeführten Immobilienberatern in Berlin, spezialisiert auf innovative Transaktionsberatung, Immobilienvermittlung und -bewertung. Winters &
Hirsch bietet die Dienstleistungen Investment Advisory, Brokerage Services, Valuation & Research Services, Asset Management
sowie Office Agency Services an.
*Dajana Lothert ist Research Advisory
bei der Berliner Immobilienberatung
Winters & Hirsch.
VON PETER JORDAN*
I
m Sommer 2005 entschied sich die
Deutsche Post AG zu Gunsten einer Fokussierung auf ihre Kernkompetenz für
einen Rückzug aus dem Hotelmarkt. Als
Konsequenz daraus wurde die Deutsche
Post Wohnen GmbH an die Münchner Industrieholding Aurelius AG verkauft. Dank
einem professionellen Sanierungsmanagement und einer vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer, wandelte sich die vernachlässigte Konzerntochter zu
einem erfolgreichen Unternehmen.
Bis in die 60er Jahre hinein stellte die damalige Deutsche Bundespost ihren Mitarbeitern Wohnraum zur Verfügung. Im Laufe der Zeit sank jedoch die Nachfrage danach und die Deutsche Bundespost reduzierte über Jahrzehnte hinweg die Anzahl
der Mietobjekte für Angestellte. Frei werdende Immobilien wurden sukzessiv verkauft. Die verbliebenen 22 „Postwohnheime“ wurden in der Deutschen Post Wohnen GmbH zusammengeführt, eine neu
gegründete Gesellschaft, die mit der Vermietung der Zimmer auf dem Hotelmarkt
beauftragt wurde. Das Unternehmen
schaffte den Sprung in die schwarzen Zahlen jedoch nicht, insbesondere aufgrund
zurückhaltender Marketingaktivitäten und
der Heterogenität der einzelnen Häuser.
Vor diesem Hintergrund war der Verkauf
der Deutschen Post Wohnen an einen Investor ein konsequenter Schritt aus der
Perspektive des Verkäufers.
Das Objektportfolio der Deutschen Post
Wohnen beinhaltete einerseits Hotels und
Apartmenthäuser, zwei unterschiedliche
Produktgruppen mit geringen Synergien.
Andererseits reichte die bauliche Beschaffenheit der Häuser von einer kleinen Villa
mit üppigen Parkflächen in Velbert-Langenberg bis zu einem 70er Jahre Hochhaus
mit Gemeinschaftsduschen in Neu-Isenburg. Nicht zuletzt deshalb lehnten große
Hotelunternehmen einen Kauf der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit ab. Ab Herbst
2005 suchte die Deutsche Post daher einen Investor, der die hoch defizitäre Deutsche Post Wohnen GmbH auf eigenes Risiko wieder auf Kurs bringen sollte. Sie fand
ihn in der Aurelius AG, einem Münchner
Spezialisten für die Neuausrichtung von
Firmen in Umbruchsituationen – nicht nur
im Immobilienbereich.
Als erste Maßnahme entsandte Aurelius
den erfahrenen Sanierungsspezialisten
Dino Kitzinger, Vice President Beteiligungsmanagement bei Aurelius, als Alleingeschäftsführer und innerhalb weniger
Tage wurde aus „Deutsche Post Wohnen“
„GHotel Hotel & Living“ (gesprochen „gotel“). Kitzingers oberstes Ziel war eine klar
definierte Marktpositionierung der Hotelkette GHotel Hotel & Living. Dies erforderte unter anderem eine Neuausrichtung des
damaligen Hotel- und Wohnheimangebotes an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe. Im Falle der Hotels, deren Angebo-
Dino Kitzinger ist Vice President Beteiligungsmanagement bei der Aurelius
AG und war bei GHotel in der Restrukturierungsphase als Alleingeschäftsführer tätig.
Foto: Kitzinger
te sich vorrangig an Geschäfts- und Tagungsreisende richten, geschah dies insbesondere durch die Einführung der Online-Buchbarkeit von Zimmern, die Erweiterung der Rezeptionszeiten, die Einrichtung von WLAN-Anschlüssen, die Bereitstellung kostenfreier Parkplätze, die Optimierung der Frühstücksqualität und die
Implementierung verlässlicher Qualitätsstandards innerhalb der Hotelkette. Die
ehemaligen Wohnheime wurden zu Apartmenthäusern umfunktioniert. Berufspendler, die beispielsweise vorübergehend einen zweiten Wohnsitz benötigen, finden
hier vollständig ausgestattete Apartments
zu besonders attraktiven Mietkonditionen.
In ausgewählten Häusern führte Aurelius
einen zweiten Apartmenttyp mit höherwertiger Ausstattung ein, mit Erfolg.
Während die Apartments vornehmlich
über Immobilienanbieter vertrieben werden und zur Sicherung der Auslastung
langfristige Übernachtungsvereinbarungen mit Firmen getroffen werden, werden
die Hotelzimmer über klassische Vertriebskanäle wie Reiseveranstalter, Reisebüros,
Fachmessen, Online-Hotelreservierungssysteme, die Unternehmens-Homepage
www.ghotel.de und Reisestellen namhafter Großunternehmen vertrieben. Ergänzend dazu werden von GHotel Hotel & Living gezielte Marketingkampagnen in Online- und Offline-Medien durchgeführt.
Auf bewährtes Personal
zurückgreifen
Besonders vorbildlich ist die Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer über
den Zeitpunkt des Verkaufs hinaus. Die
Deutsche Post AG stellte GHotel Hotel & Living so beispielsweise engagiertes Personal
der ehemaligen Deutschen Post Wohnen
GmbH zu wettbewerbsfähigen Konditionen zur Verfügung. Aurelius hat dieses
Team erfahrener Mitarbeiter um Spezialisten aus den Bereichen Hotellerie und Touristik ergänzt. Dies führte dazu, dass aktuell 58% mehr Mitarbeiter bei GHotel Hotel
& Living beschäftigt sind als zum Zeitpunkt
des Kaufs.
Nach zweieinhalb Jahren Bestehen blicken die Aurelius, GHotel Hotel & Living
und Dino Kitzinger auf einen erfolgreichen Markteintritt zurück. So konnten die
Hotels der GHotel ihren Umsatz in den
ersten drei Quartalen des Jahres 2008 um
mehr als 17% steigern. Damit gehört GHotel zu den am schnellsten wachsenden
Hotelgesellschaften Deutschlands. Zwischenzeitlich hat Kitzinger die operative
Unternehmensleitung von GHotel Hotel &
Living an Jens Lehmann übergeben, der
zum zweiten Geschäftsführer ernannt
wurde. Oberstes Ziel von Jens Lehmann,
der zuvor viele Jahre erfolgreich für verschiedene Hotelketten tätig war, ist die
Unternehmensexpansion. Um weitere
Standorte für GHotel Hotel & Living zu erschließen und die Erfolgsgeschichte des
ehemals defizitären Unternehmens fortzuschreiben, hält er intensiv Ausschau
nach Einzelhotels und Hotelbetreibergesellschaften ohne Immobilien.
Momentan verfügt GHotel über Hotels
in Braunschweig, Velbert/Essen, FrankfurtSachsenhausen, Hamburg, Hannover, Kiel,
Stuttgart und in München mit allein vier
Häusern. Außerdem bietet GHotel noch
Apartmenthäuser in Bonn, Frankfurt-Bornheim, München (drei) und Stuttgart an.
*Peter Jordan ist freier Autor.
AUTO / MESSEN
20 WirtschaftsKurier
Die sportliche Alternative
TECHNISCHE DATEN
Typ
Motor
Getriebe
Hubraum
Leistung
Max. Drehmoment
Länge / Breite / Höhe
Radstand
Leergewicht
Zul. Gesamtgew.
Kofferrauminhalt
Bereifung
Felgen
Beschleunigung (0 auf 100 km/h)
Höchstgeschw.
Tankinhalt
Kraftstoffverbrauch (Diesel) je 100 km:
innerorts / außerorts / gesamt
Preis
BMW 525d Touring
Reihen-Sechszylinder (je 4 Ventile)
Sechsgang-Schaltgetriebe
2 993 ccm
145 kW/197 PS bei 3 750 U/min
400 Nm bei 1 300 – 3 250 U/min
4 843 mm / 1 846 mm / 1 491 mm
2 886 mm
1 735 kg
2 260 kg
500 – 1 650 Liter
225/55 R 16 95 W
7J x 16 LM
7,8 sec
232 km/h
70 Liter
8,4 l / 5,2 l / 6,4 l
44 900,– Euro
Freude am Fahren | Beim Mehrzweckfahrzeug BMW 525d Touring trifft dies in hohem Maße zu
VON GÜNTER SPAHN
D
er BMW 5er Touring ist die sportliche Alternative für Autofahrer, die
gleich mehrere Anforderungen an
ihre Fahrzeuge stellen. Was wäre ein Produkt der weiß-blauen Autobauer, das nicht
Dynamik, Alltagstauglichkeit und natürlich
und vor allem „Freude am Fahren“ vereinigen würde? Dass ein BMW grundsätzlich
auch elegant sein muss, sei nur am Rande
erwähnt. Alle Anforderungen in diesem
Zusammenhang erfüllt der BMW 525d
Touring.
Die pure Kraft sieht man dem Auto
schon optisch an – der Touring ist eben ein
echter BMW, ohne Abstriche. Zunächst ist
der Touring das ideale Mehrzweckfahrzeug
für die Familie, für den Einkauf mit einer
optimalen Ladefläche, für den Urlaub (egal
NürnbergMesse | 2008 wird ein Rekordjahr
N
den USA, auch im Boomland China konnte die NürnbergMesse Erfolge verzeichnen.
„Die zweite BioFach China glänzte mit
zweistelligen Pluszahlen bei Ausstellern
und Besuchern“, führte Axel Bartkus, Geschäftsführer der NürnbergMesse China,
aus. „Nun arbeiten wir intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der International Powder/Bulk Conference & Exhibition (IPB) in Shanghai, die wir im vergangenen Jahr gekauft haben“, so Bartkus weiter.
Intensiv gearbeitet wird außerdem an der
Große Anziehungskraft
der Messethemen
Gegenüber dem besser geeigneten Vergleichsjahr 2006 bedeutet das Umsatzziel
des laufenden Geschäftsjahrs noch immer
ein Umsatzplus von rund 12% und damit
doppelt so viel wie geplant. Im ersten halben Jahr steigerte die NürnbergMesse die
verkaufte Nettofläche um 13%, die Fachbesucher um 5% und die Zahl der Aussteller
um 9% und legte damit bei allen wichtigen
Messekennziffern deutlich zu. „Das beweist
eindrucksvoll die große Anziehungskraft
unserer Themen vor dem Hintergrund einer
robusten Konjunktur in Deutschland und
Europa“, so Diederichs. Denn nach Angaben des Ausstellungs- und Messeausschusses der deutschen Wirtschaft (AUMA) wird
das Messegeschehen in Deutschland in diesem Jahr insgesamt bei der verkauften Fläche um 2% und beim Fachbesuch wie bei
den Ausstellern um je 3% wachsen.
Erstmals in Eigenregie veranstaltete die
NürnbergMesse die neue Fachmesse Mailingtage, die zweistellige Wachstumsraten
verzeichnen konnte.
Nicht nur die Fachmessen am Messeplatz Nürnberg wuchsen im ersten Halbjahr überwiegend zweistellig, auch die
Auslandsmessen legten kräftig zu. Bereits
im Februar konnte die neue Kältemesse
CholodExpo Rossija in Moskau einen viel
versprechenden Start aufweisen und die
American Coatings Show (ACS) in Charlotte, USA, übertraf alle Erwartungen. Messe
und Kongress waren hier ausgebucht und
zum Teil sogar überbucht. „Damit hat sich
die ACS vom Start weg als Leitmesse für
den nordamerikanischen Raum etabliert“,
so Dirk Ebener, Geschäftsführer der neu
gegründeten Tochtergesellschaft NürnbergMesse North America. Nicht nur in
ob im Winter oder für die Ausrüstung für
den Wassersport) und natürlich gibt das
Auto auch als repräsentatives Geschäftsfahrzeug eine überzeugende „Figur“ ab.
Das Ambiente des äußeren Erscheinungsbildes setzt sich im Innenraum fort.
Wie eh und je hat BMW das Cockpit durchdacht gestaltet. Alle Schalt- und Bedienelemente sind logisch angebracht. Und
dann natürlich das großzügige Platzangebot mit fünf bequemen Sitzplätzen: Das
Raumgefühl ist faszinierend und zeichnet
sich aus mit einer ausreichenden Kopfund Beinfreiheit.
Was wäre ein BMW ohne das Herz eines
überzeugenden Motors? Wir fuhren die
Dieselvariante und hier den BMW 525d.
Die Leistung mit 145 kW (197 PS) aus einem 3.0 Liter Hubraum überzeugt mit einer hohen Elastizität und Laufruhe. Das
maximale Drehmoment von 400 Newtonmetern wird bereits bei 1300 Umdrehungen pro
Minute erreicht. Dabei beschleunigt der 525d
in 7,8 Sekunden auf 100 Stundenkilometer.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 232
Stundenkilometern und angesichts dieser
Werte ist der Durchschnittsverbrauch von 6,4
Litern Diesel moderat. Neben dem 525d hält
BMW noch zwei weitere Sechszylinder sowie einen attraktiven Vierzylinder-Diesel
mit 177 PS für die Interessenten bereit.
Topmodell bei den Diesel ist der 535d mit
einem variablen Twin Turbo und 286 PS.
Eigentlich wie bei jedem BMW korrespondiert die Motorleistung in einer idealen
Art mit dem Getriebe und dem gesamten
Fahrwerk. Die präzisen Getriebe übertragen die Antriebskraft effizient und tragen
somit zur sprichwörtlichen BMW-Dynamik bei. Das manuelle Getriebe hat uns in
jeder Situation durch die kurzen Schaltwege und auch durch die Leichtgängigkeit
überzeugt. Durch zahlreiche elektronische
Systeme ist der Touring auch unter dem
Aspekt Sicherheit auf jeden Fall eine allererste Wahl. Dazu gehört eine mitdenkende
Lenkung ebenso wie ein perfektes Bremsensystem. Wer vor allem in schneereichen
Gebieten im Winter oft unterwegs ist, für
den gibt es noch eine Variante 525d xDrive.
Dies ist ein optimiertes Allradsystem, das
die Traktion, die Spurstabilität und somit
natürlich nochmals die Fahrsicherheit wesentlich erhöht.
Mit 44 900 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) ist der 525d natürlich kein „Sonderangebot“. Dafür ist das Auto nicht nur
repräsentativ und vielseitig einsetzbar –
das Fahrzeug ist ein Spitzenprodukt, made
by BMW.
Effizienz durch räumliche Nähe
Wachstum im In- und Ausland
ach der ersten Hälfte des Messejahres 2008 geht die NürnbergMesse von einem Wachstumssprung
auf über 140 Mio. Euro Umsatz aus – im
vergangenen Messejahr waren es noch 125
Mio. Euro gewesen, womit die Franken
auch schon über den Planwerten gelegen
hatten. „Eigen-, Partner- und Gastveranstaltungen am Messeplatz Nürnberg aber
auch international glänzen zum Teil mit
zweistelligen Zuwachsraten, dies schlägt
sich in einem deutlichen Umsatzplus nieder“, begründete Bernd A. Diederichs, Geschäftsführer der NürnbergMesse, den guten Lauf.
SEPTEMBER 2008
easyFairs | Die Gesellschaft sichert Messeauftritt mit 3 000 Euro-Paket
D
ortmund, die größte Stadt des
Ruhrgebiets und Wirtschafts- und
Handelszentrum Westfalens, wird
künftig eine bedeutendere Rolle im Messewesen spielen. Basierend auf den Räumen
der Westfalenhallen, die europaweit durch
TV-Übertragungen aus Sport und Unterhaltung bekannt geworden sind, will Stefan
Baumann, Geschäftsführer des Kongresszentrums Westfalenhallen, das Zentrum
zur führenden Stätte für Regionalmessen
ausbauen. Partner ist bei diesem Projekt
„easyFairs“, ein vor fünf Jahren in Brüssel
gegründetes Unternehmen, das Regionalmessen im Baukastensystem bietet. Mittlerweile ist easyFairs in elf Ländern präsent und „vom eigenen Erfolg überrascht“,
wie Gunnar Küchler, Geschäftsführer der
easyFairs Deutschland GmbH in München,
berichtete. Die Philosophie von easyFairs
ist so einfach und verständlich, dass sich
der Unternehmenserfolg durchaus nachvollziehen lässt.
Durch dieses Modell, so Küchler, würden mittelständische Unternehmen an die
Verkaufs- und Kontaktplattform Messe mit
überschaubaren Kosten herangeführt.
Seit 2006 easyFairs in Dortmund die erste Messe in den Westfalenhallen ausgerichtet hat, ist das Unternehmen in Westfalen
ständig präsent. „Heute werden alle bei
sem Herbst wird die Schüttgut-Messe, die
bisher am größten europäischen Binnenhafen Duisburg stattgefunden hat, nach
Dortmund ziehen. Außerdem will sich
Nische neben den
internationalen Großmessen
NürnbergMesse-Chef Bernd A. Diederichs freut sich über einen Umsatzsprung über Plan in 2008. F.: NürnbergMesse
Natural Expo in Tokio, die vom japanischen Naturwarenverband übernommen
wurde und parallel zur BioFach Japan
stattfinden wird.
Tenor der Veranstaltungen, die die
NürnbergMesse im Ausland verantwortet,
sind Themen, die einen Bezug zu Nürnberg haben. So die IPB zur POWTECH
(mechanische Verfahrenstechnik), die
BioFach China zur BioFach in Nürnberg,
die ACS zur European Coatings Show
(Oberflächenbeschichtung) und die CholodExpo Rossija zur neuen Fachmesse
Chillventa (Kälte, Raumluft, Wärmepumpen). „Diese Strategie werden wir in Zukunft verstärkt ausbauen, mit Eigenentwicklungen, mit dem Kauf von etablierten
Messen sowie durch Kooperationen“, so
Messechef Diederichs.
uk
Der Markt der internationalen Großmessen ist hart umkämpft. Doch trotz Dumpingpreisen bleiben die internationalen
Messeplätze für Mittelständler weitgehend
unerreichbar wegen der (zu) hohen Kosten
(Standgebühren plus Stand plus Mitarbeiter mit Übernachtungen und so weiter) und
ein zu breit gefächertes internationales
Publikum, mit dem Terminabsprachen äußerst kompliziert seien. Für kleinere Branchen oder sogar Branchensegmente bleibt
da kaum Platz. Trotz der Internationalisierung in allen Wirtschaftsbereichen operieren nach wie vor die wichtigsten Wirtschaftspartner noch immer in der näheren
Region. Ausgehend von diesen Überlegungen hat sich easyFairs auf regionale Industriemessen spezialisiert. Grundsätzlich
dauern die Messen nur zwei Tage. Festgezurrt sind auch die einheitlichen Standmodule zwischen zwölf und 80 Quadratmetern. Die Kosten für die Aussteller bleiben mit
dem Basis-Kostenpaket mit 3 000 Euro überschaubar – in den Kosten sind bereits die
Hallenmiete, der Stand, Auf- und Abbau sowie die Werbung enthalten. Zusatzkosten
entstehen nur durch individuelle Ansprüche
des Ausstellers wie Gästeeinladungen, Übernachtung oder Reisekosten und sind damit
genau kalkulierbar. Grundsätzlich sind die
Messen für den Besucher kostenfrei.
Die auf kurze, günstige Regional-Industriemessen für den Mittelstand fokussierte easyFairs organisiert alle in den Westfalenhallen in Dortmund stattfindenden Messe-Events.
Foto: Westfalenhallen
„Viele unserer Messekunden“, sagt er, „beschicken über uns zum ersten Mal eine Messe und erleben die Vorteile dieser Plattform,
auf der sich Hersteller und Kunden treffen.“
Die kurze Dauer der Messen von zwei Tagen
ermöglicht auch mittelständischen Unternehmen eine konsequente Präsentation des
Betriebs. Nach den Erfahrungen von easyFairs seien bei dieser Dauer auch die Gesprächsverabredungen einfacher und gezielter zu treffen. „Bei uns finden durch die
räumliche Nähe zum Kunden regionale
Anbieter und Händler oder weiterverarbeitende Betriebsmanager zusammen“, konstatiert Küchler, der – bedingt durch den
kostenfreien Eintritt – auch zunehmend
Spontanbesuche von Interessenten aus
dem Managementbereich registriert.
uns in Dortmund stattfindenden Messen
von easyFairs ausgerichtet“, sagt Baumann
mit Lob an die Münchener Niederlassung,
die der Firmenphilosophie entsprechend
der Gigantonomie den Rücken kehrt. Für
eine Partnerschaft mit Dortmund habe
man sich entschieden, weil diese frühere
Stahl-, Kohle- und Bierregion die Neuorientierung Richtung Logistik, Mikrosystemtechnik, Einzelhandel und Versicherungen
vollzogen habe und alle technischen Bereiche auf engem regionalen Raum mit dem
Zentrum Dortmund konzentriert seien, erläuterte Küchler. Einen Namen gemacht
hat sich bereits die zum dritten Mal organisierte Verpackungsmesse, große Themen
für Dortmund seien auch die Instandhaltung und die Antriebstechnik. Noch in die-
easyFairs vom Standort Dortmund aus um
die Bereiche Dienstleistungen und Einzelhandel kümmern. Mit seinem Konzept
sieht sich der Messeveranstalter nicht als
Konkurrenz zu den traditionellen Messeplätzen, sondern vielmehr als Angebotsergänzung. Immerhin sei nicht ausgeschlossen, dass ein Unternehmen über easyFairs
ins Messegeschäft „hineinriecht“, um dann
später auch auf internationalen Messen
auftreten zu können.
Einen zusätzlichen Effekt will easyFairs
zudem nutzen. So können Regionalmärkte
mit relativ geringem Aufwand auf ihre
Messefähigkeit getestet werden, um die
Themen dann über die Internationalisierung des Messeveranstalters auch in andere Länder zu exportieren.
law
JOURNAL
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
21
CO2-freie Energieversorgung
Neueste Technik
Neue Ära der Krebstherapie
Wunder dauern länger
Die Areva GmbH, Tochter des deutsch-französischen Kernenergiekonzerns Areva, setzt Maßstäbe
in der CO2-freien Energieversorgung.
Seite 21
Auf der IFA 2008 wurden viele, faszinierende Innovationen präsentiert. Das Ordervolumen übertraf alle Erwartungen des Fachhandels. Seite 22
In Kiel wird ein neues Partikeltherapiezentrum
erbaut, das größte PPP-Projekt im deutschen
Gesundheitswesen.
Seite 23
Bei Autoantrieben gibt es noch keine serienreifen
Alternativen zum Verbrennungsmotor. Hauptproblem sind die Batterien.
Seite 24
Forschen für den Kernkraft-Boom
Areva Erlangen | Auf dem Siemens-Campus wird an ständigen Verbesserungen der Kernkrafttechnik gearbeitet
deren Beherrschbarkeit. Diese Daten nutzen nicht nur dem Areva-Konzern bei der
Konstruktion neuer und der Modernisierung
bestehender Anlagen. Auch den Betreibern
von Kernkraftwerken helfen die Erlanger
Erfahrungen bei der Optimierung von Abläufen.
VON KLAUS G. WERTEL
W
er auf dem wie eh und je von
Heerscharen emsiger Leute überwiegend jüngerer Semester bevölkerten Siemens-Campus in Erlangen
nach Spuren der „Kraftwerk Union“ sucht,
der findet kaum noch Hinweise auf das
ehemalige Flaggschiff deutscher Kernenergietechnik. Doch das Erbe der früheren
Siemens-/AEG-Tochter KWU lebt weiter:
Die Erlanger Zentrale der Areva NP GmbH,
Deutschland-Tochter des kerntechnischen
Gemeinschaftsunternehmens von Siemens
(34%) und Areva S.A. (66%), ist zugleich eines der wichtigsten Forschungs- und Entwicklungslabors der zu den weltweit führenden Kernenergie-Konzernen gehörenden Areva. Hier wird für die gesamte Areva-Gruppe und deren Kundschaft an Verbesserungen radioaktiver Brennstoffe gearbeitet; Prototypen für neue Brennelemente
werden entwickelt und hergestellt. In
Großversuchsanlagen werden sicherheitsrelevante und kritische Situationen kerntechnischer Anlagen simuliert – und in
Konzepte zur ständigen Optimierung der
Anlagensicherheit umgesetzt.
Ulrich Gräber, Sprecher der Geschäfts-
URANVORRAT
Ein Hauptargument der Gegner eines
Ausbaus der Kernenergie ist die Behauptung, die Uranvorkommen reichten nur noch für wenige Jahrzehnte.
Dem gegenüber erklärt die Areva NP,
der größte Kerntechnik-Konzern
Europas, die Brennstoffversorgung von
Kernkraftwerken sei – unter Einbeziehung der Möglichkeiten der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente
und der Brütertechnologie – „nach
menschlichen Maßstäben praktisch unbegrenzt“. Wie können solch extrem
unterschiedliche Einschätzungen entstehen?
Die Kernenergie-Skeptiker beziehen
sich in der Regel auf Angaben „bekannter Vorkommen“ von Uran. Unter
dieser Kategorie werden zumeist nur
die bereits explorierten und mit Abbaurechten gesicherten Uranlagerstätten addiert. Da die Uran-Bergbau-Unternehmen – wie bei anderen Rohstoffen auch – nur für einen Zeitraum von
wenigen Jahrzehnten in die Zukunft
Geld in genaue Erkundungen und
bergbaurechtliche Lizenzen investieren, beträgt die „statistische Reichweite“ der „bekannten Vorkommen“
im beschriebenen Sinne in der Tat nur
67 Jahre. Die von der OECD und der
Internationalen Atomenergie-Agentur
veröffentlichte Statistik weist eine
Menge der auch bergbaurechtlich gesicherten Vorkommen von 4,6 Mio.
Tonnen Uran und einen Jahresbedarf
von derzeit etwa 68 000 Tonnen aus.
In derselben Statistik sind freilich auch
„zusätzliche Vorräte“ aufgeführt, für
die es bisher nur Schätzungen oder
vorläufige Explorationen gibt und für
die in der Regel noch keine bergbaurechtlichen Lizenzen beantragt wurden. Bei einem Teil dieser weiteren
Vorkommen lägen die Förderkosten
auch über dem gegenwärtigen Weltmarktpreis für Natur-Uran, sodass eine
Förderung erst nach einem entsprechenden Anstieg der Uranpreise wirtschaftlich würde. Unter Einbeziehung
dieser Vorkommen ergibt sich bereits
eine Reserve von 11,3 Mio. Tonnen –
und eine rechnerische Reichweite von
166 Jahren auf der Grundlage des gegenwärtigen Bedarfs.
Nun sind 166 Jahre zwar lang – aber
„nach menschlichem Ermessen unbegrenzt“, wie Areva formuliert? Der
Kernenergie-Konzern rechnet nochmals völlig anders: Zusätzlich zu den
Natur-Uran-Reserven bezieht Areva
ausdrücklich auch die – aus Kostengründen – zurzeit weltweit kaum noch
genutzten Möglichkeiten der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente sowie der Brüter-Technologie
in die Prognosen ein. Schon allein die
Rückgewinnung des rund 96%-Anteils
unverbrauchten Urans in den angebrannten Brennelementen könnte die
Reichweite des Brennstoffs Uran vervielfachen. Die Nutzung der – wegen
des „Brütens“ von Plutonium umstrittenen – Brutreaktor-Technik würde in
der Tat zu einem kaum mehr sinnvoll
zu berechnenden Versorgungszeitraum mit Kernbrennstoff führen. kw
Keine Nachwuchssorgen
Kernkraftwerke sind wieder weltweit „in“! Große Erwartungen setzen Kunden und Areva in den Reaktortyp EPR mit wesentlich erweiterten Sicherheitsmerkmalen.
Im finnischen Olkiluoto (unser Bild) entsteht derzeit ein Kernkraftwerk, das im Wirkungsgrad – und auch bei der Reduzierung der radioaktiven Reststoffe – Maßstäbe setzt. Der Reaktor – siehe unten stehenden Beitrag – soll vor allem durch seine Sicherheit (unter anderem eine enorme Erdbebensicherheit) die Bedenken gegen
die Kernenergie zerstreuen und somit der Technologie zu mehr Akzeptanz verhelfen.
Foto: Areva
führung der Areva Deutschland GmbH
und ein umtriebiger Ingenieur, muss sich
keine Sorgen machen, dass seinen 4 300
Mitarbeitern die Arbeit ausgehen könnte.
Im Gegenteil: Die weltweite Renaissance
der Kernenergie sorgt auch an den deutschen Areva-Standorten für wachsende
Beschäftigung. Eine von Gräber mit „Alleinstellungsmerkmal“ umschriebene Besonderheit der Areva-Gruppe tut ein Übriges: Areva-Unternehmen decken praktisch
die gesamte Kette der Kernenergietechnik
ab – von der Uran-Exploration und dem
Uranbergbau über die Urananreicherung
und die Herstellung von Brennelementen
bis hin zum Bau und der Wartung von
Kernkraftwerken, der Entsorgung und Wiederaufbereitung. Gräber: „Langweilig wird
es uns bestimmt nie.“
Auf „50 bis 60“ neue Reaktoren schätzt
Gräber allein den Areva-Anteil am weltweiten Zubau von Kernkraftwerken bis 2030.
Dies wäre etwa ein Drittel der von der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris
angenommenen Mindestzahl neuer Kernkraftwerke. Nach Einschätzung der IEA
wird sich die Zahl der Kernkraftwerke von
derzeit 440 noch in diesem Jahrzehnt auf
mindestens 500 erhöhen. Vor allem in China, Indien, den USA, Japan und Südkorea
erwartet die IEA einen Kernkraft-Boom: Im
Jahr 2030 werden zwei Drittel des Kernenergiestroms in diesen fünf Ländern erzeugt, so die Prognose der IEA.
Leiter des Labors für Technologie und Prototypenbau, die große Zahl oft paralleler
Versuche mit immer wieder im Detail veränderten Konstruktionen, Fertigungsmethoden und Materialien. Mit jeder konstruktiven Veränderung an vorhandenen
oder der Entwicklung neuer Reaktorlinien
kämen auch neue Fragen und Herausforderungen auf die Entwickler von Brennstäben und Brennelementen zu.
der Kunden und Auftraggeber entsprechend groß und breit gestreut. Die Ergebnisse der Versuche sind häufig die Basis
für die Erstellung oder Ergänzung von Betriebshandbüchern, für behördliche Bewertungen sowie für die Schulung von
Kraftwerks-Mitarbeitern und Aufsichtspersonal. Auch internationale Organisationen – etwa die OECD – greifen bei Pro-
DIE DRITTE GENERATION
Volle Auftragsbücher
„Ein ständig volles Auftragsbuch“ hat auch
Klaus Umminger, Leiter der ebenfalls auf
dem Erlanger Siemens-/Areva-Campus
untergebrachten Großversuchsanlagen für
die Simulation reaktortechnischer Sicherheitstests und Störfalluntersuchungen. In
Versuchsanordnungen mit ausreichend
realistisch großen Dimensionen, Füllmengen, Original-Komponenten und Materialien, wie sie in Kernkraftwerken verbaut
werden, werden denkbare und real eingetretene kritische Betriebssituationen simuliert – und deren Beherrschbarkeit erprobt.
Geübt wird freilich ohne nukleares Material – so können gefahrlos auch Undichtigkeiten in Kühlsystemen, der Ausfall von
Pumpen und Steuerungsanlagen oder die
Folgen von Überdruck und großer Hitze
auf Materialien und Systeme simuliert und
ausgewertet werden.
Die Erlanger Großversuchsanlage ist
einzigartig in Europa. So ist auch der Kreis
jekten zum Thema Reaktorsicherheit
häufig auf die Expertise der Erlanger Areva-Spezialisten zurück.
Da die Versuche, deren Abläufe und Ergebnisse akribisch dokumentiert werden,
entstand in Erlangen im Laufe der Jahre
eine umfassende, weltweit vermutlich
einmalige Datenbank über besondere kerntechnische Betriebsabläufe, Störfälle und
Trotz des – auch von der großen Koalition
nicht in Frage gestellten – deutschen Ausstiegsszenarios: Die Nachwuchssituation
hat sich für die Kernenergie-Branche eher
wieder entspannt. Hatten noch vor wenigen Jahren insbesondere die Kraftwerksbetreiber große Probleme, im Inland eine
ausreichende Zahl qualifizierter Nachwuchskräfte für ihre altershalber ausscheidenden Kernkraft-Spezialisten zu
gewinnen, so stellt der Areva-Deutschland-Chef Gräber inzwischen einen „bemerkenswerten Wandel“ in der Einstellung zur Kernenergie insbesondere bei
Studenten und jungen Ingenieuren fest:
„Die jungen Leute gehen wieder überwiegend völlig rational an ihre Lebens- und
Berufsplanung.“ Ideologische Vorbehalte
spielten bei Entscheidungen für die
Aufnahme einer Tätigkeit lange nicht
mehr die Rolle wie vor zehn oder 20 Jahren. Areva profitiere bei der Nachwuchssuche zusätzlich „vom guten Ruf eines
interessanten und verlässlichen Unternehmens“.
Im Grundkonzept wurde der European
Pressurized Water Reactor (EPR) bereits
in den 90er-Jahren von den Vorläuferunternehmen Siemens/KWU und Framatome entwickelt. Das 2001 aus beiden Gesellschaften entstandene französischdeutsche Gemeinschaftsunternehmen
Areva NP will nun in den kommenden
Jahren und Jahrzehnten weltweit mindestens 50 EPR-Reaktoren errichten. Der
erste EPR ist in Finnland bereits im Bau;
der zweite entsteht in der Normandie;
zwei weitere sind für China bereits vertraglich vereinbart worden.
Areva spricht von einem „Reaktor der
dritten Generation“. Was sind die Besonderheiten des EPR? Betont werden vor
allem weitere Verbesserungen der Sicherheit bei dem neuen Reaktortyp in der
1600-Megawatt-Klasse. So soll der EPR
selbst im Extremfall einer „Kernschmelze“
keine Schäden außerhalb der Anlage anrichten: Das aus dem Reaktordruckbehälter austretende Material würde auf einer speziellen Kernschmelz-Ausbreitungsfläche innerhalb des Containments
aufgefangen und durch auch für diesen
Fall ausreichend vorhandene Mengen
Kühlmedien zuverlässig abgekühlt.
Die Erdbebensicherheit des EPR soll
durch eine sechs Meter dicke, durchgehende Fundamentplatte aus Stahlbeton
selbst bei sehr starken Beben gewährleistet sein. Gegen „Einwirkungen von außen“ – erwähnt werden ausdrücklich „Militär- und große Zivilflugzeuge“ – schützen
Stahlbetonhüllen sowohl das eigentliche
Reaktorgebäude als auch die Kraftwerkswarte, das Brennelementelager und zwei
der vier Sicherheitsgebäude.
Die für die Beherrschung von „auslegungsüberschreitenden Ereignissen“ relevanten Sicherheitseinrichtungen sind
jeweils vierfach vorhanden – und in getrennten Gebäuden untergebracht. Dies
gilt beispielsweise für die Notkühlsysteme. Auch die Dieselgeneratoren befinden sich in verschiedenen geschützten
Gebäuden. Selbst für die Kraftwerkswarte gibt es beim EPR einen Ersatz in
Form einer „Notsteuerstelle“, von der aus
der Reaktor sicher abgeschaltet werden
kann.
Der Wirkungsgrad des EPR soll – im Vergleich zu den bisher in Westeuropa betriebenen Kernkraftwerks-Typen – um
14% steigen, der Bedarf an Uran deshalb
um 17% sinken, mit dem Nebeneffekt,
dass auch die radioaktiven Reststoffe um
rund 15% abnehmen.
kw
Komponentenfertigung geht
an Deutschland vorbei
Am Bau der neuen Areva-Reaktoren –
überwiegend vom Typ des neuen Europäischen Druckwasserreaktors EPR – ist Areva
Deutschland nicht unmittelbar beteiligt,
was natürlich auch eine Folge des politisch
erzwungenen Plans zur Beendigung der
Kernenergienutzung ist. „So geht die Komponentenfertigung völlig an Deutschland
vorbei“, bedauert Gräber.
Mittelbar bedeutet der Zubau neuer und
die Modernisierung bestehender Anlagen
freilich trotzdem jede Menge zusätzlicher
Aufträge für die Forscher und Entwickler
bei Areva in Erlangen und an anderen
Standorten: zum Beispiel im Erlanger Areva-„Uranlabor.“ Obwohl seit mehr als 50
Jahren Uran-Pellets zur Befüllung von
Brennstäben hergestellt werden, arbeitet
hier ein internationales Team von Spezialisten verschiedener Disziplinen an ständigen Verbesserungen dieses Basismaterials
der Kernkraftnutzung. Durch Veränderungen von Druck und Temperaturen während der Vorbereitung, Pressung und Oberflächenbehandlung der zylindrischen Tabletten sollen die Herstellung der Pellets,
deren Verfüllbarkeit in die Brennstab-Hüllrohre und das Verhalten während der Nutzung im Reaktor-Druckgefäß optimiert
werden.
Die im Erlanger Areva-Uranlabor entwickelten und in Kleinserien erprobten
Veränderungen von Materialbehandlungen und Herstellungsprozessen fließen unmittelbar in die Großserienfertigung der
Kernbrennstoffe des Areva-Konzerns ein.
Umgekehrt kommen sehr viele Fragestellungen und Ideen, mit denen sich das Erlanger Labor beschäftigt, unmittelbar aus
der Praxis der Brennstoff-Fertigung.
Auch bei der Entwicklung und dem Bau
von Prototypen der metallenen Hüllen und
Gerüste der Kernbrennstäbe kommt dem
Standort Erlangen eine Schlüsselfunktion
im Areva-Konzern zu: „Jeder Hinweis aus
der Brennelement-Fertigung oder von
Kraftwerksbetreibern kann eine Chance
zur Optimierung dieser komplizierten Systeme bedeuten“, begründet Erhard Ortlieb,
Maßstab in der CO -freien Energieerzeugung
2
Areva | Weltkonzern mit starker Säule in Erlangen
VON GÜNTER SPAHN
D
ie vom mittelfränkischen Erlangen
aus geführte Areva NP GmbH ist
eingebunden in die weltweit aktive
Gruppe der französischen Areva S.A., Paris.
Die gesamte Areva-Gruppe ist im Markt
tätig vor allem mit Lösungen für eine CO2freie Energieversorgung. Die zwei Hauptfelder des Konzerns sind die Kerntechnik
mit einem Anteil von 64% sowie die Stromübertragung und -verteilung mit 36%. Areva sieht sich als Marktführer insbesondere
im Segment Kerntechnik. Die Aktivitäten
umfassen den gesamten KernbrennstoffKreislauf. Im Segment Stromübertragung
und -verteilung ist Areva nach ABB und
Siemens die Nummer drei.
Im Geschäftsjahr 2007 erzielte die Gruppe bei einem Konzernumsatz von 11,923
Mrd. Euro (plus 9,8% gegenüber 2006) ein
Nettoergebnis von 743 Mio. Euro. Derzeit
beträgt der gesamte Auftragsbestand
39,834 Mrd. Euro. Die Areva-Gruppe ist
also auch ein wirtschaftlich erfolgreiches
Unternehmen. Weltweit werden 65 000
Mitarbeiter in Fertigungsstätten in 43 Ländern beschäftigt. Zwei Drittel des Umsatzes werden außerhalb Frankreichs generiert. Marketing- und Vertriebsaktivitäten
bestehen in 100 Ländern. Alles in allem ist
Areva ein Global Player.
Nachdem insbesondere die bei Areva
dominierende Kerntechnik weltweit nicht
zuletzt aus Gründen der Klimaproblematik
wieder eine hohe Akzeptanz erreichte, geht
Areva davon aus, den Marktanteil weiter
zu steigern. Der Konzern, der bisher ca.
100 Kernkraftwerke errichtete, will künftig
ein gutes Drittel der zu bauenden Kernkraftwerke erstellen. Dabei setzt Areva auf
Kunden in aller Welt.
Ulrich Gräber, Sprecher der Geschäftsführung der Areva NP GmbH,
Deutschland-Tochter des französischdeutschen Kernenergiekonzerns Areva S.A.
Foto: Areva
Der Markt der Hersteller von Kernkraftwerken ist überschaubar. Neben Areva ist
vor allem der japanische Konzern Toshiba
zu nennen, nachdem dieser Aktivitäten
von British Nuclear Fuels plc sowie von
Westinghouse übernahm. Weiter setzt auf
die Kernkraft der amerikanische Konzern
GE. Wieder verstärkt auf dem Markt für
Kernkraftwerke ist Russland mit dem Hersteller Atomenergomasch.
Im Rahmen der gesamten Areva-Gruppe
wurde die Areva NP gegründet, bei der neben der Areva (66%) Siemens einen Anteil
von 34% hält. Siemens hat verlautbaren
lassen, dass es an diesem Anteil ausdrücklich festhalten will, nachdem vor allem der
französische Staat im Rahmen seiner
Industriepolitik mit dem Gedanken spielte,
die Siemens-Anteile zu übernehmen.
Areva NP ist in drei Regionen mit den
vier Geschäftsbereichen Reaktoren, Service, Kernbrennstoff und Komponenten tätig. Im Rahmen des Gesamtkonzerns Areva
erwirtschaften bei der Tochter Areva NP
ca. 16 500 Mitarbeiter einen Umsatz (2007)
von 3,2 Mrd. Euro. Areva NP entstand 2001
durch die Zusammenlegung der kerntechnischen Aktivitäten von der Areva-Vorgängerfirma Framatome und Siemens. Framatome und Siemens waren bereits vorher
mehrere Jahrzehnte im Marktsegment
Kernenergie erfolgreich tätig.
Innerhalb der Areva NP ist die Areva NP
GmbH in Deutschland mit ca. 4 300 Mitarbeitern, die einen Umsatz von 817 Mio.
Euro (2007) erwirtschafteten, tätig. Hauptstandort ist Erlangen. An diesem HightechStandort ist Areva NP GmbH mit 2 775
(steigende Tendenz) hoch qualifizierten
Arbeitsplätzen der zweitgrößte private Arbeitgeber nach dem Koloss Siemens. Die
Tätigkeitsschwerpunkte in Erlangen sind
die Wartung und Modernisierung von
Kernkraftwerken im In- und Ausland, die
Sicherheitserhöhung von Reaktoren in
Mittel- und Osteuropa, die Weiterentwicklung von Brennelementen zu höherer
Energieeffizienz sowie die Entwicklung
neuer Kernkraftwerke mit noch höherer Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Schließlich tragen die Erlanger mit ihrer Beteiligung an internationalen Neubau-Projekten ganz wesentlich zur sicheren, wirtschaftlichen und zuverlässigen Stromversorgung, nicht nur in Deutschland, bei, wie
Ulrich Gräber, Sprecher der Geschäftsführung der Areva Deutschland GmbH, bei
unserem Redaktionsbesuch in Erlangen erläuterte.
Weitere Standorte in Deutschland sind
Lingen (Brennelemente-Fertigung), Duisburg (Hüllrohr-Fertigung), Offenbach
(Elektro- und Leittechnik, Nuklearservice)
und Karlstein (Brennelemente-Komponenten und Service- und Technical Center). Hightech aus Erlangen ist nicht nur
beim Projekt in Olkiluoto in Finnland (EPR
der dritten Generation) gefragt. So lieferten
die Erlanger beispielsweise in China für
das Neubauprojekt Tianwan die gesamte
Betriebs- und Sicherheitsleittechnik und
weitere sicherheitsrelevante Ausrüstungen.
In der Slowakei wurde modernste Sicherheitstechnik in die bestehenden Kernkraftwerke Mochovce und Bohunice integriert.
In Bulgarien wurden die Blöcke 5 und 6
des Kernkraftwerks Kozloduy modernisiert
und in der Schweiz wurde das gesamte
Druckhaltesystem im Kernkraftwerk Gösgen sicherheitstechnisch umgerüstet.
Für Ulrich Gräber ist klar, dass die weltweite Energiesituation vor dem Hintergrund des deutlichen Anstieges der Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten,
bei der gleichzeitigen weltweiten Herausforderung der Emissionsreduzierungen,
nur durch die wertfreie Beurteilung aller
Energieträger (und dazu zählt die Kernkraft) gelöst werden kann.
Areva, so Gräber, setze auf eine nachhaltige Entwicklung und natürlich auch
auf den fairen Dialog mit der Gesellschaft. Nur so entstehen vertrauensvolle
Beziehungen. Der Manager räumte ein,
dass es zum Unternehmensnamen Areva
in Deutschland noch Defizite gibt. Dies
wird aber jetzt geändert. Im Rahmen des
gesuchten Dialogs ging nun Areva mit
der Fußball-Legende 1. FC Nürnberg
eine Partnerschaft ein. Der „Club“ trägt
ab der laufenden Saison den Namen Areva auf den Trikots. Damit soll auch der
Bekanntheitsgrad in einer breiteren Öffentlichkeit realisiert werden.
JOURNAL
22 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Berlin ist mal wieder am Puls der Zeit
IFA 2008 | Bayerische Loewe trotzt asiatischem Drachen
geräten seit vielen Jahren Marktführer.
Metz exportiert 60% seiner Produktion in
über 90 Länder.
Im November feiert das Zirndorfer Unternehmen seinen 70. Geburtstag. Metz
steht gut da, will sich aber nicht in die Karten sehen lassen. „Aus Tradition veröffentlichen wir keine Gewinne“, so Kotzbauer.
Während sich auf dem 11 000 Quadratmeter großen Messegelände alles darum
drehte, wie man den Endverbraucher mit
noch mehr technischen Raffinessen zum
Kauf immer neuer Geräte animieren kann,
redeten sich die über 2 100 Teilnehmer des
Medienkongresses im ICC die Köpfe heiß.
So wurde über die Transformation der Medien durch das Internet und die Konsequenzen für Medienordnung und Medienpolitik
debattiert. Nach einem heftigen Schlagabtausch zwischen Gruner + Jahr-Chef Bernd
Buchholz und ZDF-Intendant Markus
Schächter, bei dem es um den Internetauftritt der öffentlich-rechtlichen Sender und
den neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag
ging, meinte Schächter: „Lasst uns nicht das
falsche Tor bewachen.“ Schächter stellte in
den Raum, dass eventuell bald auch Google
zu einem großen Player der Fernsehwelt
wird und bei den begehrten Rechten für
die Olympiaübertragung mitpokert.
VON IRENE HELL
D
er Kronacher Fernsehbauer Loewe
und der Zirndorfer Blitzlicht- und
TV-Geräte-Produzent Metz ließen
auf der IFA die Funken sprühen. Ein Messerundgang mit dem WirtschaftsKurier
zeigt die wichtigsten Entwicklungen nicht
nur deutscher Unternehmen auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik und –
zum ersten Mal auf der IFA vertreten – der
Haushaltsgeräteindustrie auf.
Mit einem Ordervolumen von über 3
Mrd. Euro übertrifft die diesjährige Internationale Funkausstellung (IFA) alle Erwartungen des Fachhandels. Mehr als
220 000 Besucher aus der ganzen Welt
stürmten die Berliner Messehallen, um an
den Ständen der 1 245 Aussteller die neueste Technik zu begutachten.
Sichtlich zufrieden gab sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Rahmen einer Galaveranstaltung die 48. IFA
eröffnete. „Weltweit gibt es in der Branche
einen Umsatz in Höhe von über 400 Mrd.
Euro“, sagte Merkel. Die Funkausstellung
in Berlin sei immer „am Puls der Zeit“.
In diesem Jahr gab es erstmalig eine
Kombination der klassischen Unterhaltungselektronik mit Elektrohaushaltsgeräten, der so genannten Weißen Ware. Das
sei ein logischer Schritt, meinte die Kanzlerin. In Zukunft könne man auf dem Handy
fernsehen und gleichzeitig seinen Herd
oder seine Waschmaschine zu Hause anschalten. „Das Handy wird also sozusagen
eine Zentrale sein“, führte die Kanzlerin –
und begeisterte Handy-Nutzerin – weiter
aus. Man könne in Zukunft einfach im
Wohnzimmer sitzen bleiben und von dort
am Fernseher sozusagen weitere kleine
Fernseher anschalten, die über eine kleine
Kamera zum Beispiel im Backofen zeigen,
wie der Kuchen gerade aussieht, und über
eine andere Kamera in der Waschmaschine, wie es dort aussieht, schwärmte die
Kanzlerin.
Bildschirme sollen flacher
werden, nicht das Programm
Wohl kaum in einem anderen Bereich ist die Marktstellung der Asiaten, vor allem auch Japans, so vorherrschend wie in der Unterhaltungselektronik. Das zeigte auch
ein Rundgang über die diesjährige IFA, die Internationale Funkausstellung in Berlin (im Bild der Stand von Samsung).
Foto: IFA
Nischenstrategie gegen
die asiatische Dominanz
Das Geschäft mit hochmodernen Flachbildschirmen, Computern, Kameras und
anderen elektronischen Geräten wird dominiert von den Branchen-Riesen Sony,
Philips, Samsung und Panasonic. Doch
stolz und selbstbewusst präsentierten sich
auch deutsche Hersteller wie Loewe, der
Kronacher Hersteller von hochwertigen
Fernsehgeräten, und das Zirndorfer Traditionsunternehmen Metz.
Der WirtschaftsKurier besuchte die
bayerischen Champions auf der IFA und
fragte auch Manager von Fujitsu Siemens
und Panasonic nach neuen Trends und Erfolgsstrategien.
Schneeweiß glitzerte die Messehalle von
Loewe. In einer riesigen, gläsernen Vitrine
schlummerte hier die interaktive Fernbedienung vor einem überdimensionalen,
formvollendeten Flachbildschirm. Fast so
wie Schneewittchen, das darauf wartet,
durch den Kuss eines Prinzen zum Leben
Im Sucher der Kameras: der CEO des
Kronacher Loewe-Konzerns Frieder C.
Löhrer auf der IFA.
LESERBRIEFE
Schafft endlich eine Lex Siemens
(zur Titelgeschichte der August-Ausgabe)
Aus dem Herzen. Mit Ihrem Artikel über
den Siemens-Korruptionsskandal sprechen Sie mir aus dem Herzen. Die Art
und Weise, in der ein deutsches und erfolgreiches Traditionsunternehmen kaputt geredet wird und auch die Art und
Weise, wie darüber berichtet wird, grenzt
an Zynismus, bedenkt man, dass Zuwendungen im Ausland bis 1999 noch bei
der Steuer geltend gemacht werden
konnten. Warum untersucht die US-Börsenaufsicht SEC eigentlich nicht in gleichem Umfang die US-amerikanischen
Konkurrenten von Siemens? Die Einholung großer Aufträge ist nicht nur in den
von Ihnen benannten Schwellenländern
ohne Zuwendungen offenbar nur schwer
möglich. Wann begreifen unsere Politiker, die den einst so hoch gelobten Herrn
von Pierer eiskalt fallen gelassen haben,
dass es hier in Wirklichkeit um die Diffamierung eines der rentabelsten Deutschen Unternehmen geht? Ebenso unverständlich ist im Übrigen, dass die Politik
fast tatenlos zusieht, wie Brüssel unter
dem Deckmantel des Umweltschutzes
Politik gegen deutsche Autobauer macht.
Ist noch wirklich niemandem aufgefallen, dass große Autos, wenn sie voll besetzt sind, pro Kopf weniger CO2 ausstoßen als eine einzelne Person in einem
Kleinwagen? Wenn es wirklich um Umweltpolitik ginge, dann könnte man eine
Regelung vorsehen, die die Kfz-Steuer
nicht nur vom Hubraum, sondern auch
von der Familiengröße abhängig macht,
ähnlich wie es bei der Einkommenssteuer gehandhabt wird. Andernfalls drängt
sich der Verdacht auf, es ginge gar nicht
um Umweltschutz. Der Vorschlag, Autos
nach dem CO2-Ausstoß zu besteuern,
schadet der deutschen Wirtschaft und ist
im Übrigen im höchsten Maße familienunfreundlich. Ein entsprechendes Gesetz
würde möglicherweise sogar gegen Art. 6
GG verstoßen.
Aber zurück zu Siemens. Man sollte sich
darauf beschränken, Korruption im eigenen Land zu verurteilen. Wenn Zuwendungen an Entscheidungsträger aber internationale Praxis sind, um Großaufträge einzuholen, dann muss man das
Spiel mitspielen, will man nicht außen
vor bleiben. In diesem Sinne hat der letzten Monat verurteilte Siemens-Manager
nicht Gelder veruntreut, wie die Richter
es formulierten, sondern Milliarden-Aufträge und damit Arbeitsplätze und Steuergelder reingeholt.
Dr. Gerhard Fuders, Fürth
*
Herr Saubermann. Dem Grundtenor
zum Leitartikel Siemens (WirtschaftsKurier August 2008) kann man nur zustimmen! Es geht Herrn Cromme nicht um
Recht oder Unrecht, sondern darum, auf
Kosten der Siemens-Aktionäre den
„Herrn Saubermann“ zu spielen. Mit Debevoise & Plimpton LLP, New York, hat er
die teuersten Anwälte der USA engagiert
und damit wahrscheinlich der Welt. Diese Anwälte können ohne jede Restriktion
im Negativen wühlen und Angestellte belasten. Sie kosten etwa 1 Mio. Euro pro
Tag! Ohne sonstige Kosten! Der Schaden
am Nimbus der Firma Siemens ist nicht
abschätzbar.
Dr. Rainer C. Kahr
Dr. Norbert Kotzbauer vom Zirndorfer Unternehmen Metz weist auf die Elektronik hinter den blanken und durchgestylten Oberflächen der Hightech-Flachbildschirme hin.
Eine Wasser- und Kaffee-resistente
Tastatur präsentiert Björn Fehrm von
Fujitsu Siemens.
Fotos: Hell
erweckt zu werden, wartet die riesige
Heimkinoanlage auf einen finanziell potenten Kunden.
„Das ist unser Modell Loewe Reference“,
sagte Loewe-Vorstand Gerhard Schaas
stolz. Die märchenhafte Bildqualität, die
durch neueste, hochauflösende High Definition (HD)-Technik erreicht wird, ist nicht
ganz billig. Die ausgestellte Heimkinoanlage, die sich über fünf Meter erstreckt, kostet 22 000 Euro.
Damit sich die Interessenten diesen stolzen Preis auf der Zunge zergehen lassen
können, wird zur Produktpräsentation ein
feines Trüffelsüppchen gereicht. „Es muss
ja passen“, erklärte Schaas dazu.
Natürlich gibt es auch preisgünstigere
Varianten. Doch die Linie ist klar: schlank,
elegant, superteuer. Loewe positioniert
sich im Hochpreissegment.
Schaas warnte von einer „Kannibalisierung“ der Branche. Einige asiatische Hersteller würden Geräte mit neuester Technologie zu Dumping-Preisen auf den
Markt werfen. Aufgrund der Preisschlachten musste Loewe 2003/04 beinahe „in die
Röhre“ schauen.
Doch dank einer neuen Strategie, die auf
Komplettlösungen setzt, ist das mittelständische Unternehmen mit rund 1 000 Beschäftigten heute besser aufgestellt denn je.
„Systemkopf Deutschland“ habe die
Wende gebracht, erklärte Schaas. Die Projektentwicklung und die Produktion bleiben in Deutschland, aufwändige Elektronik komme aus Fernost.
Nachdem die einst geschätzten LoeweBildröhren von LCD-Fernsehern verdrängt
wurden, holte sich der fränkische Fernsehbauer den japanischen Hersteller Sharp
mit ins Boot. Nachdem Loewe sich im Bereich der LCD (Liquid Crystal Display)-Panels etabliert hat, kommt jetzt eine neue
Generation von Blue-ray, von hochauflösenden Bildschirmen auf den Markt.
Besonders gute Erfahrungen habe Loewe bei der Zusammenarbeit mit Universitäten gemacht, die zur Verbesserung der
Bedienungsfreundlichkeit und des Designs
beigetragen hat. Dieser Mix aus Innovation
Mittels Vektorenrechnung werden von
Metz Zwischenbilder erstellt, die die Bewegungen, zum Beispiel beim Flug einer
Ente, noch flüssiger machen.
„Mit dem Sirius hat bei Metz eine neue
Sternzeit des Fernsehens begonnen“, bewirbt das Unternehmen einen neuen LCD-
und Kooperation verhalf Loewe zu einem
schwungvollen Aufschwung: Aufgrund der
Fußball-Europameisterschaft und der
Olympiade erzielte Loewe im ersten Halbjahr ein Ertragsplus von etwa 80%.
Anders als bei Schneider, Grundig und
Telefunken ging bei Loewe nicht das Licht
aus. Doch insgesamt sind asiatische Unternehmen führend im Consumer Electronics-Bereich. In Europa würde kaum mehr
in neue Technik investiert, bedauert
Schaas. Deshalb seien Länder wie Japan,
die Milliardenbeträge in die Entwicklung
von Halbleitertechnologien investieren,
führend.
Qualität made in Germany
aus dem Hause Metz
Auch das Zirndorfer Traditionsunternehmen Metz, das einige Hallen weiter mit
hochwertigen Flachbildschirmen und
Blitzlichtgeräten aufwartet, trotzt selbstbewusst den Global Playern.
Loewe und Metz manövrieren sich geschickt aus dem Schussfeld der Rabattschlachten der großen Verkaufsketten wie
Saturn oder Media Markt. Die beiden bayerischen Elektronikchampions setzen statt
auf Masse auf Nischenmärkte und Qualität. „Uns ist es wichtig, auf den Kunden,
auf den Menschen einzugehen“, so MetzGeschäftsführer Norbert Kotzbauer.
Fernsehgeräte von Metz sind nur im
Fachhandel zu haben. Die Händler, die die
Seniorchefin Helene Metz fast alle persönlich kennt, sind handverlesen.
Auf der IFA feierte die Firmengründerin
ihren 84. Geburtstag. Helene Metz setzt auf
„Qualität made in Germany“. Der Kunde
soll das Beste, besonders den besten Service bekommen für sein Geld.
„Wir arbeiten wie bei der Formel 1 – wir
holen immer noch ein bisschen mehr
raus“, sagte Kotzbauer. Die Mitarbeiter
von Metz sind auf Zack. Neueste Technologie, die es ermöglicht, Sendungen aufzuzeichnen, während im Fernseher gerade
ein anderes Programm angeschaut wird,
ist kinderleicht zu bedienen. Die Bildqualität ist weit besser als im Kino.
Bundeskanzlerin Angela Merkel – neben Miss IFA – zeigte sich begeistert
von den zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten von Handys, auch im Haushalt.
Foto: IFA
Flachbild-Fernseher. Integrierte TV-, Home
Cinema-, DVD-, Audio- und Video-Anlagen sollen vor allen Dingen eines sein:
leicht zu bedienen.
Eine wirklich gute Beratung und ein guter Service seien nur im Fachhandel möglich. „Dafür ist der Kunde auch bereit, etwas mehr zu bezahlen. Ich sage nur Faktor
Mensch“, so Kotzbauer.
Service ist das Erfolgsrezept von Metz: „Wir
nehmen die Menschen ernst. Das ist unser
Vorteil gegenüber dem Internet und den Ketten“, erklärte Kotzbauer. Der Funke soll
überspringen, auch bei der Foto-Elektronik.
In Deutschland ist Metz mit seinen Blitz-
Christiane zu Salm, seit April dieses Jahres
Vorstandsmitglied der Hubert Burda Media
und für Cross Media zuständig, war als einzige Frau in die Elefantenrunde der Medienmächtigen zum Auftakt der Medienwoche geladen. „Die Gesellschaft verändert sich mehr als die Wirtschaft“, beobachtet zu Salm. Nicht nur die Flachbildschirme werden immer flacher, sondern
auch das Programm. Deshalb suchen Millionen von Jugendlichen auf Internetplattformen, auf denen sie sich interaktiv mit
anderen Jugendlichen austauschen können, nach Alternativen. „Diese sozialen
Medien sind längst zum Massenmedium
geworden“, erklärte Mark Goldman, der
Chef des US-Senders Current TV. Dieser
von Al Gore gegründete Sender arbeitet
mit Beiträgen, die von Freiwilligen auf der
ganzen Welt zusammengestellt werden.
Current TV hat damit eine neue Form des
kollektiven Journalismus geschaffen. Doch
bemerkenswert ist, dass neben einigen
spannenden Berichten aus Kriegs- und
Krisengebieten einige Zuschauer sogar eigene Werbespots von Sony produzierten.
Demnach haben einige Marken Kultstatus.
Dies dürfte wohl auch Fujitsu Siemens
Computers dazu animiert haben, den Firmenauftritt zu ändern. „Jetzt sieht man
endlich, dass es ein Fujitsu Siemens Computer ist“, sagte Björn Fehrm. „Wir meißeln unser ganz eigenes Profil heraus“, so
Fehrm weiter. Der schwedische SiemensManager, der zuständig ist für Computer,
Strategie und Innovation, demonstrierte
eine weitere Neuheit: Er schüttete ein Glas
Wasser über das Keyboard – nichts passiert.
Der Computer bleibt dank „Spill Proof“Schutz heil. Fehrm schüttet das Wasser
wieder zurück ins Glas. Davor, eventuell
auf dem Computer verschütteten Kaffee
wieder zu trinken, warnte Fehrm jedoch:
Auf dem Keyboard seien zu viele Bakterien. Neuester Renner bei Fujitsu Siemens:
ein preisgünstiges Mini-Notebook.
IPTV, also die Verschmelzung von Fernsehen und Internet, wird ganz groß geschrieben bei Panasonic. „Wir müssen jedem Kunden etwas bieten“, so PanasonicPressechef Peter Weber. Von der High Definition Videokamera bis hin zur Radarerfassung
in neuen Automodellen gibt es bei Panasonic
alles, was das elektronische Herz höher
schlagen lässt. „Wir bringen dem Zuschauer High Definition ins Haus, ohne dass er
ein Signal von den Sendeanstalten
braucht“, erklärte Joachim Reinhart, Präsident von Panasonic Europe. Reinhart, der
als einziger Deutscher im Vorstand des japanischen Elektronikriesen sitzt, hat den
Marktanteil von Panasonic in Europa kontinuierlich ausgebaut.
„Blue-ray Disc“ heißt das neue Meisterwerk der Technik, das Filme in 3D-Qualität
abspielen kann. „Sony sagt immer, es ist
ihre Technologie. Das stimmt nicht. Es ist
Panasonic-Technologie. Das ist ein Faktum“, so Reinhart.
Mit Blue-ray, einer Technik, die High Definition (HD), also hochauflösendes Fernsehen, ermöglicht, ist Panasonic ein Geniestreich gelungen. Jetzt werden auf der
ganzen Welt Millionen von gerade noch
angesagten Flachbildschirmen auf den
Müll geworfen und durch interaktive Blueray-Fernseher ersetzt. Die Kassen klingeln,
doch die Umwelt leidet.
„Die Leute wissen nie, was sie wollen.
Märkte werden nicht von den Leuten bestimmt, sondern Märkte werden gemacht“,
verriet Reinhart. Dennoch beobachtet Loewe-Vorstand Schaas große Unterschiede in
der Mentalität: „Der Japaner sieht ein neues Gerät und sagt: Muss ich haben. Der
Deutsche schaut ins Schaufenster und
fragt: Ist es billiger geworden?“ Ganz anders reagieren die Scheichs am Golf. Die
würden fragen: „Kann ich das Gerät auch
mit Diamanten versetzt haben?“
JOURNAL
SEPTEMBER 2008
WirtschaftsKurier
Neue Ära in der Krebstherapie
In Kiel wurde mit dem Bau eines Partikeltherapiezentrums begonnen | Größtes PPP-Projekt im deutschen Gesundheitswesen
VON DR. WULF-HINRICH MÖLLER
W
eit ist der medizintechnische
Weg von der ersten Röntgenaufnahme einer Hand im Jahre 1896
bis zur Partikeltherapie der Gegenwart.
Wilhelm Conrad Röntgen war es, der am 4.
November 1895 in Würzburg die unsichtbaren Strahlen entdeckte.
Und so soll es im Jahr 2010 einmal aussehen: das Nordeuropäische Radioonkologische Centrum Kiel (NRoCK) an der Feldstraße in einer Visualisierung. Voraussichtlich 2010 können in diesem Gebäude die
ersten Patienten behandelt werden. Das
Kieler Institut ist in der Tat weltweit dann
einzigartig, weil hier die Strahlentherapie
komplett mit eingegliedert wird.
In unmittelbarer Nähe zur altehrwürdigen Kieler Gelehrtenschule, dem altsprachlichen Gymnasium und der zweitältesten Schule des Landes SchleswigHolstein entsteht gegenwärtig das „Gebäude der Zukunft“: das NRoCK.
In der Medizin diente das Röntgen seit
über 100 Jahren der Feststellung von Anomalien im Körper, die im Zusammenhang
mit Symptomen, Zeichen und eventuell
anderen Untersuchungen eine Diagnose
ermöglichen.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO wird zum Beispiel allein die Zahl der Krebsneuerkrankungen
von heute 10 Mio. weltweit bis zum Jahre
2020 um die Hälfte steigen. Krebs könnte
dann die häufigste krankheitsbedingte Todesursache sein. Trotz aller Fortschritte
kann heute nur etwa jeder zweite Patient
geheilt werden.
Etwa 60% aller Patienten werden mit
der Strahlentherapie behandelt. Von diesen Patienten würde etwa jeder Zehnte
von der Partikeltherapie profitieren. Diese
Das geplante neue Nordeuropäische Radioonkologische Centrum Kiel (NRoCK) in einer Visualisierung. Voraussichtlich 2010 können die ersten Patienten behandelt
werden.
Therapie eignet sich besonders für bestimmte strahlen-resistente Tumore und
solche, die nah an Risikoorganen oder
HIGHTECH IN HISTORISCHEM AMBIENTE
Bevor sich der Richtkranz über das neue
Operationszentrum zeigte, machten bereits erste Sprachbilder die Runde: Das
PTZ sei „in Beton gegossenes Umdenken“, so formulierte es Klinikum-Chef
Prof. Dr. Bernd Kremer.
Von daher gab es nicht nur Freude an
diesem 1. September 2008 anlässlich
des Richtfestes zwischen Chirurgie und
Frauenklinik. Denn das OP-Zentrum
steht auch für den Beginn einer Reihe
künftiger Baumaßnahmen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK SH), die das Klinikum zukunftsfähig machen sollen. Vor allem soll es zunächst
Operationskapazitäten bündeln. „Die Belange einer einzelnen Klinik werden dem
Interesse des gesamten Uniklinikums untergeordnet“, erklärte Kremer. Im Bereich
des UK S-H wird zwar einerseits ein hypermodernes radioonkologisches Zentrum mit allen Schikanen (NRoCK) aus
dem Boden gestampft, andererseits
müssen Patienten noch in oft historischer
Altbausubstanz behandelt werden.
Prof. Kremer hofft, dass der mannshohe
Richtkranz in Zukunft gleich mehrfach
verwendet werden kann, wenn der bauliche Masterplan umgesetzt wird. So wer-
den im ersten Stock des gerichteten
sechsstöckigen Rohbaus acht Operationssäle geschaffen, so dass man mit
den vorhandenen acht OP in der Chirurgie über 16 Operationsräume verfügt.
„Und jetzt bietet das Zentrum Platz für
148 Patientenbetten auf vier Etagen“, hieß
es bei der Bauherrin GMSH (Gebäudemanagement Schleswig-Holstein). Über
den OP-Räumen werden vier Geschosse
je eine interdisziplinäre 37 Betten-Station,
Aufnahmebereiche, Untersuchungsräume
und Büros enthalten. Das OP-Geschoß
ist mit einem Zwölf-Betten-Aufwachbereich sowie einem Intermediate-Care-Bereich für Pflege- und überwachungsbedürftige Patienten unterhalb des Intensivstation-Levels ausgestattet.
Für den Entwurf des Klinikums zeichnet
das Kieler Büro Schnittger Architekten +
Partner verantwortlich. Allein die Baukosten bedeuten eine Investition von 34 Mio.
Euro, dazu kommen die Kosten für die
Erstausstattung. „Man habe sich der Zukunft gestellt“, sagte Hendriks vom Wissenschaftsministerium im Blick auf Forschung und Lehre, „denn an Modernität
sei das OP-Zentrum kaum zu überbieten“.
Behandlungstisch zur Tumorbestrahlung im Partikeltherapiezentrum.
Ein neuer Ansatz zur Krebstherapie: Mit dem Siemens Iontris können Tumore
punktgenau behandelt werden.
um solche Organe herum liegen.
„Stellen Sie sich ein Auto vor, das mit
hoher Geschwindigkeit an eine Ampel
heranfährt und scharf bremst – an den
schwarzen Spuren auf der Straße sehen
Sie, wo die Energie geblieben ist.“ Mit diesen Worten erklärte UK SH-Vorstandschef
Prof. Dr. Bernd Kremer die Funktionsweise der Partikeltherapie, bei der die Energie
zielgenau dort auftritt, wo der Tumor sitzt.
„Mit der Realisierung dieses Projekts wird
eine neue Ära in der Behandlung von Tumorpatienten eingeleitet.“
Tumore präzise zerstören
Das Ziel einer jeden Krebsbehandlung ist
es, die Tumorzellen zu zerstören und das
umliegende gesunde Gewebe so weit wie
möglich zu schonen. Vorteil der Partikeltherapie ist die große Zielgenauigkeit, mit
der eine genau vorberechnete Dosis zum
Ziel gebracht werden kann. Das davor liegende Gewebe wird wesentlich geringer
belastet und das dahinterliegende bleibt
weitgehend strahlungsfrei.
Für Patienten mit bestimmten Tumoren
in der Nähe von empfindlichen Geweben
(Gehirn, Wirbelsäule, Nervenbahnen) und
für die Behandlung von Kindern eröffnen
sich dadurch ganz neue Behandlungschancen. Die Partikeltherapie nutzt nämlich das inverse Tiefendosisprofil von Protonen oder Kohlenstoffionen für die präzise Tumorbehandlung. Im Gegensatz zu
herkömmlichen Photonenstrahlen, deren
Dosis kurz nach dem Eindringen in das
Gewebe am höchsten ist, um dann wieder
abzufallen, geben die Partikelstrahlen ihre
Hauptdosis erst gegen Ende ihrer Bahn im
so genannten „Bragg Peak“ ab.
Reichweite, Fokussierung und Intensität des Partikelstrahls sind präzise einstellbar, um das Tumorgewebe millimetergenau zu behandeln. Grundlage für die Behandlungsplanung bildet eine dreidimensionale Rekonstruktion des Tumors, die in
einzelne Schichten verschiedener Tiefen
aufgeteilt wird. Die Behandlung erfolgt
Schicht für Schicht, wobei die Eindringtiefe des Partikelstrahls durch im Synchrotron erzeugte Energie gesteuert wird.
Bei der Partikeltherapie werden über ein
Beschleunigersystem Protonen oder Kohlenstoffionen auf eine sehr hohe Geschwindigkeit (bis zu 70% der Lichtgeschwindigkeit) gebracht und dann punktgenau auf das Zielgewebe gerichtet.
Das PTZ wird als Kompetenz-Zentrum
für Tumorerkrankungen ab 2011 neue Behandlungschancen in der Krebstherapie
eröffnen. Der Einzugsbereich soll neben
Norddeutschland den gesamten südskandinavischen Raum umfassen. Im Endausbau der Anlage sollen in drei Behandlungsräumen jährlich rund 3 000 Patienten
mit Partikeln behandelt werden.
Und die Kosten? „Nach den jetzigen Planungen bestehen alle Chancen, dass sich
das PTZ aus dem laufenden Betrieb selbst
finanziert“, so kaufmännischer Vorstand
Dr. Schleifer. Von größter Bedeutung seien
aber die bereits abgeschlossenen Kooperationsverträge mit Kliniken in Oslo, Odense, Kaunas, Greifswald, Hannover, Rostock
und in Minden. Und Versicherte der Angestellten-Krankenkassen (DAK, TK, KKH,
HEK, Hamburg Münchener, hhk) können
sich künftig bei bestimmten schweren
Krebserkrankungen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel mit Protonen und Schwerionen bestrahlen lassen.
Dies wird in einem Vertrag zwischen dem
Verband der Angestellten-Krankenkassen
e.V. mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein geregelt, der in Kürze unterzeichnet wird. An einem Vertrag mit der
AOK werde zurzeit gearbeitet.
Die alleinige strahlentherapeutische Behandlung von Patienten mit Partikeln werde mit 19 500 Euro je Patient bei einer Zahl
von 20 Bestrahlungen vergütet. Die Behandlung eines Patienten mit Partikeln in
Kombination mit konventioneller Strahlentherapie wird mit 10 000 Euro je Patient
bei fünf Bestrahlungen vergütet. Damit
entspreche der Preis durchaus Wirtschaftlichkeitsanforderungen der Krankenkassen. Zum Vergleich: „In Amerika liegt die
Kostenbeteiligung bei 150 000 Dollar je Patient“, so Projektleiter Ralf Kampf.
Bei der geplanten Anlage handelt es sich
um das bislang größte Public-Private-Partnership-Projekt im deutschen Gesundheitswesen. Den Auftrag erhielt am 18.
März 2008 ein Bieterkonsortium aus Siemens, Bilfinger Berger und HSG Techni-
scher Service. Die Investitionskosten in
Höhe von 250 Mio. Euro refinanzieren sich
über ein internationales Bankenkonsortium unter der Führung der HSH Nordbank.
Siemens wird die Planung und Errichtung der Partikeltherapie-Anlage, die Lieferung der Medizintechnik und den Service übernehmen. Bilfinger Berger Hochbau zeichnet für die schlüsselfertige Erstellung des Zentrums und die HSG garantiert Strom-, Wärme- und Wassermengen für das Gebäude und übernimmt das
technische und infrastrukturelle Gebäudemanagement.
Lebensqualität
deutlich erhöhen
Die Behandlung ist meist nicht mit einem
stationären Aufenthalt verbunden. Untersuchungen in Japan und Deutschland
konnten zudem für bestimmte Krebserkrankungen zeigen, dass sich die Zahl der
Behandlungen im Vergleich zur konven-
23
PRESTIGEPROJEKT
Im Bereich der Medizintechnik gehört
die Siemens AG zu den Weltmarktführern. Allein im Stammsitz Erlangen beschäftigt das Unternehmen etwa
21 900 Mitarbeiter.
Für das Projekt in Kiel galt die Devise:
Ein solches Projekt stemmt man nicht
allein. Es benötigt eine gute Mischung
aus innovativer Technik, Fachwissen
und Kundenkontakt. Und diese Mischung hat es gemacht: Die Kompetenz aus dem Stammhaus in Erlangen, die Kundenkontakte des Account
Management vor Ort und die Zusammenarbeit des gesamten Teams waren
ausschlaggebend für den Auftragsgewinn.
Zur Realisierung des Projekts gründeten die Sponsoren Siemens Project
Ventures und Bilfinger Berger Project
Investments eine Projektgesellschaft,
die sich über ein internationales Bankenkonsortium refinanziert und die
weiteren Mitglieder der Bietergemeinschaft unterbeauftragt. Siemens übernimmt dabei die Planung und Errichtung der Partikeltherapie-Anlage, die
Lieferung der Medizintechnik von der
Diagnostik bis hin zur Informationstechnologie, den Service sowie den
technischen Betrieb der medizintechnischen Systeme.
Das Thema Partikeltherapie wurde
von der schleswig-holsteinischen Regierung als Leuchtturmprojekt in das
Regierungsprogramm aufgenommen.
„Wir hatten das Glück, zur richtigen
Zeit am richtigen Ort zu sein, um das
Thema Partikeltherapie der Regierung
in Kiel vorstellen zu können“, so Cornelia Reddig, Leiterin der SiemensNiederlassung Kiel.
Auch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H) konnte Siemens mit seinem Konzept und Erfindergeist für eine Partikeltherapie-Einrichtung im Rahmen eines onkologischen Kompetenzzentrums überzeugen. „Mit der Siemens-Anlage entscheidet sich das UK S-H für die zurzeit innovativste Lösung auf dem
Markt“, ergänzt Thorsten Reichert,
Project Manager des Angebotteams.
tionellen Strahlentherapie reduzieren
lässt. Für den Patienten bedeutet diese
verkürzte Behandlungszeit ein Plus an Lebensqualität.
Weltweit wurden bereits mehr als 50 000
Patienten mit der Partikeltherapie behandelt, ca. 3 000 von ihnen mit Kohlenstoffionen. Experten gehen davon aus, dass in
den Industrienationen in absehbarer Zeit
pro 8 Mio. bis 10 Mio. Einwohner ein Partikeltherapiezentrum wirtschaftlich betrieben werden kann.
Therapie und Forschung
Partikeltherapiezentrum | Alles unter einem Dach
M
it dem NRoCK wird in Kiel eine
der modernsten Krebstherapieeinrichtungen der Welt entstehen. Angesichts der steigenden Anzahl an
Tumorerkrankungen in den nächsten Jahren trägt das Zentrum zu einer Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau bei.
WiKu-Mitarbeiter Dr. Wulf-Hinrich Möller
sprach mit Ralf Kampf, dem Projektleiter
des Partikeltherapiezentrums Kiel.
WirtschaftsKurier: Was bedeutet die Ansiedlung des PTZs in Kiel für den Wissenschafts-Standort sowie für die Gesundheitsregion Schleswig-Holstein?
Ralf Kampf: Mit dem NRoCK in Kiel soll
eine der modernsten KrebstherapieEinrichtungen der Welt entstehen. Es
hält unter einem Dach das gesamte
Spektrum der notwendigen Diagnostik
vor und bettet sich hervorragend in
den onkologischen Therapie- und Forschungsschwerpunkt des UK S-H ein.
Das NRoCK stellt mit seinen besonderen Therapiemöglichkeiten einen wesentlichen Beitrag dar, um den in den
nächsten Jahren zunehmenden Krebserkrankungen bei den Menschen begegnen zu können und trägt damit zu
einer Gesundheitsversorgung auf
höchstem Niveau bei. Zudem bietet
Forschung und Lehre auf dem Gebiet
der Partikeltherapie ein weiteres Geschäftsfeld, das mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern
bearbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt wird.
WiKu: Welche Bedeutung hat das neue Therapiezentrum speziell für das UK S-H?
Kampf: Für Universitätskliniken ist eine
Partikeltherapie-Anlage aus folgenden
Gründen hoch attraktiv: Die Partikeltherapie wird wegen der hohen Investitions- und Betriebskosten auch
längerfristig ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Von der damit verbundenen Sogwirkung für Patienten wird
das dem NRoCK angebundene UK S-H
vor allem vor dem Hintergrund des zu
etablierenden Comprehensive Cancer
Ralf Kampf, Projektleiter des Partikeltherapiezentrums Kiel: „Das NRoCK
wird für die Weiterentwicklung im Bereich der Medizintechnik eine Schlüsselrolle einnehmen.“
Center Nord (CCC-Nord) wesentlich
profitieren:
■ Der onkologische Forschungsschwerpunkt wird durch eine Partikeltherapie
erheblich gestärkt.
■ Die Auslastung der Anlage erfordert den
Zusammenschluss verschiedener, vor allem universitärer Kliniken zu einem
Netzwerk. Damit wird der Aufbau von
Forschungsverbünden beschleunigt.
■ Internationale Kooperationen mit anderen speziellen Zentren werden ermöglicht.
■ Das NRoCK wird für die Weiterentwicklung im Bereich der Medizintechnik eine
Schlüsselrolle einnehmen.
WiKu: Welche Vorteile hat die neue Therapieform?
Kampf: Nach den bisherigen Erfahrungen könnte durch die Partikeltherapie
ein Quantensprung bei der lokalen Tumortherapie erzielt werden, vergleichbar mit der Einführung der modernen
Strahlentherapie, Chemo- und Hormontherapie in den 60er und 70er Jahren. Die Umsetzung des NRoCK in Kiel
mit seiner gesamten Behandlungsbreite der Krebstherapie in der universitären Patientenversorgung unter einem
Dach ist dabei ein wesentlicher Grundstein in der Behandlung von Tumoren
in Deutschland.
WiKu: Was geschieht mit anderen KlinikEinrichtungen wie zum Beispiel der Radiologie?
Kampf: Es ist noch nicht abschließend geklärt, was mit dem Gebäude der Radiologie passiert, vermutlich wird es aber abgerissen werden. Sicher ist, dass die
Strahlentherapie es 2011 räumt. Über
den Verbleib der Kliniken Diagnostische
Radiologie und Nuklearmedizin habe
ich keine Informationen.
WiKu: Die Kieler Medizinische Fakultät
hatte einen Weltruf. Die Gliederung der
Fakultät in den Campus Kiel und Campus Lübeck schadet ganz allgemein
dem Ruf. Ist hiervon auch das PTZ betroffen?
Kampf: Es ist ja nicht neu, dass wir zwei Fakultäten am UK S-H haben und daran
wird sich aus meiner Sicht so schnell
auch nichts ändern. Aber die Position
der Kieler Medizinischen Fakultät wird
jetzt gestärkt.
WiKu: Finden in dem gebauten und ab
2010 benutzten Gebäude des PTZ auch
andere Abteilungen ihren Platz?
Kampf: Ab 2011 wird das Gebäude genutzt
und ausschließlich für die Behandlung
von onkologischen Patienten.
WiKu: Der Kostendruck lastet auf dem
hochverschuldeten Klinikum und
macht sicher auch nicht vor dem radioonkologischen Zentrum halt?
Kampf: Da es sich um ein PPP-Projekt handelt werden keine Mittel vom Klinikum
zur Errichtung benötigt. Vereinfacht gesagt, dass UK S-H mietet das Zentrum bei
dem privaten Errichter und Betreiber für
25 Jahre. Das UK S-H beziehungsweise
die in Gründung befindliche Betriebsführungsgesellschaft, eine 100%ige Tochter,
übernimmt den medizinischen Betrieb.
Der komplette technische Betrieb obliegt
dem Konsortium SBB.
JOURNAL
24 WirtschaftsKurier
SEPTEMBER 2008
Wunder dauern etwas länger
Automobilantriebe | Noch gibt es keine serienreifen Alternativen zu den Verbrennungsmotoren
VON KLAUS G. WERTEL
U
nter dem Druck der KraftstoffpreisExplosion des zu Ende gehenden
Sommers haben sich selbst sonst
eher nüchterne Automobil-Manager zu
mehr von Hoffnungen beflügelten als von
Fakten unterlegten Botschaften hinreißen
lassen: „Die Zukunft wird den emissionsfreien Elektromotoren gehören – betankt
aus der Steckdose“, verkündete etwa Martin Winterkorn, der Vorstandsvorsitzende
der Volkswagen AG und frühere Chef der
VW-Tochter Audi. Winterkorn war freilich
vorsichtig genug, nicht zu sagen, wann diese Zukunft beginnt.
Auch für viele Medien stand der Spielplan des diesjährigen Sommertheaters
ganz im Zeichen des angeblich unmittelbar bevorstehenden Durchbruchs des
Elektroautos. Wer sich freilich mit Entwicklern der Automobilunternehmen und deren Zulieferern unterhält, erfährt Ernüchterung: Noch gibt es keine serienreifen Alternativen zu den Verbrennungsmotoren.
Frei nach dem Volksmund-Spott „Unmögliches wird sofort erledigt – Wunder dauern
etwas länger“ werden wir wohl noch viele
Jahre auf die – allerdings verbrauchsoptimierten – Erfindungen von Nicolaus August Otto und Rudolf Diesel angewiesen
sein.
Einen Ballon laut steigen und später leise platzen zu lassen, hat inzwischen eine
gewisse Tradition in der automobilen Welt:
Sollten wir – nach den Ankündigungen des
Jahres 2000 – nicht schon längst das abgasfreie Brennstoffzellen-Auto fahren? Es ist –
bei den Autoherstellern, wie in den Medien – bemerkenswert still geworden um
diese Technik. Und der – angeblich von
den Europäern „verschlafene“ – HybridAntrieb? Nach Auskunft des KraftfahrtBundesamts hatten von den im ersten Halbjahr 2008 zugelassenen neuen Personenwagen gerade mal 0,2% den Doppelantrieb
aus Verbrennungs- und Elektromotor.
„Früher wurde religiös geheuchelt – heute
wird ökologisch geheuchelt“, beschrieb der
ehemalige Stuttgarter Oberbürgermeister
Manfred Rommel einmal das Phänomen
dieser Kluft zwischen Umfrage-Bekenntnissen und realen Kaufentscheidungen.
Das ungelöste Batterie-Problem
Der mobile Einsatz von Brennstoffzellen
ist kompliziert – deren sichere Versorgung
Sportwagen mit Elektroantrieb: Tesla-Roadster aus Kalifornien.
mit Wasserstoff noch ungelöst. Hybrid-Autos sind deutlich teurer als vergleichbare
Fahrzeuge, die ausschließlich von einem
Benzin- oder Dieselmotor angetrieben
werden. Aber warum ist es noch immer
nicht möglich, die – im Prinzip – mehr als
100 Jahre alte Technik eines batteriegespeisten Drehstrommotors auf die Räder zu
stellen und alltagstauglich zu machen?
Freunde von Verschwörungstheorien mögen „die Öl-Lobby“ verdächtigen, den Siegeszug des ökologisch korrekten Elektroautos zu hintertreiben. Es gibt eine viel
einfachere und plausible Erklärung: das
ungelöste Batterie-Problem.
Wird im Londoner Stadtverkehr getestet: Smart Electric Drive.
ZEITENWENDE
Wer in diesen Wochen die Betrachtungen
zur Entwicklung der automobilen Antriebstechnik hört oder liest, kann leicht
den Eindruck einer Art Zeitenwende gewinnen: Endlich sind die Ingenieure aufgewacht – versperren dem Fortschritt hin
zu Hybrid, Elektroantrieb oder gar Brennstoffzelle nicht länger den Weg.
Abgesehen davon, dass noch gar nicht
ausgemacht ist, welche der genannten
Antriebsarten in welchem Zeitraum welche Anteile der Verbrennungsmotoren ersetzen kann – der Fortschritt der Antriebstechnik geschah und geschieht seit
Jahrzehnten in vielen Schritten. Eine
„Stunde Null“ gibt es nicht.
Wer sich allein die Entwicklung der Motortechnik der zurückliegenden 40 bis 50
Jahre anschaut, stößt auf eine Vielzahl
von Veränderungen und Verbesserungen,
mit denen die Leistung erhöht, die Lebensdauer der Motoren vervielfacht, der
spezifische Verbrauch mehr als halbiert
und die Schadstoff-Emissionen dramatisch gesenkt wurden.
Hatte schon der Übergang von Einfachzu Mehrfach-Vergasern für eine wesentlich gleichmäßigere Füllung der Verbrennungsräume und damit zu einer Verbesserung des Wirkungsgrads gesorgt, so
führte der Siegeszug der Benzin-Einspritzung in den 60er und 70er Jahren
zu einer weiteren, erheblichen Optimierung des Kraftstoffmanagements im
Motor.
Weitere Fortschritte wurden später durch
die Schubabschaltung, das elektronische
Motormanagement für Zündung und
Ventilsteuerung, die verschiedenen Stufen der Vermeidung von Schadstoffen im
Abgas – vom Verzicht von Blei im Benzin
bis hin zu Katalysatoren, Kaltlaufreglern
und Abgasrückführung – erreicht.
Der entscheidende Fortschritt zur Verbesserung der Effizienz der Diesel-Motoren
kam deutlich später als bei den Benzinern – aber dann mit voller Wucht: Die
Einführung des Turboladers hat den Charakter des Dieselmotors total verändert:
hin zu Drehmomentriesen, die trotzdem
extrem sparsam betrieben werden können
und vergleichsweise kultiviert laufen. Dieser Wandel erklärt auch den erfolgreichen
Durchmarsch des Dieselmotors bis in
die Oberklasse: Wer beispielsweise vor
40 Jahren seinen Mercedes 280 noch
mit gut 16 Litern Superbenzin verbleit füttern musste, kann heute mit einem stärkeren Diesel in der schwerer gewordenen SKlasse mit sieben bis acht Litern Diesel
flott übers Land reisen.
Die Kehrseite dieser langen Entwicklung
ist, dass die Möglichkeiten der großen
Optimierungsschritte wohl weitgehend
ausgereizt sind. Es muss häufig ein immer größerer Aufwand getrieben werden,
um immer kleinere Fortschritte zu erzielen. Aber ein Ende der technischen Verbesserungen der Verbrennungsmotoren
ist wohl noch lange nicht in Sicht.
kw
Alle Versuche, eine ausreichende Menge
Energie in nicht zu voluminöse und
schwere Batteriesysteme zu speichern, haben bisher nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Die Batterien waren entweder zu schwach oder nicht zyklenfest –
oder beides. Nach mehreren Tiefentladungen waren die Batterien schlicht tot – und
Ersatz teuer. Diese betrübliche Eigenschaft
ließ schon vor dem Ersten Weltkrieg die
ersten Serien von Elektromobilen zu Ladenhütern werden, bereitete den legendären Brauerei-Lastwagen mit ihren heulenden Elektromotoren in den frühen 50er
Jahren ein baldiges Ende und vergällte
auch in den 70er und 80er Jahren den Besitzern der damaligen Kleinserien-Elektrowägelchen die Freude am Fahren. Der doppelte Boden der Mercedes A-Klasse, einst
mit dem Vorhaben eines Elektroantriebs
begründet und als Batteriestaufach vorgesehen, blieb dauerhaft leer.
Jetzt setzen die Entwickler große Hoffnungen in die – aus Laptops und anderen
Kleingeräten bekannten – Lithium-IonenBatterien: Deren Energiedichte ist mit derzeit knapp 200 Wattstunden pro Kilogramm Batterie doppelt so hoch wie bei
Nickel-Cadmium-Akkus und sogar mehr
als sechsmal höher als bei der klassischen
Bleibatterie (30 Wh/kg). Unter Einsatz
druckfester Batterieummantelungen und
durch Integration der Batterien in Kühlkreisläufe scheint eine weitere Erhöhung
der Energiedichte der Lithium-Ionen-Akkus möglich. Freilich: Die hohen Temperatur- und Druckschwankungen im Hochleistungseinsatz bereiten noch erhebliches
Kopfzerbrechen. Die von manchen Notebook-Akkus berichteten Überhitzungsund Explosions-Phänomene haben sich
auch in Automobileinsätzen der LithiumIonen-Akkus gezeigt.
Benzin hat eine
60-fache Energiedichte
Geradezu deprimierend bleibt freilich der
Vergleich mit der Energiedichte klassischer
Flüssigkraftstoffe: In einem Kilogramm
handelsüblichen Superbenzins (95 Oktan)
stecken 12 000 Wattstunden – das ist das
60-Fache dessen, was derzeit die besten Lithium-Ionen-Akkus leisten.
Vor diesem Hintergrund warnt auch Joachim Fetzer, beim Automobilzulieferer Robert Bosch GmbH verantwortlicher Leiter
in der Batterieentwicklung, vor der Illusion, mit Batterien auch nur annähernd die
Energiedichte von Benzin oder Diesel erreichen zu können. Zwar traut auch Fetzer
dem Medium Batterie noch erhebliche Verbesserungen in diesem Punkt zu. Doch die
eigentlichen Entwicklungspotenziale sieht
er in einer weiteren Verbesserung der Energieeffizienz dieses Antriebskonzepts – also
in einer Steigerung des ohnehin schon hohen Wirkungsgrads elektrischer Antriebe.
Und: Die elektrisch angetriebenen Autos
müssten – wenn sie eine wenigstens für
die Kurzstrecke ausreichende Reichweite
schaffen sollen – deutlich leichter werden
als die gegenwärtig handelsüblichen Kaliber von mehr als einer Tonne selbst in der
Kompaktklasse.
Fotos: Daimler
gels an Energiemenge in den kommenden
Elektroautos: Die Ziele der Reichweitenverlängerung durch Gewichtsreduktion
und Energieverbrauchseinsparung können nicht allein durch den Einsatz leichterer Materialien erreicht werden. Es wird
wohl auch einen Verzicht auf Komfort und
Ausstattung geben müssen. Dabei geht es
nicht nur um etwas weniger Kniefreiheit
auf der Rückbank oder die Rückkehr zur
guten alten Fensterkurbel, sondern auch
um den Verzicht auf eine Klimaanlage.
„Das wird schwierig“, heißt es bei Daimler.
Vor dem Hintergrund der geschilderten
Entwicklungshürden und physikalischen Limitierungen erscheint es nur folgerichtig,
dass es zunächst eher Kleinst- und Kleinwagen sein werden, die in den kommenden
Jahren mit elektrischem Antrieb ausgestattet in kleinen Serien auf den Markt kommen sollen: So testet Daimler derzeit im
Londoner Stadtverkehr die Alltagstauglichkeit einer kleinen Flotte von Elektro-Smarts.
2010 soll dann eine erste Serie von „ESmarts“ mit Lithium-Ionen-Batterie verkauft werden. Im gleichen Jahr hofft Daimler-Entwicklungschef Thomas Weber auch
mit einer Vorserie einer Elektroversion der
Mercedes A-Klasse starten zu können.
Reichweitenziel: 100 Kilometer. Bereits 2012
sollen rund 10 000 A-Klassen mit Elektromotor in Rastatt vom Band rollen.
Daimler verklagt
Batterie-Lieferanten
Unter welchem Druck die Entwicklungsabteilungen – sicherlich nicht nur im
Daimler-Konzern – an den neuen Antriebskonzepten arbeiten, dafür ist die Klage ein Indiz, die Daimler im August 2008
bei einem US-amerikanischen Bezirksgericht in Alabama gegen einen säumigen
Batterie-Lieferanten eingereicht hat:
Daimler will den Batteriehersteller Cobasys
gerichtlich dazu zwingen, mit dem vertraglich zugesagten Start der Lieferung leistungsstarker Akkus für die Hybrid-Version
des Mercedes Geländewagens ML 450 unverzüglich zu beginnen. Der Hintergrund:
Mit dem für 2009 bereits angekündigten
Verkaufsstart des ML 450 Hybrid will
Daimler seine Position auf dem amerikani-
schen Markt weiter stärken. Cobasys hat
offenkundig Schwierigkeiten, die Entwicklung der Batterie in der zugesagten Leistungsklasse und Qualität fristgerecht abzuschließen, woran vermutlich auch ein
Gerichtsurteil nichts ändern kann.
Auch bei anderen Unternehmen haben
Vorstände und Marketingabteilungen
mehr beschlossen, als Entwicklungsabteilungen einhalten können: So hat Toyota
den Start einer reinen Batterieantriebsversion des bisher nur als Hybrid gelieferten
Modells Prius von 2010 auf 2011 verschoben. Begründung: Sicherheitsprobleme
mit den Hochleistungs-Lithium-Ionen-Akkus. Audi hat das Vorhaben eines HybridQ7 vorerst aufgegeben – und will nun stattdessen eine Hybrid-Version des kleineren
und leichteren Geländewagens Q5 entwickeln. Marktstart: 2010.
Porsche hat dagegen die Planung für Hybrid-Antriebe ausgeweitet: Neben dem Geländewagen Cayenne soll auch der im
kommenden Jahr in Serie gehende viertürige Sportwagen Panamera in einer Hybrid-Version zu haben sein. Wann genau
die Hybrid-Produktion aufgenommen werden kann, lässt Porsche allerdings vorerst
offen: „Später“, heißt es in Zuffenhausen.
BMW arbeitet an einem „Feldversuch“
mit einer kleinen Testflotte einer Elektroversion des Mini. VW hat einen solchen
„Flottenversuch Elektromobilität“ bereits
begonnen. General Motors will sein Elektro-Kompaktauto „Volt“ 2010 auf den
Markt bringen – und von 2011 an auch in
Europa verkaufen. Auf diesem Feld automobiler Angebote tummeln sich auch allerlei Exoten: Für Aufsehen sorgte beispielsweise der Mitte August 2008 auch in
Berlin vorgestellte „Elektro-Sportwagen“
des kalifornischen Herstellers Tesla, der
99 000 Euro kosten soll.
Apropos: Über Preise ihrer künftigen
Elektroautos sprechen die Hersteller öffentlich kein Wort. Billig wird das Vergnügen nicht, zu den Pionieren eines weiteren
Evolutionsschritts der Automobiltechnik
zu gehören. Auf „mindestens 5 000 Euro“
sollen sich die Mehrkosten – im Vergleich
zum klassischen Verbrennungsmotor – belaufen, so die inoffizielle Auskunft. Dabei
gibt es wohl in den meisten Unternehmen
die Überlegung, zumindest in der Markteinführungsphase die Mehrkosten der
Elektroautos durch „Quersubventionen“
aus anderen Marktsegmenten zumindest
teilweise aufzufangen.
Leichtlaufreifen und
Motoren-Optimierung
Im Windschatten des öffentlichen Interesses für Elektroautos, Hybrid & Co. gehen
natürlich die vielfältigen Anstrengungen
um weitere Optimierungen der klassischen
Autoantriebe, etwa die Entwicklung von
Leichtlaufreifen oder der Ersatz schwerer
Metalle durch Kunststoffe, unvermindert
weiter. Dabei kommt den Zulieferern eine
Schlüsselstellung zu. So schätzt der Getriebespezialist ZF, dass allein durch den Übergang auf optimierte Getriebeautomaten
eine weitere Kraftstoffeinsparung von – je
nach Typ – 5% bis 10% möglich ist.
Um ein Lieblingsthema früherer Jahre –
die Brennstoffzelle im Auto – ist es dagegen
in der Tat öffentlich ruhig geworden, was
den Entwicklern übrigens sehr willkommen ist. Die Programme – etwa bei Daimler und BMW – sind keineswegs eingestellt
oder auch nur reduziert worden. Nur die
einst unrealistischen Zeitziele sind deutlich gestreckt oder auch ganz gestrichen
worden: Eine Aussage, wann erste Serien
von Brennstoffzellen-Autos zu kaufen sein
werden, will niemand mehr abgeben.
So effizient und zuverlässig die Umsetzung einer Reaktion von Wasser und Sauerstoff in elektrische Energie inzwischen
funktioniert – die Probleme bei der Herstellung von Wasserstoff, beim Transport
und der sicheren Betankung der Brennstoffzellen-Autos gelten nach wie vor als
nicht gelöst. Die Brennstoffzellen-Systeme
KOMMENTAR.
Langer Atem
VON KLAUS G. WERTEL
Die Sache mit der Entwicklung „alternativer Antriebe“ ist mühsam, dauert
sehr lange – und kann in Teilbereichen
durchaus auch scheitern. Das spricht
weder gegen die Sache noch gegen deren
Entwickler. Um zu wissen, ob ein Weg
weiterführt oder letztlich eine Sackgasse
ist, muss man ihn gehen – ohne Abkürzung, mit langem Atem.
Der „Fortschritt“ lässt sich weder auf
Parteitagen beschließen noch von Unternehmensvorständen befehlen. „Zahlen kann man nicht anschreien“, hat
Franz-Josef Strauß einst die Unbestechlichkeit der Mathematik gelobt. Auch die
Physik hat die sympathische Eigenschaft,
sich weder Ideologien zu beugen noch
von Zeitgeist-Moden korrumpieren zu
lassen.
Ob nach mehr als 100 Jahren Batterieantrieb jetzt endlich der Durchbruch zu einer vernünftigen Speichertechnik gelingt? Wir können es hoffen und werden
sehen. Sicher ist dies nicht. Ob die Brennstoffzelle wirklich auch für den mobilen
Einsatz taugt? Es wird vielleicht noch
Jahrzehnte dauern, bis diese Frage seriös
beantwortet werden kann. Wie weit helfen uns aus Pflanzenresten gewonnene
Bio-Treibstoffe der „zweiten Generation“,
Erdöl zu substituieren? Es ist auf jeden
Fall einen Versuch wert.
Den einen Königsweg gibt es im wirklichen Leben selten.Vieles spricht auch im
Bereich der Mobilität für einen Energiemix, dessen Hauptanteil noch sehr lange
Verbrennungsmotoren leisten werden.
Insofern wäre es unverantwortlich, wegen der Option auf Alternativen in der
Weiterentwicklung der vorhandenen
Technik nachzulassen.
Den Akteuren wäre dringend zu raten,
keine unrealistischen Erwartungen auf
schnelle Erfolge zu schüren. Marketingsprüche können Entwicklungsfortschritte nicht ersetzen, nicht einmal beschleunigen. Im Gegenteil: Wo mehr versprochen wird als gehalten werden kann,
wird kaum mehr Interesse und schon gar
kein Vertrauen mehr wachsen. So können auch gute Ideen und positive Entwicklungen zuverlässig ruiniert werden.
sind auch immer noch zu groß, um sinnvoll in einem kompakten Personenwagen
untergebracht zu werden. Bei Bussen und
Lastwagen erscheint eine Verwendung
eher möglich.
Biokraftstoff aus Pflanzenabfällen
Ein weiterer Hoffnungsträger, der Biosprit, ist in diesem Jahr – wegen der Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau –
ziemlich in Verruf geraten. Doch mit der
unmittelbar vor der Produktionsreife stehenden „zweiten Generation“ der aus
Pflanzen gewonnenen Kraftstoffe könnte
sich dies wieder ändern. Der Grund: Die
neuen Kraftstoffe sollen nicht mehr aus
Maisfrüchten oder Getreide gewonnen,
sondern aus Pflanzenabfällen, Ernteresten und Restholz hergestellt werden. Die
Sorge, der Anbau von Energiepflanzen
verdränge und verteure die Nahrungsproduktion, könne damit ausgeräumt werden, so Wolfgang Warnecke, Leiter der
Kraftstoffentwicklung bei Shell. Außerdem könne der neue „Sun-Diesel“ – im
Gegensatz zum bisherigen Bio-Diesel –
ohne Umrüstung und unbesorgt in jedem
Dieselmotor eingesetzt werden. Bis zu
20% des Bedarfs an Diesel in Deutschland
könnte durch diese neue Kraftstoffart aus
heimischen Pflanzenreststoffen gedeckt
werden, schätzt auch die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe.
Verzicht auf die Klimaanlage?
Worüber man in den Entwicklungsabteilungen – wohl auch auf Bitten ihrer Marketing-Kollegen – nicht so gerne spricht, sind
die Risiken und Nebenwirkungen des beschriebenen und wohl dauerhaften Man-
Daimler übergibt die Mercedes-Benz A-Klasse mit Brennstoffzelle an Bundesminister Wolfgang Tiefensee.

Documentos relacionados