Paranoid Park - FilmRauschPalast

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Paranoid Park - FilmRauschPalast
FilmRauschPalast
Paranoid Park
Letzte Aktualisierung 28.08.2008
Frankreich/USA 2007
Regie: Gus Van Sant
Buch: Gus Van Sant nach einem Roman von Blake Nelson
Kamera: Christopher Doyle, Kathi Li
Darsteller: Gabe Nevins, Daniel Liu, Taylor Momsen, Jake Miller, Lauren McKinney
Länge: 85 min.
Web: www.peripherfilm.de
„Nobody is ever really ready for Paranoid Park” heisst es über die Skater-Anlage in Portland, in der die
ganz harten Jungs und Mädchen abhängen. Dennoch zieht es Alex wie magisch an den verrufenen Ort – bis er auf
einem nächtlichen Ausflug dorthin zum Verursacher eines tödlichen Unfalls wird. In hypnotisch schönen Bilder von
Christopher Doyle erzählt Gus Van Sant ein weiteres mal von der Leere, der Verzweiflung und dem Zauber
amerikanischer Teenager.
FILMKRITIK
Das Bild, das einem von PARANOID PARK im Gedächtnis bleibt, erinnert an die endlosen Schulflure aus ELEPHANT.
Mehrfach zeigt der Film eine Betonröhre von 3-4 m Durchmesser, in der Teenager selbstvergessen die Wände hoch
skaten. Eine Art Tunnel, an dessen Ende blendend weißes Licht hereinscheint. Doch das Licht ist außer Reichweite, denn
die Öffnung ist mit einem Gitter versehen. Die Bewegung der Skater ist keine Bewegung in eine Richtung, sondern ein
jugendlich-autistisches Um-sich-selbst-Kreisen.
Das entspricht ungefähr dem Zustand in dem sich der 16-jährige Alex befindet. Man vertrödelt die Tage, trifft sich zum
Skaten und in der Shopping Mall, daheim trennen sich gerade die Eltern und die Freundin Jennifer will endlich Sex d.h.
eine feste Beziehung. Normales Teenager-Kuddelmuddel, das allerdings zur Bedeutungslosigkeit verblasst, wenn Alex
an jene Nacht denkt, in der er einen Ausflug zu der berühmt-berüchtigten Skateranlage Paranoid Park unternommen hat, in
der die elternlosen Kids, die Drifter und Outlaws von Portland, Oregon skaten. Dort „surft“ er das erste Mal
Frachtzüge, und als er versucht, einem Security Guard zu entkommen, verursacht er einen tödlichen Unfall. Alex beschließt,
den Unfall zu verheimlichen, aber seine Gedanken kreisen ständig um das Ereignis.
Der Film übernimmt die Bewegungen von Alex Gedanken, springt chronologisch vor und zurück, erzählt Nebensächliches
zuerst, lässt Personen unvermittelt auf- und wieder abtauchen, geht die kriminalistischen Details des Vorher und Nachher
genau durch und nähert sich nur langsam dem traumatischen Kern. Handlung als das, was passiert, wird zerstückelt und
ersetzt durch den viel langsameren und mühsameren Prozess von Erinnern, Verdrängen und Verarbeiten. Von den
Sprüngen und Spiralbewegungen von Alex Erinnerung geht eine hypnotische Wirkung aus, die durch eine schwerelos
gleitende Kamera noch verstärkt wird. Neben 35 mm setzen Wong Kar-Wais Hauskameramann Christopher Doyles und
Kathi Li dabei die grobkörnige Rückblendensästhetik von Super 8 ein. Ein sagenhaft anspruchsvoll ausgetüftelter Soundtrack,
der Musik von Nino Rota, Beethoven und Elliott Smith mit Alltagsgeräuschen verbindet, unterlegt die faszinierend schönen
Bilder mit einem fast durchgehenden Klangteppich.
PARANOID PARK ist tatsächlich so ‚schön’, dass er dem jugendlich-autistischen Um-sich-selbst-Kreisen,
das er beschreibt, gefährlich nahe kommt. Aber immer wieder verweist der Film auch über die eigene Ästhetik hinaus. Zum
einen ist da eine spürbare Nähe zu den Protagonisten. Van Sant versteht und kennt die Teenager seiner Heimatstadt und
ihre Welt der Malls und Dates. Einzelne Szenen, wie die in der Alex’ kleiner Bruder in einem unglaublich
langweiligen Monolog seine Lieblingsszene aus NAPOLEON DYNAMITE rezitiert, werden so zu Miniaturen in denen
vom Pickel bis zum Tonfall alles stimmt. Zum anderen knüpft Van Sant mit PARANOID PARK, mit einem Kopfnicken in
Richtung internationales Arthouse Kino, an klassische amerikanische Außenseitererzählungen an.
Hendrike Bake
Alex und Jared sind Skater. Sie besuchen noch die High School, in der freien Zeit widmen sie sich ihrem Hobby. Die Ehe
von Alex’ Eltern ist nicht mehr in Ordnung, daher findet sich der Junge äußerlich wie innerlich oft auf sich allein
gestellt.
Der Paranoid Park, eigentlich Eastside Park, ist eine Sportanlage, die sich die Skater selbst gebaut haben. Der Nachteil:
Es treibt sich allerhand Gesindel herum. Deshalb zögern Jared und Alex zunächst, dort mitzumachen. Schließlich tun sie es
doch. Halb aus Langeweile springen sie auf einen Güterzug auf. Da taucht ein Security-Beamter auf, will die beiden
verjagen. Alex versetzt dem Mann mit dem Skateboard einen Schlag. Der Getroffene fällt auf die Schiene. Ein Zug naht.
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Erfaßt ihn. Der Mann wird sterben.
Alex ist nun mit dieser tragischen Schuld allein. Es gibt in der Schule zwar Ermittlungen, doch sie führen zu nichts. Alex
irrt umher, sucht die Einsamkeit, gibt seiner hübschen Jennifer, die das nicht begreifen kann, den Laufpaß, weiß nicht, wohin
dies alles führen wird.
Gottlob gibt ihm seine Schulkameradin Macy den Rat, alles aus sich herauszuschreiben. Alex tut dies. Es kann ihm
momentane Erleichterung verschaffen. Aber sein Dilemma zwischen normalem Leben und Schuldbewusstsein, zwischen
Erwachsenwerden und verzweifelter Suche ist damit noch lange nicht aus der Welt.
Gus Van Sant ist Schriftsteller, Maler, Filmemacher. Er drehte große Produktionen, die etwa in Cannes Preise erhielten.
Dann wieder wendet er sich von Zeit zu Zeit dem Indie-Film zu, es entstehen kleine Filme, die sich durch psychologische
Sonderheiten oder Feinheiten auszeichnen. Ein solcher Streifen ist Paranoid Park. Formal einfach, mit 8mm-SkateboardAufnahmen durchmischt, liegt der Schwerpunkt ausgiebig auf Alex’ Verhalten in diesem schwierig-unglücklichen
Lebensabschnitt.
Das ist mit viel Realitätsgefühl und psychologischer Empfindsamkeit gemacht. Dass dies gelang, daran hat der junge
Schauspieler Gabe Nevins, der die Hauptfigur verkörpert, großen Anteil.
Gekonnte Veranschaulichung des Seelenzustandes und des Verhaltens eines jungen Schülers in einer unglücklichtragischen Lebensphase.
Thomas Engel
aus: www.programmkino.de
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