Das Book of Kells

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Das Book of Kells
Book of Kells
Das Evangeliar von Kells ist das berühmteste
Manuskript der Bibliothek des Trinity College in
Dublin und trägt die Signatur Ms 58. Irische
Mönche schufen am Anfang des 8. Jahrhunderts
diesen Prachtkodex, in dem sich christliche
T h e m a t i k u n d I ko n o g r a p h i e m i t ke l t i s ch germanischer Flechtband-Ornamentik verbinden.
1
Maria und Jesus
Kurzbeschreibung des Book of Kells
Dublin, Trinity College Library, Ms 58
(A.I.6). Wahrscheinlich Iona, Ende des
8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts
Beschaffenheit
Pergament, 340 Blätter, 325x250 mm, Schriftspiegel
250x180 mm, einspaltig beschrieben zu 17-19 Zeilen
in irischer Majuskel mit schwarzer bis dunkelbrauner
Tinte. Zu den Anfängen von Sätzen kleinere, zu den
Anfängen der Eusebianischen Sinnabschnitte größere
Initialen in Tinte und Deckfarbenmalerei oder nur in
Deckfarbenmalerei. Kanontafeln, Evangelistensymbolseiten, Initial- und Textzierseiten sowie Bildseiten
in Tinte und Deckfarbenmalerei, vorwiegend mit
Minium (orangefarbige Mennige, Bleirot), Karmin
(gewonnen aus der auf der Kermeseiche lebenden
Kermesschildlaus). Auripigment (Gelb-Schwefelarsenik), Grün (Malachit), Blau (Lapislazuli aus dem
Himalajavorgebirge in Afghanistan), lndigo (Blau,
aus der subtropischen Pflanze lndigo oder aus Waid)
und Folium (Purpur). Die Handschrift wurde 1953
von Roger Powall in vier Einzelbände gebunden.
wobei er die Lagen überprüfen konnte. Diese variieren von Quaternionen (4 Doppelblätter) bis Senionen
(6 Doppelblätter). 50 von den 340 Blättern sind
Einzelblätter vor allem die Zierseiten und Bilder. Am
Anfang und am Schluss fehlen mehrere Seiten von
den Vorstücken zu den Evangelien sowie vom Johannesevangelium, die teilweise wahrscheinlich schon im
Mittelalter in Verlust gerieten, teilweise erst nach dar
Kollationierung durch Erzbischof James Ussher 1661,
der noch 344 Blätter zählte.
2
Inhalt
Die vier Evangelien nach Matthäus, Markus,
Lukas und Johannes. Vorgeschaltet sind eine
zehnseitige Kanonfolge, eine am Anfang
unvollständige Interpretation der hebräischen
Namen sowie die Evangelien-Argumente und
Kapitelverzeichnisse zu allen vier Evangelien.
Die Evangelienprologe "Novum opus" "Plures
fuisse" "Ammonius quidem" und "Sciendum"
fehlen, ersterer war ohne Zweifel vorhanden,
geriet aber mit dem Beginn der Interpretation
der Nomina Hebraica in Verlust. Die ursprünglich leer gelassenen fol. 5v-6v, 7r und
27r enthalten Abschriften von Urkunden und
Dokumenten der Abtei KeIls aus der Mitte
des 12. Jahrhunderts. Sie bezeugen den
Aufenthalt des Evangelienbuches in diesem
K l o s t e r. D e r E v a n g e l i e n t e x t f o l g t d e r
hieronymianischen Vulgata zeigt, aber sehr
viele altlateinische und insulare Varianten,
die zuletzt von Patrick McGurk im unten
zitierten Kommentarband zum Faksimile des
Book of Kells aufgeschlüsselt wurden.
„Teppich“-Seite
3
Schmuck- und Textseite
Entstehung und Geschichte
Die jüngere Forschung neigt dazu, das Bock
of KeIls auf der westlich von Schottland
gelegenen inneren Hebrideninsel Iona
entstanden zu sehen Dort gründete der hl.
Columba ( um 521/522-597) im Jahr 563 ein
Kloster, das zum beherrschenden Haupt einer
Paruchia von Klöstern im nördlichen Irland
und Schottland (Rollason) wurde, zu der auch
Kells gehörte. Möglicherweise entstand die
Handschrift dort vor 793, dem Jahr des ersten
Wikingereinfalles, dem 802 und 806 weitere
folgten; vielleicht war sie damals
unvollendet, das Johannesevangelium wäre
d a n n e r s t n a c h d e n Wi r r e n g e s c h r i e b e n
worden. Vermutlich gelangte das Buch im
Jahre 878 zusammen mit den Reliquien des hl.
Columba nach Kells, wo man es als
Evangelienbuch des großen Heiligen
betrachtete. Im Jahr 1007, so berichten die
Annalen von Ulster, wurde es aus der Kirche
von Kells gestohlen und vergraben, nach drei
Monaten aber wieder gefunden, jedoch ohne
den mit Silber und Gold beschlagenen
Buchkasten, in dem es ehedem aufbewahrt
worden war. Der Bericht über den Raub nennt
es "den kostbarsten Gegenstand der
w e s t l i c h e n We l t " . Ü b e r H e n r y J o n e s ,
1661-1682 Bischof von Meath, gelangte das
Buch in die Bibliothek des Trinity College,
Dublin.
4
Textseite
Schrift und Schmuck
Das Bock of KeIls ist in irischangelsächsischer Halbunziale geschrieben.
Die Majuskelschrift setzt sich aus gleich
großen Buchstaben zusammen, die nur selten
kurze, über die Linien hinausragende Oberund Unterlängen besitzen. Das Alphabet
selbst besteht aus Unzialen und Kapitalen,
das heißt aus einer wechselnden Folge von
Klein- und Großbuchstaben, die meistenteils
gerundet sind. Die Majuskelschrift erfuhr in
Irland seit dem späteren 7. Jahrhundert eine
eigene Prägung. Im wahrscheinlich um 875
entstandenen Bock of Durrow (Ms. 57 [A.lV.5]
des Trinity College, Dublin) ist sie bereits
ausgebildet; im Bock of Kells erreicht sie die
Schönheit spätantiker Unzialhandschriften,
die sie letztlich nachahmt. Am Buch beteiligt
waren drei oder vier Schreiber, die wohl
zugleich auch den Schmuck ihrer
Textpassagen ausführten. Von besonderem
Interesse sind die Textinitialen, vor allem die
Anfangsbuchstaben der Eusebianischen
Sinnabschnitte in den vier Evangelien, aber
auch die Enden von Abschnitten und die
Zeilenfüllsel. Sie offenbaren eine Phantasie
und künstlerische Vielfalt, die alle übrigen
frühmittelalterlichen Handschriften übertrifft.
Dies gilt auch für die Initialzierseiten mit den
Anfängen der vier Evangelien. (Weiter >>>)
5
Schrift und Schmuck (Fortsetzung)
Zusammen mit den Evangelistensymbolseiten und den Textzierseiten bilden
sie den Höhepunkt der insularen Buchmalerei
des Frühmittelalters und stellen auf einmalige
A r t u n d We i s e e i n e i n d e r B u c h k u n s t
gleichsam zusammengezogene Synthese jener
b i l d e n d e n K ü n s t e d a r, d i e a u f d e r
Steinskulptur und Goldschmiedekunst der
uralten keltischen Kultur gründet. Über
Gallien nach Irland, Schottland und England
verpflanzt, überlebte sie dort im Zeitalter des
Christentums und nahm ein von der Tradition
der griechisch-römischen Kunst wesentlich
verschiedenes Gesicht an. Die figuralen
Bildseiten dagegen sind großartige Zeugnisse
der Auseinandersetzung der insularen
Geisteswelt mit der von den Evangelien
geprägten, im mittelmeerischen Raum
verwurzelten Kunst der Antike und deren
Realitätscharakter.
Evangelistensymbole
Initiale „e“
6
Literatur
Patrick McGurk, Latin Gospel Bocks from
A.D. 400 to A.D. 800, Paris - Bruxelles Anvers - Amsterdam 1961, No. 87. - Francoise
Henry, The Book of Kells, London 1974. CarI
Nordenfalk, Insulare Buchmalerei.
llIuminierte Handschriften der Britischen
Inseln 600 - 800, München 1977, S. 108ff. Jonathan J.G. Alexander, Insular Manuscripts
(6th to the 9th Century), London 1978. - Book
of KeIls. MS 58 Trinity College Library Dublin
Faksimile. Kommentarband, hrsg. von Anton
von Euw und Peter Fox. Mit Beiträgen von
Umberto Eco, Peter Fox, Gearoid Mac
Niócaill, Patrick McGurk, Bernard Meehan,
A n t h o n y C a i n s , J o n a t h a n J . G . A l e x a n d e r,
Luzern 1990.
Zu den Evangelienbüchern:
A n t o n v o n E u w, D a s B u c h d e r v i e r
Evangelien, Kölner Museums - Bulletin,
Sonderheft 1. 1989. - Derselbe, Evangéliaires
carolingiens enluminés, Bruxelles-La Haye
1990.
Schmuck- und Textseite
Siehe auch:
Hans Zimmermann, Evangeliar von Kells
7
Initialseite „XRO“
8
Katzen und Mäuse aus der XRO-Seite
9
Kanontafel
10
Faksimile oben aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, rechts eine
etwa 100 Jahre später.
11
Vergrößerung
Teppichseite
12
Schmuckinitiale
13
Schmuckinitiale
14
Schmuckinitiale
15