Ideen bändigen Komplexität
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Ideen bändigen Komplexität
Komponenten + Systeme Verbindungstechnik ▲ 03/2007 Hintergrundbericht Das Kleben von Bauteilen macht Löcher und viele Einzelteile überflüssig. Bild: Raybond Ideen bändigen Komplexität Joint Venture von A. Raymond und Kamax senkt Kosten in der Verbindungstechnik Diesen Beitrag können Sie sich im Internet unter www.konstruktion.de downloaden Um garantiert fünf Prozent nehmen die Verbindungs- und Montagekosten ab, wenn die Komplexität abnimmt, verspricht Systemlieferant Facil. Das Joint Venture der Raymond- und Kamax-Gruppe kümmert sich in der Automobilvon Dipl.-Ing. Nikolaus Fecht branche bereits um fast 50 Werke. ▲ ▲ ▲ In Sachen Logistik gibt es besonders bei der Automobilindustrie viel zu tun, denn laut einer Studie von Volvo machen die Teilekosten für Befestigungselemente im Auto nur 15 Prozent aus. 85 Prozent der Gesamtkosten stammen von der Montage, der Logistik und von dem Verwaltungsaufwand. Dazu eine konkrete Zahl: Von den insgesamt rund 4000 Teilenummern eines typischen Mittelklassefahrzeuges entfallen pro Modell rund 600 auf Verbindungselemente (ohne die bereits in Modulen verbauten Teile). Wie lassen sich diese ‚Nebenkosten’ senken? Facil übernimmt als Systemlieferant die Verantwortung für die gesamte Verbindungstechnik. Das neue Geschäftsmodell ‚Systemlieferant Verbindungstechnik` hat sich bereits bei vielen Kunden bewährt. Zu den Stammkunden zählt der Automobilhersteller Ford, 58 bei dem Facil in den Werken Genk, Saarlouis und Valencia bereits rund eine Million Fahrzeuge betreut. Mit Partnern wie Ford vereinbart Facil vertraglich fünf Prozent Einsparung; in der Praxis erreicht das Joint Venture nach eigenen Angaben gerade am Anfang noch höhere Werte. Wie funktioniert das globale Produkt- und Service-Paket? Einen Baustein nennt Dr. Hans-Jürgen Lesser, Leiter F+E bei der A. Raymond GmbH & Co. KG, Lörrach: „Das Engineering ist ein entscheidender Mosaikstein, um in einem frühen Stadium, also drei spätestens zwei Jahre vor SOP, die Komplexität zu verringern. Kurz vor Start of Production oder in der Anlaufphase werden mitunter sehr kurzfristig Lösungen gesucht.“ Die Lieferanten verstärken in dieser Phase ihre Besuche. Dabei sind die unter Zeitdruck stehenden Entwickler dankbar für Ideen, die ihr Befestigungsproblem lösen. Die Folge: Es kommt zu einem Anstieg der Variantenvielfalt, da auch die Standardabteilung dem Ansturm nicht gewachsen ist. Das Gegenmittel: Frühzeitige Einbindung eines Systemlieferanten Verbindungstechnik, der im Idealfall vor Ort vom Zuliefererpark aus zusammen mit dem Automobilhersteller und Zulieferer die Komplexität ohne Zeitdruck verringert. Als sehr effektiv bezeichnet Dr. Lesser Bandbegehungen, die Facil bei vielen namhaften Automobilherstellern nach einer bewährten strukturierten Methode durchgeführt hat. Am Ende bilden sich gemeinsame Wer hinter Facil steckt Die A. Raymond GmbH & Co. KG senkt gemeinsam mit der Kamax-Werke Rudolf Kellermann GmbH & Co. KG die Komplexität und Kosten bei Verbindungs- und Montagetechniken. Diese Arbeit geschieht im Rahmen des 1999 gegründeten Joint Ventures Facil & Cie GCV (Facil steht für ‚Fasteners and Connections International’), das sich seitdem nach Firmenangaben schnell zum führenden europäischen Komplettservice-Lieferanten für Befestigungssysteme entwickelte. Im Mittelpunkt steht dabei ein globales Produkt- und Service-Paket für die europäische und amerikanische Automobilindustrie und deren Zulieferer. Verbindungstechnik nun die direkte Befestigung von Gasdruckdämpfern an Autogläsern ohne Löcher und nur mit einem Befestigungselement (vorher: pro Loch vier Verbindungselemente). Das Unternehmen bietet also jetzt mechaDr. Hans-Jürgen Lesser, Leiter F+E bei A. Raymond nisches Befestigen (Clip), strukturelles Befestigen (Kleben) und den kompletten Klebeprozess aus einer Hand an. den. Diesen bisher umständlichen ArbeitsDoch dieses Systemdenken betrifft nicht schritt mit jeweils insgesamt fünf Bauteilen, nur Produkte von A. Raymond oder Kamax. den eine schlecht zugängliche Montagestelle Beispiel Ford: Das Konzept vom Systemlienoch zusätzlich erschwerte, erleichtert nun feranten Verbindungstechnik bindet nicht die zweiteilige Schraube mit den in einem nur eigene Ingenieure vor Ort (resident enClip integrierten Sicherungselementen. Das gineers) ein. Facil zieht auch bevorzugte Plus: Kein Teil wird mehr vergessen oder in Lieferanten für Verbindungstechniken hinfalscher Reihenfolge montiert. zu, die A.Raymond und Kamax nicht abManchmal hilft aber auch der Wechsel des decken.. Dr. Lesser: „Durch die Übernahme Fügeverfahrens. Vor mehr als einem Jahrder Verantwortung für Verbindungselemenzehnt startete A. Raymond mit der Entwikte in den Bereichen Entwicklung, Einkauf, klung von Strukturklebstoffen. Ein Beispiel: Logistik und Qualität ließen sich KompleDer schnell härtende Klebstoff Techbond PUR xität und Kosten deutlich senken.“ von der Tochterfirma Raybond ermöglicht „Erst die Innovation führt zu deutlichen VariantenReduzierungen.“ Fünf Wege aus der Komplexitätsfalle Zum Senken der Komplexität und der Kosten beim Fügen und Montieren hat sich in der Automobilindustrie besonders bewährt (Quelle: A. Raymond): 1. Regelmäßige Bandbegehungen mit Tear-downs (Zerlegen von Fahrzeugen beziehungsweise von größeren Fahrzeugsystemen) beleuchten das Potenzial. 2. Der Automobilhersteller verlagert möglichst viele Montageumfänge in die Vormontage (Verbin- webCODE dungselemente als Schüttgut in der Endmontage verlieren an Bedeutung). 3. Das Einbinden eines Systemlieferanten Verbindungstechnik (resident engineer) sorgt für Standardisierung. 4. Die Integration von Funktionen verringert oder vermeidet Montageoperationen. 5. Innovation (etwa durch Systemintegration oder neue Fügeverfahren) reduziert die Varianten. www.facil.be Facil www.araymond.de A. Raymond www.kamax.com Kamax Direkter Zugriff unter www.konstruktion.de Code eintragen und go drücken ke6596 ▲ ▲ ▲ Arbeitsgruppen, die die ‚To-do-Liste’ erstellen und abarbeiten. Das Standardisieren funktioniert nicht nur für einzelne Werke oder Länder, sondern manchmal sogar global. Bei einem Hersteller variierten die Befestigungslöcher und die Materialdicken in Europa, Japan und den USA. A. Raymond entwickelte einen neuen Mehrfach-Anker-Fuß, der nicht nur die Lochbandbreite (6,3 bis 7,0 mm), sondern auch die Materialdicken (0,6 bis 2,95 mm) abdeckt. „Dies zeigt sehr deutlich, dass Variantenreduzierung nicht zwangläufig bedeutet, nur bestehende Teile als Lösung zu verwenden“, meint der F+E-Leiter. „Erst die Innovation führt zu deutlichen Variantenreduzierungen.“ Wie Ideenreichtum die Komplexität bändigt, zeigt eine Gemeinschaftsentwicklung: Die Gurtschloss-Schraube von Kamax erhielt einen integrierten Sicherungsclip von A. Raymond. Die Mitarbeiter am Band mussten vor dieser Innovation bei der Gurtschloss-Montage Schrauben mit unterschiedlichen Abstandhaltern und Unterlegscheiben verwen- Komponenten + Systeme 59 03/2007