Hintergrund
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Hintergrund
Juli 2013 Hintergrund Klimaschutz durch das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 In Zusammenhang mit dem neuen Steinkohlekraftwerk Datteln 4 wird das Thema Klimaschutz intensiv diskutiert. Kritiker des Projekts weisen darauf hin, dass durch den Betrieb der Anlage ungefähr sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) jährlich in die Atmosphäre entweichen. Andererseits ist unbestritten, dass dieses Kraftwerk pro Kilowattstunde Strom deutlich weniger Kohle verbraucht als die heute in Betrieb befindlichen Anlagen. 1,2 Millionen Tonnen weniger CO2 pro Jahr Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass Datteln 4 nur zu einer Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen führen kann, wenn alte Steinkohlekraftwerke mit mindestens der gleichen Gesamtleistung zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme von Datteln 4 vom Netz genommen werden. In dem vorliegenden Beitrag wird erläutert, warum allein aufgrund marktwirtschaftlicher Mechanismen des liberalisierten Strommarkts in Deutschland ein Klimaschutzeffekt mit dem Betrieb von Datteln 4 verbunden ist. Die Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Kraftwerksparks durch die Inbetriebnahme von Datteln 4 lässt sich relativ gut prognostizieren. Sie beträgt mindestens 1,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Oder anders ausgedrückt: Mit jedem Monat, den das Kraftwerk Datteln 4 früher ans Netz geht, werden ungefähr 100.000 Tonnen CO2-Emissionen vermieden. Marktmechanismus im deutschen Kraftwerkspark Im liberalisierten Strommarkt bildet sich der Preis nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie in anderen Wettbewerbsmärkten, nämlich als Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage. Netzhöchstlast sicher erzeugen Grundsätzlich muss der Kraftwerkspark in Deutschland so dimensioniert sein, dass auch zum Zeitpunkt des höchsten Verbrauchs eines Jahres die sogenannte Netzhöchstlast sicher erzeugt werden kann und dann auch noch Reserven für unplanmäßige oder planmäßige Stillstände von Kraftwerken vorhanden sind. Impressum E.ON Kraftwerke GmbH Dies bedeutet, dass während eines Jahres nie alle Kraftwerke am Netz sind. Welche Anlagen zur Stromerzeugung zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzt werden, richtet sich nach deren spezifischen Erzeugungskosten, den sogenannten variablen Einsatzkosten. Neubauprojekt Datteln 4 Im Löringhof 10 45711 Datteln [email protected] www.kraftwerk-datteln.com Für die Entscheidung, welche Kraftwerke eingesetzt werden, spielen somit die Fixkosten, also beispielsweise die Kosten für das eingesetzte Kapital, keine Rolle. Bei den variablen Einsatzkosten geht es ausschließlich um die Kosten, bei denen eine direkte Abhängigkeit zu den produzierten Kilowattstunden besteht. Bei einem Kohlekraftwerk sind dies vor allem die Kosten für den Brennstoff und die Kosten für CO2-Zertifikate im Rahmen des europaweiten Emissionshandels. Eine untergeordnete Rolle spielen auch noch die Kosten für Betriebsmittel wie Kalk oder Schmierstoffe. Niedrige variable Kosten Es werden jeweils die Kraftwerke mit den niedrigsten variablen Einsatzkosten zuerst eingesetzt. Dazu zählen typischerweise Wasserkraftwerke und Kernkraftwerke. Danach folgen in der Reihenfolge der Brennstoffkosten die Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke und schließlich die mit Erdgas befeuerten Kraftwerke. Mit Erdgas betriebene Gasturbinen haben extrem hohe spezifische Stromerzeugungskosten und werden deshalb nur in wenigen Stunden des Jahres zur Spitzenlastabdeckung betrieben. Sonderrolle der erneuerbaren Energien Eine Ausnahme bei der Einsatzrangfolge von Stromerzeugungsanlagen besteht bei den nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geförderten Anlagen. Dazu zählen typischerweise Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen oder Biomassekraftwerke. Bei diesen Anlagen besteht nach dem EEG nicht nur ein Anspruch des Betreibers auf finanzielle Förderung nach festgelegten Vergütungssätzen, sondern auch eine „Vorfahrtsregelung“ in den elektrischen Netzen zugunsten des Stroms aus erneuerbaren Energien. Vorrang bei der Stromeinspeisung Diese Anlagen dürfen grundsätzlich immer ihren Strom in das öffentliche Netz einspeisen, um den Vorteil der CO2-freien Stromproduktion maximal ausnutzen zu können. Die Leistung der anderen Kraftwerke muss die Differenz zwischen der momentanen Netzlast und der von den erneuerbaren Energien produzierten Strommenge ausgleichen. Aus diesem Grund kann die Inbetriebnahme neuer konventioneller Kraftwerke wie des Steinkohleblocks Datteln 4 nicht zu einer Beeinträchtigung des Ausbaus erneuerbarer Energien führen. Der in Deutschland gesetzlich verbriefte Anspruch auf Vorrang bei der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien sorgt dafür, dass der so erzeugte Strom auch ins Netz eingespeist werden kann. Einsatzrangfolge auf dem deutschen Strommarkt In Bild 1 ist zur Erläuterung des Mechanismus des deutschen Strommarkts die Einsatzrangfolge der Stromerzeugungsanlagen schematisch dargestellt. An erster Stelle kommen – wie beschrieben – die Erzeugungsanlagen mit erneuerbaren Energien zum Einsatz. Die Kosten für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren spielen aufgrund der gesetzlichen Vorrangregelung keine Rolle. Als nächstes folgen die Kernkraftwerke, da diese mit sehr geringen Brennstoffkosten betrieben werden können. Der Lastbereich oberhalb der Kernkraftwerke wird im Wesentlichen durch die Braunkohlekraftwerke abgedeckt. Seite 2 | Hintergrund Bild 1: Einsatzrangfolge auf dem deutschen Strommarkt Daran schließen sich die Steinkohlekraftwerke an. Und an Tagen mit besonders hoher Last und geringer Windstromproduktion müssen schließlich auch Gasturbinen mit sehr hohen Brennstoffkosten zur Lastdeckung gestartet werden. Auswirkungen neuer Steinkohlekraftwerke auf den Strommarkt In Bild 2 ist der in Deutschland häufige Lastfall dargestellt, bei welchem zur Bedarfsdeckung ein Teil der Steinkohlekraftwerke benötigt wird. Die Anlagen, welche in dem Diagramm links von der eingezeichneten Last liegen, produzieren zu dem hier dargestellten Zeitpunkt Strom, während die rechts von der Last liegenden Anlagen aufgrund ihrer zu hohen Einsatzkosten in der hier dargestellten Situation nicht betrieben werden. Bild 2: Typischer Lastfall Die Auswirkungen neuer Stromerzeugungskapazität durch ein Steinkohlekraftwerk wie Datteln 4 sind in Bild 3 und 4 schematisch dargestellt. Da die Anlage einen hohen Wirkungsgrad hat, also weniger Kohle verbraucht als der Durchschnitt der in Deutschland betriebenen Kohlekraftwerke, hat diese Anlage auch relativ niedrige Einsatzkosten und wird häufiger und länger eingesetzt als ältere Steinkohlekraftwerke mit höherem Kohleverbrauch. Die Auswirkungen auf die Angebotskurve sind in Bild 3 als Parallelverschiebung nach rechts schematisch dargestellt. Hintergrund | Seite 3 Ökonomie und Umweltschutz Der beschriebene Mechanismus führt also nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten dazu, dass Anlagen mit spezifisch geringerem Kohleverbrauch solche Kohleverbrauch aus mit der höherem Stromerzeugung verdrängen. Da pro Tonne Steinkohle je nach Kohlesorte zwischen 2,5 und 2,9 Tonnen CO2 emittiert werden, führt die Verdrängung von Anlagen Bild 3: Einsatzrangfolge mit neuem Kohlekraftwerk mit hohem Kohleverbrauch durch solche mit niedrigem Kohleverbrauch zwangsläufig auch zu einer Verringerung Kohlendioxidemissionen. Kraftwerks Datteln Im 4 der Fall kann des davon ausgegangen werden, dass die von dieser Anlage aus der Stromerzeugung verdrängten Kraftwerke einen mindestens 20 Prozent höheren CO2-Ausstoß haben. Oder anders ausgedrückt: Mit der Inbetriebnahme von Datteln 4 produziert dieses Kraftwerk die Die Stromnachfrage, die sogenannte Netzlast, entspricht der Summe des Verbrauchs der von den Stromkunden zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeschalteten elektrischen Geräte, wobei die Inbetriebnahme von Datteln 4 die Nachfrage nach Strom praktisch nicht beeinflussen wird. Bei gleicher Netzlast führt die zusätzliche Bereitstellung von Strom aus einem hoch effizienten Steinkohlekraftwerk dazu, dass die Steinkohlekraftwerke, welche ursprünglich gerade noch zur Lastabdeckung benötigt wurden, jetzt rechts des Lastpunkts liegen – also für den hier dargestellten Lastzustand nicht betrieben werden (Bild 4). gleiche Strommenge, die ansonsten von den heute laufenden Anlagen mit einer um 1,2 Millionen Tonnen höheren jährlichen CO2Emission erzeugt worden wäre. Fazit Die beschriebenen Zusammenhänge zeigen, dass das Streben nach maximaler Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz keinen Widerspruch bilden. Die Logik des Strommarkts favorisiert Steinkohlekraftwerke mit geringerem Kohleverbrauch. Das führt automatisch zum verstärkten Einsatz solcher Anlagen, die weniger CO2 produzieren. Datteln 4 ist der Beweis für die Vereinbarkeit von Versorgungssicherheit, fähigkeit und Klimaschutz Wettbewerbs– und Bild 4: Verdrängungseffekt im Strommarkt und Auswirkungen des neuen Steinkohlekraftwerks ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele in Nordrhein-Westfalen. Seite 4 | Hintergrund Deutschland und Durch diesen Effekt, der sich aus marktwirtschaftlichen Mechanismen ergibt, wird genauso viel Leistung bei schlechteren Wirkungsgraden vom Markt verdrängt, wie Datteln 4 an neuer Leistung in den Markt einbringt. Steinkohlekraftwerke mit schlechterem Wirkungsgrad werden automatisch weniger ausgelastet, wenn ein Steinkohlekraftwerk mit höherem Wirkungsgrad neu in das Erzeugungssystem eingebracht wird. Die geringere Auslastung ineffizienterer Anlagen führt dazu, dass deren Wirtschaftlichkeit sich verschlechtert. Fixe Kosten für die laufende Instandhaltung oder für Personal können nicht mehr gedeckt werden, weil die Anlagen nur noch selten laufen. Dies führt dazu, dass die Anlagen mit den schlechtesten Wirkungsgraden mittelfristig aus betriebswirtschaftlichen Gründen stillgelegt werden müssen.