Das Fetale Tabaksyndrom
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Das Fetale Tabaksyndrom
übersicht Wien Klin Wochenschr (2011) DOI 10.1007/s00508-011-0106-9 © Springer-Verlag 2011 Printed in Austria Wiener klinische Wochenschrift The Central European Journal of Medicine Das Fetale Tabaksyndrom – Ein Statement der Österreichischen Gesellschaften für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG), Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP), Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) sowie Pneumologie (ÖGP) Fritz Horak Jr.1, 2, *, Tamas Fazekas3,*, Angela Zacharasiewicz4,*, Ernst Eber5, Herbert Kiss6, Alfred Lichtenschopf7, Manfred Neuberger8, Rudolf Schmitzberger9, Burkhard Simma10, Andree Wilhelm-Mitteräcker11, Josef Riedler12 1 Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Abt. für pädiatrische Pulmologie, Allergologie und Endokrinologie, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich 2 Allergie-Zentrum Wien West, Wien, Österreich 3 St. Anna Kinderspital, Wien, Österreich 4 Abteilung für Kinder und Jugendheilkunde, Kinderklinik Glanzing, Akademisches Lehrkrankenhaus, Wilhelminenspital der Stadt Wien, Wien, Österreich 5 Klinische Abteilung für pädiatrische Pulmonologie und Allergologie, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich 6 Univ. Klinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich 7 Rehabilitationszentrum Weyer, Weyer, Österreich 8 Institut für Umwelthygiene, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich 9 Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, Österreich 10 Universitäres Lehrkrankenhaus, Landeskrankenhaus Feldkirch, Feldkirch, Österreich 11 Ärztin für Allgemeinmedizin, Wien, Österreich 12 Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Kardinal Schwarzenberg‘sches Krankenhaus, Schwarzach, Österreich Eingegangen am 25. Oktober 2011, angenommen nach Revision am 13. November 2011, online veröffentlicht am 22. Dezember 2011 The Fetal Tobacco Syndrome – A statement of the Austrian Societies for General- and Family Medicine (ÖGAM), Gynecology and Obstetrics (ÖGGG), Hygiene, Microbiology and Preventive Medicine (ÖGHMP), Pediatrics and Adolescence Medicine (ÖGKJ) as well as Pneumology (ÖGP) Summary. Over more than 50 years, the nocuous effects of smoking in pregnancy on the fetus are well known. In the first years of science the focus was primarily on restricted fetal growth while in more recent years over 10.000 studies investigated the incomparably big sum of detrimental effects for the unborn’s health. *geteilte Erstautorenschaft der ersten drei Autoren. Korrespondenz: Prim. Priv.-Doz. Dr. Fritz Horak, Allergiezentrum Wien West, Hütteldorferstraße 44–46, 1150 Wien, E-Mail: [email protected] wkw 2011 © Springer-Verlag In this statement we want to present the recent scientific findings on this topic. The statement is aimed to show all doctors who treat pregnant women the present situation and evidence. In the beginning we give a short overview about the epidemiological situation in Europe. Then we present step by step the health effects with regards to pathophysiology and clinics. Furthermore the reader will learn about possibilities for smoking cessation in pregnancy. The problem of passive-smoking in pregnancy will be dealt with in a separate chapter. At present there is strong evidence that pregnant smoking has a detrimental effect on birth-weight, placenta-associated disease, stillbirth, sudden infant death syndrome (SIDS), childhood overweight, clefts, lung function, asthma, cardiovascular diseases and mental developmental disorders. These factors can be summarized by the term Fetal Tobacco Syndrome. There is supply for more studies for less investigated health effects. Pregnancy is a chance to stop smoking as most women show a high motivation in this period. Hence doctors of all Das Fetale Tabaksyndrom 1 übersicht disciplines should inform pregnant women about the detrimental effects of smoking on their unborn child and show them possibilities for smoking cessation. Key words: Smoking in pregnancy, fetus, health effects, passive smoking, smoking cessation. Zusammenfassung. Seit über 50 Jahren sind die schädigenden Wirkungen des Rauchens in der Schwangerschaft auf den Fetus bekannt. Während in den ersten Jahren v.a. der negative Einfluss auf das Wachstum untersucht wurde, zeigten über 10.000 Studien der letzten Jahre und Jahrzehnte die ungleich größere Fülle an Gesundheitsschäden auf das Ungeborene. In diesem Statement soll der aktuelle Stand der Forschung zu diesem Thema beleuchtet werden. Das Statement richtet sich dabei an alle ÄrztInnen, welche in der Betreuung von Schwangeren eingebunden sind, um ihnen die aktuelle Datenlage vor Augen zu führen. Es wird zunächst ein epidemiologischer Überblick über die derzeitige Situation in Europa gegeben, sowie einzelne Gesundheitsschäden aus pathophysiologischer und klinischer Sicht beleuchtet. Weiters werden dem Leser aktuelle Möglichkeiten der Prävention im Sinne einer Raucherentwöhnung der Schwangeren aufgezeigt. Dem Thema Passivrauchen in der Schwangerschaft wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Aus heutiger Sicht kann davon ausgegangen werden, dass Rauchen in der Schwangerschaft einen starken und konsistenten negativen Einfluss auf das Geburtsgewicht, Plazenta-assoziierte Erkrankungen, Tot- und Frühgeburten, fetales Wachstum, plötzlichen Kindestot (SIDS), Übergewicht im späteren Kindesalter, Spaltbildungen, Lungenfunktion, Asthma bronchiale, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie mentale Entwicklungsverzögerung und Verhaltensauffälligkeiten hat. Diese Faktoren sind aus heutiger Sicht unter dem Begriff „Fetales Tabaksyndrom“ zu subsummieren. Einflüsse auf andere Gesundheitsaspekte sind weniger gut belegt und es sind noch weitere Studien nötig. Die Schwangerschaft stellt für viele Frauen eine sehr große Motivation dar, mit dem Rauchen aufzuhören. Mediziner unterschiedlicher Disziplinen sind daher gefordert, Frauen auf die schädigenden Effekte des Rauchens und die Möglichkeiten der RaucherInnenentwöhnung hinzuweisen und kompetent zu informieren. Schlüsselwörter: Rauchen in der Schwangerschaft, Fetus, Gesundheitseffekte, Passivrauchen, RaucherInnenentwöhnung Einleitung Schädigende Wirkungen von Tabakrauch in der Schwangerschaft auf den Fetus wurden bereits vor über einem halben Jahrhundert beschrieben [1]. Heute findet man online über 10.000 Literaturzitate zu diesem Thema. Obwohl es bereits eine ICD 10 Diagnose (P04.2) mit dem Titel „Fetusschädigung durch Tabakkonsum der Mutter“ gibt, fehlt dennoch vergleichbar mit dem fetalen Alkoholsyndrom 2 Das Fetale Tabaksyndrom eine genaue Angabe von Diagnosekriterien zur Benennung der verschiedenen schädigenden Auswirkungen des Tabakrauches als „fetales Tabaksyndrom“ (FTS). Eine solche Definition wurde schon 1985 von Nieburg et al. [2] gefordert, da diese einerseits die Aufmerksamkeit von ÄrztInnen auf ein „neues“ Krankheitsbild lenken und andererseits diese Entität auch für epidemiologische Untersuchungen und Evaluationen von Interventionsprogrammen fassbar machen würde. Zum damaligen Zeitpunkt definierten diese Autoren das FTS als Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft, assoziiert mit einer symmetrischen Wachstumsretardation des Fetus ohne andere erkennbare Ursache. Mittlerweile ist eine Fülle von anderen gut definierten Schädigungen des Fetus bekannt, die in dieses Syndrom aufgenommen werden sollten. Andere Outcome-Parameter, wie zerebrale Spätfolgen, sowie der Einfluss des Passivrauchens der Schwangeren sind weniger gut belegt und müssen in zukünftigen Arbeiten noch näher untersucht werden. Ziele des vorliegenden Statements sind: 1. Verschaffen eines Überblickes zur epidemiologischen Situation. 2. Darstellung von Tabakrauch-assoziierten Gesundheitsschädigungen des Feten unter Einbeziehung der relevanten wissenschaftlichen Fachliteratur. 3. Aufzeigen des Stellenwertes der Passivrauchexposition der Mutter in der Schwangerschaft und deren Einfluss auf den Fetus. 4. Beschreiben der pathophysiologischen Hintergründen zu den bekannten Gesundheitsschäden. 5. Darstellung von Möglichkeiten einer Intervention im Sinne einer Raucherentwöhnung von Schwangeren. 6. Diskussion (Neudefinition des Begriffs „Fetales Tabaksyndrom“, Aufzeigen von Verbesserungspotentialen im Bereich Prävention und spezifischen Therapieangeboten in Österreich.) Die vorliegende Arbeit basiert auf einem breiten Fundament wissenschaftlicher Fachgesellschaften, die sich dieses Themas annehmen, und soll ÄrztInnen als Information und Beratungshilfe bei Kontakt mit schwangeren Frauen dienen. Methodologische Vorbemerkungen Als erstes methodologisches Problem stellte sich zu Beginn die Fülle der vorhandenen Literatur zum Thema Tabakrauch in der Schwangerschaft dar. Eine erste Suche in Medline mit den Begriffen „smoking, pregnancy“ ergab über 10.000 Titel. Aus diesem Grund musste sich die Autorengruppe für ein pragmatisches Vorgehen entscheiden. Für jede beschriebene mögliche Auswirkung wurde zunächst nach Reviews, Metaanalysen und Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften gesucht und falls vorhanden, die Literatursuche zu diesem bestimmten Thema auf die in der jeweiligen Arbeit nicht berücksichtigte Zeitspanne bis Ende 2010 konzentriert. In einem Review besonders wichtige Arbeiten wurden ebenfalls im Text angeführt. © Springer-Verlag 2011 wkw übersicht worden waren, ist dieser Effekt möglicherweise unterschätzt [14]. Bei Kindern von Müttern die während der Schwangerschaft geraucht haben, kann die Passivrauchexposition unter anderem zu Infertilität führen, wie eine Metaanalyse von Studien zwischen 1966 und 2008 gezeigt hat [15]. Japan Großbritannien Dänemark Griechenland Deutschland Österreich 0 5 10 15 20 25 30 35 Prävalenz von Rauchen in der Schwangerschaft (%) Abb. 1. Rauchen in der Schwangerschaft im internationalen Vergleich [3–10] Epidemiologie Eine Metaanalyse von 25 Studien zwischen 1966 und 2004 zeigte große Diskrepanzen in der Prävalenz von Rauchen in der Schwangerschaft [3, 4], die zwischen 15 und 25 % zu liegen scheint [5]. In einer rezenten Studie bei 180.855 Schwangeren in Japan fand sich eine Prävalenz von insgesamt 5,8 %, die Prävalenz bei den unter 19-Jährigen lag jedoch mit 15,7 % deutlich höher [6]. Prospektive Daten einer rezenten Geburtskohortenstudie mit 7.121 Kindern in Großbritannien zeigten eine vergleichbare Gesamtprävalenz von 9,5 % [7] rauchender Schwangerer (Abb. 1). Obwohl in Dänemark die Prävalenz von Rauchen unter 261.029 Schwangeren zwischen 1997 und 2005 von 22 % auf 16 % rückläufig war, zeigte sich in einer Subgruppenanalyse bei den unter 19-Jährigen ein Anstieg von 37 % auf 43 % [8]. Insgesamt scheint zumindest in Skandinavien zwar die Prävalenz von Rauchen in der Schwangerschaft in den letzten Jahrzehnten auf unter 10 % abgenommen zu haben, die Prävalenz bei den unter 19-Jährigen schwangeren Raucherinnen jedoch auf über 40 % gestiegen zu sein. In Deutschland liegt die Prävalenz von Rauchen während der Schwangerschaft bei 21 % [9], ähnlich der Prävalenz in Österreich mit 20 %–30 % [10]. Beschriebene Gesundheitsschäden Fertilität Es scheint insgesamt ein schwacher bis moderater Zusammenhang zwischen fetaler Rauchexposition und Infertilität bei Frauen und Männern zu bestehen. Eine Kohortenstudie mit 48.319 Frauen [11] zeigte keinen signifikanten Unterschied der Odds ratio (OR) für Fekundabilität (=Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft pro Menstruationszyklus) zwischen Frauen deren Mütter in der Schwangerschaft nicht (OR 0,94; 95 % CI 0,89–0,98) und Frauen deren Mütter in der Schwangerschaft geraucht hatten (OR 0,91; 95 % CI 0,86–0,95). Unter 430 Paaren in Dänemark fand sich bei Frauen mit fetaler Rauchexposition für die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft eine OR von 0,53 (95 % CI 0,31–0,91), ohne Rauchexposition war die OR 0,67 (95 % CI 0,42–1,06) [12]. In einer Fragebogenstudie mit 8.559 Paaren war das Risiko für aktiv rauchende Frauen innerhalb der nächsten 12 Monate nicht schwanger zu werden um 54 % erhöht (OR 1,54; 95 % CI 1,19–2,01) [13]. Da die Daten mit Fragebögen erhoben wkw 2011 © Springer-Verlag Vorzeitige Plazentalösung und Placenta praevia Insgesamt liegt eine umfassende Datenlage aus allerdings großteils retrospektiven Studien vor, die einen Zusammenhang zwischen vorzeitiger Plazentalösung bzw. Placenta praevia und Rauchen in der Schwangerschaft sehen. Die vorzeitige Ablösung der Plazenta vom Uterus ist für einen Großteil der mütterlichen und kindlichen perinatalen Mortalität verantwortlich [16]. Daten des National Center for Health Statistics in den USA zeigen für rauchende Schwangere ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Plazentalösung von 1,65 (95 % CI 1,44– 1,91) im Vergleich zu Nichtraucherinnen [17]. Eine weitere Erhöhung ist zu finden, wenn mehr als 10 Zigaretten pro Tag geraucht werden. Ein Review aus dem Jahr 2009 gibt für den untersuchten Zeitraum von 1966–2008 ein erhöhtes Risiko von 1,4–2,4 an [15]. Seitdem wurde noch eine retrospektive, populationsbasierte Studie in Missouri, USA publiziert, die mehr als 1,2 Millionen Schwangere untersuchte [18]. Bei einer Raucherinnenprävalenz der Schwangeren von 19,6 % fand sich eine vorzeitige Plazentalösung bei 1,3 % der Raucherinnen vs. 0,7 % der Nichtraucherinnen. Das für sozioökonomische Faktoren adjustierte Risiko stieg mit der Anzahl der Zigaretten an (<10 Zigaretten: OR 1,54; 10–19 Zigaretten: OR 1,63; >19 Zigaretten: OR 1,87). Eine Placenta praevia, also die teilweise oder vollständige Verdeckung des inneren Muttermundes durch die Plazenta, geht ebenso wie die vorzeitige Plazentalösung mit einer erhöhten perinatalen Mortalität einher. Eine Metaanalyse von 6 Studien zeigte für Raucherinnen ein erhöhtes adjustiertes Risiko für eine Placenta praevia von 1,58 (95 % CI 1,04–2,12) [19]. Der Review von Einarson 2009 gibt eine Spanne für die beobachtete OR für eine Placenta praevia von 1,5–3,0 an [15]. Die genannte Studie aus Missouri [18] zeigte ein erhöhtes Risiko für Raucherinnen von 1,5 (95 %CI 1,39–1,61) für eine Placenta praevia mit einem Anstieg des Risikos je nach Anzahl der Zigaretten bis zu einer OR von 1,7 bei den >19 Zigaretten/Tag rauchenden Schwangeren. Ektope Schwangerschaft Es existieren zwar keine prospektiven Studien oder Metaanalysen, aber es zeigt sich doch in den vorhandenen Studien ein konsistenter Zusammenhang. Ein Review aus dem Jahr 2002 zeigte eine Erhöhung des relativen Risikos für eine ektope Schwangerschaft von 1,5– 2,5 mit einer konsistenten Datenlage in den meisten inkludierten Studien [15, 20], wobei hier großteils retrospektive oder Fall-Kontroll-Studien angegeben waren. Eine dieser Studien [21] zeigte auch eine deutliche Dosis-WirkungsBeziehung zwischen Anzahl der gerauchten Zigaretten Das Fetale Tabaksyndrom 3 übersicht und erhöhtem Risiko einer ektopen Schwangerschaft [1–5 Zigaretten: OR 1,6 (95 % CI 0,9–2,9), 6–10 Zigaretten: OR 1,7 (95 % CI 1,1–2,8), 11–20 Zigaretten: OR 2,3 (95 % CI 1,3– 4,0), >20 Zigaretten: OR 3,5 (95 % CI 1,4–8,6)]. Den pathophysiologischen Hintergrund geben zahlreiche in-vivo und in-vitro Studien, welche deutliche Hinweise auf eine Schädigung des Oviducts (Beweglichkeit, Epithelschädigung, Verminderung der zilientragenden Zellen) v.a. durch Nikotin zeigen, welche eine Transportstörung des Ovums zur Folge hat [22]. Spontanaborte Insgesamt ist die Datenlage wenig konsistent. Ein Einfluss von Rauchen in (und auch vor) der Schwangerschaft auf die Entstehung eines Spontanaborts kann aber weder gesichert noch ausgeschlossen werden. Insbesondere ein möglicher Effekt des Passivrauchens muss hier weiter untersucht werden. Insgesamt ist die Studienlage zu diesem Thema eher uneinheitlich. Eine prospektive dänische Kohortenstudie zeigte bei ca. 25.000 Schwangerschaften für Spontanaborte keinen signifikanten Unterschied zwischen rauchenden und nicht-rauchenden Frauen [23]. Dies wurde auch in einer anderen Fall-Kontroll-Studie in Dänemark bestätigt [24]. Frühere meist retrospektive Studien zeigen sehr uneinheitliche Ergebnisse [25–29]. Die Einflüsse des Rauchens vor und während der Schwangerschaft sind nicht immer gut voneinander abzugrenzen; eine relativ rezente Arbeit untersuchte den Einfluss des Rauchens vor und während der Schwangerschaft auf Spontanaborte. Dabei zeigte sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung mit einer Erhöhung des Risikos um 1,2 (95 % CI 1,04–1,39) pro 5 Zigaretten pro Tag nur in jener Gruppe, die vor und weiterhin auch in der Schwangerschaft geraucht hatte [30]. Totgeburt Die Evidenz für ein erhöhtes Risiko für eine Totgeburt ist sehr stark. In manchen Studien zeigte sich ein Schwellenwert von 10 Zigaretten pro Tag. Die Totgeburt ist definiert als fetaler intrauteriner Tod mit einem Geburtsgewicht von 500 g oder mehr; im Allgemeinen trifft das ab der SSW 23/24 zu. Ein Review aus dem Jahr 2004 gab einen konsistenten Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und einem Dosisabhängig erhöhten relativen Risiko für eine Totgeburt von 1,2–1,8 an [20]. Weitere Studien untermauern diesen Effekt zum Großteil. Salihu et al. [31] zeigten in einer großen Studie an fast 1,5 Millionen Frauen ein um 34 % erhöhtes Risiko in der Raucherinnengruppe, mit einem Anstieg des Risikos um 14 % pro 10 Zigaretten/Tag, wobei ein unterer Schwellenwert bei 10 Zigaretten/Tag lag, unter welchem kein erhöhtes Risiko zu finden war. Subanalysen zeigten ein um 50 % erhöhtes Risiko einer fetalen Sterblichkeit während der Geburt [32], v.a. bei älteren Müttern [33]. In einer kanadischen, Populations-basierten Fall-KontrollStudie zeigte sich neben dem Gebrauch von Hormon-Therapien v.a. das Rauchen im 1. Trimenon als signifikanter Risikofaktor für eine Totgeburt (OR 2,4; 95 % CI 1,2–4,9). 4 Das Fetale Tabaksyndrom Ob das Rauchen in einer ersten Schwangerschaft auch noch einen Einfluss auf die folgende Schwangerschaft hat, untersuchte eine Gruppe aus Schweden [34]. Sie fanden ein erhöhtes Risiko für eine Totgeburt, wenn in der aktuellen Schwangerschaft, nicht aber lediglich in der vorigen geraucht worden war. Auch hier zeigte sich ein erhöhtes Risiko erst ab 10 Zigaretten pro Tag. Frühgeburtlichkeit Es besteht eine gute Evidenzlage zum relativ geringen aber relevanten Einfluss von Rauchen in der Schwangerschaft auf die Frühgeburtlichkeit. Eine Metaananlyse aus dem Jahr 2000, die 20 prospektive Studien bis zum Jahr 1997 berücksichtigte, fand eine kombinierte OR über alle Studien von 1,27 (95 % CI 1,21– 1,33) für Rauchen vs. Nicht-Rauchen während der Schwangerschaft für Frühgeburtlichkeit [35]. Der Effekt war für starke Raucherinnen (>20 Zigaretten/Tag) höher als für leichte bis mittlere Raucherinnen (<20 Zigaretten/Tag): OR 1,31 (95 % CI 1,20–1,42) vs. 1,22 (95 % CI 1,13–1,32). Eine rezente Analyse der Geburtskohortenstudie in 49 Staaten der USA [36] zeigte einen signifikanten Zusammenhang zwischen mütterlichem Rauchen in der Schwangerschaft (11,5 % der Geburten) und extremer (OR 1,5; 95 % CI 1,4–1,6), moderater (OR 1,4; 95 % CI 1,4–1,4) und später Frühgeburtlichkeit (OR 1,2; 95 % CI 1,2–1,3). Eine kleinere, griechische Kohortenstudie (182 Frühgeburten) zeigte ORs im selben Bereich, jedoch waren die für wichtige Kofaktoren adjustierten Effektschätzer nicht signifikant [37]. Eine in der Größe mit der griechischen Studie vergleichbare Untersuchung aus Australien und Neuseeland zeigte für Frauen, die vor der 15. SSW zu rauchen aufgehört hatten, ein ähnliches Risiko wie für Nichtraucherinnen [38]. Weiters zeigte sich ein deutlich erhöhtes Risiko für Raucherinnen in der Schwangerschaft im Vergleich zu Frauen, die das Rauchen vor der 15. SSW beendet hatten (OR 3,21; 95 % CI 1,42–7,23). Die Generation-R Studie aus Holland untersuchte unter anderem den Einfluss von Rauchen vor und während der Schwangerschaft sowie von Passivrauchen auf das Risiko einer Frühgeburtlichkeit [39]. Rauchen bis zum Bekanntwerden der Schwangerschaft hatte keinen negativen Einfluss, während das Risiko von Rauchen in der Schwangerschaft für eine Frühgeburt in den oben erwähnten Bereichen der ORs lag (OR 1,36; 95 % CI 1,04–1,78). Eine Erhöhung des Risikos fand sich für stärkere Raucherinnen (>9 Zigaretten/Tag) in der Spätschwangerschaft (OR 2,52; 95 % CI 1,36–4,67 im Vergleich zu Nicht-Raucherinnen). Passivrauchen zeigte keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Frühgeburtlichkeit. Auch in speziellen kulturellen Gruppen wie Inuits oder Aborigines mit gewöhnlich höherem Rauchverhalten konnten signifikante Effekte auf die Frühgeburtlichkeit gezeigt werden, jedoch sind diese Faktoren nicht immer von anderen sozioökonomischen Faktoren innerhalb dieser Gruppen zu trennen [40, 41]. Eine rezente sehr große Kohortenstudie (132.246 Frühgeborene) in Missouri untersuchte den Einfluss von Rauchen auf spontane bzw. medizinisch indizierte (aus © Springer-Verlag 2011 wkw übersicht mütterlicher oder fetaler Indikation) Frühgeburtlichkeit [42]. Es zeigte sich für beide Gruppen eine erhöhte OR gegenüber Nichtraucherinnen (spontan: OR 1,14; 95 % CI 1,12–1,16; indiziert: 1,34; 1,30–1,38); diese war jedoch bei der Gruppe der medizinisch indizierten Frühgeburten noch erhöht und wies eine Dosis-Wirkungs-Beziehung auf (0–9 Zigaretten/Tag: OR 1,24; 95 % CI 1,18–1,30; 10–19 Zigaretten/Tag: OR 1,32; 95 % CI 1,26–1,38; >19 Zigaretten/ Tag: OR 1,48; 95 % CI 1,41–1,55). Die Ursachen für medizinisch indizierte Frühgeburten dürften pathogenetisch andere als jene von spontanen Frühgeburten sein und daher auch anders durch das Rauchen beeinflusst werden. Genaue pathophysiologische Erklärungsmodelle sind hier aber noch nicht verfügbar. Die Epipage Studie [43] untersuchte 956 extreme Frühgeborene (<32. SSW) in Frankreich. Auch hier zeigte sich ein erhöhtes Risiko für rauchende Schwangere, wobei v.a. Mehrgebärende wesentlich stärker betroffen waren als Erstgebärende und eine starke Dosis-Wirkungs-Beziehung zeigten (1–9 Zigaretten/Tag OR: 2,0; 95 % CI 1,3–3,1; >9 Zigaretten/Tag: OR 4,1; 95 % CI 2,7–6,2). Die Autoren diskutierten, dass einerseits die Anzahl an Raucherinnen in der Gruppe der Mehrgebärenden höher war, andererseits es gerade bei Erstgebärenden andere wichtige Risikofaktoren (z.B. arterielle Hypertension) gibt, die mit dem Risikofaktor Rauchen interagieren können. Fetales Wachstum und Geburtsgewicht Zusammenfassend gibt es eine starke Evidenz für ein eingeschränktes Wachstum des Feten und verringertes Geburtsgewicht durch Rauchen in der Schwangerschaft. Obwohl eine komplette Nikotin-Abstinenz ab dem Bekanntwerden der Schwangerschaft unbedingt anzuraten ist, scheint dennoch auch eine Entwöhnung bis zur 15. SSW, spätestens jedoch bis zur 32. SSW sinnvoll. Eine relativ große Zahl teilweise prospektiver Studien zeigte einen deutlichen Einfluss von Rauchen in der Schwangerschaft auf das Geburtsgewicht und die Länge des Fetus. Bereits 1957 konnte beobachtet werden, dass Kinder von rauchenden Schwangeren im Mittel um 200 g leichter sind als jene nichtrauchender Schwangerer [44]. Ein Review aus dem Jahr 2004 gibt eine Erhöhung des relativen Risikos für eine Wachstumseinschränkung im Sinne eines small-for-gestational-age um 1,5–2,9 an [20]. Andere Autoren geben sogar eine Erhöhung des Risikos um 3–4 an [45], wobei eine Beendigung des Rauchens vor der 16. SSW das Risiko eines verringerten Geburtsgewichtes wieder normalisieren kann [46]. Frauen, die in der ersten Schwangerschaft rauchten und in der zweiten nicht mehr, zeigten kein erhöhtes Risiko für eine Wachstumseinschränkung des Feten in der 2. Schwangerschaft [47]. In einer weiteren Studie war das Beenden des Rauchens bis zur 32. SSW mit einer kompletten Aufhebung des negativen Effektes auf das Geburtsgewicht und den Kopfumfang, nicht jedoch auf die Länge des Kindes verbunden, wobei in dieser Studie sozioökonomische Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt waren [48]. Die Interaktion von Rauchen und Geburtsgewicht könnte auch genotypisch modifiziert sein wkw 2011 © Springer-Verlag (CYP1A1, GSTT1), was zur Folge hätte, dass nicht jede rauchende Schwangere ein gleich hohes Risiko aufweist [49]. Der Zusammenhang zwischen Rauchen und Geburtsgewicht ist noch deutlicher als jener zwischen Rauchen und Körperlänge. Die oben genannte griechische Studie [37] zeigte keinen Effekt von Rauchen auf das Längenwachstum, sehr wohl aber auf das Geburtsgewicht der Neugeborenen (OR 2,78; 95 % CI 1,69–4,59). Obwohl es eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Anzahl von gerauchten Zigaretten und geringem Geburtsgewicht geben dürfte [50], finden sich auch bei nur geringem Zigarettenkonsum bereits deutliche Einschränkungen [51]. In Abhängigkeit von der Anzahl der Zigaretten und relativ unabhängig davon, in welchem Trimester der Schwangerschaft geraucht wurde, kam es zu einem Abfall des Geburtsgewichtes um ca. 100–260 g [51]. Im Gegensatz dazu zeigte die holländische Generation-R Studie, dass v.a. Rauchen in der späten Schwangerschaft einen größeren Einfluss auf das Geburtsgewicht hat [39]. Malformationen Das Risiko für einige beschriebene Malformationen scheint durch Rauchen in der Schwangerschaft erhöht [15], während für andere kein Zusammenhang zu finden ist. Rauchen der Mutter ein Jahr vor und während des ersten Trimesters der Schwangerschaft ist mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine Lippenspalte assoziiert [52], wobei eine Dosis-abhängige Erhöhung des Risikos für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten von mehreren Autoren und in einer Metaanalyse beschrieben wurde [53,54]. Feten, welche einen Mangel der Enzyme, welche Tabakrauch-assoziierte Chemikalien abbauen, aufweisen, haben anscheinend ein erhöhtes Risiko für Gaumenspalten [55]. In einer dänischen Studie von 76.768 Schwangerschaften, in der die Tabakrauchexposition der ersten 12 Wochen erhoben wurde, zeigte sich kein signifikantes Risiko für Malformationen. Interessanterweise war die Verwendung von Nikotinersatzstoffen mit einer leichten Risikoerhöhung assoziiert [56]. Nur bei massivem Rauchen während der Schwangerschaft (mehr als 20 Zigaretten/Tag) war in einer Studie eine signifikante Erhöhung des Risikos für Craniosynostosen erkennbar [57]. Andere Autoren fanden eine Dosis-abhängige Erhöhung des Risikos für einen Fehlverschluss des Neuralrohres um 2,2 (95 % CI = 1,0–4,8) und 3,4 (95 % CI = 1,2–10,0) bei Raucherinnen von weniger bzw. mehr als 10 Zigaretten pro Tag [58]. SIDS (sudden infant death syndrome) Insgesamt dürfte Rauchen in und nach der Schwangerschaft unabhängige, starke und konsistente Effekte auf das Risiko für SIDS haben. Der Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und SIDS wurde wiederholt untersucht. Es zeigte sich ein um 2,0–3,0 erhöhtes Risiko [15, 20]. Ein Großteil der Studien wurde retrospektiv durchgeführt, einige wenige prospektiv. Eine sehr aktuelle Analyse einer großen Geburtskohorte in den USA zeigte an über 3 Millionen Säuglingen, dass Rauchen in der Schwangerschaft für Das Fetale Tabaksyndrom 5 übersicht 23,2–33,6 % der SIDS Fälle verantwortlich ist [36]. In einer englischen Studie, welche eine mögliche Dosis-WirkungsBeziehung untersuchte, zeigte sich eine Erhöhung des Risikos je nach Anzahl der Zigaretten um 4,3 (1–9 Zigaretten), 6,5 (10–19 Zigaretten) und 8,6 (>19 Zigaretten) im Vergleich zu Nichtraucherinnen in der Schwangerschaft [59]. 91 % der rauchenden Schwangeren dieser Studie rauchten auch nach der Geburt weiter. Dieses Problem wird auch in vielen anderen Studien diskutiert und es scheint statistisch schwierig, den Einfluss des postnatalen von jenem des pränatalen Rauchens zu trennen. In einer Analyse von 4 Studien, die den Einfluss von post- und pränatalem Rauchen untersuchten, zeigte sich bei 3 dieser Studien ein zumindest statistisch unabhängiger Effekt des pränatalen Rauchens (OR 1,94; 95 %CI 1,55–2,43) [60]. Unterstützt wird die Hypothese eines unabhängigen Effektes durch eine Autopsie-Untersuchung von 100 Kindern mit SIDS [61]. Diese zeigte eine Korrelation zwischen der Haar-Nikotinkonzentration der Babys und der Anzahl der Zigaretten, die während der Schwangerschaft geraucht worden waren. In einem Tierversuchsmodell zeigten sich postnatale Veränderungen der medullären Neurotransmitter, welche z.T. für ein SIDS verantwortlich gemacht werden. [62]. Allergien Bisher konnte kein gesicherter Effekt von Rauchen in der Schwangerschaft auf die Entstehung von allergischer Sensibilisierung gezeigt werden. Eine Metaanalyse von 36 Arbeiten bis zum Jahr 1997 zeigte keinen klaren Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und der Entstehung einer allergischen Sensibilisierung gemessen anhand von positiven Haut-Allergietests [63]. In einem weiteren Review-Artikel aus dem Jahr 2009 zeigten Hylkema et al. ein differenzierteres Bild [64]. Die deutsche Geburtskohortenstudie „Multicenter Allergy Study“ (MAS) untersuchte den Einfluss von prä- und postnatalem Rauchen auf die Entstehung von allergischer Sensibilisierung im Säuglings- und Kleinkindesalter [65]. Prä- und postnatal Rauch-exponierte Kinder zeigten hierbei ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Sensibilisierung auf Nahrungsmittelallergene im Alter von 3 Jahren im Vergleich zu nicht exponierten Kindern (OR 2,3; 95 % CI 1,1– 4,6). Für rein postnatal exponierte Kinder war dieses Ergebnis nicht signifikant, sodass ein pränataler Anteil des Effektes angenommen werden kann. Eine Nachuntersuchung der Kinder im Alter von 10 Jahren ergab einen signifikanten Effekt auf eine Sensibilisierung, wenn die Mutter in der Schwangerschaft und auch postpartal regelmäßig geraucht hatte und eine allergische Prädisposition bestand [66]. In einer anderen großen Geburtskohorte aus Manchester wurde mit einem ähnlichen Studien-Design wie in der MAS-Studie kein Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und Sensibilisierung mit 3 Jahren gefunden [67]. Eine Subanalyse ergab sogar einen Hinweis auf einen negativen Zusammenhang zwischen Nabelschnur-Cotinin und Atopie mit 3 Jahren, welcher jedoch 6 Das Fetale Tabaksyndrom mit Vorsicht zu interpretieren ist. Die Konzentration von Nabelschnur-IgE (ein wichtiger Risikofaktor für das spätere Auftreten einer Sensibilisierung bei positiver Familienanamnese) war in einer weiteren Studie mit über 400 Säuglingen nur bei den univariaten Modellen, nicht jedoch nach Adjustierung für wichtige Kofaktoren bei in der Schwangerschaft Rauch-exponierten Säuglingen erhöht [68]. Auch andere rezentere Studien fanden keine oder inkonklusive Zusammenhänge zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und allergischer Sensibilisierung [69–71]. Lungenfunktion Es konnte in mehreren Studien belegt werden, dass Rauchen während der Schwangerschaft mit einer verringerten Lungenfunktion beim Neugeborenen und Kind assoziiert ist. Vor allem aus tierexperimentellen Studien wird der Effekt auf die Lungenentwicklung deutlich [72]. Zusätzlich ist das Risiko für Pneumonie, Bronchitis und bronchiale Hyperreagibilität erhöht, was sich ungünstig auf die Lungenentwicklung auswirken kann [73–75]. Lungenfunktionsdaten von mehr als 20.000 Kindern im Alter von 6–12 Jahren aus 9 Ländern zeigten, dass Rauchen während der Schwangerschaft mit signifikanten Lungenfunktionsverlusten zwischen –1 % und –6 % assoziiert war [76]. Die Lungenentwicklung wird durch in utero Tabakrauch-Exposition gestört, wobei die Vulnerabilität genetisch determiniert zu sein scheint [64, 77]. Asthma Maternales Rauchen während der Schwangerschaft bringt ein substanziell und signifikant erhöhtes Risiko für das spätere Auftreten von Asthma vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter mit sich [78]. Allerdings fanden Keil et al., dass Rauchexposition in der Schwangerschaft mit Asthma nur dann stark assoziiert war, wenn eine entsprechende genetische Prädisposition vorlag [66]. Auch Ruskamp et al. fanden, dass bei Atopikern das Risiko für respiratorische Erkrankungen bei zusätzlicher pränataler Rauchexposition erhöht ist. Kinder mit erhöhtem Gesamt-IgE hatten dabei für häufige respiratorische Infekte eine OR von 6,18 (95 % CI 1,45–26,34), bei Vorhandensein einer atopischen Dermatitis war die OR 5,69 (95 % CI 2,01–16,04). Daher sollten besonders Mütter, deren Kinder ein hohes Atopie-Risiko aufweisen, auf die Wichtigkeit einer Tabak-Abstinenz hingewiesen werden [79]. Bei jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 20 Jahren, die in den ersten beiden Lebensjahren wegen obstruktiver Bronchitiden hospitalisiert wurden, erhöht pränatale Tabakrauchexposition das Risiko an Asthma zu erkranken deutlich. Das Risiko für bronchiale Hyperreagibilität ist sogar massiv erhöht [80]. In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie konnte gezeigt werden, dass auch epigenetische Effekte für die schädigende Wirkung von Tabakrauch verantwortlich sein © Springer-Verlag 2011 wkw übersicht könnten [81]. So konnten die Autoren beobachten, dass ein Tabakrauch-exponierter Fetus ein erhöhtes Asthmarisiko aufwies, wenn seine Großmutter in der Schwangerschaft mit seiner Mutter geraucht hatte (OR 2,6; 95 % CI 1,6–4,5). Auch wenn das Enkelkind in utero selbst nicht Tabakrauch-belastet war, bestand für dieses ein erhöhtes Asthmarisiko, wenn die Großmutter in der Schwangerschaft mit dessen Mutter rauchte (OR 1,8; 95 % CI 1,0– 3,3). Die genaue Ursache für das erhöhte Asthmarisiko nach Passivrauchexposition in utero ist noch unbekannt. Vermutet wird, dass die suppressiven Effekte auf die Schwangerschaftsdauer und das Geburtsgewicht, welche die Ausreifung des respiratorischen Systems behindern, hier hauptverantwortlich sind. Infektneigung Wenngleich die Wirkungen der prä- und postnatalen Expositionen schwer voneinander getrennt werden können, scheint die Tabakrauchexposition in utero mit Infekten der Atemwege in der frühen Kindheit im Zusammenhang zu stehen. Weitere prospektive Studien scheinen hier noch notwendig. Frühe Studien beschrieben, dass ein erhöhtes Risiko für respiratorische Erkrankungen vor allem durch eine pränatale Passivrauchexposition ausgelöst zu sein scheint [73]. Die Assoziation von prä- und postnataler Tabakrauchexposition mit dem Auftreten respiratorischer Infekte wurde in zwei europäischen Populationen unterschiedlich beschrieben. Die Ursache für diese unterschiedlichen Ergebnisse ist bisher noch unklar [82]. Ein verstärkender Effekt von pränataler Tabakrauchexposition zusätzlich zur postnatalen wurde in Bezug auf akute respiratorische Infekte und Bronchitis mehrfach gezeigt [83, 84]. Andere Autoren fanden keinen Zusammenhang zwischen maternalem Rauchen während der Schwangerschaft und respiratorischen Infekten des Kindes bis zum Alter von 6 Monaten. Die Exposition gegenüber nicht-maternalem Rauchen während der Schwangerschaft und in der postnatalen Zeit war jedoch mit Infekten der oberen Atemwege assoziiert [85]. Haberg et al. fanden, dass maternales Rauchen während der Schwangerschaft und postnatales paternales Rauchen unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten von Infekten der unteren Atemwege bis zum Alter von 18 Monaten sind [86]. Andere Studien fanden nicht-signifikante Risikoschätzungen von 0,77 (95 % CI 0,57–1,03) und 1,23 (95 % CI 0,92–1,64) für die Assoziation von pränataler Tabakrauchexposition durch die Mutter und Infekten der oberen und unteren Atemwege im ersten Lebensjahr sowie im späteren Schulalter [87, 88]. In einer rezenten Studie wurde der Mental Development Index (MDI) bei Kindern untersucht und dabei stellten die Autoren fest, dass dieser invers zur Anzahl der Tage mit obstruktiven Beschwerden in den letzten 2 Jahren (r = 0,13, p = 0,007) und unter anderem auch invers zu rauchenden Wohnungsmitgliedern während der Schwangerschaft (r = –0,18, p = 0,0002) assoziiert war [89]. wkw 2011 © Springer-Verlag Autoimmunerkrankungen Trotz Hinweisen aus Tierversuchen scheint derzeit kein gesicherter Zusammenhang zwischen fetaler Tabakrauchexposition und Autoimmunerkrankungen zu bestehen. In einer Studie mit 8.794 Kindern konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen intrauteriner Tabakrauchexposition und dem Nachweis von Autoantikörpern, die mit Diabetes mellitus Typ I in Zusammenhang stehen, gefunden werden [90]. Im Gegensatz dazu gibt es aus Tierversuchen Hinweise auf eine Reduktion pankreatischer Inselzellen und eine erhöhte Insulinresistenz nach fetaler Tabakrauchexposition [91]. Mütterliches Rauchen in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für einen systemischen Lupus erythematosus nicht [92]. Obwohl bei erwachsenen Rauchern das Risiko für Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis [93] oder Morbus Crohn [94] erhöht ist, gibt es für eine intrauterine Stimulation von Autoimmunität bei rauchenden Schwangeren keine Hinweise. Adipositas und Diabetes mellitus Typ II Insgesamt gibt es eine sehr gute Evidenz für ein erhöhtes Risiko von Übergewicht in der Kindheit und Diabetes mellitus Typ II im späteren Leben durch fetale Tabakrauchexposition. Eine Reihe von rezenten Publikationen zeigt einen deutlichen Zusammenhang von fetaler Tabakrauchexposition und der Entwicklung von Übergewicht und Diabetes mellitus Typ II, unabhängig von anderen Faktoren wie sozioökonomischem Status oder Geburtsgewicht [95–98]. Eine aktuelle Metaanalyse [99] bestätigt den Zusammenhang von Rauchen in der Schwangerschaft und späterem Übergewicht an 17 selektierten, zum Großteil prospektiven Kohorten-Studien. Die adjustierte OR lag bei 1,64 (95 % CI 1,42–1,9). Ein rezenter Review berichtet auch über die toxikologische Evidenz aus Tierversuchsstudien [100]. Nikotin dürfte demnach über nikotinische Acetylcholinrezeptoren im Hypothalamus zu einer Störung der Energie-Homöostase und damit zu verstärktem Appetit führen. Weiters führt eine fetale Tabakrauchexposition zu einem permanenten Verlust von Beta-Zellen des Pankreas und zu einer herabgesetzten Sensitivität des peripheren Gewebes für Insulin, zwei der Hauptfaktoren des Diabetes mellitus Typ II [101]. Kardiovaskuläre Erkrankungen Das Risiko für kardiovaskuläre Pathologien im Kindesalter ist nach fetaler Tabakrauchexposition erhöht [102]. Das Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung war in einer Geburtskohortenstudie mit 8.815 Probanden, deren Mütter während der Schwangerschaft geraucht hatten, signifikant erhöht [103]. Dies zeigte sich sowohl für erhöhten systolischen und diastolischen Blutdruck (p < 0,05) als auch für das metabolische Syndrom (p < 0,05). Zudem zeigten prospektive Daten von 746 Kindern [104], dass der systolische Blutdruck bei Kindern von rauchenden Das Fetale Tabaksyndrom 7 übersicht Schwangeren im Alter von 3 Jahren höher ist als bei Kindern ohne fetale Tabakrauchexposition, wie bereits in retrospektiven Studien zuvor gezeigt werden konnte [105, 106]. Im Tierversuch wurde beobachtet, dass intrauterine Tabakrauchexposition eine erhöhte Mediadicke der Arterien [107] und Linksventrikelhypertrophie [108] bewirkt. Fetale Tabakrauchexposition führt bei Tieren zu einer limitierten Herzfrequenzsteigerung bei Hypoxie [109]. Beim Menschen dürfte eine pränatale Tabakrauchexposition die Funktion der glatten Gefäßmuskulatur beeinträchtigen [110] und das Risiko für angeborene kono-trunkale Herzfehler erhöhen [111]. Im Gegensatz dazu zeigte eine prospektive Geburtskohortenstudie mit 1,4 Millionen Kindern ein erhöhtes Risiko von Kindern mit Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht hatten, an benignen und malignen Hirntumoren zu erkranken (OR 1,24; 95 % CI 1,01–1,53) [120]. In einer FallKontroll-Studie [121] war Rauchen in der Schwangerschaft assoziiert mit Hirntumoren im Kindesalter (OR 2,2; 95 % CI 1,1–4,5). Diese Daten wurden in einer retrospektiven Analyse [122] bestätigt (OR 1,5; p = 0,036). Schließlich fand man in einer Fall-Kontroll-Studie bei <15-Jährigen [123] eine erhöhte OR von 4,71 (95 % CI 1,69–13,1) für Ependymome bei einem mütterlichen Zigarettenkonsum von mehr als 10 Zigaretten pro Tag in der Schwangerschaft. Hämatologische Erkrankungen Augen Fetale Tabakrauchexposition scheint bis auf eine Erhöhung des fetalen Hämoglobins keine unmittelbare Auswirkung auf das hämatopoetische System zu haben, wenngleich Spätschäden durch die im Tabakrauch enthaltenen toxischen Substanzen nicht auszuschließen sind. Ein direkter Zusammenhang zwischen hämatologischen Erkrankungen im Kindesalter und intrauteriner Tabakrauchexposition konnte in einer griechischen Studie, welche elterliche Risikofaktoren bei 153 Kindern mit Leukämie untersuchte, nicht gezeigt werden [112]. Lee et al. fanden in einer Fall-Kontroll-Studie bei 328 Kindern keine Korrelation von mütterlichem Rauchen während der Schwangerschaft und Leukämien im Kindesalter [113]. Dieses Ergebnis wurde in einer weiteren Fall-Kontroll-Studie mit Telefoninterviews bestätigt [114]. In einer anderen Studie zeigte sich ein über 77 % erhöhtes fetales Hämoglobin bei fetaler Tabakrauchexposition [115], ein möglicher Risikofaktor für den plötzlichen Kindestod (siehe auch Absatz SIDS). Es existiert relevante Literatur mit gewisser Evidenz für eine Assoziation von Schielen und mütterlichem Rauchen in der Schwangerschaft, wobei hier vermutlich das 3. Trimenon eine besonders vulnerable Phase darstellt. Zu den Auswirkungen von fetaler Tabakrauchexposition auf die Entwicklung von Augenerkrankungen existiert relativ wenig Literatur. In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie wurden 347 Kinder mit Strabismus in 9 amerikanischen Zentren untersucht [124]. Es zeigte sich ein erhöhtes Risiko für manifestes Einwärtsschielen (Esotropie) bei Kindern, die während der gesamten Schwangerschaft rauchexponiert waren (OR 1,8; 95 % CI 1,1–2,8). Kein Unterschied zeigte sich, wenn das Rauchen vor oder während der Schwangerschaft beendet worden war. Eine Schwellendosis, unter welcher kein Zusammenhang bestand, konnte nicht gezeigt werden. Interessanterweise zeigte sich ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Esotropie v.a. bei den unter 2500g (OR 8,2; 95 % CI 1,1–62,7) und den ≥3500 g (OR 5,6; 95 % CI 2,1–5,4) wiegenden Kindern. Die genaue Ursache für diesen U-förmigen Verlauf ist unklar. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in einer rezenten prospektiven Arbeit an Zwillingen in Australien bestätigt [125], welche eine Dosis-Wirkungs-Beziehung v.a. im 3. Trimenon mit der Anzahl der Zigaretten zeigte und für postnatales Rauchen, welches keinen Effekt ergab, kontrolliert war. Eine prospektive Studie mit objektiven Parametern (Urinanalyse) konnte keinen Effekt von Rauchen in der Schwangerschaft auf entwicklungsneurologische Störungen des visuellen Systems (Blickstörungen, visuelle Aufmerksamkeitsstörung) zeigen [126]. Über Refraktionsanomalien sowie Anophthalmie oder Mikroophthalmie existieren lediglich vereinzelte Berichte ohne klare Evidenz. Maligne Erkrankungen (ausgenommen hämatologische Erkrankungen) Die im Erwachsenenalter bekannte Assoziation von Passivrauch-Exposition und malignen Erkrankungen lässt sich bezüglich einer fetalen Belastung für das Kindesalter nicht sicher nachweisen, allerdings ist hier die Datenlage widersprüchlich. Das Risiko für eine maligne Erkrankung scheint bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft geraucht haben, nicht erhöht zu sein [5, 14, 116]. Dies wurde in einer Metaanalyse von 12 Studien mit insgesamt 6.566 Kindern bestätigt, wobei sich kein erhöhtes Risiko für Hirntumore bei intrauterin Tabakrauch-exponierten Kindern im Vergleich zu nicht Exponierten fand [117]. Bei 209 Kindern mit ZNS-Tumoren fand sich im Vergleich zu 1.681 Kindern ohne maligne Erkrankung kein Unterschied in der Prävalenz der fetalen Tabakrauchexposition (OR 1,1) [118]. Pang et al. erfragten das Rauchverhalten von Eltern während der Schwangerschaft und verglichen es bei 3.838 Kindern mit verschiedenen Krebserkrankungen und 7.629 gesunden Kontrollkindern [119]. In dieser Studie war elterliches Rauchen kein signifikanter Risikofaktor für maligne Erkrankungen im Kindesalter. 8 Das Fetale Tabaksyndrom Otitis Media Die Studienlage zum Einfluss von Rauchen in der Schwangerschaft auf die Entwicklung einer Otitis media in früher Kindheit ist noch nicht ausreichend für eine letztgültige Beurteilung. Weitere gut geplante, prospektive Studien wären hier noch wünschenswert. Postnatale Passivrauchbelastung gilt als starker Risikofaktor auf die Entwicklung einer Otitis media. Etwas © Springer-Verlag 2011 wkw übersicht weniger, z.T. aber sehr profunde Daten existieren zum Einfluss des Rauchens während der Schwangerschaft [72, 127]. Eine prospektive Geburtskohortenstudie bei 8556 schwangeren Frauen zeigte eine deutliche DosisWirkungs-Beziehung zwischen Rauchen bei der ersten Schwangerschaftsuntersuchung und einem erhöhten Risiko für eine akute Mittelohrentzündung bis zum 5. Lebensjahr (1–9 Zigaretten/Tag OR 1,6; 95 % CI 1,1–2,5; 10–19 Zigaretten/Tag 2,6; 1,6–4,2; >19 Zigaretten/Tag 3,3; 1,9– 5,9), während Tabakrauchexposition im 3. Trimester, sowie mit 6 Monaten und 5 Jahren keinen signifikanten Einfluss mehr zeigten [128]. Eine weitere sehr rezente, prospektive Studie verfolgte Kinder bis zum 18. Lebensmonat und untersuchte Risikofaktoren für Otitis media. Dabei zeigte sich für eine pränatale Tabakrauchexposition ein gering erhöhtes relatives Risiko für eine akute Otits media im Alter zwischen 0 und 6 Monaten von 1,34 (95 % CI 1,06– 1,69) und mit 6–11 Monaten von 1,13 (95 % CI 1,00–1,27). Zwischen 12 und 18 Monaten konnte kein Effekt mehr gezeigt werden [129]. Gastrointestinale Erkrankungen Die Datenlage zu einem möglichen Zusammenhang von gastrointestinalen Erkrankungen im Kindesalter und pränataler Tabakrauchexposition ist insgesamt spärlich. Einzig für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen existieren vereinzelt Studien. Aktives Rauchen ist ein Risikofaktor für M. Crohn, für die Colitis ulcerosa hingegen zeigen sich protektive Effekte [130]. Obwohl einzelne Autoren einen signifikanten Zusammenhang zwischen Tabakrauchexposition in utero und einem späteren M. Crohn festgestellt hatten (OR 1,72; 95 % CI 1,1– 2,71) [131], kam eine 2008 publizierte Metaanalyse zu diesem Thema zu einem negativen Ergebnis. Insgesamt wurden dabei 13 Studien inkludiert und keine Relation zwischen pränataler Tabakrauchexposition und M. Crohn (OR 1,10; 95 % CI 0,67–1,80), oder Colitis ulcerosa (OR 1,11; 95 % CI 0,63–1,97) festgestellt [132]. Auch hier sind jedoch aufgrund der wenigen Studien und der Heterogenität der Daten weitere Studien nötig. Psychische Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, neurologische Entwicklung Es liegt heute eine profunde Datenlage vor, die einen Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und psychiatrischen Erkrankungen, „attention deficit hyperactivity“ (ADHS), Störungen in der intelektuellen Entwicklung und z.T. auch Verhaltensauffälligkeiten zeigt. In einer longitudinalen Studie von über 6000 Jugendlichen fanden die Autoren ein erhöhtes Risiko für psychotische Symptome (OR 1,2 95 % CI 1,05–1,37) durch pränatale Tabakrauchexposition [133]. Rückinger et al. fanden, dass insbesondere pränatal exponierte Kinder ein um 90 % erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten haben [134]. Eine sehr aktuelle Studie aus Finnland analysierte das finnische Geburtenregister zusammen mit den Entlassungsdiagnosen der lokalen wkw 2011 © Springer-Verlag Spitäler und Ambulanzen der Jahre 1987–2007 [135]. Junge Erwachsene von Müttern, die während der Schwangerschaft weniger als 10 Zigaretten pro Tag geraucht hatten, wiesen in 21,0 % eine psychiatrische Diagnose (inkl. Verhaltensauffälligkeiten) auf, verglichen mit 24,7 % bei den Müttern, die mehr als 10 Zigaretten geraucht hatten. Bei nicht Exponierten lag der Prozentsatz bei 13,7 %. Auch das Mortalitätsrisiko war bei stark exponierten Kindern signifikant erhöht (OR 1,69; 95 % CI 1,31–2,19) [135]. Ein sorgfältiger Review von Linnet et al. kommt zum Schluss, dass ADHS Erkrankungen bei in utero exponierten Kindern häufiger auftreten [136]. Eine Weitergabe von Nikotinabhängigkeit und Verhaltensauffälligkeiten im späteren Leben von der rauchenden Schwangeren auf das ungeborene Kind wird vermutet [137]. Pränatale Tabakrauchexposition war mit Defiziten in der visuell motorischen Koordination bei 16-jährigen Adoleszenten assoziiert [138]. Auch Lernschwierigkeiten treten bei Kindern mit pränataler Tabakrauchexposition signifikant häufiger auf [139]. Intellektuelle Einschränkungen bei Achtjährigen waren leicht erhöht bei Kindern von Müttern, die während der Schwangerschaft mehr als 20 Zigaretten pro Tag geraucht hatten, auch nach Adjustierung für mögliche Confounder wie mütterliche Bildung, Alter etc., wobei ein geschlechtsspezifischer Unterschied festgestellt wurde und das Risiko nur bei Knaben signifikant erhöht war [140]. Bei Frühgeborenen ist pränatale Tabakrauchexposition gemeinsam mit chronischer Lungenerkrankung und Wachstumsretardation ebenso ein signifikanter Risikofaktor für eine neurologische Entwicklungsverzögerung [141]. Eine besondere genetisch bedingte Anfälligkeit für die negativen Auswirkungen einer pränatalen Tabakrauchexposition durch Dopamin-Transport, serotonerge Synapsenfunktion und Monoaminooxidase-Signalübertragungswege wird in mehreren Studien belegt [142]. Ein kausaler Zusammenhang zwischen weiteren Verhaltensauffälligkeiten und Irritabilität als Folge der Tabakrauchexposition erscheint durch die Fülle an Arbeiten mit positiven Ergebnissen wahrscheinlich [143]. Passivrauchexposition der Mutter in der Schwangerschaft Nicht nur aktives Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft kann den Fetus beeinträchtigen, sondern auch die Passivrauchexposition (environmental tobacco smoke = ETS) durch Rauchen im Umfeld der Mutter kann sich negativ auf den Fetus auswirken. Eine aktuelle Metaanalyse untersuchte 58 publizierte Studien, wobei ca. die Hälfte der Studien ein prospektives Design aufwies [144]. Als ETS-Exposition wurde jeglicher mütterlicher Kontakt zu ETS definiert (privat, beruflich, sonstige). Untersuchte Outcome-Parameter waren Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit und Schwangerschaftsdauer. Je nach Studiendesign zeigte sich eine signifikante Reduktion des Geburtsgewichts um 33–40 g, ein erhöhtes Risiko für ein Geburtsgewicht <2500 g (prospektive Studien: OR 1,32; 95 % CI 1,07–1,63; retrospektive Studien: OR 1,22; 95 % CI 1,08–1,37), sowie ein erhöhtes Risiko für SGA (small for gestational age), wobei dies nur in den retroDas Fetale Tabaksyndrom 9 übersicht spektiven Studien (OR 1,21; 95 % CI 1,06–1,37) signifikant war. Auch der Effekt auf die Frühgeburtlichkeit (Zunahme von 18 % bei ETS-Belastung) war nur in den retrospektiven Studien signifikant und ist daher mit Vorsicht zu interpretieren. Toxikologische Untersuchungen unterstützen die gefundenen Effekte. Es zeigten sich erhöhte Cotinin-Werte in der Amnionflüssigkeit von ETS-exponierten Müttern im Vergleich zu nicht Exponierten. Weiters konnte auch im Urin der ETS-exponierten Neugeborenen am 1. Lebenstag Cotinin nachgewiesen werden [83]. Eine andere Studie untersuchte Marker für oxidativen Stress (Lipid-Hydroperoxid, total oxidativer Status, oxidativer Stressindex) im Nabelschnurblut von Neugeborenen [145]. Es zeigten sich hierbei signifikant erhöhte Werte bei aktiv rauchenden und ETS-exponierten nichtrauchenden Müttern im Vergleich zu weder aktiv noch passiv rauchenden Müttern als Hinweis für vermehrten oxidativen Stress. Die Effekte des Passivrauchens auf das Geburtsgewicht sind insgesamt deutlich geringer als jene des Aktivrauchens der Mutter in der Schwangerschaft. Sie sind jedoch ebenso nachweisbar und potentiell vermeidbar. Andere Outcome-Parameter sind vergleichsweise wenig untersucht. Hier besteht noch Bedarf an weiteren Studien. Pathophysiologische Hintergründe Im Detail können die Auswirkungen des Rauchens in der Schwangerschaft auf den Fetus einerseits durch die direkte Wirkung der im Zigarettenrauch enthaltenen Toxine auf die fetalen Zellen erklärt werden. Andererseits werden indirekte Wirkungen der im Tabakrauch enthaltenen Stoffe auf die Plazenta vermutet. Nikotin wirkt im menschlichen Körper über NikotinAcetylcholinrezeptoren (nAChRs). Die höchste Affinität für Nikotin haben Leber, Niere, Milz, Lunge und Gehirn [146]. Nikotin bewirkt eine Zellproliferation, und erhöht die Aktivität der Proteinkinase C. Nikotin wird u.a. in der fetalen Lunge gespeichert, Spitzenkonzentrationen von Nikotin im Fetus entstehen 15–30 Minuten nach Zigarettenkonsum [147]. Teilweise scheidet der Fetus das aufgenommene Nikotin in die Amnionflüssigkeit aus, wo es ebenfalls akkumuliert und höhere Konzentrationen als im maternalen Blut erreicht [148]. Neben den schädigenden Effekten des Nikotins sind auch für andere Bestandteile des Tabakrauches (Zyanide, Sulfide, Cadmium, CO, oxidative Produkte, Benzpyrene etc.) zytotoxische Effekte und direkte Wirkungen auf die feto-plazentare Einheit bekannt [149]. Auswirkungen auf den Fetus Lunge Es wird vermutet, dass eine pränatale Tabakrauchexposition die Oberflächenkomplexität des fetalen Lungenparenchyms verringert und die Bildung von Zellhyperplasien verursacht, die Surfactantbildung stört und dadurch die fetale Lungenfunktion negativ beeinflusst [150]. Nikotin verhindert die Fibroblasten-Proliferation und -Migration, 10 Das Fetale Tabaksyndrom wodurch auch die Alveolarisation reduziert und die Reparaturvorgänge der Fibroblasten gestört werden [151]. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass Nikotin in der späten sakkulären und frühen alveolären Phase zu einer reduzierten Bildung der Lungenstruktur führt und damit die alveoläre Oberfläche verringert [152]. Das elastische Gerüst der Lunge exponierter Tiere wird ebenso beeinträchtigt [153] und vermutlich kommt es zu einer verfrühten Alterung der Fibroblasten [154] ebenso wie der Alveolarzellen [155]. Die Ursache für das veränderte „Programming“, das zu einer frühen Alterung führt, ist unklar, liegt jedoch möglicherweise in einem Oxidantien/Antioxidantien Ungleichgewicht begründet [156]. Glukose ist für die Entwicklung der fetalen Lunge von entscheidender Bedeutung [157]. Während der Lungenentwicklung ist das Gewebe besonders auf Glykogen als Energielieferant angewiesen. Aus Tierexperimenten weiß man, dass Nikotin-Exposition eine anhaltende Unterdrükkung der Glykolyse und Glykogenolyse durch einen niedrigeren Phosphorylase-Gehalt in der Lunge verursacht [158]. Weiters ist eine niedrigere Aktivität von Phosphofruktokinase (PFK) in der Lunge von Nikotin-exponierten Tieren für die Abnahme der glykolytischen Aktivität verantwortlich und damit schädlich für die Lungenentwicklung. Zusätzlich zu dem reduzierten Glukosegehalt akkumuliert zyklisches Adenosin-Monophosphat (cAMP) in großen Mengen in den exponierten Lungen und führt zu verfrühter Zellalterung [159]. Alveolarepithelzellen Typ I benötigen ebenso Glykolyse zur Energiegewinnung. Die Glykolyse stellt ATP zur Verfügung, welches für die Aufrechterhaltung des Zellvolumens von großer Bedeutung ist. Die Anpassung an geänderte Umweltbedingungen ist daher in tabakrauchexponierten Tieren gestört, was zu Zellmembrandefekten und Zellmembranzerfall führt. Alveolarepithelzellen Typ II sind in exponierten Tieren in größerer Zahl vorhanden, die Surfactant-Synthese in diesen Zellen ist vermehrt [160]. Karzinogenese Nikotin akkumuliert in der Lunge des Fetus nach Passage über die Plazenta. Dort induziert es die Bildung von Sauerstoffradikalen und reduziert gleichzeitig die antioxidative Kapazität der Lunge. Reaktive Sauerstoffradikale induzieren Zelllipidstörungen, Protein-, DNA- und Endotheldysfunktionen. Punktmutationen der DNA-Moleküle entstehen [161]. Eine chromosomale Instabilität wird gefördert, was eventuell zu einem erhöhten Krebsrisiko in der Kindheit oder im späteren Leben führen kann [162]. Nikotin aktiviert auch gewisse „prosurvival“ Signale, wie die Aktivitätserhöhung der Proteinkinase C, welche bei der ausbleibenden Apoptose von kanzerogenen Zellen eine Rolle spielt [163]. Nikotin wird durch P Cytochrom 450 teilweise in reaktive Intermediärprodukte metabolisiert. In exponierten Lungen ist die Zahl von anderen Cytochrom-Enzymen (CYP2A3 und CYP2B) erhöht und zumindest im Tierversuch zeigte sich eine größere Zahl kanzerogener Substanzen [164]. © Springer-Verlag 2011 wkw übersicht Störung der Plazentafunktion Tabakrauchexposition verursacht in der Plazenta bereits in der Frühschwangerschaft eine Verdickung der Basalmembran des Trophoblasten, eine Erhöhung des Kollagengehalts der mesenchymalen Zotten und eine Einschränkung der Vaskularisierung. Diese anatomischen Veränderungen wiederum verursachen enzymatische und synthetische Funktionsveränderungen. Dieser direkte Effekt auf die plazentare Funktion sowie auf die Proliferation und Differenzierung von Zellen erklärt die erhöhte Rate von Aborten, fetaler Wachstumsverzögerung, Totgeburt und Plazentalösungen bei Frauen, die während der Schwangerschaft geraucht haben [164]. Zusammenfassend kann von einer Vielzahl von direkten und indirekten Wirkungen des Tabakrauches auf den Fetus ausgegangen werden. Die verfügbaren toxikologischen Untersuchungen unterstreichen die in klinischen und epidemiologischen Studien gefundenen Effekte. Möglichkeiten zur Intervention; RaucherInnenentwöhnung Zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Nikotinersatztherapie (nicotine replacement therapy, NRT) während der Schwangerschaft wurden in einer Metaanalyse [165] fünf randomisierte kontrollierte Studien analysiert, in welchen 695 rauchende Schwangere untersucht wurden. Die gepoolte risk-ratio (RR) für den Rauchstopp während der Schwangerschaft lag unter NRT bei 1,63 (95 % CI 0,85– 3,14), was keine Empfehlung für eine NRT zulässt. Auf der anderen Seite wird vor Nikotinwirkungen auf den Fetus gewarnt [166] und auf die Vorteile nichtmedikamentöser Entwöhnungshilfen hingewiesen [167–169]. In einer Cochrane Analyse [170] zeigte sich, dass 24 % der Frauen mit dem Rauchen aufhörten, wenn sie finanzielle Anreize erhielten, in den USA konnte zudem die Effizienz der verhaltensmodifizierenden „5A“ Intervention belegt werden [171]. Das „5A“ Konzept steht für „Abfragen, Anraten, Abschätzen, Assistieren und Arrangieren“ [172] von Raucherentwöhnungsstrategien. Medikamentöse Interventionen erscheinen in der Schwangerschaft problematisch, weil Substanzen wie Bupropion die Plazentaschranke passieren [173]. Bei der aktuellen Datenlage können weder Bupropion noch Vareniclin in der Schwangerschaft empfohlen werden [164–176], für die NRT hingegen fehlt zurzeit der Nachweis einer ausreichenden Wirksamkeit [177] und es bestehen toxikologische Bedenken wegen unerwünschter Nebenwirkungen [56, 166], vor allem auf das fetale Gehirn [178]. Medikamente einschließlich Nikotinersatz sollten daher vor Eintritt einer Schwangerschaft die Entwöhnung erleichtern, während Schwangeren psychotherapeutische Hilfen angeboten werden sollten. Die gleichzeitige verhaltensmodifizierende Behandlung des Partners erhöhte in mehreren Studien die Erfolgsrate der Raucherentwöhnung während der Schwangerschaft [179– 181]. Der Partner scheint schließlich auch bei der Rückfallsprävention eine entscheidende Rolle zu spielen [182]. Bei Schwangeren liegt die Erfolgsrate der verschiedenen Strategien der Nikotinentwöhnung dzt. leider noch in wkw 2011 © Springer-Verlag einem ähnlich niedrigen Bereich wie in anderen untersuchten Gruppen. Die effektivste Intervention während der Schwangerschaft scheint eine Verhaltenstherapie gemeinsam mit dem Partner in Kombination mit verschiedenen finanziellen Anreizen (Incentives) zu sein. Diskussion Die Evidenz für den schädigenden Einfluss von mütterlichem Rauchen in der Schwangerschaft ist in vielen Bereichen sehr gut (Tabelle 1). Es kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Rauchen in der Schwangerschaft einen starken und konsistenten negativen Einfluss auf das Geburtsgewicht, Plazenta-assoziierte Erkrankungen, Totgeburten, Frühgeburten, fetales Wachstum, SIDS, Übergewicht im späteren Kindesalter, Spaltbildungen, schlechtere Lungenfunktion, Asthma bronchiale, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie mentale Entwicklungsverzögerung und ADHS hat. Diese Faktoren sind aus heutiger Sicht unter dem Begriff „Fetales Tabaksyndrom“ zu subsummieren. Einflüsse auf andere Gesundheitsaspekte sind weniger gut belegt und in vielen Bereichen sind noch weitere Studien nötig. Die Rauchentwöhnung während der Schwangerschaft stellt eine spezifische Herausforderung dar, da einerseits konventionelle Medikamente nicht zugelassen oder nicht wirksam sind und andererseits das Umfeld der Schwangeren ebenfalls rauchfrei sein muss, damit die Strategien für den Rauchstopp wirken können. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, bereits Tabak rauchende Frauen, die beabsichtigen schwanger zu werden, bereits vor der Schwangerschaft zu einem Rauchstopp zu animieren. In dieser Phase ist auch noch eine medikamentöse Unterstützung möglich. Jedenfalls sind für die Rauchentwöh- Tabelle 1. Gesundheitsschädigungen durch intrauterine Tabakrauch-Exposition Auswirkungen auf den Fetus Evidenz1 Ektope Schwangerschaft Vermindertes fetales Wachstum Frühgeburtlichkeit Plazenta-assoziierte Erkrankungen Totgeburten Spaltbildungen ++ +++ +++ ++ +++ ++ Auswirkungen auf den Säugling Verringertes Geburtsgewicht SIDS Verringerte Lungenfunktion +++ ++ ++ Auswirkungen auf das Klein- und Schulkind Übergewicht Verminderte Lungenfunktion Asthma bronchiale Psychiatrische Erkrankungen und Entwicklungsverzögerung ADHS Kardiovaskuläre Erkrankungen Infekte +++ ++ +++ + + ++ + 1 Evidenz + = einzelne retrospektive Studien oder Fall-Kontrollstudien; ++ = mehrere retrospektive, wenige prospektive Studien; +++ = viele prospektive Studien und Metaanalysen. Das Fetale Tabaksyndrom 11 übersicht Tabelle 2. Wichtige Informationsquellen zur Rauchberatung: österreichweite Kontaktadressen Das Rauchertelefon: Tel. 0810 810 013, Mo–Fr/15:00–18:00, www.aerzteinitiative.at, www.kissme-smokefree.eu Wien: Magistratsabteilung 15, Tel. (01)53114/87639, Wiener Gebietskrankenkasse, Wien-Mitte Tel. (01)60122/40300, Wien-Mariahilf Tel. (01)60122/40600 oder 60122/1722, Wien-Nord Tel. (01)60122-40200 Nikotininstitut, Tel.(01)5858544 Niederösterreich: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Tel. (02742) 899/6216 oder 6212 Oberösterreich: Wels, Magistrat der Stadt Wels, Tel. (07242)29585 oder 2357960, www.wels.at/magistrat Linz, Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Tel. (0732)7807/3905 Burgenland: GIZ-Gesundheitsinfozentrum der Burgenländischen Gebietskrankenkasse, Eisenstadt, Tel. (02682)608/2020 Salzburg: Amt der Salzburger Landesregierung, Sozialmedizinischer Dienst, Tel. (0662)8042/3605 oder 3624, www.salzburg.gv.at/buerger-service Salzburger Gebietskrankenkasse, Tel. (0622)8889/1041 Steiermark: STGKK Helpline zur Raucherentwöhnung, Mo–Fr von 10–12 Uhr, Di von 14–16 Uhr, Tel. (0316)8035/1919, www.rauchfrei-dabei.at, www. endlich-aufatmen.at Graz: Städtisches Gesundheitsamt, Tel. (0316)872/3244 DW, Magistrat Graz, Tel. (0316)872/3245 Kärnten: Landeskrankenhaus Klagenfurt (Lungenabteilung), Tel. (0463)538/22333 DW Vorarlberg: Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin: Rauchfrei-Sprechstunde, Bregenz, Tel. (05574)202-0, www.aks.or.at Tirol: Universitätsklinik für Psychiatrie, Abt. f. klinische Psychologie und psychotherapeutische Ambulanz, Innsbruck, Tel. (0512)504/23 655 DW nung von Schwangeren spezialisierte Fachkräfte unterschiedlicher Disziplinen gefragt, die auf die Gegebenheiten der Schwangerschaft fokussiert und im Idealfall eigens geschult sind. Zudem ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von ÄrztInnen, PsychologInnen und anderen Berufsgruppen wünschenswert, um die Erfolgschancen einer Rauchentwöhnung zu erhöhen und auch die Rückfallraten nach Geburt des Kindes zu reduzieren. Einerseits stellt eine Schwangerschaft für viele Frauen eine hohe Motivation dar, mit dem Rauchen aufzuhören, andererseits dürften jene Frauen, die auch in der Schwangerschaft nicht aufhören können, eine besonders wichtige und auch schwierig zu behandelnde Gruppe darstellen. Derzeit bieten nur wenige Zentren in Österreich ein gezielt auf Schwangere abgestimmtes RauchentwöhnungsProgramm an, sodass hier noch deutlicher Aufholbedarf besteht, um durch das Vermeiden von intrauterinem Passivrauchen Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen zu reduzieren. Zumindest sollte jede Schwangere auf Informationen aufmerksam gemacht werden, wie sie per Telefon oder auch im Internet über Aktiv- und Passivrauchen angeboten werden (Tabelle 2). Rauchenden Frauen sollte darüber hinaus ein Anruf oder eine Fax-Anmeldung beim Rauchertelefon empfohlen und bei Kinderwunsch gesagt werden, dass die Vermeidung von Aktiv- und Passivrauchen den Eintritt einer Schwangerschaft und deren normalen Verlauf begünstigt [183]. Des Weiteren ist eine umfassende Information der Schwangeren (z.B. über den Mutter-KindPass) einzufordern. Diese Information sollte den aktuellen Stand der Wissenschaft einfach darstellen und auch Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten für die Raucherentwöhnung in der Schwangerschaft enthalten. GynäkologInnen, die eine schwangere Frau im Rahmen der Mutter-Kind-Pass Untersuchungen betreuen, erfragen bei der Anamnese Rauchgewohnheiten, dokumentieren dies auch auf der im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Seite und sollen in dem 12 Das Fetale Tabaksyndrom Zusammenhang auch auf die schädigende Wirkung des Rauchens hinweisen und dies auch dokumentieren. Eine weitere, wenn auch kostspielige Möglichkeit wären routinemäßige Harnkotininmessungen oder CO-Atemluftmessungen zur objektiven Belegung der Tabakrauchexposition. Es ist jedenfalls wichtig, die schwangere Frau in ihrem psychosozialen Umfeld wahrzunehmen und in ihrer Gesundheitsverantwortung für sich und ihr Kind zu bestärken. Auch nach der Geburt des Kindes muss vermehrt Aufklärungsarbeit zur Prävention von Passivrauchbelastung des Kindes betrieben werden. Gerade in dieser Phase ist die Rückfallprävention bei Frauen, die während der Schwangerschaft das Rauchen beenden konnten, relevant. Die Schwangerschaft stellt für viele Frauen eine sehr große Motivation dar, mit dem Rauchen aufzuhören. GynäkologInnen, KinderärztInnen, InternistInnen, LungenfachärztInnen und AllgemeinmedizinerInnen sind gerade in dieser Zeit gefordert, Frauen auf die schädigenden Effekte des Rauchens und die Möglichkeiten der Rauchentwöhnung hinzuweisen und kompetent zu informieren. Gelegenheit dazu bietet auch die im Mutter-Kind-Pass vorgesehene „Interne Untersuchung“. Gemeinsame Informationskampagnen der oben genannten Berufsgruppen könnten über Medien, Informationsbroschüren und Plakataktionen Schwangere und deren Partner sensibilisieren und Hilfestellungen anbieten. Danksagung Das Autorenteam bedankt sich für die Mitarbeit der genannten Fachgesellschaften, um dieses Statement auf eine breite, für viele Ärzte relevante Basis zu stellen. Danken möchte ich auch jener deutschen Journalistin, die im Rahmen eines ÖGP-Vortrages durch ihre Fragen dieses Statement angeregt und damit den Stein ins Rollen gebracht hat. © Springer-Verlag 2011 wkw übersicht Interessenskonflikt Die Autoren haben keinerlei Interessenskonflikte für das bestehende Manuskript. Insbesondere erfolgte keine finanzielle oder andersgeartete Unterstützung durch die Tabakindustrie. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. Simpson WJ. 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