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ON THE ROAD ANDALUSIEN, TEIL 1 Weiße Dörfer, endlose Weiten, Bergwelten und Sandstrände, Oliven und Schinken: Der Süden Spaniens ist eine Wunderwelt für uns Motorradfahrer. L AND D ER SO N N E Text: [email protected] Fotos: Kurt Pinter 98 Motorradmagazin 2 | 16 99 Motorradmagazin 2 | 16 ON THE ROAD ANDALUSIEN, TEIL 1 IN DEN KNAPP 800 JAHREN IHRER HERRSCHAFT ÜBER ANDALUSIEN ÜBERZOGEN DIE MAUREN DAS LAND MIT PRÄCHTIGEN BAUWERKEN UND GÄRTEN. VIELES BLIEB BIS HEUTE ERHALTEN – UND MACHT SÜDSPANIEN UNVERWECHSELBAR. Keine Sorge: In Andalusien gibt’s auch Kurven, nicht nur lange Gerade wie am Foto oben. Der Innenhof gehört zum Alcazar von Sevilla. Unten: Dieses Los An geles lässt sich auch mit Flug angst besuchen. Der Alcazar von Sevilla ist der Königspalast aus der Zeit der Mauren; Palast und Garten (o.) werden heute noch bei Besu chen vom spa nischen Königs haus bewohnt. Rechts die Giralda, der Glockenturm der Kathedrale. 103 Motorradmagazin 10 | 14 ON THE ROAD ANDALUSIEN, TEIL 1 S chuld an so manchen Vorbehalten sind die Pauschaltouristen. Wer nur schnell in der Flugzigarre gen Süden düst und sich dann in einer Bettenburg an der Costa del Sol eindost, kann sich leicht beschweren, dass die Küste zugebaut, das Essen öde und die spanische Kultur reine Folklore ist. Wer sich aber selbst auf die Suche macht, wird ein ganz anderes Spanien finden. Hinter den Bergen warten fantastische Strecken, wunderbare Panoramen, kleine Tapas-Lokale mit herrlichem Schinken, Kulturschätze aus maurischen Tagen – und all das in solcher Hülle und Fülle, dass wir diese Reise in zwei Etappen aufgeteilt und zu einem Andalusien-Spezial ausgeweitet haben. In diesem ersten Teil führt die Route von Malaga nach Ronda, durch die Sierra de Grazalema, zum südlichsten Punkt nach Tarifa und über einen Abstecher nach Cadiz weiter in die Hauptstadt Sevilla. Im zweiten Teil der kommenden Ausgabe fahren wir weiter nach Carmona, Granada, Guadix, in die Sierra de los Filabres und durch Europas einzige Wüste bis Mojacar an der Costa de Almeria. Jetzt aber los! Oder doch nicht ganz. Bevor wir richtig starten, besuchen wir noch Ma laga, die zweitgrößte Stadt der Region. Hätten wir vor einigen Jahren noch nicht freiwillig gemacht, doch auch hier hat sich viel getan: Die Innenstadt präsentiert sich aufgeräumt, der Hafenbereich wurde völlig neu gestaltet. Ganz in der Nähe findet man seit Kurzem auch eine Dependance des Centre Pompidou in Paris: moderne Kunst in modernem Ambiente, verlegt unter die Erde. Wer lieber höher hinaus will, macht bei einer Führung auf das Dach der Kathedrale mit. Auf dem ehrwürdigen Gebäude wurden jüngst eigene Wege angelegt, auf denen sich nicht nur das Ausmaß des Bauwerks erfassen lässt, sondern auch tolle 360-Grad- Ausblicke über die Stadt geboten werden. Jetzt wird aber wirklich der Boxermotor unserer GS Adventure gestartet, das erste Highlight wartet schon: die Anfahrt nach Ronda. Viele Wege führen zur kleinen 102 Motorradmagazin 2 | 16 Rechts glänzt die markante Kuppel der Kathedrale von Cadiz, ganz rechts die Plaza de Toros de Ronda – eine der schönsten und ältesten Stierkampfarenen in Andalusien; der Besuch des angeschlossenen Museums lohnt sich ebenfalls. INTERVIEW JOHANNES SUPPAN „Das ganze Jahr Motorrad fahren“ Du lebst seit Jahren in Südspanien – hast du die Entscheidung jemals bereut? Nein. Das Motorradparadies Südspanien ist zu meiner Wahlheimat geworden. Hier kann man das ganze Jahr über auf Traumstraßen den Genuss des Fahrens erleben, daher habe ich auch Andalusien als Firmensitz gewählt. Welchen Motorradtyp empfiehlst du für die Region? Oder passt alles? Andalusien ist eindeutig GS-Territory, hier gibt’s endlose Kurvenstrecken mit bestem Asphalt. Wir haben aber auch die R und RT im Programm, die machen ebenfalls ordentlich Spaß. Aus deiner Erfahrung: Welche Reisezeit ist optimal, welche vermeidet man besser? In Andalusien kann man das ganze Jahr hindurch fahren. Wir bieten ja auch eine Tour über Silvester an, unseren traditionellen Kurvenwalzer, der immer eine Option zum kalten Wetter ist. Im Juli und August ist es hier fast zu warm, dafür fährt man dann sehr gut in den Pyrenäen. Ganz kurz und knapp: Welche fünf Highlights muss man in Andalusien gesehen haben? Der Reiz Andalusiens ist dessen Vielfalt. Wir haben viele Naturparks, wunderschöne Strände, die weißen Dörfer und mit Sevilla, Granada und Cordoba drei einzigartige maurische Perlen. All das kann auf unserer Andalusien-Klassik-Tour, die im Frühling und Herbst gefahren wird, erlebt werden. Abgesehen von den bekannten Wundern: Welchen Insidertipp kannst du uns verraten? Die Strecke der Montes de Malaga von Colmenar nach Malaga – ein Geheimtipp! Und gibt es auch eine ausgewiesene Motorrad-Heizerstrecke? Legendär und bekannt ist die Strecke von Marbella nach Ronda. Hier geht es 30 Minuten lang den Berg hinauf, mit endlosen Kurvenpassagen und wunderschönen Blicken über das Mittelmeer. Herkommen und selber ausprobieren! DER STIERKAMPF IST HEUTE NOCH EIN WIRTSCHAFTSFAKTOR UND SEIT HEMINGWAY EINE TOURISTENATTRAKTION. ARENEN FINDET MAN IN JEDER GRÖSSEREN GEMEINDE. Johannes Suppan, 45, Steirer, betreibt seit 13 Jahren das Reiseunternehmen Hispania Tours mit Filialen in Malaga und Barcelona. Aktuell herrscht er über eine Flotte von 50 BMW-Motorrädern, ist offizieller Partner von BMW Motorrad und Toura tech-Testcenter. Wer geführte, organisierte Reisen (Marokko, Pyrenäen, Portugal, natürlich Andalusi en und mehr) oder einfach nur ein Mietmotorrad fürs eigene Abenteuer buchen will, findet alle Infos dazu auf www.hispania-tours.de 103 Motorradmagazin 10 | 14 ON THE ROAD ANDALUSIEN, TEIL 1 Bergstadt, wir fahren über Coin, Alozaina, den Puerto de las Abejas und kommen an einem Aussichtspunkt vorbei, der erstmals ein Gefühl für die Weite dieser Berg- und Hügelwelt gibt: Überall tost das Grün, weit und breit ist kein einziges Haus zu sehen. Nach weiteren wunderbaren Kurven gelangen wir schließlich in die Ebene von Ronda und fahren vorbei an der wunderbaren Rennstrecke Ascari, wo wir schon feine Tage verbracht haben, mitten hinein in diese kleine, aber legendäre Stadt. Rainer Maria Rilke, altösterreichischer Dichter, verbrachte hier vor mehr als 100 Jahren einen Winter und schrieb darüber unpoetisch: „phantastisch und überaus großartig“. Für Rilke war Ronda auch die „spanischste aller Ortschaften“. Seinen ganz besonderen Reiz bezieht Ronda aus der Lage auf einem Felsen, der wie ein Adlerhorst über eine Schlucht blickt. Diese Schlucht – El Tajo – wiederum teilt die Stadt, darüber führt die Puente Nuevo. Man kann sich vorstellen, dass hier Besucherscharen die Speicher ihrer Kameras füllen. Auch die Altstadt ist entzückend, gespickt mit kleinen Bars und pfiffigen Restaurants. Wie immer lohnt es sich, die leicht ausgetretenen Trampelpfade der Touristen zu verlassen und in die kleineren Gassen einzuschwenken. Für uns Motorradfahrer ist es ein guter Tipp, in Ronda einen längeren Halt einzuplanen, die Stadt ist das perfekte Basecamp, um sich der Umgebung zu widmen. Die Berge rundum – die Sierra de las Nieves und die Sierra de Grazalema – gehören zu den schönsten Territorien, die man als Motorradfahrer erkunden kann: wenig Verkehr, Milliarden Kurven, fantastische Ausblicke und streckenweise Asphalt, der die Fußraster vor Freude kreischen lässt. Um jede empfehlenswerte Straße in diesem Umland aufzuzählen, bräuchten wir noch 104 Motorradmagazin 2 | 16 Wie frisch aus einem Interieur- Magazin: Das Misiana Lounge Restaurant in Tarifa ist der coolest place to be. www.misiana.com SO ÜPPIG DIE ORIENTALISCHE ORNAMENTIK, SO SCHLICHT UND ERDIG IST DIE KÜCHE. DOCH MEIST REICHT OHNEHIN EIN STÜCK BROT MIT BELLOTA- SCHINKEN, UM KULINARISCH AUF WOLKEN ZU SCHWEBEN. Die mächtige Plaza de España in Sevilla, gebaut 1929 (r.). Jüngeren Ursprungs ist der begehbare Metropol Parasol (o.). Er wurde vom deutschen Architek ten Jürgen Mayer H. entworfen und 2012 fertiggestellt. ON THE ROAD ANDALUSIEN, TEIL 1 zwei weitere Fortsetzungen unserer Andalusien-Serie, daher nur schnell zwei Tipps. Erstens: Unbedingt die Ortschaft Setenil de las Bodegas ansteuern – hier findet man Restaurants und Straßen unter den Überhängen mächtiger Felsen (Foto Seite 105 rechts unten). Zweitens: von Norden her Zahara de la Serra anfahren (eines der schönsten weißen Dörfer, Foto Seite 105 oben), danach über den Pass nach Grazalema. ÜBERRASCHUNG AM SÜDLICHSTEN PUNKT SPANIENS: IN TARIFA ZEIGT DAS DISPLAY DER GS EINE TEMPERATUR VON HEISSEN 35 GRAD – ANFANG OKTOBER! Dann hat man eh keine Wahl mehr und fährt auf der Autobahn nach Cadiz. Die Anfahrt auf der Landzunge von Süden ist mühselig und alles andere als attraktiv; die Neustadt ist schlicht grausig. Am letzten Ende, quasi ganz am Zipfel der Halbinsel, kommt man dann aber endlich zur A ltstadt und weiß: Es hat sich gelohnt. Zeit, weiterzureisen: Wir fahren über Ubrique, durch Kork eichenwälder, auf der A 2304 nach Südwesten, um auf halber Strecke Richtung Jimena abzubiegen. Ab diesem Teil ist die Fahrerei fad, aber wir haben die Route gewählt, um zwischen Algeciras und Tarifa einmal kurz Afrika anzusehen: Die Küste ist hier nur 14 Kilometer entfernt und wirkt zum Greifen nah; schräger Eindruck. Cadiz hat ein eigentüm liches Flair, schwer zu beschreiben; eigentlich nicht schön im klassischen Sinn, atmet diese Stadt Geschichte, so pathetisch es auch klingen mag. Hier und da entdeckt man Versatzstücke aus der Zeit, als die Stadt vor Reichtum überging – als die spanische Armada hier ankerte, Kolumbus nach Amerika aufbrach, die Schätze der Neuen Welt hier angelandet wurden. Andererseits ist Cadiz auch stellenweise ganz schön abgefuckt, was man der Stadt seltsamerweise nicht übel nimmt. Cadiz ist eben wie seine Lage auf der Halbinsel: einmalig. In unserer Verwunderung hätten wir fast nicht gemerkt, wie sich innerhalb von nur 50 Kilometern alles gewandelt hat: Statt Bergwelt ist plötzlich alles eben, statt schneebedeckter Gipfel gibt’s Dünen. Und das Display der GS zeigt auf einmal 35 Grad Umgebungstemperatur an – Anfang Oktober! Kein Wunder, dass Tarifa am südlichsten Punkt ein Bade- und Surfer-Hotspot ist. Ein guter Platz für eine Mittagspause, im Zen trum finden sich reihenweise coole Lokale. Die Weiterfahrt auf der Bundesstraße ist langweilig, daher nützt man besser jede pa rallel laufende Kleinstraße, etwa über Zahara de los Atunes bis zum Cabo de Trafalgar mit Leuchtturm und sehenswerten Dünen. Auf einer der Brücken quer durch die Bucht führt unser Routenplan weiter nach Sevilla, der letzten Station unserer ersten Etappe. Wer noch mehr Zeit hat, sollte in Jerez haltmachen, der pittoresken Sherry-Hauptstadt – allein schon als Reve renz gegenüber dem legendären Grand Prix, der hier jedes Jahr stattfindet (demnächst am 24. April!). Wir wollen allerdings weiter, und das auf dem schnellsten Weg. Die Gründe: Die Straßen hier in der Ebene sind 106 Motorradmagazin 2 | 16 Das spektakuläre Grab von Christoph Kolumbus in der Kathedrale von Sevilla. Nach DNA-Analysen wurde nach jahrelangem Streit bestätigt, dass hier wirklich sterbliche Reste des Entdeckers ruhen. Als Rainer Maria Rilke im Jahr 1912 drei Monate in Ronda verbrachte, kannte kaum jemand in Spanien den österreichischen Dichter. Heute steht im Garten des Hotels Reina Victoria eine oft besuchte Bronzefigur. Das Hotel ist übrigens auch für Nicht-Rilkeaner eine gute Empfehlung. nicht allzu prickelnd und in Sevilla wartet großes Programm. Die Hauptstadt Andalu siens ist nämlich gespickt mit Sehenswürdigkeiten, für die man mindestens einen ganzen Tag und gute Sohlen einplanen muss. Als Motorradfahrer hat man’s aber leichter: Man kann näher ans Zentrum fahren und findet dort leicht einen Parkplatz; als Autofahrer hat man da schon fünfmal die Nerven verloren. Nerven kann man dennoch verlieren, nämlich wenn man zur Unzeit in den Alcazar- Palast will, den mittelalterlichen Königspalast. Er wurde von den Mauren als Fort angelegt, später zum Palast umgebaut. Glücklicherweise bleib nach der Christianisierung die präch- REISETIPPS ANDALUSIEN ALLGEMEINES Andalusien ist etwas größer als Öster reich, mit etwas weniger Einwohnern, da kann man sich vorstellen, dass am Land nicht mehr allzu viel los ist – gut für uns Motorradfahrer. Die besten Rei sezeiten? Immer außer Hochsommer. Die Spritpreise sind geringfügig höher, das Tankstellennetz ist eng. Die Speed limits: 50/90/120 km/h; Polizisten sieht man selten, aber wenn, nimmt man sich besser in Acht. ÜBERNACHTUNG tige Substanz erhalten: Säulen, Mosaike, Garten. Auch hier lohnt es sich, die Warteschlangen beim Eingang zu überstehen. Weniger Wartezeit gibt’s für den Besuch der Kathedrale, ebenfalls ein Pflichttermin: Das Gebäude, das ursprünglich als Moschee gedient hat, ist mit 23.500 Quadratmeter Grundfläche das größte gotische Gotteshaus der Welt. Bei diesen imposanten Dimensionen beginnt selbst ein mächtiges Denkmal (mit Teilen der sterblichen Überreste) wie jenes zu Ehren von Kolumbus klein zu wirken. Da tut es gut, sich im Gassenlabyrinth der Altstadt ein richtig großes Mittagessen zu genehmigen, um das Ego wieder ein wenig aufzupolieren – und danach noch ein paar Highlights anzusehen, wie die riesige Plaza de España mit halbkreisförmigem Gebäude im 200-Meter-Radius! Wer bei so viel Gigantomanie wieder das Kleine schätzt, fährt gerne zu unserer nächsten Station weiter: Carmona. Und genau da treffen wir einander im nächsten Heft! Hotel Sol Don Pablo, Torremolinos. Riesiges Hotel direkt an der Strand promenade, aufgrund der Nähe zum Flughafen perfekt für die erste und letzte Nacht der Anreise. Schöne Blicke aufs Meer, aber Torremolinos ist so authen tisch wie Lignano oder Jesolo. www.melia.com/Sol_Don_Pablo Hotel Catalonia Reina Victoria, Ronda. Fantastisches Haus mit Geschichte, zehn Gehminuten vom Zentrum entfernt. Hier residierte schon vor mehr als 100 Jahren Rainer Maria Rilke, als er drei Monate in Ronda verbrachte. Fantastische Lage direkt über der Schlucht, wunderbar a llem Luxus: lichtdfurchfluteten Zimmern mit Blick auf die Bucht oder das offene Meer, großen Pools, einem Wellness bereich und spannenden Restaurants. www.parador.es/de/paradores/ parador-de-cadiz BESUCHENSWERT So vieles! Im Schnelldurchlauf: das neue Centre Pompidou (Außenstelle von Paris) und die Dächer der Kathedrale in Malaga, die Stierkampfarena und das Museum in Ronda, der Torre Tavira in Cadiz, der Alcazar und die Kathedrale in Sevilla. MOTORRADMIETE Aus einem Fuhrpark von 50 neuen BMW kann man bei Hispania Tours des Österreichers Johannes Suppan wählen; Stützpunkte in Malaga und Barcelona. Infos und Angebote unter www.hispania-tours.de KULINARISCHES g epflegter Garten, perfektes Service; wurde 2012 komplett renoviert! http://www.hoteles-catalonia.com Parador de Cadiz. Die Paradores sind zumeist historische Gebäude, die vom Staat als Hotels geführt werden. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie den Parador von Cadiz, eine moderne Anlage mit 107 Motorradmagazin 2 | 16 Tapas, Tapas, Tapas, hier in Andalusien gerne auch der deftigen Art. Geschmor te Schweinsbäckchen auf Püree ist keine Seltenheit. Und immer wieder: Jamon!