Folien - WWZ - Universität Basel

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Vorlesung 5: Risikostreuung und
Risikobündelung
Georg Nöldeke
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel
Versicherungsökonomie, FS 12
Risikostreuung und Risikobündelung
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5.1 Einleitung
In einem grossen Teil der mikroökonomisches Analyse von
Versicherungsmärkten wird unterstellt, dass
Versicherungsunternehmen eine risikoneutrale Bewertung
von Versicherungsverträgen vornehmen, sich also so
verhalten als ob sie das Entscheidungsproblem eines
risikoneutralen Individuums lösen würden.
Allgemeiner wird oft unterstellt, dass sich Unternehmen
risikoneutral verhalten.
Fragestellung: Wie kann man diese Annahme
risikoneutralen Verhaltens rechtfertigen?
Im Folgenden werden wir diese Frage vor dem Hintergrund
des vorhergehenden Vorlesungskapitels betrachten.
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5.1 Einleitung
Mögliche Ansätze zur Erklärung risikoneutralen Verhaltens:
1. Risikostreuung: Das Versicherungsunternehmen hat viele
Eigentümer, die jeweils nur einen kleinen Anteil des
Risikos, das mit einem Versicherungsvertrag verbunden
ist, zu tragen haben. In Bezug auf ein solches “kleines”
Risiko sind die Eigentümer fast risikoneutral (lokale
Risikoneutralität), so dass das Versicherungsunternehmen
als risikoneutral modelliert werden kann.
2. Risikobündelung: Das Versicherungsunternehmen
schliesst viele ähnliche Verträge ab, deren Risiken
unabhängig sind und sich daher im Aggregat ausgleichen
(Gesetz der grossen Zahlen), so dass jeder einzelne
Vertrag risikoneutral bewertet werden kann.
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5.2 Risikostreuung
Syndikat mit n Mitgliedern mit identischen
Bernoulli-Nutzenfunktionen u (streng steigend, streng
konkav).
Jedes Mitglied des Syndikats verfügt über ein
Ausgangsvermögen von y0 > 0 – dieses ist zur
Vereinfachung als sicher unterstellt.
Verkauft das Syndikat einen Versicherungsvertrag mit
zustandsabhängigen Auszahlungen ỹ(s) und erhält dafür
eine Prämienzahlung p, so ist das zustandsabhängige
Gesamtvermögen des Syndikats
z̃(s) = n · y0 − ỹ(s) + p.
Es ist unterstellt, dass dieses Gesamtvermögen
gleichmässig auf die Syndikatsmitglieder aufgeteilt wird.
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5.2 Risikostreuung
Alle Syndikatsmitglieder stimmen daher darin überein,
dass sich der Abschluss des Vertrages genau dann lohnt,
wenn
ỹ p
E[u(y0 − − )] ≥ u(y0 )
n n
gilt.
Als Bewertung des Risiko ỹ definieren wir den geringste
Prämie p∗n , zu welchem das Syndikat bereit ist, das Risiko
auf sich zu nehmen. Diese ist implizit durch die
Indifferenzbedingung
ỹ p∗
E[u(y0 − − n )] = u(y0 )
n
n
gegeben.
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5.2 Risikostreuung
Für alle n besitzt die Gleichung
ỹ p∗
E[u(y0 − − n )] = u(y0 )
n
n
eine eindeuige Lösung, für welche p∗n > E[ỹ] gilt. Die
Differenz λn = p∗n − E[ỹ] > 0 zwischen der Bewertung und
der erwarteten Auszahlung aus dem Versicherungsvertrag
wird der Risikozuschlag genannt.
Der Risikozuschlag ist eng verwandt, aber im allgemeinen
nicht identisch, mit der Risikoprämie – diese würde man
erhalten, wenn man p∗n durch die Gleichung
ỹ
p∗
E[u(y0 − )] = u(y0 − ).
n
n
definiert.
Frage: Wie ändert sich der Risikozuschlag, wenn die
Anzahl der Mitglieder des Syndikats grösser wird?
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5.2 Risikostreuung
Satz (Arrow-Lind Theorem)
Der Risikozuschlag konvergiert gegen Null wenn n gegen
unendlich geht: limn→∞ λn = 0.
Beweis des Arrow-Lind Theorems:
1. Definiere k = 1/n, ε̃ = ỹ − E[ỹ], rk = kλ1/k und schreibe
die Indifferenzbedingung als
E[u(y0 − kε̃ + rn )] = u(y0 ).
2. Aus k → 0 folgt k · ε → 0. Auf Grund der obigen
Gleichung impliziert dieses rk → 0.
3. Gilt k → 0 und rk → 0 gilt nach der Regel von L’Hopital:
rk
lim = lim r0 (k),
k→0 k
k→0
0
wobei r (k) die Ableitung von r nach k bezeichnet.
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5.2 Risikostreuung
4. Die Ableitung r0 (k) kann nach dem Satz über implizite
Funktionen bestimmt werden:
r0 (k) =
E[u(y0 − kε̃ + rn )ε̃]
E[u(y0 − kε̃ + rn )]
5. Nun gilt
E[u(y0 − kε̃ + rn )ε̃]
=
k→0 E[u(y0 − kε̃ + rn )]
E[u(y0 )ε̃]
= E[ε̃] = 0
E[u(y0 )]
lim
und somit
rk
= 0.
k→0 k
6. Nun gilt rk /k = λ1/k = λn . Es folgt limn→∞ λn = 0.
lim
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5.2 Risikostreuung
Offenkundige Fragen: Gilt das Arrow-Lind Theorem auch, wenn
...
1. . . . die Mitglieder des Syndikats unterschiedliche
Risikopräferenzen haben?
2. . . . die Risiken nicht gleichmässig aufgeteilt werden?
Problem: In beiden Fällen ist nicht klar, wie man überhaupt
eine einheitliche Bewertung definieren soll.
Lösung:
Wird das Syndikatsvermögen (wie in dem betrachteten
Beispiel) gemäss einer Teilungsregel aufgeteilt, die sowohl
linear als auch effizient ist, gilt das Einstimmigkeitsprinzip:
Alle Syndikatsmitglieder bewerten jedes Risiko gleich.
Dies erlaubt es, allgemeine Gegenstücke zum Arrow-Lind
Theorem zu beweisen.
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5.3 Risikobündelung
Versicherungssyndikat mit gegebener Mitgliedschaft;
beschrieben durch eine Bernoulli-Nutzenfunktion v (streng
steigend, streng konkav) für das Versicherungssyndikat
Unter den Voraussetzungen des Einstimmigkeitsprinzips ist
es unproblematisch eine solche Nutzenfunktion zu
postulieren.
Das Syndikat kann Versicherungsverträge ` = 1, · · · ,
abschliessen, die jeweils durch eine Zufallsvariable ỹ` ,
welche die Verteilung der Schadensforderungen aus dem
Vertrag darstellt, beschrieben sind.
Annahme: Die Zufallsvariablen ỹ` sind unabhängig und
identisch mit Erwartungswert µ > 0 und Varianz σ 2 > 0 auf
einem Interval [0, ȳ] verteilt.
Ausgangsvermögen des Syndikats ist y0 .
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5.3 Risikobündelung
Schliesst das Syndikat insgesamt m solcher Verträge
jeweils mit Prämienzahlung p ab, so ist der
Erwartungsnutzen E[v(y0 − ∑m
`=1 ỹ` + mp].
Die Bewertung p∗m ist als Lösung der Gleichung
m
E[v(y0 − ∑ ỹ` + mp∗m ] = v(y0 )
`=1
definiert.
Diese Gleichung hat eine eindeutige Lösung, für welche
p∗m > µ gilt.
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5.3 Risikobündelung
Frage: Gilt limm→∞ p∗m = µ?
Es erscheint intuitiv, dass dieses so sein sollte, da für
gegebenes p > µ, gilt:
m
lim W S(mp − ∑ ỹ` > 0) = 1.
m→∞
`=1
. . . so dass der Abschluss einer hinreichend grosser
Anzahl solcher Verträge mit beliebig hoher
Wahrscheinlichkeit zu einem Gewinn führt.
Aber ...
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5.3 Risikobündelung
Satz
Wenn v streng positive konstante absolute Risikoaversion
besitzt, dann existiert p∗ > µ, so dass p∗m = p∗ für alle m gilt.
Insbesondere gilt
lim p∗m = p∗ > µ.
m→∞
Was geht hier schief?
Das Problem ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines
Verlustes mit wachsendem m zwar gegen Null geht, aber
...
zugleich der grösstmögliche Verlust gegen unendlich geht
und . . .
extremen Verluste eine extreme Bedeutung bei der Bildung
des Erwartungsnutzen zukommt.
Das erinnert an das Rabin-Paradox.
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5.3 Risikobündelung
Das Problem verschwindet, wenn man unterstellt, dass
Risikoaversion für hinreichend grosse Verluste keine Rolle
spielt.
Betrachte z.B. den Fall der beschränkten Haftung, in dem
es z < 0 ≤ y0 gibt, so dass v(w) = v(z) für alle w ≤ z gilt.
Satz
In dem Fall der beschränkten Haftung gilt limm→∞ p∗m = µ.
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5.3 Risikobündelung
Das hier betrachtete Problem der Risikobündelung
unterscheidet sich von dem aus dem Lehrbuch von Gravelle
und Rees.
Diese betrachten (im einfachsten Fall) ein Syndikat mit m
identischen Mitgliedern.
Jedes der Mitglieder besitzt als Erstausstattung ein Risiko ỹ`
der oben beschriebenen Form (unabhängig, identisch verteilt,
. . .).
Das Syndikatsvermögen ist dann z̃ = ∑m
`=1 .
Wir wissen bereits, dass in diesem Beispiel eine
Teilungsregel, die jedem Syndikatsmitglied einen Anteil 1/m
des Gesamtvermögens gibt, effizient ist.
Dies ist aber – auch wenn das Lehrbuch einen anderen
Anschein erweckt – keineswegs die einzige effiziente
Teilungsregel.
Interessant ist die Feststellung, dass die beschriebene
Teilungsregel dazu führt, dass der Erwartungsnutzen eines
jeden Syndikatsmitglieds steigend in der Anzahl der
Mitglieder ist.
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