Artikel Synchronsprecher
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Artikel Synchronsprecher
Theater auf einem Quadratmeter Ganz gleich, welche Rolle auch immer im Film oder Fernsehen besetzt wird: Der Ton, vor allem aber die Stimme eines Schauspielers prägen den Erfolg eines Films entscheidend mit. Die Stimme wird vom Publikum meist unbewusst wahrgenommen und dem Schauspieler selbstverständlich zugeordnet. Damit hat sie einen entsprechenden Wiedererkennungswert. Das gilt auch für synchronisierte Fassungen aus dem Ausland. Oft lässt uns erst die Umbesetzung einer Synchronstimme irritiert aufhorchen. Denn in der Regel gilt: Eine Synchronisation ist gut gelungen, wenn sie gar nicht auffällt. Dafür bedarf es jedoch einer Menge Professionalität. Der Schauspieler und Synchronsprecher Nicolas Alexander Böll, Gründungsmitglied und Pressesprecher des Interessenverbands Synchronschauspieler (IVS), gibt Einblicke in eine Branche, deren Akteure nur selten im Rampenlicht stehen. Eine gute Synchronisation ist weit mehr als das bloße Ablesen eines übersetzten Textes. »Schließlich geht es darum, sich in eine andere Person hineinzuversetzen, eine Stimmung zu transportieren und Emotionen zu erzeugen. Und das alles ohne Bühne, ohne Kostüm, ohne große Gestik, ohne einen Kollegen den man anspielen kann. Sie sitzen im Dunkeln und spielen Theater auf einem Quadratmeter«. Das aber ist ohne eine schauspielerische Ausbildung kaum möglich. Und so wird auch nachvollziehbar, dass Böll größten Wert auf eine kleine aber feine Unterscheidung legt: Gute Synchronisationen werden von Schauspielern und nur selten von reinen Sprechern geleistet. Auch er ist ausgebildeter Schauspieler, stand in verschiedenen Produktionen auf der Bühne und vor der Kamera. Bislang synchronisierte er mehrfach Joaquin Phoenix, William Baldwin, Emilio Estevez, Owen Wilson, Paul Bettany oder Ben Affleck. Natürlich gibt es in der Branche auch einzelne begnadete Naturtalente. Wenn das schauspielerische Können aber fehlt, sind Optik und Akustik nicht deckungsgleich und dem Film fehlt es an Lebendigkeit und Authentizität. Bundesweit gibt es nach Schätzungen Bölls etwa 500 Schauspieler, die in der Branche tätig sind, davon sind 360 Mitglied in seinem Interessenverband. Hochburgen der Branche sind München, Hamburg und Berlin, wobei die meisten Synchronisationen in der Hauptstadt produziert werden. Akustisch verwöhnt In Deutschland herrscht, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, eine große Synchronisationskultur. Filme im Originalton (und/oder mit Untertiteln) werden hierzulande allenfalls für eine spezielle Fangemeinde in kleinen Kinos gezeigt und noch seltener im Fernsehen. Ausländische Filme bekommt der Zuschauer professionell synchronisiert zu sehen. Andernfalls würden sich Produktionen hier gar nicht erst verkaufen lassen. Für den bekennenden Filmfan Böll ist das auch nicht mehr als recht und billig. »Obwohl ich des Englischen durchaus mächtig bin, möchte ich doch einen Film als Gesamtkunstwerk genießen können und mir über irgendwelche Übersetzungen keine Gedanken machen müssen. « »Wir sitzen im Dunkeln« So gesehen herrschen hierzulande nahezu paradiesische Zustände – zumindest für den Zuschauer. Diejenigen, die einen Film jedoch auch akustisch zum Genuss werden lassen, stehen nicht nur sprichwörtlich während ihrer Arbeit im Dunkeln: Sie erscheinen auch in keinem Abspann, für ihre Synchronleistung gibt es nicht einmal eine Kategorie beim Deutschen Fern- sehpreis. Warum das so ist, ist auch für Böll ein Rätsel. Immerhin hat sich die Branche selbst zu helfen gewusst: So verleiht sie unter anderem auf Initiative ihres wohl bekanntesten Vertreters, Christian Brückner, alljährlich den Liliputpreis für herausragende Filmsynchronisation und Untertitelung sowie den SynchronZuhörerpreis »Die Silhouette«. Nichtsdestotrotz: Ein wenig mehr Anerkennung würden sich Böll und seine Kollegen schon wünschen – auch in monetärer Hinsicht. Denn der Synchronschauspieler gibt im Moment der ersten Aufnahme einer Szene, dem so genannten »Take« seine Rechte ab. Der Film wird aber weiter gehandelt, er geht auf DVD, ist im Flugzeug zu sehen, wird im Fernsehen wiederholt oder in Hotelfilmkanälen gezeigt. Als eine Kollegin Bölls unlängst versuchte, rechtlich dagegen vorzugehen und eine entsprechende Honorierung einfordern wollte, argumentierte der Anwalt der Verleihfirma vor Gericht, dass die Synchronisation für den Film nicht wichtig sei. »Das ist natürlich ein Unding, man muss sich nur mal einen Film ohne Ton vorstellen. In der Radiowerbung gibt es einen schönen Spruch, der auch für den Film zutrifft: Wer fühlen will, muss hören«. Der Verdienst eines Synchronschauspielers wird im Allgemeinen mit 2 000 und 5 000 Euro im Monat veranschlagt. Eine Zahl, die Böll mit Vorsicht zu genießen rät: »Ich kenne viele Kollegen, die nicht einmal ein Viertel davon verdienen«. Wie in vielen freien Berufen gelte eben auch hier: Einige wenige verdienen sehr gut und sind sich ihres besonderen Glücks durchaus bewusst, andere profitieren von ihrem bekannten Namen und wieder andere hangeln sich gerade so von Auftrag zu Auftrag. Das Bezahlmodell sei mitunter »unbefriedigend«. Der Schauspieler erhält eine Grundgage, mit der er die gesamten Verwertungsrechte an die Produktion abtritt. Der Film wird in viele kleine Sequenzen/Szenen geschnitten, die so genannten Takes. Die weitere Honorierung richtet sich nach deren Anzahl. Quantität statt Qualität Wie überall hat auch in dieser Branche der Zeitdruck zugenommen. Die Medienanstalten verzeichnen rückläufige Renditen und reagieren mit Einsparungen. So werden Produktionen entweder ganz zurückgestellt oder der dafür vorgesehen Zeitrahmen wird mit nur wenigen Ateliertagen äußerst eng gesteckt. »Es ist inzwischen immer mehr die Regel, denn die Ausnahme, dass man für Film- und Fernsehproduktionen seinen Text erst im Studio zu Gesicht bekommt, dann eine kurze Einführung erhält, vielleicht noch die Szene im Original vorgespielt wird und man dann sofort loslegen muss«, so Böll. Zum Vergleich: Für einen Film wie »Laurence von Arabien« waren einst 40 Takes am Tag veranschlagt, heute werden bis zu 300 am Tag produziert. »Hier bleibt kaum Zeit, um einmal durchzuatmen, oder sich gerade bei extremen Szenenwechseln richtig auf die nächste Aufnahme einzustimmen«. Offenbar, so Böll, fehle es hier am Bewusstsein dafür, dass es sich auch bei einer Synchronisation um eine künstlerische Arbeit handelt. War es früher noch Usus, dass man den Film im Vorfeld am Stück zu sehen bekam, wäre das nicht mehr als ein frommer Wunsch. Ein bedauerlicher Umstand, den letztlich auch der Zuschauer zu spüren bekommt. »Wie soll man denn ein Gefühl für eine Figur entwickeln, wenn man sie nur in Fragmenten erlebt? Es ist doch klar, dass auch hier die Qualität leidet«. Die Besetzungsfrage Doch wer entscheidet überhaupt, wer für die Synchronisation einer Rolle in Frage kommt? Das hängt davon ab, welche Relevanz ein Regisseur der Synchronisation einräumt. So soll der Herr der Ringe-Regisseur Peter Jackson beispielsweise nach Angaben von Time Warner alle Synchronstimmen für Deutschland und andere Länder selbst ausgesucht haben. Auch Christian Brückner wurde 1974 von Regisseur Martin Scorsese als Synchronstimme für Robert de Niros Rolle in »Taxi Driver« ausgewählt. Genauso kann es aber sein, dass die Auswahl dem Synchronstudio überlassen wird, das den Auftrag erhielt. Mitunter gibt es Seitens der Sender oder des Verleihers bereits Ideen, wie welche Rolle zu besetzen sein sollte. Dann werden diese in den Auswahlprozess mit einbezogen. Ganz nach Gehör Bei der Auswahl können die Studios hierbei auf ein wertvolles Instrument zurückgreifen, das sie einem Fan mit außergewöhnlich gutem Gehör zu verdanken haben: die so genannte »Kaul-Liste«. Arne Kaul begann aus reiner Liebhaberei schon vor dreißig Jahren damit, die Synchronstimmen einzelner Schauspieler zu katalogisieren. Da die Schauspieler für ihre Synchronisation in keiner Besetzungsliste erscheinen, musste er sich dabei auf sein ausgezeichnetes Gehör verlassen. Heute hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und führt die größte Datenbank für deutsche Synchronschauspieler-Besetzungen. Die Studios bekommen von ihm regelmäßige Upgrades und inzwischen werden ihm Besetzungen auch gemeldet. »Natürlich gibt es auch klare Fälle, in denen eine Stammstimme zum Einsatz kommt, wie zum Beispiel bei Halle Berry – das ist immer Melanie Pukaß«. Man sollte, so Bölls Überzeugung, generell vermeiden, eine Stammstimme zu wechseln, da sie einen hohen Wiedererkennungswert hat. Doch es gibt auch Ausnahmen: Als Böll beispielsweise den Auftrag erhalten sollte, Johnny Depp im Film »Fluch der Karibik« zu synchronisieren, lehnte er ab. »Die mit Johnny Depp verbundene Stimme ist für gewöhnlich der Kollege David Nathan. Für den Zuschauer ist es doch im höchsten Maß irritierend, wenn er plötzlich eine andere Stimme zu hören bekommt. « Tatsächlich hatte Nathan die Rolle auch bereits eingesprochen. Der für den Film zuständige Supervisor wollte die deutsche Stimme Depps jedoch partout anders haben. Schließlich wurde Marcus Off besetzt, der den Film noch mal einsprach und die Rolle auch in den nachfolgenden Teilen weiter übernahm. »Ganz gleich, was man von der Umbesetzung auch halten mag, in diesem Fall zeigte sich wenigstens, dass die Synchronisation eben doch wichtig ist und ganz besonders dem Auftraggeber«. Pflegefall Stimme Für die meisten Schauspieler, die auch synchronisieren, ist die Pflege der Stimme und ein regelmäßiges Stimmtraining das A und O. »Man muss ja nicht gleich, wie Johannes Heesters mit einem weißen Schal rumlaufen, aber jeder, der in der Branche arbeitet, versucht, seine Stimme als wichtigstes Arbeitsinstrument zu pflegen und weiter daran zu arbeiten.« So bedient sich Böll gerne auf dem Weg zur Arbeit der Übungen aus »Der kleine Hey – die Kunst des Sprechens«, einem Standartwerk für Schauspieler. Außerdem nimmt er Gesangsstunden – für ihn ein »Wellness-Programm für die Stimme«. Auch für Stimmen gibt es im Übrigen bestimmte Trends. »So kann man derzeit zum Beispiel feststellen, dass die Herren in den USA zunehmend immer tiefer und hauchender sprechen«. Claudia Pukat