Bericht lesen - Gesine Lötzsch

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Bericht lesen - Gesine Lötzsch
Saskia Spahn
Januar 2010
Friedensdienst mit Aktion Sühnezeichen
Friedensdienste e.V.
im Leo Baeck Institute
London
Leo Baeck Institute London
4 Devonshire Street
London W1W 5LB
Great Britain
www.leobaeck.co.uk
Meine Adressen:
Modersohnstr. 75
10245 Berlin
Germany
[email protected]
92 Osterley Park View Road
London W7 2HH
Great Britain
[email protected]
Meine liebe Familie, liebe Freunde, liebe Förderinnen und Förderer,
nach den ersten vier Monaten meines Friedensdienstes, ist es an der
Zeit, Euch einen Einblick in mein neues Leben zu geben und aus
meinen Alltag als ASF-Freiwillige in London zu berichten.
Da viele von Euch das letzte Mal Mitte des Jahres von mir gehört
haben, folgt nun eine Beschreibung der Ereignisse im
Schnelldurchlauf:
Die Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim
Meinen ersten richtigen Kontakt mit anderen Freiwilligen hatte ich
dann im Juni 2009 auf der Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim
(Auschwitz).
Dies war eine prägende Erfahrung, wobei ich froh war diese in der
Gruppe durch Gespräche und Diskussionen verarbeiten zu können.
Außerdem habe ich dort schon nette Bekanntschaften geschlossen,
wie zum Beispiel mit meinem jetzigen Mitbewohner .
Die Vorbereitungsseminare
Die letzten zwei Monate bis zu meiner Abfahrt vergingen wie im Fluge
und schon bestieg ich am Berliner Ostbahnhof halb lachend, halb
weinend den Zug nach Krakau, der mich zum Vorbereitungsseminar
bringen sollte. Dort traf ich dann zum ersten Mal die anderen
„EngländerInnen“ und die deutschen Freiwilligen, die ihren
Friedensdienst in Polen absolvieren sollten.
Da wir an dem trilateralen Programm teilnehmen, fand unser
Vorbereitungsseminar getrennt von den anderen Freiwilligen statt, da
es vornemlich auf Englisch abgehalten wurde. Auch davor hatte ich
reichlich Panik, doch schon nach ein paar Tagen hatten wir uns
daran gewöhnt .
Trilateral wird das Programm deshalb genannt, da wir zum einen eine
polnisch-deutsche Gruppe sind, die ihren Friedensdienst in England
leisten und zum anderen es eine ukrainisch-deutsche Gruppe gibt, die
wiederum in Polen arbeitet.
So stand das dieses Seminar vor allem unter dem Stern der
Völkerverständigung und wir brachten uns gegenseitig viel über
unsere jeweiligen Herkunftsländer und Kulturen bei. Außerdem haben
natürlich haben wir auch viel über Vorurteile, Stereotypen, Rassismus
gesprochen und diskutiert und uns auch in Krakau die Zeugnisse der
Shoa angeschaut und darüber gesprochen.
Nach fünf Tagen ging es dann für uns „EngländerInnen“ weiter zum
Krakauer Flughafen und von dort aus ins langersehnte Gastland.
In einem Dörfchen namens Cudham, im Süden von London,
verbrachten wir drei weitere erlebnisreiche Tage in denen wir uns vor
allem mit unseren Projekten und dem Leben in England
auseinandersetzten.
Die Ankunft in London
Wir konnten es kaum erwarten, nach Monaten der Spekulationen
endlich nun unsere Mentoren zu treffen, die Arbeitsstellen zu sehen
aber vor allem waren wir gespannt auf unsere Wohnungen.
Wir saßen alle in der Wiener Library zusammen und wurden Stück
für Stück abgeholt, was uns ein wenig an das Abholszenarium im
Kindergarten erinnerte, nur noch ein bisschen aufregender.
Da sich das Leo Baeck im gleichen Haus wie die Wiener Library
befindet, ging es für mich ersteinmal nur die Treppen hinauf und
schon wurde ich von Almut eine Runde durch unser kleines Büro
geführt. Dann gings auch schon mit meinem Mitbewohner und
seinem Mentor nach Ealing in Richtung unserer Wohnung.
Diese befindet sich in einem kleinen, typisch englischen Haus,
welches hellhörig, schlecht isoliert, aber auch wunderschön britisch
(mit einem Kamin in jedem Zimmer) und für Freiwilligenverhältnisse
riesig ist.
Meine Arbeit im Leo Baeck Institute
Zunächst einmal ein paar Worte zum Leo Baeck Institute generell.
Es wurde in den 1950er von unter anderem Hanna Arendt, Martin
Buber und Robert Weltsch gegründet und beschäftigt sich mit der
Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums.
Es gibt drei Stellen des Instituts in New York, Jerusalem und London.
Während die New Yorker Filiale die größte ist, welche auch ein
umfassendes Archiv besitzt, sind die beiden anderen, kleineren
Institute mit bestimmten Aufgaben bedacht.
So ist es die Hauptaufgabe des Londoner Instituts, das Jahrbuch
herauszugeben, das wissenschaftliche Artikel zu jüdisch-deutscher
Geschichte und Kultur umfasst.
Das Jahrbuch 2010 wird mich allerdings erst in den nächsten
Monaten beschäftigen.
Wir sind, wie gesagt, ein sehr kleines Institut. Das bedeutet, dass
außer mir nur noch zwei Festangestellte hier arbeiten.
Das ist zum einen Almut, mit der ich mir ein Büro teile. Sie hat immer
ein offenes Ohr und wenn ich irgendwelche Fragen hab, sei es nun
irgendwelche alltäglichen Dinge oder ich mich mit irgendetwas nicht
wohlfühle, was die Arbeit betrifft.
Auch wenn sie immer sehr beschäftigt ist, ist immer Zeit für einen
kleinen Plausch bei einer schöne Tasse englischen Tees.
Mein Boss ist Daniel, der Stellvertretende Direktor des Instituts .Von
ihm erhalte ich auch fast alle meine Aufgaben, die sich meist danach
richten, was er gerade zu tun hat. So sind dies zumeist Zuarbeiten
oder Recherchen jeglicher Art.
Manchmal braucht es etwas Geduld mit Daniel, aber es ist ein sehr
angenehmes Arbeitsklima und er schätzt und anerkennt meine Arbeit,
was schon ein gutes Gefühl ist.
Ansonsten gehen bei uns auch Menschen ein und aus, die zwar nicht
festangestellt sind, aber trotzdem für das Leo Baeck Institut arbeiten,
wie zum Beispiel der Finanzer David oder der ehemalige Direktor
Arno, der eine sehr spannende Lebensgeschichte hat und dem ich
gern lausche, wenn er davon berichtet.
Auch gibt es immer wieder PraktikantInnen, die zumeist drei Monate
da sind.
Viele der Boardmembers sind deutscher Abstammung und sind vor
den Nazis nach Großbritannien geflüchtet. Das ist sehr interessant,
denn so höre ich immer wieder so unglaubliche, wie auch tragische
Lebensgeschichten.
Wie schon erwähnt, hängen meine Aufgaben immer davon ab, was im
Institut gerade ansteht und so verläuft auch der Spannungsbogen
meiner Arbeit in Wellen.
So wird meine Arbeit um einiges anstrengender,aber auch spannender
werden, wenn es darum geht, mit dem Jahrbuch 2010 zu helfen.
Allerdings habe ich ein paar feste Aufgaben, die ich hier kurz
vorstellen kann.
Zunächst bin ich für die Homepage (www.leobaeck.co.uk)
verantwortlich. Dies war am Anfang etwas absolut Neues für mich
und unglücklicherweise konnte ich auch niemanden so wirklich
fragen, denn die Homepage ist schon immer Aufgabe der Freiwilligen
und so musste ich mich durch das Handbuch der Programme
kämpfen. Doch mit ein wenig Übung und ab und zu verzweifelten
Anrufen bei meiner Vorgängerin ging das dann auch.
Allerdings arbeite ich gerade mit einem Designer daran, dass eine
neue Homepage online geht, denn unsere sieht bisher alles andere als
professionell aus.
Des Weiteren arbeite ich gerade an der institutseigenen Library, was
bedeutet ich sortiere die Bücher neu, gebe sie in ein Computer und
verpasse ihnen ein neues Label. Mit dem vorherigen System war es
unmöglich ein Buch zu finden und wir hoffen die Bibliothek, wenn ich
fertig bin, auch anderen zugänglich machen zu können. Obwohl dies
nicht immer die aufregendste Arbeit ist, muss ich zugeben, dass mir
oftmals auch sehr spannende Bücher in die Hände fallen, in denen
ich dann doch die ein oder andere Minute hineinlese. Vor allem die
Quellen haben es mir angetan...
Daniel unterrichtet außerdem an der Queen Mary University
verschiedene Kurse und ich helfe ihm insofern bei der Vorbereitung,
als dass ich die Powerpiontpräsentation für die jeweilige Vorlesung
und manchmal einige Recherchen mache. Außerdem konnte ich ihn
überreden, dass ich die Vorlesungen auch besuchen darf und so war
ich im letzten Semester dienstags fast immer in seinem Kurs zu
deutscher Geschichte mit dem Schwerpunkt auf jüdischer
Geschichte.
Ansonsten habe ich gerade geholfen einen Flyer zu gestalten, was im
Grunde heißt, ich habe die Informationen gesammelt und sie an die
Designerin weitergeleitet und alle Details mit ihr abgesprochen.
In Zukunft werde ich wohl auch mit ein paar älteren Quellen, wie
Briefen und so etwas arbeiten, doch dazu weiß ich noch nichts
genaueres.
Der Hauptteil meiner Arbeit wird, wie gesagt, künftig mit dem
Jahrbuch zu tun haben.
Ein kurzes Résumé
Alles in allem macht mir die Arbeit schon Spaß. Es ist ein Bürojob,
mit all seinen Vorteilen (die Arbeitszeiten : 10-17 Uhr, inklusive einer
Stunde Lunch) und Nachteilen (manchmal langweilige, stupide
Arbeiten, die aber gemacht werden müssen).
Da ich mich sehr für Geschichte interessiere, ist dies wirklich eine
ideale Möglichkeit in die Welt der AkademikerInnen und Forschung
hineinzuschnuppern. Mir ist hier allerdings auch nochmal bewusst
geworden, wie stark hierarchisch diese Welt ist und wie viel einmal
mehr davon abhängt, wen Du kennst.
Außerdem fehlt mir ein wenig die soziale Komponente, anderen
Menschen zu helfen etc., doch glücklicherweise ist dies ja ein KombiProjekt, das heißt, dass ich einmal in der Woche noch für die
Association of Jewish Refugees arbeite.
Mrs Baum
Dies bedeutet im Klartext, ich besuche jeden Mittwoch Vormittag eine
ältere Dame namens Mrs Baum.
Mrs Baum ist vor den Nazis nach England geflüchtet und nach dem
Krieg hier geblieben. Sie kommt ursprünglich aus Mannheim und
spricht noch gut Deutsch, doch wir reden eigentlich nur Englisch.
Wenn ich komme, gehen wir meist einkaufen und da sie nicht mehr
laufen kann, schiebe ich sie mit dem Rollstuhl über die Hügelchen
von Golders Green. Das war am Anfang doch etwas schwierig für
mich, da ich damit keinerlei Erfahrung hatte, aber sie hat mir alles
immer wieder geduldig erklärt.
Nach dem Einkaufen essen wir bei ihr und quatschen noch ein wenig,
bevor ich mich wieder in Richtung des Instituts aufmache.
Sie ist geistig fit und eine sehr offene, liebe alte Lady. Nach meiner
anfänglichen Unsicherheit, freue ich mich nun umso mehr darauf, sie
mittwochs zu treffen.
Ihr Mann war ein Rabbi und sie ist jüdisch-orthodox und so kann sie
mir viel von ihrer Religion erzählen und ich frag auch meistens nach,
vor allem, wenn gerade irgendwelche Feiertage sind, über deren
Ursprung ich nur eine vage Vermutung hab.
Meine Highlights
Neben der Arbeit versuche ich, so viel wie möglich von London und
dem Land zu sehen. So reise ich oftmals am Wochenende nach
Coventry zu den anderen Freiwilligen und von dort aus starten wir
dann unsere Expeditionen beispielsweise nach Birmingham,
Stratford-Upon-Avon und demnächst stehen auch noch Liverpool und
Manchester an. In etwas fernerer sonnigeren Zukunft auch Edinburgh
und Glasgow.
Mein absolutes Highlight war bisher das ASF-Seminar in Wales
Anfang Dezember. Bei einem langen Spaziergang konnten wir dort die
volle Schönheit der Natur bewundern und ich habe mich ganz
schrecklich in dieses Land und seine Landschaft verliebt.
Letztendlich bin ich gespannt auf meine nächsten Monate hier in
London und hoffe auf viele weitere, spannende Erfahrungen.
Vielen Dank
Ich möchte vielen Menschen danken, ohne die mir dieser
Friedensdienst gar nicht möglich gewesen wäre.
Da wären zum Einen Evelin Spahn und Peter Beck, sowie AudreyCatherine Podann, Michael Schwandt, Thomas Jäpel, Julian
Plenefisch und meine Förderer und Förderinnen Gregor Gysi, Lothar
Bisky, Dagmar Enkelmann, Minka Dott, Sahra Wagenknecht, Gesine
Lötzsch, Heike Hänsel, Wolfgang Wieland, Monika Lazar, HansChristian Ströbele, Gabriele Zimmer, Jörn Wunderlich, Kirsten
Tackmann, Anna Lührmann, Norman Paech und der Verein der
Bundestagsfraktion DIE LINKE e.V.
Ich danke Euch ganz herzlich für diese einmalige Chance.
Saskia Spahn