Stützbauwerke und Verbau - Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau

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Stützbauwerke und Verbau - Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau
Stützbauwerke und Verbau
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Q.1
Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau
Q Stützbauwerke und Verbau
Q.1 Begriffe
Stützbauwerke sind Konstruktionen zur Abfangung eines Geländesprungs. Sie stehen in Konkurrenz zu Sicherungssystemen von Böschungen, wobei die in der Vorlesungseinheit O, "Böschungen und Geländesprünge", angesprochenen
Konstruktionen der Gabionen und des Wulstverbaus einen Übergang darstellen.
Sie bestehen neben Verbausystemen, die eher temporären Charakter haben. Scharfe Abgrenzungen der Begriffe gibt es
nicht.
Es wird unterschieden in:
- Stützmauer: eine Konstruktionsform, bei der die äußeren Lasten ohne eine Verankerung durch eine Flachgründung in
den Baugrund übertragen werden.
- Schwergewichtsmauer: massive Mauer aus (meist unbewehrtem) Beton, Mauerwerk, Steinlagen aber auch aus
Gabionen, Sandsäcken etc.; trägt das in der Sohlfuge wirkende Moment aus horizontalen Erddrucklasten über das
rückdrehende Moment aus vertikalen Eigengewichtslasten ab.
- Winkelstützmauer: bewehrte Stahlbetonkonstruktion, auf Biegung beansprucht, in einen verbreiterten Fuß eingespannt. Häufig wird der Fuß eingeschüttet, damit die Erdauflast zu rückdrehenden Momenten, s.o., beiträgt.
- Stützwand: eine auf Biegung beanspruchte Platte, die entweder im Boden eingespannt frei trägt oder mindestens 1
oberes Lager in Form einer Steife oder eines Ankers hat.
- Verbau: Konstruktion, die in der Regel zumindest teilweise unterirdisch hergestellt wird und beim Freilegen durch
Abgraben zur Stützwand ausgebildet wird.
- Futtermauer: sie ist keine Stützkonstruktion und hat keine statische Wirkung. Sie beschränkt ihre Funktion auf einen
Erosions- und Verwitterungssschutz und wird einem standsicheren Geländesprung vorgesetzt.
Stützmauer wie eine Stützwand können in massiver oder in aufgelöster Bauart, für temporäre oder dauerhafte Zwecke
errichtet werden. Sie können am Ort hergestellt oder in Teilen vorgefertigt werden. Der Geländesprung kann senkrecht
oder schräg abgestützt werden. Stützmauern in einem weiteren Sinn sind auch jene Konstruktionen, bei denen der anstehende bzw. hinterfüllte Boden mitträgt. Das sind die bereits benannten Winkelstützmauern (Abschnitt Q.2.2 ), Raumgitter-Stützsysteme (Abschnitt Q.2.4 ), rückverhängte Elementwände (Abschnitte Q.4 , und Q.5.7 ) bis hin zu Fangedämmen (Abschnitt Q.7 ).
Dem Konstrukteur stehen also viele Lösungen zur Verfügung, um ein technisches, wirtschaftliches und umweltfreundliches Optimum zu finden. Dabei sind folgende Gesichtspunkte abzuwägen:
- Vorhandene Geländeform: Einschnitt oder Auffüllung? Bereits vorhandene Böschung?
- Scherfestigkeit des zu stützenden Bodens;
- im Bau- und im Endzustand in Anspruch genommene Grundfläche;
- Nutzungsanforderungen der Oberlieger und Unterlieger;
- Art und Größe der Verkehrslasten;
- Einhaltung evtl. geforderter Lichtraumprofile, Berücksichtigung von Zwangspunkten;
- Sicherheitsbedürfnis beim Bau und nach der Fertigstellung;
- zulässige Verformungen; Anforderung an Optik, Fluchten etc.
- Herstellung in einer oder mehreren Phasen;
- verfügbares Baumaterial;
- Begrünbarkeit;
- verfügbare Bauzeit;
- Eignung des anstehenden Bodens zur Aufnahme von Ankern;
- Abführen von bergseitig anfallendem Sicker- und Oberflächenwasser.
Schließlich muss die Konstruktion auch formalen und ästhetischen Ansprüchen gerecht werden, wenn sie ständig sichtbar ist. Der Ingenieur muss selbst darauf hinwirken und dem Architekten oder Landschaftsgärtner technische Wege zur
Verwirklichung entsprechender Ziele eröffnen.
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Q.2
Stützbauwerke und Verbau
Q.2 Hinterfüllte Stützkonstruktionen
Zunächst werden Konstruktionen beschrieben, die in der Regel von unten nach oben hergestellt und hinterfüllt werden.
Für derartige Wände sind zunächst Gründungen herzustellen, die in den allermeisten Fällen Flachgründungen sind. Gelegentlich werden Stützmauern aber auch tiefgegründet. Meistens werden Stützmauern nach ihrer Herstellung oder mit
dem Hochziehen des Mauerwerks hinterfüllt. Selten werden sie unmittelbar gegen (dazu kurzfristig standsichere) Steilböschungen gebaut.
Q.2.1 Schwergewichtsmauer
Die Schwergewichtsmauer ist ein massives Stützbauwerk, dessen Abmessungen so gewählt werden müssen, dass die
R aus dem Eigengewicht G der Mauer und dem Erddruck Ea - gegebenenfalls auch einer WasserdruckW - die Sohlfläche noch innerhalb der 1. Kernweite (siehe Vorlesungseinheit K, "Einfache Flachgründungen")
schneidet. Bei einem gelegentlichen Ansteigen des Wasserdrucks kann ein Auswandern von R bis zur 2. Kernweite
Resultierende
kraft
zugelassen werden. Bild Q02.10a zeigt die Grundform. Nur bei kleinen Höhen wird man eine konstante Querschnittstiefe
wählen. Normalerweise verbreitert sich das Profil nach unten, wobei die Anschrägung, damit Ea nicht unnötig ansteigt,
vom Berg weg gelegt wird (entweder nur auf der Luftseite oder auf beiden Seiten mit einem stärkeren Anzug auf der
Luftseite). Der Anzug auf der Luftseite ist auch optisch wichtig, damit die Wand auf keinen Fall einen Eindruck des Überkippens vermittelt.
Die Idealform der Mauer lässt sich mathematisch aus der Bedingung ableiten (Bild Q02.10b), dass für jeden Punkt s(x;z)
der Mauerachse die Momentensumme 0 sein soll, d.h.
z
z
0
0
 g( x; z )  ( x  x s )  dz   e a ( x; z )  h( x; z )  ds
(H02.10).
Wenn man diese Integralgleichung (numerisch) auswertet, ergibt sich eine stetig gekrümmte Mauerform (BENDEL /
HUGI, 1979), die asymptotisch in eine Gerade übergeht. Die Form ist in Bild Q02.20 angenähert.
xs 0
b)
x
a)
dEa
ds
G
h
Ea
R
s
dG
z
Bild Q02.10: Schwergewichtsmauer (a) übliche Form;
(b) Bezeichnungen zur Berechnung der statischen Idealform
Bild Q02.20: Annäherung an Idealform
(BENDEL / HUGI, 1970)
Bei hohen Mauern ist es rationell, die Exzentrizitätsbedingung in der Bodenfuge durch Anfügen eines Talsporns zu erfüllen, Bild Q02.30. Dann ist diese Bedingung aber innerhalb des Mauerquerschnitts nicht mehr erfüllt, was eine Ausführung
in Stahlbeton oder die Anordnung von Stützpfeilern (Rippenstützmauer) bedingt. Mit einem Talsporn lässt sich im Vergleich zum Bergsporn bei Winkelstützmauern die Eingriffstiefe bei Einschnitten minimieren. Mauern dieses Typs sind an
der Gotthardt-Nordrampe bis zu 22 m Höhe ausgeführt worden.
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Q.3
Stützbauwerke und Verbau
Zur Verbesserung der Gleitsicherheit kann es wirtschaftlich sein,
die Sohlfläche schräg auszuführen (s. z.B. Bild K07.30, Vorlesungseinheit K, "Einfache Flachgründungen", Abschnitt Gleitsicherheit).
Nur selten ist es möglich, die Mauern gegen den profilierten gewachsenen Boden zu betonieren. In der Regel wird auch bergseitig geschalt und der Arbeitsraum hinterfüllt. Das Hinterfüllungsmaterial soll gut dränieren können und wird, wenn die Fläche hinter
der Mauerkrone nicht als Verkehrsfläche genutzt werden soll, nur
leicht verdichtet, um keinen unnötigen Verdichtungserddruck zu
verursachen. Als Folge einer geringen Verdichtung ist dabei mit
Sackungen zu rechnen.
Zur Anordnung der Entwässerungsrohre siehe Bild Q02.100.
Bild Q02.30: Stützwände mit Talsporn (BENDEL /
HUGI, 1970)
Gabionen, wie sie schon in der Vorlesung O, "Böschungen und Geländesprünge", siehe dort Bild O05.180, vorgestellt
wurden, stellen ebenfalls Schwergewichtsmauern dar. Dabei können bei hohen Konstruktionen im unteren Wandbereich
mehrere mit Steinen gefüllte Drahtschotterkörper hintereinander angeordnet werden, um die erforderliche Dicke der
Schwergewichtsmauer zu erreichen. Die Einzelabmessungen von Gabionen betragen typischerweise etwa 1 m x 1 m x 2
m. Die in die Drahtschotterkörbe eingefüllten Steine werden an den Sichtflächen sauber geschichtet. Neben der optischen Wirkung wird dabei auch erreicht, dass die gefüllten Körbe formstabil bleiben. Würde man die Steine nur frei einschütten und verdichten, würden die Körbe ausbauchen und das Drahtmaterial außerplanmäßig hoch beansprucht.
Auch andere Systeme zur Bildung von Stützkonstruktionen, z.B. geotextiler Wulstverbau (s. Vorlesung O, "Böschungen
und Geländesprünge"), bewehrte Erde, siehe Abschnitt Q.4 , vernagelte Wände, siehe Abschnitt Q.5.7 sind hinsichtlich
von Nachweisen der äußeren Standsicherheit als Schwergewichtsmauern zu betrachten. Bei diesen Systemen wirkt
zusätzlich eingefüllter oder hinter der Wand anstehender Boden
beim Tragverhalten mit, so dass zusätzliche Überlegungen im
Hinblick auf die innere Standsicherheit anzustellen sind.
Q.2.2 Winkelstützmauer
Die Standsicherheit einer Stützmauer kann durch einen Kragarm
auf der Bergseite sehr vorteilhaft verbessert werden, Bild Q02.40,
allerdings um den Nachteil eines entsprechend vergrößerten
Raumbedarfs (Aushub, Hinterfüllung etc.). Normalerweise ergänzt
man den Querschnitt auch auf der Talseite durch einen kurzen
Sporn, um die Exzentrizität und Verkantung der Mauer unter ständiger Last zu begrenzen.
Für die Nachweise der äußeren Standsicherheit - Grundbruch,
Gleiten, klaffende Fuge - kann vom Modell einer Schwergewichtsmauer ausgegangen werden, die talseits der Linie A-B (Bild
Q02.50) aus Mauer und Boden gemeinsam gebildet wird. In wel-
Bild Q02.40: Übergang von der Schwergewichtsmauer zur Winkelstützmauer
chem Maß in der genannten Fuge der "Wandreibungs"winkel 
angesetzt werden kann, hängt von der Spornlänge im Verhältnis zur
Wandhöhe ab. Bei großer Spornlänge führt ein horizontales Nachgeben der Wand zur Ausbildung eines nachsackenden Keiles, der in
der Fuge A-B seine Symmetrieachse hat. Da hier keine vertikale
Relativverschiebung zwischen der (aus Boden und Wand gebildeten) Schwergewichtsmauer und dem dahinter anstehenden Boden
stattfindet, gilt  = 0. Bei kurzem Sporn ist das keilförmige Gebiet
D-B-E in Bild Q02.50, in dem ein Rankine-Zustand (siehe Vorlesungseinheit Erddruck) vorausgesetzt werden kann, nicht symmetrisch und es gibt kleine vertikale Relativverschiebungen, die den
Ansatz eines Wandreibungswinkels, jedoch
 < , rechtfertigen
Bild Q02.50: Winkelstützmauer, bei horizontaler
Entspannungsbewegung nachsackender Keil 
=0
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Q.4
Stützbauwerke und Verbau
würden. Auf der sicheren Seite liegend sollte stets
werden.
 = 0 angesetzt
Bei geneigtem Gelände, Bild Q02.60, führt die Annahme des Rankine-Zustands mittels der in der Vorlesung P, "Erddruck", Bild P05.20
gezeigten Gleitlinienkonstruktion zu dem Ergebnis, dass σ1 nicht
senkrecht steht, sondern in einer Schnittfläche AB Schubspannungen vorhanden sind. In diesem Fall kann man mit
a =  rechnen,
Kah und Eah ermitteln. Der Vertikalanteil des Erddrucks ist
Eav = Eah· tanβ.
damit
Für die Bemessung der Stützmauer ist zu beachten, dass sich die Bild Q02.60: Winkelstützmauer; Erddruck bei
Horizontalspannungen, also der Erddruck zwischen der Fuge AB geneigtem Gelände
und der Wandrückseite verändern. Unterhalb der Linie BD kann
eine Entspannungsbewegung nicht angenommen werden (bzw. nur in dem geringen Umfang, der durch Biegung der
Wand beim Hinterfüllen entsteht). In diesem Bereich wirkt daher der Erdruhedruck (bzw. kann ein erhöhter aktiver
Erddruck angesetzt werden). Die Veränderung geht aus Gleichgewichtsgründen einher mit einer horizontalen
Schubspannung auf der Oberseite der Wandfußplatte (Bild Q02.70). Zur vereinfachten Berechnung des Erddrucks trägt
a (Erddruckwinkel nach Coulomb) ein. Oberhalb des Schnittpunkts dieser
Richtung mit der Wand wirkt wie in der Fuge AB der mit  = 0 bzw.  =  ermittelte aktive Erddruck σxx = Kah ·  · z,
darunter (mit einem Sprung im Verlauf!) der Erdruhedruck σxx = K0 ·  · z. Ein anderer sinnvoller Näherungsansatz (ohne
man vom Endpunkt des Sporns die Richtung
Unstetigkeit und mit Berücksichtigung von Biegeverformungen der Wand beim Hinterfüllen) ist, über die gesamte Wandhöhe den Erddruck mit dem Mittelwert aus den Beiwerten Kah und K0 zu berechnen. Genauere Berechnungen sind z.B.
mit Hilfe der Kinematischen oder Finite Element Methode möglich. Es existieren weitere Näherungsansätze, die häufig
aber die Verformungsabhängigkeit des Erddrucks nicht stimmig erfassen. DIN 4085 enthält z.B. einen Ansatz mit einem
trapezförmig umgelagerten aktiven Erddruck.
A
aktiver
Erddruck
aktiver
Erddruck
Ruhedruck
E a1
G
G1
S1
S2
R
a
G2
E
Ea
B
E a2
Erddruck an
W andrückseite
(Bemessung)
Erddruck an
Linie AB
(Standsicherheit)
Bild Q02.70: Erddruckansätze bei Winkelstützmauer für Bemessung und Standsicherheitsnachweis
Bild Q02.80: Winkelstützmauern
a) mit hochliegenden Bergspornen
b) Auskragung zur Nutzflächengewinnung
c) erdseitig liegenden Stützpfeilern (-scheiben)
(BENDEL / HUGI, 1979)
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Q.5
Stützbauwerke und Verbau
Bild Q02.80 zeigt in der Schweiz ausgeführte Varianten von Winkelstützmauern. Bei beschränktem Raum kann der Bergsporn auch höher angesetzt werden, verliert damit aber auch an statischer Wirksamkeit. Durch den hochliegenden Sporn
kommt es zu einer Erddruckabschirmung, siehe Bild Q02.90. Hinsichtlich der beim Grundbruchnachweis anzusetzenden
Breite siehe Bild K09.110 in der Vorlesung K,
"Einfache Flachgründungen".
Konsolartige Bergsporne bieten die Möglichkeit,
Versorgungsleitungen darauf zu verlegen. In der
genannten Quelle wird erwähnt, dass auch mehrere Konsolen übereinander gelegentlich ausgeführt
wurden. Die Variante (c) in Bild Q02.80 stellt den
Übergang zur Rippenstützmauer dar und kann bei
sehr hohen Dammschüttungen auf wenig tragfähigem Untergrund in Frage kommen.
Bild Q02.90: Winkelstützmauer mit hochliegendem Sporn:
Erddruckabschirmung
Sowohl Schwergewichtsmauern als auch Winkelstützmauern können als Rippenstützmauern
ausgeführt werden. Bei Winkelstützmauern führen bergseitige Querscheiben zu einer erheblichen Verminderung der
Biegebeanspruchung des Systems. Bei Schwergewichtsmauern können mit Hilfe luftseitiger Stützpfeiler und unter Ausnutzung von Gewölbewirkungen im Mauerwerk und im Boden Materialeinsparungen verwirklicht werden. Viele historische
Stützmauern sind aus dem letztgenannten Grund als Rippenstützmauern ausgeführt.
Entwässerung: Um die Mauern nicht auf Wasserdruck bemessen zu müssen, ist der Einbau einer funktionstüchtigen
Dränage immer wirtschaftlich. Dazu gibt Bild Q02.100 Anregungen, die den schweizerischen Bestimmungen SNV640 389
entnommen sind. Wichtig ist, dass bei größeren Niederschlagsmengen das Tagwasser schon oberflächlich gefasst und
getrennt abgeführt wird (c und d).
Anstelle von Dränsteinen können auch Dränmatten (Folie + Wirrlage + Filtervlies) eingesetzt werden. Die Rezeptur von
Einkornbeton muss unter Beachtung des Chemismus des Bergwassers derart gewählt werden, dass er nicht ausgelaugt
wird, was zur Versinterung der Dränleitungen führt. Der Anschluss des untenliegenden Dränrohres an die Vorflut ist am
einfachsten, wenn in regelmäßigen Abständen Rohrdurchlässe in die Stützmauer eingefügt werden. Da die Entwässerung des Systems statische Bedeutung hat, muss eine Kontrolle und Reinigung des Dränrohrs (z.B. über Kontrollschächte von oben oder geeignete Gestaltung der Wanddurchlässe von vorn) möglich sein.
a)
b)
c)
d)
Bild Q02.100: Entwässerung von Stützmauern (nach BENDEL / HUGI, 1979)
Q.2.3 Brückenwiderlager
Beim Übergang von einem Damm auf eine Brücke werden Brückenwiderlager erforderlich. Dies sind räumliche Stützkonstruktionen, die unterhalb der Brücke einen senkrechten Geländesprung und deren seitliche Flügelwände den Übergang
zum Dammkörper sichern. Die Widerlagerwand hat gleichzeitig die Aufgabe, Auflagerlasten der Brücke abzutragen.
Eine typische Widerlagerkonstruktion im Schnitt und mit Angabe zur Lage der Flügelwand ist in Bild Q02.120 dargestellt.
Bild Q02.120 zeigt ein begehbares Kastenwiderlager mit der Besonderheit einer mit dem ersten Überbau verbundenen
Zungenplatte, welche die Horizontalkräfte der Brücke ohne Lagerspiel in das Widerlager einleitet.
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Q.6
Stützbauwerke und Verbau
Die Bemessung der Widerlager hinsichtlich des Erddrucks entspricht derjenigen von Winkelstützmauern: Für Nachweise der
äußeren Standsicherheit (Gleiten, Grundbruch, klaffende Fuge)
können Verformungen akzeptiert und der aktive Erddruck angesetzt werden. Für die Stahlbeton-Bemessung der Kammer- und
Flügelwände muss die Verformbarkeit beurteilt und bei steifen
Konstruktionen ein erhöhter aktiver Erddruck angesetzt werden.
Regelungen enthält das Merkblatt für die Hinterfüllung von Brückenwiderlagern der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen.
Bild Q02.110: Brückenwiderlager mit Hinterfüllung
und Flügelwand
Q.2.4 Raumgitter-Konstruktionen (Krainer Wände)
Seit Jahrhunderten wird in Gebirgsregionen eine Hangsicherung
mit einer Stützkonstruktion nach dem Blockhaus-Prinzip (gekreuzte
Balken, mit Felsschutt gefüllt) angewendet, die in der Fachwelt als
Krainer Wand bekannt ist. Dieses Bauprinzip lässt sich, siehe z.B.
Bild Q02.130, auch mit Stahlbeton-Fertigteilen realisieren. Die
hangparallelen Elemente heißen Läufer, die senkrecht dazu verlegten Binder. Die heute auf dem Markt eingeführten Systeme unterscheiden sich darin, ob Läufer und Binder getrennt (Bild Q02.140)
oder als fester Rahmen (Bild Q02.150) eingebaut werden. Weiteres
Merkmal ist die Art der Knotenausbildung. Die Mauern können
planmäßig begrünt und bepflanzt werden oder wild begrünen. Dazu
dürfen sie nicht zu steil sein (Bewässerung durch Niederschläge),
ihre Füllung muss Wasser halten können und die Pflanzen müssen
standortgerecht ausgewählt sein.
Da das Material für die Füllung der Zellen wegen der Enge nur
begrenzt verdichtbar ist und überdies ein Verdichtungserddruck
vermieden werden sollte, hat es kaum eine mehr als mitteldichte
Lagerung. Entsprechend treten Scherverformungen ein, wenn die
Mauer hinterfüllt wird: auf der Bergseite wird deswegen der aktive
Erddruck als äußere Last angesetzt; ein zusätzlicher Wasserdruck
kann bei diesem System dadurch ausgeschlossen werden, dass
die Verfüllung ausreichend wasserdurchlässig ist.
Bild Q02.120: Brückenwiderlager, DBNeubaustrecke Mannheim - Stuttgart
Bild Q02.130: Krainer Wand als klassische Holzkonstruktion
Aus Montagegründen haben alle Knotenpunkte ein gewisses Spiel.
Bis - zusätzlich zur Reibung - die Verbindungen kraftschlüssig
wirken, sind die Konstruktionen in gewissem Umfang horizontal
verschieblich und als weiche Konstruktionen anzusehen. Die Mauer muss so bemessen werden, dass die Resultierende aus den
Bemessungswerten von Ea und
innerhalb der 1. Kernweite bleibt.
G in jedem waagrechten Schnitt
Der Nachweis der äußeren Standsicherheit erfolgt wie bei massiven Stützmauern. Zunächst werden die Nachweise so geführt, als
wäre die aufgelöste Wand ein Monolith. Zusätzlich wird die Sohldruckverteilung aufgeteilt in den Anteil, den das Füllmaterial unmittelbar in den Untergrund abträgt, und die Vertikalkraft auf die talseitige Läuferlage. Diese erhält ein für diese Last geeignetes (und
zudem frostsicheres) Streifenfundament. Auf der Bergseite ist
außer einer üblichen Sauberkeitsschicht eine Fundamentierung nur
nötig, wenn zu große Setzungen zu befürchten sind.
Bild Q02.140: Beton-Fertigteilwand mit Läufern
und Bindern (System Ebenseer)
Bild Q02.150: Beton-Fertigteilwand mit Rahmenelementen (System Evergreen)
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Q.7
Stützbauwerke und Verbau
Zusätzlich zur Abtragung der äußeren Kräfte ist die der inneren Kräfte aus Erdfüllung und Verdichtung nachzuweisen.
Dabei zieht man die Silotheorie mit heran. Zu den Nachweisen siehe Merkblatt Raumgitterwände der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen (1987) sowie BRANDL (1992).
Q.3 Steifen, Anker und Nägel als Teile von Stützkonstruktionen
Die in den vorigen Abschnitten genannten Konstruktionen können bei Erfordernis im Boden hinter der Wand verankert
werden. Vor allem bei der Sanierung oder Ertüchtigung bestehender Stützmauern können entlastende Verankerungen
oder Vernagelungen zweckmäßig sein. Dabei kommen zur Vermeidung hoher Biegebeanspruchungen nur geringe Ankerkräfte in Frage und man wird eher Bodennägel als vorgespannte Anker zum Einsatz bringen.
Auch Abstützungen von Stützwänden durch Steifen kommen zur Ausführung. Sie bieten sich z.B. an, wenn benachbarte
Stützmauern sich gegenseitig abstützen können.
Bei kurzen Brücken kann der Brückenüberbau dazu dienen, die Widerlager gegenseitig auszusteifen. Bei langen Brücken
muss dagegen ein Ausgleich für Temperaturverformungen geschaffen werden. Dies erfordert horizontal verschiebliche
Lager, was gegenseitige Abstützungen der Widerlager ausschließt.
Steifen, Anker und Nägel haben bei den in den folgenden Abschnitten genannten Verbaukonstruktionen eine große Bedeutung. Sie stützen die biegeweichen Verbauwände in ausreichend engen Abständen ab. Anker und Nägel bilden zudem gemeinsam mit der Wand und dem derart eingebundenen Boden eine Schwergewichtswand. Bild Q03.10 zeigt
typische Möglichkeiten, Verbauwände abzustützen.
a)
b)
c)
d)
Bild Q03.10: Typische Abstützungen von Verbauwänden
Steifen leiten Druckkräfte aus einer Stützwand gegen eine zweite Wand oder als Schrägsteifen gegen die Sohle einer
Baugrube. Sie können auch über Eck geführt werden und zwei senkrecht zueinander stehende Wandbereiche gegeneinander abstützen. Um die Einzelkräfte von Steifen in die Fläche einer Stützwand bzw. eines Verbaus einzuleiten, werden
häufig Gurtungen angeordnet. Um zwischen Gurtung und Steife eine verformungsarme Kraftübertragung zu sichern,
werden Steifen vorgespannt oder zumindest verkeilt. Bei Steifen ist die Knicksicherheit zu beachten, sie erfordern daher
häufig vertikale Abstützungen oder einen Knickverband. Erforderliche Knickverbände müssen abschnittweise eingebaut
werden, ebenso Diagonalstreifen, um die Steifenlage gegen eine parallelogrammartige Verschiebung in Längsrichtung zu
sichern. Bei großen und tiefen Baugruben kann es zweckmäßig sein, Bild Q03.30, ein inneres Stahlfachwerk zu setzen,
auf das die Stützwand des Verbaus mit Hilfe kleinerer Steifen abgestützt wird. Auch Stahlbetonaussteifungen können
wirtschaftlich sein, wenn sie in die zu errichtende Konstruktion einbezogen werden können (z.B. bei Schächten für Tunnel-Betriebsbauten). Um Temperaturdehnungen von Steifen, die zu Zwangskräften in der Stützwand (Mobilisierung von
Erdwiderstand) führen, gering zu halten, werden Steifen gern weiß gestrichen, mit Wärmedämmmaterial oder reflektierenden Folien ummantelt. Steifen sind im Bauablauf hinderlich, da die Aushubarbeiten und die Herstellung eines Bauwerks in einer ausgesteiften Baugrube Einschränkungen unterworfen sind. Bild Q03.20 zeigt eine diagonal ausgesteifte
Baugrube mit vorgespannten Steifen, die im Zentrum der Baugrube eine große Öffnung belässt. Der schräge Anschluss
an die Wand wurde mit gezahnten Anschlussplatten realisiert, die in die Bewehrung der Schlitzwand integriert wurden.
Stützbauwerke und Verbau
Bild Q03.20: diagonal ausgesteifte Baugrube in Genf
(Fa. BAUER)
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Q.8
Bild Q03.30: aufgefächerte Steifenkonstruktion
Eine besondere Form ausgesteifter Baugruben ist, Deckenplatten von Bauwerken (mit großen Aussparungen) für die
Aussteifung heranzuziehen (Deckelbauweise). Diese Bauweise wird gern bei innerstädtischen Baugruben angewandt,
um Ankerungen unter Nachbargebäuden zu vermeiden. Nach dem Fertigstellen der äußeren Kellerwände und Innenstützen eines Bauwerks wird zunächst auf dem anstehenden Grund eine tragende Decke betoniert, die auf den Wänden und
Stützen ruht und die Außenwände aussteift. Der Raum unterhalb wird dann durch in der Platte gelassene Öffnungen
ausgebaggert, bis die nächste Untergeschossdecke auf anstehendem Grund betoniert werden kann, usw. Parallel dazu
kann bereits das Aufgehende gebaut werden. Bei (in halboffener Bauweise erstellten) Tunnelbauwerken lässt die Deckelbauweise zu, nach Herstellen der Deckenplatte unterirdisch weiterzuarbeiten und oberirdische Nutzungen nach kurzer Bauzeit mit zugehörigen Einschränkungen wieder zuzulassen.
Die Verformungen ausgesteifter Baugruben sind in der Regel geringer als die verankerter Baugruben.
Nägel: Streng genommen handelt es sich bei Nägeln um Zugpfähle, die in flacher Neigung ausgeführt werden, siehe
Vorlesung N, "Tiefgründungen, Pfähle und Anker". Meistens werden zur Herstellung von Nägeln Bohrungen mit Durchmessern < 20 cm hergestellt, in diese eine Zementsuspension oder ein Mörtel eingebracht und ein Stahlstab, oft ein
GEWI-Stab, eingeführt. Zur Erhöhung der Mantelreibung ist auch eine Verpressung gebräuchlich. Nägel können auch
durch Einrammen hergestellt werden, allerdings lässt sich dabei in der Regel kein ausreichender Korrosionsschutz sicherstellen. Bei Nägeln wirkt die Mantelreibung über die gesamte Nagellänge. Sie unterscheiden sich von Ankern, bei
denen der Verbund zum Boden erst in größerer Tiefe hergestellt wird und bei denen zwischen der zu verankernden
Wand und dem Verpresskörper eine freie Ankerlänge besteht. Wegen der fehlenden freien Ankerlänge ist eine wirksame
Vorspannung von Nägeln nicht möglich. Die Rückverhängung einer Stützwand mit Hilfe von Nägeln ist daher mit größeren Verformungen verbunden als bei Verwendung von vorgespannten Ankern. Andererseits werden Nägel meist in engerem Abstand zueinander angeordnet und mit größeren Stahlquerschnitten als Anker ausgebildet, was die Dehnungen der
Nägel begrenzt.
Auch Anker sind hinsichtlich ihrer Herstellung, Ausbildung und Tragwirkung in der Vorlesungseinheit N, "Tiefgründungen,
Pfähle und Anker" behandelt. Bei der Abstützung von Verbauwänden sind Verpressanker die gebräuchlichsten Elemente.
Mit Hilfe ausreichend langer, vorgespannter Anker können große Bodenvolumen hinter einer Wand zur verformungsarmen Lastabtragung von Erddruckkräften herangezogen werden. Das mit Hilfe der Anker vorgespannte und zusammengehaltene Bodenvolumen (Bild N05.20 im Kapitel N, "Tiefgründungen, Pfähle und Anker") trägt zur Bildung eines
Schwergewichtsblockes bei, dessen innere Steifigkeit bei Scherbeanspruchung jedoch geringer ist als die einer massiven
Konstruktion. Das von Ankern zusammengehaltene Bodenvolumen wird hinsichtlich seines Verformungsverhaltens auch
gerne mit einem Fangedamm verglichen. Die Verformungen einer verankerten Wand setzen sich demzufolge zusammen
aus den Anteilen Biegung, Scherung, Translation und Rotation, siehe Bild Q03.50. Ohne Vorspannung der Anker wäre
zusätzlich ein nennenswerter Anteil aus der Dehnung des Ankerstahls zu beachten. Daher ist eine hohe Vorspannung
der Anker, die alle Erddruckkräfte aus ständigen Lasten vollständig abdecken sollte, vorteilhaft und stets geboten. Die
genannten Überlegungen zeigen, dass - über den Nachweis der tiefen Gleitfuge hinaus, aus dem sich die statisch mindest erforderlichen Ankerlängen ergeben - möglichst lange Anker zur Begrenzung von Verformungen beitragen. Aber
selbst bei langen, hoch vorgespannten Ankern sind die Gesamtverformungen einer verankerten Verbauwand größer als
bei einer ausgesteiften Wand.
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Q.9
Stützbauwerke und Verbau
Bild Q03.40: eine verankerte Wand bildet gemeinsam mit dem Bodenvolumen ein Schwergewichtssystem (WEBER, 1996)
Bild Q03.50: Verformungen eines verankerten
Verbausystems (WEBER, 1996)
Zur Verankerung von Spundwänden im Zusammenhang mit Uferwänden und zur Aufnahme sehr großer Wasserdruckkräfte sind außer Verpressankern auch andere Ankersysteme gebräuchlich, siehe Abschnitt Q.5.1.9 .
Q.4 Bewehrte Erde
Das Prinzip, Stützwände zu verankern, um damit die auftretenden Erddruckkräfte aufzunehmen, lässt sich bei hinterfüllten Wänden systematisch anwenden, indem man Boden lagenweise schüttet und verdichtet und auf jeder Lage Zugverankerungen für ein Stützelement verlegt. Noch viel intensiver als bei der Winkelstützmauer, bei schon das Gewicht des
Bodens günstig ausgenutzt wird, wird dabei der Boden hinter der Wand - diesmal auch an der horizontalen - Lastabtragung beteiligt. Der Schüttboden erhält dabei eine Zugbewehrung, so dass auch ein nichtbindiges Material wie durch eine
Kohäsion an der Ausbildung einer freien Böschung behindert ist. Man spricht hier vom Prinzip der bewehrten Erde.
Es gibt eine ganze Reihe von Konstruktionsformen, die sich darin unterscheiden, aus welchem Material und in welcher
Formgebung das Stützelement gefertigt ist (Stahl, Stahlbeton, Kunststoff; senkrechte oder gewölbte Form im Vertikalschnitt; lange oder kurze Elemente) und ob die Elemente mit Zugbändern oder Ankern oder zugfesten Matten gehalten
werden. Zum Einsatz kommen dabei verzinkter Stahl oder Geokunststoffe.
Bild Q04.10: Bewehrte Erde ("französisches Verfahren") nach VIDAL (1966)
Bild Q04.10 zeigt das französische Verfahren von VIDAL (1966), der dieses an sich sehr alte Sicherungsverfahren als
erster systematisch einsetzte und die erforderlichen beiden Bauelemente entwickelte. Dabei werden die MetallZugbänder entweder an Halbschalen aus Kunststoff oder Stahlblech oder an vorgefertigte Stahlbeton-Formstücke mit
Bolzen angeschlossen. Die Bauweise ist sehr wirtschaftlich und die Konstruktion sehr setzungsunempfindlich. Sie wurde
vor allem in Frankreich im Autobahnbau bei Dammschüttungen bis zu 20 m Höhe eingesetzt, um das Volumen für die
sonst erforderlichen seitlichen Böschungskörper zu sparen.
Die Reibung zwischen den Zugbändern und dem Füllsand muss durch eine Relativbewegung mobilisiert werden, die
durch eine Scherverformung des Sandkörpers zustande kommt. Das genügt, um den Erddruck auf den aktiven Grenzwert abzubauen. Bei Verwendung von biegeweichen Außenschalen muss der Wandreibungswinkel = 0 gesetzt werden.
Der horizontale Erddruck wird bei der Bemessung der Zugbänder in Zugkräfte umgerechnet (Bild Q04.20). Innerhalb des
Bewehrte-Erde-Körpers geben die Zugbänder ihre Kräfte über Schubspannungen an den Hinterfüllboden ab. Der Körper
als Gesamtes wird wie eine Schwergewichts-Stützmauer nachgewiesen.
Stützbauwerke und Verbau
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Q.10
Die Einführung des Prinzips der bewehrten Erde
ist außerhalb Frankreichs sehr viel zögernder
gegangen, weil man die Korrosion der Zugbänder
befürchtete. Auch in Deutschland liegen aber
Ausführungserfahrungen und Untersuchungsberichte vor, die ihren Niederschlag in einer technischen Empfehlung gefunden haben (Bundesministerium für Verkehr (BMV): Bedingungen für die
Anwendung des Bauverfahrens "Bewehrte Erde",
1985 und THAMM, 1981).
Q.5 Stützkonstruktionen für Abgrabungen:
Verbau
Die in den Abschnitten Q.2 und Q.4 erläuterten
Konstruktionen werden von unten nach oben aufgebaut, die Kräfte werden in eine klassische
Gründung - im Regelfall Flachgründungen - eingeleitet. Dies setzt bei ihrer Herstellung standsichere
Bild Q04.20: Bewehrte Erde: Ansatz und Verteilung der Kräfte
temporäre Böschungen voraus, sofern der Gelän(BMV, 1985)
desprung nicht durch nachträgliche Auffüllungen
erst entsteht.
In vielen Situationen müssen jedoch biegesteife und tragfähige Konstruktionen bereits in den Untergrund eingebracht
werden, bevor überhaupt ein Geländeabtrag vorgenommen werden kann. Hierzu stehen z.B. Spundwände, Pfahlwände
oder Schlitzwände zur Verfügung. Vor allem in bindigen Böden und verwittertem Fels können senkrechte oder steile
Einschnitte geringer Tiefe unverbaut hergestellt werden, bei erforderlichen größeren Tiefen ist dagegen die Standsicherheit ohne Sicherung nicht gegeben. In solchen Fällen kann abschnittsweise ausgehoben und gesichert werden, wozu als
Konstruktionen z.B. Elementwände oder vernagelte Wände zur Verfügung stehen.
Im Zusammenhang mit der Herstellung von Baugruben, bei denen die erforderlichen - meist senkrechten - Stützbauwerke
vor oder gleichzeitig mit dem Aushub erstellt werden müssen, spricht man von Verbau.
Bei den nachfolgend behandelten Konstruktionen ist außerdem zu unterscheiden, ob sie wasserdicht sein müssen oder
nicht. Die höchsten Anforderungen an Verbauwände sind dann zu stellen, wenn gleichkörnige Fein- und Mittelsande
unter Wasser gestützt werden müssen, da hier schon sehr kleine Fehlstellen gleichzeitig mit einem Wasserzutritt auch zu
Bodeneintrieb führen.
Q.5.1 Spundwand - Ausbildung und Konstruktion
Q.5.1.1 Allgemeines
Die Spundwand ist eine Stützwand aus vertikalen Lamellen aus Holz, Stahl, Stahl- oder Spannbeton, die einzeln nacheinander in den Boden eingebracht werden. Ihre Biegetragfähigkeit beschränkt sich damit auf die vertikale Richtung. Die
Wandelemente werden in einem horizontalen Schnitt gelenkig miteinander verbunden. Durch Anflanschen waagerechter
Träger (Gurtung) kann auch eine Plattentragwirkung erzielt werden. Die gelenkige Verbindung der Spundbohlen besteht
bei den historisch ältesten Formen der hölzernen Spund- oder Bohlwand aus einer "Spundung" mittels Nut und Feder.
Den Unterschied im Tragverhalten einer Stützmauer und einer Spundwand zeigt Bild Q05.10: es ist hinsichtlich der Reaktionskräfte der Unterschied zwischen einer Flachgründung und einer Tiefgründung, d.h. das äußere Moment muss von
der Mauer in der Sohle, von der Wand durch ein seitliches Kräftepaar Er1, Er2 aufgenommen werden. In der Sohle der
Spundwand, die relativ schmal ist, werden in der Regel nur die Wandgewichte und die Vertikalkomponenten der Verankerung durch eine Spitzendruckkraft übertragen.
Seite
Q.11
Stützbauwerke und Verbau
Eine Spundwand kann zwei Funktionen wahrnehmen: zu stützen
und / oder zu dichten. Sie kommt daher besonders wirtschaftlich
dort zum Einsatz, wo ein zu schaffender Geländesprung im
(Grund-)Wasser liegt und auf beiden Seiten der Wand verschieden
hohe Wasserspiegel gehalten werden müssen. Spundbohlen sind
Fertigteile, werden industriell gefertigt und müssen transportiert
werden. Ihre Längen sind daher begrenzt (etwa 16 m für Stahlspundwände in Deutschland). Spundbohlen werden wirtschaftlich
durch Rammen oder Rütteln in den Untergrund eingebracht. Dies
setzt eine Umgebung voraus, in der die zugehörigen Erschütterungen und Lärmemissionen tolerabel sind.
A
G
E(+W)
E(+W)
G
Ep
Er1
Er2
(G+E)
G
Spundbohlen können aus Stahl (weit überwiegender Regelfall),
Bild Q05.10: Vergleich des Tragverhaltens von
Holz oder Beton hergestellt werden. Das Einbringen in den Boden
Stützmauer und Spundwand
durch Rammen, Einrütteln, Einpressen ist identisch zu Rammpfählen und in der Vorlesung N, "Tiefgründungen, Pfähle und Anker",
behandelt. Um Spundwände im Hinblick auf ihre Dichtfunktion in schwer rammbaren Böden auf die erforderliche Tiefe zu
bringen, können Vorbohrungen, wie Auflockerungsbohrungen auf Teilflächen oder im gesamten Bereich der einzubringenden Spundbohlen sowie Bodenaustauschbohrungen (Pfahlbohrung mit lockerem Material verfüllt), zum Einsatz kommen. Als Einbringhilfe sind auch Spülrohre sehr wirkungsvoll; sie werden an die Spundbohle angeschweißt; beim Einrütteln wird ein am Bohlenfuß austretender Wasserstrahl unter hohem Druck genutzt, Boden zu verflüssigen und in kleinem
Umfang in einem Spülstrom parallel zur Bohle auszutragen. Im Zusammenhang mit tiefreichenden EinphasenSchlitzwänden werden Spundwände gerne auch in suspensionsgestützte Schlitze eingestellt. Hier übernehmen sie primär ihre statische Funktion und das Einbringen ist praktisch erschütterungsfrei.
Spundwände haben den großen Vorteil, dass sie nach Beendigung ihrer Nutzungsdauer wieder aus dem Baugrund entfernt werden können. Dies hat im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit und der Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen hohe Bedeutung. Bei Baugruben im Grundwasserbereich, für die Spundwände bis in wasserstauende Schichten
geführt und die danach mit geringer Restwasserhaltung trocken gehalten werden können, ist es nach Fertigstellung des
Bauwerks und nach einem Ziehen der Spundwand möglich, dass der Grundwasserstrom wieder ungehindert, ohne Anstau im Obertrom und Sunk im Unterstrom unter dem Bauwerk hindurchfließt.
Spundwände finden im Hafenbau und konstruktiven Wasserbau breite Anwendung. Sie sind daher intensiv in den Empfehlungen des Arbeitsausschusses "Ufereinfassungen" (EAU) behandelt.
Q.5.1.2 Holzspundwände
Bild Q05.20 zeigt einige Details der heute nur noch wenig gebräuchlichen Holzspundwände: Der Boden muss wegen des
großen Verdrängungsquerschnitts gut rammfähig sein, ein Fäulnisrisiko muss ausgeschaltet sein, indem die Bohlen entweder ständig unter dem Wasserspiegel bleiben oder aus tropischen Harthölzern oder mit Steinkohleteeröl vollgetränkten einheimischen Nadelhölzern bestehen. Die Verbindung der Einzelbohlen erfolgt durch Spundung (wie bei Fässern), daher der
Name "Spundwand".
Bild Q05.20: Ausbildung von Holzspundbohlen (EAU, 1996, Abschnitt 8.1.1)
Seite
Q.12
Stützbauwerke und Verbau
Q.5.1.3 Betonspundwände
Stahlbeton-Spundwände übertragen das Konstruktionsprinzip der Holzspundwand auf den Werkstoff Stahlbeton bzw.
Spannbeton, wobei die Spundung durch Nut und Feder nur im Fußbereich der Bohlen (Führung beim Rammen) beibehalten, im übrigen durch nachträgliches Ausbetonieren eines ("Nut gegen Nut") vertikal durchlaufenden Hohlraums bewirkt wird.
Wegen der Einzelheiten wird auf die E21 (Arbeitskreis Ufereinfassungen, 1990) verwiesen.
Stahlbeton-Spundbohlen haben den Nachteil, dass sie beim Rammen empfindlich sind und wegen ihres relativ hohen Eigengewichts einen entsprechend schweren Rammbär erfordern ("großer Nagel verlangt schweren Hammer"). Außerdem ist
das aufnehmbare Biegemoment sehr begrenzt, selbst bei vorgespannten Bohlen. Stahlbeton-Spundwände haben heute ihre
Bedeutung gegenüber Bohrpfahl- oder Schlitzwänden weitgehend verloren; sie werden bei Küstenbauwerken geringer Höhe
wie Buhnen an Stelle von Stahlspundwänden wegen der Sandschliffgefahr gelegentlich eingesetzt. Zur Ausbildung und
Einbringung siehe z.B. EAU 1996, Abschnitt 8.1.2.
Q.5.1.4 Stahlspundwände
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übertrug der Bremer Baumeister Larssen das alte Prinzip der Holzspundwand auf den
Werkstoff Stahl. Dabei ersetzte er die tragende Platte durch ein Wellenprofil mit entsprechend großem Trägheitsmoment,
musste aber gleichzeitig die einfache Steckverbindung der Holzspundung durch eine zugfeste Klauenverbindung ersetzen, die als Schloss bezeichnet wird. Da die Stahlspundwand ein relativ teures Baumittel ist, wird die Biegefestigkeit des
Stahles voll ausgenutzt, d.h. man sucht Querschnittsformen, die ein großes Widerstandsmoment bei kleinem Stahlquerschnitt haben. Typisch für die auf Biegung beanspruchte Stahlspundwand ist das Wellenprofil, Bild Q05.40. Für Wände, die
nur auf Zug beansprucht oder nur trennenden Funktion haben, gibt es das Flachprofil und Tafelprofile. Kanaldielen kommen
z.B. beim Grabenverbau zum Einsatz, wenn Boden temporär gestützt werden muss, keine Wasserdichtigkeit erforderlich ist
und auch offene Schlossverbindungen kein Problem darstellen.
Die Schlösser der Spundwand müssen eine zugund druckfeste Gelenkverbindung schaffen, außerdem die Voraussetzung zur Abdichtung bieten.
Bild Q05.30 zeigt häufige Beispiele. Alle Profilformen sind über marktgängige Schlossstähle miteinander kompatibel. Um die Reibung beim Einbringen zu reduzieren und um zur Dichtigkeit beizutragen, werden Spundwandschlösser mit einem
umweltverträglichen Fett oder bituminösen Material gefüllt. Spundwände sind nicht absolut wasserdicht; durch die Schlösser tritt Sickerwasser. Wenn
Spundwände auf dauerhaften Sichtflächen vollständig wasserdicht sein müssen (Beispiel Baugrubenverbau und gleichzeitig Tiefgaragenaußenwand), müssen die Schlossverbindungen nach
dem Einbringen verschweißt werden. Hinweise zu
dieser Frage siehe E117 der Empfehlungen des
Arbeitskreises Ufereinfassungen (EAU, 1990).
Form 1
Form 4
a) Hakenbreite
b) Schlossöffnung
a) Keulenhöhe
b) Schlossöffnung
Form 2
Form 5
a) Knopfbreite
b) Schlossöffnung
a) Krafthakenbreite
b) Schlossöffnung
Form 3
Form 6
a) Knopfbreite
b) Schlossöffnung
a) Daumenbreite
b) Schlossöffnung
Die Anordnung des Schlosses in der neutralen
Achse ist rammtechnisch vorteilhaft. Statisch ist das
Bild Q05.30: Schlossformen (EAU, 1996)
aber ungünstig (maximale Schubspannungen in der
neutralen Achse, Material des Schlosses hat kaum
einen Anteil am Widerstandsmoment). Zur Erhöhung der Schubfestigkeit werden im Regelfall je 2 Einzelbohlen (EB) im Lieferwerk bereits zu einer Doppelbohle (DB) verbunden (intermittierende Druckstellen oder Schweißpunkte), damit das Trägheitsmoment vollständig angesetzt werden
kann. Es wird mit der Klaue voraus gerammt. Auch Dreifachbohlen können gerammt werden. Bei der Abnahme der Spundbohlen auf der Baustelle muss die Verhakung kontrolliert werden, das ist die Differenz a-b in Bild Q05.30: sie soll bei den
Formen 1, 2 und 3 mindestens 4 mm betragen. Man beachte weiterhin die in der E98 formulierten Abnahmebedingungen
(EAU, 1990).
Seite
Q.13
Stützbauwerke und Verbau
Profil
Widerstands
moment
Eigenlast
Wy
cm³/m
Wand
cm³/
Einzelbohle
2000
1210
1300
580
414
426
1340
Rückendicke
Stegdicke
Wandhöhe
Profilbreite
kg/m
Einzelbohle
t
s
h
b
mm
mm
mm
mm
127,5
96,4
103
95,6
67,5
72,1
11,7
9,5
10
10
8
9
450
400
400
750
700
700
437
108
75,6
10
10
400
700
1600
510
540
745
830
1200
1240
529
109
123
251
265
330
340
115
94
99
77,2
89
108
113,5
80,5
56,4
59,4
46,3
53,4
64,8
68,1
10,2
9,5
10
7,5
8,2
9,7
10
9,5
9,5
10
6,4
8
8,2
9
440
150
150
310
310
310
310
700
600
600
600
600
600
600
1260
350
116
69,6
10
10
310
600
1620
2020
2030
2500
3200
425
520
549
605
649
124,2
139,2
144,5
157
190
74,5
83,5
86,7
94,2
114
10,5
12,5
12,2
14,4
19
9
9
10
9,2
10,6
380
420
420
435
452
600
600
600
600
600
1300
369
130
65
10
10
340
500
2000
2500
2550
3040
1660
6450
527
547
560
562
483
-
155
175
185,4
206
166
234,5
77,5
87,5
92,7
103
83
83
11,5
15,6
15,6
20
12
12
10
10
12
11,5
12
12
420
420
420
420
420
750
500
500
500
500
500
708
633
655
690
719
920
989
978
1035
1334
1380
1426
1460
1466
1495
1145
1215
1256
1283
1687
1755
1823
2308
101,0
107,0
112,5
118,0
107,0
116,0
117,0
125,0
142,3
148,0
152,0
155,0
158,0
162,3
110,8
117,5
123,7
126,3
142,9
189,9
157,2
166,1
58,1
61,5
64,7
67,9
61,5
66,7
67,3
71,9
81,8
85,1
57,4
59,1
90,9
93,3
74,8
79,3
83,5
85,3
96,5
101,2
106,1
112,1
8,8
9,5
10,2
10,8
9,2
10
9,5
10,8
11,5
12,1
12,5
12,8
13
13,3
8,7
9,5
10,1
10,4
12,0
12,7
13,4
13,5
8,8
9,5
10,2
10,8
8,1
9
9,5
9,9
8,4
9,0
9,5
10
10
10,3
8,4
9,3
10
10,3
10,9
11,7
12,5
10,8
260
260
260
260
350
350
350
350
350
350
350
350
350
350
380
380
380
380
430
430
430
485
575
575
575
575
575
575
575
575
575
575
575
575
575
575
675
675
675
675
675
675
675
675
kg/m²
Wand
Profilform
LARSSEN-Profile
LARRSEN 755
LARRSEN 703
LARRSEN 703K
LARRSEN 703
10/10
LARRSEN 704
LARRSEN 600
LARRSEN 600K
LARRSEN 601
LARRSEN 602
LARRSEN 603
LARRSEN 603K
LARSSEN 603
10/10
LARRSEN 604
LARRSEN 605
LARRSEN 605K
LARRSEN 606n
LARRSEN 607n
LARRSEN 22
10/10
LARRSEN 23
LARRSEN 24
LARRSEN 24/12
LARRSEN 25
LARRSEN 43
LARRSEN 430
HOESCH-Profile
HOESCH 1105
HOESCH 1205
HOESCH 1205K
HOESCH 1255
HOESCH 1605
HOESCH 1705
HOESCH 1705K
HOESCH 1805
HOESCH 2305
HOESCH 2405
HOESCH 2505
HOESCH 2555K
HOESCH 2555
HOESCH 2605
HOESCH 1706
HOESCH 1806
HOESCH 1856
HOESCH 1906
HOESCH 2506
HOESCH 2606
HOESCH 2706
HOESCH 3406
1100
1140
1200
1250
1600
1720
1700
1800
2320
2400
2480
2540
2550
2600
1700
1800
1860
1900
2500
2600
2700
3400
Bild Q05.40: Deutsche Stahl-Spundwände: Auszüge aus dem HOESCH – Lieferprogramm (2006/2007)
Seite
Q.14
Stützbauwerke und Verbau
Stahlsorten für Spundwandprofile nach DIN EN
10248-1 bzw. DIN EN 10249-1 sind in Tabelle
Q05.10 aufgelistet.
Einzelne Steine im Boden werden beim Rammen
meist verdrängt, wenn sie nicht zu groß sind. Dagegen sind "Steinpflaster", z.B. Steinlagen in Moränen,
oder sehr große Steine (Findlinge) Rammhindernisse, die ein Weiterrammen verhindern oder zum
Aufreißen der Schlossverbindungen führen können.
Beim Weiterrammen rollen sich die Bohlen dann
auf. Rammhindernisse müssen in solchen Fällen
durch Vorbohren beseitigt oder zerkleinert werden.
Im Zweifelsfall sollte durch eine Proberammung die
Rammbarkeit überprüft werden, um kostspielige
Fehldispositionen zu vermeiden: das Risiko liegt abgesehen von unvorhersehbaren einzelnen
Rammhindernissen - bei der ausführenden Firma.
Stahlsorte
Zugfestigkeit
fu,k
[N/mm²]
Mindeststreckgrenze
fy,k
Mindestbruchdehnung
[N/mm²]
[%]
Warmgewalzte Spundbohlen (nach DIN EN 10248-1)
S 240 GP
S 270 GP
S 320 GP
S 355 GP
S 390 GP
S 430 GP
340
410
440
480
490
510
240
270
320
355
390
430
23
24
23
22
20
19
Höherfeste schweißgeeignete Spundwandstähle (nach DIN EN 10248-1)
St Sp 460
St Sp 500
550
590
460
500
17
16
Kaltgeformte Kanaldielen und Leichtprofile (nach DIN EN 10249-1)
S 275 JRC
410
275
22
Tabelle Q05.10: Stahlsorten für Spundwandprofile (HOESCH AG)
Q.5.1.5 Spundwandsysteme
Spundbohlen können auf verschiedene Arten miteinander kombiniert werden, um Spundwände zu schaffen.
Bild Q05.50 zeigt einige gebräuchliche Beispiele:
a)
Normale Wellenspundwand, Schloss mittig:
Schloss in der neutralen Achse (rammtechnisch günstiger, statisch ungünstig, deswegen Rammung als Doppelbohle
mit im Werk fixierter Schlossverbindung).
a)
- b)
Normale Wellenspundwand,
Schloss außen:
Schloss außenliegend (rammtechnisch ungünstiger als a), da Führung exzentrisch zum
Rammschlag; statisch günstiger, da Schubfestigkeit in neutraler Achse und Steiner-Anteil des
Schlossmaterials wirksam).
-
a) und b) für Geländesprünge bis gut 10 m geeignet, evtl. mit aufgeschweißten Laschen in
Höhenabschnitten mit großer Momentenbeanspruchung.
c)
Gemischte Spundwand mit
Doppel-Füllbohle:
Träger werden vorweg eingerammt oder in vorgebohrte Löcher gestellt, Füllbohlen danach
eingesetzt. Sie können sich dank ihrer waagerechten Nachgiebigkeit gewissen Ungenauigkeiten der Trägerstellung anpassen (Harmonika-Effekt), sind jedoch empfindlich gegen
Rammhindernisse. Daher gelegentlich auch
Trennung von Tragpfählen und vorgesetzter
Dichtwand aus Spundbohlen (SCHMIDT,
1992). Füllbohlen brauchen nur bis zum LastNullpunkt zu reichen; es sei denn, dass sie wegen der Gefahr des hydraulischen Grundbruchs
tiefer geführt werden müssen. Die Schlossstähle werden an die Trägerflansche werkseitig angeschweißt. Damit sie sich beim Rammen nicht
b)
-
c)
Seite
Q.15
Stützbauwerke und Verbau
zusetzen, kann man sie mit Bitumen ausgießen
(KRABBE, 1964). Neben der gemischten
Spundwand mit Doppel-Füllbohle wird auch die
gemischte Spundwand mit Dreifach-Füllbohlen
angeboten (ohne Darstellung). Die Dreifachbohle erhält werkseitig fixierte Schlossverbindungen zwischen den 3 Einzelbohlen und wird
als Einheit gerammt.
Die Formen c) und d) sind für Geländesprünge
bis etwa 15 m geeignet.
Gemischte Wände wurden zunächst auch noch
für größere Höhen eingesetzt, wobei zunächst
jeweils 2 Träger nebeneinander gestellt wurden. Es erwies sich aber als wirtschaftlicher,
bei nur einem Träger zu bleiben, aber dessen
Steg durch Einschweißen von Zwischenblechen (werkseitig) zu vergrößern. Dabei wurden
Trägerhöhen bis zu 1 m (IPB 1000) ausgeführt.
Diese Träger bilden dann aber keinen Pfropfen
im Fußbereich mehr aus und müssen deswegen dort Rippen angeschweißt erhalten.
-
d)
e)
f)
d)
LK-Wand:
für Wasserbaustellen und
Geländesprünge von 15 bis 20 m. Auf dem
Wasserweg sind größere Längen transportabel
als auf dem Landweg.
-
-
e) Doppelt gewellte Spundwand:
- Diese Formen wurden in Konkurrenz zu c)
Bild Q05.50: Spundwandsysteme; Erläuterungen siehe nebensteund d) entwickelt und sind auch für Geländeshenden Text (Werkbilder THYSSEN KRUPP GfT BAUTECHNIK,
prünge bis etwa 15 m, jedoch nicht mehr für
2007)
größere Höhen, einsetzbar. Rammung als
Doppel- oder als Vierfachbohle, je nach verfügbarem Rammbär. Nur bei gut rammfähigem Untergrund zuverlässig
herstellbar.
-
f) Kombinierte Rohrpfähle mit Zwischenbohlen:
- Als Alternative zu c), um extrem hohe Geländesprünge in der Größenordnung um 20 m entwickelt, wobei dann
Rohrdurchmesser um 2 m erforderlich werden.
Die Bevorzugung des Stahles bei Uferbauwerken großer Höhe in Deutschland ist auf das im Vergleich zum Ausland
höher entwickelte Leistungsangebot der einheimischen Spundwandhersteller und auf die vielseitigen konstruktiven Möglichkeiten zurückzuführen.
Bei Auslands-Baustellen kann die Marktsituation völlig anders sein, so dass auch bei mittleren Geländesprung-Höhen
Stahlbeton-Lösungen wirtschaftlicher sind, etwa in Form von Schwimmkästen, Zellenfangedämmen oder Pfahlwänden.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.16
Q.5.1.6 Gurte und Holme
Spundwände als Dauerbauwerke erhalten einen oberen Abschlussbalken, meist in Stahlbeton. Bild Q05.60 zeigt einen
einfachen Gesimsbalken, Bild Q05.70 die entsprechende Ausführung als Gurtbalken.
Bild Q05.60: Gesimsbalken als oberer Abschluss
einer Spundwand (GANTKE, 1979)
Bild Q05.70: Gurtbalken, in den gleichzeitig Ankerkräfte in die Wand eingeleitet werden können
(GANTKE, 1979)
Bild Q05.80a: Draufsicht Anschluss Spundwand Spundwandanker, Gurt aus Profilstahl (GANTKE,
1979)
Bild Q05.80b: Schnitt Anschluss Spundwand Spundwandanker, Gurt aus Profilstahl (GANTKE,
1979)
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.17
Bild Q05.90: Spundwand mit tiefliegender Schrägpfahlverankerung (GANTKE, 1979)
Bild Q05.100: Stahlbeton-Holm als Auflager für
eine leichte Brücke (GANTKE, 1979)
Bild Q05.110: Schrägpfahlanschluß an StahlbetonHolm (GANTKE, 1979)
Bild Q05.120: Auflagerung einer StahlbetonPlatte (Tunneldecke) (GANTKE, 1979)
Bild Q05.130: Stahlbetongurt als Auflager einer
schweren Brücke (GANTKE, 1979)
Bild Q05.140: Stahlbetonholm als Gehwegträger
(GANTKE, 1979)
Seite
Q.18
Stützbauwerke und Verbau
Die Bilder Q05.60 bis Q05.140 sind Konstruktionsbeispiele (aus einer Publikation der HOESCH AG, Verfasser F.
GANTKE, 1979) für den Anschluss einer Spundwand an Anker, Ankerpfähle oder Stahlbeton-Bauteile. Schweißverbindungen sollten nur dort vorgenommen werden, wo Spundwände überwiegend durch ständige Last beansprucht werden.
Dagegen muss bei Baugrubenwänden oder Uferwänden darauf geachtet werden, dass gelenkige Anschlüsse auch tatsächlich Verdrehungen zulassen (man beachte die Umwicklung mit Bitumenstrick in Bild Q05.70 oder die Bolzenverbindungen in Bild Q05.120 und Bild Q05.130).
Beispiele aus dem Verkehrswasserbau findet man in den "Empfehlungen des Arbeitskreises Ufereinfassungen" (EAU,
1990). Hingewiesen wird ferner auf LACKNER (1982), Bilder 24-27 (S.654-656), wo die Verdrehungsmöglichkeit des
Ankers noch stärker konstruktiv berücksichtigt ist als etwa in Bild Q05.80.
Q.5.1.7 Korrosion und Oberflächenbehandlung:
Spundwände, die als Bauwerksteile dauernd verwendet werden sollen, müssen
- soweit sie regelmäßig im Wasser stehen, insbesondere im Bereich der Wasserwechselzone und in Salzwasser, einen
angemessenen Zuschlag zur statisch erforderlichen Blechdicke erhalten (bis zu 0,12 mm/Jahr, vgl. EAU, 1996, 8.1.8).
Die atmosphärische Korrosion und die innerhalb des Bodens sind mit Abtragsgeschwindigkeiten von ca. 0,01 mm/a
vernachlässigbar.
- soweit sie sichtbar zum optischen Gesamteindruck eines Bauwerks beitragen, eine Beschichtung erhalten (z.B. bei
Rampen von Straßen im Einschnitt).
- soweit sie auch im Brandfall tragend bleiben müssen (F15, F30) einen speziellen Putz erhalten (z.B. bei Spundwand
in Tiefgarage, die gleichzeitig Verbauwand und Bauwerkswand ist).
Zu beachten ist bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten auch die Gefahr des Sandschliffs, die eine Verwendung von
Stahlspundwänden überhaupt in Frage stellen kann; Alternative sind hier Betonspundwände.
Q.5.1.8 Spundwand-Baugruben im offenen Wasser
Bild Q05.150 zeigt ein Beispiel für die Gründung eines Brückenpfeilers im offenen Wasser mit Hilfe einer Spundwandbaugrube mit folgenden Bauphasen:
- (1) Rammen der Spundbohlen mit der
Schwimmramme;
- (2) Einbau der Gurte und Steifen (Steifen
oberhalb des Wasserspiegels, um Taucherarbeiten zu vermeiden);
- (3) Freilegen der tragfähigen Bodenschicht
durch gegebenenfalls Aushub des nicht tragfähigen Bodens (kann auch im Nassbaggergebiet vor Phase 1 erfolgen: Aushubvolumen ist
größer, aber Nassbaggerei ist kostengünstiger
als Greiferbetrieb);
- (4) Einbringen von Unterwasserbeton im Kontraktorverfahren;
- (5) Lenzen der Baugrube; Reinigen und Abgleichen der Unterwasserbeton-Oberfläche;
Betonieren der Fundamentplatte und Umsteifen (Schrägsteifen);
- (6) Bau des Pfeilers; Abtrennen der Spundwand unter Wasser.
Die Spundwand dient also zunächst als Schalung
für den Beton und verbleibt in ihrem unteren Teil
als Kolkschutz im Boden.
Bild Q05.150: Bauphasen beim Gründen eines Brückenpfeilers in
einer Spundwandbaugrube
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.19
Q.5.1.9 Spundwand-Verankerungen
Bild Q05.160 gibt eine Übersicht über die verschiedenen prinzipiellen Möglichkeiten, Spundwände zu verankern:
- (a) Rückverhängung mittels Rundstahlanker,
der an einer hochliegenden Ankerwand oder platte befestigt ist: (Konstruktion toter Mann)
Die Lösung setzt voraus, dass das Erdauflager
sicher erhalten bleibt (Abgrabungen). Wenn
nicht besondere Forderungen dagegen sprechen, setzt man den Gurt auf die Erdseite der
Wand, so dass er die Nutzung auf der Luftbzw. Wasserseite nicht stört.
- (b) Befestigung des Ankers nach (a) an einem
Pfahlbock, wenn der obere Boden keine AnBild Q05.160: Verankerungen von Spundwänden
kerkraft aufnehmen kann: ist wirtschaftlich nur
vertretbar, wenn der Bock auch noch anderweitig genutzt werden kann (Aufnahme von
Vertikallast).
- (c) Wie (b), aber Ersatz des Ankers durch eine Stahlbetonplatte, so dass der Erddruck teilweise abgeschirmt wird
(meist bei Ufermauern mit Kranbetrieb).
- (d) Rückverhängung an Injektions-Zugankern
(siehe Vorlesung N, "Tiefgründungen, Pfähle
und Anker"), vor allem bei Baugruben angewendet. Die gebräuchlichen Ankerköpfe sind
für max. 30° Neigung ausgelegt.
- (e) Rückverhängung an einem maximal 1:1
geneigten Zugpfahl (SCHENCK, 1954). Kommt
für Dauerbauwerke und bei Baugruben im offenen Wasser in Frage, wo mit gleichen Geräten zuerst die Schrägpfähle, dann die Spundwand gerammt werden können.
- (f) Aussteifung durch Drucksteifen, die gegen
den Gurt verspannt werden (Keile, Pressen).
Konstruktion analog zu der in Bild Q05.80.
Kommt nur für langgestreckte Baugruben in
Frage.
Besonders schwierig und dementsprechend teuer
sind Unterwasser-Verankerungen, weil sie mit
Taucherhilfe eingebaut werden müssen. Da ein
Gurt unter Wasser praktisch nicht herstellbar ist,
muss jede Doppelbohle einzeln verankert werden.
Unterwasser-Anker lassen sich, etwa bei Fangedämmen, nicht immer vermeiden. Sie müssen
genügende Toleranzen in der Länge haben und
verstellbar sein, damit der Taucher sie in einfacher
Weise und unabhängig von den unvermeidlichen
Rammungenauigkeiten einpassen kann. Bild
Q05.170 zeigt zwei Beispiele von Unterwasserverankerungen (a) mit festem, (b) mit beweglichem Anschluss.
Bild Q05.170: Ankeranschlüsse unter Wasser (DORTMUNDHÖRDER HÜTTENUNION, 1960)
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.20
Q.5.2 Berechnung und Bemessung biegsamer Verbauwände
Q.5.2.1 Vorbemerkung
Alle Verbauwände müssen statisch berechnet und bemessen werden. Die Statik biegsamer Stützwände besteht aus der
Ermittlung des einwirkenden Erddrucks, der Auflagerkräfte (Anker, Steifen, Erdauflager), der erforderlichen Einbindetiefe,
den Spannungsnachweisen (Biegung + Normalkraft) für die Wand und - gegebenenfalls - der Bemessung der Anker bzw.
Steifen und evtl. Gurte.
An dieser Stelle, im Anschluss und im Zusammenhang mit Spundwandkonstruktionen, werden die Grundsätze der Berechnungen dargestellt. In den folgenden Abschnitten, in denen weitere Verbaukonstruktionen vorgestellt werden, sind
dann jeweils nur noch ergänzende, für die speziellen Konstruktionen zu berücksichtigende Angaben gemacht.
Für die Gebrauchstauglichkeit (Nachweis Grenzzustand GZ 2) müssen auch Verformungen abgeschätzt oder berechnet
werden. Dies betrifft vor allem die oberhalb einer Verbauwand liegenden Nutzungen, kann bei Baugruben ohne Arbeitsraum aber auch erforderlich sein, um das Lichtraumprofil sicherzustellen. Überlegungen zu Verformungen sind bereits
erforderlich, um die zutreffende Erddruckbelastung einer Wand ansetzen zu können. Bei sehr schlanken und hohen
Wänden muss evtl. das Maß der Durchbiegung berechnet werden, um das Zusatzmoment aus dem Biegestich (Theorie
2.Ordnung) nachzuweisen.
Es ergeben sich 3 charakteristische Verformungen:
- Die Wand biegt sich mit zunehmender Aushubtiefe durch, wobei die Biegelinie dem Aushub deutlich vorauseilt und
sich auch bei den Rückbauzuständen noch verstärkt;
- Der Boden hinter der Wand setzt sich; hier überwiegen Bodenbewegungen, wie sie zur Erddrucktheorie gehören
(Gleitkeil, der sich mit Wandbewegungen zur Baugrube hin nach unten bewegt) gegenüber einer "elastischen" Hebung aufgrund der Entlastung des Gesamt-Untergrundes infolge des Bodenaushubs.
- Der Boden innerhalb der Baugrube hebt sich, und zwar um so mehr, je weicher der Baugrund ist.
Bild Q05.180 zeigt das am Beispiel einer großen Baugrube in weichen Böden, die durch ein umfangreiches Messprogramm begleitet wurde. Bild Q05.190 zeigt für eine verankerte Wand, wie Verformungen mit dem Verhalten eines durch
Wand, Boden und Anker gebildeten Blocks erklärt werden können (siehe auch Q.3 ). Zusätzlich ist noch eine Zerrung zu
berücksichtigen, die im Übergangsbereich zwischen dem verankerten Bodenblock und dem erdseitig benachbarten Boden entsteht. Schlussfolgerung: möglichst große Verhältnisse L/h sind geeignet, Wandverformungen zu minimieren.
Bild Q05.180: gemessene Baugrubenverformungen (nach PECK, 1969)
Bild Q05.190: verankerte Verbauwand und verformter Bodenblock (WEBER, 1996)
Stützbauwerke und Verbau
Bild Q05.181a: Resultierende Verschiebungen bei
der Baugrube Hofgarten (tiefliegende Injektionssohle) in Berlin (aus FE-Analyse)
Seite
Q.21
Bild Q05.181b: Resultierende Verschiebungen bei
der Debis-Baugrube am Potsdamer Platz (Unterwasserbetonsohle) in Berlin (aus FE-Analyse)
Große tiefe Baugruben in Berliner Sanden in den 1990er Jahren wurden messtechnisch und numerisch intensiv untersucht. VERMEER / MARCHER (2000) gibt nach Analysen entsprechender Ergebnisse folgende Zusammenfassung:
Horizontalverformungen in der Größenordnung von 0,1 % der Aushubtiefe sind unvermeidlich und von 0,25 % auch bei
hohem Einsatz geotechnischer Maßnahmen realistisch. Charakteristische Verformungen von zwei Baugruben zeigen die
Bild Q05.181a und Bild Q05.181b.
Die wesentliche Besonderheit bei geotechnischen Bemessungsverfahren besteht darin, dass die aus Erddrücken bestehenden Einwirkungen und Widerstände von den Verformungen und Auflagerbedingungen des Wandsystems abhängig
sind.
Q.5.2.2 Einwirkungen: Erd- und Wasserdruck
Erddruckansatz: Viele Verbauwände können sich in einem ausreichenden Maß verformen, dass der Ansatz des aktiven
Erddrucks gerechtfertigt ist. Dies gilt auf jeden Fall für Spundwände und Bohlträgerwände. Dort wo es besondere Umstände erfordern (Setzungsrisiko einer Nachbarbebauung, empfindliche Leitungen), werden die Verformungen durch
verschiedene Maßnahmen möglichst minimiert und man rechnet mit einem erhöhten aktiven Erddruck (z.B. 25 %-, 50 %oder 75 %iger Zwischenwert zum Erdruhedruck). Mit dem Ansatz eines höheren Erddrucks an sich können Verformungen nicht reduziert werden, erst die sich als Folge eines derartigen Ansatzes ergebenden biegesteiferen Verbauwände,
größeren Ankerkräfte und längeren Anker tragen zur Verformungsreduzierung bei.
Bei Verbau in Böden oder Festgestein mit Kohäsion ergibt sich aus der Erddrucktheorie oft nur ein geringer und bei kleinen Tiefen eventuell gar kein Erddruck. Entsprechend den Empfehlungen des Arbeitskreises "Baugruben" (EAB, 2006) ist in derartigen Fällen ein Mindesterddruck anzusetzen, der sich aus einem
Erddruckbeiwert
Kagh = 0,2 bzw. unter gewissen Voraussetzungen
Kagh = 0,15 ergibt. Hier entsteht ein gewisser Widerspruch zur
Möglichkeit unverbauter Böschungen, die bei ausreichender Kohäsion mit einer Neigung bis zu 80° geböscht werden dürften.
Erddruckumlagerung: Durch das Vorspannen von Ankern oder
Steifen werden in eine Verbauwand Verformungen und
Kräfte eingeleitet, welche den Erddruck erheblich beeinflussen. Vor
allem werden Anker und Steifen beim typischen Arbeitsablauf von
oben nach unten eingebaut und vorgespannt, bevor hinter der
Wand der Erddruck wirkt, welcher der Berechnung der Ankerkräfte
zugrunde liegt. Dadurch werden die oberen Bereiche einer Verbauwand im Vergleich zum theoretischen Erddruck höher belastet.
Da weiterhin durch Wandreibung und nach Bildung vertikaler Gewölbe im Boden infolge vorgespannter Anker auch die vertikale
Spannung aus Bodeneigengewicht unmittelbar hinter der Wand
von σzz
= ·z abweichen kann, sind auch aus diesem Grund lokal
Bild Q05.200: Erddruckumlagerungen (EAB,
2006), siehe auch Bild P06.30
Seite
Q.22
Stützbauwerke und Verbau
horizontale Erddruckspannungen zu erwarten, die von
σxx = K··z abweichen. Insgesamt stellt sich somit hinter einer
vorgespannt gestützten Verbauwand ein Erddruck ein, der deutlich von theoretischen Erddruckverteilungen, wie sie in der
Vorlesung P, "Erddruck" aufgezeigt sind, verschieden ist. In der
Praxis berechnet man den Erddruck zunächst entsprechend den
theoretischen Ansätzen, verwendet danach aber bei der Bemessung der Konstruktionselemente vereinfachte Spannungsverteilungen, die so gewählt werden, dass sie entsprechend den o.g. Überlegungen den tatsächlichen Erddruckspannungen besser entsprechen. Bei diesem Schritt in der statischen Berechnung spricht man
von "Erddruckumlagerung". Die Form der Spannungsverteilungen
richtet sich dabei nach der Anzahl und Anordnung der Anker. In
verschiedenen Regelwerken, vor allem aber in der EAB gibt es
verschiedenartige Verteilungsansätze, siehe z.B. Bild Q05.200, die
aber dem Entwerfenden auch noch Ermessensspielräume belassen. Erste Überlegungen, dass bei abgestütztem Verbau zur VerBild Q05.210: Erddruckumlagerung (LEHMANN,
meidung einer Unterbemessung der oberen Steifen das theoreti1942)
sche Erddruckbild umgelagert werden sollte, gehen auf LEHMANN
(1942) zurück, Bild Q05.210.
Bild Q05.220: Verbauwand mit ihren Einwirkungen, Umlagerung
Bei unverankerten, frei auskragenden Wänden und bei hinterfüllten Konstruktionen - selbst wenn sie verankert sind werden keine Erddruckumlagerungen vorgenommen.
Anmerkung: Bei Spundwänden geht man gerne auch einen anderen Weg: statt den Erddruck umzulagern, werden das
Feldmoment und gegebenenfalls auch das Stützmoment aus den effektiven Erddruckspannungen (also Momente ohne
Anteil aus Wasserdruck) abgemindert (s. E77, EAU, 2004). Weitere Umlagerungen sind bei Spundwänden entsprechend
dem Traglastverfahren möglich: An Stützpunkten können sich Fließgelenke ausbilden, was zur Abminderung der Stützmomente bei gleichzeitiger Erhöhung der Feldmomente führt.
Mit Hilfe von Finite-Element-Berechnungen, die den Bauablauf einschließlich des Vorspannens von Ankern und Steifen
modellieren, lassen sich direkt Erkenntnisse zur Erddruckumlagerung ableiten.
Verformungen der Wand und Setzungen im Boden dahinter sind niemals ganz zu vermeiden, sondern allenfalls durch
eine größere Systemsteifigkeit zu vermindern. Hier gilt: Schlitzwände und Bohrpfahlwände sind steifer als Spundwände.
Weiter kommt es bei Verbauwänden, die erst nach dem Aushub ausgefacht werden (aufgelöste Pfahlwände, Trägerbohlwände) und bei Wänden, die erst nach dem Aushub abschnittsweise gestützt werden (Elementwände, vernagelte
Wand), zwangsläufig zu Entspannungen und zugehörigen Verformungen. Schließlich kann man bei sehr weichem Boden
überhaupt keine aufgelöste Verbauwand (Trägerbohlwand) mehr anwenden, weil der ungestützte Boden in die Baugrube
hineindrücken würde. Weitere wesentliche Verformungsanteile kommen aus den Systemen der Abstützung, siehe Abschnitt Q.3 und Bild Q05.180 in Abschnitt Q.5.2.1 .
Seite
Q.23
Stützbauwerke und Verbau
Am Anfang eines Entwurfs für einen Verbau steht daher an zentraler Stelle die Überlegung nach den zulässigen Verformungen, woraus sich das Verbausystem und die Belastungsansätze (erhöhter aktiver Erddruck, Umlagerungen) für die
Verbauberechnungen ergeben.
Ankervorspannung: Bei verankerten Baugrubenwänden werden
die Anker stets vorgespannt, allein, um die großen Dehnwege der
hochfesten Ankerstähle zu kompensieren. Hier sind Vorspannungen zwischen 70 % und 100 % gebräuchlich. Auch bei Steifen ist
eine Vorspannung möglich und sinnvoll. Hinsichtlich der Verformungen und Erddruckmobilisierung ist Folgendes zu beachten
(Bild Q05.230): solange eine Steife / ein Anker noch nicht eingebaut und vorgespannt ist, dient der Boden auf der Luftseite als
Auflager, und der bergseitige Boden wird sich (Zustand "A") entspannen. Dabei bewegt sich die Wand zur Luftseite. Zwischen
Wand und Boden wirkt eine Erddruckkraft Ea. Eine Vorspannung
(hier bei einer Steife z.B. 80 % der Gebrauchslast, die sich auf den
Endzustand bezieht) führt zu einer Erddruckerhöhung hinter der
Wand über den Erdruhedruck hinaus. Bei dieser Teilmobilisierung
Bild Q05.230: Erddruckentwicklung beim Aushub
von Erdwiderstand entstehen gegen den Boden gerichtete Verforeiner
Baugrube und Einbau einer vorgespannten
mungen der Wand, die häufig erdseitig über den Nullzustand hinSteife
ausgehen. Die Vorspannung schafft eine Reserve A-B in der Bodenreaktion. Bei weiterem Aushub der Baugrube wird diese Vorspannung im Korngerüst abgebaut, wobei die Scherbeanspruchung einen deutlichen Abstand vom Grenzzustand (aktiver
Erddruck) aufweist. Bei Erreichen der Aushubtiefe zA liegt der Erddruck (der in der Summe vom Erdauflager und der
Steife aufgenommen wird) beim Punkt "D" noch oberhalb des aktiven Erddrucks. Auch die Gesamtverformungen der
Wand sind gegenüber einem aktiven Entspannungszustand reduziert.
Der Erddruck wird nach DIN 1054:2005 stets mit charakteristischen Werten der Scherfestigkeit berechnet. Erst aus
dem derart ermittelten einwirkenden Erddruck werden mit Hilfe von Teilsicherheitsbeiwerten die für Bauteilbemessungen
maßgebenden Bemessungsgrößen der Einwirkungen errechnet. Dabei wird der Erddruck aus Bodeneigengewicht und
infolge ständiger Auflasten als ständige Einwirkung behandelt, der Erddruck infolge von Verkehrslasten als veränderliche
Einwirkung (mit anderem Teilsicherheitsbeiwert). Bei einer Bemessung mit Erdruhedruck gelten andere Partialsicherheitswerte als bei einer Berechnung mit dem aktiven Erddruck. Wasserdruck ist stets mit den Teilsicherheitsbeiwerten
für ständige Lasten zu berücksichtigen, auch wenn es sich um veränderliche Wasserdrücke handelt.
Eine Wasserströmung um eine Verbau- oder Stützwand herum infolge unterschiedlicher Wasserstände vor und hinter
der Wand hat eine horizontale und eine senkrechte Wirkung.
- Die horizontale Wirkung kann entweder, vereinfacht und sehr
auf der sicheren Seite, durch Ansatz des hydrostatischen Wasserüberdrucks erfasst werden (Bild Q05.240) oder zutreffend
durch Bestimmung des Strömungsdrucks aus einem Stromliniennetz, siehe auch Kapitel G, "Wasser im Baugrund". Dort
findet sich auch eine gute Näherungslösung (EAU 114).
- Die senkrechte Wirkung des Wasserüberdrucks wird erfasst,
indem die Auftriebswichte
' des Bodens auf der aktiven Seite
um den Strömungsdruck i·w (i = hydraulisches Gefälle) auf
'a erhöht (Bild Q05.240), auf der passiven Seite auf 'p verringert wird.
-
Bild Q05.240: Wasserdruckverlauf bei umströmter Spundwand
Außerdem ist die Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch zu
prüfen, siehe Kapitel G, "Wasser im Baugrund". Falls sie nicht
ausreicht, muss man entweder talseitig einen Auflastfilter aufbringen oder die Wand tiefer einbinden.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.24
Q.5.2.3 Statisches System: an Ankern, Steifen und im Erdauflager gestützter Balken / Träger
Q.5.2.3.1 Allgemeines
Im Regelfall werden Verbausysteme hinsichtlich ihrer Biegebeanspruchung in der vertikalen Richtung als (mehrfach) gestützte Träger behandelt. Dabei werden die Anker und Steifen als starre Auflagerpunkte behandelt. Dies ist für die Bemessung der Wände und
die Ermittlung der Auflagerkräfte wohl ausreichend genau. Bei
Verformungsbetrachtungen müssen darüber hinaus aber auf jeden
Fall auch die gekoppelten Baugrundverformungen betrachtet werden, die oft ein Mehrfaches der Biegeverformungen der Wand
betragen.
Die unterste Stützung einer Verbauwand ist in der Regel das ErdBild Q05.250: Erdauflager
auflager. Das Erdauflager kann als gebettetes System betrachtet
werden oder es werden die erwarteten Bodenreaktionen gedanklich zu einem punktuellen Auflager mit einer resultierenden Kraft zusammengefasst. Bei tiefer Einbindung in den Boden
unterhalb der Aushubsohle kann auch eine Einspannwirkung vorhanden sein und rechnerisch berücksichtigt werden.
Als Alternative zu Verbauberechnungen in Form einfacher Balkenstatik können Finite-Element-Berechnungen als ebene
Verformungsberechnungen durchgeführt werden. Hier werden Bodenelemente und Balkenelemente miteinander gekoppelt. Mit Hilfe von Interface-Elementen werden Schubbeanspruchungen und Relativverformungen in der Ebene zwischen
Wand und Boden ermöglicht. Bei zutreffender Modellierung des Bodens mit seinen Eigenschaften (Scherfestigkeit, spannungsabhängige Steifigkeit) sowie des Bauablaufs (Einbau der Wand, schrittweiser Aushub, Einbau und Vorspannen von
Ankern und Steifen) können Erddrücke, Verformungen, Auflagerkräfte und Wandbiegebeanspruchungen gekoppelt miteinander berechnet werden.
Q.5.2.3.2 Berechnung des Erdauflagers als elastisch gebettetes System
Verbauwände werden in der Regel unterhalb der Baugrubensohle in den Baugrund eingebunden und finden dort ein
Erdauflager. Es entsteht dadurch, dass auf einer Fläche Reaktionsspannungen wirksam werden, wobei zugehörig Verformungen entstehen. Die Reaktionsspannungen sind mobilisierter passiver Erdruck, wobei der Umfang der Mobilisierung
in jeder Tiefe verschieden sein kann. Grundsätzlich lässt sich diese Art der Auflagerung in der Statik mit elastischer
Bettung modellieren, was bei EDV-gestützten Verbauberechnungen mit modernen Programmen auch angeboten wird.
Die zutreffende Bestimmung eines Bettungsmoduls ist jedoch aus folgenden Gründen sehr schwierig:
- An der Baugrubensohle führen bereits sehr kleine Verschiebungen zum Erreichen der passiven Erddruckspannung,
die hier zudem sehr klein ist. Hier ist daher ein Bettungsmodul von fast 0 anzusetzen.
- Der Bettungsmodul wächst mit zunehmender Tiefe, da mit der gleichen Verschiebung mit zunehmender Tiefe zunehmende Erddruckspannungen mobilisiert werden können. Er ist also über die Einbindetiefe nicht konstant.
- Der Bettungsmodul ist vom Beanspruchungsniveau abhängig. Bei Spannungen in der Nähe der Erdwiderstandsspannungen lassen sich mit zunehmender Verschiebung
kaum noch zunehmende Spannungen mobilisieren.
Üblicherweise wird in grober Näherung bei EDV-Berechnungen dennoch ein konstanter Bettungsmodul für die
Verbauwand im Bereich des Erdauflagers angesetzt,
wobei jedoch iterativ der Bettungsmodul im Bereich
unmittelbar unter der Baugrubensohle lokal derart abgemindert wird, dass die sich aus der Berechnung ergebende Reaktionsspannung den passiven Erddruck an
keiner Stelle übersteigt. Dabei ist es üblich, auf den
oberen 1 m bis 3 m unterhalb der Baugrubensohle den
Bettungsmodul linear oder parabolisch von 0 auf den in
Bild Q05.260: Ansatz der Bettung im Erdauflager
der Tiefe konstanten Wert ansteigen zu lassen (Bild
Q05.260).
Seite
Q.25
Stützbauwerke und Verbau
Als erster Ansatz zur Ermittlung von Bettungsmoduln lässt sich die Mobilisierungsfunktion P09.10 im Abschnitt P.9 der
Vorlesung P, "Erddruck", auswerten. In der Tiefe z führt danach die Verschiebung v an einer gegen den Boden verschobenen Wand zu einer Erddruckänderung
 xx    z  (K ph  K 0 ) 
v/z
.
a  v/z
Dividiert man diese Spannungsänderung durch die Verschiebung v, dann erhält man als Verhältniswert zwischen Spannungsänderung (ausgehend vom Erdruhedruck) und Verschiebung einen Bettungsmodul. Die Gesamterddruckspannung
ergibt sich aus der Erdruhedruckspannung zuzüglich der durch Verschiebungen mobilisierten "Bettungsspannung". Für
kleine Verschiebungen
v  0 ergibt sich nach dieser Definition als Bettungsmodul ks = (Kph – K0)· / a. Mit zu-
nehmenden Verschiebungen v wird der Bettungsmodul zunehmend kleiner, da bei Annäherung an den Grenzzustand
trotz wachsender Verschiebungen keine zusätzlichen Spannungen mehr geweckt werden können. Eine sich so ergebende Größenordnung für Bettungsmoduln, die im Zusammenhang mit der Mobilisierung von Erdwiderstand zutreffen, ist
3
z.B. für einen mitteldicht gelagerten Sand (Reibungswinkel  = 37,5°) mit  = 19 kN/m ,
K0 = 0,39 und Kph = 12 sowie
mit a = 0,04 ein Bettungsmodul von ks = 5,5 MN/m . In bindigen Böden und in locker gelagerten nichtbindigen Böden
sind entsprechend geringere Werte zu erwarten.
3
Reaktionsspannungen, also Erddruckverteilungen, welche gleichzeitig die Gleichgewichtsbedingungen eines Gesamtsystems erfüllen, und bei denen die mobilisierten Erdwiderstandsspannungen über eine Mobilisierungsfunktion mit der Biegelinie der Wand zusammenpassen, können nur
iterativ ermittelt werden.
Definiert man die Bettungsspannungen nicht als
Zuwachs gegenüber dem Erdruhedruck, sondern
definiert als Bettungsmodul das Verhältnis der
Gesamtspannungen zu den Verformungen, so
ergeben sich höhere als der o.g. Wert. Nochmals
höhere Bettungsmoduln lassen sich abschätzen,
wenn man berücksichtigt, dass aufgrund der Situation vor dem Aushub eine Vorbelastung im Bereich
des Erdauflagers besteht. Diese führt dazu, dass
zum Erreichen eines Erdwiderstandes als Reaktionsspannung im Fußauflager kleinere Erddruckänderungen entstehen als bei einer "klassischen"
Situation einer Erdwiderstandsmobilisierung ausgehend vom Erdruhedruck (Bild Q05.270). Die
Vorbelastung reduziert die Verformungen, die zur
Erdwiderstandsmobilisierung erforderlich sind.
Auch die EAB (EB 102), siehe Bautechnik, Feb.
2003, macht hierzu Angaben.
Bild Q05.270: Erdwiderstandsmobilisierung mit vergleichsweise
geringen Verformungen nach Vorbelastung
Q.5.2.3.3 Berechnung eines punktuellen Erdauflagers
Traditionell und auch heute noch üblich ist, das Erdauflager für die Biegebemessung einer Verbauwand als punktuelles
Auflager zu idealisieren. Dabei wird zwischen einer freien (frei verdrehbaren) Auflagerung und - bei zunehmender Einbindetiefe - einer teilweisen und schließlich vollständigen Einspannung unterschieden. Von einer Volleinspannung wird
dann ausgegangen, wenn unter Annahme von - auf der gesamten Höhe gleichmäßig - mobilisierten Erdwiderstandsspannungen diese dazu führen, dass die Biegelinie der Wand an ihrem Fuß eine vertikale Tangente erreicht. Stark abweichend von der Realität wird bei diesen Berechnungen davon ausgegangen, dass die erforderlichen Erdwiderstandsspannungen ohne Verformungen auftreten und gleichmäßig mobilisiert werden. Es werden also horizontal unverschiebliche Lager angenommen und die Verformungen resultieren allein aus den Verformungen des Wandmaterials.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.26
Hinsichtlich des Ansatzes eines punktuellen freien Auflagers mit einer in einer Tiefe konzentrierten Fußauflagerkraft sind die in kleinmaßstäblichen Versuchen von
ROWE (1952) gemessenen Reaktionsspannungen (Bild
Q05.280) hilfreich. Sie zeigen, dass bei einem tiefliegenden Drehpunkt die maximal möglichen Erdwiderstandsspannungen an der Geländeoberfläche in stärkerem Umfang mobilisiert werden als in größerer Tiefe.
Aus diesem Grund setzt man die Tiefenlage der Resultierenden nicht im unteren Drittelspunkt an, wie dies der
klassischen Erddruckverteilung entspricht, sondern etwas
höher, in einem Punkt bei 0,6·t (t = Einbindetiefe) (Bild
Q05.290).
Bild Q05.280: Versuchsergebnisse mit einer 61 cm hohen
Stahlplatte in Sand (ROWE, 1952)
Q.5.2.4 Einwirkungen an den Stützpunkten und im
Erdauflager, zugehörige Widerstände
Die Auflagerkräfte, die sich aus der Balkenstatik oder
einer FE-Berechnung ergeben, sind als Einwirkungen auf
die Anker bzw. Steifen und auf den Boden am Wandfuß
zu betrachten. Sie werden daher getrennt für ständige und
veränderliche Erddrucklasten ermittelt und mit den zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerten erhöht. Falls am Erdauflager Spannungen errechnet werden (aus Berechnung
eines elastisch gebetteten Systems oder aus einer FEBild Q05.290: Erddruckverhältnisse im Bereich Erdauflager
Berechnung), sind diese als resultierende Kraft zusammenzufassen. Dann ist zu vergleichen, ob diesen Bemessungs-Einwirkungen ausreichende Bemessungs-Widerstände entgegenstehen (Ausziehwiderstand eines Ankers, Bruchwiderstand eines Ankerstahls, Widerstand im Erdauflager, jeweils dividiert durch die zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerte).
Zur Berechnung der Einwirkungen werden die Abmessungen (vor allem die Einbindetiefe) zunächst geschätzt. Im nächsten Schritt wird geprüft, ob die mit diesen Abmessungen möglichen Widerstände ausreichend groß sind. Evtl. sind Iterationen erforderlich.
Q.5.2.5 Widerstand im Erdauflager
Freie Auflagerung: Der Bemessungs-Einwirkung im Erdwiderlager am Fuß der Wand muss ein mindestens gleich großer Bemessungs-Widerstand am Erdwiderlager gegenüber gestellt werden können. Er ergibt sich aus dem Erdwiderstand, dividiert durch den zugehörigen Teilsicherheitsbeiwert. Zusätzlich kann es erforderlich sein, den Erdwiderstand
darüber hinaus abzumindern, um die Verformungen des Fußauflagers zu begrenzen. Hierzu ist in DIN 1054:2005 ein
Reduktionsfaktor  vorgesehen, siehe Bild Q05.290.
Die Einspannung einer Stützwand im Boden kann nur dadurch zustande kommen, dass ein Kräftepaar wirksam wird,
also zusätzlich zum Erdwiderstand auf der Luftseite der Baugrubenwand am Fußpunkt,eine gegengerichtete Kraft verfügbar ist, was entsprechend den physikalischen Vorgängen bei der Erddruckmobilisierung eine Verschiebung zur Bergseite hin erfordert. Das heißt, die Wand muss in Fußnähe einen Drehpunkt haben. Entsprechend dürfte die waagerechte
Reaktionsspannung einer im Baugrund eingespannten Verbauwand also den in Bild Q05.300 skizzierten Verlauf haben.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.27
Berechnungen, die diesen Verlauf berücksichtigen,
wurden bereits in Abschnitt N.4.1.7 der Vorlesungseinheit N, "Tiefgründungen, Pfähle und Anker" sowie Abschnitt P.13 der Vorlesung P,
"Erddruck" vorgestellt. Sie gehen in ihrer Art zurück
auf das Verfahren von BLUM (1931), welches bis
heute in der Praxis angewandt wird: Erddruck und
Erdwiderstand werden nach Coulomb berechnet.
Zwischen der Baugrubensohle und dem Drehpunkt
der eingespannten Stützwand wird die Differenz
aus dem (teilmobilisierten) Erdwiderstand Eph' und
dem aktiven Erddruck als Stützkraft zur Bergseite,
darunter als Stützkraft zur Luftseite, angesetzt (Bild
Q05.310).
Der Erdwiderstand ist wegen der hohen Vertikalspannungen auf der Bergseite am Fuß der
Wand so groß, dass - Bild Q05.300 - er zu einer
Ersatzkraft C im Drehpunkt näherungsweise zusammengezogen werden kann. Die erforderliche
Einbindetiefe ergibt sich aus dem Momentengleichgewicht im Drehpunkt. Zur Aufnahme der
Kraft C, die in das Momentengleichgewicht nicht
eingeht und sich aus dem Gleichgewicht der horizontalen Kräfte ergibt, wird eine zusätzliche Tiefe
∆t erforderlich.
Bild Q05.300: tatsächlicher Erddruckverlauf bei einer eingespannten Verbauwand
Q.5.2.6 Nachweis der vertikalen Kräfte
Die vertikale Stützkraft wird als statisch bestimmt
angesehen, weil die Anker und Steifen bei einer
virtuellen senkrechten Verschiebung im Allgemeinen keine mechanische Arbeit leisten. Es ist nachzuweisen, dass das Gleichgewicht der vertikalen Kräfte möglich ist. Hier sind Mantelreibung
und Spitzenwiderstand von Wänden bzw. Pfählen
als Widerstand verfügbar. Es ist zu beachten, dass
die Richtungen und Größen dieser Kräfte nicht im
Widerspruch stehen zu denjenigen aus den Ansätzen des Erddrucks hinter und vor der Wand.
Vor allem bei vergleichsweise kleinen vertikalen
Kräften muss nachgewiesen werden, dass die
nach unten wirkenden Kräfte ausreichend groß
sind, um die Vertikalkomponente des Erdwiderstands zu rechtfertigen. Wenn man hier in der
Folge einen kleineren Wandreibungswinkel ansetzen muss, führt dies zu einem kleineren Erdwiderstandsbeiwert und damit zu größeren Wandeinbindetiefen.
Bild Q05.310: System, in statischer Berechnung angesetzte
Spannungen und Momentenverlauf bei ungestützter, im Boden
eingespannter Wand (EAB, 1994)
Bild Q05.320: Kräfte beim Nachweis des vertikalen Gleichgewichts
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.28
Q.5.2.7 Grafische Ermittlung der Biegemomente und Kräfte
Die Biegebeanspruchungen von Wänden, die statisch bestimmt oder einfach statisch unbestimmt gelagert sind, können
mit Hilfe des Seileckverfahrens anschaulich ermittelt werden. Auch wenn derartige Verfahren heute in der Praxis keine
große Bedeutung haben, da leistungsfähige EDV-Programme zur Verfügung stehen, ist das vorgestellte Verfahren (übertragen von SZÉCHY, 1965) gut geeignet, den Einfluss verschiedener Auflagerbedingungen darzustellen. Auch kann man
so unabhängig und anschaulich nachvollziehbar EDV-Berechnungen überprüfen.
Das verwendete Seileckverfahren ist ein grafisches Integrationsverfahren auf der Grundlage der Analogie zwischen Seilkurve und elastischer Linie:
(Bild Q05.330):
M(z) = - E · I · vx" (vx- waagerechte Wandverschiebung). Man geht folgendermaßen vor
Bild Q05.330: Ermittlung der Biegebeanspruchung einer Verbauwand mit dem Seileckverfahren für 3 Auflagerbedingungen:
a) Wand frei auskragend,
b) + c) Wand bei A gestützt, dabei c) im Boden eingespannt, b) im Boden frei aufgelagert
(Die Reaktionskräfte im Krafteck sind aus Gründen der Übersichtlichkeit versetzt gezeichnet. Die Reaktionskraft 12
sowie die das Krafteck schließende Kraft C, die zur Schlusslinie "frei auskragend" gehören, sind nicht dargestellt.)
-
-
Im Lastbild werden alle resultierenden Spannungen (Erddruck und Wasserdruck) dargestellt. Dabei sind die einwirkenden Lasten um den Lastarten und Lastfällen zugeordnete Teilsicherheitsfaktoren zu erhöhen, die Widerstände
(Erdwiderstand im Auflagerbereich) um entsprechende Teilsicherheitsfaktoren zu vermindern.
Die Fläche der Lasten und Reaktionsspannungen wird in Höhenabschnitte unterteilt.
In den - grob geschätzten - Schwerpunkten der Lastabschnitte werden die Teillasten F1, F2 ... als Ersatz-Einzellasten
angebracht.
Es wird ein Polplan / Krafteck vorbereitet. Der Pol liegt etwa mittig über den Kraftvektoren, die genaue Lage spielt
keine Rolle. Der Abstand zwischen Pol und den Kraftvektoren bestimmt den Maßstab der Momente im Seileck. Der
H im gleichen Maßstab wie die Kraftvektoren F1, F2 ... interpretiert. Die später aus dem Seileck abzugreifenden Momente ergeben sich aus den Längenmaßen m (siehe z.B. m1 und m2) unter Berücksichtigung
des gleichen Längenmaßstabes wie bei den Tiefen durch Multiplikation mit der Kraft H ( M = H · m ).
Die Teillasten F1, F2 ... werden in das Krafteck eingetragen und Verbindungslinien zum Pol gezeichnet (Seilstrahlen).
Abstand wird als Kraft
-
Das Seileck wird aus Parallelen zu den Seilstrahlen im Polplan gezeichnet.
Entsprechend der gewählten Auflagerbedingungen können drei verschiedene Schlusslinien gezogen werden.

Die Verlängerung der Seillinie 0 bis in den Fußbereich der Wand, wo sie wieder eine Seillinie schneidet
(Im Beispiel die Seillinie 12). Diese Schlusslinie gilt für die Auflagerungsbedingung einer frei auskragenden Wand ohne Stützung durch Anker oder Steifen. Die Wand muss zur Erfüllung dieser Randbedingung bis zur Tiefe dieses unteren Schnittpunktes geführt werden.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.29
Die zwei folgenden Schlusslinien sind geknickt. Der Knickpunkt liegt auf der Verlängerung der Seillinie 0 auf der Höhe
der Stützkraft A; (Da oberhalb die Kräfte und Momente noch sehr klein sind, ist der Knickpunkt im Beispiel sehr
schlecht zu erkennen).

Die Schlusslinie für gelenkige Auflagerung im Boden ist die Tangente an die Seillinie im Fußauflagerbereich (im Beispiel am Knickpunkt der Seillinien 9 und 10). Bei tieferreichender Wand würden bei voller
Nutzung der Erdwiderstandskräfte schon Kräfte wirken, welche die Wand rückdrehen, man hätte eine
Teileinspannung.

Die Schlusslinie für eine Einspannung im Boden schneidet die Wand in der Tiefe, in der ihre Biegelinie
eine vertikale Tangente aufweist. Da durch Aufintegrieren der Momentenlinie die Wandverformungen
ermittelt werden können, lässt sich diese Tiefe durch Überlegungen im Seileck bestimmen (Summe der
statischen Momente der Biegemomentenflächen um den Punkt A muss 0 sein. Die Bedingung lautet
dann (Ansatz von Parabelflächen): 2/3·m1·L1·s1
grob zu erfüllen.
– 2/3·m2·L2·s2 = 0. Es genügt, diese Bedingung
Der Schnittpunkt dieser Schlusslinie mit dem Seileck liefert die erforderliche Einbindetiefe u+x noch
ohne Berücksichtigung eines Zuschlags für Fußauflagerkraft C nach Blum, siehe oben.
Die tatsächlich erforderliche Einbindetiefe ist daher t = u + x + C/(2ep), wo ep die Erdwiderstandsspannung in Höhe des Angriffspunkts
von C ist. Meist genügt es, ohne Nachrechnung
t = u + 1,2·x zu nehmen.
Die Größe der Stützkräfte A und C bekommt man, indem man
die Schlusslinie in das Krafteck überträgt, siehe Bild Q05.330.
Im Beispiel sind diese Kräfte nur für den Fall der gestützten
Wand mit Fußeinspannung eingetragen.
Rechnet man das gleiche Beispiel mit Umlagerung des aktiven
Erddrucks (nicht des Wasserdrucks!) oberhalb des Lastnullpunkts
in ein Rechteck (Bild Q05.340), so ergeben sich um gut 10 %
kleinere Biegemomente und eine um etwa 20 % größere Stützkraft
A. Diese Umlagerung entspricht dem vereinfachten Erddruckansatz bei ausgesteiften Spundwänden und Ortbetonwänden nach
Abschnitt 6.3 der EAB (1994). Entsprechend diesen Empfehlungen
müsste dann darüber hinaus noch eine zusätzliche Erhöhung der
Ankerkraft um etwa 20 % und eine Feldmomentabminderung um 9
% vorgenommen werden, was etwa eine Verdoppelung der Umlagerungsauswirkung bedeutet. Dieses Beispiel zeigt, dass es sinnvoll ist, die Umlagerungen genau anzuschauen und zu hinterfragen.
Bild Q05.340: Lastansatz aus Bild Q05.330 mit
Umlagerung des angreifenden Erddrucks in ein
Rechteck
Q.5.2.8 Analytische Ermittlung der Biegemomente und Kräfte
Bei mehrfach gestützten biegsamen Stützwänden sind grafische Verfahren entweder umständlich oder überhaupt nicht
mehr anwendbar. Die Wand wird dann - aber auch in einfachen Fällen bei Verwendung von verfügbaren EDVProgrammen - auf numerisch / analytischem Wege untersucht und als vertikaler (bzw. geneigter) Durchlaufträger über
mehrere Stützen nach den Regeln der Stabstatik berechnet, auf die hier nicht eingegangen wird.
STARKE (1979) hat Nomogramme zur Berechnung von Trägerbohlwänden und Spundwänden veröffentlicht, die analytische Berechnungen "von Hand" ermöglichen.
Man sollte die Leistungsfähigkeit der EDV-Programme, die es einfach machen, durch Variation aller möglichen Freiheitsgrade Optimierungen vorzunehmen, nicht im Hinblick auf das Ziel einer möglichst weitgehenden Minimierung des Materialeinsatzes nutzen. Dies führt zu ausgehungerten Konstruktionen mit großen Träger- und Ankerabständen und sehr geringer Toleranz gegenüber Abweichungen bei der Ausführung und Variationen der Baugrundsituation. Derartiges Vorgehen hat schon mehrfach zu Schäden mit weitreichenden Folgen geführt.
Da die Verteilung des Erddrucks über die Höhe mit zunehmender Anzahl der Stützpunkte immer weniger vorherzusehen
ist, sollte man stets prüfen, wie sich eine Veränderung der Höhe des Angriffspunktes der Lastresultierenden zwischen
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.30
dem Wert nach der Erddrucktheorie und der halben Wandhöhe auf die Schnittgrößen auswirkt. Zusatzdrücke infolge von
Vorspannmaßnahmen müssen dabei als Zusatzdreieck am Krafteinleitungspunkt getrennt erfasst werden. Um Schäden
bei Verbausystemen zu vermeiden, sind eingrenzende Berechnungen und konstruktive Verstärkungsmaßnahmen besser
geeignet als Diskussionen über Umlagerungsfiguren mit eventuell willkürlichen Entscheidungen. Welche Umlagerung
tatsächlich zutrifft und die richtige ist, wäre allenfalls durch aufwändige Erddruckmessungen zu belegen. Hier wird deshalb auch darauf verzichtet, die vielen Regelungen zu Umlagerungen in der EAB wiederzugeben.
Bei weichen bindigen Böden und sehr locker gelagerten nichtbindigen kann auf eingrenzende Lastumlagerungen verzichtet werden (Erddruckermittlung ohne Umlagerung mit entweder
cu; u = 0 oder c' = 0; ').
Es ist wichtig, bei den analytischen Berechnungen die Verformungen genau zu betrachten und sich klar zu machen, welche Einflüsse in errechneten Verformungen erfasst und vor allem, welche nicht erfasst sind. Hier wird vor allem auf die
tradierte Berechnung von Wänden hingewiesen, bei der das Erdauflager als unverschieblich betrachtet wird. Derartige
Ansätze finden auch in weit verbreiteten und gebräuchlichen EDV-Programmen Verwendung. Die Programme errechnen
dann Verformungen und stellen sie übersichtlich dar, sie resultieren aber nur aus der Biegung des Wandmaterials und
sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit! Die Einflüsse auf die Bemessung der Profile, Wandstärken, Bewehrung, Ankerkräfte etc. sind zwar gering, eine Beurteilung der Auswirkungen auf die Nachbarschaft ist aber nicht möglich.
Um zutreffende Aussagen zu Verformungen bei Verwendung von Modellen der Stabstatik zu finden, muss zumindest im
Bereich der Fußauflagerung die Verformung des Bodens zur Weckung des erforderlichen mobilisierten Erdwiderstandes
erfasst werden. Hierzu sind variable Bettungsmoduln zu ermitteln siehe Abschnitt Q.5.2.3.2 . Darüber hinaus sind außerhalb der in der Stabstatik zugänglichen Ansätze Verformungen zu berücksichtigen, die sich aus der Wirkung von Ankern
ergeben, siehe Abschnitt Q.3 .
Über analytische / numerische Verfahren der Stabstatik hinaus ist es möglich und zunehmend gebräuchlich, Verbausysteme, also alle Konstruktionselemente einschließlich des beteiligten Baugrunds, mit numerischen Verfahren der Kontinuumsberechnung zu untersuchen. Hier wird auf leistungsfähige Finite-Element-Programme verwiesen, die den Boden
auch unter Berücksichtigung seiner nichtlinearen Eigenschaften modellieren können.
Die Anwendung von EDV-Programmen zur Berechnung von Verbauwänden, auch mit der Methode der Finiten Elemente,
wird für Vertiefer- und Masterstudierende in der Wahlvorlesung "Numerische Anwendungen in der Geotechnik" behandelt.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.31
Q.5.3 Schlitzwand
Q.5.3.1 Ausbildung und Herstellung
Spundwände können nach Fertigstellung wasserundurchlässige Wände großer Höhe und mit hoher
Belastbarkeit bilden.
Sie bestehen aus Stahl-Fertigteilen. Die Alternative
dazu als Ortbeton-Lösung ist die Zwei-PhasenSchlitzwand. Auch sie bildet homogene, großflächige, sehr belastbare, wasserundurchlässige
Wände. Mit Schlitzwänden können größere Tiefen
erreicht und größere Biegemomente aufgenommen werden als mit Spundwänden. Die Herstellung ist mit geringeren Lärm- und Erschütterungsemissionen verbunden. Biegeverformungen von
Schlitzwänden sind kleiner als die von Spundwänden. Schlitzwände sind jedoch teurer und allenfalls
mit enormem Aufwand wieder zu beseitigen. Hinsichtlich der Verankerungen im Wandkopfbereich
und der Einspannung / Auflagerung des Wandfußbereiches im Boden sind Spundwand und Schlitzwand einander sehr ähnlich.
Zu ihrer Herstellung (Bild Q05.350) werden mit
Greifern oder Fräsen tiefe Schlitze mit Dicken
zwischen typischerweise 0,6 m und 1,2 m und
Lamellenlängen zwischen 2 m und 8 m (letztgenannte Breite in mehreren Stichen) ausgehoben.
Die Dicke richtet sich nach statischen Bedürfnissen, der herzustellenden Tiefe (Kompensation von
Lotabweichungen) und der Gerätetechnik. Da die
Schlitze (meist, auch Führung über Kellystange
möglich) im Seilbetrieb erstellt werden, lassen sich
sehr große Tiefen (bereits über 100 m tief ausgeführt) erreichen. Damit sie - zumal in nichtbindigen
Böden und im Grundwasser - nicht einstürzen,
müssen sie gestützt werden. Zur Stützung werden
die Schlitze mit einer besonderen Flüssigkeit gefüllt gehalten. Üblich ist die Verwendung von Bentonit-Suspension, inzwischen gibt es aber auch
Stützflüssigkeiten mit polymeren Stabilisatoren.
Bentonit-Suspension (Bentonite sind Tone mit
Bild Q05.350: Herstellen einer Zwei-Phasen-Schlitzwand
einer besonderen Art von Tonmineralen, die sehr
(Werkbild BAUER AG, Schrobenhausen)
viel Wasser binden können, siehe Vorlesungseinheit C, "Elementare Bodeneigenschaften") hat die
Eigenschaft (Thixotropie), dass sie, sobald sie in Ruhe steht, gelartig stabil wird. Trotz des im Schlitz gegenüber dem
Boden und dem Grundwasser wirkenden hydrostatischen Überdrucks fließt die Suspension dadurch auch in durchlässigen Böden nicht ab und kann ihn daher wirkungsvoll stützen. (gilt nicht mehr in sehr stark durchlässigen Kiesen). Vielmehr bildet sich im Boden neben dem Schlitz ein stabilisierender Filterkuchen aus (geliertes Bentonit), dessen Dicke
(Stagnation) von der Durchlässigkeit des Bodens abhängt. Wird die Suspension durch größere Scherkräfte beansprucht,
verhält sie sich flüssig. Der Greifer kann also in der Tonsuspension ungehindert arbeiten.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.32
Zur Herstellung und Aufbereitung der Suspension
und zur Separierung von aus dem Schlitz gefrästen Material aus der Suspension ist eine vergleichsweise aufwändige Baustelleneinrichtung
erforderlich, die den Einsatz von Schlitzwänden
nur für größere Maßnahmen wirtschaftlich macht
(Bild Q05.360).
Der obere Teil des Schlitzes wird durch sogenannte Leitwände (Bild Q05.370) stabilisiert, welche
etwa 1 m tief reichen und auch der Führung des
Aushubwerkzeugs dienen. Eingesetzte Greifer
können hydraulisch oder durch Seilzug geschlossen werden. Bei gefrästen Schlitzen dient die Bentonitsuspension zusätzlich zum Stützen auch zur
Materialförderung: es wird ein stetiger Flüssigkeitsstrom erzeugt, der das gefräste Material zur Oberfläche fördert.
Bild Q05.360: Baustelleneinrichtung zur Herstellung einer
gefrästen Schlitzwand (Werkbild BAUER AG, Schrobenhausen)
Nach fertigem Aushub eines Schlitzes (Primärlamelle) werden in die Arbeitsfugen zu den benachbarten Schlitzen Abschalelemente (z.B. Rohre)
eingestellt, mit deren Hilfe (nach ihrem Ziehen) die
Lamellen später kraftschlüssig (gelenkig) und wasserundurchlässig miteinander verbunden werden
können. Das Schlitzwandgerät setzt zur übernächsten Lamelle um, die zwischenliegenden
Sekundärlamellen werden erst nach dem Abbinden
des Betons der Primärlamellen ausgehoben. Es
bestehen auch Methoden, Abschalelemente als
besondere Dichtungselemente auszubilden und in
der Wand zu belassen. Das Problem dabei ist die
sichere Verwahrung der Dichtungen beim Aushub
der Sekundärlamellen. Ein Beispiel zeigt Bild
Q05.380.
Bild Q05.370: Herstellen einer Schlitzwand
In den Schlitz kann ein Bewehrungskorb mit Aufstandselementen und Abstandhaltern eingestellt
werden. Rohrdurchlässe für spätere Anker werden
in den Bewehrungskorb eingeflochten, außerdem
wird die Bewehrung an den Krafteinleitungspunkten verstärkt. Eine Anschlussbewehrung für die
Sohle und Querwände ist in beschränktem Umfang
ausführbar: Dazu werden Stäbe bei der Herstellung in die Ebene der Längsbewehrung geklappt
Bild Q05.380: Abschalelement mit Fugenband
und beim Aushub freigestemmt. Auch vertikal
vorgespannte Schlitzwände sind ausgeführt worden, z.B. bei der Erweiterung der deutschen Botschaft in London (ICOS, 1975), Bild Q05.390 und beim U-Bahn-Bau in
Italien. Der Vorteil ist, dass die Wände mit nur wenigen Reihen von Horizontalabstützungen große Höhen überspannen
können.
Der bewehrte Schlitz wird anschließend im Kontraktorverfahren betoniert. Dabei wird die verdrängte Bentonit-Suspension
aufgefangen und wieder aufbereitet. Ein Risiko der Durchmischung von Beton und Bentonitsuspension besteht nicht.
Auch die Haftung des Betons an der Bewehrung wird nicht beeinträchtigt.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.33
Bei der Aufbereitung wird die Bentonitsuspension
von grobkörnigen Anteilen, mit denen sie sich beim
Aushub aufgeladen hat, getrennt. Sie ist daher
mehrfach wiederverwendbar. Am Ende der Bauzeit
muss die Suspension entsorgt werden. Bei einer
Deponierung muss mit sehr langen Konsolidationszeiten gerechnet werden.
In der Regel gelingt es bei sorgfältigem Arbeiten,
die Arbeitsfugen ausreichend dicht herzustellen.
Sickerwasser aus vereinzelten Leckstellen lässt
sich leicht durch offene Wasserhaltung bewältigen.
Auch ein Verdämmen durch Einstemmen quellfähiger Stricke oder Bänder sowie Fugeninjektionen
können zur Abdichtung wirksam beitragen.
Es ist auch möglich, Fertigteile in den Bentonitgestützten Schlitz einzustellen. Geeignet sind
sowohl Beton-Fertigteile als auch Spundwände, im
Deponiebau auch Kunststoff-Dichtungs-Platten aus
HDPE. In derartigen Fällen gibt man der Bentonitsuspension Zement bei, damit die Suspension
nach einiger Standzeit abbindet und dauerhaft in
den Bereichen zwischen Fertigteil und Erdwand
die notwendige Festigkeit z.B. zur Übertragung
stützender Ankerkräfte erhält. In diesen Fällen
spricht man von Ein-Phasen-Schlitzwänden.
Entsprechende Lösungen sind sehr wirtschaftlich,
wenn z.B. Einphasen-Schlitzwände bis in sehr
Bild Q05.390: Bewehrung für eine Schlitzwand mit vertikaler Vorgroße Tiefen (tiefe Lage eines Wasserstauers) die
spannung
Dichtigkeit einer Wand sicherstellen und im oberen
Bereich zur Aufnahme von Biegebeanspruchungen
aus Erd- und Wasserdruck z.B. Spundwände eingestellt werden.
In nichtbindigen Böden und bei ausreichend großen Wandflächen, auf die die teure Baustelleneinrichtung für die Bentonit-Aufbereitung umgelegt werden kann, ist im Allgemeinen die Schlitzwand wirtschaftlicher als eine Bohrpfahlwand.
Außerdem hat eine Schlitzwand weniger Fugen als eine Bohrpfahlwand (Dichtigkeit). Voraussetzung für Schlitzwände ist,
dass die Herstellung des Schlitzes nicht durch Hindernisse gehemmt wird, was dann Meißeln und erhebliche Leistungsverluste bedingt. In bindigen Böden sind Schlitzwände aufwändiger herzustellen, da sich die Bentonit-Suspension mit
Tonteilchen auflädt und ihre Aufbereitung mit Trenn-Zyklonen Geräte- und Energie-intensiv ist. Ohne Bentonit-Aufbereitung wird die Wichte des Bentonits schnell so groß, dass der durch Verdrängung geprägte Vorgang beim Betonieren
gestört wird.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Verformung des Bodens bei Stützung durch eine Tonsuspension ganz wesentlich
vermindert wird. Daher lassen sich Schlitze dicht neben einer bestehenden Bebauung abteufen. Aus diesem Grund ist
sogar das Schlitzen des Bodens in Kreuz- oder in T-Form ausführbar (Gründungselemente, Ausbildung von Ecken).
Weitere Vorteile sind die niedrigen Geräusch- und Erschütterungspegel bei der Ausführung von Schlitzwänden.
Q.5.3.2 Besonderheiten bei erdstatischen Nachweisen
Für die statische Berechnung einer Schlitzwand im Endzustand gelten die in Abschnitt Q.5.2 getroffenen Aussagen. Da
Schlitzwände in der Regel recht steife Bauelemente darstellen und ihre Steifigkeit gerne genutzt wird, um verformungsarme Verbausysteme herzustellen, wird man als Erddruckansatz bevorzugt erhöhten aktiven Erddruck verwenden. Da die
Erkenntnisse zu Umlagerungen in der EAB primär aus Verbaumaßnahmen mit Spundwänden und Trägerbohlwänden
stammen, sind die dort getroffenen Umlagerungsvorschläge im Einzelfall zu hinterfragen. Schlitzwände können wie
Spundwände im Untergrund eingespannt sowie einfach oder mehrfach verankert oder ausgesteift werden.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.34
Für die Bauzustände einer Schlitzwand sind besondere Nachweise zu führen, welche die Stützwirkung des Bentonits und
die Stabilität von offenen Schlitz-Abschnitten betreffen. Lasten, Grundwasserstand, Suspensionsdichte und Lamellenlänge beeinflussen die Schlitzstabilität. Im Wesentlichen muss der hydrostatische Druck der Suspension größer sein als der
auf den Schlitz wirkende Erd- und Wasserdruck. Dazu muss der Suspensionsspiegel - vor allem bei gleichzeitigem Auftreten von Erddruck aus benachbarten Auflasten - (deutlich) höher liegen als der Grundwasserspiegel.
Die Größe des auf den Schlitz wirkenden Erddrucks kann durch die Schlitzlänge beeinflusst werden, indem günstige,
erddruckmindernde räumliche Wirkungen genutzt werden, siehe Vorlesungseinheit Erddruck, räumlicher Erddruck.
Schlitze, die neben Bauwerken abgeteuft oder durch Verkehrslasten auf der Geländeoberfläche beansprucht werden,
können daher selbst bei hohen Lasten in begrenzter Länge stabilisiert werden, weil der Erddruck aus diesen Lasten im
Sinne einer Gewölbewirkung seitlich des Schlitzes in den Boden bzw. in fertiggestellte Schlitzwandteile übertragen werden kann. Auch in dem Schlitz benachbarten Bauwerkswänden werden sich innere Gewölbe ausbilden, die den Erddruck
im Schlitzbereich vermindern und ihn seitlich erhöhen. In DIN 4126 wird ein einfacher Erddruckansatz für einen räumlichen
Bruchkörper angegeben, Bild Q05.400. Dabei wird angenommen, dass auf die Seitenflächen
hedruck wirkt.
AF des Bruchkörpers der Ru-
Näheres zur Wirkung des Bentonits: Stützwirkung,
Fließspannung, Stagnation, Stabilität des Suspension, etc. wird in der Vorlesung R, "Spezialverfahren" ausgeführt.
Q.5.4 Bohrpfahlwand
Q.5.4.1 Ausbildung und Herstellung
Biegesteife und für hohe Erddrucklasten geeignete
Verbauwände aus Stahlbeton, die schon vor dem
Aushub einer Baugrube geschlossene Wände
bilden, lassen sich auch als Bohrpfahlwände herstellen.
Gegenüber Schlitzwänden haben Bohrpfahlwände
den Vorteil, dass die Werkzeuge zum Abteufen
einer Bohrung vielfältiger sind sowie einfacher
gewechselt und variabler ausgewählt werden können. Hindernisse und stark wechselnde Baugrundverhältnisse lassen sich bei Bohrpfahlwänden
daher einfacher beherrschen. Die Baustelleneinrichtungskosten sind geringer, da der Aufwand für
Leitwände, Bentonitbereitstellung, -aufbereitung
und -entsorgung bei der Schlitzwand höher ist als
für Bohrschablone und Verrohrung bei Bohrpfählen. Die spezifischen Herstellkosten je Quadratmeter Wand sind dagegen bei Bohrpfahlwänden höher, da die Effektivität des Bodenaushubs geringer
ist und zur Bereitstellung desselben Biegetragvermögens mehr Stahl und Beton benötigt wird als bei
der Schlitzwand: Bei der Bohrpfahlwand kann nur
jeder zweite Pfahl bewehrt werden und ein im
Querschnitt runder Pfahlbewehrungskorb ist weniger effektiv als ein kastenförmiger bei der Schlitzwand. Bei hoher Anforderung an die Wasserdichtigkeit haben Bohrpfahlwände darüber hinaus den
Nachteil, dass sie wesentlich mehr Fugen aufweisen.
Zur Ermittlung des räumlichen Erddrucks siehe auch Vorlesung P,
"Erddruck".
Bild Q05.400: Ansatz der stützenden Schubspannungen in den
dreieckförmigen Flankenflächen des Bruchkörpers
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.35
Bohrpfahlwände zeigen gegenüber Schlitzwänden ihre Vorteile daher eher bei kleinen Wandflächen, weniger tiefen Baugruben und in bindigen
Böden.
Wenn eine Bohrpfahlwand wasserundurchlässig
sein soll, muss sie als überschnittene Bohrpfahlwand hergestellt werden. Ohne Forderung der
Wasserdichtigkeit können Bohrpfahlwände auch
tangierend (maximales Biegetragvermögen bei
gegebenem Durchmesser) oder als aufgelöste
Wand, die dann während des Aushubs der Baugrube die Herstellung einer Spritzbetonausfachung erfordert, erstellt werden (Bild Q05.410).
Bei der Herstellung ist zu beachten:
- Für die überschnittene Bohrpfahlwand wird
Bild Q05.410: a) überschnittene und
zunächst eine Bohrschablone erforderlich, um
b) aufgelöste Bohrpfahlwand mit statisch wirksamem Gewölbe bzw.
die Bohransatzpunkte exakt einhalten zu könc) einer Bodenversiegelung bei standfestem Boden
nen. Zunächst wird jeder zweite Pfahl, der
keine Bewehrung erhält, gebohrt und betoniert. Dann folgen die Zwischenpfähle, die bewehrt werden können. Man sollte sie bohren, solange die Primärpfähle
zwar abgebunden haben, aber noch keine hohe Festigkeit aufweisen. Wenn Anker an den bewehrten Pfählen angebracht werden, können sie im Betonquerschnitt versenkt werden. Das Durchbohren dieser Pfähle führt jedoch zu einem statischen Nachteil, da das Durchschneiden von Bewehrungsstäben nicht ausgeschlossen werden kann und in
der Statik berücksichtigt werden muss. Wenn die unbewehrten Zwischenpfähle für eine Verankerung durchbohrt werden, wird eine Gurtung erforderlich. Das Maß der Überschneidung richtet sich nach den Erfordernissen der Wasserdichtigkeit und muss Bohrtoleranzen (gegengerichtete Lotabweichungen benachbarter Pfähle beim Bohren) angemessen berücksichtigen.
- Bei aufgelösten Bohrpfahlwänden muss in der Regel der Bereich zwischen den Pfählen während des Aushubs durch
Spritzbeton gesichert werden. In gering standfesten Böden muss dazu in kleinen Tiefenabschnitten ausgehoben und
gespritzt werden, und man kann die Spritzbetonschale als Druckgewölbe ausbilden, welches sich auf den Pfählen abstützt. Um den Aushub und eine spätere Wiederverfüllung zwischen den Pfählen zu sparen, kann auch eine biegebewehrte Platte zwischen den Pfählen ausgeführt werden, die jedoch recht aufwändig schubfest mit den Pfählen verbunden werden muss. Bei ausreichender Standfestigkeit des Bodens zwischen den Pfählen kann statt einer statisch
wirksamen Gewölbeschale bzw. Platte eine Versiegelung genügen. Hier bildet sich das den Erddruck abtragende
Gewölbe mit einem geringen Biegestich im Boden selbst aus und die Schale verhindert den Verlust der Kohäsion im
Boden vor dem Gewölbe durch Witterungseinflüsse. In witterungsbeständigem Festgestein kann auf eine Schale gegebenenfalls auch ganz verzichtet werden.
Q.5.4.2 Besonderheiten bei erdstatischen Nachweisen
Für die statische Berechnung einer überschnittenen oder tangierenden Bohrpfahlwand gelten die in Abschnitt Q.5.2
getroffenen Aussagen. Da Bohrpfahlwände ebenso wie Schlitzwände in der Regel recht steife Bauelemente darstellen,
gelten die dort eingangs getroffenen Vorbemerkungen.
Bei einer aufgelösten Bohrpfahlwand muss für den Bereich zwischen den Pfählen ein Nachweis geführt werden. Hier
werden die Erddruckspannungen durch Biegung bzw. durch Druckkräfte im Gewölbe in horizontaler Richtung abgetragen
und in die Pfähle eingeleitet. Der Bauzustand bis zur Fertigstellung der Ausfachung wird in der Regel nicht nachgewiesen
und der Verantwortung des Bauausführenden überlassen. Die mögliche Standhöhe des ungesicherten Bodens zwischen
den Pfählen ist von dessen Festigkeit und vom Pfahlabstand abhängig und kann bei sickerwasserführenden Schluffen
und Sanden eventuell nur wenige Dezimeter betragen. Aus Unfallschutzgründen und bei Abwägen der Folgen aus Nachbrüchen sollte man eine ungesicherte Höhe von mehr als 1,5 m vermeiden.
Da unterhalb der Baugrubensohle keine geschlossene Wand mehr entsteht, wirkt das Erdauflager hier nicht mehr an
einer geschlossenen Wand, sondern nur noch an einzelnen Pfählen. Hier ist analog zu den Nachweisen von Trägerbohlwänden vorzugehen.
Stützbauwerke und Verbau
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Q.36
Q.5.5 Trägerbohlwand
Q.5.5.1 Ausbildung und Herstellung
Bei der aufgelösten Pfahlwand werden in regelmäßigem Abstand zueinander vor dem Baugrubenaushub biegetragfähige
Pfähle in den Untergrund eingebracht, die Ausfachung zwischen den Pfählen wird während der Aushubarbeiten eingebaut. Das gleiche Konzept der Lastabtragung wird auch bei Trägerbohlwänden angewandt. Hier werden jedoch die vertikalen Tragelemente von Stahlprofilen gebildet, die entweder in den Baugrund eingerammt oder in Bohrlöcher eingestellt
werden. Die Ausfachung zwischen den Trägern besteht in der klassischen Variante aus Holzbalken, daher der Name
Bohlwand. Sie wurde beim U-Bahnbau in Berlin anfangs des 20. Jahrhundert aus dem waagerechten Kanalverbau entwickelt und hat seitdem den Namen "Berliner Verbau".
Die Ausfachung kann außer aus Holzbalken auch (selten) aus Betonfertigteilen oder Ortbeton oder (häufig) aus Spritzbeton bestehen.
Anders als Spundwände, Schlitzwände und Bohrpfahlwände können Trägerbohlwände nicht wasserundurchlässig ausgebildet werden. Da zwischen den Trägern bis zur Fertigstellung der Ausfachung der Boden temporär ungestützt ist, sind
die Verformungen einer aufgelösten Wand zwangsläufig etwas größer als bei einer schon vor dem Aushub vollständig
geschlossenen Wand. Sofern die entsprechenden Anforderungen aber nicht gestellt werden müssen, also eine Wasserhaltung betrieben werden darf oder wenn eine Baugrube oberhalb des Grundwasserspiegels verbleibt und wenn kleine
Verformungen für die Nachbarschaft verträglich sind, ist diese Art des Verbaus mit Abstand die wirtschaftlichste.
Die Trägerbohlwand (Bild Q05.420) ist wie die
aufgelöste Bohrpfahlwand und vergleichbar einer
gemischten Spundwand eine Stützwand, bei welcher der Erddruck auf waagerecht gespannte Stützelemente (Balken, Platte) wirkt, das die Last zu
senkrechten Trägern (Pfähle, Balken, Brusthölzern) ableitet. Die Träger werden entweder rückverhängt oder ausgesteift; als weiteres Auflager
wird in der Regel der Boden unter der Baugrubensohle herangezogen (Mindesteinbindetiefe 1,5 m).
Bei ausreichender Einbindetiefe kann im Boden
auch eine Einspannung bewirkt werden. Der horizontale Abstand der vertikalen Träger wird meist
Bild Q05.420: Ansicht einer verankerten Trägerbohlwand
zwischen 2 m und 3 m gewählt. Mit zunehmenden
Spannweiten wird die Ausfachung überproportional aufwändig, auch steigen die Entspannungsverformungen und das
Risiko von Nachbrüchen im unverbauten Zwischenbauzustand. Die wirtschaftliche Konstruktion eines Verbaus ist eine
Optimierungsaufgabe, bei welcher der horizontale Abstand der Träger und der vertikale Abstand der Ankerlagen variiert
werden. Zulässige Verformungen, Lasten neben der Baugrube und Bodenkennwerte steuern den Erddruck und sind
neben den erwarteten aufnehmbaren Ankerkräften die wichtigsten Eingangswerte. Die Herstellzeiten für Trägerbohrungen und genaues Einstellen der Träger, den Aushub, die Ausfachungsarbeiten und die Ankerherstellung müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass kein Leerlauf für die eingesetzten Mannschaften entsteht. Die Summe der Maschinen- und Arbeitszeiten und eher untergeordnet die Materialkosten bestimmen die Wirtschaftlichkeit eines Verbaus.
Bei der Herstellung eines Bohlträgerverbaus sind folgende Schritte zu beachten und folgende Elemente von Bedeutung:
- Da das Einrammen von Verbauträgern mit Erschütterungen und Schallemissionen verbunden ist, die bei den typischen innerörtlichen Verbaumaßnahmen problematisch sind, werden heute die meisten Verbauträger in Bohrlöcher
eingestellt. Nach dem Abteufen der Bohrlöcher wird in der Bohrlochsohle eine Betonplombe (Fertigbeton, Sackware)
eingebracht, die den Kraftschluss zwischen Träger und Boden ausreichend sicherstellt. Der mögliche Spitzendruck für
derartige Verbauträgerfüße ist deutlich geringer als für Bohrpfähle (es fehlt die hohe Flüssig-Betonsäule, die wirksame
Einbindetiefe ist gering).
Stützbauwerke und Verbau
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In die Bohrlöcher werden die Verbauträger
eingestellt, wobei sie hinsichtlich Lage und Vertikalität genau einzumessen sind. Vor allem bei
Baumaßnahmen ohne Arbeitsraum zwischen
Verbau und Bauwerk ist die Einhaltung enger
Toleranzen wichtig (typisch: 2 cm hinsichtlich
der Lage am Ansatzpunkt, 0,5 % bis 1 % Lotabweichung). Die Verbauträger erhalten eine
Fußplatte, die auf dem ins Bohrloch eingebrachten Beton aufsteht. Wenn die Verbauträger später wieder gezogen werden sollen, empfiehlt es sich, die Fußplatten mit nur wenigen
Schweißpunkten "anzuheften".
Bei verankertem Verbau eignen sich als Träger
Seite
Q.37
Bild Q05.430: Bohlträgerverbau = Berliner Verbau
gut zwei mit Hilfe von Laschen in der Form ] [
miteinander verschweißte U-Profile, da zwischen den zwei Profilen Platz für einen Anker
gehalten werden kann. In den offenen Fächern
können die Holzbohlen oder der (Spritz-)beton
der Ausfachung ihr Auflager finden. Häufig
werden auch I-Profile verwendet, dann wird für
die Anker jedoch eine Gurtung erforderlich.
Gurte haben den Vorteil, dass die horizontalen
Ankerabstände unabhängig von den Trägerabständen gewählt werden können. Außerdem
Bild Q05.440: Bohlträgerverbau mit Holzausfachung
sind Gurte im Hinblick auf einen Lastfall "Ankerausfall" sehr vorteilhaft.
Nach Einstellen der Träger in die Bohrlöcher
wird der Restraum im Bohrloch wieder verfüllt.
Das Verfüllmaterial muss in den engen Raum
eingebracht werden können und ihn vollständig
füllen. Daher scheidet bindiges Material zur
Verfüllung aus. Beim Aushub der Baugrube soll
das Material baugrubenseits der Träger gut gelöst werden können, was (neben den Kosten)
gegen eine Verfüllung mit Beton spricht. Andererseits darf das Material erdseits der Träger
beim Baugrubenaushub nicht herausrieseln,
was gegen nichtbindige Böden als VerfüllmateBild Q05.450: Bohlträgerverbau mit Spritzbetonausfachung
rial spricht. Als Kompromiss geeignet sind
schluffiger Kiessand oder kalkvermörtelte
nichtbindige Böden, die nach dem Abbinden nur eine geringe Festigkeit erhalten.
Zug um Zug mit dem Aushub der Baugrube muss die Ausfachung eingebaut werden. Dazu ist der Boden zwischen
den Trägern profilgerecht zu lösen, wozu eine Lehre benutzt werden soll. Die Hölzer einer Holzbohlen-Ausfachung
(Bild Q05.440) werden zwischen die Träger gelegt und mit Hilfe von Keilen zwischen Bohle und Stahlträger-Flansch
gegen den Boden gedrückt. Alle Keile müssen gesichert werden. Trotz sorgfältigen Aushubs verbleibende Hohlräume
zwischen Hölzern und Erdwand müssen zur Vermeidung späterer Verformungen vollständig und sorgfältig kraftschlüssig verfüllt werden. Wird Spritzbeton als Ausfachung verwendet, so wird eine Bewehrungsmatte zwischen den
Trägern eingestellt und mit eingespritzt.
Spritzbetonausfachungen haben einen deutlich besseren Kraftschluss zum dahinterliegenden Boden als Holzbohlen
und führen daher zu geringeren Gesamtverformungen. Bei im Boden verbleibendem Verbau sollte ebenfalls Spritzbeton verwendet werden, da Holz verrottet und langfristig Sackungen bedingt. Andererseits sind Holzausfachungen
deutlich wirtschaftlicher als Spritzbeton und lassen sich auch besser rückbauen.
- In Bild Q05.450 ist eine Spritzbetonausfachung dargestellt, die hier gleichzeitig als Abdichtungsträger diente und
daher auch im Bereich der Träger durchlief.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.38
In den vorgesehenen Tiefen sind Steifen oder
Anker herzustellen. Dabei liegt das Aushubniveau
etwa 0,5 m bis 1 m unter dem Ankeransatzpunkt.
Bei Verbau ohne Arbeitsraum können auch die
Ankerköpfe zwischen den oben vorgestellten UProfilen liegen und es wird eine glatte Verbaufläche ohne herausstehende Bauteile möglich (Bild
Q05.460).
Meist ist der Verbau ein temporäres Bauwerk und
häufig wird angestrebt, ihn nach Abschluss seiner
Nutzung wieder aus dem Boden zu entfernen.
Gelegentlich wird sogar verlangt, dass selbst Anker im Hinblick auf spätere Baumaßnahmen auf
den benachbarten Grundstücken wieder beseitigt
werden. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam,
ob bzw. dass ein Arbeitsraum zwischen Verbau
und Bauwerk besteht. Wenn ein Arbeitsraum besteht, kann ein Berliner Verbau rückgebaut werBild Q05.460: Bohrträger mit versenktem Ankerkopf (Konstruktiden, indem abschnittsweise die Ausfachung ausonszeichnung BILFINGER + BERGER AG)
gebaut und der Arbeitsraum verfüllt wird. Auch die
Anker können nach Erreichen eines zugehörigen
Verfüllzustands wieder gelöst werden. Um Anker ganz aus dem Boden ziehen zu können, müssen schon beim Einbau
der Anker Vorbereitungen getroffen werden, welche die planmäßige Zerstörung des Verpresskörpers ermöglichen. Nach
vollständiger Verfüllung des Arbeitsraumes können auch die Verbauträger wieder gezogen werden.
Bild Q05.470 stellt einen ausgesteiften Berliner Verbau, wie er bei U-Bahn-Baumaßnahmen oberhalb des Grundwassers
oft hergestellt wurde, perspektivisch dar und zeigt Details. Die unteren Steifen werden nach Fertigstellung der Bodenplatte ausgebaut. Wenn Anker ausführbar sind, wird ihnen aus wirtschaftlichen und baubetrieblichen Gründen in der Regel
der Vorzug gegeben.
Bild Q05.470
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.39
Bild Q05.470 (Fortsetzung): U-Bahn-Baustelle mit ausgesteiftem Berliner Verbau (HAACK / IDELBERGER, 1979)
Q.5.5.2 Besonderheiten bei erdstatischen Nachweisen
Trägerbohlwände und ebenso aufgelöste Bohrpfahlwände stellen nur bis zur Tiefe der Baugrubensohle einen vollflächigen Verbau dar. Darunter wirken nur einzelne Träger oder Pfähle, um Lasten in das Erdauflager einzuleiten. Daraus
resultieren einige Besonderheiten der zu führenden Nachweise.
Auf der Seite der Einwirkungen werden
Erddruckspannungen im Regelfall daher nur oberhalb der Baugrubensohle angesetzt und umgelagert (die EAB lässt aber auch zu, dass sie bis zur
Basis der Verbauträger berücksichtigt werden). Im
Erdauflagerbereich werden Nachweise mit räumlichem Erdwiderstand für die einzelnen Trägerfüße
erforderlich, die aufgrund der auf sie konzentrierten
Kräfte nicht ausbrechen dürfen.
Zusätzlich ist der Nachweis für ein mögliches
Gleichgewicht der horizontalen Kräfte insgesamt
Bild Q05.480: Nachweis des Erdauflagers bei einer Bohlträgerzu führen. Darin muss gezeigt werden, dass die
wand
Summe der aktiven Erddruckkräfte unterhalb der
Baugrubensohle hinter der Wand zuzüglich der
Auflagerkraft der Bohlträger von dem gesamten zur Verfügung stehenden Erdwiderstand aufgenommen werden kann,
wobei im Vergleich jeweils Bemessungswerte unter Berücksichtigung der Partialsicherheiten zu verwenden sind.
Der Nachweis der Vertikalkräfte wird beim Bohlträgerverbau nur für die Einzelpfähle geführt.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.40
Q.5.6 Grabenverbau
Da Kanäle zur Abwasser-Entsorgung im Gefälle
liegen müssen und zumindest der Anschluss einfacher Keller ohne Hebeanlagen möglich sein
sollte, werden zu ihrer Verlegung regelmäßig im
beengten innerstädtischen Straßenraum tiefe
Gräben mit senkrechten Wänden hergestellt, sofern kein "grabenloses" Vorpressverfahren zur
Anwendung kommt. Auch für viele andere Leitungsverlegungen werden Gräben mit senkrechten
Wänden erforderlich. Aufgrund der sehr weit verbreiteten und standardisierbaren Anwendung sind
die Ausbildung von Gräben und ihr Verbau in DIN
4124: Baugruben und Gräben - Böschungen,
Verbau, Arbeitsraumbreiten, umfassend geregelt.
Als historischer Vorläufer der Trägerbohlwand
stellt der waagerechte Grabenverbau oder waagerechte Kanalverbau (DIN 4124) aus waagerechten Holzbohlen, senkrechten Brusthölzern und
Steifen eine klassische Ausführungsvariante dar
(Bild Q05.490). Zuerst wird 1 m frei ausgeschachtet und mit dem Verbau begonnen. Darunter dürfen jeweils nur noch 2 Bohlenbreiten ohne Sicherung freigelassen werden. An den Stoßstellen
müssen beiderseits Brusthölzer angebracht werden. Bei standfesten Böden kann auf die Bohlen,
nicht aber auf Brusthölzer und Steifen, verzichtet
werden.
Eine weitere klassische Ausführungsart ist der in
Bild Q05.500 dargestellte senkrechte Grabenverbau mit lotrecht eingerammten Kanaldielen und
(Holz-)steifen. Er stellt einen Sonderfall der ausgesteiften Spundwand-Baugrube dar. Die Gurte aus
Holz oder Stahlprofilen IPB 100 werden auf Konsolen verlegt oder abgehängt. Die Rammung muss
dem Aushub mindestens 30 cm vorauseilen. Wenn
die in DIN 4124 standardisierten Bauelemente
verwendet werden, erübrigt sich ein besonderer
statischer Nachweis. Das beispielhafte Bild aus DIN
4124 zeigt eine Variante, bei der die Gurte abgehängt sind. Dies erspart Konsolen, die bei den
häufig umzusetzenden Dielen unzweckmäßig sind.
Bild Q05.490: waagrechter Normverbau (DIN 4124)
Bild Q05.500: Senkrechter Grabenverbau mit Kanaldielen mit abgehängten Gurten und Steifen (DIN 4124)
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.41
Wenn Kanaldielen nur in begrenzter Länge verfügbar sind und eine Baugrube tiefer zu sichern ist,
kann "gepfändet" werden, siehe Bild Q05.510: Kölner Verbau.
Da der zimmermannsmäßige Grabenverbau, senkrecht wie waagerecht, sehr arbeitsintensiv ist, ist er
heute weithin abgelöst durch Fertigverbausysteme.
Da aus Arbeitsschutzgründen senkrechte Grabenwände maximal 1,25 m tief unverbaut hergestellt
werden dürfen, wird selbst in standfesten Böden
Verbau erforderlich. Hier werden Grabenabschnitte
ausgehoben, die unmittelbar nach dem Aushub
und bevor der Graben betreten wird, durch eingestellte Fertigverbausysteme gesichert werden
(Einstellverfahren). In diesem Fall werden zur
Begrenzung von Verformungen der (zuviel ausgehobene) Raum hinter den Verbauplatten mit nichtbindigem Material verfüllt und die Steifen des Verbaus zum Kraftschluss mit dem Boden auseinander gespindelt.
Bild Q05.510: Kölner Verbau: durch Pfändung zur Tiefe gestaffelt
(DIN 4124)
In nicht standsicheren Böden wird ein statisch
wirksamer Grabenverbau erforderlich, für den
ebenfalls Fertigverbausysteme (z.B. KringsVerbau) am Markt existieren. Die erforderlichen
statischen Nachweise sind dabei in einer Typenstatik geführt, der Anwender muss nur noch überprüfen, ob die darin getroffenen Voraussetzungen
zutreffen. Die entsprechenden Fertigverbausysteme werden im Absenkverfahren niedergebracht.
Sie bestehen typischerweise aus zwei biegesteifen
Rahmen und zwei Flächenelementen aus Stahl
(Bild Q05.520). Die horizontalen Schenkel der
Rahmen bilden die Steifen, mit denen die Flächenelemente gegenseitig ausgesteift werden können.
Die Rahmen stehen in Längsrichtung des Grabens
im Abstand von etwa 2 m bis 4 m. Die vertikalen
Träger der Rahmen dienen zur Versteifung und als
Führung zum Absenken der vertikalen Verbauflächen-Elemente. Mit den Verbausystemen werden
typische Grabenbreiten zwischen 0,8 m und 2 m
verbaut. Rahmen und Flächenelemente sind unabhängig voneinander vertikal beweglich und werBild Q05.520: Fertigverbausystem (DIN 4124)
den beim Grabenaushub abwechselnd abgesenkt.
Statt mit Flächenelementen werden die zu verbauenden Flächen auch im Systemverbau gerne mit Einzelbohlen verbaut, was einen variablen Einsatz im Bereich kreuzender Rohre erlaubt.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.42
Q.5.7 Elementbauweise und Bodenvernagelung
Viele Bodenarten haben eine genügend große Kohäsion, dass sie abschnittweise vorübergehend senkrecht stehen, ohne
nachzubrechen. Das nutzen die Element-Bauweise, bei der vorgespannte Anker zur Wirkung gebracht werden, und die
Bauweise der vernagelten Wand mit Bodennägeln (in der Regel nahezu horizontale GEWI-Zugpfähle) aus.
Nach dem Aushub einer Geländestufe wird eine Ankerplatte mit einem Injektionszuganker gegen den Boden verspannt.
Sofern der Anker nicht bereits vorab durch eine Erdberme hindurch hergestellt wurde, ist zu beachten, dass zwischen
dem Bohren des Ankerloches und dem Anspannen eine gewisse Wartezeit liegt, in welcher der Anker noch nicht trägt
("Ankerwand", s.a. BRANDL, 1992). Je nach Standfestigkeit des Bodens ist es zweckmäßig, in der Art von Unterfangungen in Längsrichtung jeweils nur kurze Abschnitte
im
Pilgerschrittverfahren
herzustellen
(Bild
Q05.530, System Stumpp).
Die Ankerplatten können Fertigteile sein, ebenso
aber aus bewehrtem Spritzbeton oder Ortbeton
hergestellt werden. Ein an der Brenner-Autobahn
ausgeführtes Dauerbauwerk dieser Art beschreibt
SELTENHAMMER (1968). Aus Dränagegründen
wurden die Platten dort auf eine Ausgleichsschicht
aus Einkornbeton gelegt.
Wenn der Boden über eine größere Länge standfest ist, lässt sich das Verfahren "Ankerplatten"
anwenden: Stahlbeton-Fertigplatten auf einer
Spritzbeton-Ausgleichsschicht oder örtlich in
Spritzbeton hergestellt. Dabei muss die Sicherheit
Bild Q05.530: Elementbauweisen
gegen Grundbruch und Gleiten an der Steilböschung nachgewiesen werden, wobei die Neigung
des Ankers gegen die Flächennormale zu berücksichtigen ist.
Wenn der Boden über eine größere Höhe standfest ist, können als Anker auch vertikale Riegel, z.B. aus 2U-Profilträgern
genommen werden. Diese gelegentlich bei Baugrubensicherungen angewendete Konstruktion, gegebenenfalls in Verbindung mit Spritzbeton, wurde zuerst beim U-Bahn-Bau in Essen benutzt und hat daher ihren Namen (Essener Verbau).
Aber auch bei Dauerbauwerken lässt sich dieses Prinzip anwenden, indem man z.B. zunächst nur die Stützpfeiler herstellt, diese durch Anker gegen das Gebirge verspannt und zum Schluss die Zwischenräume durch einbetonierte Schürzen versiegelt (SIEGENTHALER, 1968).
Beim Ausheben kreiszylindrischer Schächte kann man ebenfalls die Elementbauweise in der Art anwenden, indem ein
Höhenabschnitt ausgehoben und dann ein bewehrter Druckring (Bewehrung für unvorhergesehene Lasten, die keine
gleichförmige Druckverteilung bewirken) gegen den Boden betoniert wird. Durch das schräge Vorschalen erreicht man
ein unbehindertes Betonieren und Bewehren des jeweils nächstunteren Ringes ("Schachtbau").
Bei aufgelösten Elementwänden kann ein statischer Nachweis für den Boden zwischen den Elementen erforderlich sein.
Zwischen den Ankerplatten verspannt sich der Boden und bildet ein Gewölbe. Der aus der Überlagerung wirkende
Erddruck kann nach Wahl eines Biegestiches von diesem Gewölbe ausschließlich durch Druckspannungen abgetragen
werden. Der Boden luftseits dieses Gewölbes kann nur standfest sein, wenn der Boden eine Kohäsion und damit eine
gewisse Zugfestigkeit aufweist. Einen Nachweis hierzu bieten NOLL / HECKÖTTER (2003) an. Die erforderliche Kohäsion kann aus Bild Q05.540 ermittelt werden.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.43
Bild Q05.540: Elementbauweise mit Ankerplatten: Nachweis gegen Ausbrechen des Bodens zwischen den Platten
Vernagelte Wand / Bodenvernagelung: Anstelle mit vorgespannten Ankern kann das gleiche Prinzip mit Hilfe nicht
vorgespannter Bodennägel in ausreichend engem Raster zur Anwendung gebracht werden. Dieses von der Fa. BAUER,
Schrobenhausen, in den 1970er Jahren eingeführte und zunächst patentrechtlich geschützte Verfahren ist heute frei
verfügbar. Die zu führenden Nachweise sind in Zulassungen geregelt.
Grundidee ist, mit Hilfe einer Spritzbetonschale und rasterförmig angeordneten Bodennägeln einen bewehrten Bodenblock zu bilden, der als Schwergewichtsmauer
wirkt.
Der Boden wird, Bild Q05.550, in Lagen von etwa
1,5 m ausgehoben (je nach Standfestigkeit), mit
Spritzbeton versiegelt und nach dessen Erhärten
mit (Gewinde-) Stahlstäben Ø 20 - 30 mm und
Längen von typischerweise 0,5 - 0,7 mal der endgültigen Wandhöhe in einer Dichte von 1 Stab auf
1 m2 bis 3 m2 bewehrt. Die tatsächlich erforderliche
Länge, Nagelraster, Spritzbetonstärke und bewehrung ergeben sich aus statischen Berechnungen in Abhängigkeit von Last und Bodenkennwerten. Die Stäbe werden meist in gebohrte Löcher eingeschoben, die zuvor mit Zementsuspension verfüllt werden. Eine Verpressung ist möglich
und erhöht die aufnehmbaren VerbundspannunBild Q05.550: Herstellen einer vernagelten Wand
gen. Die Stäbe können aber auch eingerammt,
(STOCKER et. al., 1979)
eingespült oder eingerüttelt werden. Manchmal
kann es erforderlich sein, die Nägel durch eine
Böschung hindurch herzustellen, bevor die endgültige senkrechte Profilierung der Erdwand und ihre
Spritzbetonsicherung vorgenommen wird. Die
Enden der Stäbe erhalten Kopfplatten und werden
bei Dauerbauwerken zum Korrosionsschutz mit
Spritzbeton abgedeckt.
Die Nagelkräfte ergeben sich aus der Variation von
Bruchmechanismen gemäß Bild Q05.560. Dabei
müssen die aus dem gewählten Bruchkörper herausragenden Nagelbereiche die erforderlichen Kräfte zur Erfüllung des Gleichgewichts mit zulässigen
Verbundspannungen übertragen können. Der GeBild Q05.560: Bruchmechanismus und Krafteck
samtkörper muss wie eine Schwergewichtsmauer
nachgewiesen werden können: Grundbruch, Gleiten, Exzentrizität, Geländebruch. Die Spritzbetonschale wird gerne wie ein Regenschirm bemessen (maximale Biegebeanspruchungen bei den Nägeln, in den Feldmitten biegespannungsfrei). Dies ermöglicht eine erdseits verlegte Bewehrung.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.44
Über großmaßstäbliche Eignungsversuche berichten GÄSSLER (1977) und STOCKER et al. (1979). Bild Q05.570 zeigt die
prinzipiellen Anwendungsarten:
Bild Q05.570: Anwendungsbeispiele für Bodenvernagelung (Werkbild Fa. BAUER)
Q.5.8 Verschiedenes
Q.5.8.1 Verbau durch Absenkverfahren
Grundsätzlich kann Verbau auch dadurch hergestellt werden, dass
Fertigteile im Absenkverfahren in den Boden eingebracht werden.
Dabei stützen sie sich gegenseitig ab (Senkkasten, siehe Vorlesung N, "Tiefgründungen, Pfähle und Anker") oder gegen zuvor
eingebrachte Pfeiler oder Pfähle. Vorteil ist, dass die Fertigkeile
aus - z.B. hinsichtlich ihrer Wasserundurchlässigkeit und ihrer
Oberflächen - sehr hochwertigem Beton hergestellt werden können
und die abgesenkten Verbauteile ohne Qualitätseinbußen gleichzeitig endgültige Bauteile bilden können. Derartiger Verbau kann
unmittelbar an Grundstücksgrenzen abgesenkt werden und spart
damit Platz.
Q.5.8.2 Heidelberger Verbau
Eine besondere Art des Bohlträger-Verbaus ist der selten zum
Einsatz gelangte sogenannte Heidelberger Verbau (Bild Q05.580).
Hier werden Träger und Ausfachung räumlich derart voneinander
getrennt, dass die Bohrungen innerhalb eines verfügbaren Baugrundstücks niedergebracht werden können und die Außenkante
des Verbaus an der Grundstücksgrenze liegen kann. Auch hier
geht es darum, Platz zu sparen. Die Ausfachungselemente sind
Fertigteile und werden in die endgültige Außenwand integriert.
Bild Q05.580: Heidelberger Verbau
Seite
Q.45
Stützbauwerke und Verbau
Q.5.8.3 Träger-Verbau mit mixed-in-place-Ausfachung
Ein neues Verfahren der Fa. BAUER, Schrobenhausen, dient der Herstellung von sogenannten
Mixed-In-Place (MIP) -Wänden. Dabei wird der
anstehende Boden mit Hilfe von drei nebeneinander angeordneten, gegenläufig arbeitenden
Bohrschnecken bereichsweise aufgelockert und
mit Zementsuspension durchmischt. Es entsteht
ein Boden-Beton, der durch Steuerung der Verfahrensparameter eine definierte Druckfestigkeit und
ggfs. auch Wasserundurchlässigkeit erreicht.
Die MIP-Wand hat nur eine geringe Biegetragfähigkeit, kann über in ihr sich ausbildende Druckgewölbe aber Erddruckkräfte über begrenzte Entfernungen weiterleiten. Wenn in diese MIP-Wand
Stahlträger eingestellt werden, die in vertikaler
Richtung eine Biegetragfähigkeit aufweisen, lässt
sich ein Träger-Verbau ausbilden, bei dem die
MIP-Wand die Ausfachung bildet.
Bild Q05.590: Modellvorstellung der Druckgewölbe in Boden und
Ausfachung (DÖRENDAHL, 2004)
Die Vorstellung über das angesprochene Gewölbe
ist in Bild Q05.590 dargestellt. Bei unverschieblich
angenommenen Trägern kann sich ein Druckgewölbe in dem unbewehrten Betonkörper ausbilden.
Der Ansatz der seitlich unverschieblichen Träger
Bild Q05.600: Ansatz der Spannungen im Betongewölbe, nach
muss sichergestellt sein und kann, z.B. bei ausBALDAUFF / TIMM (1988) (links) und WEISSENBACH (1977)
springenden Ecken, eine zugehörige Verankerung
rechts
erfordern. Die Belastung auf das Gewölbe im Beton kann durch eine weitere Gewölbewirkung im Boden reduziert werden, die aber im Regelfall nicht zum Ansatz gebracht wird.
Bei einer gleichmäßigen wirkenden Last p und einer gedanklichen Dicke des Gewölbes dG entsprechend der halben
Wanddicke dW sowie der Annahme einer gleichmäßigen Druckspannung D im Gewölbe ergibt sich der Hebelarm der
inneren Kräfte H zu f = dW/2 und die Größe der Gewölbedruckspannung (WEISSENBACH, 1977) zu
D = 0,5·p·(l/dw)2.
Wenn statt einer konstanten Druckspannung im Gewölbe ein linearer Ansatz mit (am Auflager und in Feldmitte) maximaler Spannung am Außenrand und D = 0 in Wandmitte gewählt wird, ergibt sich nach BALDAUFF / TIMM (1988) die maximale Randspannung zu
D = 0,75·p·(l/dw)2. In dazwischen liegenden Schnitten ist die Spannungsverteilung dabei
jedoch nicht klar. Beide Rechenverfahren sind von Ansätzen geprägt, die nicht alle zwingend sind. Genauere Analysen
(DÖRENDAHL, 2004) zeigten, dass bei üblichen Schlankheiten l/d der Ansatz von WEISSENBACH hinreichend genau
ist.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.46
Q.5.8.4 Kombination Böschung - Verbau
Die verschiedenen Arten der Ausbildung von Baugrubenwänden und an Verbau können, wenn sich
das vom Bauwerk oder Baugrundprofil her als
wirtschaftlich anbietet, miteinander kombiniert
werden; ebenso können Abböschungen im oberen
Teil und Verbauwände im unteren kostensparend
sein. Böschungen können auch innerhalb einer
Baugrube als temporäre Stützmaßnahmen hilfreich sein, siehe Bild Q05.610. Hier wird zunächst
die Böschung vor der Wand als Stützung stehen
gelassen. Dann wird eine Sohlplatte (oder ein
Plattenstreifen) bis zum Böschungsfuß betoniert,
auf den dann Schrägstreifen abgestützt werden
können, so dass die Böschung entfernt werden
kann.
Bild Q05.610: temporäre Stützung einer Verbauwand mit Hilfe
einer Böschung
Q.6 Baugruben
Mit Hilfe der zuletzt vorgestellten Verbausysteme werden Baugruben ausgebildet. Nachfolgend werden einige Punkte
behandelt, die Baugruben als Ganzes betreffen. Weiter werden in der Vorlesung S, "Bauen im Grundwasser" Baugruben
behandelt, die in das Grundwasser hineinreichen.
Q.6.1 Gestaffelter Verbau
Bei tiefen Baugruben, von denen nur der untere
Teil ins Grundwasser reicht, kann eine Staffelung:
oben Berliner Verbau, unten wasserdichter Verbau
(Spundwand, Schlitzwand, Bohrpfahlwand) wirtschaftlich geboten sein. In derartigen Fällen wird
zwischen den zwei verschiedenen Systemen eine
Berme erforderlich. Die in Bild Q06.10 skizzierte
Situation erfordert eine Stützkraft in A. Sie kann
durch eine hochliegende Steife im unteren Teil der
Baugrube bewirkt werden, häufig wird aber auch
eine Ankerlage am Fuß der Trägerbohlwand angeordnet, um die untere Wand zu entlasten. Für die
erstatischen Nachweise der unteren Wand sind
zwei Fälle zu unterscheiden. Bei sehr breiter Berme kann ein Einzelnachweis für die untere Wand
Bild Q06.10: gestaffelte Baugrube
ausreichend sein (Variation von Gleitfugen, die in
der Berme enden). Bei einer schmalen Berme
ergibt sich der Erddruck aus einer Variationsaufgabe, die den oberen Wandbereich mit einschließt: Dabei ist der Bodenkörper oberhalb B-C fest, die Gleitflächenvariation wird oberhalb des Punktes B vorgenommen.
Gestaffelter Verbau ist auch zweckmäßig, wenn eine senkrechte Baugrubenwand Deckschichten und Festgestein erfasst.
In den Deckschichten wird dann gern ein Berliner Verbau mit einer Ankerlage am Fuß hergestellt, das Festgestein z.B.
mit einer vernagelten Spritzbetonschale gesichert. Am Übergang wird eine Berme erforderlich. Sie muss ausreichend
breit sein, dass die Vertikalkräfte aus dem oberen Verbaubereich sicher abgetragen werden können (Bild Q06.10).
Bild Q06.20: Nachweis für das Fußauflager eines Verbaus an einer Berme (Bild fehlt derzeit)
Seite
Q.47
Stützbauwerke und Verbau
Q.6.2 Baugrube im Hang, ausgesteifte Baugrube mit unsymmetrischer Belastung
Sofern der Hang, in dem eine Baugrube auszuheben ist, standsicher ist, ändert sich durch den
Aushub daran nur insofern etwas, als ein gewisses Bodenvolumen entfernt wird: wenn der Aushub im aktiven Teil der Böschung erfolgt, erhöht
das die Böschungssicherheit, wenn er im passiven
unteren Teil vorgenommen wird, wird sie verringert.
Wird die Baugrube ausgesteift, dann müssen aus
Gleichgewichtsgründen die Steifenkräfte auf der
Berg- und Talseite gleich groß sein. Man erhält
sie, indem man die bergseitige Wand für den
Erddruck infolge ansteigenden Geländes berechnet und mit der daraus resultierenden Steifenkraft
die talseitige Wand zusätzlich zu deren eigener
Erddrucklast belastet, Bild Q06.30: Den talwärts
Bild Q06.30: Erddruckansatz bei Baugrube im Hang
Al - Ar wandelt man in eine
zum Angriffspunkt von Ar symmetrische einfache Lastfläche (Dreieck) um und korrigiert die Momentenbelastung der
gerichteten Schub
talseitigen Wand unter Berücksichtigung der Zusatzlast.
Das gleiche Vorgehen ist bei ausgesteiften Baugruben im ebenen Gelände vorzusehen, die auf beiden Seiten durch
unterschiedliche Verkehrslasten beansprucht werden.
Q.6.3 Kräfteverteilung über den Baugruben-Grundriss
Der Verbau einer im Grundriss unregelmäßig gestalteten Baugrube ist, wenn auch die Möglichkeit ungleichförmiger Verkehrslasten
berücksichtigt wird, fast immer statisch so unklar, dass er konstruktiv einwandfrei abgesichert hergestellt werden muss. Dazu gehört
ein in Höhe der Steifen kraftschlüssig umlaufender Gurt, der die
Normalkräfte in Wandrichtung aufnimmt. Die Steifen können dann
so angeordnet werden, wie es der Baubetrieb zulässt, Bild Q06.40.
Bei kleinen Baugruben mit rechteckförmigem Grundriss können die
Gurte jeweils gleichzeitig die Steifen für die senkrecht zu ihnen
verlaufenden Wände bilden. Die Abstützungen der Baugrube sind
dann biegesteife Rahmen.
Ein Sonderfall ist die kreisförmige Baugrube, die ohne Steifen und
Anker nur mit einem Gurt als Druckring auskommt. Praktisch ist zu
beachten, dass eine gewisse Ungleichmäßigkeit der Erddrücke
längs des Umfangs, schon mit Rücksicht auf die Verkehrslasten
neben der Baugrube, unvermeidlich ist, so dass der Gurt eine
ausreichende Biegesteifigkeit haben muss. Im Übrigen wird auf
WEISSENBACH (1992) hingewiesen.
Bild Q06.40: ausgesteifte Baugrube mit unregelmäßigem Grundriss
Q.7 Fangedämme
Q.7.1 Allgemeines
Ein Fangedamm ist ein aus zwei gegenseitig verankerten Wänden bestehendes Stützbauwerk, das mit nichtbindigem
Boden verfüllt und dadurch standfest wird. Die Wände sind gewöhnlich Spundwände. Ein Fangedamm ist geeignet als
Baugrubensicherung bei Gründungsarbeiten in nicht zu tiefen Gewässern. Er kann auch einem dauernden Zweck dienen,
insbesondere (s.u.) in der Form des Zellenfangedamms; er ist dann begrifflich nicht von der Mole, dem Deich oder der
Uferwand zu trennen.
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.48
Steht der Fangedamm auf nicht rammfähigem Grund wie Fels, dann ist er nur durch mindestens eine obere und eine
untere Lage von Zugankern zu stabilisieren, Bild Q07.10a. Dagegen wird man bei rammfähigem Grund versuchen, mit
einer oberen Ankerlage auszukommen, Bild Q07.10b, um die teure Unterwasserankerung zu sparen.
Der echte Fangedamm ist dadurch gekennzeichnet, dass die Lasten allein durch die Schubspannungen im Füllboden und
zwischen den Wänden und dem Füllboden aufgenommen und über die Sohle und gegebenenfalls die Einbindung der
Wände in den Untergrund eingeleitet werden. Er zeigt daher Kopfverschiebungen in Dezimetergröße, sobald diese
Schubspannungen zum ersten Mal mobilisiert werden. Dagegen hat der unechte Fangedamm, Bild Q07.10c, zusätzlich
äußere Stützungen durch Rückverhängung oder Aussteifung gegen andere Baukörper.
Bild Q07.10: Fangedammkonstruktionen:
a) zweifach verankerter Fangedamm auf Fels;
b) klassischer Fangedamm mit Einbindung in den Untergrund und einer Ankerlage oberhalb des Wasserspiegels;
c) unechter Fangedamm mit äußerer Abstützung
Bild Q07.20: Zellenfangedamm; er kommt ohne Verankerung aus
Man unterscheidet Kasten- und Zellenfangedämme, Bild Q07.20. Beim Zellenfangedamm wird die innere Verankerung
gespart, indem kreisförmige Zellen aneinandergesetzt werden. Die Spundwand dieser Zellen wird praktisch nur auf Zug
beansprucht und ist deswegen nicht wellenförmig, sondern aus Flachprofilen zusammengesetzt, die vor dem Rammen
mittels einer Lehre (Montagerahmen) auf die Gewässersohle gestellt werden.
Q.7.2 Standsicherheit des Kastenfangedamms
Die Standsicherheit eines Kastenfangedamms ist eine Funktion der Wichte  und des Scherwinkels ' des Füllmaterials
und des Verhältnisses Breite B zu Höhe H. Es wird vorausgesetzt, dass der Füllboden so gut durchlässig ist, dass er
nirgends unter Auftrieb steht. Dazu muss im Sohlbereich stark durchlässiges Material eingebaut und eine Entwässerung
zur Luftseite hin vorgenommen werden.
SCHNEEBELI / CAVAILLÉ-COLL (1957) leiteten aus kleinmaßstäblichen Modellversuchen folgenden Ausdruck für die
globale Sicherheit F ab:
F = 0,003 ·  · ° · (B/H)
(Q07.10).
Seite
Q.49
Stützbauwerke und Verbau
BLUM (1944) berechnete den Kastenfangedamm wie eine starre Scheibe: das Moment M der äußeren Lasten erzeugt
2
einen vertikalen Zusatzdruck ∆σzz = M/W = 6M/B
luftseitigen Spundwand ein Zusatz-Erddruck von
(W-Widerstandsmoment des Querschnitts), aus dem sich an der
∆σxx = Kah · (6·M/B2)
(Q07.20)
ergibt. Dadurch verschiebt sich der Belastungsnullpunkt (u in Bild Q07.30b) nach unten, und die Rammtiefe wird größer.
b)
a)
Bild Q07.30: Tragmodell für den Fangedamm (BLUM, 1944)
Die Modellvorstellung des Fangedamm-Querschnitts als starrer Scheibe ist gerade bei diesem verformungsfreudigen
System besonders unbefriedigend. JELINEK / OSTERMAYER (1967) entwickelten deswegen, ebenfalls auf der Grundlage kleinmaßstäblicher Modellversuche, Gleitlinienfelder Bild Q07.40. Daraus leiteten sie das in Bild Q07.50 mitgeteilte
Berechnungsverfahren mit einer logarithmischen Spirale als Bruchfuge ab. Die Spirale zwischen den Fußpunkten A und
Hw einen Kleinstwert annimmt. Der Koordinatenwinkel 
bei B (Bild Q07.40) der maßgebenden Spirale kann näherungsweise zu  =  /4 - '/2 gesetzt werden, siehe Bild
B muss variiert werden, bis der aufnehmbare Horizontalschub
Q07.60.
Bild Q07.40: Gleitlinienfelder für den Fangedamm (JELINEK / OSTERMAYER, 1967)
Für diese Näherung gibt Bild Q07.70 den 2. Koordinatenwinkel β bei A und den Flächeninhalt As zwischen Fangedammsohle und Bruchfuge (schraffiert in Bild H2.60) an. Damit kann G für die gewählten Spiralen jeweils ermittelt und das
Krafteck gezeichnet werden, aus dem dann
schen Spannungskreis zu:
Hw,d zu entnehmen ist. Der Erddruckwert in A ergibt sich aus dem Mohr-
Kβ = (σxx/ σzz)β = [(1 - sin·sin( - 2·β)] / [1 + sin·sin( - 2·β)]
(Q07.30).
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.50
Bild Q07.50: Kraftecke für verschiedene logarithmische Spiralen zwischen A und B (JELINEK /
OSTERMAYER, 1967)
Bild Q07.60: maßgebende Winkel  (für Bild
Bild Q07.70: Winkel  und Größe der am Schervorgang unbeteiligten Fläche (siehe Bild Q07.40)
in Abhängigkeit von '
Bild Q07.80: erforderliche Breite eines Fangedamms (JELINEK / OSTERMAYER, 1967)
Bild Q07.90: zeigt die erforderliche Breite B nach
den 3 Bemessungsansätzen. Danach ist die bekannte Praxisregel "B=H" sehr sicher.
Q07.40) in Abhängigkeit von B/H und '
(JELINEK / OSTERMAYER, 1967)
Stützbauwerke und Verbau
Seite
Q.51
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