TAXI 04.p65 - TAXI Magazin
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TAXI 04.p65 - TAXI Magazin
Wu-Tang Clan: The W Loud/Sony Der East-Coast Familienclan aus Staten Island mit so namhaften Mitgliedern wie Method Man, Ol‘ Dirty Bastard, Raekwon, Inspectah Deck, Cappadonna, Ghostface Killah, oder dem “Chef” RZA, treibt die Entwicklung seiner Skills nochmals eine Schritt voran. Jeder der MCs hat seinen unverkennbaren Stil, von den intellektuellen Lyrics eines Inspectah zu den gröberen Partyrhymes des Clan-Ekels Ol‘ Dirty Bastard, oder den Storys von Ghostface Killah. So finden sich auf dem neuen Release einerseits Gangsta-Themen, wie bei “Careful (Click, Click)”, aber auch Aufrufe gegen die Gewalt, etwa auf “Let My Niggas Live”, mit Nas als Gastrapper. A propos Collabos: Snoop Dogg, Isaac Hayes oder Busta Rhymes sind nur einige der Grössen, die Beiträge geleistet haben. Das ganze klingt sehr modern, geistreich produziert, wofür Mastermind RZA schon immer ein geniales Händchen hatte. Was fehlt ist vielleicht der ultimative “Smash Hit” fürs Airplay, aber wer sich mit allerlei Skan-dälchen fast ständig in der Tagespresse tummelt, braucht ja so was nicht unbedingt... The Offspring: Conspiracy Of One Columbia/Sony Im fetten Comic-Design präsentiert sich das Artwork der neusten Offspring– Produktion. Auch bei dieser Band stellte sich nach den bisherigen Grosserfolgen die Frage nach dem “wie weiter”. Thematisiert wird dies bei “Dammit, I Changed Again”, einer Uptempo-Nummer im traditionellen Punkhymnenstil, den die Band so gut beherrscht. Interessanter dann schon der nächste Track “Living in Chaos”, der mit seinen Funkanleihen irgendwie stark an Red Hot Chili Peppers erinnert. “Denial, Revisited” ist ein weiterer Song der nicht unbedingt typisch klingt, eher in die Soundgarten-Ecke gehört, ebenso “Vultures”, mit anheimelndem Sixties-Gitarrenlick. Generell dominiert auf diesem Silberling aber eingängiges Punkrock-Song-writing, handwerklich gekonnt umgesetzt. Nur sehr vereinzelt blitzen neue Horizonte auf. Die Antwort auf die “wie weiter”-Frage hier also: “Never change a winning team”... 22 TAXI Nr. 4 Fatboy Slim: Halfway Between The Gutter And The Stars Skint/Sony Der Bassist, Remixer und Turntabler Norman Cook aus Brighton, der in einer so handgestrickten Umgebung wie den Housemartins seine Sporen abverdient hat und sich Anfangs der 90er mit Freakpower erfolgreich in groovendem Funk versuchte, ist aus der britischen Szene nicht mehr wegzudenken. Die verrückte Surfnummer “Rockefeller Skank” war der 98er Som-merhit schlechthin. Auf dem neuen Release lässt es Herr Koch etwas ruhiger angehen. Zu Beginn ein Piano-Sample, das durch allerlei Filtermühlen gedreht wird, dazu gesellt sich croonender Gesang, der dann prompt “hängenbleibt”: Under the big bright yellow sun, bis zum Abwinken. Nach dem Abwinken rattert gleich ein Dancefloor-Beat los, der sich in goa-mässige Sphären aufschwingt, wo er auf Jim Morrison’s “Bird Of Prey” trifft. Das zieht sich dann ziemlich in die Länge... Erlöst werden wir von der wunderbaren Macy Gray, die sich in “Love Life” lasziv-funky mit Sex und Liebe beschäftigt. Es folgen fetzige Big BeatTanz-flächenfüller in bester Fatboy Slim-Tradition. Als weiterer Gast dann P-Funk-Legende Bootsy Collins, der auch schon bei etlichen James- Brown-Klassikern den Bass bediente. Den Höhepunkt des Albums bietet aber eine weitere Nummer mit Macy Gray: “Demons”, von der sie selber sagt, es sei das Beste, was sie bis anhin aufgenommen habe... Cook hat jedenfalls mit dieser Veröffentlichung voll ins Schwarze getroffen. Frech wie immer, aber diesmal mit mehr emotionaler Tiefe – mit Soul... U 2: All That You Can’t Leave Behind Island/Universal Befindlichkeiten im Jahr 2000, so könnte das Motto dieser langerwarteten Veröffentlichung heissen. Weg von der lauten Hektik der “Discoteque”, hin zu besinnlichen, teils folkig angehauchten Songs, denen Lanois/Eno als Produzenten einen ätherischen Schimmer angedeihen lassen. Bono ist gut bei Stimme, die Gitarren filigran und bescheiden, da lassen sich Anklänge an frühe Veröffentlichungen heraushören. Dennoch klingt das ganze nach 2000 – fängt einen Aspekt des Zeitgeistes ein, der besagen könnte: Das Leben ist wie es ist, machen wir das Beste draus. Resig-nation oder vorsichtiger Optimismus? Die Band war, laut ihr selbst, in den letzten Jahren an einem Punkt angelangt, wo alles erreicht schien. Sollten sie aufhören? Sie beschlossen, nochmals von vorn anzufangen. Eine Illusion wahrscheinlich, wenn Mann lokker Stadien füllt, aber in diesem Geist ist dieses Werk entstanden und so sollte es auch rezipiert werden. Es wird interessant sein, zu sehen, wie U2 ihren Anspruch erfüllen, nicht “nur” Pop sondern auch Kunst – nicht nur eine Band für die breiten Megamassen, sondern auch für LiebhaberInnen zu sein. Oder wieder zu werden... Rage Against The Machine: Renegades epic/Sony Noch vor dem bedauernswerten Austritt des Sängers Zack La Rocha wurde diese überraschende CD fertiggestellt. RATM huldigen ihren Lieblingsbands, indem sie deren Stücke covern. Keine wirklich neue Idee. Spannend aber, zu entdecken, worauf die Jungs denn so abfahren. Da wären mal die Detroiter Urpunks (1967!) MC 5, die Sto-nes, die Stooges, Dylan, Eric B and Rakim, Minor Threat, Bruce Springsteen, Devo – reicht‘s schon? Die Single-Auskopplung ist “Renegades Of Funk” von Africa Bambaataa – und als Bonustrack gibt’s “How Could I Just Kill A Man” von Cypress Hill live. Als Gäste dabei: Sen Dog und B-Real vom Zypressenhügel! Cool. Produziert wurde das Silberopus von Rick Rubin, was soundmässig keine Fragen offenlässt. Laut Gitarrist Tom Morello ist die ganze Sache sehr locker und spontan aus einigen Studiojams entstanden, bis plötzlich Covers für ein ganzes Album beisammen waren. Die eigentlich geplante Live-Scheibe mit Aufnahmen vom letzten Sommer wurde hintangestellt und kommt, spannungsvoll erwartet, irgendwann diesen Frühling raus. Alles klar. Bar7:The World Is A Freak Point Wer mag sich noch an Tesla erinnern, diese stets unterbewertete US-Rockband, die sich stilmässig von Zep immer mehr Richtung Aerosmith entwickelt hat und deren stimmungsvolle Unplugged-Juwelen unvergessen bleiben? Tommy Skeoch (g) und Jeff Keith (v) waren da die Masterminds. Jetzt stehen sie mit neuem Line Up, Namen und Album am Start. Sie holen uns mit fetten Drums und tiefergestimmten Gitarren in der Gegenwart ab, um uns sachte, Track um Track, in die Rocklandschaft der späten 80er zurück zu (ent-)führen. Und sie machen das ganz clever unaufdringlich. Es fällt erst auf, wenn man/frau schon angekommen ist. Ein musikalischer Leckerbissen. Schön wär’s, wenn sich die Jungs auch wieder mal live in Europa blicken liessen... Etta James: Matriarch of the Blues BMG Ganz schön hässig, die Lady, wenn ich nach dem Cover urteilen müsste. Etta James singt sich durch Bluessongs die wir alle kennen (Stones, Otis Reding, Bob Dylan). Erdig, dominant, tolle Bläsersätze, warme Hammondorgel. So muss Blues sein. Stark und melodiös. Auch wenn ich mir von Etta James immer wieder ein funkiges Tanzflächen-orientiertes Album wünsche. Aber ich bin und bleibe Fan. Peaches: The Teaches of Peaches Kitty-Yo Keine Infos auf dem Cover, dafür hämmert Peaches gnadenlose Infos rüber. Und das Hämmern ist im wahrsten Sinne des Worte zu verstehen. Metallische Drummaschinen, harte Keyboards und Peaches’ Stimme, trocken, ohne Effekte. Eine Minimalproduktion mit eigenem Charme. „Fuck the Pain away“, „Suck and let go“ zwei Titel die für alle anderen stehen können. Entweder Du liebst den Sound, oder Du lässt es bleiben! 3 Doors Down: The Better Life Republic/Universal Newcomer des Jahres 2000? Oder “just another hype”? Wieder einmal bewirkten überbordende HörerInnenanrufe bei einer lokalen USRadiostation (WCPR in Biloxi, MS) den kometenhaften Aufstieg einer bis Dato unbekannten Rockband. Der gefragte Song namens “Kryptonite” figuriert denn auch gleich als Eröffnungsstück auf dem vorliegenden Debut. Die Mischung aus hartem Rock und Americana-Gitarren scheint zur Zeit auf fruchtbaren Boden zu fallen (vgl. z.B. Matthew Good Band, TAXI 9/2000). Melancholie und Aggression im Wechselbad, auch dies zweifellos ein Stück widerspiegelten Zeitgeists. Die CD klingt sehr gut : fett, wuchtig und zugleich feinziseliert. Nur tendiert das Genre für meine Ohren mit der Zeit zur Langeweile, eignet sich somit eher zur Hintergrund-Berieselung, als zum hingebungsvollen Zuhören. Geschmacksache. Apollyon Sun: Sub spv/Phonag Celtic Frost goes Industrial. Tom Gabriel Fischer (vormals Warrior...) hat eine Handvoll neuer Musiker um sich geschart und den Soundtüftler Rolf Mosimann (Young Gods u. a.) hinter die Knöpfchen geholt, um ein brachiales Stück Härte ins Silizium zu lasern. Es donnert und blubbert, es knüppelt und kracht und dennoch sind Melodien zu erkennen, die irgendwie anheimeln. Hochinteressante Stilmischung, bestimmt noch ausbaufähig. Die Hard Fans von “The Frost” werden eventuell etwas Mühe bekunden, aber wir schreiben 2001, halt... Jedenfalls haben sich Tom und seine Mitstreiter nicht gescheut, Neues auszuprobieren und sich da und dort auf die Äste rauszulassen. Schon rein dafür gebührt ihnen Anerkennung. Wär toll, wenn sich daraus wieder was richtig grosses entwickeln könnte. Zu gönnen wär’s ihnen allemal. Energy - the annual. Mixed by Energy & Sonic-T Warner/Energetic Seit 1992 findet das grösste Dance-Festival Energy jeweils nach der Streetparade statt. Diese Doppel-CD, von zwei der besten hiesigen DJ gemixt, vereint alle grossen Hits aus dem Trance und ProgressivBereich. Ein Leckerbissen für alle LiebhaberInnen aktueller elektronisch-rhythmischer Musik. Finders Keepers Groove Attack Eine völlig entspannende Zusammenstellung von raren jazzig-funkigen Grooves mit Anleihen an französische Filme der 50er und 60er mit etwas HippieFeeling versüsst. Nino Ferrer, US 69 stehen neben Brigitte Bardot, Isis und anderen. Zurücklehnen und fingerschnippend neue Sounds entdecken. Mauro Picotto: Metamorphose Warner Der DJ Mauro Picotto „The Lizzard Man“ ist, gemeinsam mit Mario Piu, Labelmanager von BXR, der italienischen Avantgarde-Tüftelküche für innovative Dance-Sounds, das kürzlich die Auszeichnung gewann „bestes Independentlabel“ im Bereich der Dance-Music. Mit „We gonna get“ erreichte Picotto zum ersten mal die European Charts. Er arbeitet auch als Remixer und Produzent. Seine eigenen Hits sind Legion: „Bakerloo Symphony“, „Lizard“, „Pulsar“ und die Nr. 1 Hits „Iguana“, und „Komodo“. Auf dem aktuellen Mix-Album fehlen die bekannten Hits, dafür sind weitere InterpretInnen zu entdecken und das Ganze tönt auf 2 CDs so: bumbumbumbum-u-u-uu-cha-cha-cha-bumbum-a-bumbum-abummm-baba-bum-baba und so weiter und so fort. Ab und zu flirrt oder kreist ein Keyboard-Loop zur Entspannung durch das Gefüge um dann gleich wieder von bum-bumbum und Bass-Bass-Bass aufgenommen zu werden. Äh ja, falls da Stimmen sind, dann wurden sie derart durch den Vocoder gequetscht, dass sie fliessend im Rest aufgehen. Übrigens: Perfekt gemixt! Sweet&Sexy UK House & Garage EMI/djbeat Die angesagten Hits aus England wurden auf diesem Sampler gemixt. Reggae steht neben Dancefloor, Housigem und fun-kigem. Schöne Übergänge. Angenehm zum Hören und Autofahren. Russian Gypsy Soul Network Vergessen wir endlich mal die GypsyKings wenn es um Zigeunermusik geht. Die Musik der Fahrenden, Verfolgten und Ausgestossenen erklingt von Indien, über Spanien und Russland. Gerade in Russland vermischte sie sich mit russischen Weisen. Daraus entstand eine ziehend- melancholische und feurig-rhythmische Mischung die sich mit Worten schlecht beschreiben lässt und deren Markenzeichen die sieben-saitige Gitarre ist. Sie zielt direkt ins Gefühlszentrum. Einen guten Querschnitt durch die Nomadenmusik der Siberian Gypsies, dem kreativen Stil der Stadtzigeuner und der Zigeuner Südrusslands bieten diese beiden CDs. Integriert in einem kleinen Büchlein das auf die Geschichte des Zigeunerliedes eingeht und die InterpretInnen in Wort und Bild vorstellt. Burhan Öçal Istanbul Oriental Ensemble: Caravanserai Network Um diese CD vor zu stellen könnte ich nun in Superlativen schwelgen, derart fantastisch finde ich die Kompositionen. Sechs eher ältere Musiker wecken Sehnsüchte und Fantasien an Karawanen, Zelte, Wüste und vergangene Zeiten. Wer Burhan Öçal schon mal trommeln gesehen hat, weiss, da spielt ein Besessener. Ferdi Nadaz, der gefühlvolle Klarinettist und KavalFlötebläser, einer der ganz grossen in der Zigeunermusik starb kurz nach den Aufnahmen zu dieser CD. Auf dieser CD untermalt er die süssen und klagenden Rhythmen mit muezzinartigem Gesang. Perkussion, Bass-Darbuka, Keman-Violine, Kanun, Oud und andere exotische Instrumente entführen in schöne Klangwelten. Der Hauch von Orient lässt nicht mehr los und verlangt nach mehr. George Benson: Anthologie Warner Das habe ich mir vom Gitarristen und begnadeten Sänger George Benson schon lange gewünscht, eine Doppel-CD auf der (fast) alle seine tollen Kompositionen zu hören sind. Schade, dass nur die kurze Version von „On Broadway“ Platz fand. Ansonsten lässt die Zusammenstellung nichts zu wünschen übrig. Das beigelegte umfangreiche Booklet brilliert mit vielen Fotos und Infos zum Werdegang und den Schaffensperioden des Künstlers der auf fast fünf Jahrzehnte emsige Musikkreation im Soul-Funk-Jazz-Bereich zurückschauen kann. Derzeit werden weitere Benson Aufnahmen, wie „Breezin“ für den CD-Markt neu gemischt und gepresst. TAXI Nr. 4 23