Ende Juni 2011 startete der Seniorenkreis des Bezirks Bonn zu

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Ende Juni 2011 startete der Seniorenkreis des Bezirks Bonn zu
Ende Juni 2011 startete der Seniorenkreis des Bezirks Bonn zu einer Reise in den
Bayrischen Wald. Hierzu einige sehr informative Ausführungen von Karoline Hundermark:
Notizen für den Ausflug am 29. Juni 2011 von Bernried im Vorderen Bayerischen Wald mit unserem
Reisebus nach Deggendorf, mit der Waldbahn ab Deggendorf durch den Bayerischen Wald und mit
dem Böhmerwaldcourier ab den beiden Eisenstein durch den Böhmerwald nach Klattau und wieder
zurück
Liebe Reisefreunde,
unser Reisechef Günter Wilke meinte, wenn wir schon über die Grenze in die Tschechische Republik
ausfliegen, dass etwas über Land und Leute, auch zur Geografie und Geschichte interessant wäre.
Denn dieser Zungenbrecher Tschechien ist ja doch für Rheinlander ein sehr fernes Land und –
politisch bedingt – auch nach 20 Jahren noch eine Art „terra inkognita“, also eine ziemlich unbekannte
Gegend, obwohl es von Bonn nach Prag/Praha nicht weiter ist als nach Berchtesgaden.
Werner Nau kann ja leider nicht mehr mit uns reisen und uns seine bewährten Kenntnisse über
Urstromtäler und Endmoränen näher bringen. Ich soll ihn heute vertreten, weil ich seit 1976 häufig in
Böhmen war. Nicht nur dort, wo die Touristen hinströmen, also in Prag, in Pilsen/Plzeň oder in den
westböhmischen Bädern Karlsbad/Karlovy Vary und Marienbad/Mariánské Láznĕ, sondern in allen
möglichen Ecken. Bis mir vor einigen Jahren in Nordostböhmen mein Auto geklaut worden ist. Das war
in Teplitz-Schönau/Teplice das liegt gleich hinter dem Grenzübergang Zinnwald/Cinovec. Nicht weit
von Teplice liegt an der Elbe die Industriestadt Aussig/ Ustí nad labem, die gilt als Räubernest. Ihren
Ruf hat sie aus anderen Gründen bereits im Jahr 1945 ruiniert.
Teplice ist ein berühmtes Radonbad, eine Art Jungbrunnen mit prächtigen Häusern im Kurviertel.
Gekurt haben dort berühmte Leute aus aller Welt, u.a. Beethoven und die Kaiserin Maria Theresia. Als
die beiden sich im Kurpark begegnet sind, hat Beethoven nicht den Hut gezogen und gegrüßt. Heute
lebt Teplice, wie auch die anderen berühmten Bäder von den reichen Russen und Teplice vor allem
von den Saudis mit ihren schwarzvermummten und schmuckbehangenen Frauen.
Zwischen der Grenze und Teplice liegt Eichwald/Dubí: Dort ist die Porzellanfabrik, die das tschechische
Zwiebelmuster herstellt (Form und Muster sehen von weitem wie Meißner Porzellan aus). Man kann es
in Bonn nirgends kaufen. Bei van Dorp gibt es nur das viel teurere von Hutschenreuther. Wer Interesse hat, wird sicher in dem Porzellangeschäft mitten in Klattau fündig. Eine Besonderheit ist z.B. auch
altrosa Porzellan mit vielen Schnörkeln.
Ich schweife zwar etwas von der Geografie ab, aber vielleicht möchten Sie ja wissen, warum ich 1976
hinter den Eisernen Vorhang gereist bin. Ich habe mit Botschaftsstempel im Visum meine Cousine in
Prag besucht, die damals dort an unserer Botschaft war. Die war gerade vom Hotel Jalta am Wenzelsplatz umgezogen auf die Kleinseite, in das prächtige barocke Stadtpalais der Adelsfamilie derer von
Lobkowitz, wahrscheinlich hat der Bund die Restaurierung bezahlt!. Die Lobkowitz stammen aus der
Nähe von Pilsen, nach 1945 war ein Lobkowitz Kanzler der Universität Wien. Inzwischen braucht der
tschechische Staat Geld und will das Palais an die Bundesrepublik Deutschland verkaufen.
Ich hatte noch einen anderen Grund für diese Reise. Ich wollte das Grab meiner Großmutter in
Marienbad suchen. Dorthin war sie aus Berlin als Charité-Patientin gegen Kriegsende evakuiert
worden. Die Suche hatte auch Erfolg. Im Prager Frühling durfte nämlich der Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge dort einen Friedhof anlegen.
Dann hatte ich noch den ausgefallenen Wunsch, die Schneekoppe/Snéžka (1602 m) zu besteigen. Das
war damals schwieriger, als in Afrika auf den Kilimandscharo zu kommen. Mitten über den Berg geht
die Grenze nach Polen. Ich war ein bißchen enttäuscht. Der Gipfel ist ein Gewirr von Basaltblöcken
ohne Bäume, so ähnlich wie der Lusen im Bayerischen Wald und als ich am Nachmittag endlich oben
war, saß ich in Wolken, keine Landschaft, kein Glatzer Bergland zu sehen. Das ist fast immer so. Also
nicht erst nach einem gemütlichen Frühstück von Spindlermühle über die Wiesenbaude auf
wunderschönen Wanderwegen dorthin, sondern ganz früh mit der Seilbahn von Pec nad Snéžkou.
Auf dieser und späteren Reisen habe ich Freunde in diesem Land gefunden, die mich immer wieder
dorthin gelockt haben, obwohl mein erster Grenzübergang eigentlich abschreckend war: Als der
tschechische Grenzer sein dobrý den (Guten Tag) sagen wollte, hatte ich nämlich vorher schon den
Lauf seiner Kalaschnikow durchs offene Fenster in meinem Auto. Das war in Waidhaus.
Eines Tages habe ich dann in dem idyllischen Tal Ferien gemacht, durch das wir von Böhmisch
Eisenstein mit dem Böhmerwaldkurier nach Klattau/Klatovy fahren werden.
Wenn sie Böhmen hören, so ist das nichts anderes als die Übersetzung von Čechy. Čech, das ist der
Böhme, Česka die Böhmin. Bömisch, das ist Česky. Und der Böhmerwald ist der Česky Les. Böhmen ist
aber nicht dasselbe wie Tschechien. Dieser politische Name ist ziemlich verkehrt. Es fehlt nämlich
Mähren/Moravia, der mährische Landesteil. Dort liegen Znaim, wo es die leckeren süss-sauren Gurken
gab/Heimat von Kollegen Hromadka, außerdem Brünn/Brno, Olmütz/Olomouc (in der Nähe entspringt
die Oder). Dort geht es in die Karpaten mit der niederen und hohen Tatra und das ist heute Slowakei.
Sie kennen ja die Redensart, das sind für mich böhmische Dörfer. Bei den Tschechen sind das
spanische Dörfer (je to pro mne španelske vesnice). Tschechisch gehört zu den exotischen Sprachen.
Wer lernt schon tschechisch. Und so kommt es, dass der Deutsche dort němec heißt, das ist der
Stumme. Und Deutschland Německo, das stumme Land. Die Verständigung klappt heuzutage mal mit
Deutsch, mal mit Englisch.
Was wissen wir eigentlich über Land und Leute? Wir wissen allenfalls, dass es in der Habsburger
Monarchie bis 1918 das Königreich Böhmen gab, die dort lebenden Deutschen also Österreicher
waren, wie die Tschechen auch. Dass die im wesentlichen deutsch besiedelten Gegenden der 1919
gebildeten Tschechoslowakei 1938 mit dem Münchner Abkommen deutsch wurden und der Rest
später das Protektorat Böhmen und Mähren war. (Die Slowakei war in dieser Zeit ein eigener Staat).
Die Folgen kennen wir zur Genüge. Die älteren Leute in Prag meinten stets, irgendwann kommen die
Deutschen wieder. Kein Wunder, das ist bei Nachbarn ganz normal. Die Tschechen kommen jetzt ja
auch gern zu uns.
Aus der Schule wissen wir noch, dass Böhmen an drei Seiten von uralten Gebirgen umgeben ist.
Machen wir mal Erdkundeunterricht: Im Osten fängt es im Norden mit dem Isergebirge/Jizerské hory
an. Dann kommt das Riesengebirge/Krokonoše mit der Schneekoppe und der dort hausende Rübezahl
ist der Krokonoš. Nicht weit von der Schneekoppe entspringt die Weiße Elbe, die eigenliche Elbequelle
ist aber weiter nördlich: Sie hat eine gemauerte Brunnenfassung aus Buntsandstein; darüber eine
Wand mit den Wappen aller Städte an der Elbe/Labe. Das Ganze auf einem nassen Hochfläche. Aus
dem Bach wird nie etwas, habe ich 1976 gedacht, als ich da oben auf einer unendlich weiten Wiese
stand. Aber dann stürzt der Bach in einen tiefen und langen Gletschertrog und von allen Seiten
plätschert Wasser herunter. Nach etwa 10 km ist die Elbe in Spindlermühle schon breit wie die Ahr bei
Mayschoß, und was weiter daraus wird, sehen wir ja in Hamburg.
Dem schließen sich auf tschechischer Seite an: das Adlergebirge/Orlické hory und Altvatergebirge/
Hrubý Jesenik an. Dann kommt das Hultschiner Ländchen (in Berlin gibt es den Hultschiner Damm)
und weiter südlich finden wir das Odergebirge/ Oderské vrchy. Die Oder fließt bis Ostrau/Ostrava
durch das mährische Gesenke nach Osten und entschwindet durch die Mährische Pforte nach Norden
ins Polnische.
Diese von den Elbsandsteinen aus nach Süden bis zur Mährischen Pforte laufenden Gebirgsstöcke sind
geographisch die Sudeten (Nach 1918/19 erst wurde das ein bleibender Sammel-begriff für die im
Sprachraum der böhmischen, märischen und schlesischen Grenzgebiete lebenden Deutschen). Das
hinter den Sudeten liegende Schlesien hatte der Alte Fritz vor gut 250 Jahren im Siebenjährigen Krieg
der Kaiserin Maria Theresia, d.h. dem Vielvölkerstaat Habsburg abgenommen Aber nun sind wir das
Gebiet wieder los. Dafür haben wir die EU und können hinfahren, so oft und so lange wir möchten..
Im Norden haben wir das Erzgebirge/Krušné hory und anschließend im Osten die Elbsandsteine/
Labské Pískovce. Durch die musste sich einstmals die Elbe würgen. Es ist heute noch eng. Das ging
aber einigermaßen gut, weil Sandstein nicht so hart ist. Steigt man von Sachsen über den Kamm nach
Süden tief ins Tal herunter, landet man an der Eger/Ohře. Sie kommt aus dem Fichtelgebirge (wie der
Weiße Main, der Rote Main kommt aus Richtung Fränkische Schweiz – das wissen wir von der Reise
nach Pottenstein). Kurz hinter der Grenze liegt das Städtchen Eger/Cheb. Am Marktplatz steht ein
altes gotisches Haus mit einem mit Steinmetzarbeiten vorzüglich verzierten Eingangstor. Dort wurde
gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges Wallenstein ermordet. Seine Rüstungsindustrie hatte er im
Herzogtum Friedland (das liegt am Wege von Prag ins Riesengebirge). Die Eger fließt ziemlich gerade
nach Osten und mündet bei Leitmeritz/Litomĕříce in die Elbe. (Nicht weit davon liegt Theresienstadt/Terezín, einer der in unserer jüngeren Geschichte unrühmlichen Orte) Das ist 60 km nördlich
von Prag. Die Elbe braucht dann noch rd. 60 km bis zu den Elbsandsteinen und der Grenze.
Im Westen haben wir auf der deutschen Seite erstmal das Fichtelgebirge, dann den Oberpfälzer Wald
und schließlich den Bayerischen Wald, da wohnen wir ja zur Zeit. Über den Kamm ist das von oben bis
unten, von Eger bis Passau, der Böhmerwald, der Česky Les. Den südlichen Teil nennen die
Tschechen aber Šumava. Das heißt ganz romantisch „Der Rauschende“.
Und was ist in der Mitte? Das böhmische Becken. Das Land ist ebenso wie der Rheingraben vor
Jahrmillionen eingebrochen. Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Das sind die Vulkane der Eifel
und die Vulkane in Nordostböhmen. Da gibt es eine Verbindung (das wäre etwas für Werner Weule).
Das merkt man über der Erde zunächst in Ostwestfalen: An der B 7 nach Kassel sieht man kurz hinter
Warburg einen einsamen Vulkankegel, den Desenberg. Auch in Nordböhmen ist noch nicht Schluss mit
der unterirdischen Heizung. Es geht weiter über den Balkan - Vielleicht erinnert sich der eine oder
andere noch an das schwere Erdbeben in Mazedonien, das die Stadt Skopje zerstört hat - Und wohl
bis in die Türkei.
Das alles spielt sich auf einer ziemlich quadratischen Fläche von rd. 300 x 300 km ab. Das sind etwa
bayerische Ausmaße. Einwohner gab es 2009 rd. 10,5 Millionen. Tendenz sinkend.
Nach diesem Ausflug quer über die Landkarte komme ich wieder zu unserem Ausflug nach Klattau.
Wir fahren durch einen Taleinschnitt auf 750 m Höhe nach Böhmisch-Eisenstein. Wir müssen nicht auf
einem Pass über den Kamm, dann müßten wir auf rund 1400 m, wir nutzen bequem das Tal, das aber
300 m höher liegt als Bernried. Preisfrage: wie hoch liegt Bernried?
Durch das Tal ging schon im Mittelalter eine Handelsstraße von Regensburg nach Böhmen. Sie ging
am Regen entlang, Der Schwarze Regen entspringt oberhalb von Böhmisch-Eisenstein. Der Weiße
Regen kommt aus dem Lamer Winkel, vom Grenzberg Osser. Der Regen fließt umgekehrt wie die
Donau und sammelt viel Wasser vom Kamm ein, bis er in Regensburg ankommt. Nach Süden tut das
übrigens die Ilz, der wir in Passau begegnet sind.
In Böhmen ging der Handelsweg oberhalb des Tals durch das wir fahren werden, und zwar vom
Špičák/Spitzberg zum Prenet/Brennet und dann herunter ins Tal nach Klattau. Die Saumtiere mußten
klettern, weil der Berg hinter Eisenstein, durch den jetzt der Bahntunnel geht, den Talweg versperrte –
Der Name Brennet kommt von brennen. Auch bei Straubing finden wir einen Brennesberg. Es muss
vor Jahrhunderten einen gewaltigen Waldbrand gegeben haben.
Wenn wir durch den Bahntunnel gefahren sind, liegt unten das idyllische Tal der Úhlava/Angel. Vor
Nyrsko/Neuern ist sie seit den 20iger Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Stromerzeugung gestaut.
Sie fließt weiter nach Pilsen und landet im Pilsner Urquell. Was übrigbleibt, fließt zusammen mit zwei
anderen Flüsschen (Mies und Radbusa) als Beraun weiter nach Prag, dort in die Moldau und dann
über die Elbe ab in die Nordsee.
Aus dem Tälchen geht vom Ort Hammern/Hamry ein herrlicher Wanderweg auf den Osser/Ostry.
Nachdem die unmenschlichen Grenzsperren 1980 abgebaut waren, haben oben in der Hütte (auf
deutscher Seite), die tschechischen und deutschen Zöllner ihren Bärwurz getrunken. Das ging auch
nur dort, mit der lockeren österreichisch gepägten Mentalität.
Auf dem Osser sind wir auf dem Gebirgskamm. Der sah vor der letzten Eiszeit schon so aus wie heute,
ist dann unter Schnee und Eis versunken und vergletschert. Die Gletscher haben beim Abtauen riesige
Geröllmengen zusammengeschoben. Daraus sind allerdings keine Endmoränen entstanden, aber tiefe
Tröge, sog. Gletscherkare. Zwölf davon gibt es insgesamt, acht davon sind mit Wasser gefüllt.
Im Bayerischen Wald sind das der kleine und der große Arbersee. Gegenüber auf der anderen Seite
sind deren Zwillinge, nämlich der Schwarze See/Černė jezero und der Teufelssee/Čertovo jezero. In
das tiefe Kar des Schwarzen Sees sehen wir vom Zug aus. Dann ist da noch im Naturpark der viel
kleinere Rachelsee.
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Die anderen Seen sind in Tschechien, davon im Naturpark Šumava zwei ziemlich kleine etwa auf der
Höhe vom Rachelsee, nämlich der Lacka-See/Jezero Lacka. Der Name erinnert ein bisschen an den
Laacher See, bei uns im Rheinland. Das ist doppelt gemoppelt, denn Lacus heißt bereits See auf
Latein. Die alten Römer haben auch in Böhmen Spuren ihrer Sprache hinterlassen. Der andere ist der
Stubenbach-See/ Pražilskė jezero.
Stubenbach lag im Grenz- und Militärsperrgebiet, war aber ein Erholungsort für höhere linientreue
Militärs – wenn ich mich richtig erinnere. Noch heute ist es gefährlich, die Wanderwege zu verlassen.
Parken kann man mittendrin auf einem offensichtlich früheren Hubschrauberlandeplatz. Das Gebiet
hat früher den Schwarzenberg's gehört. Karel Fürst Schwarzenberg ist nach der Samtrevolution als
tschechischer Außenminister bekannt geworden.
Der achte See ist weiter südlich beim Dreisesselberg am Osthang des böhmischen Plöckenstein. Im Tal
liegt Oberplan/Horní Planá. Das ist der Geburtsort des Dichters Adalbert Stifter. Er gehört zu den von
Goethe verachteten Romantikern. Wenn er ausführlich die Landschaft beschreibt, liest sich das wie
eine Wanderkarte. Das war poetischer Realismus. Er ist oft zum Plöckensteinsee hinaufgestiegen und
hat in seiner Erzählung „Der Hochwald“ beschrieben, wie er sich dort oben gefühlt hat:
„Ein Gefühl der tiefen Einsamkeit überkam mich jedesmal unbesieglich, so oft und gern ich zu dem
märchenhaften See emporstieg .... Man kann hier tagelang weilen und sinnen, und kein Laut stört die
durdh das Gemüt ziehenden Gedanken, als etwa der Fall einer Tannenfrucht oder der kurze Schrei
eines Geiers. Oft entstieg mir ein und derselbe Gedanke, wenn ich an diesen Gestaden saß: Als sei es
ein unheimlich Naturauge, das mich hier ansehe, tiefschwarz, überragt von der Stirn und Braue der
Felsen, gesäumt von der Wimper dunkler Tannen, drin das Wasser regungslos wie eine versteinerte
Träne.“
Der Wald durch den wir auf beiden Seiten der Grenze fahren, heißt übersetzt „Königsforst“/Královský
Hvozd. Wie kommt der nun aus der Nähe von Köln dorthin? Wir lesen im Bahnprospekt etwas von den
künischen freien Bauern und auf der Landkarte in Bayern etwas von Künischem Gebirge. Im tschechischen sind das die Králováci oder Königsbauern (Král heißt König, das ist bayerisch Kini oder Küni).
Und so kam es zu diesem „Königsforst“: Der Wald war während des Mittelalters wegen des rauen
Klimas sehr dünn besiedelt, von deutschen Siedlern, die die böhmischen Herzöge und Könige gerufen
hatten, um das unwirtliche Gebiet urbar zu machen. Es waren einsame Höfe, auf denen die
Königsbauern lebten. Sie hatten die Grenze und den Handelsweg zu sichern, später auch die
Goldgruben zu bewachen. Als Gegenleistung erhielten sie besondere Rechte mit eigener Gerichtsbarkeit. Sie waren freie Bauern, nur dem König unterstellt.
Auf diesem Handelswegen wurde seinerzeit zunächst vor allem Salz transportiert. Dort wo es lagerte,
brachte es Reichtum – auch nach Klattau. Auch in Regensburg war das so, wie wir dort bei der
Stadtführung erfahren haben. Noch bekannter ist der Goldene Steig für den bayerisch-böhmischen
Handel in alten Zeiten. Dieser Salzweg begann in Passau. Er teilte sich unterwegs in drei Routen. Sie
gingen nach Prachatitz/Prachatice, Winterberg/Vimperk und Bergreichenstein/Kašperské Hory.
Das Arbergebiet war damals österreichisch, ungekehrt gehörte das Gebiet um Eisenstein zu Bayern.
Über den Grenzverlauf gab es immer wieder Streit. Erst unter Maria Theresia wurde die Grenze so
festgelegt, wie wir sie heute kennen, genau über den Kamm. So wurde der Arber deutsch und
Eisenstein zu Böhmisch-Eisenstein zu Železná Ruda: Železná = Eisen und Ruda = Erz. Erst danach
entstand Bayerisch Eisenstein.
Für Ihre Bewerbung bei Günter Jauch oder Jörg Pilawa zähle ich hier vorsorglich noch die höchsten
Berge des Bayerischen Waldes auf: Es geht los mit dem Grenzberg Osser, dann etwas landeinwärts
der Große Arber – mit 1402 m der Höchste – dann kommt der Große Falkenstein wieder nah an der
Grenze, dann der Rachel – nur 4 m niedriger als der Arber – schließlich der Lusen direkt an der
Grenze, ein Gewirr von Basaltbrocken wie die Schneekoppe. Bekannt ist dann noch weiter nach Süden
der Dreisesselberg.
Vom Lusen ein Stück nach Süden ist direkt über der Grenze die Moldauquelle. Es ist die warme
Moldau/Tepla Vltava, die kalte Moldau/Studena Vltava kommt weiter südlich aus der Plöckensteingegend. Die Moldau fließt erst durch Hochmoore, dort ist sie nach 1945 zu einem 40 km langen See
(Lipno) gestaut worden. Der See ist zu einem Wassersportparadies geworden. Am Ende des Stausees
liegt das berühmte Kloster Hohenfurth/Vyšší Brod. Die Moldau hätte von dort bis zur österreichischen
Grenze nur noch 13 km und dann noch 27 km bis zur Donau bei Linz.
Offensichtlich wollte sie lieber ins Schwarze Meer als in die Nordsee. Sie hat es aber nicht geschafft.
Das Gestein, durch das sie sich hätte durcharbeiten müssen, war zu hart, sie beißt dort nämlich auf
Granit. Sie ist deshalb nach Osten abgebogen, fließt durch Krummau/Česky Krumlov – wie Regensburg Weltkulturerbe der Unesco – dann am Kloster Goldene Krone/Zlatá Koruna vorbei – ebenfalls
eine Sehenswürdigkeit – nach Budweis/České Budĕjovice, wo das leckere, liebliche Budweiser gebraut
wird.. Von dort macht sie sich auf den Weg durch das böhmische Becken nach Norden, erreicht Prag
und mündet etwa 40 km nördlich von Prag in Mĕlník in die Elbe, denn dort versperren ihr die
mittelböhmischen Berge den weiteren Weg.
Hier noch etwa zur Donau. Das ist ein sehr bequemer Fluß. Den Donaudurchbruch am Kloster
Weltenburg, wo wir ja bereits waren - hat sie nicht selbst zustande gebracht, obwohl das weicher
Kalkstein ist und kein Granit, durch den die Moldau es nicht geschafft hat. Wie am Weg vom Schiff
zum Kloster zu lesen war, ist die Donau zuerst durch das heutige Altmühltal geflossen. Den Durchbruch hat ein anderer Fluß – übrigens rückwärts zu seiner Quelle – geschafft. Irgendwo entstand
dabei eine Verbindung zur Donau. Die hat dann umdisponiert und fließt nun durch die Weltenburger
Enge. Ein bißchen Donau hatte früher die Tschechoslowakei. Nach Trennung der Tschechen und
Slowaken nach 1990 ist das vorbei. Sie fließt nun nur noch ab Preßburg/Bratislava (von Wien gleich
um die Ecke) durch die Slowakei Richtung Budapest.
Die Moldau ist der einzige größere Fluss, den die Tschechen ganz für sich haben. Sie sind sehr stolz
auf ihre Moldau. Einer ihrer großen Komponisten, Bedřich Smetana (das heißt ganz prosaisch
„Sahne“), hat ihr eine überaus volkstümlich gewordene sinfonische Dichtung gewidmet. Sie gehört zu
dem Zyklus „Mein Vaterland“ und jeder von uns hat diese Musik sicher schon gehört. Es ist die damals
beliebte Programm-Musik, zu hören sind zierliches Quellgeriesel, rauschende Wellen, Stromschnellen
und der immer kräftiger werdende Flusslauf, der schließlich in majestätischer Ruhe dahinfließt. Diese
Musik ist ein Produkt des sich damals nicht nur im Habsburgerreich entwickelnden Nationalismus, dem
Prag das von dem tschechischen Teil seiner Bevölkerung (1/3 tschechisch + 1/3 deutsch + 1/3
jüdisch) gebaute Nationaltheater am Moldauufer verdankt und der politisch zu der Katastrophe von
Sarajewo und zwei Weltkriegen in Europa führte.
Der in Sarajewo von einem serbischen Fanatiker ermorderte habsburgische Thronfolger Franz
Ferdinand war mit einer sehr attraktiven Tschechin verheiratet und hatte sicher keine Zeit, nur im
Wald zu stehen und Wild zu erlegen (wie die Fremdenführerin einer Betriebsgruppe aus der DDR noch
in den 80iger Jahren erklärte), und zwar im Schloss Konopište, südlich von Prag, wo er gelebt hatte.
Dort kann man noch das neugotisch eingerichtete pompöse Rauchzimmer von Kaiser Wilhelm sehen
und auch das Schlafzimmer von Admiral Tirpitz mit einer weißen, emaillierten Waschschüssel auf
einem gußeisernen Gestell.
Freuen wir uns, dass sich die Zeiten geändert haben, wir vergnügt nach Böhmen reisen können, und
hoffen wir, dass das so bleibt. Sollten Sie nach Prag kommen, finden Sie die Gräber von Bedřich
Smetana und Antonín Dvořak auf dem Vyšehrad, das ist der Burgberg auf der anderen Moldauseite
oberhalb der Prager Neustadt. Dort ist der Ehrenfriedhof Slavin.
Und sollten Sie mal Ferien im Šumava machen, das Denkmal für Adalbert Stifter steht seit 1877
oberhalb von Oberplan und jenseits des Moldaustausees Lipno auf dem böhmischen Plöckenstein
(1368 m). Es ist ein 13 m hoher Obelisk auf der Felsenkanzel über der 300 m steil abfallenden
Seewand. Tief unten im Gletscherkar der See. In dieser Gegend spielt sein Roman Witiko, der die
Geburtswehen des Königreichs Böhmen im frühen Mittelalter ausführlichst beschreibt.