Chronik Dokumentation ausgewählter Ereignisse im Freistaat

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Chronik Dokumentation ausgewählter Ereignisse im Freistaat
Chronik
mit rechtsextremistischem Hintergrund bzw. Anhaltspunkten für die Beteiligung von Rechtsextremisten
Dokumentation ausgewählter Ereignisse
im Freistaat Sachsen im zweiten
Halbjahr 2006
Die Sachverhaltsdarstellungen entsprechen den dem Landesamt für
Verfassungsschutz Sachsen zum Zeitpunkt der Erstellung vorliegenden
Meldungen und Bewertungen.
Termin und Ort
mit linksextremistischem Hintergrund bzw. Anhaltspunkten für die Beteiligung von Linksextremisten
mit ausländerextremistischem Hintergrund bzw.
Anhaltspunkten für die Beteiligung von ausländischen
Extremisten
Ereignis
Juli 2006
1. Juli
Paris
Großdemonstration des NATIONALEN WIDERSTANDSRATS IRAN (NWRI)
An der Veranstaltung, die der Unterstützung des NWRI dient, nehmen offiziellen
Angaben zufolge 8.000 Personen, darunter mehrere Hundert aus Sachsen, teil.
An sächsischen Hochschulen werden im Vorfeld Flugblätter verteilt, die zur
Teilnahme an „einer großen iranischen Veranstaltung in Paris (Frankreich)“ aufrufen.
26. Juli
Mittweida
Exekutivmaßnahmen gegen die rechtsextremistische Kameradschaft STURM 34
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln gegen Mitglieder der rechtsextremistischen
Kameradschaft wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Bei
Durchsuchungsmaßnahmen werden u. a. Propagandamaterial und verbotene
Gegenstände wie z. B. Schlagringe und Wurfsterne gefunden.
Die rechtsextremistische Gruppierung gilt als äußerst gewaltbereit. Die
Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus ergibt sich bereits aus dem
Kameradschaftsnamen. Er erinnert an eine SA-Struktur aus der Zeit des
Nationalsozialismus.
29. Juli
Roßwein
(Landkreis Döbeln)
Demonstration der JUNGEN NATIONALDEMOKRATEN (JN)
Unter dem Motto „Linke Gewalt ächten“ organisiert der JN-Stützpunkt
Döbeln/Meißen eine Demonstration. Im Demonstrationsaufruf heißt es, mit der
Veranstaltung solle „linken Chaoten Paroli“ geboten werden. Die Organisatoren
erwarten 150 bis 200 Personen. Tatsächlich nehmen jedoch nur 50 Anhänger der JN
teil. Als Redner tritt u. a. ein Abgeordneter der NPD-Landtagsfraktion im Sächsischen
Landtag auf.
Beteiligung von Linksextremisten an Protesten gegen die Demonstration der JN
Etwa 80 Personen führen eine „Spontandemonstration“ durch, in deren Verlauf es zu
zwei versuchten Sitzblockaden und Aktionen in Kleingruppentaktik gegen den
Aufzug der JN kommt. Nur durch polizeiliche Maßnahmen kann die Konfrontation
beider politischer Lager vermieden werden. Bereits im Vorfeld der Demonstration
kommt es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf eine Person leicht verletzt und
zwei Pkw beschädigt werden.
Neben verschiedenen nicht extremistischen Initiativen hatte insbesondere die
linksextremistische ANTIFA ROSSWEIN-DÖBELN-LEISNIG (Antifa RDL) zu Protesten
gegen den JN-Aufzug aufgerufen.
August 2006
5. August
Dresden
Pressefest des Verlages der DEUTSCHEN STIMME und der NATIONALDEMOKRATISCHEN PARTEI DEUTSCHLANDS (NPD)
Die Veranstaltung wird von mehr als 7.000 Personen besucht. Organisiert werden eine
Podiumsdiskussion, Verkaufsstände und Konzerte mit Liedermachern und
Skinheadbands. U. a. sprechen der NPD-Bundesvorsitzende VOIGT, der NPDFraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag APFEL und der stellvertretende
Bundesvorsitzende der DEUTSCHEN VOLKSUNION (DVU) zu den Anwesenden. Bei der
Podiumsdiskussion ergreifen auch Vertreter ausländischer rechtsextremistischer
Organisationen aus Spanien, Griechenland und Frankreich das Wort.
Gegenaktivitäten von Linksextremisten
An der Demonstration einer Dresdner Kampagne „Der NPD den Boden entziehen“
beteiligen sich bis zu 300 Personen. Bei einem erheblichen Teil der Teilnehmer
handelt es sich augenscheinlich um Personen des lokalen autonomen Spektrums.
Mitgeführte Transparente und Fahnen lassen zudem u. a. auf die Teilnahme des
orthodox-kommunistischen REVOLUTIONÄREN FREUNDSCHAFTSBUNDES DRESDEN und
der linksextremistischen MARXISTISCH-LENINISTISCHEN PARTEI DEUTSCHLANDS
(MLPD) schließen.
Während die „antifaschistische Demonstration“ selbst friedlich angelegt ist, fordern
der autonomen Szene zuzurechnende Demonstrationsaufrufe zusätzlich zumindest
indirekt auch zu Störungen und Übergriffe gegen Pressefest-Teilnehmer auf bzw.
kündigen solche an. In der Folge gibt es mehrere, offenbar gezielte, gewalttätige
Übergriffe auf Pkw und Busse von Besuchern des Pressefestes und teilweise auch auf
deren Insassen.
17. August
Meißen
Aktivitäten von Rechtsextremisten anlässlich des Todestages von Rudolf Heß
Rechtsextremisten organisieren einen unangemeldeten Aufmarsch mit etwa 100
teilweise vermummten Personen. Mit Fackeln und Trommeln marschieren sie durch
die Stadt und führen auf dem Marktplatz eine Kundgebung durch. Als die Polizei die
Veranstaltung auflöst, widersetzen sich einige der Teilnehmer.
ab 21. August
Leipzig
Bundesweite Protestdemonstration
Der Verein KURDISCHES HAUS LEIPZIG e. V. beteiligt sich an einer Aktion der
FÖDERATION KURDISCHER VEREINE IN DEUTSCHLAND e. V. (YEK-KOM) gegen die
Verhaftung von Funktionären des VOLKSKONGRESSES KURDISTAN (KONGRA GEL)
in Deutschland und den Niederlanden. Er schließt für eine Woche sein Vereinslokal
und richtet sich mit einem Transparent gegen die angebliche Kriminalisierung und
politische Verfolgung der Kurden in Deutschland.
September 2006
12. September
Oberlausitz
Exekutivmaßnahmen gegen die KAMERADSCHAFT OBERLAUSITZ e. V.
Die Polizei führt im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen des Verdachts der
Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen gegen die KAMERADSCHAFT OBERLAUSITZ e. V. Exekutivmaßnahmen
durch. Bundesweit werden 23 Wohnungen und Objekte, davon 20 in der Oberlausitz,
überwiegend in Seifhennersdorf, durchsucht. Dabei wird umfangreiches
Beweismaterial wie Hakenkreuzfahnen, Sturmhauben, diverse Tonträger,
Schreckschusspistolen, T-Shirts und Jacken mit Runenzeichen sowie Computer und
eine Registrierkasse sichergestellt.
Gegen insgesamt 23 Mitglieder der KAMERADSCHAFT OBERLAUSITZ e. V. leitet die
Staatsanwaltschaft Görlitz Verfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung und
der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein.
16. September
Plauen
Demonstration der JN
Zusammen mit Aktivisten der Skinhead- und Kameradschaftsszene organisiert der
sächsische JN-Landesverband eine Demonstration. An der Veranstaltung beteiligen
sich ca. 200 Rechtsextremisten aus der Region und aus Bayern. Als Redner treten der
Pressesprecher der NPD in Bayern und zwei Rechtsextremisten aus Thüringen auf.
„Antifaschistische“ Gegendemonstration
Etwa 270 zum Teil der autonomen Szene zuzurechnende Personen demonstrieren
gegen den Aufzug der JN. Versuche, den gegnerischen Aufzug zu blockieren, bleiben
erfolglos. Dabei wird ein Aufzugsteilnehmer durch den Steinwurf eines
Gegendemonstranten am Kopf verletzt. Die Polizei nimmt zwei Personen vorläufig
fest und spricht 67 Platzverweise aus.
23. September
Kamenz
Landeskongress der JN
Die Delegierten wählen einen neuen Landesvorstand. Der JN-Vorsitzende wird in
seinem Amt bestätigt. Dem neuen Landesvorstand gehören zwei ehemalige
Führungsmitglieder der verbotenen SKINHEADS SÄCHSISCHE SCHWEIZ (SSS) und ein
führender Aktivist der ehemaligen Kameradschaft FREIE AKTIVISTEN HOYERSWERDA
(FAH) an.
30. September
Hoyerswerda
Demonstration der JN
15 Jahre nach den ausländerfeindlichen Übergriffen in Hoyerswerda organisieren die
JN und eine Aktionsgruppe „Schöner wohnen in Hoyerswerda“ einen Aufmarsch, der
an die Ereignisse erinnern soll. Im Internet ruft die JN mit dem Slogan: „Glaubt den
Lügnern und Heuchlern nicht“ zur Teilnahme an der Veranstaltung auf.
210 Rechtsextremisten aus Sachsen, Berlin und Brandenburg folgen dem Aufruf und
marschieren unter dem Motto: „Stoppt die selbsternannten Demokraten! Für das
Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes“ durch die Innenstadt von Hoyerswerda.
Oktober 2006
3. Oktober
Leipzig
Demonstration von Neonationalsozialisten
An der 15. vom Hamburger Neonationalsozialisten WORCH in Leipzig organisierten
Demonstration nehmen über 200 Rechtsextremisten teil. Die Veranstaltung steht unter
dem Motto: „Gegen die Mauer in den Köpfen“. Aber auch dieses Mal gelingt es dem
Versammlungsleiter nicht, den Aufzug wie angemeldet zu Ende zu führen.
Beteiligung von Linksextremisten an den Protesten gegen die Demonstration der
Neonationalsozialisten
An den Protesten beteiligen sich etwa 3.000 Personen, darunter Autonome und andere
gewaltbereite Jugendliche. Mit einer Sitzblockade erzwingen die Gegendemonstranten
eine Routenänderung des rechtsextremistischen Aufzugs. Insgesamt treten etwa 1.500
gewaltbereite Personen in Erscheinung. Diese setzen auf die autonome Taktik der
„dezentralen Aktionen“ und verursachen massive Ausschreitungen, bei denen mehrere
Personen, darunter auch Polizeibeamte, verletzt werden. Es werden Flaschen und
Steine geworfen, zahlreiche Scheiben einer Bankfiliale und der Hauptpost
eingeschlagen, Barrikaden errichtet, Müllcontainer angezündet und mehrere Kfz
beschädigt, darunter Dienstfahrzeuge der Polizei. Die Polizei führt 159
freiheitsentziehende Maßnahmen durch und leitet 73 Strafverfahren ein.
Vor der Polizeidirektion Leipzig versammeln sich am Abend etwa 100 Personen zu
einer Spontandemonstration unter dem Motto „Gegen Repressalien und
Polizeigewalt“. Unter den Rednern sollen Vertreter der linksextremistischen
Gruppierungen ROTE HILFE e. V. und der LEIPZIGER ANTIFA (LeA) sein.
November 2006
1. November
Gründung des NPD-Kreisverbandes Delitzsch
Mit der Gründung des Kreisverbandes setzt die NPD den Ausbau ihrer Strukturen im
Freistaat Sachsen fort. Die Partei ist hier nun flächendeckend mit insgesamt 27
Kreisverbänden vertreten.
4./5. November
Bahretal
(Lkr. Sächsische Schweiz)
Auflösung einer „Old School-Party“
Zu der im Jugendclub stattfindenden Party reisen ca. 250 Rechtsextremisten aus dem
gesamten Freistaat Sachsen, Berlin, Brandenburg, Bayern und Sachen-Anhalt an.
Da Art und Charakter der in einem kommunalen Gebäude stattfindenden Party nicht
mit den Grundsätzen des Jugendclubs vereinbar sind, wird den Anwesenden ein
Hausverbot erteilt. Die Polizei setzt das Verbot durch. Dabei greifen Party-Teilnehmer
die Beamten zum Teil massiv an, wobei ein Beamter verletzt wird. Darüber hinaus
kommt es zu Sachbeschädigungen.
26. November
Leipzig
Verbot einer geplanten Veranstaltung anlässlich des Gründungsjahrestages der
ARBEITERPARTEI KURDISTANS (PKK)
Eine beabsichtigte Saalveranstaltung des KONGRA GEL - nahen Vereins
KURDISCHES HAUS LEIPZIG e. V. in zeitlicher Nähe zur Wiederkehr des
Gründungstages der PKK am 27. November 1978 wird verboten.
Dezember 2006
2. Dezember
Sächsische Schweiz
Jugendthing der JN
Als so genanntes „Winterthing“ organisieren die JN ihr zweites Jugendthing. Daran
nehmen nach eigenen Angaben ca. 120 Personen teil.
Auf der Veranstaltung präsentieren sich nach Eigenangaben u. a. die NPD, die JN, der
RING NATIONALER FRAUEN (RNF), das NATIONALE BÜNDNIS DRESDEN (NB) sowie
verschiedene publizistische Projekte mit Ständen. Neben einer Feierstunde für einen
„Kriegsdichter“ und einem „Theaterstück“ treten Funktionäre der JN als Redner auf.
Als Ziel wird während der Veranstaltung der Ausbau der Jugendarbeit formuliert. Das
Jungendthing sei eine Eröffnungsveranstaltung für die „Jugendoffensive 2006/2007“.