Flugzeugteile sicher montiert

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Flugzeugteile sicher montiert
Fertigungs- & Maschinenautomation
Flugzeugteile sicher montiert
Für den Personen-, Maschinen- und Anlagenschutz in der
Schalenmontage für Airbus suchte der Zulieferer für die
Luftfahrtindustrie, Premium Aerotec, eine SicherheitsKomplettlösung. Fündig wurde er bei Jokab Safety, einem
Unternehmen der ABB Stotz-Kontakt GmbH. Jetzt werden
sämtliche Sicherheitsfunktionen an den neuen Fertigungs­
linien im niedersächsischen Nordenham von zehn
miteinander vernetzten Sicherheits-Controllern überwacht
und gesteuert. Diese sind über sechs Protokollumsetzer
mit der übergeordneten Profibus-DP-Steuerung vernetzt.
In Kombination mit Erweiterungs- und Sicherheitsrelais,
Zustimmungsschaltern, Lichtvorhängen, Schutzum­hausungen
sowie Sicherheitsschlössern mit Zuhaltung wird somit ein
hoher Sicherheitsstandard realisiert.
Jährlich verlassen rund 5 000 Schalen das Werk von Premium Aerotec [1]
in Nordenham. Diese werden unter
anderem auf dem Seeweg zum Hauptkunden Airbus [2] nach Hamburg
transportiert. Mit dem Bau kompletter
Rumpfstrukturen aus Kohlefaserverbund-Werkstoff für das neue AirbusProgramm A350 XWB ist dem Unternehmen ein weiterer Integrationsschritt
von der Schalenmontage zum Sek­
tionsbau gelungen. Neben der Fertigung von Flugzeugstrukturen für die
gesamte Airbus-Flotte (Bild 1) fertigt
Premium Aerotec auch Bauteile für
andere Luftfahrtkunden sowie für branchenfremde Unternehmen, wie Komponenten für den Triebkopf des chinesischen Hochgeschwindigkeitszuges
CRH3.
Ole Clausen
Montage von Rumpfbauteilen für den
Airbus A 350 bestimmt. Um die Flugzeugschale vor Beschädigungen zu
schützen, ist bei dem Bohr- und Nietprozess eine beidseitige und geregelte
Krafteinleitung erforderlich. Deswegen
ist der eingesetzte Bohr- und Nietendeffektor zweigeteilt. Das sogenannte
Oberwerkzeug beherbergt diverse einzelne Werkzeuge, wie Bohrer, Niet­
einsetzer sowie Spanabsaugung, und
kommt ohne Hydraulik aus. Es wird
über ein Portal in die jeweils gewünschte Position verfahren. Das Un-
Bild 1. Im Werk Nordenham von Premium Aerotec fertigen 2 700 Mitarbeiter
Flugzeugstrukturen für die gesamte Airbus-Flotte
Flächennieter
für die Schalenproduktion
Sowohl die vollautomatisierte Flächennietanlage in Nordenham (Bild 2)
als auch die Multi-Panel Assembly-Cell
(MPAC) in Augsburg sind zur Herstellung von Nietverbindungen und zur
Ole Clausen ist Vertriebsbeauftragter
für Norddeutschland bei Jokab
Safety Deutschland/ABB StotzKontakt GmbH in Spaichingen.
E-Mail: [email protected]
Bild 2. Die vollautomatisierte Flächennietanlage NOR ist durch eine SicherheitsKomplettlösung von Jokab Safety rundum geschützt
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Heft 5/2011 •
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cherheitstechnische Vernetzung der
Fertigungslinie und zum anderen erleichterte sie die Berechnung des Performance Levels. Die modulare Architektur des Systems sorgt zudem für
eine einfache Ausbaumöglichkeit, falls
in Zukunft die Kapazität erhöht werden muss.
Dezentral strukturierte
Automatisierungslösung
Bild 3. Bei der modularen Schutzumhausung Quick-Guard sind alle Beschläge vormontiert
mit Befestigungsschrauben und Muttern lieferbar. Der Sicherheits-Lichtvorhang Focus
schützt vor unbefugtem Zutritt
terwerkzeug ist steuerungsseitig gekoppelt und lässt sich so automatisch
in die dazugehörige Gegenhalterposition
fahren. Eine Vielzahl von Achsen erlaubt auch das Bearbeiten von komplexen Bauteilen und Strukturen.
Sicherheitslösung
aus einer Hand
Die Anlage ist aus Sicherheitsgründen mit einem Schutzzaun (Bild 3) für
den Arbeitsbereich der Nietanlage
Bild 4. Das Sicherheitsschloss Knox verhindert, dass
jemand in die Nähe gefährlicher Maschinenteile gelangen
kann, bevor die Maschine vollständig stillsteht
4
ausgerüstet. Die mit mehreren Türen
ausgerüstete Sicherheitszelle soll verhindern, dass sich während des Automatikbetriebs ein Mitarbeiter im Gefahrenbereich der Nietanlage aufhält.
Jede Tür ist mit einer Türverriegelung
Knox (Bild 4) von Jokab Safety [3]
ausgestattet. Der Eintritt in die Sicherheitszelle wird erst freigegeben, wenn
sich das Positioniersystem und die
Nietmaschine in einem sicheren Zustand befinden.
Die Flexibilität, die an die Sicherheitstechnik gestellt wurde, ließ sich
mittels des freiprogrammierbaren Sicherheits-Controllers Pluto (Bild 5) verwirklichen. Deswegen steuern mehrere
miteinander vernetzte Controller des
Typs B46-2 alle übergeordneten sicherheitsrelevanten Prozesse. Die SicherheitsController vereinfachen den Entwurf
von Sicherheitssystemen und erreichen
die Sicherheitskategorie 4 nach DIN
EN 954-1 [4] bzw. PL e nach DIN EN
ISO 13849-1 [5].
Für den Sondermaschinenbauer Brötje-Automation [6], der als Generalunternehmer der verantwortliche Lieferant für die drei Montagelinien der
A350-XWB-Rumpfschalen war, kam
es darauf an, dass die Sicherheitsfunktionen von Anfang an in das
Anlagenkonzept integriert werden
konnten. Deswegen war es in mehr­
facher Hinsicht vorteilhaft, das gesamte System auf Pluto aufzubauen.
Zum einen ermöglichte die Steuerung
eine leichte und unkomplizierte si-
Alle Fäden der dezentral strukturierten Automatisierungslösung für das
Transportsystem laufen in einem zentralen Controller zusammen. Der übernimmt neben den konventionellen SPSAufgaben die Auswertung und Steuerung der gesamten Sicherheitstechnik
des Transportsystems. Letztendlich ergaben sich so mehrere kompakt montierte, dezentrale Schaltschränke, die
über Profibus DP mit dem zentralen
Controller verbunden sind. In den VorOrt-Schaltschränken befinden sich die
Ein-/Ausgabebaugruppen der dezen­
tralen Peripherie ET200S.
Die Baugruppen ermöglichen einen
„Mischbetrieb“, sodass in einer dezentralen Station sowohl Standard- als
auch sicherheitsrelevante Prozesssignale verarbeitet werden. Der sichere
Datenaustausch ist über herkömmliche
Profibus-Kabel und das von der Profibus Nutzerorganisation [7] entwickelte Protokoll Profisafe realisiert. Dies erspart einen separaten Sicherheitsbus
und den damit verbundenen Installationsaufwand. Die Bedienung des Transportsystems der PML erfolgt über ein
Pult. Das flexible Weitertakten der gesamten PML-Linie erfordert weitere
sicherheitstechnische Einrichtungen,
wie Zustimmschalter und Sicherheitsrelais – auch die kommen von Jokab
Safety.
Robotor übernimmt das Nieten
Ein mit Alligator-Endeffektoren ausgerüsteter Roboter ist für das Bohren
und Vernieten der Spant-/Clipverbindung in der PML zuständig. Um den
unterschiedlichen Erfordernissen gerecht werden zu können, hat der Roboter eine automatische Werkzeugkupplung. Diese Schnittstelle ermöglicht einen automatischen Wechsel
zwischen den verschiedenen Endeffektoren.
Der Knickarmroboter ist zwecks Erweiterung des Arbeitsbereichs auf einem zusätzlichen Schienensystem
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mit dem End­
effektor sicher
steht.
Damit der Bediener oder das
Wartungspersonal am Ablageplatz an den Endeffektoren arbeiten kann, schützt
ein Lichtvorhang
(Bild 3) von Jokab Safety den
Bereich zwischen
dem Ablageplatz
und der Sicherheitszelle. Wenn
mehr als ein Roboter in der Zelle
arbeitet, wird
diese mit zusätz­
lichen Lichtvorhängen des Typs
Focus in einzelne
Bild 5. Rainer Weber, Projektleiter Automatisierungstechnik bei
Arbeitsbereiche
Brötje, vor einem Schaltschrank mit dem Sicherheits-Controller
aufgeteilt. Diese
Pluto B46, der über das Gateway Gate P1 die Kommunikation
Querteilung der
zur Antriebstechnik mittels Profibus-DP ermöglicht
Sicherheitszelle
ermöglicht es, dass Bediener oder Warinstalliert und wird durch eine NCtungspersonal sich in einem TeilbeSteuerung vom Typ Sinumerik 840DSL
reich der Zelle aufhalten können, ohne
bewegt. Die dafür erforderliche Kinedass der zweite Roboter seine Arbeit
matik hat Brötje entwickelt. Das Softstoppen muss.
ware-Modul Jobcontrol des Unternehmens ist für die Zellensteuerung der
Sicherheitsschloss
Nietautomationen in der PML verantam Türgriff
wortlich. Es stellt ein optimiertes NCProgramm für die Fertigung auf und
Das robuste Sicherheitsschloss Knox
organisiert den Fertigungsablauf. Die
(Bild 4) sorgt dafür, dass niemand in
Steuerung passt damit die Fahrbewedie Nähe von gefährlichen Maschinengungen der Anlage an die jeweilige
teilen gelangen kann, bevor die MaSituation in der PM-Line an.
schine nicht zum Stillstand gekomAuch hierbei sind die flexiblen Simen ist. Der Griff funktioniert wie ein
cherheits-Controller Pluto (Bild 5) von
herkömmlicher Türgriff, weist aber eiBedeutung. Der Austausch der nicht
nen kombinierten Rückstellungs- und
sicherheitsrelevanten Daten zwischen
Verriegelungsmechanismus auf. Knox
den Pluto-Steuerungen erfolgt über
ist eine komplette Türlösung, die keiein Profibus-Gateway Gate-P1 von Jone Fehlerausschlüsse sowie separate
kab Safety.
Rückstell- oder Sicherheitsschalter mit
Beschlägen erfordert. Dank der robusten
Sichere Interaktion
Konstruktion und der berührungslosen
mit dem Roboter
Sensoren eignet sich das widerstandsfähige Edelstahlschloss auch für den
Auch die Roboteranlage hat eine
Einsatz unter den rauen Bedingungen
Sicherheitszelle mit mehreren Türen,
in der Automobil- oder Holzindustrie.
die verhindern soll, dass sich während
Knox erfüllt gemäß den Anforderundes Automatikbetriebs ein Mitarbeiter
gen der DIN EN ISO 13849-1 durchim Gefahrenbereich des Roboters aufgängig den Performance Level PL e.
hält. Jede Tür ist mit einer Knox-Türsicherung (Bild 4) von Jokab Safety ausVorhang für Unfallschutz
gestattet. Diese sorgt dafür, dass der
Eintritt in die Sicherheitszelle erst
Die Lichtvorhänge Focus (Bild 3)
freigegeben wird, wenn der Roboter
haben einen Querschnitt von nur
6
35 mm × 45 mm und eine Auflösung
von 14 mm bzw. 35 mm. Die senkrecht
angeordneten Vorhänge lösen beim
Eindringen in den Gefahrenbereich
einen Abschaltbefehl aus.
Die vom TÜV nach den Sicherheitsnormen DIN EN 61496-1 (VDE
0113-201) [8] sowie DIN CLC/
TS 61496-2 (VDE V 0113-202) [9]
zertifizierten Geräte vom Typ 4 lassen sich leicht konfigurieren und installieren. Eingänge zum teilweisen
oder vollständigen Muten der Lichtstrahlen sind vorhanden. Zu den besonderen Merkmalen zählen Ein-/
Zweitakt-Betrieb, op­tionales Floating
oder Fixed Blanking, Pre-ResetFunktion, manuelle, überwachte oder
automatische Rückstellung sowie
zwei überwachte PNP-SicherheitsAusgänge mit Querschluss-Überwachung (OSSD). LED vereinfachen die
Ausrichtung und zeigen die Verschmutzung, die Betriebsspannung
und den Ausgangszustand an. Die
Schutzfeldhöhen liegen bei einer
Auflösung zwischen 14 mm und
500 mm zwischen 150 mm und
2 400 mm. Die Reichweite beträgt 6 m,
15 m oder 25 m bzw. 50 m.
Schmaler Controller
bietet viele IO
Der mit einem Busanschluss versehene Sicherheits-Controller Pluto B46
(Bild 5) ist nur 90 mm breit. Er hat
insgesamt 46 IO, sechs davon sind
einzeln, unabhängig voneinander
schaltbare Sicherheitsausgänge. Die
40 Eingänge sind für Unfallschutzgeräte und sonstige sicherheitsgerichtete
Sensoren bestimmt. 16 der Eingänge
lassen sich auch als nicht sichere Ausgänge verwenden. Dank des dynamischen Ein- und Ausgangssignals kann
jeder Sicherheits-Controller Pluto bis
zu 390 Sensoren einkanalig nach PL e
überwachen.
Der Sicherheits-Controller vereinfacht
den Entwurf von Sicherheitssystemen
und entspricht dem Performance Level PL e nach DIN EN ISO 13849-1
sowie SIL 3 nach DIN EN 62061
(VDE 0113-50) [10]. Das System
wird mit dem Pluto Manager programmiert, einem auf Windows basierenden Programmierwerkzeug.
Die Nutzung der TÜV-zertifizierten
Sicherheitsfunktionsblöcke ermöglicht eine einfache Handhabung der
Software.
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Modulare Schutzumhausung
Quick-Guard besteht aus verschiedenen Komponenten, wie Aluminiumprofilen, Montageteilen, Gitter-Verriegelungen, Wellengittern, Platten oder
Schallabsorptions-Platten (Bild 4). Außerdem sind die Kosten für Zusammenbau und Änderung des Systems gering. Dank des patentierten Schraubverriegelungssystems sind alle Beschläge vormontiert mit Befestigungsschrauben und Muttern lieferbar. Man braucht
keine Löcher in die Profile zu bohren,
und alle Schnitte sind gerade. Das vereinfacht den Zusammenbau und das
Durchführen von Änderungen.
Die von Jokab Safety entwickelte
Software „SafeCAD“ – ein „Plug-in“Programm für „AutoCAD“ – ermöglicht das schnelle und bequeme Erstellen von praxisgerechten Sicherheitslösungen. Als Eingabe genügt eine
­einfache Skizze des erforderlichen
Schutzsystems. Die Position von Türen und Klappen sowie die Wahl von
Wellengitter, Polycarbonat-, Aluminium-, Stahl- oder schallabsorbierenden
Platten lässt sich eingeben. Die Software erstellt automatisch 3-D-Zeich-
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nungen sowie Komponenten- und
Schnittlisten.
Fazit
Der bei Premium Aerotec mit der
Instandhaltungsplanung und -steuerung betraute technische Leiter, Peter
Janßen, sein Mitarbeiter Thomas Karges sowie Rainer Weber, Projektleiter
Automatisierungstechnik bei Brötje,
(Bild 5), schätzen an dem Sicherheitskonzept vor allem die hohe Anpassungsfähigkeit des Sicherheits-Con­
trollers Pluto sowie die leichte Ausrichtung der Unfallschutz-Lichtvorhänge Focus. Lobende Worte finden
die drei Automatisierungsspezialisten
auch für den übersichtlichen modularen Aufbau und die leichte Programmierbarkeit des Controllers mithilfe der
kostenlosen Software Pluto Manager
sowie das durchgängige Erreichen des
höchsten Performance Levels PL e.
Auch bezüglich Beratung, Kundenschulungen, einfachem Einbau und
leichter Bedienung der Unfallschutzgeräte sowie dem problemlosen Verknüpfen der Bus-Signale konnte Jokab
Safety punkten.
Literatur
[1] Premium Aerotec, Nordenham:
www.premium-aerotec.com
[2] Airbus, Hamburg: www.airbus.com
[3] ABB AB/Jokab Safety, Spaichingen:
www.jokabsafety.com
[4] DIN EN 954-1:1997-03 Sicherheit von
Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile
von Steuerungen – Teil 1: Allgemeine
Gestaltungsleitsätze. Berlin: Beuth
[5] DIN EN ISO 13849-1:2008-12 Sicherheit
von Maschinen – Sicherheitsbezogene
Teile von Steuerungen – Teil 1: Allgemeine
Gestaltungsleitsätze. Berlin: Beuth
[6] Brötje-Automation GmbH, Wiefelstede:
www.broetje-automation.de
[7] Profibus Nutzerorganisation e. V., Karls­
ruhe: www.profibus.com
[8] DIN EN 61496-1 (VDE 0113-201):2009-03
Sicherheit von Maschinen – Berührungslos
wirkende Schutzeinrichtungen – Teil 1:
Allgemeine Anforderungen und Prüfungen. Berlin · Offenbach: VDE VERLAG
[9] DIN CLC/TS 61496-2 (VDE V 0113-202):
2008-02 Sicherheit von Maschinen – Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen
– Teil 2: Besondere Anforderungen an
Einrichtungen, welche nach dem aktiven
opto-elektronischen Prinzip arbeiten. Berlin · Offenbach: VDE VERLAG
[10]DIN EN 62061 (VDE 0113-50):2005-10
­Sicherheit von Maschinen, Funktionale
­Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmier­
barer elektronischer Steuerungssysteme.
Berlin · Offenbach: VDE VERLAG
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