DAVID und MADONNA
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DAVID und MADONNA
präsentiert: DAVID und MADONNA Ralf N. Höhfeld BECKHAM UND MADONNA – EIN LIEBESPAAR? Es beginnt auf einer Schulparty: Ein schüchterner JungebemerkteinMädchenaufeinerParty,daser davorkaumbeachtethat.UmmitihrinsGespräch zukommen,sagterihr,siesäheauswieMadonna und es funktioniert. Das Mädchen nennt ihn David Beckham, wegen seiner coolen Frisur, und die beidenbleibendabei.EinaufregendesSpielentwickelt sich zwischen den Jugendlichen, die Klatschspalten indenZeitungenliefernihnenimmerwiederneue, spektakuläreGeschichtenfürihreLovestoryundum keinallzugroßesAufsehenbeidenMedienzuerregen,müssensieihreLiebenatürlichgeheimhalten. Die Spannung zwischen den beiden steigt, bis der Junge sich ernsthaft in das Mädchen verliebt und nichtmehrDavid,sondernerselbstseinwill.Doch dazuistsienichtbereit.Lieberwillsieweiterhindie interessante Madonna spielen, als wieder das unscheinbareMädchenzusein,dasvonniemandem beachtetwird.Dochnachundnachscheintsiesich indieserRollezuverlieren. Inszeniert wird „David und Madonna“ von Helge Stradner, der letztes Jahr mit dem STELLA 2007 (Darstellende. Kunst. Preis) für seine Inszenierung desStückes„Stones“fürdasTaO!prämiertwurde. DasStückwaralsGastspielimNextLibertyzusehen. Inszenierung HelgeStradner~Ausstattung Marlies Pfeifer ~ Dramaturgie Sandra Gubo-Schloßbauer ~ Regieassistenz MichaelMoser Mit EvelynRuzicka,JohannesSchedl PREMIERE AM 9. Mai 2008, 17 Uhr Folgevorstellungen: Mai:16.(10.30+15.30),27.(10.30+15.30),28.(10.30),31.(15.30) Juni:4.(10.30),11.(10.30+15.30),12.(10.30),21.(15.30),26.(10.30+19.30) BECKHAM UND LIEBESPAAR? MADONNA – EIN Es beginnt auf einer Schulparty: Ein schüchterner Junge bemerkt ein Mädchen auf einer Party, das er davor kaum beachtet hat. Um mit ihr ins Gespräch zu kommen, sagt er ihr, sie sähe aus wie Madonna und es funktioniert. Das Mädchen nennt ihn David Beckham, wegen seiner coolen Frisur, und die beiden bleiben dabei. Ein aufregendes Spiel entwickelt sich zwischen den Jugendlichen, die Klatschspalten in den Zeitungen liefern ihnen immer wieder neue, spektakuläre Geschichten für ihre Lovestory und um kein allzu großes Aufsehen bei den Medien zu erregen, müssen sie ihre Liebe natürlich geheim halten. Die Spannung zwischen den beiden steigt, bis der Junge sich ernsthaft in das Mädchen verliebt und nicht mehr David, sondern er selbst sein will. Doch dazu ist sie nicht bereit. Lieber will sie weiterhin die interessante Madonna spielen, als wieder das unscheinbare Mädchen zu sein, das von niemandem beachtet wird. Doch nach und nach scheint sie sich in dieser Rolle zu verlieren. Inszeniert wird „David und Madonna“ von Helge Stradner, der letztes Jahr mit dem STELLA 2007 (Darstellende. Kunst. Preis) für seine Inszenierung des Stückes „Stones“ für das TaO! prämiert wurde. Das Stück war als Gastspiel im Next Liberty zu sehen. PREMIERE AM 9. MAI, 17 UHR IM NEXT LIBERTY! Empfohlen ab 12 Jahren ZUM AUTOR – RALF N. HÖHFELD Ralf N. Höhfeld wurde im Ruhrgebiet geboren und lebt zurzeit als Texter und Dramatiker in Bremen. Der Autor erhielt für seine Arbeit bereits mehrere Auszeichnungen: den Grabbe Preis (1997), den Jugendtheater-Preis BadenWürttemberg (1998), »Stückewettbewerb 2000« des Theaters der Landeshauptstadt Magdeburg und Emscher Drama 2003. Folgende seiner Theaterstücke wurden bisher aufgeführt: „Erschossen nach dem ersten Satz" (UA Stadttheater Heilbronn 1998). „Adipös – das fette Stück" (UA Theater der Landeshauptstadt Magdeburg 2000; Staatsschauspiel Dresden 2000). „Pärchen Passion" (UA Theater Freiburg 2002). „Publikumsbedankung" (Drama Köln Theaternacht 2003). „Mein letzter Sexfilm meine letzte Puppe meine letzte Zigarette" (UA Schauspiel Leipzig 2004). „Babylon“ (Drama Köln 2005). „David und Madonna“ (UA Landestheater Linz 2005; Stadttheater Bern 2006; Bühnen Graz 2008), „Paul mit Blut“ (UA frei) und „24 Stunden in der 5. Woche“ (UA frei). SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 ZUM REGISSEUR – HELGE STRADNER NL: Hältst du die Geschichte für realistisch? Wieso? HS: Ich halte die Situation auf jeden Fall für realistisch. Es gibt solche Menschen und ich glaube auch nicht, dass man sie gleich in die Schublade „Persönlichkeitsstörung“ einordnen muss. In meiner Arbeit möchte ich das zumindest nicht tun. Für mich stellt sich weniger die Frage, was in der Vergangenheit passiert ist, woher diese Verunsicherung kommt, sondern vielmehr, wie man im Jetzt damit umgeht. Helge Stradner ist gebürtiger Grazer und studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement. Er arbeitet als freier Regisseur u. a. für das Next Liberty, das TaO! und das Theaterzentrum Deutschlandsberg, wo er z. B. letzten Sommer Nestroys »Der Talisman« in Szene setzte. In der vergangenen Saison fiel er vor allem durch seine Arbeit »Stones« für das TaO! auf, die mit dem STELLA 2007 Darstellende. Kunst. Preis für die beste Inszenierung eines Jugendtheaterstückes ausgezeichnet wurde und als Gastspiel im Next Liberty zu sehen war. INTERVIEW MIT DEM REGISSEUR Next Liberty: Die weibliche Hauptfigur in „David und Madonna“ verliert sich nach und nach in der Rolle der Popikone Madonna. Wie würdest du den Charakter des Mädchens beschreiben? Helge Stradner: Sie ist sehr verunsichert, sodass sie eine Rolle vorschieben muss – und zwar nicht nur, um Geltung zu erlangen, sondern vor allem, um mit ihren eigenen Gefühlen umgehen zu können. Sie braucht eine Sicherheitsmaske, um ihre Gefühle ausdrücken zu können, die Maske macht sie weniger angreifbar. Durch die Medien wird uns allen vorgegaukelt, dass man keine Sorgen hat, wenn man reich und berühmt ist. Dass so ein Dasein auch Probleme mit sich bringt, wenn man nämlich kein Privatleben mehr hat und immer fröhlich sein muss, weil man permanent von Kameras verfolgt wird, wird verschwiegen. NL: Welchen Stellenwert hat Musik für dich im Theater? HS: Musik ist für mich sehr wichtig. Wir leben ja nicht in der Stille, sondern sind permanent von Geräuschen umgeben. Musik auf der Bühne kann dem Zuschauer diese Geräusche bewusster machen. Besonders gerne arbeite ich mit Soundcollagen. Man kann mit ihnen nicht nur Stimmungen, sondern auch Räume erzeugen. So entsteht auch eine andere Erzählebene. NL: Wieso hast du dich dafür entschieden, in deiner Inszenierung kaum Madonna-Songs zu spielen? Was hat deine Musikauswahl für „David und Madonna“ geleitet? HS: In der Inszenierung gibt es einen originalen Madonna- Song und zwei CoverNummern. Natürlich hätte ich auch ausschließlich mit Madonna- Songs arbeiten können, das wäre mir aber einerseits zu platt gewesen und andererseits hätte ihre Art der Musik meiner Meinung nach nicht zur Erzählung gepasst. Meine Musikauswahl habe ich von Dingen leiten lassen, die mich selbst und das Stück bewegen, das geht von J. S. Bach bis zu „Rage against the machine“. Mein Ziel war nicht, mich mit der Musik an Jugendliche anzubiedern – die Bach-Sonate kennt beispielsweise kaum jemand, sie erzeugt aber eine ganz besondere Spannung. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 Meine Absicht war, bestimmte Stimmungen auszudrücken: manchmal Fröhlichkeit, an anderen Stellen wiederum Brutalität, weil es im Leben eben auch brutal zugeht. NL: Hast du bewusst heimische Musiker eingebaut? HS: Ja, absolut. Auch wenn sie nicht in den großen Hitparaden vertreten sind, haben sie einiges zu bieten – und zwar abseits vom Mainstream und der medialen Glitzerwelt, die uns mit internationalen Popstars meist dazuverkauft wird. In gewisser Weise erzeugt das ja auch einen Gegenpol zu den Vorstellungen der Jugendlichen im Stück. NL: Die beiden Figuren begleiten sich selbst und gegenseitig mit einer Handkamera. Die Bilder werden unmittelbar auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert. Was bezweckst du mit dem Einsatz dieses Mediums? So kann man beispielsweise im selben Bühnenbild unterschiedliche Räume bauen und es werden so gut wie keine Requisiten verwendet. Die Schwierigkeiten liegen für mich vor allem in der Beleuchtung. Dadurch, dass das Stück in so kurze Sequenzen unterteilt ist, folgen natürlich mehrere Lichtstimmungen in kurzen Abständen aufeinander. Diese müssen sich einerseits deutlich voneinander unterscheiden, die Brüche dürfen aber auch nicht zu hart sein, sonst kann eine Art Showlicht entstehen, das den Bogen zerstört. Man muss also sehr schnell und exakt arbeiten. Das gilt übrigens auch für die Schauspieler. Die Entwicklung der Figuren vollzieht sich extrem schnell, es gibt keine länger andauernden Situationen oder Gefühlsbeschreibungen. Das Interview wurde am 5. Mai 2008 von Sandra Gubo-Schloßbauer geführt. HS: Erstens ist das Stück in sehr kurzen Sequenzen geschrieben, fast wie ein Filmdrehbuch. Durch den Einsatz der Handkamera wird auch eine gewisse PseudoAuthentizität erzeugt. Unser Sehverhalten assoziiert wackelige Videobilder automatisch mit Realität, wie wir sie aus diversen RealityDokus aus dem Fernsehen kennen. Die Kamera gibt mir auch die Möglichkeit, zwei Bilder gleichzeitig zu erzählen: das Realbild auf der Bühne, das als Totale dasteht, und das Close up auf der Leinwand. Damit kann ich ohne den Einsatz großer Mimik und Gestik zeigen, was in der Figur vor sich geht. Außerdem ist sie für mich fast so etwas wie eine dritte Figur, die eine andere Perspektive einnimmt, nämlich das Auge von außen. NL: Was hat dich an dieser Arbeit besonders gereizt? Wo waren die Tücken? HS: Gereizt hat mich, dass es sich um eine vorstellbare, reale Geschichte handelt, mit der man jemanden berühren kann, ohne in Kitsch abzugleiten. Sie lässt sich gut über das Bühnenbild und die Spielweise abstrahieren. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 Recycling Marilyn Monroe – zauberhafte Prominenz einer Diva von Elisabeth Bronfen Roland Barthes hat einmal treffend die Massenkultur mit einer Bildmaschine verglichen, die unser kollektives Imaginäres sichtbar macht. Sie diktiert, was uns zu faszinieren, begeistern oder beunruhigen hat und gestaltet somit unser intimstes Begehren mit. Wie sehr die Figuren, Gesten und Einstellungen, die wir in unseren Fantasien lustvoll durchspielen, eigentlich von der Kulturindustrie bereitgestellt werden, wird jedoch nirgends so deutlich wie bei dem Phänomen des Stars. Dieser stellt laut Barthes einen gelebten Mythos dar, an dessen Körper persönlich wie allgemein kulturell brisante Anliegen verhandelt und geklärt werden; denn der Star fungiert, seit es Theater gibt, als Verschränkung von Identifikationsund Erlösungsfigur. Zwar hat unser kulturelles Imaginäres immer schon Figuren entworfen, die wir auf Grund ihrer Persönlichkeit, ihrer Leistungen und ihrer öffentlichen Wirksamkeit bewundern können, um somit die Mängel und Unzufriedenheiten zu glätten, die sich im alltäglichen Leben ergeben. Brisant am Umstand, dass wir seit Ende des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit haben, dank neuer medialer Reproduktionstechniken Stars als Konsumware auf einem global ausgerichteten Markt in Zirkulation zu bringen, ist jedoch die fast nahtlose Verschmelzung von privater und öffentlicher Person. Als Projektionsbild für Massenbegehren ersetzen Starkörper die klassischen Heldinnen und Helden, die auf öffentlichen Bühnen denkwürdige und meisterhafte Taten zu vollbringen wussten. Der Starkörper und die an ihm festgemachte Fantasie des Startums - Erfolg, Glamour, Abenteuer, Luxus - werden regelrecht zum Stern, an dem sich Fans, was die eigenen Wünsche und Selbstvorstellungen anbelangt, orientieren können. Die Geschichte der Geburt des Stars, aber auch das prekäre Schicksal, das seinen Weg steuert (ist er doch immer auch von der Möglichkeit des Abstürzens bedroht), ist jedoch weniger als Krönung irdischer Leistungen zu verstehen, wie dies bei Heiligen oder nationalen Helden der Fall gewesen war. Als Orientierungshilfe beinhaltet die Geschichte des Stars vielmehr eine Kompensation für die Fragilität des Erfolgs und somit für das Wissen um die Möglichkeit des Scheiterns, das unsere auf Fortschritt, Wohlstand und Produktion ausgerichtete moderne Kultur kennzeichnet. Zwar bedarf es immer einer nicht definierbaren Eigenschaft, die mit »star quality, star appeal« oder »star personality« umschrieben wird, damit eine öffentliche Gestalt zum kulturellen Traumaggregat werden kann. Dennoch wissen wir immer auch: Der Star ist ein künstliches, auf kommerziellen Erfolg ausgerichtetes Produkt. Starkörper sind nie natürliche Gebilde. Sie beziehen ihre affektive Wirkungskraft gerade daher, dass sie zwischen realer Person und künstlicher Figur changieren. Als gelebter Mythos verschränken sie nämlich in sich ein Star-Image mit Bildern, die von der kommerziellen Erzeugung dieses Images am Körper einer realen Person erzählen. Der rhetorische Pakt, den ein Fan mit seinem Star eingeht, besagt: Mit der Materialität des leiblichen Körpers füllt der Star die entleerte Bedeutung des mythischen Zeichens, das auf Grund des von ihm transportierten Glamours dem versehrten Alltagsleben - auf der Ebene der privaten wie der kulturellen Imagination - einen Sinn verleiht. Wie der Souverän besteht der Star aus zwei Körpern - dem erstellten Image (den einzelnen Rollen, die er spielt, der »offscreen personality«, die sich aus den diversen Zuschreibungen, unter denen man ihn jenseits einzelner Auftritte kennt, zusammensetzt) und dem das Bild herstellenden Leib (des Schauspielers, der jenseits seiner Rollen ein nicht mediales, privates Leben hat). Als Gegenstand von Recycling muss man diese Verdoppelung des Stars in einen symbolischen und einen leiblichen Körper jedoch um eine weitere Facette erweitern: Denn als Stern, an dem sich nicht nur Fans in ihren Tagträumen, sondern auch Künstler mit den Werken, die sie SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 erzeugen, orientieren, ergibt sich eine komplexere Trajektorie. Der natürliche Leib, in einen Starkörper übertragen, erzeugt als anzitiertes Image neue Visualisierungen: Bilder eines Images, bei dem sich die Realität immer mehr verflüchtigt. Die von unserer globalen Kulturindustrie in Umlauf gesetzten säkularen Ikonen rufen jedoch nicht nur das Bedürfnis danach hervor, im Sinne eines Kaufbildes konsumiert zu werden, sondern auch das nach einer Einverleibung. Deren Wirkungskraft besteht nämlich darin, dass Fans - wie die Künstler, die ein Starimage neu verarbeiten - sich in die vom Star verkörperten Fantasiewelten einspielen und ihn somit in die innersten Räume der eigenen psychischen Realität einbeziehen. Sie machen sich das Bild des Stars auf ganz intime Weise zu Eigen. Wir werden nicht nur dank der Interviews, der Fotoserien und der »home-stories«, die zur Vermarktung des Stars in Umlauf gesetzt werden, dazu ermutigt, uns einzubilden, einen Einblick in seine Persönlichkeit zu haben. Wir sind kraft der psychischen Übertragung, die uns an den Star bindet, auch davon überzeugt, einen Teil seiner Persönlichkeit zu besitzen. Sich an einem Star zu orientieren heißt auch, dessen Image vampiristisch zu konsumieren. In „Alles über Eva“ (1950) führt Joseph L. Mankiewicz uns den Fall einer vom Ruhm besessenen jungen Frau vor, die sich so sehr mit einem Broadway-Star identifiziert, dass sie bereit ist, alles zu tun, um an dessen Stelle zu treten. Ausgangspunkt für diese fatale Logik des Startums ist eine Preisverleihung. In der ersten Einstellung des Films hat die junge Eve Harrington (Anne Baxter) gerade die Bühne betreten und streckt ihre Hände aus, um ihre Trophäe entgegenzunehmen. Dieses Bild der Erwartung wird eingefroren, und wir erfahren als Rückblende nicht nur alles über diesen neuen Stern am Theaterhimmel, sondern auch alles über die schlaue Intrige, die sie bereit war einzugehen, um zu ihrer plötzlichen Berühmtheit zu gelangen. Zuerst steht sie noch im Regen und wartet am Bühneneingang auf Margo Channing (Bette Davis). Es gelingt ihr, sich einen Platz als deren Mitarbeiterin zu erschleichen, um sie wie eine Tochter zu studieren. In einer aufschlussreichen Szene steht sie nach einer Theateraufführung vorne am Rand der Bühne, hält das Kleid des Broadway-Stars vor ihren eigenen Körper und übt die erträumte Verbeugung vor einem imaginären Publikum. Doch sie will nicht nur Margos Kleider tragen und ihre Gesten nachahmen. Sie will regelrecht in deren Haut schlüpfen, indem sie wörtlich ihr öffentliches Image an sich reißt: die Worte, die der Bühnenautor Lloyd Richards (Hugh Marlowe) für sie schreibt. Durch eine heimtückische List gelingt es ihr, Margo daran zu hindern, jene Nachmittagsvorstellung zu spielen, zu der Eva zugleich die Presse eingeladen hat. Ihre strahlende Jugend und ihr schauspielerisches Geschick überzeugen sowohl den Kritiker Addison DeWitt (George Sanders) als auch den Autor selber, und so steht sie bald wirklich im Kostüm des Broadway-Stars im Rampenlicht. Mit ungeheurer Schärfe erkennt die 40-jährige Margo auf Grund dieses Vorfalls, dass sie Gefahr läuft, zur Karikatur der hysterischen Bühnendiva zu werden, wenn sie nicht aufhört - auf der Bühne wie im Leben - die ewig junge Liebhaberin zu spielen. Weil sie darauf vertrauen kann, dass sie immer ein Star bleiben wird, kann sie der Jüngeren ihren Platz überlassen. Sie behält die spritzigsten Dialoge und erfährt als Belohnung für ihre Wandlungsfähigkeit am Ende das Eheglück. Eva verkörpert das Gegenstück an weiblichem Ehrgeiz. Sie spielt die unterwürfige Unschuldige so perfekt, dass alle auf sie hereinfallen. So bekommt sie die Rolle in Lloyd Richards neuestem Stück, die Margo hätte spielen sollen, und damit auch die ersehnte Berühmtheit. „Alles über Eva“ bietet somit eine böse Demontage des Übertragungsprozesses von Startum. Anne Baxters Eva überzeugt als vom Ruhm besessene Frau, weil sie nahtlos in die Rollen zu schlüpfen weiß, die man für sie entworfen hat. Meisterhaft führt sie dabei jedoch gleichzeitig das Schreckliche des schönen Scheins vor, denn hinter der Maske dieses neuen Stars versteckt sich eine diebische Verführerin und durchtriebene Erpresserin. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 Doch Mankiewicz dreht die Spirale der vampiristischen Einverleibung weiter. Der glitzernde Ruhm Evas hat selber einen FanClub ins Leben gerufen, und so wird auch sie zur Identifikation für junge Frauen, die ebenfalls vom Startum träumen. Eine davon dringt am Abend der Preisverleihung in ihr Hotelzimmer ein und bietet sich als Helferin an. Am Ende des Films übt auch sie die Übernahme des Starkörpers. Vor einem Spiegel stehend hält sie die Trophäe, die Eva an diesem Abend überreicht worden war, in den Händen und verbeugt sich vor ihrem imaginären Publikum. Wenn man wie ein Star aussieht, sich wie einer bewegt, dann ist man jemand: Das ist der Traum, den diese beiden Frauen - stellvertretend für das Filmpublikum am Starkörper festmachen. Um diesen merkwürdigen Austausch von Identitätsgewinn und Identitätsverlust geht es in „Alles über Eva“. Der Star wird durch die Macht eines verkörperten Images produziert, durch die Macht dieses Bildes aber auch zerstört. Wie sehr sein ikonischer Status nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch über den Tod hinaus von diesen Bildern abhängt, wird im Film ebenfalls zum Thema, wenn dies auch erst ein Jahrzehnt später richtig deutlich wurde. Marilyn Monroe, damals noch ein Starlet, taucht in einer kleinen Nebenrolle inmitten des bitteren Zweikampfes zwischen den beiden Stars auf. Als Miss Caswell scheitert sie zwar, von Evas Schauspielkunst ausgebootet, beim Probespielen. Aus der Distanz der Geschichte, die Monroe zur größten Ikone weiblicher Verführung werden ließ, erkennen wir jedoch heute, wie sehr sie bereits damals eine Alternative darzustellen wusste, sowohl zum dramatischen Wortwitz Bette Davis' als auch zur maschinellen Glätte Anne Baxters'. In einer Schlüsselszene des Films sitzt sie auf der Treppe in Margos Wohnung und wohnt dem Wortgefecht der beiden Rivalinnen bei. Verwundert und zugleich erstaunt über dieses Spektakel nimmt sie einen eigenen Raum ganz für sich ein. Nachträglich erkennt man, dass Intensitätszonen im kulturellen Imaginären sich im Verlauf der Zeit verschieben können. Miss Caswells erotische und zugleich ironische Präsenz auf der Leinwand hält dem »star appeal« der anderen bei den Schauspielerinnen Eva/Anne Baxter und Margo/Bette Davis eine Vitalität entgegen, auf die seit ihrem Tod Künstler zurückgreifen, um die Filmdiva Monroe als Image zu konsumieren. Dabei inszenieren Künstler bewusst die vampiristische Dialektik, die die Nachahmung und somit das Recycling von Stars zeichnet. Wenn Künstler auf Bilder der Prominenz zurückgreifen, verhalten sie sich meist bewusst zu jener gesellschaftlichen Tendenz, die in der Einverleibung und kommerziellen Vertreibung des Stars Sinnstiftungen unternimmt. Mit seiner Silkscreen Series der Ikone Marilyn Monroe affirmiert Andy Warhol beispielsweise ihren Starstatus und verweist gleichzeitig auf jene Entleerung, die dessen Bedingung ist. Er partizipiert an der Aura, die von ihren Fotos ausgeht, inszeniert aber zugleich den Abgrund, der sich daraus ergibt, dass die Ikone nur als serielles Oberflächenbild, als Klischee oder Abzug eines vorhergehenden Bildes erscheint. Hinter dem schönen Schein des Starimages zeigt sich laut Warhol keine Botschaft über den Sinn von Monroes Erfolg sowie ihres Leidens am eigenen Starimage. In diesen Bildern finden wir gerade nicht jenen Trost, den der Starkörper als gelebter Mythos zu versprechen scheint. Stattdessen wird von Andy Warhol in seiner Silkscreen Series eine Leere erzeugt, in der die Obliteration des Stars - als Entleibung und Entlebung - performativ sichtbar wird. Doch wie für das Starlet Marilyn Monroe in Mankiewics' prominenzkritischer Komödie „Alles über Eva“ hat es auch für Warhols PopKritik am Startum eine Verschiebung der Intensitätszone gegeben, die dem als Oberfläche inszenierten Starimage im Laufe der Zeit eine neue Aura zuzuschreiben gewusst hat. Von allen Marilyn MonroeNachbearbeitungen könnte man sagen: Einerseits wird die Kunst selbstbewusst zur Ware, indem sie an der Vermarktung eines zum Konsum erzeugten Bildkörpers partizipiert. Andererseits wird die Kunst SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 dadurch auch anthropomorphisiert, denn sie partizipiert am Mehrwert, der sich gerade durch das künstliche Erschaffen des Starkörpers Marilyn Monroe ergibt. Weil es diese Ikone der Verführung nur als Image - ob Fotografie oder Filmaufnahme - gibt, gelingt die Identifikation mit dessen Bild. Dennoch zehrt das Recycling von jener Affizierbarkeit, die auch Marilyn Monroe zu Lebzeiten zur Filmdiva werden ließ: von jener charismatischen Vitalität, die das Bild trägt und es gleichzeitig übersteigt, weil sie von keinen Repräsentationen gänzlich eingeholt werden kann. Um der Entleerung des Starkörpers in ein mythisches Zeichen mithilfe des Recycling etwas entgegenzuhalten und diesen Glamour der Diva - als Fluchtpunkt und blinden Fleck des Bildes - zu inszenieren, setzen Künstler das Monroe-Image zur Zersetzung des Starbildes ein. *…+ Von der Macht der Bilder ihrer Vorgängerin begeistert orientiert sich Madonna in ihren frühen Videoclips an diesem Stern, um hervorzuheben, dass sie sich stellvertretend für ihre eigenen Fans über eine Identifikation mit der an diesem Starkörper festgemachten »Celebrity« definiert. Dabei nutzt Madonna, die in den späten 1980er Jahren gerne von sich behauptete, sie würde den Geist Marilyn Monroes in sich verspüren, ihr Recycling, um ein kritisch-ironisches Nachdenken über den Stellenwert, den Berühmtheit in unserer Kultur angenommen hat, nicht von unserem Genuss abzukoppeln. In ihrem Videoclip „Material Girl“ verleiht sie ihrer Einverleibung Monroes einen fröhlichen Twist. Einerseits mokiert sich das Material Girl über Verehrer, die glauben, sie mit teuren Geschenken beeindrucken zu können. In ihrer Umarbeitung der Gesangsnummer „Diamonds are a Girl's best Friend“ hingegen wendet sie sich, wie Marilyn Monroe vor ihr, nur dann den Männern zu, wenn diese ihr Juwelen anbieten. Als geschickte Manipulatorin ihres eigenen Selbstbildes verkündet Madonna somit die Botschaft: Kauft mich als »show girl«, aber seid euch auch bewusst, dass ihr ein Bild von mir genießt, und zwar eines, das ich selber definiere. Im Fall der jungen Madonna hat »Berühmtheit« nur dann wirklich Substanz, wenn sie die Identifikation mit der Filmdiva nicht festschreibt, sondern als bewusst markiertes Spiel betreibt. Es bleibt aber zu fragen, warum Marilyn Monroe unsere Aufmerksamkeit so hartnäckig und so anhaltend auf sich gezogen hat. Wie erklärt sich der merkwürdige Umstand, dass der zum gelebten Mythos entleerte Starkörper eine Affizierbarkeit zu entfalten wusste, der zu einem vitalen Nachleben im kulturellen Imaginären als verselbständigte Bildkette führte? Meine These lautet, dass es sich bei ihr um eine inspirierte Störung in unserer Ökonomie der Berühmtheit handelt, um einen Unfall im Zeichensystem des Starkults. Im Recycling des Images Marilyn Monroes verbindet sich nämlich Körpersubstanz und Starkörper in entscheidender Weise. Um darauf hinzuweisen, dass die erfolgreiche Erzeugung des Stars mit dem Verlust der eigenen realen Persönlichkeit einherging, hat sie zu Lebzeiten gerne darüber geklagt, sie hätte Marilyn Monroe immer wie einen Albatros mit sich herumschleppen müssen. Sie selber wusste genau: Wenn der Star einerseits das mythische Zeichen mit seinem Körper füllt, so verflüchtigt er sich als unbegrenzt verfügbarer Medienkörper, auf den andere uneingeschränkt ihre Fantasien projizieren können, auch hinter diesem Starbild. Man könnte Andy Warhols Silkscreen Series demzufolge auch als Kommentar dazu verstehen, dass diese Filmdiva deshalb unsterblich ist, weil sie immer schon in ihrem Bild einbalsamiert war. Dennoch muss für das schillernde Recycling Marilyn Monroes auch festgehalten werden: Sosehr man geneigt ist, diese Diva einerseits als eine vermarktete Persönlichkeit zu definieren, andererseits als entleertes Zeichen, bleibt die Frage ihrer speziellen Ausstrahlungskraft. Die Stimme, Gesten, Haltungen der Monroe sind einzigartig. Künstler, die mit dem Faktor Prominenz in ihren Arbeiten operieren - wie Madonna, Warhol oder Morimura - können diesen Zauber nur ironisch in ihre Nachah- SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 mung einbeziehen. Als Diva ist Marilyn Monroe Ware, Ikone, Zeichen und dennoch mehr als jeder Tauschwert. Etwas, das wir nie wirklich erklären können, dessen wir nicht habhaft werden, zieht uns unweigerlich an und führt dazu, dass wir uns an ihrem Bildkörper nie satt sehen können. In dieser zusätzlichen Färbung ihrer Prominenz, die die reine Vermarktung übersteigt, liegt eine Authentizität nicht jenseits des Bildes, sondern als Voraussetzung des Starimages und als Bedingung für unseren Genuss. Was Monroe vom normalen Star unterscheidet und hier handelt es sich um einen »Unfall« im Star-System - ist also ihr spezifisches Charisma. Als Diva ist sie weder trivial noch ein leeres mythisches Zeichen. Sie ist kein rein manipulierter Kunstkörper. Dadurch, dass die persönliche Geschichte von dem Star-Image, das sie am eigenen Körper vertritt, nie zu trennen ist, stellt sich bei ihr die Frage nach der existenziellen Substanz, von der ihr Starkörper zehrt, mit besonderer Brisanz. Als Diva verkörpert sie nicht nur einen künstlich erstellten Glamour, sondern verschränkt ihren zeichenhaften Kunstkörper mit existenziellem Schmerz und bringt somit den realen Leib in seiner fragilen Versehrtheit wieder mit ins Spiel. Auf diesen greifen die Künstler - ob als Collage, als Umschrift oder als Zersetzung des Bildes - zurück. Dabei geht es nicht darum, hinter dem Image der Diva eine klar abgegrenzte authentische Person zu erkennen, sondern um das Begreifen ihres Images als ihre Authentizität. Gerade darin unterscheidet sich eine Diva wie Monroe auch eindrücklich von anderen trivialen Figuren, die unsere medialisierte Welt bevölkern. Die Tatsache, dass sie sich nicht nur gänzlich neu entworfen hat, sondern dass die ganze Intimität, die sie zur Schau stellt, nichts anderes als ein Teil dieser Konstruktion ist, die unsaubere Verschränkung von Starkörper und Körpersubstanz also, erzeugt den Zauber ihrer Prominenz sowie die Prominenz ihres Zaubers in jedem nachträglichen Recycling. Elisabeth Bronfen und Barbara Straumann. Die Diva. Geschichte einer Bewunderung. München 2002. Quellenangabe: Elisabeth Bronfen: Recycling Madonna. Zauberhafte Prominenz einer Diva. In: Superstars. Das Prinzip Prominenz. [anlässlich der Ausstellung "Superstars. Von Warhol bis Madonna", Koproduktion von Kunsthalle Wien und BA-CA Kunstforum, 4. November 2005 bis 22. Februar 2006] / Hrsg.: Kunsthalle Wien, Ingried Brugger, Ostfildern-Ruit. Wien: Hatje Cantz, 2005. Literatur: Roland Barthes, Mythologies (Mythen des Alltags), Paris 1957. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 Digital Kids im künstlichen Paradies von Thomas Miessgang Blickfänger, Aufmerksamkeitskannibalen, numinose Performer des Sinnlichen und des Übersinnlichen: Superstars - heidnische Götter, die im Namen des gesellschaftlichen Friedens regieren, ektoplasmatische Präsenzen, deren flüchtiges Wesen umso wirkungsmächtigere Nachbilder im kollektiven Wahrnehmungsapparat produziert. »Gebt mir ein Leitbild«, hat die slowenische Band »Laibach« in den achtziger Jahren gesungen. Die Indizien sprechen dafür, dass die Superstars, die aus dem Schaum der zeitgenössischen MedienEnvironments geboren wurden, diese Rolle übernehmen und immer stärker in die leere Mitte der Gesellschaft drängen. Es sind Idole eines neuen Typus: flexibel, transparent, von überwältigender Omnipräsenz und gleichzeitig irritierender Ungreifbarkeit. In weiter Ferne, so nah! Michael Jackson, Madonna, David Bowie und Co. repräsentieren die erste Generation von Celebrities, die im Rahmen expandierender Medien-Netzwerke ein kombinatorisches Spiel der Imagekomponenten veranstalteten und sich beinahe im Jahresrhythmus neu erschufen oder erschaffen ließen, um ihren Fans ständig aktualisierte Benutzer- oder Betrachteroberflächen zu bieten. Es ging nicht mehr, wie in der heroischen Zeit der Hollywoodhelden, um Konsistenz der Erscheinung, sondern, im Gegenteil, um symbolische Dislokation, um Fragmentierung und um Bricolage1. Die Art und Weise, populärkulturelle Leitbilder wie als heute globale Superstars geschaffen werden, lässt sich somit auf einen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess zurückführen, dessen Beginn mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges anzusetzen ist. Der Aufstieg des medienindustriellen Komplexes durch u. a. zivile Nutzung von Militärtechnologie2 führte zu einer Proliferation populärkultureller Images amerikanischer Prägung. Schon in den sechziger Jahren konnte Regis Debray, der Theoretiker des Guerillakampfes, behaupten, dass »Bluejeans und Rock 'n' Roll mehr Macht verkörpern als die gesamte Rote Armee«.3 Am Beginn der Erfolgsgeschichte der weichen Macht Amerikas wurden allerdings noch die traditionellen Vorstellungen vom Star weitergeschrieben. Vor Elvis waren dies in erster Linie männliche und weibliche Leinwandhelden. Zelluloid- Übermenschen, die dem »Sfumato« des Zigarettenrauchs einer Noir-Szene entstiegen waren wie Marlene Dietrich und Humphrey Bogart oder mit gebleichten Haaren und spiegelnden Lamé- Kleidern banale Szenarien zum Leuchten brachten wie Marilyn Monroe. »Eine Schauspielerin sollte ein Wesen sein«, schreibt Paul Virilio, »das keine feste Form besitzt und so durchscheinend ist, als würde das Licht den Körper durchdringen. «4 Doch die Zelluloid-Götter waren von Menschenhand geformt worden: Das rigide Studiosystem der ersten großen HollywoodEpoche bis 1955 spannte sie in eine restriktive Maschinerie ein, um ihr Image - nach der klassischen Definition von Silbermann die »Gesamtheit aller Vorstellungen, Erwartungen, Ideen und Gefühle, die mit dem Star verbunden werden«5- wasserdicht zu machen. 2 1 Anm.: Bricolage kommt aus dem Französischen und bedeutet wörtlich „Bastelei“. Bricolage (manchmal auch sampling genannt) bezeichnet in der Jugendkultur die Technik, Gegenstände in einen neuen Kontext zu stellen, der nicht den ursprünglichen Normativen entspricht - Kleidung, Symbole und Embleme künstlich zusammenzustellen. Dabei kann deren ursprüngliche Bedeutung verändert oder sogar aufgehoben werden. Vgl. Friedrich Kittler: Film – Grammophon – Typewriter. Berlin 1986. 3 Nathan Gardels: Neue Härtegrade. Aufstieg und Verfall der weichen Macht Amerikas. In: Lettre 68. Frühjahr 2005, S. 38. 4 Paul Virilio: Ästhetik des Verschwindens. Berlin 1986, S. 60f. 5 Alphons Silbermann: Handwörterbuch der Massenkommunikation und Medienforschung. Berlin 1982, S. 172f. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 Die Werbeabteilungen webten rund um real existierende Schauspieler ein Netz aus erfundenen oder zumindest gestreamlineten Biografien, Klatschgeschichten und Skandalen, die man zur Not selbst provozierte, wenn sie sich nicht von alleine einstellen wollten. Dazu kamen generalstabsmäßig geplante Auftritte bei Parties und Premieren sowie aufwändig gestaltete Star-Broschüren, deren hagiographischer Duktus sie zu Reliquien für die Fans machte. (Siehe dazu auch den Beitrag von Stefan Grissemann.) All dies fand unter strenger Kontrolle vonseiten der Studios statt, die vor allem auf die Kontinuität zwischen inner- und außerfilmischen Aspekten des Images achteten. Der Star sollte eine konsistente Erscheinung sein: Einmal Bad Boy, immer Bad Boy, siehe James Cagney. Einmal Sexbombe, immer Sexbombe, siehe Rita Hayworth. »Variationen des Erscheinungsbildes wurden in der Regel nur dann vorgenommen, wenn sich das jeweilige Image an der Kinokasse nicht mehr als zugkräftig erwies«, schreiben Werner Faulstich und Helmut Korte. »In dieser Form diente das Starsystem als Mechanismus der Produktdifferenzierung und der Anpassung an einen schwer kalkulierbaren Markt. «6 . In der zweiten Studioepoche ab ca. 1955 lockerte sich der »iron grip« der Bosse und Geldgeber ein wenig: Schauspieler gingen nun häufig dazu über, ihr Image selbst zu kontrollieren, engagierten PR-Agenten oder versorgten die Medien höchstpersönlich mit dem Stoff, aus dem die Träume sind. Sie versuchten auch, durch sorgfältig gewählte Filmprojekte der Falle des »type casting« zu entgehen und ein differenzierteres schauspielerisches Profil anzubieten. Trotzdem übten die Stars ihre »charismatische Herrschaft« (Max Weber) bis in die achtziger Jahre im Wesentlichen nach einem Vorkriegsdrehbuch aus. Erst mit dem Heraufdämmern jener Ära, die aus heutiger Sicht häufig als »MTV-Epoche« 6 Werner Faulstich, Helmut Korte et. Al: Kontinuität – zur Imagefundierung des Film- und Fernsehstars. In: W. Faulstich u. H. Korte (Hrsg.): Der Star – Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München 1997, S. 13. bezeichnet wird, änderten sich die gesellschaftlichen und medientechnischen Rahmenbedingungen so stark, dass die populärkulturelle Idolatrie einen Paradigmenwechsel erlebte: Der Star wurde zum Superstar, dessen Design schon in der konzeptionellen Phase auf globale Wirkung ausgelegt war. Dieser Vorgang ereignete sich allerdings nicht über Nacht, sondern hat eine lange Vorgeschichte: Seit in den fünfziger Jahren der Teenager von der Marktforschung als kaufkräftiger Konsument dingfest gemacht worden war, hatte sich die Star-Aura sukzessive von den Filmhelden zu den adoleszenten Rebellen des Rock 'n' Roll verlagert. (Elvis Presley war als dezidierter NichtSchauspieler nach Hollywood geholt worden, um der darbenden Filmindustrie mit seinem Pop-Appeal aufzuhelfen. Heute nehmen Filmdarsteller, wenn sie ihr Image stabilisiert haben, gern eine Platte auf, siehe Johnny Depp, Bruce Willis, Vincent Gallo, Juliette Lewis.) Mit der Inthronisierung des Popstars als Allzweckheld, der im Sinne des »cross marketing« spartenübergreifend eingesetzt werden konnte (Sänger, Tänzer, Schauspieler, Talk-Show-Gast, Werbeträger etc.), hatte Hollywood das Herrschaftsmonopol über das Starkonzept verloren. Die medial gesteuerte Heldenverehrung wurde zu einem Modus, bei dem weniger auf das natürliche Charisma, das »übermenschliche« Potenzial von Personen gesetzt wurde als auf Hypostasierung der Inszenierungstechniken: Bildausschnitt, Dekor, Ausleuchtung, Outfit, akkurates Editing, geschickt platzierte Soundbytes. Der Popstar wurde für die Star-Imago schlechthin gesetzt und konnte gewinnbringend auf den verschiedensten Öffentlichkeitsmärkten die Aufmerksamkeit kapitalisieren, in Erscheinung treten. So wurden der Fußballspieler David Beckham, der Politiker Joschka Fischer, der Computerhersteller Bill Gates, ja selbst der verstorbene Papst Johannes Paul II von den Medien als Popstars ihrer jeweiligen Metiers bezeichnet. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 Superhelden einer Epoche der »neuen Unübersichtlichkeit« (Jürgen Habermas), in der die »nicht mehr versammelbaren Massen« (Peter Sloterdijk) Surrogate für jene ideengeschichtlichen Erscheinungen suchten, die in der Lage waren, den Himmel durch »gesteigerte Menschhaftigkeit« (Friedrich Nietzsche) zu sprengen. »Stars der verschiedensten Art«, schreibt Peter Ludes, »werden zu herausragenden Leitbildern, deren Verständnis ähnlich relevant wird wie in früheren Phasen der Menschheitsentwicklung das Verständnis von Göttern, Helden und Staatsoberhäuptern. Sie bieten symbolisch Projektionsoberflächen, die tiefer liegende Ungleichheiten und Konflikte medial überspielen oder verschleiern. «7 Vor der Herrschaftsübernahme durch die MTV-Ästhetik mit ihren exzentrischen Perspektiven, schnellen Schnitten und schrillen Farbdramaturgien waren die StarImages noch in narrative Strukturen eingebettet, die sich von der Idee des Romans herleiten lassen: Die große Erzählung als Versuch, das Gesamte der Gesellschaft in einer Nussschale zu fassen und zu transzendieren, man denke an die gewaltigen Filmepen von Griffith bis Ford. Und selbst die kritischen oder degenerativen Formen des Kinos der sechziger und siebziger Jahre (New Hollywood, ltaloWestern) entfalten sich im Sinne einer negativen Dialektik noch vor der Folie eines emphatischen Amerikanismus. Mit MTV jedoch verschwand das Vertrauen auf die Suggestivität und die Beweiskraft der narrativen Konsistenz. Im flüchtigen Bildkaleidoskop der Musik-Clips evaporierten inhaltliche Zusammenhänge; Geschichten wurden nicht mehr in angemessener Breite erzählt, sondern als Fragmente in den metaphorischen Partikelbeschleuniger gefüllt. An die Stelle von Durchführung und Entwicklung traten visuelle Kompression und Wiederholung (»heavy rotation«). »Im Video transzendiert der Star durch die Verhinderung 7 Peter Ludes: Aufstieg und Niedergang von Stars als Teilprozess der Menschheitsentwicklung. In: W. Faulstich u. H. Korte (Hrsg.): Der Star – Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München 1997, S. 89. eines längeren Zuschauerblickes auf Grund extremer Einstellungskürze«, schreibt Jens Thiele. »Das Starbild formt sich zwischen den vorbeieilenden, fragmentarisierten Bildeindrücken als Vision im Kopf des Zuschauers. «8 Der Musikkanal trat zu einem Zeitpunkt auf, als sich die akademische Begeisterung für das poststrukturalistische Denken auf dem Höhepunkt befand. Und die Magie der Oberfläche, das autologische Spiel der Signifikanten, die unendliche Inszenierung der Kontraste, wie sie von MTV verkörpert wurden, mischte sich prächtig mit den relativistischen Ideen von Derrida, Baudrillard und Co.: Vorrang der Zeichen, Absage an den Logozentrismus, Aufwertung des Körpers vor dem Sinn, mediale Szenografien als »gestaltgewordene materialisierte Leere« (Slavoj Zizek). Das Musikfernsehen mit seinen innovativen visuellen Charakteristika und der Nivellierung kommerzieller und inhaltlicher Levels ist die Benutzeroberfläche eines ökonomischen Produktionssystems, das von Walter Benjamin in einem hellsichtigen prognostischen Text von 1921 als Religionsersatz beschrieben wurde: »Im Kapitalismus hat alles nur unmittelbar mit Beziehung auf den Kultus Bedeutung, er kennt keine spezielle Dogmatik, keine Theologie. [...] Der Kapitalismus ist die Zelebrierung eines Kultes sans reve et sans merci. Es gibt da keinen> Wochentag<, keinen Tag, der nicht Festtag in dem fürchterlichen Sinne der Entfaltung allen sakralen Pompes, der äußersten Anspannung des Verehrenden wäre. «9 Die Penetration öffentlicher und privater Sphären durch immer zielgenauer agierende mediale Projektoren (das Wort »target audience« stellt einen schönen Kurzschluss zur 8 Jens Thiele: Künstlerisch-mediale Zeichen der Starinszenierung, In: W. Faulstich u. H. Korte (Hrsg.): Der Star – Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München 1997, S. 141f. 9 John Fiske: MTV: Post-Structural, Post-Modern. In: Journal of Communication Inquiry 10, 1, 1986, S. 75. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 militärischen Terminologie her) hat dazu geführt, dass der Karneval der Waren und Sensationen nicht mehr der Ausnahmezustand ist, sondern ein Hochamt der sinnbefreiten Permanenz. Statt einer Abfolge von Ereignissen, die von den Teilnehmern am Markt im Sinne einer Erzählung prozediert werden könnten, gilt die Simultaneität des Sensationalistischen. Man hat ständig das Gefühl, zu spät zu kommen, etwas zu versäumen, den Ereignissen hinterherzuhecheln. Man wird zum Voyeur, der die obszöne Prachtentfaltung der Erlebnisgesellschaft genießt und die perverse Lust durch die Aufbietung der intensivsten Schuldgefühle zu kompensieren versucht. Gleichzeitig fühlt man sich ständig beobachtet. Das Erlebnis, von einer Kamera erfasst zu werden - früher das Privileg von Stars und Prominenten verschiedenster Sparten - ist zu einer Alltagserfahrung geworden. Verkehrsmittel und öffentliche Plätze sind beinahe flächendeckend mit Überwachungssystemen ausgestattet, GPS ermöglicht die präzise Lokalisierung von Individuen noch in den intimsten Rückzugsräumen und allgegenwärtige Camcorder und Fotohandys sorgen dafür, dass man am Flughafen Charles de Gaulle in Paris nicht mehr ungestört Zärtlichkeiten austauschen kann. Der Normalverbraucher wird in den postpanoptischen Observationssystemen der multimedialen Konkurrenzgemeinschaft zum Star im Spektakel des Alltags. Der Künstler und Theoretiker Stefan Römer hat dies die »Ich werde beobachtet, also bin ich«-Haltung genannt. So ergibt sich die paradoxe Situation, dass in der Post- MTV- Epoche der universalen Registrierbarkeit die Kreation von Superstars an beiden Extrempunkten des Prominenzspektrums mit vergleichbarer Intensität stattfindet. Die Massenmedien investieren im Rahmen von televisionären Casting- Shows oder Exklusionsspielen nach dem Muster „Big Brother“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ in Instantprominenz, die direkt an die Videoüberwachungssysteme im öffentlichen. Raum anknüpft: Statt in der U- Bahn gerät man eben im Container ins Fadenkreuz der Kamera und wird in seiner alltäglichen Unerheblichkeit dokumentiert. Das Problem dieser Star-Making- Modelle besteht darin, dass das Ablaufdatum der hausgemachten Superhelden bereits vorprogrammiert ist. Meist verschwinden sie nach dem Ablauf einer Staffel genauso schnell, wie sie gekommen sind. Sie erhalten zwar das Superstar- Treatment, aber eben nur für jene fünfzehn Minuten, von denen Andy Warhol gesprochen hat. Das Prinzip der CastingShows ist auf sequenzielle Besetzung des Superstar-Throns gegründet, es befördert die Sache des Objekts, das, um mit Zizek zu sprechen, »für seine zentrale Rolle zwar keineswegs prädestiniert ist, sie aber zufällig übernommen hat, ein Objekt, das Symbolisierungen antreibt, ihnen zugleich aber widersteht.«10 Im »high end«-Bereich dagegen wird nach dem Motto »built to last« in die Dauerhaftigkeit von hypostasierten SuperstarImagines investiert, da diese, formatunabhängig und im globalen Maßstab diffundierbar, am Ende des Tages eine größere und verlässlichere Rendite garantieren. Die Pionierarbeit in der Anpassung von ImageKreationen an veränderte medientechnische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen wurde in den frühen achtziger Jahren geleistet. Damals tauchte der Begriff Superstar, der vom Avantgarde-Filmemacher Jack Smith in den sechziger Jahren als ironische terminologische Prägung erfunden worden war, in den Medien zur Kennzeichnung der Top- Kategorie von Celebrities auf. Im Zusammenspiel mit der flächendeckenden Visualisierung von Popklängen durch das Musikfernsehen („Be in my video“ hieß damals ein Song von Frank Zappa) ergaben sich völlig neue Möglichkeiten der opulenten dekorativen Ausstattung von Images. MTV war, bei behaupteter Modernität und Zeitgenossenschaft, von Beginn an auch eine 10 Ulrich Wenzel: Pawlows Panther. In: Viva MTV! – Popmusik im Fernsehen. Frankfurt 1999, S. 63. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000 gewaltige Recyclingmaschine, ja möglicherweise der Anfang jener periodisch einsetzenden Wiederholungszyklen, die bis heute die populärkulturellen Paradigmenwechsel bestimmen. In Bildern sichtbar gemachte Epochen purzelten ineinander wie im Jünger'schen Blechsturz und erzeugten ein historisches Pastiche, das den Eindruck von zeit- und ortloser Kontingenz nährte. Die archetypische Popfigur einer aufs kulturhistorische Zitat gegründeten Luminosität ist Madonna, die den bürgerlichen Namen Ciccone im Zuge ihrer Transsubstantiation verlor. In ihrer 20 Jahre dauernden Karriere hat sie eine mittlerweile kaum noch registrierbare Zahl von Rollen verkörpert: Lola in Der Blaue Engel, Amy Joly aus Marocco, mit Frauen flirtend, Lorelei Lee in Gentlemen prefer blondes, wo sie Marilyn Monroes Choreografie bis ins Detail kopierte. Madonna spielte Carmen, Evita Peron, MarieAntoinette, sie trug ein Clockwork OrangeOutfit oder einen Lack-Overall. Sie posierte in einer Saison als Shiva und Geisha, in einer anderen als Cowgirl. Die von der Industrie implementierte Strategie der permanenten Image-Transformation wird von Madonnas meist weniger begabten Nachfolgerinnen Britney Spears, Christina Aguilera und Beyonce und von männlichen Stars wie P. Diddy, Robbie Williams und Eminem bis zum heutigen Tag als probateste Methode zur Verlängerung der Zeit im Scheinwerferlicht angewendet. Wie auch immer: Am Zustand der StarImagines, die sich die Gesellschaft als Leitbilder erfindet, lässt sich ablesen, wohin der lange und seltsame Trip der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung geht. Sollte die am Beginn diesesTextes skizzierte zunehmende Virtualisierung der Superstars sukzessive die »Personengebundenheit« (Peter Ludes) traditioneller Idolisierungskonzepte ersetzen, lässt sich fragen, ob die außeralltägliche Hingabe an eine charismatische Präsenz, die zumindest teilweise die Inkarnationen des Heroischen, Numinosen oder Politischen ersetzt, noch gewährleistet ist oder ob sich das Publikum endgültig im Spiegelsaal der fluktuierenden phantasmatischen Produktionen verirrt. Elisabeth Bronfen vermutet, dass die »heiligen Monster« des Starsystems im kaleidoskopischen Wirbel der flüchtigen Augenreize verschwinden werden. Man müsse bezweifeln, dass »ein ausschließlich oberflächliches Starimage, das nicht von der Spannung lebt, die sich zwischen Aneignung vorgegebener Starbilder und der Substanz einer Körperlichkeit, mit und gegen die die Selbstdarstellung unternommen wird, ergibt, überhaupt eine Wirkungskraft hat, die über die Macht des Augenblickes [...] hinausreicht.«11 Vorerst gilt aber noch der Tagesbefehl, den die ehemalige Spice-GirlsChanteuse Melanie C ausgegeben hat: »Play the game; take the blame for the power and the fame; You're living your dream; SeIl your life; seIl your soul telling; everyone you know; You're living your dream; You're the next big superstar.« Quellenangabe: Thomas Missgang: Digitale Kids im künstlichen Paradies. In: Superstars. Das Prinzip Prominenz. [anlässlich der Ausstellung "Superstars. Von Warhol bis Madonna", Koproduktion von Kunsthalle Wien und BA-CA Kunstforum, 4. November 2005 bis 22. Februar 2006] / Hrsg.: Kunsthalle Wien, Ingried Brugger, Ostfildern-Ruit. Wien: Hatje Cantz, 2005. 11 Elisabeth Bronfen: Magische Ausstrahlungskraft: Die Diva – Ein Unfall im Starsystem. In: Kunstforum. Bd. 164. März-Mai 2003, S. 133f. SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000