DAVID und MADONNA

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DAVID und MADONNA
präsentiert:
DAVID und MADONNA
Ralf N. Höhfeld
BECKHAM UND MADONNA – EIN LIEBESPAAR?
Es beginnt auf einer Schulparty: Ein schüchterner
JungebemerkteinMädchenaufeinerParty,daser
davorkaumbeachtethat.UmmitihrinsGespräch
zukommen,sagterihr,siesäheauswieMadonna
und es funktioniert. Das Mädchen nennt ihn David
Beckham, wegen seiner coolen Frisur, und die beidenbleibendabei.EinaufregendesSpielentwickelt
sich zwischen den Jugendlichen, die Klatschspalten
indenZeitungenliefernihnenimmerwiederneue,
spektakuläreGeschichtenfürihreLovestoryundum
keinallzugroßesAufsehenbeidenMedienzuerregen,müssensieihreLiebenatürlichgeheimhalten.
Die Spannung zwischen den beiden steigt, bis der
Junge sich ernsthaft in das Mädchen verliebt und
nichtmehrDavid,sondernerselbstseinwill.Doch
dazuistsienichtbereit.Lieberwillsieweiterhindie
interessante Madonna spielen, als wieder das
unscheinbareMädchenzusein,dasvonniemandem
beachtetwird.Dochnachundnachscheintsiesich
indieserRollezuverlieren.
Inszeniert wird „David und Madonna“ von Helge
Stradner, der letztes Jahr mit dem STELLA 2007
(Darstellende. Kunst. Preis) für seine Inszenierung
desStückes„Stones“fürdasTaO!prämiertwurde.
DasStückwaralsGastspielimNextLibertyzusehen.
Inszenierung HelgeStradner~Ausstattung Marlies
Pfeifer ~ Dramaturgie Sandra Gubo-Schloßbauer ~
Regieassistenz MichaelMoser
Mit
EvelynRuzicka,JohannesSchedl
PREMIERE AM 9. Mai 2008, 17 Uhr
Folgevorstellungen:
Mai:16.(10.30+15.30),27.(10.30+15.30),28.(10.30),31.(15.30)
Juni:4.(10.30),11.(10.30+15.30),12.(10.30),21.(15.30),26.(10.30+19.30)
BECKHAM
UND
LIEBESPAAR?
MADONNA
–
EIN
Es beginnt auf einer Schulparty: Ein
schüchterner Junge bemerkt ein Mädchen auf
einer Party, das er davor kaum beachtet hat.
Um mit ihr ins Gespräch zu kommen, sagt er
ihr, sie sähe aus wie Madonna und es
funktioniert. Das Mädchen nennt ihn David
Beckham, wegen seiner coolen Frisur, und die
beiden bleiben dabei. Ein aufregendes Spiel
entwickelt sich zwischen den Jugendlichen, die
Klatschspalten in den Zeitungen liefern ihnen
immer wieder neue, spektakuläre Geschichten
für ihre Lovestory und um kein allzu großes
Aufsehen bei den Medien zu erregen, müssen
sie ihre Liebe natürlich geheim halten.
Die Spannung zwischen den beiden steigt, bis
der Junge sich ernsthaft in das Mädchen
verliebt und nicht mehr David, sondern er
selbst sein will. Doch dazu ist sie nicht bereit.
Lieber will sie weiterhin die interessante
Madonna spielen, als wieder das unscheinbare
Mädchen zu sein, das von niemandem
beachtet wird. Doch nach und nach scheint sie
sich in dieser Rolle zu verlieren.
Inszeniert wird „David und Madonna“ von
Helge Stradner, der letztes Jahr mit dem
STELLA 2007 (Darstellende. Kunst. Preis) für
seine Inszenierung des Stückes „Stones“ für
das TaO! prämiert wurde. Das Stück war als
Gastspiel im Next Liberty zu sehen.
PREMIERE AM 9. MAI, 17 UHR IM NEXT
LIBERTY!
Empfohlen ab 12 Jahren
ZUM AUTOR – RALF N. HÖHFELD
Ralf N. Höhfeld wurde im Ruhrgebiet geboren
und lebt zurzeit als Texter und Dramatiker in
Bremen. Der Autor erhielt für seine Arbeit
bereits mehrere Auszeichnungen: den Grabbe
Preis (1997), den Jugendtheater-Preis BadenWürttemberg (1998), »Stückewettbewerb
2000« des Theaters der Landeshauptstadt
Magdeburg und Emscher Drama 2003.
Folgende seiner Theaterstücke wurden bisher
aufgeführt:
„Erschossen nach dem ersten Satz" (UA
Stadttheater Heilbronn 1998).
„Adipös – das fette Stück" (UA Theater der
Landeshauptstadt
Magdeburg
2000;
Staatsschauspiel Dresden 2000). „Pärchen
Passion" (UA Theater Freiburg 2002).
„Publikumsbedankung"
(Drama
Köln
Theaternacht 2003). „Mein letzter Sexfilm
meine letzte Puppe meine letzte Zigarette"
(UA Schauspiel Leipzig 2004). „Babylon“
(Drama Köln 2005). „David und Madonna“ (UA
Landestheater Linz 2005; Stadttheater Bern
2006; Bühnen Graz 2008), „Paul mit Blut“ (UA
frei) und „24 Stunden in der 5. Woche“ (UA
frei).
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ZUM REGISSEUR – HELGE STRADNER
NL: Hältst du die Geschichte für realistisch?
Wieso?
HS: Ich halte die Situation auf jeden Fall für
realistisch. Es gibt solche Menschen und ich
glaube auch nicht, dass man sie gleich in die
Schublade „Persönlichkeitsstörung“ einordnen
muss. In meiner Arbeit möchte ich das
zumindest nicht tun.
Für mich stellt sich weniger die Frage, was in
der Vergangenheit passiert ist, woher diese
Verunsicherung kommt, sondern vielmehr,
wie man im Jetzt damit umgeht.
Helge Stradner ist gebürtiger Grazer und
studierte
Musikwissenschaft
und
Kulturmanagement. Er arbeitet als freier
Regisseur u. a. für das Next Liberty, das TaO!
und das Theaterzentrum Deutschlandsberg,
wo er z. B. letzten Sommer Nestroys »Der
Talisman« in Szene setzte. In der vergangenen
Saison fiel er vor allem durch seine Arbeit
»Stones« für das TaO! auf, die mit dem STELLA
2007 Darstellende. Kunst. Preis für die beste
Inszenierung eines Jugendtheaterstückes
ausgezeichnet wurde und als Gastspiel im
Next Liberty zu sehen war.
INTERVIEW MIT DEM REGISSEUR
Next Liberty: Die weibliche Hauptfigur in
„David und Madonna“ verliert sich nach und
nach in der Rolle der Popikone Madonna. Wie
würdest du den Charakter des Mädchens
beschreiben?
Helge Stradner: Sie ist sehr verunsichert,
sodass sie eine Rolle vorschieben muss – und
zwar nicht nur, um Geltung zu erlangen,
sondern vor allem, um mit ihren eigenen
Gefühlen umgehen zu können. Sie braucht
eine Sicherheitsmaske, um ihre Gefühle
ausdrücken zu können, die Maske macht sie
weniger angreifbar.
Durch die Medien wird uns allen vorgegaukelt,
dass man keine Sorgen hat, wenn man reich
und berühmt ist. Dass so ein Dasein auch
Probleme mit sich bringt, wenn man nämlich
kein Privatleben mehr hat und immer fröhlich
sein muss, weil man permanent von Kameras
verfolgt wird, wird verschwiegen.
NL: Welchen Stellenwert hat Musik für dich im
Theater?
HS: Musik ist für mich sehr wichtig. Wir leben
ja nicht in der Stille, sondern sind permanent
von Geräuschen umgeben. Musik auf der
Bühne kann dem Zuschauer diese Geräusche
bewusster machen.
Besonders
gerne
arbeite
ich
mit
Soundcollagen. Man kann mit ihnen nicht nur
Stimmungen, sondern auch Räume erzeugen.
So entsteht auch eine andere Erzählebene.
NL: Wieso hast du dich dafür entschieden, in
deiner Inszenierung kaum Madonna-Songs zu
spielen? Was hat deine Musikauswahl für
„David und Madonna“ geleitet?
HS: In der Inszenierung gibt es einen
originalen Madonna- Song und zwei CoverNummern. Natürlich hätte ich auch
ausschließlich mit Madonna- Songs arbeiten
können, das wäre mir aber einerseits zu platt
gewesen und andererseits hätte ihre Art der
Musik meiner Meinung nach nicht zur
Erzählung gepasst.
Meine Musikauswahl habe ich von Dingen
leiten lassen, die mich selbst und das Stück
bewegen, das geht von J. S. Bach bis zu „Rage
against the machine“. Mein Ziel war nicht,
mich mit der Musik an Jugendliche
anzubiedern – die Bach-Sonate kennt
beispielsweise kaum jemand, sie erzeugt aber
eine ganz besondere Spannung.
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Meine Absicht war, bestimmte Stimmungen
auszudrücken: manchmal Fröhlichkeit, an
anderen Stellen wiederum Brutalität, weil es
im Leben eben auch brutal zugeht.
NL: Hast du bewusst heimische Musiker
eingebaut?
HS: Ja, absolut. Auch wenn sie nicht in den
großen Hitparaden vertreten sind, haben sie
einiges zu bieten – und zwar abseits vom
Mainstream und der medialen Glitzerwelt, die
uns mit internationalen Popstars meist
dazuverkauft wird. In gewisser Weise erzeugt
das ja auch einen Gegenpol zu den
Vorstellungen der Jugendlichen im Stück.
NL: Die beiden Figuren begleiten sich selbst
und gegenseitig mit einer Handkamera. Die
Bilder werden unmittelbar auf eine Leinwand
auf der Bühne projiziert. Was bezweckst du
mit dem Einsatz dieses Mediums?
So kann man beispielsweise im selben
Bühnenbild unterschiedliche Räume bauen
und es werden so gut wie keine Requisiten
verwendet.
Die Schwierigkeiten liegen für mich vor allem
in der Beleuchtung. Dadurch, dass das Stück in
so kurze Sequenzen unterteilt ist, folgen
natürlich mehrere Lichtstimmungen in kurzen
Abständen aufeinander. Diese müssen sich
einerseits
deutlich
voneinander
unterscheiden, die Brüche dürfen aber auch
nicht zu hart sein, sonst kann eine Art
Showlicht entstehen, das den Bogen zerstört.
Man muss also sehr schnell und exakt
arbeiten. Das gilt übrigens auch für die
Schauspieler. Die Entwicklung der Figuren
vollzieht sich extrem schnell, es gibt keine
länger andauernden Situationen oder
Gefühlsbeschreibungen.
Das Interview wurde am 5. Mai 2008 von
Sandra Gubo-Schloßbauer geführt.
HS: Erstens ist das Stück in sehr kurzen
Sequenzen geschrieben, fast wie ein
Filmdrehbuch. Durch den Einsatz der
Handkamera wird auch eine gewisse PseudoAuthentizität erzeugt. Unser Sehverhalten
assoziiert wackelige Videobilder automatisch
mit Realität, wie wir sie aus diversen RealityDokus aus dem Fernsehen kennen.
Die Kamera gibt mir auch die Möglichkeit,
zwei Bilder gleichzeitig zu erzählen: das
Realbild auf der Bühne, das als Totale dasteht,
und das Close up auf der Leinwand. Damit
kann ich ohne den Einsatz großer Mimik und
Gestik zeigen, was in der Figur vor sich geht.
Außerdem ist sie für mich fast so etwas wie
eine dritte Figur, die eine andere Perspektive
einnimmt, nämlich das Auge von außen.
NL: Was hat dich an dieser Arbeit besonders
gereizt? Wo waren die Tücken?
HS: Gereizt hat mich, dass es sich um eine
vorstellbare, reale Geschichte handelt, mit der
man jemanden berühren kann, ohne in Kitsch
abzugleiten. Sie lässt sich gut über das
Bühnenbild und die Spielweise abstrahieren.
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Recycling Marilyn Monroe – zauberhafte
Prominenz einer Diva
von Elisabeth Bronfen
Roland Barthes hat einmal treffend die
Massenkultur
mit
einer
Bildmaschine
verglichen, die unser kollektives Imaginäres
sichtbar macht. Sie diktiert, was uns zu
faszinieren, begeistern oder beunruhigen hat
und gestaltet somit unser intimstes Begehren
mit. Wie sehr die Figuren, Gesten und
Einstellungen, die wir in unseren Fantasien
lustvoll durchspielen, eigentlich von der
Kulturindustrie bereitgestellt werden, wird
jedoch nirgends so deutlich wie bei dem
Phänomen des Stars. Dieser stellt laut Barthes
einen gelebten Mythos dar, an dessen Körper
persönlich wie allgemein kulturell brisante
Anliegen verhandelt und geklärt werden; denn
der Star fungiert, seit es Theater
gibt, als Verschränkung von Identifikationsund Erlösungsfigur. Zwar hat unser kulturelles
Imaginäres immer schon Figuren entworfen,
die wir auf Grund ihrer Persönlichkeit, ihrer
Leistungen und ihrer öffentlichen Wirksamkeit
bewundern können, um somit die Mängel und
Unzufriedenheiten zu glätten, die sich im
alltäglichen Leben ergeben. Brisant am
Umstand, dass wir seit Ende des 19.
Jahrhunderts die Möglichkeit haben, dank
neuer medialer Reproduktionstechniken Stars
als
Konsumware
auf
einem
global
ausgerichteten Markt in Zirkulation zu
bringen, ist jedoch die fast nahtlose
Verschmelzung von privater und öffentlicher
Person.
Als
Projektionsbild
für
Massenbegehren ersetzen Starkörper die
klassischen Heldinnen und Helden, die auf
öffentlichen Bühnen denkwürdige und
meisterhafte Taten zu vollbringen wussten.
Der Starkörper und die an ihm festgemachte
Fantasie des Startums - Erfolg, Glamour,
Abenteuer, Luxus - werden regelrecht zum
Stern, an dem sich Fans, was die eigenen
Wünsche und Selbstvorstellungen anbelangt,
orientieren können.
Die Geschichte der Geburt des Stars, aber
auch das prekäre Schicksal, das seinen Weg
steuert (ist er doch immer auch von der
Möglichkeit des Abstürzens bedroht), ist
jedoch weniger als Krönung irdischer
Leistungen zu verstehen, wie dies bei Heiligen
oder nationalen Helden der Fall gewesen war.
Als
Orientierungshilfe
beinhaltet
die
Geschichte des Stars vielmehr eine
Kompensation für die Fragilität des Erfolgs
und somit für das Wissen um die Möglichkeit
des Scheiterns, das unsere auf Fortschritt,
Wohlstand und Produktion ausgerichtete
moderne Kultur kennzeichnet. Zwar bedarf es
immer einer nicht definierbaren Eigenschaft,
die mit »star quality, star appeal« oder »star
personality« umschrieben wird, damit eine
öffentliche
Gestalt
zum
kulturellen
Traumaggregat werden kann. Dennoch wissen
wir immer auch: Der Star ist ein künstliches,
auf kommerziellen Erfolg ausgerichtetes
Produkt. Starkörper sind nie natürliche
Gebilde. Sie beziehen ihre affektive Wirkungskraft gerade daher, dass sie zwischen
realer Person und künstlicher Figur
changieren. Als gelebter Mythos verschränken
sie nämlich in sich ein Star-Image mit Bildern,
die von der kommerziellen Erzeugung dieses
Images am Körper einer realen Person
erzählen. Der rhetorische Pakt, den ein Fan
mit seinem Star eingeht, besagt: Mit der
Materialität des leiblichen Körpers füllt der
Star die entleerte Bedeutung des mythischen
Zeichens, das auf Grund des von ihm
transportierten Glamours dem versehrten
Alltagsleben - auf der Ebene der privaten wie
der kulturellen Imagination - einen Sinn
verleiht. Wie der Souverän besteht der Star
aus zwei Körpern - dem erstellten Image (den
einzelnen Rollen, die er spielt, der »offscreen
personality«, die sich aus den diversen
Zuschreibungen, unter denen man ihn jenseits
einzelner Auftritte kennt, zusammensetzt) und
dem das Bild herstellenden Leib (des
Schauspielers, der jenseits seiner Rollen ein
nicht mediales, privates Leben hat). Als
Gegenstand von Recycling muss man diese
Verdoppelung des Stars in einen symbolischen
und einen leiblichen Körper jedoch um eine
weitere Facette erweitern: Denn als Stern, an
dem sich nicht nur Fans in ihren Tagträumen,
sondern auch Künstler mit den Werken, die sie
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erzeugen, orientieren, ergibt sich eine
komplexere Trajektorie. Der natürliche Leib, in
einen Starkörper übertragen, erzeugt als
anzitiertes Image neue Visualisierungen:
Bilder eines Images, bei dem sich die Realität
immer mehr verflüchtigt.
Die von unserer globalen Kulturindustrie in
Umlauf gesetzten säkularen Ikonen rufen
jedoch nicht nur das Bedürfnis danach hervor,
im Sinne eines Kaufbildes konsumiert zu
werden, sondern auch das nach einer
Einverleibung. Deren Wirkungskraft besteht
nämlich darin, dass Fans - wie die Künstler, die
ein Starimage neu verarbeiten - sich in die
vom Star verkörperten Fantasiewelten einspielen und ihn somit in die innersten Räume
der eigenen psychischen Realität einbeziehen.
Sie machen sich das Bild des Stars auf ganz
intime Weise zu Eigen. Wir werden nicht nur
dank der Interviews, der Fotoserien und der
»home-stories«, die zur Vermarktung des
Stars in Umlauf gesetzt werden, dazu
ermutigt, uns einzubilden, einen Einblick in
seine Persönlichkeit zu haben. Wir sind kraft
der psychischen Übertragung, die uns an den
Star bindet, auch davon überzeugt, einen Teil
seiner Persönlichkeit zu besitzen. Sich an
einem Star zu orientieren heißt auch, dessen
Image vampiristisch zu konsumieren. In „Alles
über Eva“ (1950) führt Joseph L. Mankiewicz
uns den Fall einer vom Ruhm besessenen
jungen Frau vor, die sich so sehr mit einem
Broadway-Star identifiziert, dass sie bereit ist,
alles zu tun, um an dessen Stelle zu treten.
Ausgangspunkt für diese fatale Logik des
Startums ist eine Preisverleihung. In der
ersten Einstellung des Films hat die junge Eve
Harrington (Anne Baxter) gerade die Bühne
betreten und streckt ihre Hände aus, um ihre
Trophäe entgegenzunehmen. Dieses Bild der
Erwartung wird eingefroren, und wir erfahren
als Rückblende nicht nur alles über diesen
neuen Stern am Theaterhimmel, sondern auch
alles über die schlaue Intrige, die sie bereit
war einzugehen, um zu ihrer plötzlichen
Berühmtheit zu gelangen.
Zuerst steht sie noch im Regen und wartet am
Bühneneingang auf Margo Channing (Bette
Davis). Es gelingt ihr, sich einen Platz als deren
Mitarbeiterin zu erschleichen, um sie wie eine
Tochter
zu
studieren.
In
einer
aufschlussreichen Szene steht sie nach einer
Theateraufführung vorne am Rand der Bühne,
hält das Kleid des Broadway-Stars vor ihren
eigenen Körper und übt die erträumte
Verbeugung vor einem imaginären Publikum.
Doch sie will nicht nur Margos Kleider tragen
und ihre Gesten nachahmen. Sie will
regelrecht in deren Haut schlüpfen, indem sie
wörtlich ihr öffentliches Image an sich reißt:
die Worte, die der Bühnenautor Lloyd
Richards (Hugh Marlowe) für sie schreibt.
Durch eine heimtückische List gelingt es ihr,
Margo daran zu hindern, jene Nachmittagsvorstellung zu spielen, zu der Eva
zugleich die Presse eingeladen hat. Ihre
strahlende Jugend und ihr schauspielerisches
Geschick überzeugen sowohl den Kritiker
Addison DeWitt (George Sanders) als auch den
Autor selber, und so steht sie bald wirklich im
Kostüm des Broadway-Stars im Rampenlicht.
Mit ungeheurer Schärfe erkennt die 40-jährige
Margo auf Grund dieses Vorfalls, dass sie
Gefahr läuft, zur Karikatur der hysterischen
Bühnendiva zu werden, wenn sie nicht aufhört
- auf der Bühne wie im Leben - die ewig junge
Liebhaberin zu spielen. Weil sie darauf
vertrauen kann, dass sie immer ein Star
bleiben wird, kann sie der Jüngeren ihren Platz
überlassen. Sie behält die spritzigsten Dialoge
und erfährt als Belohnung für ihre
Wandlungsfähigkeit am Ende das Eheglück.
Eva verkörpert das Gegenstück an weiblichem
Ehrgeiz. Sie spielt die unterwürfige
Unschuldige so perfekt, dass alle auf sie
hereinfallen. So bekommt sie die Rolle in Lloyd
Richards neuestem Stück, die Margo hätte
spielen sollen, und damit auch die ersehnte
Berühmtheit. „Alles über Eva“ bietet somit
eine
böse
Demontage
des
Übertragungsprozesses von Startum. Anne
Baxters Eva überzeugt als vom Ruhm
besessene Frau, weil sie nahtlos in die Rollen
zu schlüpfen weiß, die man für sie entworfen
hat. Meisterhaft führt sie dabei jedoch
gleichzeitig das Schreckliche des schönen
Scheins vor, denn hinter der Maske dieses
neuen Stars versteckt sich eine diebische
Verführerin und durchtriebene Erpresserin.
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Doch Mankiewicz dreht die Spirale der
vampiristischen Einverleibung weiter. Der
glitzernde Ruhm Evas hat selber einen FanClub ins Leben gerufen, und so wird auch sie
zur Identifikation für junge Frauen, die
ebenfalls vom Startum träumen. Eine davon
dringt am Abend der Preisverleihung in ihr
Hotelzimmer ein und bietet sich als Helferin
an. Am Ende des Films übt auch sie die
Übernahme des Starkörpers. Vor einem
Spiegel stehend hält sie die Trophäe, die Eva
an diesem Abend überreicht worden war, in
den Händen und verbeugt sich vor ihrem
imaginären Publikum. Wenn man wie ein Star
aussieht, sich wie einer bewegt, dann ist man
jemand: Das ist der Traum, den diese beiden
Frauen - stellvertretend für das Filmpublikum am Starkörper festmachen. Um diesen
merkwürdigen
Austausch
von
Identitätsgewinn und Identitätsverlust geht es
in „Alles über Eva“. Der Star wird durch die
Macht eines verkörperten Images produziert,
durch die Macht dieses Bildes aber auch
zerstört. Wie sehr sein ikonischer Status nicht
nur zu Lebzeiten, sondern auch über den Tod
hinaus von diesen Bildern abhängt, wird im
Film ebenfalls zum Thema, wenn dies auch
erst ein Jahrzehnt später richtig deutlich
wurde. Marilyn Monroe, damals noch ein
Starlet, taucht in einer kleinen Nebenrolle
inmitten des bitteren Zweikampfes zwischen
den beiden Stars auf. Als Miss Caswell
scheitert sie zwar, von Evas Schauspielkunst
ausgebootet, beim Probespielen. Aus der
Distanz der Geschichte, die Monroe zur
größten Ikone weiblicher Verführung werden
ließ, erkennen wir jedoch heute, wie sehr sie
bereits damals eine Alternative darzustellen
wusste, sowohl zum dramatischen Wortwitz
Bette Davis' als auch zur maschinellen Glätte
Anne Baxters'. In einer Schlüsselszene des
Films sitzt sie auf der Treppe in Margos
Wohnung und wohnt dem Wortgefecht der
beiden Rivalinnen bei. Verwundert und
zugleich erstaunt über dieses Spektakel nimmt
sie einen eigenen Raum ganz für sich ein.
Nachträglich
erkennt
man,
dass
Intensitätszonen im kulturellen Imaginären
sich im Verlauf der Zeit verschieben können.
Miss Caswells erotische und zugleich ironische
Präsenz auf der Leinwand hält dem »star
appeal«
der
anderen
bei
den
Schauspielerinnen Eva/Anne Baxter und
Margo/Bette Davis eine Vitalität entgegen, auf
die seit ihrem Tod Künstler zurückgreifen, um
die Filmdiva Monroe als Image zu
konsumieren. Dabei inszenieren Künstler
bewusst die vampiristische Dialektik, die die
Nachahmung und somit das Recycling von
Stars zeichnet. Wenn Künstler auf Bilder der
Prominenz zurückgreifen, verhalten sie sich
meist bewusst zu jener gesellschaftlichen
Tendenz, die in der Einverleibung und
kommerziellen
Vertreibung
des
Stars
Sinnstiftungen unternimmt. Mit seiner
Silkscreen Series der Ikone Marilyn Monroe
affirmiert Andy Warhol beispielsweise ihren
Starstatus und verweist gleichzeitig auf jene
Entleerung, die dessen Bedingung ist. Er
partizipiert an der Aura, die von ihren Fotos
ausgeht, inszeniert aber zugleich den
Abgrund, der sich daraus ergibt, dass die Ikone
nur als serielles Oberflächenbild, als Klischee
oder Abzug eines vorhergehenden Bildes
erscheint. Hinter dem schönen Schein des
Starimages zeigt sich laut Warhol keine
Botschaft über den Sinn von Monroes Erfolg
sowie ihres Leidens am eigenen Starimage.
In diesen Bildern finden wir gerade nicht jenen
Trost, den der Starkörper als gelebter Mythos
zu versprechen scheint. Stattdessen wird von
Andy Warhol in seiner Silkscreen Series eine
Leere erzeugt, in der die Obliteration des Stars
- als Entleibung und Entlebung - performativ
sichtbar wird.
Doch wie für das Starlet Marilyn Monroe in
Mankiewics' prominenzkritischer Komödie
„Alles über Eva“ hat es auch für Warhols PopKritik am Startum eine Verschiebung der
Intensitätszone gegeben, die dem als
Oberfläche inszenierten Starimage im Laufe
der Zeit eine neue Aura zuzuschreiben
gewusst hat. Von allen Marilyn MonroeNachbearbeitungen könnte man sagen:
Einerseits wird die Kunst selbstbewusst zur
Ware, indem sie an der Vermarktung eines
zum
Konsum
erzeugten
Bildkörpers
partizipiert. Andererseits wird die Kunst
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dadurch auch anthropomorphisiert, denn sie
partizipiert am Mehrwert, der sich gerade
durch das künstliche Erschaffen des
Starkörpers Marilyn Monroe ergibt. Weil es
diese Ikone der Verführung nur als Image - ob
Fotografie oder Filmaufnahme - gibt, gelingt
die Identifikation mit dessen Bild. Dennoch
zehrt das Recycling von jener Affizierbarkeit,
die auch Marilyn Monroe zu Lebzeiten zur
Filmdiva werden ließ: von jener charismatischen Vitalität, die das Bild trägt und es
gleichzeitig übersteigt, weil sie von keinen
Repräsentationen gänzlich eingeholt werden
kann. Um der Entleerung des Starkörpers in
ein mythisches Zeichen mithilfe des Recycling
etwas entgegenzuhalten und diesen Glamour
der Diva - als Fluchtpunkt und blinden Fleck
des Bildes - zu inszenieren, setzen Künstler das
Monroe-Image zur Zersetzung des Starbildes
ein.
*…+
Von der Macht der Bilder ihrer Vorgängerin
begeistert orientiert sich Madonna in ihren
frühen Videoclips an diesem Stern, um hervorzuheben, dass sie sich stellvertretend für ihre
eigenen Fans über eine Identifikation mit der
an
diesem
Starkörper
festgemachten
»Celebrity« definiert. Dabei nutzt Madonna,
die in den späten 1980er Jahren gerne von
sich behauptete, sie würde den Geist Marilyn
Monroes in sich verspüren, ihr Recycling, um
ein kritisch-ironisches Nachdenken über den
Stellenwert, den Berühmtheit in unserer
Kultur angenommen hat, nicht von unserem
Genuss abzukoppeln. In ihrem Videoclip
„Material Girl“ verleiht sie ihrer Einverleibung
Monroes einen fröhlichen Twist. Einerseits
mokiert sich das Material Girl über Verehrer,
die glauben, sie mit teuren Geschenken
beeindrucken
zu
können.
In
ihrer
Umarbeitung der Gesangsnummer „Diamonds
are a Girl's best Friend“ hingegen wendet sie
sich, wie Marilyn Monroe vor ihr, nur dann
den Männern zu, wenn diese ihr Juwelen
anbieten. Als geschickte Manipulatorin ihres
eigenen Selbstbildes verkündet Madonna
somit die Botschaft: Kauft mich als »show
girl«, aber seid euch auch bewusst, dass ihr
ein Bild von mir genießt, und zwar eines, das
ich selber definiere. Im Fall der jungen
Madonna hat »Berühmtheit« nur dann
wirklich Substanz, wenn sie die Identifikation
mit der Filmdiva nicht festschreibt, sondern
als bewusst markiertes Spiel betreibt.
Es bleibt aber zu fragen, warum Marilyn
Monroe unsere Aufmerksamkeit so hartnäckig
und so anhaltend auf sich gezogen hat. Wie
erklärt sich der merkwürdige Umstand, dass
der zum gelebten Mythos entleerte Starkörper
eine Affizierbarkeit zu entfalten wusste, der zu
einem vitalen Nachleben im kulturellen
Imaginären als verselbständigte Bildkette
führte? Meine These lautet, dass es sich bei
ihr um eine inspirierte Störung in unserer
Ökonomie der Berühmtheit handelt, um einen
Unfall im Zeichensystem des Starkults. Im
Recycling des Images Marilyn Monroes
verbindet sich nämlich Körpersubstanz und
Starkörper in entscheidender Weise. Um
darauf hinzuweisen, dass die erfolgreiche
Erzeugung des Stars mit dem Verlust der
eigenen realen Persönlichkeit einherging, hat
sie zu Lebzeiten gerne darüber geklagt, sie
hätte Marilyn Monroe immer wie einen
Albatros mit sich herumschleppen müssen. Sie
selber wusste genau: Wenn der Star einerseits
das mythische Zeichen mit seinem Körper
füllt, so verflüchtigt er sich als unbegrenzt
verfügbarer Medienkörper, auf den andere
uneingeschränkt ihre Fantasien projizieren
können, auch hinter diesem Starbild. Man
könnte Andy Warhols Silkscreen Series
demzufolge auch als Kommentar dazu
verstehen, dass diese Filmdiva deshalb
unsterblich ist, weil sie immer schon in ihrem
Bild einbalsamiert war. Dennoch muss für das
schillernde Recycling Marilyn Monroes auch
festgehalten werden: Sosehr man geneigt ist,
diese Diva einerseits als eine vermarktete
Persönlichkeit zu definieren, andererseits als
entleertes Zeichen, bleibt die Frage ihrer
speziellen Ausstrahlungskraft. Die Stimme,
Gesten, Haltungen der Monroe sind
einzigartig. Künstler, die mit dem Faktor
Prominenz in ihren Arbeiten operieren - wie
Madonna, Warhol oder Morimura - können
diesen Zauber nur ironisch in ihre Nachah-
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mung einbeziehen. Als Diva ist Marilyn
Monroe Ware, Ikone, Zeichen und dennoch
mehr als jeder Tauschwert. Etwas, das wir nie
wirklich erklären können, dessen wir nicht
habhaft werden, zieht uns unweigerlich an
und führt dazu, dass wir uns an ihrem
Bildkörper nie satt sehen können. In dieser
zusätzlichen Färbung ihrer Prominenz, die die
reine Vermarktung übersteigt, liegt eine
Authentizität nicht jenseits des Bildes,
sondern als Voraussetzung des Starimages
und als Bedingung für unseren Genuss. Was
Monroe vom normalen Star unterscheidet und hier handelt es sich um einen »Unfall« im
Star-System - ist also ihr spezifisches
Charisma. Als Diva ist sie weder trivial noch
ein leeres mythisches Zeichen. Sie ist kein rein
manipulierter Kunstkörper. Dadurch, dass die
persönliche Geschichte von dem Star-Image,
das sie am eigenen Körper vertritt, nie zu
trennen ist, stellt sich bei ihr die Frage nach
der existenziellen Substanz, von der ihr
Starkörper zehrt, mit besonderer Brisanz. Als
Diva verkörpert sie nicht nur einen künstlich
erstellten Glamour, sondern verschränkt ihren
zeichenhaften Kunstkörper mit existenziellem
Schmerz und bringt somit den realen Leib in
seiner fragilen Versehrtheit wieder mit ins
Spiel. Auf diesen greifen die Künstler - ob als
Collage, als Umschrift oder als Zersetzung des
Bildes - zurück. Dabei geht es nicht darum,
hinter dem Image der Diva eine klar
abgegrenzte
authentische
Person
zu
erkennen, sondern um das Begreifen ihres
Images als ihre Authentizität. Gerade darin
unterscheidet sich eine Diva wie Monroe auch
eindrücklich von anderen trivialen Figuren, die
unsere medialisierte Welt bevölkern. Die
Tatsache, dass sie sich nicht nur gänzlich neu
entworfen hat, sondern dass die ganze
Intimität, die sie zur Schau stellt, nichts
anderes als ein Teil dieser Konstruktion ist, die
unsaubere Verschränkung von Starkörper und
Körpersubstanz also, erzeugt den Zauber ihrer
Prominenz sowie die Prominenz ihres Zaubers
in jedem nachträglichen Recycling.
Elisabeth Bronfen und Barbara Straumann. Die
Diva. Geschichte einer Bewunderung.
München 2002.
Quellenangabe:
Elisabeth Bronfen: Recycling Madonna.
Zauberhafte Prominenz einer Diva. In:
Superstars. Das Prinzip Prominenz. [anlässlich
der Ausstellung "Superstars. Von Warhol bis
Madonna", Koproduktion von Kunsthalle Wien
und BA-CA Kunstforum, 4. November 2005 bis
22. Februar 2006] / Hrsg.: Kunsthalle Wien,
Ingried Brugger, Ostfildern-Ruit. Wien: Hatje
Cantz, 2005.
Literatur:
Roland Barthes, Mythologies (Mythen des
Alltags), Paris 1957.
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Digital Kids im künstlichen Paradies
von Thomas Miessgang
Blickfänger,
Aufmerksamkeitskannibalen,
numinose Performer des Sinnlichen und des
Übersinnlichen: Superstars - heidnische
Götter, die im Namen des gesellschaftlichen
Friedens
regieren,
ektoplasmatische
Präsenzen, deren flüchtiges Wesen umso
wirkungsmächtigere Nachbilder im kollektiven
Wahrnehmungsapparat produziert.
»Gebt mir ein Leitbild«, hat die slowenische
Band »Laibach« in den achtziger Jahren
gesungen. Die Indizien sprechen dafür, dass
die Superstars, die aus dem Schaum der
zeitgenössischen
MedienEnvironments
geboren wurden, diese Rolle übernehmen und
immer stärker in die leere Mitte der
Gesellschaft drängen. Es sind Idole eines
neuen Typus: flexibel, transparent, von
überwältigender Omnipräsenz und gleichzeitig
irritierender Ungreifbarkeit. In weiter Ferne,
so nah!
Michael Jackson, Madonna, David Bowie und
Co. repräsentieren die erste Generation von
Celebrities, die im Rahmen expandierender
Medien-Netzwerke ein kombinatorisches Spiel
der Imagekomponenten veranstalteten und
sich beinahe im Jahresrhythmus neu
erschufen oder erschaffen ließen, um ihren
Fans ständig aktualisierte Benutzer- oder
Betrachteroberflächen zu bieten. Es ging nicht
mehr, wie in der heroischen Zeit der
Hollywoodhelden,
um
Konsistenz
der
Erscheinung, sondern, im Gegenteil, um
symbolische Dislokation, um Fragmentierung
und um Bricolage1.
Die
Art
und
Weise,
populärkulturelle Leitbilder
wie
als
heute
globale
Superstars geschaffen werden, lässt sich somit
auf
einen
gesamtgesellschaftlichen
Transformationsprozess zurückführen, dessen
Beginn mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
anzusetzen ist. Der Aufstieg des medienindustriellen Komplexes durch u. a. zivile
Nutzung von Militärtechnologie2 führte zu
einer Proliferation populärkultureller Images
amerikanischer Prägung. Schon in den
sechziger Jahren konnte Regis Debray, der
Theoretiker des Guerillakampfes, behaupten,
dass »Bluejeans und Rock 'n' Roll mehr Macht
verkörpern als die gesamte Rote Armee«.3 Am
Beginn der Erfolgsgeschichte der weichen
Macht Amerikas wurden allerdings noch die
traditionellen Vorstellungen vom Star
weitergeschrieben. Vor Elvis waren dies in
erster Linie männliche und weibliche
Leinwandhelden. Zelluloid- Übermenschen,
die dem »Sfumato« des Zigarettenrauchs
einer Noir-Szene entstiegen waren wie
Marlene Dietrich und Humphrey Bogart oder
mit gebleichten Haaren und spiegelnden
Lamé- Kleidern banale Szenarien zum
Leuchten brachten wie Marilyn Monroe. »Eine
Schauspielerin sollte ein Wesen sein«, schreibt
Paul Virilio, »das keine feste Form besitzt und
so durchscheinend ist, als würde das Licht den
Körper durchdringen. «4
Doch die Zelluloid-Götter waren von
Menschenhand geformt worden: Das rigide
Studiosystem der ersten großen HollywoodEpoche bis 1955 spannte sie in eine restriktive
Maschinerie ein, um ihr Image - nach der
klassischen Definition von Silbermann die
»Gesamtheit
aller
Vorstellungen,
Erwartungen, Ideen und Gefühle, die mit dem
Star verbunden werden«5- wasserdicht zu
machen.
2
1
Anm.: Bricolage kommt aus dem Französischen und
bedeutet wörtlich „Bastelei“. Bricolage (manchmal
auch sampling genannt) bezeichnet in der
Jugendkultur die Technik, Gegenstände in einen
neuen Kontext zu stellen, der nicht den
ursprünglichen Normativen entspricht - Kleidung,
Symbole und Embleme künstlich zusammenzustellen.
Dabei kann deren ursprüngliche Bedeutung verändert
oder sogar aufgehoben werden.
Vgl. Friedrich Kittler: Film – Grammophon –
Typewriter. Berlin 1986.
3
Nathan Gardels: Neue Härtegrade. Aufstieg
und Verfall der weichen Macht Amerikas. In:
Lettre 68. Frühjahr 2005, S. 38.
4
Paul Virilio: Ästhetik des Verschwindens. Berlin
1986, S. 60f.
5
Alphons Silbermann: Handwörterbuch der
Massenkommunikation und Medienforschung.
Berlin 1982, S. 172f.
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Die Werbeabteilungen webten rund um real
existierende Schauspieler ein Netz aus
erfundenen oder zumindest gestreamlineten
Biografien, Klatschgeschichten und Skandalen,
die man zur Not selbst provozierte, wenn sie
sich nicht von alleine einstellen wollten. Dazu
kamen generalstabsmäßig geplante Auftritte
bei Parties und Premieren sowie aufwändig
gestaltete
Star-Broschüren,
deren
hagiographischer Duktus sie zu Reliquien für
die Fans machte. (Siehe dazu auch den Beitrag
von Stefan Grissemann.) All dies fand unter
strenger Kontrolle vonseiten der Studios statt,
die vor allem auf die Kontinuität zwischen
inner- und außerfilmischen Aspekten des
Images achteten. Der Star sollte eine
konsistente Erscheinung sein: Einmal Bad Boy,
immer Bad Boy, siehe James Cagney. Einmal
Sexbombe, immer Sexbombe, siehe Rita
Hayworth.
»Variationen
des
Erscheinungsbildes wurden in der Regel nur
dann vorgenommen, wenn sich das jeweilige
Image an der Kinokasse nicht mehr als
zugkräftig erwies«, schreiben Werner
Faulstich und Helmut Korte. »In dieser Form
diente das Starsystem als Mechanismus der
Produktdifferenzierung und der Anpassung an
einen schwer kalkulierbaren Markt. «6 .
In der zweiten Studioepoche ab ca. 1955
lockerte sich der »iron grip« der Bosse und
Geldgeber ein wenig: Schauspieler gingen nun
häufig dazu über, ihr Image selbst zu
kontrollieren, engagierten PR-Agenten oder
versorgten die Medien höchstpersönlich mit
dem Stoff, aus dem die Träume sind. Sie
versuchten auch, durch sorgfältig gewählte
Filmprojekte der Falle des »type casting« zu
entgehen
und
ein
differenzierteres
schauspielerisches
Profil
anzubieten.
Trotzdem übten die Stars ihre »charismatische
Herrschaft« (Max Weber) bis in die achtziger
Jahre im Wesentlichen nach einem
Vorkriegsdrehbuch aus.
Erst mit dem Heraufdämmern jener Ära, die
aus heutiger Sicht häufig als »MTV-Epoche«
6
Werner Faulstich, Helmut Korte et. Al:
Kontinuität – zur Imagefundierung des Film- und
Fernsehstars. In: W. Faulstich u. H. Korte (Hrsg.):
Der Star – Geschichte, Rezeption, Bedeutung.
München 1997, S. 13.
bezeichnet wird, änderten sich die
gesellschaftlichen und medientechnischen
Rahmenbedingungen so stark, dass die
populärkulturelle
Idolatrie
einen
Paradigmenwechsel erlebte: Der Star wurde
zum Superstar, dessen Design schon in der
konzeptionellen Phase auf globale Wirkung
ausgelegt war.
Dieser Vorgang ereignete sich allerdings nicht
über Nacht, sondern hat eine lange
Vorgeschichte: Seit in den fünfziger Jahren der
Teenager von der Marktforschung als
kaufkräftiger Konsument dingfest gemacht
worden war, hatte sich die Star-Aura
sukzessive von den Filmhelden zu den adoleszenten Rebellen des Rock 'n' Roll verlagert.
(Elvis Presley war als dezidierter NichtSchauspieler nach Hollywood geholt worden,
um der darbenden Filmindustrie mit seinem
Pop-Appeal aufzuhelfen. Heute nehmen
Filmdarsteller, wenn sie ihr Image stabilisiert
haben, gern eine Platte auf, siehe Johnny
Depp, Bruce Willis, Vincent Gallo, Juliette
Lewis.)
Mit der Inthronisierung des Popstars als
Allzweckheld, der im Sinne des »cross
marketing« spartenübergreifend eingesetzt
werden konnte (Sänger, Tänzer, Schauspieler,
Talk-Show-Gast, Werbeträger etc.), hatte
Hollywood das Herrschaftsmonopol über das
Starkonzept verloren. Die medial gesteuerte
Heldenverehrung wurde zu einem Modus, bei
dem weniger auf das natürliche Charisma, das
»übermenschliche« Potenzial von Personen
gesetzt wurde als auf Hypostasierung der
Inszenierungstechniken: Bildausschnitt, Dekor,
Ausleuchtung, Outfit, akkurates Editing,
geschickt platzierte Soundbytes.
Der Popstar wurde für die Star-Imago
schlechthin gesetzt und konnte gewinnbringend
auf
den
verschiedensten
Öffentlichkeitsmärkten die Aufmerksamkeit
kapitalisieren, in Erscheinung treten. So
wurden der Fußballspieler David Beckham, der
Politiker
Joschka
Fischer,
der
Computerhersteller Bill Gates, ja selbst der
verstorbene Papst Johannes Paul II von den
Medien als Popstars ihrer jeweiligen Metiers
bezeichnet.
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Superhelden einer Epoche der »neuen
Unübersichtlichkeit« (Jürgen Habermas), in
der die »nicht mehr versammelbaren Massen«
(Peter Sloterdijk) Surrogate für jene
ideengeschichtlichen Erscheinungen suchten,
die in der Lage waren, den Himmel durch
»gesteigerte Menschhaftigkeit« (Friedrich
Nietzsche) zu sprengen. »Stars der
verschiedensten Art«, schreibt Peter Ludes,
»werden zu herausragenden Leitbildern,
deren Verständnis ähnlich relevant wird wie in
früheren Phasen der Menschheitsentwicklung
das Verständnis von Göttern, Helden und
Staatsoberhäuptern. Sie bieten symbolisch
Projektionsoberflächen, die tiefer liegende
Ungleichheiten und Konflikte medial überspielen oder verschleiern. «7
Vor der Herrschaftsübernahme durch die
MTV-Ästhetik mit ihren exzentrischen
Perspektiven, schnellen Schnitten und
schrillen Farbdramaturgien waren die StarImages noch in narrative Strukturen
eingebettet, die sich von der Idee des Romans
herleiten lassen: Die große Erzählung als Versuch, das Gesamte der Gesellschaft in einer
Nussschale zu fassen und zu transzendieren,
man denke an die gewaltigen Filmepen von
Griffith bis Ford. Und selbst die kritischen oder
degenerativen Formen des Kinos der sechziger
und siebziger Jahre (New Hollywood, ltaloWestern) entfalten sich im Sinne einer
negativen Dialektik noch vor der Folie eines
emphatischen Amerikanismus.
Mit MTV jedoch verschwand das Vertrauen
auf die Suggestivität und die Beweiskraft der
narrativen
Konsistenz.
Im
flüchtigen
Bildkaleidoskop der Musik-Clips evaporierten
inhaltliche Zusammenhänge; Geschichten
wurden nicht mehr in angemessener Breite
erzählt, sondern als Fragmente in den
metaphorischen Partikelbeschleuniger gefüllt.
An die Stelle von Durchführung und
Entwicklung traten visuelle Kompression und
Wiederholung (»heavy rotation«). »Im Video
transzendiert der Star durch die Verhinderung
7
Peter Ludes: Aufstieg und Niedergang von Stars
als Teilprozess der Menschheitsentwicklung. In:
W. Faulstich u. H. Korte (Hrsg.): Der Star –
Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München
1997, S. 89.
eines längeren Zuschauerblickes auf Grund
extremer Einstellungskürze«, schreibt Jens
Thiele. »Das Starbild formt sich zwischen den
vorbeieilenden,
fragmentarisierten
Bildeindrücken als Vision im Kopf des
Zuschauers. «8
Der Musikkanal trat zu einem Zeitpunkt auf,
als sich die akademische Begeisterung für das
poststrukturalistische Denken auf dem
Höhepunkt befand. Und die Magie der
Oberfläche, das autologische Spiel der
Signifikanten, die unendliche Inszenierung der
Kontraste, wie sie von MTV verkörpert
wurden, mischte sich prächtig mit den
relativistischen Ideen von Derrida, Baudrillard
und Co.: Vorrang der Zeichen, Absage an den
Logozentrismus, Aufwertung des Körpers vor
dem Sinn, mediale Szenografien als
»gestaltgewordene materialisierte Leere«
(Slavoj Zizek).
Das Musikfernsehen mit seinen innovativen
visuellen Charakteristika und der Nivellierung
kommerzieller und inhaltlicher Levels ist die
Benutzeroberfläche eines ökonomischen
Produktionssystems, das von Walter Benjamin
in einem hellsichtigen prognostischen Text
von 1921 als Religionsersatz beschrieben
wurde: »Im Kapitalismus hat alles nur
unmittelbar mit Beziehung auf den Kultus
Bedeutung, er kennt keine spezielle Dogmatik,
keine Theologie. [...] Der Kapitalismus ist die
Zelebrierung eines Kultes sans reve et sans
merci. Es gibt da keinen> Wochentag<, keinen
Tag, der nicht Festtag in dem fürchterlichen
Sinne der Entfaltung allen sakralen Pompes,
der äußersten Anspannung des Verehrenden
wäre. «9
Die Penetration öffentlicher und privater
Sphären durch immer zielgenauer agierende
mediale Projektoren (das Wort »target
audience« stellt einen schönen Kurzschluss zur
8
Jens Thiele: Künstlerisch-mediale Zeichen der
Starinszenierung, In: W. Faulstich u. H. Korte
(Hrsg.): Der Star – Geschichte, Rezeption,
Bedeutung. München 1997, S. 141f.
9
John Fiske: MTV: Post-Structural, Post-Modern.
In: Journal of Communication Inquiry 10, 1,
1986, S. 75.
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militärischen Terminologie her) hat dazu
geführt, dass der Karneval der Waren und
Sensationen nicht mehr der Ausnahmezustand
ist, sondern ein Hochamt der sinnbefreiten
Permanenz. Statt einer Abfolge von Ereignissen, die von den Teilnehmern am Markt
im Sinne einer Erzählung prozediert werden
könnten, gilt die Simultaneität des
Sensationalistischen. Man hat ständig das
Gefühl, zu spät zu kommen, etwas zu
versäumen,
den
Ereignissen
hinterherzuhecheln. Man wird zum Voyeur,
der die obszöne Prachtentfaltung der
Erlebnisgesellschaft genießt und die perverse
Lust durch die Aufbietung der intensivsten
Schuldgefühle zu kompensieren versucht.
Gleichzeitig fühlt man sich ständig beobachtet.
Das Erlebnis, von einer Kamera erfasst zu
werden - früher das Privileg von Stars und
Prominenten verschiedenster Sparten - ist zu
einer
Alltagserfahrung
geworden.
Verkehrsmittel und öffentliche Plätze sind
beinahe
flächendeckend
mit
Überwachungssystemen ausgestattet, GPS
ermöglicht die präzise Lokalisierung von
Individuen
noch
in
den
intimsten
Rückzugsräumen
und
allgegenwärtige
Camcorder und Fotohandys sorgen dafür, dass
man am Flughafen Charles de Gaulle in Paris
nicht
mehr
ungestört
Zärtlichkeiten
austauschen kann. Der Normalverbraucher
wird
in
den
postpanoptischen
Observationssystemen der multimedialen
Konkurrenzgemeinschaft zum Star im
Spektakel des Alltags. Der Künstler und
Theoretiker Stefan Römer hat dies die »Ich
werde beobachtet, also bin ich«-Haltung
genannt.
So ergibt sich die paradoxe Situation, dass in
der Post- MTV- Epoche der universalen
Registrierbarkeit die Kreation von Superstars
an
beiden
Extrempunkten
des
Prominenzspektrums
mit
vergleichbarer
Intensität stattfindet. Die Massenmedien
investieren im Rahmen von televisionären
Casting- Shows oder Exklusionsspielen nach
dem Muster „Big Brother“ oder „Deutschland
sucht den Superstar“ in Instantprominenz, die
direkt an die Videoüberwachungssysteme im
öffentlichen. Raum anknüpft: Statt in der U-
Bahn gerät man eben im Container ins
Fadenkreuz der Kamera und wird in seiner
alltäglichen Unerheblichkeit dokumentiert.
Das Problem dieser Star-Making- Modelle
besteht darin, dass das Ablaufdatum der
hausgemachten
Superhelden
bereits
vorprogrammiert ist. Meist verschwinden sie
nach dem Ablauf einer Staffel genauso schnell,
wie sie gekommen sind. Sie erhalten zwar das
Superstar- Treatment, aber eben nur für jene
fünfzehn Minuten, von denen Andy Warhol
gesprochen hat. Das Prinzip der CastingShows ist auf sequenzielle Besetzung des
Superstar-Throns gegründet, es befördert die
Sache des Objekts, das, um mit Zizek zu
sprechen, »für seine zentrale Rolle zwar
keineswegs prädestiniert ist, sie aber zufällig
übernommen
hat,
ein
Objekt,
das
Symbolisierungen antreibt, ihnen zugleich
aber widersteht.«10
Im »high end«-Bereich dagegen wird nach
dem Motto »built to last« in die
Dauerhaftigkeit von hypostasierten SuperstarImagines
investiert,
da
diese,
formatunabhängig und im globalen Maßstab
diffundierbar, am Ende des Tages eine größere
und verlässlichere Rendite garantieren. Die
Pionierarbeit in der Anpassung von ImageKreationen an veränderte medientechnische
und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
wurde in den frühen achtziger Jahren
geleistet. Damals tauchte der Begriff
Superstar, der vom Avantgarde-Filmemacher
Jack Smith in den sechziger Jahren als ironische terminologische Prägung erfunden
worden war, in den Medien zur
Kennzeichnung der Top- Kategorie von
Celebrities auf.
Im Zusammenspiel mit der flächendeckenden
Visualisierung von Popklängen durch das
Musikfernsehen („Be in my video“ hieß
damals ein Song von Frank Zappa) ergaben
sich völlig neue Möglichkeiten der opulenten
dekorativen Ausstattung von Images. MTV
war, bei behaupteter Modernität und
Zeitgenossenschaft, von Beginn an auch eine
10
Ulrich Wenzel: Pawlows Panther. In: Viva MTV!
– Popmusik im Fernsehen. Frankfurt 1999, S. 63.
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gewaltige Recyclingmaschine, ja möglicherweise
der
Anfang
jener
periodisch
einsetzenden Wiederholungszyklen, die bis
heute
die
populärkulturellen
Paradigmenwechsel bestimmen. In Bildern
sichtbar gemachte Epochen purzelten
ineinander wie im Jünger'schen Blechsturz
und erzeugten ein historisches Pastiche, das
den Eindruck von zeit- und ortloser
Kontingenz nährte.
Die archetypische Popfigur einer aufs
kulturhistorische
Zitat
gegründeten
Luminosität ist Madonna, die den bürgerlichen
Namen
Ciccone
im
Zuge
ihrer
Transsubstantiation verlor. In ihrer 20 Jahre
dauernden Karriere hat sie eine mittlerweile
kaum noch registrierbare Zahl von Rollen
verkörpert: Lola in Der Blaue Engel, Amy Joly
aus Marocco, mit Frauen flirtend, Lorelei Lee
in Gentlemen prefer blondes, wo sie Marilyn
Monroes Choreografie bis ins Detail kopierte.
Madonna spielte Carmen, Evita Peron, MarieAntoinette, sie trug ein Clockwork OrangeOutfit oder einen Lack-Overall. Sie posierte in
einer Saison als Shiva und Geisha, in einer
anderen als Cowgirl. Die von der Industrie
implementierte Strategie der permanenten
Image-Transformation wird von Madonnas
meist weniger begabten Nachfolgerinnen
Britney Spears, Christina Aguilera und
Beyonce und von männlichen Stars wie P.
Diddy, Robbie Williams und Eminem bis zum
heutigen Tag als probateste Methode zur
Verlängerung der Zeit im Scheinwerferlicht
angewendet.
Wie auch immer: Am Zustand der StarImagines, die sich die Gesellschaft als
Leitbilder erfindet, lässt sich ablesen, wohin
der lange und seltsame Trip der
menschheitsgeschichtlichen Entwicklung geht.
Sollte die am Beginn diesesTextes skizzierte
zunehmende Virtualisierung der Superstars
sukzessive die »Personengebundenheit«
(Peter Ludes) traditioneller Idolisierungskonzepte ersetzen, lässt sich fragen, ob die
außeralltägliche
Hingabe
an
eine
charismatische Präsenz, die zumindest
teilweise die Inkarnationen des Heroischen,
Numinosen oder Politischen ersetzt, noch
gewährleistet ist oder ob sich das Publikum
endgültig im Spiegelsaal der fluktuierenden
phantasmatischen
Produktionen
verirrt.
Elisabeth Bronfen vermutet, dass die »heiligen
Monster«
des
Starsystems
im
kaleidoskopischen Wirbel der flüchtigen
Augenreize verschwinden werden. Man müsse
bezweifeln,
dass
»ein
ausschließlich
oberflächliches Starimage, das nicht von der
Spannung lebt, die sich zwischen Aneignung
vorgegebener Starbilder und der Substanz
einer Körperlichkeit, mit und gegen die die
Selbstdarstellung unternommen wird, ergibt,
überhaupt eine Wirkungskraft hat, die über
die
Macht
des
Augenblickes
[...]
hinausreicht.«11 Vorerst gilt aber noch der
Tagesbefehl, den die ehemalige Spice-GirlsChanteuse Melanie C ausgegeben hat: »Play
the game; take the blame for the power and
the fame; You're living your dream; SeIl your
life; seIl your soul telling; everyone you know;
You're living your dream; You're the next big
superstar.«
Quellenangabe:
Thomas Missgang: Digitale Kids im künstlichen
Paradies. In: Superstars. Das Prinzip
Prominenz. [anlässlich der Ausstellung
"Superstars. Von Warhol bis Madonna",
Koproduktion von Kunsthalle Wien und BA-CA
Kunstforum, 4. November 2005 bis 22.
Februar 2006] / Hrsg.: Kunsthalle Wien,
Ingried Brugger, Ostfildern-Ruit. Wien: Hatje
Cantz, 2005.
11
Elisabeth Bronfen: Magische
Ausstrahlungskraft: Die Diva – Ein Unfall im
Starsystem. In: Kunstforum. Bd. 164. März-Mai
2003, S. 133f.
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