Andy Warhol- der erste Roboter im Hinnnel?

Transcrição

Andy Warhol- der erste Roboter im Hinnnel?
Der erste Roboter lm Himmel? Andy Warhol Anfang der achtziger Jahre mit seinem Assistenteo
Horst Weber, dessen neue Bilder morgen urn 11 Uhr bet der Ausstellungseroffrulg 1m Kunstverein Bremerhaveo zu sehen sind.
Andy Warhol- der erste
Roboter im Hinnnel?
Neuer Klatschroman tiber den toten Pop-Papst
Ohne die Polaroidkamera und den Kassettenrecorder gi.ng A:ndy nie a us dem Haus. Sie
waren seine Riistung, mit ihnen wappnete er
sich wie zu einem Wa.ffengang mit dem Leben. Was war das Furchterregendste, das du
je erlebt hast, wurde Warhol einma1 gefragt.
Seine A:ntwort: Ein Spa.ziergang um den
Block. Bambie in New York- kaum zu glauben, daB dieser scheue, schwule Albino mit
der Silberhaarperiicke zum Dreh- und A:ngelpunk:t1 zum kiinsUerischen Motor und
Zeremoruenmeister einer ~anzen Ara wurde.
Viel getan hat er dabei eJ.gentlich nicht. Er
besa.6 aber wobl die Fiihigli:eit, zur richtigen
Zeit und am richtigen Ort andere zu animieren, etwas zu tun.
Zum Beispiel, sich von der franzOsischen
Bildungsbilrgertochter Isabelle Dufresne in
den exaltierten Warhol-superstar lntra Violet zu verwandeln. Sie trank sterillsiertes
Wasser mit Howard HUghes, erregte die Aufmerksamkeit von Richard "Tricky Dick" Nixon, traf sich mit Man Ray, cfe Kooning,
Marcel Duchamp und bezauberte Salvatore
Dali. Der gro& spanische Hysteriker stellte
sie 1963 auch A:ndy Warhof vor. "Verlasse
Dali", riet er ihr, .,er ist zu alt fiir dich."
Wenig spliter w.urde aus der klassischen
europaischen Schonheit eine schrille, violett
gekleidete und geschminkte Pop-Diva, ein
publicityhungriger Paradiesvogel der New
Yorker Underground Szene, standiger Gast
in der ganz in silber aus~;deten ersten
Factory - A:ndys durchge
ter Raumstation, dem Kristallisationspunkt samtlicher
kreativen Krafte jener Zeit. 24 Stunden am
Tag war dies der durch Orogen aufgeheizte
~uplatz wilder Parties und Orgien, den_
Ultra Violet im ersten graBen Klatsch-"'und
Tratschroman der Pra-Warhol-Ara beschreibt. Er war dem "Spiegel" bereits einige
Seiten wert war und ist unter dem Titel.,Famous for 15 Minutes"- Warhols legendiirem
Scheck auf 15 Minuten Beriihmtheit im Leben iec;lerm~ - bisher nur im englischsprachigen Original zu haben (Harcourt Brace Jovanovich, Publishers, Orlando/Florida
32887,18.95 Dollar).
Darin ist die Rede von Besuchern wie Bob
Dylan, Truman Capote, Rudolf Nureyev, Mia
Farrow, John Lennon und der .,f'?tammbesa~
zung" der Factory: Edie Sedgwick, Viva, Loll
Reed, Brigid Berlin, Candy Darling, Holly
Woodlawn und Paul Morrissey. Hier wurden
auch solche obskuren Filme wie lene schwule
Cowboy-Parodie gedreht, fiir die A:ndy sich
einen Hen,ast bringen lieB, dem sich seine euphorisier1!' Gefol.gschaft in eindeutiger A!)..
sicht zu niihern hatte. Das ging solange gut,
wie das hypernerviise Tier einem Akteur mit
dem Huf · beinahe den Schadel eintrat.
nA:ndy" , so schreibt tntra Violet, .,zog das
Karussell auf, auf dem sich die Kids immer
schneller und schneller drehten, bis sie keinen Halt mehr fanden und in den Raum hinausgeschleudert wurden."
Am 3. Juni 1968 hatte es ihn um ein Haar
I
selber erwischt, als ihn die militante FrauenrechUerln Valerie SolanaB niedenchoB UDd
lebensgefiihrlich verletzte. Als er zwei Monate spiiter aus dem Kran.kenhaus enUassen
wurde, war er nicht mehr d.erselbe. ,.Die
groBte Kunst", erklii.rte er den neuen Werte- •
wandel, "ist Geldverdienen." Der ehemala
inspirierende Todeswunsch hatte seine unschuldige Faszination verloren, nachdem
Warhol selber vom Ha.u ch des Todes gestreift
worden war.
In diesen spaten Jahren gehorte auch der
deutsche Graf Horst Weber von Beeren zu
seinem Hof (~e Ausstellung von Webers
jtingsten Gemlilden wird morgen um 11 Uhr
im Kunstverein Bremerhaven eroffnet). Jeden Mo~en, so erinnert er sich, scharte A:ndy
seine Mitarbeiter in der jetzt mit Sicherheitsanlagen gegen ungebetene Besucher abgeschotteten neuen Fabrik um sich und gab
die immer gleiche Losung a us: "Ich will heute noch reicher werden."
Die Arbeit an den Prominenten-Portrats
sah in der Re~el so aus, daB Andy die Polaroids schoB, die dann von anderen aufgeblasen, aufgerastert und auf Leinwand gesiebt
wurden (Weber: .,Manchmal hat er einen
Hintergrundgemalt").
Fi1r die einzelnen Arbeitsvorgange gab es
genaue Anweisungen. Die aus der Passfonn
gezogenen Linien von Augen und Mood
muBten zum Beispiel der Devise entsprechen: .,Make it elesant", und der Gesichtston
der Frauen war gf"unds.ii.tzlich heller, als der
der Manner. Soul-Star Diana Ross, die mit
Michael Jackson den SchOnheitstraum vom
weiBen Neger traumt, meldete in di~r Beziehung lloch Sonderwiinsche an: . Make me
white, A:ndy." Alles was du wilist, Darling
fiir soviel Dollars . . .
'
Beim Requiem fiir den toten Pop-Pa~ in
der New Yorker St. Patrick Cathedral oko
Ono sprach von der Kanzel) beerdigte tra
Violet auch die dunkle Seite der wilden
Sechziger: nNichts an A:nd~ war wie bei anderen. Er war der erste WU"ktiche Plastikmensch. Er entsprach der Robotisierung seiner Umwelt. Er war absolut in UbereinStimmun~ mit seiner Zeit und wenn jemand seine
Arbeit synthetisch nannte, war er zufrieden.
Wlrd A:ndy der erste Roboter sein, den der
Himmel aufnimmt?"
Rainer Donsbach