Oberbürgermeister Michael Korwisi Festrede
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Oberbürgermeister Michael Korwisi Festrede
Oberbürgermeister Michael Korwisi Festrede anlässlich der Überreichung der Ehrenbriefe des Landes Hessen an Peter Jakob und Frank Siebert am 26. Juli 2013 im Gotischen Haus „O Mensch“, schrieb der Dichter Christian Morgenstern, „o Mensch, das Geld ist nur Chimäre.“ Ja, meine Damen und Herren, Ihr Oberbürgermeister spricht von Geld – in einer Feierstunde, in der zwei Bad Homburger Bürger geehrt werden sollen, weil sie für das, was sie geleistet haben, nie einen Pfennig oder Cent sahen. Doch genau deshalb will ich – nur kurz – von Geld reden. Aber zunächst möchte ich Sie sehr herzlich begrüßen, Sie, sehr geehrter Herr Jakob, und Sie, sehr geehrte Herr Siebert, und dazu Ihre Angehörigen, Ihre Freunde und Mitstreiter in der Angelegenheit, der Sie beide sich seit so vielen Jahren widmen. Kommen wir zurück auf die Chimäre. Im ursprünglichen Sinn handelt es sich um ein Ungeheuer aus der griechischen Sage. Es bestand aus einem Löwen, einer Ziege und einer Schlange. Der Löwe brüllt, die Ziege meckert und die Schlange beißt zu. Kann man da nicht wunderbar Parallelen zum Geld ziehen, meine Damen und Herren? In unserer Gesellschaft wird ständig nach Geld und noch mehr Geld geschrien. Wir schimpfen, wenn die zum Leben notwendigen Dinge schon wieder teurer geworden sind und spätestens seit der Finanzkrise wissen wir, dass unser Finanzsystem eine unberechenbare Schlange ist. Christian Morgenstern verwendete das Wort Chimäre natürlich im übertragenen Sinn. Er meinte, dass Geld letztlich nur ein Trugbild sei, dem nachzujagen nicht das Wesentliche im Leben sein könne. Es gibt Menschen, die tatsächlich glauben, Geld sei der einzige Maßstab für das Glück des Einzelnen und für das Funktionieren einer Gesellschaft. Aber Sie und ich und glücklicherweise noch viele andere auch wissen es besser. Wir wissen, dass es Wichtigeres gibt. Zum Beispiel Verantwortungsgefühl und Solidarität. Sie sind das entscheidende Fundament, um eine lebendige und menschliche Gesellschaft gestalten zu können. Und die ehrenamtliche Tätigkeit ist dafür die tragende Säule! Das füreinander Einstehen, die selbstlose Hilfe für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen oder in Not geraten sind, der unentgeltliche Einsatz dafür, dass Andere interessante Veranstaltungen unterschiedlichster Art erleben können. In einem relativ kleinen Gemeinwesen, wie in unserer Stadt, zeigt sich die Bedeutung des Ehrenamtes ganz deutlich. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, meine Damen und Herren, wie viele Bürgerinnen und Bürger in Bad Homburg freiwillige Leistungen zum Wohle anderer erbringen, aber ich weiß, dass es eine außerordentlich hohe Anzahl ist. Sie wirken in Kirchengemeinden, Schulen, in Vereinen und privaten Initiativen. Sie übernehmen Aufgaben, die ansonsten unerfüllt blieben, weil sie mit öffentlichen Mitteln und Kräften nicht gestemmt werden können. Dank dieses starken bürgerschaftlichen Engagements hat sich Bad Homburg stets positiv weiterentwickelt. Das betrifft das vielseitige Angebot an Kunst, Kultur und Sport und genauso die Atmosphäre von Mitmenschlichkeit, die in unserer Stadt herrscht. Bei uns wird niemand allein gelassen, der Hilfe benötigt. Ich bin stolz und froh, dass wir in Bad Homburg so viele Bürgerinnen und Bürger haben, die sich für unsere Stadt einsetzen und Großartiges bewirken. Natürlich müssen wir in Politik und Stadtverwaltung auch Rahmenbedingungen schaffen, die das Ehrenamt unterstützen und fördern. Wir haben dafür schon in der Vergangenheit jede Menge getan und werden das in der Zukunft weiter so halten. Ein wichtiger Punkt dabei ist die öffentliche Anerkennung. Sie ist der Lautsprecher, der hinaus in die Stadt ruft: „Hier sind Menschen, die für unser Zusammenleben Hervorragendes auf die Beine stellen!“ Das regt im Übrigen auch zum Nachdenken an und ermutigt den einen oder anderen, sich ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren. Zu allererst aber ist die öffentliche Anerkennung ein Dankeschön für den für das Gemeinwohl geleisteten Einsatz. Die Stadt Bad Homburg vergibt regelmäßig verschiedene Auszeichnungen, die Ehrenbriefe des Landes Hessen sind jedoch ein Ausdruck der besonders hohen Wertschätzung. Schließlich haben sich diejenigen, denen sie zukommen, weit über das übliche Maß hinaus engagiert. Und genau das trifft auf Herrn Jakob und Herrn Siebert zu! Beide, meine Damen und Herren, erfüllen nämlich seit vielen Jahren nicht nur eine einzige Aufgabe, sondern gleich mehrere. Herr Siebert betätigt sich auf Gebieten, die unterschiedlicher nicht sein können: im Kleingartenbauverein und in der Selbsthilfe-Bewegung. Lassen Sie mich mit den Kleingärten beginnen. Neun Anlagen gibt es in Bad Homburg mit über 500 Parzellen. Dort sprießt und wächst es jeden Sommer über. Es sind grüne Oasen, in denen sich Menschen, die in Mietwohnungen leben, erholen und gleichzeitig Obst und Gemüse für ihren Bedarf anbauen können. Auch Sie, Herr Siebert, lieben Ihr kleines Refugium, stimmt’s? Ganz nach Goethes Motto: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Nur kann man sich in einer Kleingartenanlage nicht ganz auf das individuelle Wohlbefinden und eigene Interessen zurückziehen. Wie in jeder Gemeinschaft bedarf es auch hier gewisser Regeln. Egoismus darf nicht wuchern wie Unkraut und muss im Zaum gehalten werden. Die vielen Einzelgärten sollen sich als jeweils harmonische Gesamtanlage präsentieren. Für Sie, lieber Herr Siebert, ist das als Kleingärtner eine Selbstverständlichkeit. Keineswegs selbstverständlich, sondern anerkennenswert aber finde ich, dass Sie sich aktiv für die Gemeinschaft der Kleingärtner einsetzen. Im Jahr 2000 wurden Sie in Ihrer Anlage Kasernenäcker zum Obmann gewählt. Dieses Amt ist sicher manchmal undankbar, weil ein Obmann auch die Einhaltung der Gartenordnung durchsetzen muss und es hin und wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Herr Siebert hat es jedoch immer wieder verstanden, zu schlichten und die Interessen auszugleichen. Jedenfalls schließe ich das daraus, dass er 2003 zum 1. Vorsitzenden des Kleingartenbauvereins Bad Homburgs bestimmt wurde. Dieser Verein ist, meine verehrten Nicht-Kleingärtner, die Dachorganisation der neun Anlagen und hat immerhin mehr als 700 Mitglieder. Er gehört wiederum dem Kreisverband der Kleingärtner im Hochtaunuskreis an und nun raten Sie, meine Damen und Herren, wie dessen Vorsitzender seit kurzem heißt. Richtig! Frank Siebert. Lieber Herr Siebert, Ihnen liegt es sehr am Herzen, die Kleingarten-Bewegung zu erhalten, zu fördern und weiterzuentwickeln. Sie ist rund eineinhalb Jahrhunderte alt, aber so aktuell wie je. Weil sie Menschen, die sich kein eigenes Haus mit Garten leisten können, ein eigenes Stück Natur gibt. Sie ist allerdings auch unverzichtbar für unsere Stadt. Die Kleingarten-Anlagen bilden ökologische Inseln, deren Pflanzen sich positiv auf das Klima auswirken und in denen Kleintiere und Vögel eine Heimat finden. Und sie sind eine wertvolle Ergänzung unserer Bad Homburger Parklandschaft. Deshalb sage ich Ihnen Danke, dass Sie sich so darum kümmern! Wie ich vorhin sagte, haben Sie ein zweites „Standbein“, um Ihre Zeit sinnvoll auszufüllen. Dies hat allerdings einen weniger erfreulichen Hintergrund. Sie waren schwer erkrankt und gründeten deshalb 1997 eine Selbsthilfegruppe (für CED-Patienten, = Chronisch-Entzündliche Darmerkrankungen). Ihr Wissen, das Sie sich in der Auseinandersetzung mit Ihrer Krankheit angeeignet haben, wollten Sie an Betroffene weitergeben. Auch der beste Arzt kann nicht alles wissen. Sie haben Kontakte mit führenden Medizinern gepflegt, um an möglichst viele Informationen heranzukommen und dies in Seminaren und Infoveranstaltungen weiterzugeben. Oft geht es in der Selbsthilfegruppe auch um Tipps für den Alltag, die die Lebensqualität trotz Krankheit steigern. Der Austausch mit anderen Betroffenen in der Gruppe oder gemeinsame gesellige Veranstaltungen tragen außerdem dazu bei, seelisch wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Sie wissen inzwischen, meine Damen und Herren, was Herr Siebert macht, macht er nicht nur im kleinen Rahmen. Das heißt: Er engagiert sich auch für die Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen im Hochtaunuskreis. Und die hat seit 2001 in der Taunusstraße 5 nicht zuletzt dank ihm eine Kontaktstelle – mit Herrn Siebert am Telefon und als Berater. Er ist der Ansprechpartner für Bürger, die nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe suchen, er gibt mit seiner ganzen Erfahrung Unterstützung, wenn eine Selbsthilfegruppe neu gegründet werden soll. Und natürlich koordiniert er die Arbeit des Netzwerkes, dem 75 Selbsthilfegruppen angehören. Die Arbeitsgemeinschaft sieht sich als Mittler zwischen ihnen und den Fachkräften im Gesundheits- und Sozialbereich, der Politik und der Verwaltung. Sie bietet Arbeitskreise und Veranstaltungen an und leistet eine gute Öffentlichkeitsarbeit, um den Selbsthilfe-Gedanken publik zu machen. Sie wissen selbst, lieber Herr Siebert, wie vielen Menschen Sie mit Ihrem Einsatz geholfen haben. Wir können es uns annähernd vorstellen. Auf jeden Fall ist uns klar, dass Sie auch im sozialen Bereich einen sehr großen Beitrag für die menschliche und lebendige Gesellschaft geleistet haben. In Bad Homburg und in der Region. Dafür danke ich Ihnen im Namen der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger und gleichermaßen persönlich. Sehr geehrter Herr Jakob! Als ich las, was Sie alles tun, stellte sich mir die Frage: Wo soll ich anfangen? Am besten ist, ich fange beim Gratulieren an. Ihr 70. Geburtstag liegt zwar schon eine Weile zurück (2. April), aber er sollte nach dem Wunsch von Pfarrer Göttle und dem Pfarrgemeinderat von St. Martin Anlass für die Verleihung des Ehrenbriefes sein. Meine herzlichsten Glückwünsche also nachträglich! Und ich gratuliere Ihnen natürlich auch zu dieser hohen Auszeichnung, die Sie wahrscheinlich schon viel früher verdient gehabt hätten. Herr Jakob, meine Damen und Herren, hat sich praktisch sein ganzes Leben in der katholischen Pfarrgemeinde St. Martin engagiert. Im Alter von neun Jahren fing er als Ministrant an, später bildete er Ministranten aus, betreute sie und begleitete die jugendlichen Sternsinger bei ihrer alljährlichen Mission in Ober-Erlenbach. Da ihm die Liturgie ein sehr wichtiges Anliegen ist, leitete er Wortgottesdienste, wirkte als Lektor und Kommunionshelfer, spendete die Krankenkommunion und wirkte außerdem als Küster. Eine Pfarrgemeinde braucht darüber hinaus helfende – und leitende – Hände für ihre Verwaltung. Keine Frage, dass sich Herr Jakob auch dort aktiv betätigt. Und zwar als Mitglied des Pfarrgemeinderats und des Seelsorgerats und seit 1992 ununterbrochen als Mitglied des Verwaltungsrats, dessen stellvertretenden Vorsitz er seit 1995 inne hat. Der Verwaltungsrat verantwortet die Vermögensangelegenheiten von St. Martin. Nein, meine Damen und Herren, ich spreche jetzt nicht wieder von Geld. Ich spreche von den Immobilien und den Einrichtungen, die der Pfarrgemeinde gehören. Sie müssen irgendwann doch einmal renoviert, saniert, modernisiert oder erweitert werden. Dafür ist Herr Jakob der zuständige Mann im Verwaltungsrat. Nicht ohne Grund. Denn er hat früher als technischer Angestellter gearbeitet und bringt jede Menge fachliche Kompetenz auf dem Gebiet mit. Und Sie hatten, sehr geehrter Herr Jakob, jede Menge zu tun, nicht wahr? Darf ich aufzählen: Neubau und Erweiterung der Kindertagesstätte St. Martin, Erweiterung und behindertengerechter Ausbau des Pfarrzentrums, Umbau und Renovierung des Pfarrhauses und dann auch die Kirche selbst. Der Zahn der Zeit hatte mächtig an ihr genagt und so wurde zunächst die Fassade saniert. Zurzeit steht die Innenrenovierung des Gotteshauses an, so dass St. Martin zum 250. Weihetag in zwei Jahren wieder insgesamt wunderschön aussehen wird. Ich möchte es noch einmal ausdrücklich betonen: Herr Jakob hat die Betreuung der Baumaßnahmen ehrenamtlich übernommen! Und dafür sehr viel Zeit geopfert. Wer jemals mit einem Bau zu tun hatte und sei es nur ein kleiner, weiß, wovon ich rede. Für umso bemerkenswerter halte ich es, dass Sie sich, Herr Jakob, auf einem weiteren Feld betätigen: dem sozialen und gesellschaftlichen Leben in Ihrer Pfarrgemeinde. Sie besuchen regelmäßig alte und kranke Menschen in OberErlenbach, weil Sie davon überzeugt sind, dass man gerade sie nicht allein lassen darf, sondern ihnen Trost und Zuspruch geben muss. Menschliche Wärme und Anteilnahme vermitteln Sie weiterhin im und durch das Seniorenteam, das Sie vor zehn Jahren zusammen mit Ihrer Frau Christa gegründet haben. Einmal im Monat veranstalten Sie den Seniorennachmittag, jede Woche den Mittwochstreff. Es sind beliebte Anlaufpunkte für Senioren und Alleinstehende, weil Kaffee und Kuchen beim fröhlichen Plausch oder einem kleinen Unterhaltungsprogramm nun einmal besser schmecken als allein in den eigenen vier Wänden. Und dann gibt es da etwas, was wirklich einmalig in Bad Homburg ist: Herr Jakob, der die Idee hatte, und sein Seniorenteam haben am Weinschnittergässchen einen Weinberg angelegt! Er ist nicht groß, aber die Trauben gedeihen prächtig und die ersten Jahrgänge reifen in den Weinfässern. Ich finde es großartig, dass Sie diese uralte Tradition, die es ja in Ober-Erlenbach und in Bad Homburg gab, wieder aufleben lassen. Sie sehen, meine Damen und Herren, Herr Jakob steckt voller Tatkraft, gepaart mit einer gehörigen Portion Idealismus. Und beides hat er in außergewöhnlichem Maß für das Gemeinwohl eingesetzt. Sie haben das Leben in Ihrem Geburtsort OberErlenbach entscheidend mitgeprägt, lieber Herr Jakob. Die Kirchengemeinden sind die Seele einer Stadt, eines Stadtteils. Sie leben von Menschen, wie Sie es sind. Von Menschen, die aufgrund ihres Glaubens für die Mitmenschen da sind und ihnen Hilfe, Kraft und Freude verschaffen. Dafür sage ich Ihnen persönlich meinen aufrichtigen Dank. Die Anerkennung und Wertschätzung der Ober-Erlenbacher wie auch der Bad Homburger Bürgerinnen und Bürger ist Ihnen seit Jahren gewiss. Aber nun erfährt sie auch ihren sichtbaren Ausdruck. Ich freue mich, Sie mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen auszeichnen zu dürfen.