Untersuchungen zum Tragverhalten von Elementdecken für
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Untersuchungen zum Tragverhalten von Elementdecken für
Untersuchungen zum Tragverhalten von Elementdecken für Wohngebäude mit Selbstverdichtendem Beton (SVB) Der Forschungsbericht wurde mit den Mitteln des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung gefördert. (Aktenzeichen: Z 6 - 5.4-02.16 / II 13 – 80 01 02 - 16) Die Verantwortung für den Inhalt des Berichtes liegt beim Autor. Nguyen Viet Tue Prof. Dr.-Ing. habil., Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Leipzig Kay Wille Dipl.-Ing., Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Leipzig Frank Dehn Dr.-Ing., Juniorprofessur Werkstoffe im Bauwesen, Universität Leipzig Die Herstellung massiver Decken im Wohnungsbau mit Hilfe von Elementhohlsteinen ist vor allem im Mittelmeerraum eine verbreitete und bewährte Baumethode. Durch das Zusammensetzen verschiedener Beton- bzw. Stahlbetonelemente und anschließendem Ortbetonverguss wird eine Deckenkonstruktion erstellt, die in Deutschland vorrangig in der Sanierung und bei separaten Kleinbaustellen eingesetzt wird. Ziel dieses Forschungsvorhabens ist die Weiterentwicklung dieses Bauverfahrens, mit dem Schwerpunkt, durch die Kostensenkung und Verbesserung der Qualität eine größere Akzeptanz in der Praxis zu erreichen. Das angestrebte Ziel soll durch Anwendung eines auf das Bauverfahren angepassten selbstverdichtenden Betons verwirklicht werden, da die Anwendung von SVB zur deutlichen Kostensenkung bezüglich der Baustelleneinrichtung und der Logistik führen könnte. 1. Rezepturentwicklung Selbstverdichtender Beton (SVB) im Hochbau braucht auf Grund der geringen Belastungen im Allgemeinen nur moderate Druckfestigkeiten aufzuweisen. Für Deckenkonstruktionen sind Betonfestigkeiten zwischen C 20/25 und C 30/37 ausreichend. Eine hohe Druckfestigkeit wirkt sich sogar in vielen Fällen ungünstig aus. So werden beispielsweise infolge der abfließenden Hydratationswärme oder klimaabhängiger Temperaturschwankungen höhere Bewehrungsmengen zur Begrenzung der Rissweite mit zunehmender Betonfestigkeit erforderlich. In Hinblick auf die steigenden Preise des Stahls wird dieser Aspekt in Zukunft eine zunehmende Wichtigkeit einnehmen. Unter der Einhaltung der geforderten Frischbetoneigenschaften nach der DAfStb SVBRichtlinie [1] der Betonzusammensetzung nach DIN 1045-2 [2] / DIN EN 206-1 [3] und DAfStb SVB-Richtlinie [1] und der Einhaltung der baupraktisch relevanten Verarbeitungszeit konnte im Rahmen dieser Untersuchung festgestellt werden, dass der Festigkeitsbereich zwischen C 20/25 und C 30/37 durch die folgenden drei Maßnahmen erreicht werden kann: - Heraufsetzen des w/zeq-Wertes auf 0,75, - Herabsetzen des Zementgehaltes auf 240 kg/m3, - Verringern des Anteils an Portlandzementklinker im Zement. a) Einfluss des w/z-Wertes des SVB mit SFA b) Einfluss des Zusatzstoffs Abbildung 1: Einfluss zweier Parameter auf die Würfeldruckfestigkeit des SVB Der wegen des angestrebten Festigkeitsniveaus erforderliche hohe w/z-Wert beeinflusste die Kornstabilität negativ. Durch die Zugabe von Betonzusatzstoffen, wie Kalksteinmehl (KSM) und Steinkohlenflugasche (SFA), die ein hohes Wasserbindevermögen besitzen, konnte eine zufrieden stellende Suspension hergestellt werden. Im Zuge der SVB-Entwicklung konnten zwei für das Deckensystem hin optimierte SVB-Rezepturen entwickelt werden, die unter nahezu baupraktischen Bedingungen im Betonwerk gemischt und zum Einsatzort transportiert wurden. Abbildung 2 zeigt die drei eingesetzten Betone. Der Normalbeton wurde zum Vergleich des Einbauvorgangs und des Tragverhaltens des Deckensystems zwischen SVB und Rüttelbeton mit in das Versuchsprogramm aufgenommen. a) Normalbeton b) SVB mit KSM/SFA c) SVB mit SFA Abbildung 2: Ausbreitmaß der eingesetzten Betone Der SVB mit niedriger Druckfestigkeit konnte unter Einhaltung der Anforderungen entwickelt werden. Eine Überführung hin zur Zulassung bedarf allerdings intensiverer Prüfungen und weitergehender Untersuchungen. 2. Elementhohlsteindecke - Aufbau und Tragverhalten Aufbau Die Hohlsteinelementdecke besteht im Wesentlichen aus 4 Komponenten, den Gitterträgern, den Hohlsteinelementen, dem Aufbeton und der gegebenenfalls erforderlichen zusätzlichen Bewehrung (vgl. Abb. 3). Abbildung 3: Querschnitt des Deckenversuchskörpers (KAISER-OMNIA-Decke 15+5 Während der Betonage der Versuchskörper umschloss der für dieses Bauverfahren optimierte SVB sicher die Bewehrung und füllte die Hohlräume vollständig aus. In den volumenintensiven Bereichen der Gitterträger floss der SVB schneller als auf den Zwischenbauteilen, die vor dem Betoniervorgang vorgenässt wurden. Abbildung 4: Deckensystem vor, während und nach der Betonage mit SVB Trotz der hohen Fließfähigkeit konnte kein Fließen des SVB durch die Elementhohlsteinfugen zur Deckenunterseite beobachtet werden. Der Aufbeton aus SVB wirkt mit den Hohlsteinelementen und den Tragverhalten vorgefertigten Gitterträgern nach Erhärtung zusammen ein. Das Tagverhalten ändert sich somit vom Bau- zum Endzustand. In Querrichtung werden im Bauzustand die Lasten aus Eigengewicht und Verkehr über die Biegtragwirkung des Hohlsteinelements zu den Gitterträgern weitergeleitet. Unter Annahme eines linearen Verhaltens wurden verschiedene FE-Rechnungen durchgeführt, um das Tragverhalten in Quer- und Längsrichtung konkretisieren zu können (vgl. Abb. 5). a) Mittige Belastung des hohlen Steins b) Mittige Belastung des Verbunds Stein-Beton c) entkoppelter GT unter Gleichflächenlast d) gekoppelte GT - Gleichflächenlast Abbildung 5: Darstellung des Quer- und Längstragverhaltens im Zustand I} Abbildung 5a zeigt die Spannungsverteilung im Betonstein, der durch eine mittige konzentrierte Last beansprucht wurde. Neben dem Lasteinleitungsbereich sind Spannungskonzentrationen vor allem im Bereich der Aussparungen zu erkennen. Durch das Zusammenwirken mit dem Aufbeton kann ein Druckbogen entstehen, der zu einer deutlichen Tragfähigkeitssteigerung in Querrichtung führt (vgl. Abb. 5b) Im Endzustand kann das Tragverhalten der Decken dem des Plattenbalkens gleich gesetzt werden. In Abbildung 5c und 5d ist das Spannungs- und Verformungsverhalten des entkoppelten mittleren Plattenbalkens und des gesamten Deckensystems zu sehen. 3. Versuchsdurchführung und Auswertung Zur Untersuchung des Trag- und Verformungsverhaltens wurden Versuchskörper gemäß der Abbildung 3 hergestellt, die in einem Vierpunkt-Biegversuch bis zum Bruch belastet wurden. In Tabelle 2 sind die drei Großversuche an Ausschnitten des zu untersuchenden Deckensystems in einer Kurzübersicht dargestellt. Tabelle 2: Übersicht der Deckenversuchskörper Nr. Lasteinleitung Ortbeton Verdichtung 1 Linienlast NB Innenrüttler 2 Linienlast SVB mit KSM/SFA selbstverdichtend 3 Einzel- / Linienlast SVB mit SFA selbstverdichtend Neben der Traglast wurden die Betonstauchung und die Stahldehnung aufgezeichnet, die Durchbiegung an einzelnen Punkten erfasst und die Rissbildung zu verschiedenen Laststufen verfolgt. Durch eine Traversenkonstruktion konnte sichergestellt werden, dass die aufgebrachte Last gleichmäßig über die Deckenbreite verteilt wurde (vgl. Abb. 6). Abbildung 6: Versuchsbeginn (li), Versuchsende (m, re) Der Versuch erfolgte weggesteuert, um das Trag- und Verformungsverhalten der Deckenkonstruktion zielsicher verfolgen zu können. Abbildung 7a zeigt exemplarisch den Verlauf des Maschinenwegs in Abhängigkeit der Zeit des Versuchs 2 und verdeutlicht damit die Haltepunkte und die Verformungsgeschwindigkeit. Die Abbildung 7b zeigt, die Beziehung zwischen aufgebrachter Last und Durchbiegung in Feldmitte. Zu Beginn jeder Laststufe ist ein Lastabfall zu erkennen. Dieser ist abhängig von der Haltedauer und vom vorherrschenden Belastungsniveau und wird auf das Kriechen des Betons zurückgeführt. Abbildung 7: Darstellung des Versuchsverlaufs V2 Das Belastungs-Verformungsverhalten der drei Decken ist nahezu identisch. Die Plastizierung des Betonstahls wurde bei einer Deckenmittendurchbiegung von ca. 35 mm erreicht. Anschließend folgte eine intensive Verformungszunahme geringer Laststeigerung. bei Alle nur drei Versuchskörper versagten sehr duktil. Eine höhere Betondruckfestigkeit würde in diesem Abbildung 8: Vgl. V1-V2-V3 Fall nicht zu einer nennenswerten Tragfähigkeitserhöhung führen. Ein ausgeprägter Zustand I ist bei allen drei Versuchen nicht zu erkennen. Dies ist auf die Rissbildung in den Gitterträgern vor dem Einbau zurückzuführen. Die Rissentwicklung an der Außenseite der Randgitterträger verdeutlicht die sukzessive Einschnürung der Druckzone bei zunehmender Belastung und Durchbiegung. Ein typisches Biegeversagen mit frühzeitiger Vorankündigung liegt vor (vgl. exemplarisch Abb. 10). Die Tragreserve der Bewehrung kann ausgenutzt werden. Die Festigkeit des Betons ist ausreichend. a) Rissentwicklung Ostseite, Versuch 2 b) Rissbildung Unterseite GT, Laststufe k Abbildung 10: Rissentwicklung beim Versuch 2 5. Zusammenfassung / Ausblick Im Zuge dieses Forschungsvorhabens wurde ein SVB auf empirischer Weise entwickelt, der auf das Bauverfahren abgestimmt und optimiert wurde. Dabei wurde die Normung wie DIN 1045-2 [2] / DIN EN 206-1 [3] und DAfStb SVB-Richtlinie [1] berücksichtigt und der direkte baupraktische Bezug durch die Herstellung im Betonwerk und durch den Transport zum Einsatzort bewahrt. Der äquivalente Wasser-Zement-Wert betrug 0,75. Die höchstzulässige Grenze zur Einhaltung der Anforderungen an die Betonzusammensetzung nach der geforderten Expositionsklasse XC1 wurde damit ausgenutzt. Es konnte gezeigt werden, dass der SVB als Ortbetonergänzung für das Bauverfahren sehr gut geeignet ist. Die angestrebte Steigerung der Betonqualität und Verminderung des Arbeitsaufwands beim Einbringen des Betons bestätigten sich bei den durchgeführten Betonagen der Deckenversuchskörper. Im Vierpunkt-Biegeversuch zeigten alle drei Deckenversuchskörper ein ausgeprägtes Verformungsvermögen. Das Tragverhalten der Deckenkörper mit SVB war fast identisch mit dem der Decke aus Normalbeton. Einige FE-Simulationen verdeutlichten den Spannungsverlauf im Elementhohlstein mit und ohne Ortbetonergänzung. Die punktförmige Belastung des dritten Deckenköpers zwischen den Gitterträgern bestätigte die ausreichende Tragkapazität in Querrichtung. Sowohl unter der punktförmigen, als auch unter der linienförmigen Belastung im Vier-PunktBiegeversuch zeigte das Deckensystem eine hohe Tragfähigkeit und ein ausgeprägtes Verformungsvermögen. Der Einsatz des Deckensystems mit SVB als Ortbetonergänzung im Wohnungsbau zeigt durch diese Untersuchungen technische Vorteile. Um die Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens mit Normalbeton zur Decke mit SVB abschätzen zu können, wurde eine Kostenanalyse erstellt. Dabei wurden die Materialkosten und Aufwandswerte zur Herstellung von drei Deckenebenen zu je 100 m2 zusammengestellt. Im Gesamtergebnis lagen die Kosten der Erstellung der Decke mit SVB unter denen, wenn die Decke mit Normalbeton ausgeführt werden würde. Im Zuge der Konzipierung und Auswertung der durchgeführten Versuche zeigte sich, dass das Deckensystem hinsichtlich der Tragfähigkeit und damit auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit optimiert werden könnte. Literatur [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb-Richtlinie Selbstverdichtender Beton (SVB-Richtlinie). Ergänzungen und Änderungen zu DIN 1045-2:2001 und DIN EN 206-1:2001 sowie DIN 1045-3:2001. 11. Entwurf Juli 2003 [2] DIN 1045-2: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität. Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. Ausgabe Juli 2001 [3] DIN EN 206-1: Beton. Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität. Ausgabe Juli 2001 [4] DIN 1045-3: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Bauausführung. Ausgabe Juli 2001 [5] Plümecke: Preisermittlung für Bauarbeiten, 25. Auflage, R. Müller Verlag 2004 [6] DIN10451 DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Bemessung und Konstruktion. Ausgabe Juli 2001