42 | Der Trakehner . o5|2oo6 MANAGEMENT | Fohlengeburt und

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42 | Der Trakehner . o5|2oo6 MANAGEMENT | Fohlengeburt und
MANAGEMENT |
Fo h l e n g e b u r t u n d S t ö r u n g e n i m G e b u r t s v e r l a u f
Aufatmen erlaubt | Jede
Fohlengeburt erfordert höchste
Sorgfalt und Aufmerksamkeit
des Züchters.
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Fo h l e n g e b u r t u n d S t ö r u n g e n i m G e b u r t s v e r l a u f
| MANAGEMENT
Der große Moment
Die durchschnittliche Trächtigkeitsdauer von Stuten liegt bei 336 Tagen. Geburten zwischen
dem 320. und dem 360. Tag sind normal. Frühgeburten sind in der Pferdezucht unerwünscht und
enden für das Fohlen meist tödlich. Die Größenentwicklung des Fetus erfolgt erst im letzten
Trächtigkeitsdrittel. Erst nach dem 300. Tag sind die Organreifung, insbesondere der Lunge,
und die Entwicklung von Knochen, Fell und Augen weitestgehend abgeschlossen.
S
pätestens ab dem 300. Tag der Trächtigkeit sollte die Stute
einer normal verlaufenden Geburt sieht man zuerst etwas versetzt
auf Anzeichen für die bevorstehende Geburt untersucht wer-
die beiden Hufe, kurz danach Maul und Nüstern des Fohlens. Ein
den. Etwa sechs Wochen vor der Geburt nimmt das Euter
wenig länger dauert es, bis Schulter und Brustkorb den Geburtska-
deutlich an Umfang zu. Wenige Tage vor der Geburt treten die zu-
nal passiert haben. Dabei ist genau diese Phase während der Austrei-
nächst im schwellenden Euter eingezogenen Zitzenspitzen heraus.
bung kritisch: Sobald die Brust des Fohlens aus dem Geburtskanal
Das Einsetzen der Euterfunktion zeigt sich durch die sogenannten
heraustritt, passiert der Nabel den knöchernen Beckenrand der Stu-
Harztropfen, eine bernsteinfarbene klebrige Flüssigkeit an den Zit-
te. Die Nabelschnur wird über den Beckenrand gezogen und kann
zenöffnungen, angetrocknetes Präkolostrum. Als geburtsnah gilt das
vom Bauch des Fohlens gegen die knöcherne Unterseite des Geburt-
Einschiessen der Milch. An den Zitzenöffnungen sind Milchtropfen
kanals gequetscht werden. Dadurch wird die Blutzufuhr aus der Ge-
erkennbar, bei einigen Stuten geht die Milch sogar im Strahl ab. Je
bärmutter behindert und die Sauerstoffversorgung des Fohlens ein-
nach Veranlagung der Stute können jedoch noch Stunden und Tage
geschränkt. Sind Kopf, Schulter und Bauch des Fohlens zu sehen, ist
bis zur Geburt vergehen. Weitere Geburtsanzeichen sind das Einsin-
die akute Gefahr vorüber. Die Hinterbeine gleiten meist relativ mü-
ken der Beckenbänder und eine Erschlaffung der Vulva. Unmittel-
helos aus der Stute. Die Dauer der Austreibungsphase beträgt sel-
bar vor der Geburt zeigen viele Stuten kolikähnliche Symptome wie
ten mehr als 20 Minuten.
vermehrte Unruhe, Schwitzen, Umherlaufen, Scharren und häufiges
Hinlegen.
Die ersten Minuten im Leben
Normalerweise reißt spätestens jetzt die Eihaut durch die Bewegun-
Die drei Phasen der Fohlengeburt
gen des Fohlens auf. Geschieht dies nicht, muss die Haut umgehend
Der eigentliche Geburtsvorgang wird in Öffnungsphase, Austrei-
von einem Geburtshelfer geöffnet werden. Bleibt sie geschlossen,
bungsphase und Nachgeburtsphase unterteilt. Die Öffnungsphase
wird das Einsetzen der Atmung verhindert und das Fohlen erstickt.
kann 1 bis 4 Stunden dauern. In dieser Zeit weitet sich der Geburts-
Zum Öffnen der Haut sind möglichst Einmalhandschuhe zu verwen-
kanal, die Wehen werden äußerlich sichtbar. Durch die regelmäßi-
den. Für jegliche Eingriffe rund um den Geburtvorgang gilt: Abso- ➤
gen Uteruskontraktionen werden die Fruchtblasen in die Öffnung
des Muttermundes gepresst. Am Ende der Öffnungsphase zerreisst
die Allantochorionblase und die wässrige Allantoisflüssigkeit fließt
aus der Scheide ab.
Während der Austreibungsphase wird die Frucht in der noch intakten Allantoamnionblase (die weißliche, feste „Eihaut“) in den Ge-
Foto: Beate Langels
burtsweg vorgeschoben. Fast alle Stuten liegen während der Austreibungsphase in Seitenlage, die Beine von sich gestreckt. Einige Stuten
wechseln zwischen den Wehen die Lage, erheben sich und legen sich
erneut hin. Die normale Geburtslage des Fohlens ist die Vorderendlage, Schultergliedmaßen und Kopf sind in gestreckter Haltung. Bei
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Fo h l e n g e b u r t u n d S t ö r u n g e n i m G e b u r t s v e r l a u f
Fotos: Petra Rebhan
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Die bevorstehende Geburt kündigt sich an. Harz- bzw. Milchropfen am Euter sind untrügliche Vorboten.
➤ lute Sauberkeit ist notwendig, um Infektionen von Stute und Fohlen
zur Geburtsrehe führen. Auch bei einem problemlosen Nachgeburts-
zu vermeiden. Ist die Eihaut geöffnet, muss die Atmung des Fohlens
abgang ist es sinnvoll, die Nachgeburt dem Tierarzt zur Überprüfung
genau kontrolliert werden. Die schnellen Atembewegungen sind im
auf Vollständigkeit zu zeigen.
Bereich von Brust und Bauch deutlich zu erkennen. Setzt die selbstständige Atmung des Fohlens nicht ein, muss der Geburtshelfer so-
Zeit zum Aufstehen
fort eingreifen: Ein Kaltwasserguss in den Nacken des Fohlens sti-
Kurz nach der Geburt unternimmt das Fohlen die ersten Versuche
muliert das Atemzentrum ebenso wie die manuelle Stimulation der
aufzustehen. Vordringlichstes Ziel ist die Aufnahme von Kolostral-
Nasenscheidenwand.
milch, die alle für das Fohlen lebenswichtigen Antikörper enthält.
Es ist nicht notwendig, die Nabelschnur zu durchtrennen oder
Über die Gebärmutter des Pferdes ist keine intrauterine Immunisie-
abzubinden. Unmittelbar nach der Austreibung fließen bei intakter
rung möglich, das Fohlen wird ohne Antikörper geboren. In den er-
Nabelschnur noch größere Mengen sauerstoffreiches Blut durch den
sten 6 Stunden nach der Geburt ist der Darm des Fohlens für die mit
Nabel. Eine zu frühe Durchtrennung der Nabelschnur würde sich
dem Kolostrum aufgenommenen Antikörper durchlässig. Nach 6
eher nachteilig für das Fohlen auswirken. Normalerweise reißt die
Stunden nimmt die Durchlässigkeit kontinuierlich ab, nach ca. 24
Nabelschnur beim Aufstehen der Mutterstute oder bei den ersten
Stunden ist die Darmschranke geschlossen. Die Aufnahme von Ko-
Aufstehversuchen des Fohlens an der dafür vorgesehenen „Soll-
lostralmilch ist die einzige Möglichkeit, das Fohlen für die ersten 6
Bruch-Stelle“, ca. 8-10 cm unterhalb des Fohlen-Nabels. Der Nabel-
Lebensmonate mit den notwendigen Schutzstoffen zu versorgen. Die
stumpf kann mit Hilfe von Jodtinktur desinfiziert werden, auf kei-
Zusammensetzung der Antikörper orientiert sich an dem Immunsta-
nen Fall sollte er abgebunden werden, da eine Infektion durch
tus der Mutterstute. Die tragende Stute sollte daher in den letzten 8
Rückstauung die Folge wäre.
Trächtigkeitswochen nicht mehr umgestallt werden, damit die vor-
Letztes Stadium der Geburt ist die Nachgeburtsphase. Innerhalb
handenen Antikörper dem Infektionsdruck des derzeitigen Stallplat-
von 2 Stunden nach dem Ende der Austreibungsphase lösen sich die
zes entsprechen. Außerdem sollten die Zuchtstuten regelmäßig ge-
Eihäute von der Gebärmutter und werden durch Muskelkontrakti-
gen Tetanus, Influenza und Herpes geimpft werden, da sie auch diese
on der Gebärmutter ausgetrieben. Die Muskelkontraktionen werden
Antikörper an das Fohlen weitergeben.
bei einigen Stuten als heftige Nachwehen sichtbar. Beschleunigt wird
Zusätzlich sollte das Fohlen innerhalb der ersten 12 Stunden eine
die Ablösung der Nachgeburt durch frühzeitiges Saugen des Fohlens,
Schutzimpfung gegen Fohlenlähme erhalten. Positiver Nebeneffekt
da es durch die Stimulation am Euter zu einer Oxytocin-Ausschüt-
des Tierarztbesuches ist, dass das Fohlen gleichzeitig auf seine Vital-
tung bei der Stute kommt. Niemals darf an der Nachgeburt gezogen
werte (und ggf. Saugreflex, Darmpech, Nabel, Gliedmassenstellung)
werden. Der Versuch, die Ablösung manuell zu beschleunigen, kann
überprüft wird. Bis vor einigen Jahren wurde das neugeborene Foh-
zu schweren inneren Verletzungen der Stute führen. Damit die Stu-
len zusätzlich gegen die Weißmuskelkrankheit geimpft. Diese Krank-
te nicht auf die herabhängende Nachgeburt tritt, sollte ein Knoten
heit, die im Wesentlichen durch Vitamin E- und Selenmangel hervor-
in die Nachgeburtsteile gemacht werden. Ist die Nachgeburt nach 3
gerufen wird, tritt heutzutage durch die Gabe von vitaminisiertem
bis 4 Stunden nicht vollständig abgegangen, ist umgehend ein Tier-
Mineralfutter nur noch selten auf.
arzt zu rufen. Nachgeburtsverhaltung oder in der Gebärmutter ver-
Es hat sich bewährt, dem Fohlen geburtsnah ein Klistier zu ver-
bliebene Restteile können zu einer Entzündung der Gebärmutter und
abreichen. Das Klistier erleichtert den Darmpechabgang, insbeson-
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dere bei Hengstfohlen, die durch ihr enges Becken häufig Probleme
gen und Haltungen der Frucht bedingt. Die Stuten zeigen meist eine
beim ersten Kotabsatz haben. Beim Darmpech handelt es sich um
normale Öffnungsphase, das Fruchtwasser geht ab, teilweise wird
zähen, oft festen Enddarminhalt, der während der fetalen Entwick-
bereits die Fruchtblase sichtbar. Ist in den nächsten 10 bis 15 Minu-
lung angesammelt wird. Der frühe Darmpechabgang fördert die Saug-
ten kein deutlicher Geburtsfortschritt zu erkennen, sollte sofort ein
lust beim Fohlen. Bei unvollständigem Abgang sollte die Klistiergabe
Tierarzt informiert werden. Je früher der Tierarzt die Möglichkeit
nach 6 bis 12 Stunden wiederholt werden. Schafft das Fohlen es
hat, eine Lagekorrektur vorzunehmen, desto höher sind die Überle-
nicht, das Darmpech abzusetzen, kommt es meist zu einer dramati-
benschancen für Fohlen und Stute.
schen Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Die Sauglust geht
Das Pferd als Fluchttier hat die Eigenschaft, das Fohlen in einer
zurück, das Fohlen wird matt und apathisch und zeigt deutliche Ko-
Sturzgeburt zur Welt zu bringen. Es wird immer versuchen das Foh-
liksymptome. Durch die fehlende Milchauf-
len schnellstmöglich zu gebären. Liegt das
nahme wird das Darmpech weiter eingedickt
Fohlen fehlerhaft im Geburtkanal, versucht
bis die Kotmasse so stark verfestigt ist, dass
die Stute dennoch die Austreibung massiv
nur noch ein chirurgischer Eingriff Abhilfe
voranzubringen, und zerstört sich mit fort-
schaffen kann. Im Normalfall ist spätestens
schreitendem Geburtsverlauf selber.
Ein Kaiserschnitt ist selten bei Pferden.
Darmpech vollständig abgegangen und der
Eine der wenigen Indikationen ist die Rük-
Foto: Petra Rebhan
24 bis 48 Stunden nach der Geburt das
hellere, weiche Milchkot erscheint.
Störungen im Geburtsablauf
Störungen im Geburtsablauf können von der
Mutterstute oder von der Frucht ausgehen.
Die Nachgeburt sollte vom Tierarzt auf
Vollständigkeit überprüft werden.
kenquerlage des Fohlens, bei der der Tierarzt
keine Möglichkeit hat, eine Lagekorrektur
vorzunehmen. Auch schwere Missbildungen
des Fohlens können einen Kaiserschnitt erforderlich machen. Wegen der Besonderheiten einer Sturzgeburt sind jedoch Aufwand
Seltener sind die Störungen seitens der Stute: Einengungen der Geburtswege z. B. nach Beckenfraktur oder
und Risiko eines Kaiserschnitts erheblich. Als Bauchhöhlen-Opera-
Scheidenplastiken sind im Vorwege bekannt und entsprechend tier-
tion ist er immer klinikgebunden, der Transport in die Klinik kostet
ärztlich zu betreuen. Etwas häufiger können Lageveränderungen der
Zeit, das Infektionsrisiko und die Tierverluste sind bei einem Kaiser-
Gebärmutter den Geburtsverlauf beeinträchtigen, etwa durch eine
schnitt hoch.
Drehung oder Abknickung der Gebärmutter.
Die meisten Fohlengeburten verlaufen unproblematisch. Jedoch
In der Mehrzahl der Fälle gehen die Geburtsstörungen von der
sollte kein Züchter sich scheuen, bei der kleinsten Unsicherheit so-
Frucht aus. Eine zu große Frucht oder Missbildungen der Frucht
fort seinen Tierarzt zu informieren. Wenn Störungen im Geburtsver-
können das Passieren des Geburtskanals behindern. Die häufigsten
lauf auftreten, zählt für Stute und Fohlen jede Minute.
Geburtsstörungen sind beim Pferd durch fehlerhafte Lagen, StellunCheckliste für neugeborene Fohlen
Zeitspanne nach
vollendeter Geburt
1 Minute
Ca. 70 Atemzüge pro Minute, schnelle Bewegung von Brust
und Bauch, Herzfrequenz ca. 60 bis 80 Schläge in der Minute,
Temperatur 37,5° Celsius
5 Minuten
Atemrhythmus ist stabil, Fohlen beginnt den Kopf zu heben,
dreht sich in Brustlage, Saugreflex setzt ein
15 Minuten
Ca. 40 bis 60 Atemzüge pro Minute, 120 bis 160 Herzschläge
pro Minute, Fohlen liegt in Brustlage, unternimmt erste
Aufstehversuche
30 – 90 Minuten
Fohlen steht zum erstenmal, beginnt nach dem Euter
zu suchen, Gehör-, Gesichts- und Stimmreaktion vorhanden
100 – 200 Minuten
Fohlen saugt, erstes Darmpech geht ab,
Instinkt, der Mutter zu folgen, wird angelegt
12 Stunden
Stellt und legt sich gezielt hin, saugt regelmäßig, Harn und
weiteres Darmpech gehen ab, Atemfrequenz in der Ruhe bei
30/Minute, Herzfrequenz 80 bis 120/Minute,Temperatur 38°C
48 – 72 Stunden
Darmpech ist vollständig abgegangen, Milchkot erscheint
Petra Rebhan
Summary
The average duration of gestation is 336 days. Foaling prior to 320 days is likely to
cause concern, because the foal is at risk of being born in a premature condition.
Mammary gland development and “waxing”- the build up of wax-like droplets on
the end of the mare's teats may be indicative of impending birth.The birthing process can be divided into 3 stages, preliminary labour, active labour/delivery and
afterbirth.The 2nd stage should not take longer than 30 minutes and the placenta should be expelled within 3 to 4 hours after parturition. Containing vitally important immunoglobins, colostrum is essential for the new-born to receive within
6 hours after birth as it can be absorbed through the intestinal wall only for a short
time.To make sure that meconium retention will not cause a problem, administration of an enema at birth is recommended. If you are concerned about anything
during parturition do not hesitate to contact your veterinary surgeon.
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