65 Jahre - IG Metall Wolfsburg

Transcrição

65 Jahre - IG Metall Wolfsburg
65 Jahre
1946 - 2011
IG Metall
Rückblick auf die vergangenen 65 Jahre
Eine Sonderveröffentlichung der Aller-Zeitung/Wolfsburger Allgemeinen Zeitung vom 25. Juni 2011
2 | Festschrift 65 Jahre IGM
Die Jahre 1946 - 1950
Blick auf eine bewegte Geschichte
Stets die Interessen der Kollegen im Blick: Die IG Metall Wolfsburg
feiert ihren 65. Geburtstag
Auf eine nun bereits 65-jährige
Geschichte kann die IG Metall
in Wolfsburg zurückblicken –
wahrhaftig eine lange und dazu
sehr erfolgreiche Historie. Viel
hat sich verändert in den sechseinhalb Jahrzehnten, ein Blick
zurück lohnt sich also allemal.
Am 24. Juli 1946 fand in Wolfsburg eine erste Versammlung
der Wirtschaftsgruppe Metall
innerhalb der „Allgemeinen
Gewerkschaften“ statt. Dies
wird heute als die Geburtsstunde der IG Metall Wolfsburg bezeichnet. Vor 65 Jahren
waren die Gewerkschaften
in der damaligen britischen
Besatzungszone noch eine
zentralistische Einheitsgewerkschaft mit abhängigen
Wirtschaftsgruppen. Erst ein
Jahr später wurde der Wechsel
zum heute noch gültigen Prinzip der eigenständigen Industriegewerkschaften unter dem
Dach des DGB eingeleitet.
Als sich am 24. Juli 1946 – knapp
14 Monate nach der Befreiung
vom Faschismus – die wenigen
Männer der Wirtschaftsgruppe
Metall trafen, gab es ein zent-
rales Thema: die Verbesserung
der Lebensmittelversorgung.
Die Gewerkschaft beschloss
auf die britische Militärregierung einzuwirken, die „Fettration“ für die Arbeiter zu erhöhen. Außerdem forderten die
Metallgewerkschafter, dass
die Gewerkschaften bei der
Kontrolle der Herstellung und
Verteilung der Nahrungsmittel
beteiligt werden sollten.
Es waren gewaltige Aufgaben,
vor denen die Gewerkschafter in
den Nachkriegsjahren standen.
Zähigkeit, Kreativität und Kom-
petenz haben die Wolfsburger
IG Metaller in den vergangenen sechseinhalb Jahrzehnten
immer wieder ausgezeichnet.
Bei all ihren Entscheidungen
haben die Verantwortlichen
der IG Metall Wolfsburg stets
die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen im Blick.
Eine ausführliche Chronik der
IG Metall Wolfsburg wird derzeit
für eine Veröffentlichung vorbereitet. Das Buch wird ab Ende
August im Gewerkschaftshaus
in der Siegfried-Ehlers-Straße
2 zu kaufen sein.
Wo sind die Gewerkschafter?
Die ersten schweren Anfangsjahre waren geprägt von den
Problemen der Zeit
Die alliierten Nachkriegspla-
die allgemeine Gewerkschaft mit
werk unter erschwerten Bedin-
nungen sprachen der deutschen
einem zentralistischen Einheits-
gungen zu kämpfen. Bis Ende
Arbeiterschaft durchaus das
prinzip gewählt. Initiator Wilhelm
1946 waren nur 2300 der 8200
Recht zur Bildung von demo-
Kiesel übernahm die kommissa-
VW-Arbeiter gewerkschaftlich
kratischen Gewerkschaften
rische Geschäftsführung.
organisiert. Die Gewerkschafts-
und Betriebsvertretungen zu.
Deren Tätigkeit sollte aber nach
Ab Januar 1946 richtete der von
1950 äußerst desolat. Vieles war
britischem Vorbild auf Kollek-
der Militärregierung genehmigte
dem Zufall überlassen.
tivverhandlungen über Arbeits-
vorläufige Vorstand ein Gewerk-
bedingungen begrenzt bleiben,
schaftsbüro in einer Baracke am
Am 28./29. Dezember 1946
politische Ziele oder Aktivitäten
Schillerteich ein. Die „Allgemei-
fand im Volkswagenwerk die
waren nicht erwünscht. Trotz
ne Gewerkschaft“ für den Land-
Gründungsversammlung der
aller Schwierigkeiten fanden
kreis Gifhorn erhielt in Wolfsburg
sich Männer und Frauen, die ver-
erst am 12. Mai 1946 die formelle
Wirtschaftsgruppe Metall für
Niedersachsen statt. Zum Vor-
suchten, die Gewerkschaften neu
Anerkennung der britischen Mili-
sitzenden wurde Otto Brenner
aufzubauen.
tärregierung.
gewählt. Im Februar 1947 schon
Anfang Dezember 1945 wur-
Bis zum 1. September 1946 hat-
Metall für die britische Zone
den in Wolfsburg, Fallersleben,
ten sich im Kreis Gifhorn (inklu-
in Peine statt. Otto Brenner
Wittingen und Gifhorn sowie in
sive Wolfsburg) 2257 Mitglieder
wurde erster Leiter des neuen
Isenhagen/Hankensbüttel Grün-
zur Allgemeinen Gewerkschaft
dungsversammlungen veranstal-
bekannt. Die Gewerkschaft hatte
IG Metall-Bezirks Hannovers.
Die ersten Wahlen für eine Be-
tet. Als Organisationsform wurde
insbesondere im Volkswagen-
triebsvertretung fanden im
arbeit war in den Jahren 1945 bis
fand der Gründungstag der IG
Festschrift 65 Jahre IGM | 3
Die Jahre 1946 - 1950
Herbst 1945 im Werk statt. Diese
Sozialdemokraten Otto Peter
mut Hillebrecht, Gründungsmit-
nierende Organisation aufbauen
und die folgenden Wahlen bis zum
zum Vorsitzenden, der Kom-
glied der DRP-Wolfsburg, wurde
und eine gewerkschaftlich orien-
Jahre 1953 waren ausschließlich
munist Josef Zeis wurde Stell-
1949 in die Belegschaftsvertre-
tierte betriebliche Interessenver-
Persönlichkeits- und keine Lis-
vertreter. Die SPD-Mehrheit im
tung gewählt. Gewerkschaftsver-
tretung im Werk etablieren. Zum
tenwahlen. Bei der ersten Wahl
Gremium grenzte sich gegenüber
treter waren in der Belegschaft
anderen mussten sie das verlo-
wurden 32 Kandidaten in acht
ihren mittlerweile acht kommu-
eher „Exoten“. Generaldirektor
rene Vertrauen der Belegschaft
Wahlbezirken vorgeschlagen.
nistischen Kollegen zunehmend
Heinrich Nordhoff betrachtete
zurückgewinnen. Interessenver-
Von den zwölf gewählten Mit-
ab. Die Vereinigung der Verfolg-
gewerkschaftliche Forderun-
tretungspolitik im VW-Werk und
gliedern der Betriebsvertretung
ten des Naziregimes (VVN) wies
gen eher als Einmischung in die
Gewerkschaftspolitik in Wolfs-
waren drei KPD- und der Rest
Betriebsrat und Gewerkschaften
inneren Angelegenheiten einer
burg konzentrierten sich nun auf
SPD-Mitglieder oder -Sympathi-
auf die zunehmenden Aktivitäten
Betriebsgemeinschaft. Bei der
die Lohn- und Sozialpolitik.
santen.
ehemaliger Nationalsozialisten
Betriebsratswahl im Mai 1949
hin. An verschiedenen Stellen
stieg zwar die Wahlbeteiligung
1950 wurden die ersten großen
Die Möglichkeiten und Rechte
waren Hakenkreuze und Nazi-
auf 82,5 Prozent und die Mehrheit
Vertrauensleutewahlen nach
der zwölfköpfigen Interessen-
Propaganda angebracht und im
der 19 gewählten Betriebsräte
der neuen Betriebsordnung des
vertretung waren allerdings
Presswerk zwei Mal die Haken-
gehörte der IG Metall an. Jedoch
VW-Werkes durchgeführt. Zu den
sehr eingeschränkt. Ihr stand
kreuzfahne gehisst worden.1948
ergab sich unter dem neuen Vor-
ersten Vertrauensleuten gehör-
satzungsmäßig lediglich zu,
kam es bei den Kommunalwahlen
sitzenden Otto Peter und seinem
ten zahlreiche Personen, die
„Probleme und Schwierigkeiten von Werksangehörigen der
in Wolfsburg zu einem spekta-
Stellvertreter Ernst Rahm eine
später wichtige gewerkschaft-
kulären Wahlerfolg der NSDAP-
deutliche Verschiebung nach
liche Funktionen wahrnahmen
Werksleitung vorzutragen“. Am
Nachfolgepartei DRP. Auch bei
rechts.
wie Bernhard Tyrakowski, Hugo
16. Dezember 1946 konstituierte
den Wahlen zur Belegschaftsver-
sich ein neu gewählter 20-köp-
tretung im VW-Werk wurde die
Für die Gewerkschafter ging es
Gewerkschaftsfraktion leistete
figer Betriebsrat und wählte in
nationalsozialistische Gesinnung
in diesem Zeitraum um zweierlei.
Aufbauarbeit und unterstützte
einer Kampfabstimmung den
vieler Wolfsburger deutlich. Hel-
Einmal mussten sie eine funktio-
die Tarifpolitik von Otto Brenner.
Bork oder Siegfried Ehlers. Diese
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4 | Festschrift 65 Jahre IGM
Die Jahre 1950 - 1973
IG Metall wird stärkste Kraft
Ära Bork und Tyrakowski ist geprägt von neuen Strömungen
in Gesellschaft und Werk
Mit der Wahl Hugo Borks an die
ten 12.278 Mitgliedern eine Heim-
Spitze der VW-Arbeitnehmer-
statt zu bieten. Und die IG Metall
vertretung trat die Betriebs-
erzielte im Betrieb weitere Erfol-
ratsarbeit 1951 in eine Phase
ge. Bei den Aufsichtsratswahlen
personaler Kontinuität ein. Auf
bekam sie immerhin 73 Prozent
der Betriebsratsseite wuchs mit
der Stimmen und gewann alle
Hugo Bork eine Persönlichkeit
fünf Mandate.
heran, die sich mit Generaldirektor Heinrich Nordhoff ideal
Die IG Metall wollte nach 1960
ergänzte. Gemeinsam mit der
nicht mehr länger als Junior-
Wolfsburger IG Metall konzen-
partner des Betriebssouveräns
trierte sich der Betriebsrat auf
Nordhoff angesehen werden. Sie
die Handlungsfelder Lohn- und
und der Betriebsrat wollten auch
Tarifpolitik sowie soziale Verbes-
auf dem Gebiet der Tarifpolitik
serungen der Arbeitnehmer.
ihre eigenen Forderungen stärker herausstellen. Die IG Metall
Die Delegierten der Vertreterversammlung wählten am 21.
Februar 1954 Bernhard Tyrakowski zum 1. Bevollmächtigten
setzte auch nach der Umwand1955 lief der einmillionste Käfer vom Band.
lung des Volkswagenwerks in
eine Aktiengesellschaft 1960
einmillionste Volkswagen vom
Band. Ausserdem erreichte die
zur 45-Stunde-Woche getan
und dessen Teilprivatisierung
der IGM-Ortsverwaltung. Er sah
war, wollten die Beschäftigten
vor allem zwei Aufgaben: Ers-
Gewerkschaf tsorganisation
und auch die Gewerkschaftsmit-
ihre tarifpolitische Offensive
fort. Eine Belegschaftsbefragung
tens wollte er die VW-Arbeiter
zunehmend die Belegschaft, die
glieder allerdings in der nächs-
ergab 1962, dass ein längerer
aus ihrer „Lethargie“ reißen.
über den Transmissionsriemen
ten Stufe „zur Zeit keine weitere
Jahresurlaub, höhere Löhne und
Zweitens sollte die Gewerkschaftsorganisation nach außen
des Vertrauenskörpers einen
Arbeitszeitverkürzung, sondern
Gehälter sowie die Verbesserung
„Stimmungsumschwung“ her-
Lohnerhöhung“.
des Lohnausgleichs im Krank-
fest zusammenhalten und nach
beiführte. Die Durchsetzbarkeit
innen innerhalb der Gremien für
von tariflichen Forderungen hing
Die Verengung der Gewerk-
die Sicht der Dinge streiten.
aber zunehmend vom Organi-
schaftspolitik auf Einkommens-
sationsgrad ab. Das Beleg-
steigerungen zeigte sich in einer
Am 17. Januar 1962 kam die
Die IG Metall ging in die Betriebs-
schaftswachstum überstieg die
denkwürdigen Orientierungslo-
erste Gruppe von Italienern
ratswahl von 1955 mit Forderun-
Zunahme der Mitgliedszahlen
sigkeit bei der Privatisierungsfra-
nach Wolfsburg. Diese Auslän-
gen nach einem verlängerten
fast durchgängig. Dennoch: Die
ge, die 1957 auf die Tagesordnung
dergruppe wurde zum festen
Wochenende, der Einführung
1957 getroffene Entscheidung für
rückte. IG Metall und Betriebsrat
Teil des Vertrauenskörpers und
von Kurzpausen, höheren Löhnen
einen Gewerkschaftshausneubau
befürchteten, dass sich der Spiel-
des Betriebsrats, dem seit 1965
und Gehältern, dem Ausbau der
zeigte das gewachsene Selbst-
raum des Unternehmens für die
auch Italiener angehörten. Selbst
Erholungsheime, einem 24-tägi-
bewusstsein. Das Ergebnis der
Tarifpolitik und die innerbetrieb-
im Angestelltenbereich kam die
gen Urlaub und dem Ausbau der
Betriebsratswahl von 1957 gab
lichen Sozialleistungen nach der
IG Metall langsam aber stetig
betrieblichen Alterversorgung.
den Optimisten Recht, erzielte
Privatisierung verengen und der
voran.
Zudem sprach sie sich gegen jede
doch die IG Metall 26 von 35 Sit-
Einfluss externer Kapitalvertre-
Privatisierung des Unternehmens
zen.
ter im Aufsichtsrat die Beziehun-
Die Tendenz eines wachsenden
gen insgesamt neu strukturieren
Gewerkschaftseinflusses setzte
könnten.
sich auch bei den Aufsichtsrats-
aus. Sie baute ihren Stimmenan-
heitsfalle an die Spitze des Forderungskatalogs gehörten.
teil aus. Deshalb stellte sie mit
Mitte der 50er Jahre griff die IG
14 von 21 Mandaten erstmals die
Metall das tarifpolitische Ziel der
absolute Mehrheit im Gremium.
Arbeitszeitverkürzung auf. Unter
Das am 23. August 1958 mit einer
die inzwischen 21.000 Mitglieder
dem Slogan „Samstags gehört
Festrede des 1. Vorsitzenden der
zählende IG Metall bei einer um
Das Jahr 1955 brachte auf ver-
Vati mir“ forderte die Gewerk-
IG Metall, Otto Brenner, eröffnete
20 Prozent gesteigerten Wahl-
schiedenen Ebenen einen Um-
schaft die 5-Tage-Woche mit 40
Gewerkschaftshaus kam gerade
beteiligung fast drei Viertel der
schwung. Im August lief der
Stunden. Als der erste Schritt
recht, um den Ende 1958 gezähl-
Stimmen auf sich vereinigte.
wahlen des Jahres 1966 fort, als
Festschrift 65 Jahre IGM | 5
Die Jahre 1950 - 1973
Die
Konjunk tur kr ise
von
1966/67, die bei Volkswagen
zur Kurzarbeit und kurzzeitiger Belegschaftsreduzierung
führte, sorgte nach dem langjährigen, unerschütterlichen
Unternehmensaufstieg für
eine Trendwende. Da aber die
konjunkturelle Delle Ende 1967
bereits wieder überwunden war,
beruhigte sich die Verunsicherung rasch.
Mit dem Tod Nordhoffs im April
1968 endete eine lange Ära.
Unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Kurt Lotz erfolgte eine
Einkommenssteigerung war das Zauberwort der 50er-Jahre.
neue Austarierung des Verhältnisses von Vorstand und domi-
der Entwicklung der Mitglieder-
1972 angeordnete Kurzarbeit,
die Chance auf eine Verjüngung
nanter Gewerkschaft. Zudem
zahlen bemerkbar, die zwischen
die gekürzte Erfolgsprämie und
des Gewerkschaftsapparats,
gewannen auch gesellschafts-
Anfang 1969 und Ende 1971
die abgeschlossenen Aufhe-
Tyrakowski wurde nach mehr
politische Fragen an Bedeu-
von 29.808 auf 43.943 anstieg.
bungsverträge für eine soziale
als 20-jährigem Wirken als 1.
tung. Die IG Metall wurde zum
Unter dem 1971 berufenen
Gemengelage, die im Frühjahr
Bevollmächtigter 1975 durch
Motor der Demokratisierung.
neuen Vorstandsvorsitzenden
1973 zu spontanen Streiks führ-
Walter Kaufmann ersetzt. Auf
Eine neue Generation Gewerk-
Rudolf Leiding, einem harten
te. In dieser Phase eröffnete das
Betriebsebene war bereits 1971
schafter begann sich zu enga-
Sanierer, schufen betriebliche
krankheitsbedingte Ausschei-
der Übergang von Hugo Bork auf
gieren. Dies machte sich auch in
Sparmaßnahmen, die Anfang
den von Bernhard Tyrakowski
Siegfried Ehlers erfolgt.
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6 | Festschrift 65 Jahre IGM
Die Jahre 1974 - 1992
Dem Krisendruck standhalten
Ölpreisschock, drohender Streik und Arbeitszeitverkürzung:
Jede Menge Bewegung in den 70er und 80er Jahren
Der Ölpreisschock vom Sep-
werden, indem die Belegschaft
Streik. Ein Kompromiss in letz-
im Juni 1979 zur Ausrichtung
tember 1973 machte die Unter-
um rund 25.000 reduziert wer-
ter Minute verhinderte einen
des Weltautomobilkongresses in
nehmenskrise offenkundig, die
den sollte – davon 10.000 Mas-
Arbeitskampf. Diese Tarifaus-
Wolfsburg, in dessen Verlauf der
durch eine veraltete Modellpa-
senentlassungen.
einandersetzung bildete einen
V W-Weltautomobilausschuss
Einschnitt im Verhältnis zwi-
gegründet wurde – ein früher
lette, einen Absatzeinbruch und
die hohen Investitionskosten des
Nachdem im Februar 1975 Toni
schen Unternehmensleitung und
gewerkschaftlicher Vorläufer
Übergangs zu der neuen Fahr-
Schmücker als Vorstandsvorsit-
IG Metall. Der Belegschaftsab-
des VW-Weltkonzernbetriebs-
zeuggeneration mit wasserge-
zender gefolgt war, setzte zwar
bau bei Volkswagen reduzierte
rats. Zum 31. Dezember 1980
kühlten Frontmotoren hervor-
ein intensiver Meinungsaus-
auch den Mitgliederbestand.
gerufen wurde.
tausch zwischen Unternehmens-
stellten die immerhin 10.036
Angestellten schon ein Fünftel
der 54.539 Mitglieder.
vorstand und dem Betriebsrat
Nach 1976 spielten die Novellie-
Der 1. Bevollmächtigte Bernhard
sowie der IG Metall ein. Jedoch
rung des Betriebsverfassungs-
Tyrakowski gab bereits auf der
setzte Schmücker seinen Plan
gesetzes und die paritätische
Zu Beginn der 1980er Jahre
Vertreterversammlung am 15.
des radikalen Belegschaftsab-
Mitbestimmung eine große Rolle.
erschwerten die Arbeitslosigkeit
November 1974 bekannt, dass
baus im Aufsichtsrat gegen die
Dabei bildete die Professionali-
und nachlassendes Wirtschafts-
er einen Rentenantrag gestellt
Stimmen der Arbeitnehmerver-
sierung der Betriebsräte- und
wachstum die gewerkschaftliche
habe. Nachfolger wurde ein
treter durch. Die Interessenver-
der Gewerkschaftsarbeit eine
Arbeit. Bereits 1974 entwickelte
Jahr später Walter Kaufmann.
tretung erreichte aber, dass die
wesentliche Voraussetzung zur
die IG Metall das Konzept, durch
Unter dem neuen Vorstands-
Unternehmenspläne deutlich
Nutzung der erweiterten Mit-
eine Verkürzung der Lebensar-
vorsitzenden Rudolf Leiding
entschärft wurden.
wirkungsmöglichkeiten. In den
beitszeit älteren Arbeitnehmern
Fokus gewerkschaftlicher Arbeit
ein vorzeitiges Ausscheiden zu
verschlechterten sich die Beziehungen zunehmend. Er zeigte
Kurze Zeit später stand die
rückte nun das Thema „Humani-
ermöglichen. Die tarifpoliti-
gegenüber dem Betriebsrat
Belegschaft bei Volkswagen
sierung der Arbeitswelt“.
sche Antwort der IG Metall auf
und der Gewerkschaft keiner-
unter Schmücker erstmals vor
lei Gesprächsbereitschaft. Für
einem Streik. Bei den Urabstim-
Parallel konkretisierte die Orts-
keit lautete: Arbeitszeitver-
große Unruhe sorgte der Plan
mungen votierten 88,58 Prozent
verwaltung ihre internationalis-
kürzung. 1977 wurde auf dem
S1: Der Konzern sollte saniert
der IG Metall-Mitglieder für
tische Orientierung. Dies führte
Gewerkschaftstag der IG Metall
die zunehmende Arbeitslosig-
erstmals die Einführung der
35-Stunden-Woche mit vollem
Lohnausgleich gefordert. Diese
Forderung wurde zum großen
Ziel der Gewerkschaftsbewegung.
Der Kampf um die 35-Stunden-
Woche wurde auch zu einer
politischen Auseinandersetzung
mit dem konservativen Bundeskanzler Helmut Kohl. Auch bei
Volkswagen nahm die Ausein-
andersetzung um die Arbeitszeitverkürzung an Schärfe zu.
1985 gelang bei VW aber der
Durchbruch.
Im weiteren Verlauf der Tarifaus-
einandersetzung des Jahres 1984
gewann ein Konflikt an Brisanz:
1977 wurde erstmals die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert.
der Kampf um den Streikpara-
Festschrift 65 Jahre IGM | 7
Die Jahre 1974 - 1992
graphen 116. Am 6. März 1986
sechs VW-Werken bis 1991 aus.
formierten sich mehrere Stern-
In dieser kritischen Phase über-
märsche zum Rathausplatz, wo
nahm dann Wilfried Eickmann
mit rund 30.000 Teilnehmern
kein leichtes Amt von Walter
die bis dahin größte politische
Kaufmann an der Spitze der
Demonstration in der Geschichte
Ortsverwaltung. Der internati-
Wolfsburgs stattfand.
onale Konkurrenzkampf brachte
Volkswagen beispielsweise auf
Auf betrieblicher Ebene zeig-
dem US-amerikanischen Markt
ten sich die Auswirkungen der
gegenüber den stärker werden-
Arbeitszeitverkürzung und
den japanischen Anbietern weit
der Produktionssteigerung, so
ins Hintertreffen.
dass 1985 das Allzeithoch der
Beschäftigung im Werk Wolfs-
Die politischen Veränderungen
burg erreicht wurde. Eine ange-
in der DDR brachten schließlich
nehme Folge der Entwicklung
war der Anstieg der Mitgliederzahlen Ende 1985 auf 63.814
nach November 1989 unverhofft
Ende der 80er-Jahre zeichneten sich neue, unübersehbare
Beschäftigungsprobleme ab.
eine Wende. Denn die vereini-
gungsbedingte Sonderkonjunk-
tur ergab bei Volkswagen einen
Mitglieder.
Auf betrieblicher Ebene hatte
des allmählichen Arbeitsplatz-
zusätzlichen Beschäftigtenbe-
1986 wurde Walter Hiller Nach-
sich eine kooperative Konflikt-
abbaus im Werk Wolfsburg
darf. Die Gewerkschaft konnte
folger vom verstorbenen Sieg-
bewältigung durchgesetzt, die
gelang es, die Mitgliederzahlen
kurzzeitig wieder auf über 70.000
fried Ehlers. Mit dem Namen
durch interne Verhandlungen im
bis Sommer 1987 auf den neuen
Mitglieder wachsen. Allerdings
Hiller verbinden sich vor allem
Vorfeld von Tarifstreitigkeiten
Höchstwert von 70.303 zu stei-
zeigte sich schon im Sommer
zwei Entwicklungen: die inter-
mögliche Lösungen vorbereite-
gern. Ende der 80er Jahre zeich-
des Jahres 1992 durch den Ent-
nationale Gewerkschaftsarbeit
te, so dass die Volkswagen AG
neten sich neue, unübersehbare
zug von Aufträgen an örtliche
und die Aufarbeitung der natio-
bei Gewährung angemessener
Beschäftigungsprobleme ab. Der
Zulieferbetriebe, dass die Lage
nalsozialistische Vergangenheit
Einkommenssteigerungen zur
VW-Vorstand ging von einem
von Volkswagen nicht mehr so
des Konzerns und der Stadt.
streikfreien Zone wurde. Trotz
Personalabbau um 11.000 in den
rosig war.
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8 | Festschrift 65 Jahre IGM
Die Jahre 1993 - 2004
Konflikte kooperativ bewältigt
Einkommenseinbußen gegen Arbeitsplatzsicherheit:
der „New Deal“
Die außerordentliche Konjunktur-
Durch Aufhebungsverträge und
krise der europäischen und deut-
Fluktuation reduzierte sich aber
schen Automobilkrise erreichte
bis Mitte 1997 die Zahl der Beleg-
1993 Volkswagen. In dieser Situ-
schaft und damit der Mitglieder-
ation wagte die Betriebsrats-
bestand auf 60.000.
spitze um Klaus Volkert, Bernd
Sudholt und den VK-Leiter Bernd
Der Sicherung der Arbeitsplätze
Osterloh einen mutigen Plan. Im
Interesse des Arbeitsplatzerhalts
diente auch die am 3. März 1994
auf eine Initiative der IG Metall
für die meisten waren sie bereit,
zurückgehende Gründung der
durch eine kollektive Arbeitszeit-
Regionalen Entwicklungsagentur
verkürzung ohne Lohnausgleich
(RESON). Diese Agentur verfolg-
einen noch nie gegangenen Aus-
te das Ziel, mit einem Umbau auf
weg aus der verfahrenen Situati-
eine „Verkehrskompetenzregion“
on zu nehmen.
Impulse für den längerfristigen
Stets gelingt es der IG Metall, den Nachwuchs zu mobilisieren.
Aufbau von zusätzlichen Beschäf-
endete abrupt nach einer Straf-
wickelte sich ab dieser Zeit zur
Klaus Volkert hatte seit dem Juni
tigungsmöglichkeiten zu schaffen
anzeige von Opel wegen Indus-
Boomtown – mit dem Konzept
1990 das Amt des Betriebsrats-
- ein unmittelbarer Ertrag stellte
triespionage.
AutoVision. Volkswagen, Poli-
vorsitzenden als Nachfolger von
sich aber in den folgenden Jahren
Walter Hiller inne. Die IG Metall,
nicht ein.
Nachdem erhebliche Kostenre-
tik und Gewerkschaften zogen
an einem Strang: Dank Zuliefe-
den Betriebsrat und den Perso-
duzierungen und neue Fahrzeuge
reransiedlungen, Innovations-
nalvorstand Peter Hartz einte
Überraschend gelang es Fer-
wie der 1995 startende Sharan
campus, Autostadt sowie Qua-
das Ziel, Massenentlassungen
dinand Piëch, im Jahr 1993 den
oder auch die neuen Modellge-
lifizierung und Vermittlung von
zu vermeiden. Die in der Nacht
Einkaufschef von General Motors
nerationen von Passat und Golf
Erwerbslosen wurde die Arbeits-
vom 24. auf den 25. November
(GM) José Ignacio López zum
das Unternehmen wieder auf
losigkeit halbiert. Auch die IG
1993 erzielte tarifvertragliche
Volkswagen-Konzern abzuwer-
den Erfolgspfad zurückgebracht
Metall Wolfsburg profitierte von
Lösung sah unter anderem die
ben. Mit einer kompromisslosen
hatten, konnte 1996 die Talsoh-
diesem Projekt: 2003 genossen
Reduzierung der Wochenarbeitszeit um 20 Prozent auf 28,8
Verhandlungstaktik gegenüber
le durchschritten werden. Der
mehr als 70.000 Arbeitnehmer
den Zulieferern gelang es ihm,
am 14. Juli 1997 unterzeichnete
den Schutz und den Service der
Stunden bei Verzicht auf vollen
die Produktionskosten zu sen-
Tarifvertrag ermöglichte Neu-
IG Metall Wolfsburg. Durch die
Lohnausgleich vor.
ken. Seine Zeit bei Volkswagen
einstellungen. Wolfsburg ent-
Integration der Gewerkschaft
Textil-Bekleidung (1998) und der
Gewerkschaft Holz und Kunst-
stoff (2000) kamen neue Kolleginnen und Kollegen hinzu.
Die Freude über den Regierungswechsel 1998 von Kohl zu
Schröder wich schnell der Ent-
täuschung in Folge des Regie-
rungshandelns. Im Sommer
2004 startete die IG Metall gar ein
Arbeitnehmerbegehren „Soziale Gerechtigkeit – jetzt“ gegen
die Politik von Kanzler Gerhard
Schröder. Mit der Gründung
des Weltkonzernbetriebsrates
bewies die IG Metall bei VolksDie Wolfsburger Metaller verstehen es, sich Gehör zu verschaffen.
wagen einmal mehr Pinonier-
Die Jahre 1993 - 2004
Festschrift 65 Jahre IGM | 9
leistung. Als erster Automobil-
den Ruhestand. Neuer Mann an
und Zeitarbeitssektor. Aber in
schloss die IG Metall mit Volks-
Konzern installierte VW im Mai
der Spitze der IG Metall Wolfsburg
der Automobilindustrie kündig-
wagen einen Zukunftstarifver-
1999 in Barcelona eine weltweite
wurde der bisherige 2. Bevoll-
ten sich härtere Zeiten an. Seit
trag ab. Sichere Jobs bis 2011,
Interessenvertretung. Zwei Jahre
mächtigte Wolfgang Schulz. Mit
2002 wirkten sich die Folgen der
keine betriebsbedingten Kündi-
später vereinbarte Volkswagen
ihm stellte sich die IG Metall dank
Globalisierung zunehmend auch
gungen, feste Zusagen für neue
mit der Sozial-Charta soziale
innovativer Tarifverträge den
auf den Volkswagen-Konzern
Produkte und Fahrzeuge – das
und gewerkschaftliche Mindest-
neuen Herausforderungen im
mit deutlichen Auslastungspro-
waren die Kernergebnisses des
standards für alle VW-Standorte
Produktions-, Dienstleistungs-
blemen aus. Im November 2004
Kompromisses.
weltweit. Auch auf gewerkschaftlicher Ebene baute die IG Metall
ihre internationalen Aktivitäten
weiter aus. 1998 lud sie erstmals
zu ihrem großen Sommerfest ein.
Im Januar 1999 erschien erstmals das neue Mitgliedermagazin „WIR“. Zehnmal im Jahr
informiert die IG Metall seitdem
die Kolleginnen und Kollegen
über die vielfältigen Aktivitäten
der Verwaltungsstelle, porträtiert Menschen und Gremien der
Organisation und berichtet über
Termine und politische Hintergründe. Eine immer größere
Bedeutung gewann in dieser Zeit
auch die Wohnbezirksarbeit.
In den Tarifrunden 1999 und 2000
ging es bei Volkswagen auch um
die Übernahme der mittlerweile
rund 6000 befristet Beschäftigten. Erst mit massiven Protestaktionen gelang es schließlich,
dass die meisten betroffenen
Kolleginnen und Kollegen übernommen werden konnten.
Zum Jahreswechsel von 1999 auf
2000 startete der VW-Betriebsrat
die Spendenaktion „Eine Stunde
für die Zukunft“. Bis heute sind
elf Millionen Euro für Kinderprojekte an den VW-Standorten
gesammelt worden. Die Diskussion über die Produktion des so
genannten A-MPV, der später
unter dem Namen Touran in Serie
ging, sorgte Anfang der 2000er
Jahre für viel Gesprächsstoff.
Betriebsrat und IG Metall hatten
gemeinsam vom VW-Vorstand
gefordert, industrielle Fertigung in Deutschland nicht nur
zu sichern, sondern auszubauen.
Resultat war letztlich das Modell
„Auto 5.000“. Am 4. Februar 2000
wechselte Wilfried Eickmann in
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10 | Festschrift 65 Jahre IGM
Die Jahre 2005 - heute
Auf dem Weg in die Zukunft
Gesellschaftspolitisches Engagement und hoher Organisationsgrad zeugen
von der guten Arbeit der Wolfsburger IG Metall
Das Jahr 2005 brachte die IG
tes – nur sechs Monate vor der
Mit dem Zukunftstarifvertrag
GmbH ihre tarifpolitische Feu-
Metall und den VW-Betriebsrat
nächsten Betriebsratswahl.
von 2004, der Standortent-
ertaufe. Erstmals hatte die IG
in eine ganz schwierige Situa-
Mit viel Kraft und Engagement
scheidung für den Tiguan, der
Metall für die 3700 Beschäftig-
tion. Im Juni wurde bekannt,
starteten sie, unterstützt von
Beschäftigungssicherung in
ten eine eigenständige Tarif-
dass der langjährige Betriebs-
der IG Metall-Verwaltungstelle
der aktuellen Planungsrun-
runde durchgeführt. Bei der IAV
ratsvorsitzende Klaus Volkert
mit Wolfgang Schulz und Frank
de sowie Horst Neumann als
GmbH mussten IG Metall und
in die VW-Affäre verwickelt war.
Patta an der Spitze, eine nach-
neuen Arbeitsdirektor konnten
Betriebsrat erstmals betrieb-
Später kam heraus, dass meh-
haltige Image-Kampagne. Mit
IG Metall und VW-Betriebsrat
liche Aktivitäten organisieren,
rere prominente Betriebsräte
einer neuen Veranstaltungsreihe
beweisen, dass sie auch in
um eine neue Entgeltvereinba-
vom Unternehmen jahrelang mit
„BR-Dialog“ standen sie in zahl-
schwierigen Situationen die
rung abzuschließen.
Luxusreisen und Bordellbesu-
reichen Diskussionsrunden der
Interessen der Arbeitnehmer
chen „bei Laune“ gehalten wor-
Belegschaft Rede und Antwort.
durchsetzen.
den waren. Die Medien stürzten
Der Einsatz lohnte sich: Mit 86,9
sich auf diese Affäre.
Prozent holte die IG Metall bei
Auch mit der Grundsteinlegung
wagen mit dem Tarifabschluss
Volkswagen das zweitbeste
für das neue Gewerkschafts-
ein weiterer Meilenstein auf
Ergebnis aller Zeiten.
haus Ende 2005 präsentierte die
dem Weg zur Beschäftigungs-
IG Metall ihr wieder erlangtes
und Standortsicherung. Außer-
Volkert trat noch im Juni 2005
von allen Ämtern zurück. Wenig
Ebenfalls 2006 schließlich
gelang der IG Metall bei Volks-
später verließ er die IG Metall.
Bei V W versuchte der neue
Selbstbewusstsein. Am 1. Mai
dem konnte der Betriebsrat
Am 22. Februar 2008 wurde Vol-
Chef Wolfgang Bernhard, das
2007 wurde es offiziell eröffnet.
nach zähen Verhandlungen mit
kert wegen Beihilfe und Anstif-
Unternehmen rücksichtslos
tung zur Untreue zu zwei Jahren
zu sanieren. Er forderte spür-
In der Folgezeit konnte sie
barung zur Komponentenstra-
und neun Monaten Haft verur-
bare Einschnitte bei den Per-
weitere tarifpolitische Erfolge
tegie abschließen. Allerdings:
teilt. Gegen weitere Betriebsräte
sonalkosten, drohte damit, die
erzielen. 2006 vereinbarte die
Die Mitgliederzahlen rutschten
wurden Strafbefehle erlassen.
nächste Golf-Generation nicht
Gewerkschaft mit dem Unter-
in Folge von Aufhebungsverträ-
mehr in Wolfsburg produzieren
nehmen eine neue Altersteil-
gen und der Altersteilzeit auf
Bernd Osterloh, Bernd Wehlau-
zu lassen und sinnierte über
zeitregelung. Im Sommer des-
69.000 ab.
er und Michael Riffel rückten an
den Verkauf der Komponenten-
selben Jahres bestanden die
die Spitze des VW-Betriebsra-
werke.
Beschäftigten der Auto 5000
dem VW-Vorstand eine Verein-
Immer aktiver mischte sich
die IG Metall in die Sozial- und
Gesellschaftspolitik ein. Fast
1000 Kollegen fuhren im Oktober 2006 nach Berlin, um gegen
die unsoziale Politik der Großen
Koalition zu demonstrieren.
Am 30. März 2007 verließ Wolf-
gang Schulz schließlich die
politische Bühne. Zu seinem
Nachfolger wählte die Dele-
giertenversammlung den bisherigen 2. Bevollmächtigten
Frank Patta. Neuer zweiter
Mann der IG Metall Wolfsburg
wurde Thilo Reusch, der aber
nach wenigen Monaten in die
Bezirksleitung nach Hannover
wechselte. Lothar Ewald löste
ihn im März 2008 als 2. BevollDie Grundsteinlegung für das neue Gewerkschaftshaus erfolgte Ende 2005.
mächtigter ab.
Die Jahre 2005 - heute
Unter dem 1. Bevollmächtigten
seine Pläne endgültig. Wiede-
Frank Patta beschritt die IG
king und Härter mussten gehen.
Metall neue Wege und betonte
Stattdessen wurde nun die
stärker als zuvor die partei-
Integration von Porsche in den
politische Unabhängigkeit der
Volkswagen-Konzern beschlos-
Gewerkschaft. Sie suchte den
sen. Volkswagen kam zwar
Kontakt zu anderen Instituti-
dank der von VW-Betriebsrat
onen. Entstanden sind in den
und IG Metall vorgeschlagenen
Jahren so bemerkenswerte
Umweltprämie und der guten
Projekte wie die „Starthilfe“,
Modellpolitik des Unterneh-
das Sozialticket, das Sozial-
mens deutlich besser durch
kaufhaus „Lichtblick“ und der
die folgende Wirtschafts- und
Schulterschluss der Wolfsbur-
Finanzkrise 2008 als viele
ger Demokraten. Außerdem
andere Automobilunterneh-
fasste die IG Metall stärker
men. Aber auch in dieser Regi-
noch als zuvor Fuß in den ande-
on waren Kollegen von Kurz-
ren Betrieben.
arbeit betroffen. Die IG Metall
versuchte mit dem Abbau von
Festschrift 65 Jahre IGM | 11
Die Betriebsratswahl 2010 endete bei VW mit einem historischen
Ergebnis: Erstmals über 90 % der Stimmen.
Parallel zu diesen neuen Her-
Arbeitszeitkonten, Urlaubsre-
ausforderungen musste die IG
gelungen und anderen tarifli-
men erreichen.Im gleichen Jahr
Jahren Wolfsburg zur bundes-
Metall ihre Organisation konso-
chen Möglichkeiten die Auswir-
konnte die IG Metall bei Volks-
weit mitgliederstärksten Ver-
lidieren. Die Mitgliederzahl war
kungen für die Beschäftigten so
wagen die Beschäftigungssi-
waltungsstelle der IG Metall
auf 69.000 zurückgegangen.
gering wie möglich zu halten.
cherung für weitere fünf Jahre
machen wolle. Mitte diesen
bis 2014 sichern. Außerdem
Jahres waren es schon 76.000.
Das Jahr 2009 brachte für die
garantierte Volkswagen für die
Damit hat die IG Metall Wolfs-
IG Metall neben vielen betrieb-
nächsten Jahre insgesamt 6450
burg seit 2007 ihre Mitglieder-
Am 25. September 2005 gab
lichen und tariflichen Erfolgen
Ausbildungsplätze und die Über-
zahl um 7000 steigern können
Porsche bekannt, dass man
auch drei bittere politische
nahme aller Ausgebildeten.
- die IG Metall Wolfsburg hat
sich mit rund 20 Prozent an
Niederlagen – bei der Europa-,
Volkswagen beteiligen wolle.
Kurz darauf gab es Gerüchte,
der Bundespräsidenten- und
Bei seiner Wiederwahl im März
als mitgliederstärkste Verwal-
der Bundestagswahl. Sie ließ
2008 kündigte Frank Patta an,
tungsstelle der IG Metall ein-
dass Porsche-Chef Wendelin
sich aber nicht entmutigen. Mit
dass er in den kommenden vier
drucksvoll ausgebaut.
Wiedeking gemeinsam mit sei-
einem Bündel von Aktivitäten
nem Finanzchef Holger Härter
machte sie mobil gegen die
an der vollständigen Übernah-
Sozialpolitik der neuen Bun-
me des VW-Konzerns bastele.
desregierung.
Der Kampf um das VW-Gesetz
Im Herbst 2009 verabschie-
zur Abwehr der Porsche-Über-
dete der Volkswagen Konzern
nahme wurde eine der wichtigs-
als erstes Unternehmen eine
ten Aktivitäten von IG Metall und
weltweit gültige „Charta der
Betriebsrat. Vom 28. bis zum
Arbeitsbeziehungen“. Sie setzt
30. April 2008 lud die IG Metall
für den gesamten Konzern ver-
Wolfsburg Gewerkschafter aus
bindliche Mindeststandards bei
allen V W-Standorten welt-
den Beteiligungsrechten der
weit zu einer Internationalen
Arbeitnehmervertretungen auf
Gewerkschaftskonferenz. In
betrieblicher Ebene.
Gleichzeitig waren die Kosten
gestiegen.
einer „Erklärung von Wolfsburg“
sprachen sich die Teilnehmer
Die Betriebsratswahlen 2010
der Konferenz für den Erhalt
endeten mit einem überwälti-
des VW-Gesetzes aus.
genden Erfolg für die IG Metall:
Sie erzielte das beste Betriebs-
Im April 2009 berichteten
ratswahlergebnis aller Zeiten.
Medien, dass Porsche Proble-
Historisch das Ergebnis bei
me habe, die VW-Übernahme
Volkswagen: Erstmals konnte
finanziell zu stemmen. Einen
die IG Metall im VW-Stamm-
Monat später begrub Porsche
werk über 90 Prozent der Stim-
im Jubiläumsjahr ihren Platz
Anzeige
12 | Festschrift 65 Jahre IGM
Ein Blick zurück
Als noch der Bollerofen wärmte
Eine Rückbesinnung auf die Anfangsjahre der IG Metall Wolfsburg gibt
Aufschluss über die Arbeitsbedingungen
Elfriede Magiera erinnert sich
Alle Bäcker wollen zu VW
Die IG Metall Wolfsburg kann auf
pen autonom wurden und sich
Das Arbeitsamt Wolfsburg
Einen äußerlich noch stärker
eine lange Geschichte zurück-
Industriegewerkschaften nann-
klagte in seinem Strukturbe-
sichtbaren Einfluss auf das
blicken. Aus heutiger Sicht ist
ten, wurde Elfriede Magiera der
richt aus dem Jahr 1957 darü-
städtische Leben nimmt das
manches von dem, was die Men-
IG Metall zugeordnet. „Anfangs
ber, dass es schwierig sei, das
Werk durch seine Arbeitszeitre-
schen beschäftigte, für die spä-
waren dort nur vier Personen
Fleischer- und Bäckergewerbe
gelung, schrieb Martin Schwon-
teren Generationen kaum noch
angestellt. Ein Bevollmächtig-
mit Arbeitskräften zu versor-
ke in seiner 1967 erschienen
vorstellbar. Elfriede Magiera
ter, ein Kassierer, eine Kassen-
gen. Gleichzeitig waren bei den
Dokumentation „Wolfsburg
hatte als junge Frau diese Zeiten
angestellte und ich als Stenoty-
Lohnempfängern im Volkswa-
– soziologische Analyse einer
mit erlebt.
pistin.“ Bald erweiterte sich ihr
genwerk mehr als 700 gelern-
Aufgabenbereich: Ihr wurde die
te Bäcker beschäftigt, ferner
jungen Industriestadt“. Die
Mehrzahl der Werksangehöri-
Wenn sie morgens ins Büro
Führung der Kasse übertragen,
rund 500 Schneider, ebenso
gen arbeitete im Zwei-Schicht-
kam, dann musste sie sich erst
und 1952 wurde sie als offizielle
viele Schuhmacher, rund 200
Betrieb. In einer Woche waren
einmal um den kleinen Boller-
Kassiererin gewählt.
Friseure und über 1000 Arbeit-
sie von morgens 5.30 bis 14
nehmer im Lohnverhältnis, die
Uhr beschäftigt, in der nächs-
ofen kümmern. Kurz nach dem
Krieg war Brennmaterial knapp,
Damals kassierte die Gewerk-
eine bereits abgeschlossene
ten Woche von 14 bis 22.30 Uhr.
die junge Frau war daher gehal-
schaft die Beiträge noch bar. Es
kaufmännische Lehre vorwei-
Und: In den Werksferien war die
ten, sparsam mit dem kostbaren
gab 280 Kassierer, die zu den
sen konnten.
Stadt wie ausgestorben.
Gut umzugehen. Elfriede Magi-
Mitgliedern gingen – und zwar
era war eine der ersten Ange-
entweder an den Arbeitsplatz
stellten bei der Allgemeinen
oder sogar nach Hause. Elfrie-
Gewerkschaft.
de Magiera rechnete die eingesammelten Beiträge dann mit
Im Dezember 1945 kam sie nach
den entsprechenden Kassierern
Wolfsburg, um dort zu arbeiten.
ab. „Zu der Zeit gab es in Wolfs-
Wolfsburg hatte damals nur eine
burg eine recht große Gewerk-
kleine Innenstadt, ringsum gab
schaftsfeindlichkeit“, berich-
es lediglich Baracken. „Wenn ich
tet sie. „Der Mitgliedsbeitrag
tanzen gehen wollte, musste ich
musste ganz unauffällig kas-
zuerst fünf Kilometer weit laufen“, erinnerte sie sich später.
siert werden, aus Angst, dass
es herauskommt.“ So haben sich
Nachdem die Wirtschaftsgrup-
die Zeiten gewandelt.
Mitte der 50er Jahre gab es Probleme, Personal fürs
Bäckerhandwerk zu finden – die Bäcker arbeiteten lieber bei VW.
Kredit dank Ausweis
Ein „unglaublicher“ Lohn
Viele Familien von VW-Beschäf-
1959 einen derartigen Umfang,
tigten wollten die Segnun-
dass sich die Werksleitung
gen des Wirtschaftswunders
sogar genötigt sah, in einer
Wolfgang Schulz, der spätere 1.
Unternehmen müsse sich bei
schneller haben, als es selbst
Betriebsversammlung zum
Bevollmächtigte der IG Metall,
der Abrechnung vertan haben.
das vergleichsweise üppige
Maßhalten aufzufordern.
wechselte 1962 von einem klei-
„Ich bekam 4,62 Mark pro Stun-
nen Elektrobetrieb zu Volks-
de – das war 1,50 Mark mehr als
VW-Einkommen zuließ. Ende
der 50er Jahre war es in und
Den Beschäftigten wurde das
wagen. Als er seine erste Lohn-
ich zuvor als Geselle im Hand-
um Wolfsburg „üblich“, dass
man über seinen Verhältnissen
„Anschreiben“ leicht gemacht:
tüte aufmachte, staunte er
werk verdiente.“ Zudem gab es
Sie brauchten nur ihren Werks-
nicht schlecht über die für ihn
bei Volkswagen schon zu dieser
lebte und sich verschuldete. Die
ausweis vorzuzeigen, um bei
damals unvorstellbare Menge an
Zeit viele Sozialleistungen – von
Ratenkäufe und in ihrem Gefolge
den Wolfsburger Kaufleuten
Geld, die er vorfand. Auch seine
der Vorzugsmilch bis hin zu den
die Lohnpfändungen erreichten
Kredit zu erhalten.
Mutter glaubte zunächst, das
Erholungsheimen.
Internationale Ausrichtung
Festschrift 65 Jahre IGM | 13
Weit über den Tellerrand geschaut
In Folge der globalen Ausrichtung von VW und der Zustände an ausländischen Standorten
richtete die IG Metall früh den Blick in die Ferne
Volkswagen war seit Ende
Seminare in der Heimvolks-
der Kriegsproduktion geprägt
hochschule Hustedt zum Thema
durch den Export von Fahrzeu-
„Internationale Solidarität“. Aus
gen. Bereits 1953 wurden dann
diesen Seminaren ist letztend-
in Brasilien, drei Jahre später
lich der Arbeitskreis „InterSoli“
in Südafrika und 1964 in Mexiko
der IG Metall Wolfsburg entstan-
eigene Produktionsstätten von
den. InterSoli beschäftigte sich
VW errichtet. Da die inländische
mit den Lebens- und Arbeitsbe-
Entwicklung stetig aufwärts
dingungen der Kollegen an den
ging, wurden die Auslandsin-
VW-Standorten.
vestitionen von gewerkschaftlicher Seite lediglich zur Kenntnis
Die 80er und 90er Jahre brachten
genommen.
für die internationale Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit
1995 wurde auch die Arbeitnehmervertretung von VW Bratislava in
den E-KBR aufgenommen.
Im Oktober 1976 unternahm der
bei Volkswagen wesentliche
VW-Gesamtbetriebsrat seine
Änderungen. Der Mauerfall
erste Reise nach Brasilien, vier
eröffnete Möglichkeiten in Ost-
den Gewerkschaften der spani-
schaftsnetzwerk. 2008 beschlos-
Jahre später nach Südafrika.
und Mitteleuropa. Im August 1990
schen Region Baix-Llobregat, die
sen die Vertreter der polnischen,
1978 besuchte schließlich John
gründeten Arbeitnehmerver-
später auf Katalonien ausgewei-
tschechischen, slowakischen
Gomomo, der Sprecher der
tretungen von Volkswagen und
tet wurde. Mit Gewerkschaften
und deutschen Gewerkschaften
damals noch verbotenen Metall-
Audi in Deutschland, VW Brüssel
aus den V W-Standorten von
an den VW-Standorten auf Ini-
arbeitergewerkschaft COSATO in
sowie SEAT in Spanien gemein-
Argentinien, Brasilien, Mexiko,
tiative der IG Metall Wolfsburg,
Südafrika, zum ersten Mal seine
sam mit den an diesen Standor-
Portugal und Spanien knüpfte die
ebenfalls ihre Zusammenarbeit
Kollegen in den VW-Werken in
ten vertretenen Gewerkschaften
IG Metall Wolfsburg 2005 das so
zu intensivieren. Sie gründeten
der Bundesrepublik. 1979 orga-
den Europäischen Konzernbe-
genannte basisnahe deutsch-
das MOE-Netzwerk für Mittel-
nisierte der Gesamtbetriebsrat
triebsrat (E-KBR). 1995 wurden
iberoamerikanische Gewerk-
und Osteuropa.
zusammen mit der IG Metall und
die Arbeitnehmervertretungen
dem Internationalen Metallge-
von VW Sachsen, VW Bratislava
werkschaftsbund (IMB) in Wolfs-
und Skoda in den E-KBR aufge-
burg die erste „Internationale
nommen. Im Mai 1996 legte die
Arbeitnehmerkonferenz“ des
Weltarbeitnehmerkonferenz in
VW-Konzerns.
Wolfsburg dann den Grundstein
für eine weltweite Interessenver-
Ein großes Problem zeigte sich
tretung bei VW. Daraus entstand
durch den schwierigen Informa-
1999 der Weltkonzernbetriebs-
tionsaustausch. Die deutschen
rat.
Gewerkschafter wurden über die
Situation in den Auslandswerken
2002 einigte sich dieser Welt-
weitgehend über das Manage-
konzernbetriebsrat mit dem VW
ment informiert. Auf Initiative
Vorstand auf die Sozialcharta.
des Gesamtbetriebsrates und
2004 bekannte sich Volkswagen
der IG Metall wurde festgelegt,
außerdem zu einer einheitlichen
dass kontinuierlich konkrete
und nachhaltigen Arbeitsschutz-
Probleme im Ausland mit dem
politik. Und 2009 verabschiedete
Betriebsrat und im Aufsichtsrat
der Volkswagen Konzern als ers-
besprochen wurden.
tes Unternehmen eine weltweit
gültige „Charta der Arbeitsbezie-
Im Winterhalbjahr 1982/83 ver-
hungen“. Seit 1998 pflegt Wolfs-
anstaltete die IG Metall zwei
burg eine enge Kooperation mit
Anzeige
14 | Festschrift 65 Jahre IGM
Tarifpolitik
Vorbildliche Modelle entwickelt
Erfolgsgeheimnis der mitunter unkonventionellen Lösungen hat
seinen Ursprung im Haustarifvertragssystem
Lohn- und Gehaltstarifverträge
tarifvertrag von 1987. Zum Aus-
Angestellte in der Metallindus-
ab dem Ende der 1990er Jahre.
wurden schon 1948 zwischen
druck kam ein neues Selbstbe-
trie. Nur zwei Jahre später der
Das Stichwort lautete „Auto
der IG Metall und der Werkslei-
wusstsein in der Tarifrunde 1978,
nächste Kraftakt: Der Absatz
5000“. Dieses Konzept führte zu
tung auf Grundlage eines Haus-
als die IG Metall die erste und
in der Marke VW brach ein. Zu
mehr Beschäftigung mit 3500
tarifvertrages abgeschlossen.
bislang einzige Urabstimmung
bewerkstelligen war also die
zusätzlichen Produktionsar-
So wurde das Volkswagenwerk
bei VW umsetzte, bei der 88,58
Quadratur des Kreises. Diese
beitsplätzen in Deutschland zu
auch hinsichtlich der Lohn-
Prozent der IG Metall-Mitglieder
lautete: Senkung der Personal-
ordentlichen tariflichen Bestim-
höhe und der Sozialleistun-
für Streikmaßnahmen stimmten.
kosten bei gleichbleibendem
mungen. Die tarifpolitische Inte-
gen zu einem Musterbeispiel.
Schon 1977 forderte sie zudem
Personalbestand.
gration der „Auto 5000 GmbH“
Das erste komplexere Tarifwerk
erstmals die Einführung der
VWs war der Manteltarifvertrag
35-Stunden-Woche mit vollem
Aus dieser Vorgabe entstand
von 1954. Nicht tariflich, sondern
Lohnausgleich.
die Vier-Tage Woche, die am 1.
auf betrieblicher Ebene verein-
in die Volkswagen AG gelang
schließlich im Jahr 2008.
Januar 1994 in Kraft trat. Die
Zur Senkung der Personalkos-
barte man dann am 30. Januar
Im Dezember 1990 konnten
Beschäftigten büßten durch
ten forderte VW in der Tarifrun-
1956 den schrittweisen Einstieg
sechs Prozent mehr Lohn und
die Einführung der Vier-Tage-
de 2004 dauerhafte Nullrunden,
in die 40-Stunden-Woche.
Gehalt erreicht werden sowie die
Woche etwa zehn Prozent
bis die Entgelte das Niveau des
Festlegung auf die 36-Stunden-
ihres Nettoeinkommens ein.
Flächentarifvertrags erreichten.
Aus Sicht der IG Metall galt es
Woche zum 1. April 1993 und
Als im Jahr 1995 die Erneue-
Es folgte eine der konfliktreichs-
später, die Auswirkungen der
die Einführung der 35-Stunden-
rung des Tarifvertrages von
ten Tarifauseinandersetzungen
Rationalisierung von vornher-
Woche zum 1. Oktober 1995.
1993 anstand, spielte für V W
die Wettbewerbsfähigkeit eine
der VW-Geschichte. Nach 23
drei wegweisende Tarifverträge:
W ir kliche
Tar ifgeschichte
große Rolle. Beide Tarifpartei-
eines Monats und vier Verhand-
der Lohnrahmen-Tarifvertrag
schrieben IG Metall und VW im
en wollten dennoch an der 28,8
lungsrunden unterzeichneten
(LORA) von 1978, der Tarifver-
folgenden Jahr mit der Einigung
Stunden-Woche festhalten.
IG Metall und VW im November
trag zur Lohndifferenzierung
auf den ersten einheitlichen Ent-
(LODI) von 1979 und der Technik-
gelttarifvertrag für Arbeiter und
ein zu kontrollieren. Es kamen
Warnstreikaktionen innerhalb
2004 den „Zukunftstarifvertrag“.
Mit der 1995 vollzogenen
Darin setzte die IG Metall eine
Erneuerung des Tarifvertra-
siebenjährige Beschäftigungs-
ges zur Vier-Tage-Woche von
sicherung bis 2011 durch.
1993 und der damit verbundenen Beschäftigungsicherung
Der im Sommer 2006 erzielte
lieferten IG Metall und VW den
Tarif-Kompromiss sah zwei Kor-
Beweis, dass das Modell nicht
ridormodelle zur Arbeitszeitver-
nur vorübergehend taugt.
längerung vor. Die Vier-Tage-
Woche war damit Geschichte.
Anstatt der Mehrarbeit in der
zweiten Hälfte der 1990er Jahre
Gleichzeitig vermochte die IG
Metall den Angriff auf die Golf-
mit unbefristeten Neueinstel-
Produktion und Komponenten-
lungen zu begegnen, erhöhte
werke zu parieren. Im Resultat
VW die Zahl befristet Beschäf-
erzielte sie letztlich einen erwei-
tigter. Nach sechs Verhand-
terten Zukunftstarifvertrag, der
lungsrunden und 30-stündigem
die Beschäftigungssicherung
-marathon gab es im Sommer
über 2011 hinaus erweiterte.
1997 deutschlandweit die erste
Die Beschäftigungssicherung
tarifliche Regelung zur Altersteilzeit in einem großen Indust-
konnte inzwischen bis 2014
ausgedehnt werden. Erstmals
rieunternehmen.
wurde zudem eine konkrete
Beteiligung am wirtschaftlichen
Die einzige Urabstimmung bei VW fand 1978 statt.
Globalisierung und Massenar-
Erfolg der Marke Volkswagen
beitslosigkeit prägten das Bild
festgeschrieben.
Antifa-Arbeit | Engagement in den Betrieben
Festschrift 65 Jahre IGM | 15
Die Erinnerung wach halten
Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen: Die antifaschistische Arbeit
der IG Metall Wolfsburg
Für die IG Metall Wolfsburg hat
die IG Metall Wolfsburg erstmals
die antifaschistische Arbeit in
ihre Woche des Antifaschismus,
den vergangenen 25 Jahren einen
die mittlerweile zum festen
ganz besonderen Stellenwert.
Datum im politischen Kalender
Es ist dem Betriebsrat und sei-
der Stadt zählt. 2007 schloss sie
nem langjährigen Vorsitzenden
mit der „Vereinigung der Häft-
Walter Hiller zu verdanken, dass
linge der Hitler’schen Konzent-
Volkswagen sich seiner histori-
rationslager“ in Zgorcelec einen
schen Verpflichtung stellte. 1986
Kooperationsvertrag. Stanislaw
kam es zu einer gemeinsamen
Hantz, Opfer des Nazi-Terrors,
Erklärung. Im November 1996
diskutierte mehrfach bei der
erschien eine Studie unter dem
„Woche des Anti-Faschismus“mit
Titel „Das Volkswagenwerk und
Schülern sowie Auszubildenden.
andere Herkunft, Hautfarbe oder
ein „Museum der KdF-Stadt“
seine Arbeiter im Dritten Reich“.
2007 rief die IG Metall ange-
Religion haben – beruhigt wer-
errichten wollten. Der Schulter-
1985 gehörten prominente IG
sichts von NPD-Ankündigungen
den. Andererseits war es auch
schluss der Wolfsburger Demo-
Metall-Mitglieder zu den Initia-
im Landtagswahlkampf zum
eine Warnung an die NPD und
kraten wurde ganz schnell reak-
toren eines Bürgerantrags, der
Schulterschluss der Wolfsburger
andere Rechtsradikale, diese
tiviert. Und er hatte Erfolg. Am
die Umwidmung des „Ausländer-
Demokraten auf. Repräsentanten
Stadt nicht als Tummelplatz ihrer
18. Juni 2010 wurde das Mahnmal
friedhofes“ an der Werderstraße
aus Politik, Kirchen, Unterneh-
populistischen Ideologie zu miss-
zur Erinnerung an die Zwangs-
in „Gedenkstätte für die Opfer
men und Gewerkschaften sag-
brauchen. Ende Juni 2009 wurde
arbeiter in Wolfsburg offiziell
des Faschismus“ forderte. Die
ten spontan zu. Mit dem Bündnis
bekannt, dass Rechtsradikale um
eingeweiht. Der Ort bekam – wie
IG Metall-Jugend übernahm die
sollten einerseits die Menschen
den Nazi-Anwalt Jürgen Rieger
von der IG Metall vorgeschlagen –
Patenschaft. 2005 organisierte
– vor allem diejenigen, die eine
im früheren Möbelhaus Alsdorff
den Namen Sara-Frenkel-Platz.
Bei der Antifa-Woche erzählte Stanislaw Hantz vom Nazi-Terror.
Viel mehr als „nur“ VW
Die IG Metall Wolfsburg wird
Mehr als 90 Prozent der fast 400
selbstverständlich nach wie vor
Betriebsräte sind Mitglied der IG
vom Stammwerk der Volkswa-
Metall. Seit 1998 treffen sich ein-
gen AG mit seinen fast 50.000
mal im Monat Betriebsräte der
Beschäftigten dominiert. Aber:
größten Unternehmen außerhalb
Gut 20.000 Kollegen arbeiten
von Volkswagen. Gemeinsam
mittlerweile außerhalb des
werden Kampagnen und Aktivitä-
VW-Werkes. Mehr als die Hälfte
ten zur Mitgliederbetreuung und
davon sind in der IG Metall orga-
-gewinnung beraten. Viel Wert
nisiert. Sie organisiert neben
wird auf die Schulung gelegt.
der VW-Belegschaft, auch die
Einmal im Monat bietet die IG
Arbeitnehmer aus der Metall-
Metall Wolfsburg den Betriebs-
und Elektroindustrie, in den
räten eine Tagesschulung im
Ingenieurs- und IT-Betrieben,
Gewerkschaftshaus an. Dort
der Holz- und Textilwirtschaft,
werden sie über aktuelle Fragen
dem Kfz-Gewerbe, dem Elektro-, Sanitär- und Heizungshand-
aus dem Arbeits- und Betriebs-
werk sowie den industrienahen
den regelmäßigen Sitzungen
Dienstleistungsunternehmen. In
lernen sie zudem, professionell
fast 50 Betrieben gibt es gewähl-
betriebliche Öffentlichkeitsarbeit
te Arbeitnehmervertretungen.
für ihre Tätigkeit zu nutzen.
verfassungsrecht geschult. In
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