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n be ie le W ir w n le ol w Januar 2015 T AT BL UG FL www.engels-kultur.de „Die Ratten“ | R: Volker Lösch | Schauspiel Düsseldorf | Foto: Sebastian Hoppe Das Meinungs-Magazin PARFORCE-RITT ÜBER THEATER-SPIELWIESEN THEATER THEATER RUHR im Januar BÜHNE KLAGE ÜBER DAS DASEIN Semiotik Orchester Szenografie FigurenführungOper Handlung Schauspiel Choreografie Performativität Postdramatik Philharmonie Tanz Inszenierung Avantgarde Kabarett Independent Soufflage Klang Rampe Improvisation Szenografie Klang Soufflage Improvisation Crossover Handlu Improvisation Independent Semiotik Rampe Crossover Naturalismus RequisitenBläsersatzVorhang Figurenführung Rampe Handlung Soufflage Figurenführung Finaler Akt Bläsersatz Independent Klang Rhythmik Ram Improvisation Choreografie RhythmikChoreografie Independent Finaler AktImprovisation Handlung Vorhang RampeRhythmik Bläsersatz Choreografie Soufflage Soufflage Szenografie Improvisation Szenografie Figurenführung Klang Semiotik SoufflageVorhang Rhythmik Vorhang Figurenführung Finaler Akt Szenografie Stimme Naturalismus Rampe equisiten Improvisation Rampe Rampe Rhythmik Klang Dialogregie Stimme Vorhang Soufflage Naturalismus Klang Naturalismus Szenografie Independent Finaler Akt Independent Stimme Dialogregie Stimme Soufflage Crossover Figurenführung Crossover Szenografie RampeRhythmik Choreografie Figurenführung Stimme Rampe Rhytmik Vorhang Handlung Independent Choreografie Soufflage Requisiten Klang Semiotik Soufflage Naturalismus ufflage Improvisation Variété Objekttheater Festival Dramaturgie Musiktheater bühnE Premiere Handlung BÜHNEN IN NRW Kritik, Interviews und Links Köln – choices.de Düsseldorf – biograph.de Ruhrgebiet – trailer-ruhr.de Wuppertal – engels-kultur.de mein hen Lesezeic www.engels-kultur.de Januar 2015 TS NA MO h ES reic AD & EM m TH ar www.engels-kultur.de FRAU MÜLLER MUSS WEG EIN FILM VON SÖNKE WORTMANN www.frau-mueller-muss-weg.de Das Meinungs-Magazin Wir sind stets hochmotiviert, Sie einzustellen. ——— —————— ———— ———— M IT D A B E I: tar S m a l S y r t Poe mny y Z p p i l i h P Jan —— — — — — — —— JOBKONGRESS FÜR STUDIERENDE 81'$.$'(0,.(5¼,11(1 22. 01.2015 STADTHALLE WUPPERTAL¼³8+5 BERGISCHE UNTERNEHMEN BEWERBEN SICH BEI IHNEN! Es erwarten Sie Stellenangebote, Unternehmensvertreter und vieles mehr. www.jobkongress.de Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal -kultur.de Foto: Birgit Hupfeld engels-Thema. 5 ARM & REICH Wer verdient, soll zahlen 6 Themeninterviews Sven Giegold über Steuer, Sünder und Schlupflöcher Markus Henn vom Netzwerk Steuergerechtigkeit über die Systemfrage 7 Weitere Thementexte Tausende Wuppertaler Kinder und Jugendliche leben in Armut Ende für den doppelten Iren Bühne. 9 Auftritt Jörg Buttgereit inszeniert im Studio Dortmund „Nosferatu lebt!“ 12 Theater an der Ruhr Völker Lösch inszeniert „Die Ratten“ in Düsseldorf Prolog Musikalisches und Literarisches Kino. Kunst. 13 Film des Monats „Norte – End of History“ 14 Film-Kritik 15 Gespräch zum Film Sönke Wortmann über seine neue Komödie „Frau Müller muss weg!“ 17 Hintergrund „Frau Müller muss weg!“ 18 Roter Teppich Eddie Redmayne über „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, Stephen Hawking und das Streben nach Perfektion 21 Filmwirtschaft Ein mäßiges Jahr und was sonst noch so war 25 kunst & gut Jochen Stücke mit dem „Pariser Album“ im Von der Heydt-Museum 27 Kunst-Kalender NRW Kultur in NRW. überregional Literatur. 22 Wortwahl Buch-Empfehlungen des Monats ComicKultur Comic-Empfehlungen des Monats Textwelten Das Konzept der Lesementoren geht endlich auf Musik. 24 KompaktDisk Musik-Empfehlungen des Monats BÜHNE Theater an der Ruhr Foto: Sebastian Hoppe 12 Mehr Meinung. Service. Hintergrund. – In NRW. empfehlen | weitersagen | kommentieren Alle Texte. Ihre Stimme. Filmkritik im FORUM. KINO „Norte – End of History“ 10 Musical in NRW „Das Wunder von Bern“ wird zum Musical-Wunder Tanz in NRW Preise für bodytalk u. die Tänzerin Carolin Simon 11 Oper in NRW Händels „Belsazar“ in Gelsenkirchen Theater in NRW Frank Hoffmann verlängert bei den Ruhrfestspielen 23 Improvisierte Musik in NRW Nicolas Simion: WDR Jazzpreis für Improvisation Klassik an der Ruhr Die Duisburger Philharmoniker feiern Geburtstage 24 Klassik am Rhein Joshua Bell geigt Diebesgut 26 Kunst in NRW Paul Klee und der Ferne Osten in Köln Popkultur in NRW 2014 war ein gutes Popjahr an Rhein und Ruhr Film des Monats 13 MUSIK SCHON GELEBT? HEUTE [email protected] Wir freuen uns auf Post. engels spezial. 4 Intro – Volle Kraft voraus 8 Innovation Ein Ratinger Landwirt hat die Bio-Kohle wiederentdeckt 28 Magenbitter engelszungen 29 engels bildet 30 Auswahl des Monats Veranstaltungs-Empfehlungen im Januar 31 Impressum Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen? engelsKultur Lesen Sie mehr auf www.engels-kultur.de! Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg. Improvisierte Musik in NRW KUNST Foto: Christoph Giese 23 © VG Bild-Kunst, Bonn kunst & gut 25 -kultur.de Januar 2015 2015 werden die Karten neu gemischt, Foto: Amélie Kai engels + engels-kultur.de Volle Kraft voraus Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund Thema 6 Gerechtere Steuern Der finanz- und wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament und Mitgründer von Attac Deutschland über die Möglichkeiten, Steuerhinterziehung von Privatpersonen und Unternehmen aufzudecken. Sven Giegold Thema 6 Umverteilung Seine Vorstellungen eines fairen Steuersystems teilt uns Markus Henn, Koordinator beim Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland, im Interview mit und verrät Struktur, künftige Ziele und erreichte Erfolge der Organisation. Der Jahreswechsel ist nach der weihnachtlichen Zeit der Einkehr ein Grund, nach vorn zu schauen und gute Vorsätze zu fassen. Sparen ist solch ein beliebter Neujahrsvorsatz. Vor allem Großkonzerne sparen sich gern Steuern. Wir beschäftigen uns daher unter dem Titel ARM & REICH mit dem Thema Steuergerechtigkeit. In unserer Rubrik Innovation geht es um das Sparen von Energie. Wir stellen einen Ratinger Landwirt vor, der Strom und Wärme aus Bio-Kohle gewinnt. Kürzer zu treten ist kein Vorsatz von Jörg Buttgereit. Derzeit läuft am THEATER DORTMUND, frei nach F.W. Murnaus expressionistischem Filmklassiker, seine Inszenierung von NOSFERATU LEBT! Während hier Film auf die Bühne kommt, hat es Lutz Hübners Stück FRAU MÜLLER MUSS WEG! auf die Leinwand geschafft. Wir sprechen mit Regisseur SÖNKE WORTMANN. Außerdem erzählt uns EDDIE REDMAYNE, Hauptdarsteller des Stephen-Hawking-Biopics DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT, von den Schwierigkeiten, eine lebende Legende zu verkörpern. Legendär ist auch Paris. Die Metropole an der Seine ist für JOCHEN STÜCKE eine Quelle der Inspiration, in deren (Kultur)-Geschichte er seit zehn Jahren immerfort eintaucht und die die Basis seiner Ausstellung PARISER ALBUM am VON DER HEYDT-MUSEUM ist. Statt mal wieder mit dem Rauchen aufzuhören, empfehlen wir: Geht ins Theater, Kino, Museum oder auf ein Konzert. Was immer uns 2015 erwartet: An Kultur wird es Wuppertal nicht mangeln! MAXI BRAUN Markus Henn Film 15 Gespräch zum Film Bei Diskussionen zwischen Eltern und Lehrern können schon mal die Emotionen hochkochen – besonders in der Komödie „Frau Müller muss weg!“. Unser Gespräch mit Regisseur Sönke Wortmann, der auch schon das Theaterstück inszenierte. Sönke Wortmann Film STEUERSÜNDER an den Pranger? engels-THEMA arm & reich Wir sprechen über Steuergerechtigkeit Nächster engels-Kreis: 15. Januar 2015 18 Uhr Café Ada, Wiesenstraße Foto: Tom Trambow 18 Roter Teppich Den Physiker Stephen Hawking darzustellen, ist keine einfache Aufgabe. Dennoch nahm Eddie Redmayne für das Biopic „Die Erfindung der Unendlichkeit“ diese Herausforderung an und stellt sich dazu unseren Fragen. Eddie Redmayne engels-kultur.de/thema 4 thema IST DAS GERECHT? [email protected] Wir freuen uns auf Post. Das unfaire Würfelspiel mit der Steuer, Foto: Florian Schmitz Wer verdient, soll zahlen – Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt Ungefähr fünf Jahre ist es her, da wurde Barmen der Fahndungsabteilung keine Interviews geben“, für kurze Zeit zum Fixpunkt der Finanzwelt. Damals sagt ein Sprecher des Finanzministeriums NRW verkaufte ein unbekannter Informant eine CD an die auch heute noch und verweist auf eine Internetseite der Behörde. Steuerfahnder. Darauf engels-Thema im Januar: gespeichert: Daten – Dort finden sich Stativon rund 1500 Deutstiken, die die Sinnhafschen, die vermutlich Die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich wird tigkeit des Einkaufs eiSteuern hinterzogen in Deutschland stetig größer, die Folgen dieser Entwicklung wirken sich längst auf die Gesamtgesellner Steuer-CD durchaus hatten, mithilfe von schaft aus. rechtfertigen. 13 CDs schwarzen BankkonLesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: hat das Finanzministeten in der Schweiz. Die choices.de/thema + trailer-ruhr.de/thema rium NRW nach eigenen Wuppertaler Behörde Angaben aufgekauft bezahlte 2,5 Millionen Euro, um der Sünder habhaft zu werden und um – für 13 Millionen Euro. Der Kaufpreis teilt sich die Gelder quasi durchs Hintertürchen doch noch zur Hälfte auf Bund und die Bundesländer auf. Vergleicht man die Summe mit den Einnahmen, zu kassieren. Auf einmal interessierten sich sogar die Kollegen wird deutlich, warum sich der Kauf lohnt. Laut vom Spiegel-Magazin für die Menschen in dem dem Finanzministerium sind durch nachfolgende tristen Gebäude, Adresse: Unterdörnen 96. „Das Fi- Selbstanzeigen und Bußgelder geschätzt mehr als nanzamt Wuppertal-Barmen gilt gemeinhin nicht 1,5 Mrd. Euro eingezogen worden. 7,1 Mio. Euro als Zierde deutscher Behördenarchitektur. Der kommen aus Geldstrafen nach Verurteilungen, graue Zweckbau aus den siebziger Jahren steht rund 500 Mio. aus Verbandsgeldsbußen, 87 Mio. zwischen Discountern und Sanitärgeschäften an aus der Auswertung der CDs. Die Einnahmen aus einer schmuddeligen Straße neben der derzeit still- den Selbstanzeigen sollen rund 946 Mio. betragen. gelegten Trasse der Wuppertaler Schwebebahn“, 1,5 Mrd. Euro – das ist eine gewaltige Summe. schrieben die Journalisten damals. Schöner ist es Würde sie nur für einen bestimmten Zweck einrund um das Gebäude seitdem nicht geworden. gesetzt, man könnte eine Menge damit anfangen. Aber mindestens 2012 schlugen die Fahnder aus Exakt so hoch ist die aktuelle Kreditverschuldung dem Tal noch einmal zu und kauften eine weitere der klammen Stadt Wuppertal. Oberbürgermeister Peter Jung könnte von jetzt auf gleich nahezu die Schweizer Daten-CD. Deutschland diskutierte nach 2008, als luxembur- Schuldenfreiheit verkünden, 500 Mio. Euro fehlten gische Informationen erkauft wurden, und 2010 er- noch. Man könnte damit aber auch den kompletten neut über die Frage, ob die Behörden die Informa- Haushaltsetat 2014/2015 für den Bereich Soziales tionen nutzen dürften, oder ob sie sich damit mit auf drei Jahre hinaus sichern. einem Verbrecher gemein machten, der Daten trotz des Bankgeheimnisses stahl. In Wuppertal machte Die Ungerechtigkeit der Steuerhinterziehung bleibt sich ein Mann wieder an die Arbeit, der ansonsten der Knackpunkt. Werden Einnahmen verschwiebeharrlich schwieg: Peter B., Leiter des Finanzamtes gen, entgehen der Gesellschaft dringend benötigte für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung. „Bitte Steuergelder. Das scheint langsam auch dem letzhaben Sie Verständnis dafür, dass die Beamten aus ten klar zu werden, der unter schwarzen Konten ARM & REICH 5 ein Kavaliersdelikt verstand. Die Fälle eines gewissen Ulrich Hoeneß, einer Alice Schwarzer oder eines Klaus Zumwinkel haben aufhorchen lassen. Auch international ist es seit dem G20-Gipfel im australischen Brisbane zumindest nach außen hin Konsens, dass Unternehmen in Zukunft ihre Steuern dort zahlen müssen, wo sie ihr Geld verdienen. Gäbe es eine konsequente Lösung, sollte jede Filiale eines Konzerns seine kompletten Einnahmen und Ausgaben dort offenlegen, wo die Filiale steht. Das wäre mit Sicherheit nicht nur bei einem aktuellen Beispiel interessant: Primark, irischer Billigtextiler, greift bereits mit beiden Händen nach dem Standort Döppersberg. Ein Investor plant, den Händler auf den neuen Bahnhofsvorplatz zu holen. Die Verträge sind noch nicht unterschrieben. Aber wenn sie kommen, ob die Iren dann zuhause oder in Elberfeld ihre Steuern zahlen müssen – wir werden sehen. Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat es 2013 in einem Interview mit der Zeit auf den Punkt gebracht: „Man kann nicht die Infrastruktur, den Wohlstand, die Bildungsqualität, die innere Sicherheit eines Landes in Anspruch nehmen und sich gleichzeitig der Pflicht entziehen, durch die eigenen Steuern das Seine beizutragen“, sagte Huber. Und weiter: „Die wachsende Kluft zwischen Reichtum und Armut ist erschreckend. [...] Wer viel Steuern zahlen muss, soll sich freuen, denn es beweist, dass er viel Geld verdient.“ FLORIAN SCHMITZ Aktiv im Thema www.armut.de www.financewatch.org steuergerechtigkeit.blogspot.de www.taxjustice.net STEUERSÜNDER AN DEN PRANGER? engels-Thema ARM & REICH beim nächsten engels-Kreis im Café Ada am 15.1. um 18 Uhr thema Für einen Appel und ein Ei bekommt man heutzutage nicht mehr viel…, Foto: Amélie Kai „Null Besteuerung darf es nicht geben“ Der EU-Abgeordnete Sven Giegold über gerechtere Steuern engels: Herr Giegold, Sie haben einen Wunsch einfach im Mehrheitsverfahren festlegen könnte. frei. Was ändern Sie im europäischen SteuerWie sieht es mit den privaten Steuersündern recht als Erstes? Sven Giegold (lacht): Ich würde einen Mindest- aus? steuersatz einführen – auf alle Kapitaleinkommen. Erst einmal haben wir, was die internationale Egal ob Großunternehmen, kleiSteuerflucht angeht, große Fortne Unternehmen, Zinsen oder schritte gemacht. Wer noch vor „Jeder soll seinen gerechten Dividenden. Null Besteuerung Anteil an der Finanzierung der wenigen Jahren gedacht hätte, darf es nicht geben. 25 Prozent öffentlichen Hand beitragen“ dass das Schweizer Bankgewären doch ein guter Satz. Vielheimnis für Steuerbetrüger falleicht kann man für arme Staaten wie Rumänien len würde, wäre für verrückt erklärt worden. Weil in der Übergangsphase einen niedrigeren Satz Privatpersonen auch Unternehmen nutzen, um festlegen. Ansonsten wäre damit dem Treiben ein Steuern zu hinterziehen, ist es nun wichtig, SchatEnde gesetzt, Gewinne in andere Länder zu ver- tenfirmen, Stiftungen, Trusts und dergleichen in schieben. Sie würden überall fair besteuert. eine effektive Besteuerung einzubeziehen. Was sollte die EU gegen Steuerschlupflöcher außerdem tun? Transparenz zu schaffen, wäre das Nächste. Wenn öffentlich wäre, welche Unternehmen in welchem Land wie viele Gewinne machen, würde auffallen, wenn sie ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben. Bisher ist das keine Pflicht. In Deutschland ist die Große Koalition entschieden dagegen, obwohl man das in Europa ganz Ist es fair, dass Besserverdiener den Staat mit höherem Aufwand mitfinanzieren als Geringverdiener? Natürlich. Jeder soll seinen gerechten Anteil an der Finanzierung der öffentlichen Hand beitragen. Wenn jemand ärmer ist, fällt es ihm ja wesentlich schwerer, niedrige Steuern zu bezahlen. Für jemanden, der reich ist, sind hohe Steuern leichter zu stemmen. Geht die Schere zwischen Arm und Reich auch deshalb auseinander, weil Großverdiener noch zu wenig besteuert werden? Auch hier will ich nicht widersprechen. Es gibt zwei Gründe dafür. Erstens gehen die Markteinkommen auseinander. Durch die Globalisierung verdienen Menschen mit besonderen vermarktbaren Fähigkeiten viel mehr als Menschen ohne besondere Ausbildung. Der Staat hat sich mit der Globalisierung der Wirtschaft zweitens nicht mehr getraut, höhere Einkommen und insbesondere Kapitaleinkommen ausreichend zu besteuern. INTERVIEW: FLORIAN SCHMITZ Lesen Sie die Langfassung unter: www.engels-kultur.de/thema ZUR PERSON Sven Giegold (45) ist finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Der Wirtschaftswissenschaftler ist Mitgründer von Attac Deutschland. „Unternehmen profitieren und sollen dafür zahlen“ Markus Henn vom Netzwerk Steuergerechtigkeit über die Systemfrage engels: Herr Henn, was ist für Sie eigentlich ein nen, ja darauf auf, dass wir einen funktionierenden Staat haben. Ein Einkommen kann man nur in diegerechtes Steuersystem? Markus Henn: Steuern sollten in dem Sinne ge- sem Rahmen beziehen. Von vornherein ist es die recht sein, als dass sie Vermögen zwischen den Verpflichtung aller, zu diesem Rahmen beizutragen. Akteuren unserer Marktwirtschaft umverteilen. Außerdem muss gesichert sein, dass alle Menschen Steuern sollten Ungleichheiten abbauen und hel- ausreichend Mittel zur Verfügung haben und jeder menschenwürdig leben kann. fen, den Staat zu finanzieren. Sie „Steuerflucht sollte sollten fair sein, indem sie Menschen bekämpft werden“ nach ihrer Leistungsfähigkeit belaWie funktioniert das Netzwerk sten. Alle Arten von Einkommen sollten besteuert Steuergerechtigkeit? Wer macht mit? werden. Lücken, wie wir sie beispielsweise bei der Das internationale Netzwerk wurde 2003 beim euroKapitalbesteuerung haben, sind inakzeptabel. Das päischen Sozialforum gegründet. Das heutige deutgilt auch für Unternehmenssteuern. Der Bereich, in sche Netzwerk ist ein eigenständiger Verbund von dem wir besonders stark arbeiten, ist die Steuer- deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) flucht. Auch sie sollte bekämpft werden, weil sich und Steuerexperten. Mitglieder sind unter anderem die einen ihrer Pflicht entziehen und die anderen Attac, die Gewerkschaft ver.di oder Misereor. Wir dafür aufkommen müssen. arbeiten mit Pressekontakten, Veranstaltungen oder Offenen Briefen, informieren mithilfe unseres Blogs Warum muss man das Vermögen umverteilen? oder führen Lobbygespräche mit Politikern. Warum kann nicht jemand, der viel verdient, auch viel behalten? Haben Sie das Gefühl, dass sich durch die Arbeit Grundsätzlich baut die Möglichkeit, Geld zu verdie- des Netzwerkes Dinge ändern? 6 Insgesamt haben wir mit den vielen anderen Organisationen, die sich mit dem Thema Steuern befassen, einige Erfolge zu feiern gehabt. Zum Beispiel das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen, das Hinterzieher nachträglich sehr günstig legalisiert hätte. Wir haben intensiv daran mitgearbeitet, dass es zu Fall gebracht wurde. Unsere Vorschläge wurden in Positionspapieren von Parteien eingebracht. Wichtiger ist aber, dass wir immer ansprechbar sind, zum Beispiel als Experten in Anhörungen im Bundestag für Politiker, aber auch für Privatpersonen. INTERVIEW: FLORIAN SCHMITZ Lesen Sie die Langfassung unter: www.engels-kultur.de/thema ZUR PERSON Markus Henn (33) ist Koordinator beim Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland und Referent für Finanzmärkte bei der NGO WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. thema Arme Menschen werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, Foto: Jan Schliecker Kinder von armen Leuten Tausende Wuppertaler Kinder und Jugendliche leben in Armut Auch in modernen Zeiten gibt es in Wupper- II leben. Im Volksmund ist dieses Sozialgeld tal noch Kinder, die in der Schule Hunger ha- bekannter als Hartz IV, es sichert das Existenzben, weil sie sich kein Frühstück leisten können. minimum. Das betrifft statistisch gesehen die Kinder, die nicht am sozialen Leben teilnehmen Eltern von jedem vierten Wuppertaler Kind. können, weil es kein Geld für Klassenfahrt und Hinzu kommen die „working poor“; Menschen, Sportverein gibt. Kinder, die deren Einkommen so gering „Mehr als 18.000 Kinder froh sein können, wenn ihre sind, dass sie rund um das Nileben in Wuppertal in Armut Anziehsachen sie im Winter veau der Sozialhilfe liegen. In oder an der Grenze“ warm halten. Und von diesen Sachen Kinderarmut sind für Kindern gibt es viele. Im vergangenen Jahr stell- Kühn stets die Erwachsenen gefragt. „Kinder te Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) fest, dass sind nicht per se arm oder reich, sondern ihre „jedes dritte Kind unter den Bedingungen von Eltern sind es“, sagt Kühn. Armut aufwächst“. Gründe für die gestiegene Kinderarmut sind für Geht man von den aktuellsten Zahlen (12/2013) den Sozialdezernenten in erster Linie die hohe aus, wohnen in Wuppertal 28.740 Jungs und Arbeitslosigkeit und die Niedriglöhne. Vor 25 27.157 Mädchen bis 18 Jahre. Leben davon ein Jahren gab es noch 145.000 Beschäftigte, heuDrittel in Armut oder an der Grenze, ergibt das te sind es nur noch 115.000. „Wenn es gelingt, die erschreckende Zahl von mehr als 18.000 Kin- Arbeitsplätze zu sichern, ist das natürlich ein dern. Zum Vergleich: Deutschlandweit zählt der entscheidender Beitrag zur Bekämpfung von Kinderschutzbund 19,4 Prozent der Kinder zu Armut“, sagt Kühn, der speziell vom Leid der den Armen, das sind 2,5 Millionen Minderjährige. Flüchtlingskinder bestürzt ist. „Was diese Kinder im Krieg an Grauen erlebt haben, das sich in Als arm gelten laut Stefan Kühn Menschen, die Kinderseelen einbrennt, geht mich richtig an“, von Unterstützung nach dem Sozialgesetzbuch sagt Kühn. Ende für den doppelten Iren Wie das geht? Ein Unternehmen gründet zwei Firmen auf der grünen, britischen Insel Irland. Die erste kassiert zunächst Lizenzgebühren von weiteren Tochterfirmen weltweit – für geistiges Eigentum. Sie hat auch ihren Steuerwohnsitz auf der Insel. Der Gewinn wird nach irischem Recht seit Ende der 90er Jahre mit einem vergleichsweise geringen Satz von 12,5 Prozent Körperschaftssteuer abgerechnet. Die zweite Firma, ebenfalls eine Tochtergesellschaft, wird in Irland geführt, hat ihren Steuerwohnsitz aber in einem Steuerparadies, zum Beispiel den Cayman-Inseln oder den Bermudas. Nun überweist das erste Unternehmen Drei weitere, wichtige Entscheidungen hat der Rat in diesem Jahr beschlossen. Konnte Wuppertal den gesetzlichen Betreuungsanspruch auf einen U3-Platz 2013 noch nicht erfüllen, soll die Zahl ausgebaut werden. Auch im offenen Ganztag der Grundschulen werden in diesem und im kommenden Jahr je 250 Plätze geschaffen. Und auch in der Schulsozialarbeit freut sich Stefan Kühn darüber, dass nach langem Ringen 40 Arbeitsplätze erhalten bleiben können. FLORIAN SCHMITZ BLICK NACH EUROPA Ein langjähriges Steuerschlupfloch ist geschlossen „Double Irish with a Dutch Sandwich“ – wer dahinter einen brotlastigen Mittagssnack, einen eher merkwürdigen Cocktail oder gar eine ausgefallene Sexualpraktik vermutet, ist auf dem falschen Dampfer. Nein, bei dem „doppelten Iren“ handelt es sich um einen Steuertrick, den Großkonzerne jahrelang dazu verwendet haben, um ihre Gewinne an den nationalen Finanzämtern vorbeizuschleusen. Die Stadt hat Möglichkeiten, armen Familien zu helfen. Zum Beispiel durch das Bildungs- und Teilhabepaket, das 2011 in Kraft getreten ist. 2014 sind vier Millionen Euro geflossen. Gefördert werden unter anderem das Mittagessen an der Schule, die Mitgliedsbeiträge in Vereinen oder auch Nachhilfestunden. Für jedes Kind muss ein Antrag beim Jobcenter oder beim Sozialamt gestellt werden. Das Geld wird zweckgebunden überwiesen – im Beispiel der Mitgliedsbeiträge gehen bis zu 120 Euro im Jahr direkt an die Vereine. dieser zweiten „Oasen-Firma“ seine Gewinne und spart dadurch zum zweiten Mal Steuern. Eigentlich würde nach dieser Überweisung noch eine Quellensteuer in Irland fällig. Um diese auch noch zu umgehen, kommt das holländische Sandwich ins Spiel. Wenn der Konzern das eingenommene Geld aus den Lizenzgebühren als Tantiemen erst in die Niederlande und dann zurück an die zweite Firma überweist, fallen in Irland keine Abgaben an. Das liegt an einem Abkommen zwischen den beiden Staaten, nach dem Einnahmen durch Lizenzgebühren aus Holland nicht versteuert werden müssen. Also noch einmal: Lizenzgebühren aus aller Welt an Firma eins, Gewinn nach Holland und zurück an Firma zwei, die auf den Bermudas sitzt. Fertig. Und alles legal. Für findige Finanzmanager war das ein einfaches Spiel. War? Ja, denn seit dem 14. Oktober 2014, punktgenau 15.44 Uhr, ist das Schlupfloch dicht. In diesem Moment verkündete der irische Finanzmi- 7 nister Michael Noonan, dass er den „Double Irish“ abschaffen wird. Das passiert zwar noch nicht sofort – eine Übergangsphase bis zum Jahr 2020 bleibt den Konzernen – aber immerhin müssen sie dann auch in Irland ihre Gewinne versteuern. Neugründungen werden ab sofort zahlen müssen. Der internationale Druck seitens der EU und anderen Staaten, denen durch den Trick Milliarden an Steuereinnahmen verlustig gingen, war zu hoch. Ob das allerdings bedeutet, dass die Konzerne mehr Geld an die Finanzämter abdrücken müssen, ist fraglich. Die Iren haben verständliches Interesse daran, eine Abwanderung zu verhindern. Mehr als 1000 Großkonzerne haben ihren Firmensitz auf der Insel, darunter Global Player wie Google, Apple oder Facebook. Sie beschäftigen rund 160.000 Arbeitnehmer. Deshalb plant Finanzminister Noonan laut der Süddeutschen Zeitung, in Zukunft Patenteinnahmen zum größten Teil nicht mehr zu besteuern. Die Katze beißt sich hier möglicherweise in den Schwanz. FLORIAN SCHMITZ e ün Gr innovation en it Se 15 20 Ein Blockheizkraftwerk auf Holzgas-Basis versorgt den Hof von Alfons Kuhles… demnächst mit Biokohle, Foto: Tom Jost Strom und Wärme – aus Resten gemacht Ein Ratinger Landwirt hat die Bio-Kohle wiederentdeckt und erhält Unterstützung aus der Forschung Wir befinden uns im Jahre 2015 n. Chr.: Ganz Germania ist im Begriff, der Kohle als Quelle für Wärme und Strom abzuschwören. Selbst der Energie-Imperator Sigmar Gabriel in der fernen Kapitole Berlin biegt scheinbar auf den Pfad der CO2-Reduzierung durch Stilllegung von Kohlekraftwerken ein. Ganz Germania? Nein – ein pfiffiger Landwirt aus dem Rhein-Ruhrgebiet proklamiert den Einstieg in die Biokohle. Und steht damit noch nicht einmal allein auf weiter Flur. Ganz ehrlich: Wer Alfons Kuhles auf seiner Erklär-Reise vom Reststoff bis zum schwarzen Energieträger folgen möchte, braucht keinen Doktorhut der Chemie. Aber ein paar Basics können nicht schaden. Beispielsweise, dass sich hinter der Summenformel C6 H12 O6 die Glucose, vulgo: Einfachzucker verbirgt. Dass man dieses Molekül unter Druck setzen kann und es sich letztlich in Kohlenstoff und Wasser aufspaltet. Dass bei diesem Prozess Energie freigesetzt wird. Dass die Energiemenge abhängig ist vom eingesetzten Aus- Biogene Reststoffe werden in einem Klein-Reaktor zu umweltfreundlicher Biokohle umgewandelt, Foto: Tom Jost gangsstoff. Und wenn man dann noch festhält, dass dieses Verfahren als „hydrothermale Carbonisierung“ (HTC) von der Natur seit Jahrmillionen angewendet, als „Nachbau“ übrigens 1932 mit dem Nobelpreis für Chemie geadelt wurde … hat man das Wesentliche schon begriffen. Beschrieben wird nichts anderes als der Entstehungsprozess von Braun- und Steinkohle. Wofür sich die Natur allerdings ellenlang Zeit ließ, kann heute mit Druck und Hitze innerhalb eines halben Tages reproduziert werden. Der entsprechende Bio-Reaktor steht in Kalkar, als verwertbares Material ist eine breite Palette an Bio-Müll geeignet: „Grünschnitt und Papierschlämme, Speisereste und jene aus der Zuckerproduktion, Mist und Gülle“, zählt der Ratinger Retro-Pionier auf. „Es kommen ständig neue Kunden zu uns und bringen unterschiedlichstes Material. Das machen wir zu Kohle. Besonders interessant wird das jetzt im Bereich der Klärschlämme, weil seit dem Jahreswechsel das Ausbringen auf die Felder verboten ist.“ Nicht jeder Reststoff ist gleichermaßen ergiebig – und Klärschlämme enthalten beispielsweise reichlich Sand. Aber über die Verkohlung und den zeitversetzten Einsatz in Blockheizkraftwerken ergebe sich als „Gewinn“ schon eine Volumenreduzierung auf ein Tausendstel. Alfons Kuhles, der sich spaßeshalber mitunter „Herr Kuhles“ nennt, hat sich mit seinem Kompagnon Lothar Hofer einer quasi herkulischen Aufgabe verschrieben, die den beiden HTC-Anwendern und ihrer Firma „Grenol“ nicht immer nur Freunde schafft. Auf größere Energieversorger ist der 52-jährige Landwirt nicht besonders gut zu sprechen – auf die Vertreter des deutschen Maschinenbaus auch nicht. Dabei sieht er für seinen aus Abfällen erzeugten Brennstoff nicht nur den Vorteil der deutlich besseren CO2Bilanz. Man werde auch bei immer stärkerem Einsatz von erneuerbaren Energien beispielsweise die Abstimmung von Wind und Sonne „auch in hundert Jahren“ nicht vollständig hinkriegen. Biokohle dagegen sei gleichermaßen Grundlastwie speicherungsfähig. Will heißen: „Wir können 365 Tage im Jahr produzieren und heben sie uns als Puffer und für den Winter auf.“ Auf dem eigenen Hof bereitet Kuhles gerade die Umrüstung 8 WIE WOLLEN WIR LEBEN [email protected] Wir freuen uns auf Post. vor: Sein 75-kW-Blockheizkraftwerk, in dem der 5-Liter-Deutz-Motor aktuell noch mit Holzgas befeuert wird, soll demnächst dito die Biokohle in Strom und nette Temperaturen umwandeln. Bei der Ratinger Grenol GmbH ist die Fortentwicklung des HTC-Verfahrens bereits in den Bau mehrerer Kleinanlagen gemündet. Neben dem Vorzeigereaktor in Kalkar, der pro Tag durchaus zehn Tonnen Reststoffe verarbeiten könne, sind einzelne Exemplare auch an Forschungseinrichtungen geliefert worden – etwa die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Selbst eine Hühnerfarm in der Schweiz nutze den rheinischen „Reaktor“, um Hühnermist in Biokohle und Dünger umzuwandeln. Nachfrage im eigenen Land existiert derzeit praktisch nicht, deshalb orientiere man sich auch zum Ausland, etwa in Richtung Japan und Polen, Thailand und Rumänien. Aus dem Ausland stammte übrigens auch die bisher größte Anerkennung. Nicht der Nobelpreis – aber für den Anfang war der mit 50.000 Euro dotierte Kyocera-Umweltpreis ein durchaus attraktiver „Beifang“. Unterstützung für die heimischen Tüftler könnte plötzlich wieder aus der Forschung kommen. Denn die hat das Verfahren ebenfalls neu entdeckt … und mit „Bio-Batterie“ ein gleichermaßen plausibles wie plakatives Label draufgepappt. Hier ist der HTC-Prozess in eine Kombination aus Überschuss-Strom, Biogas, Wärmespeicher und BHKW eingebettet. Prof. Andreas Hornung vom Fraunhofer-UMSICHT-Institut im oberpfälzischen Sulzbach rührte jüngst die Werbetrommel für dieses Maßnahmenbündel und seine „deutlich höhere Energieausbeute“. Nach Institutsangaben ist eine kommerzielle Ausgründung bereits erfolgt. Eine solche Entwicklung würde Alfons Kuhles‘ Visionen einer energie-autarken Modellkommune gehörig beflügeln. Mit einem Mix aus Wind, Sonne, Landgas, Holz und Biokohle ist in seinen Augen eine hundertprozentige Versorgung ohne Probleme zu leisten. Auch wenn’s derzeit noch eine herkulische Herausforderung zu sein scheint. TOM JOST auftritt „Nosferatu lebt!“, Foto: Birgit Hupfeld Was für ein großartiger Schreck Kaum zu glauben: „Nosferatu lebt!“ – eine Stummfilm-Hommage an F. W. Murnau Ganz intim im Blutsaugerschloss. Ja geht das überhaupt? Kein Problem für den Horrorfilmemacher Jörg Buttgereit, der seit Jahren in Dortmund die Hollywood-Ungeheuer und die aus dem wahren Leben auf die kleine Bühne des Schauspielhauses bannt. Wie durch einen Voodoopriester werden sie temporär zurück ins Leben und ins Bewusstsein der Menschen geholt, nicht dass ihre Geschichten immer vergnüglich sind, wie bei Ed Gein, dem kranken Schlächter von Geinsfield oder der menschenverachtenden Geschichte des „Elefantenmenschen“ John Merrick, nein, Buttgereit hat als Theatermacher ein Händchen für den schmalen Grat zwischen Sensation und Wahrhaftigkeit und eben auch Witz. Jetzt also die literarische Figur des inzwischen fast geadelten Vampirs Dracula, der auch mal Nosferatu heißt und eigentlich noch immer untot ist. Huch. Klein ist des Untoten Schloss, klein die Kammer vom kleinen Angestellten Hutter (Ekkehard Freye), der dort mit seiner Frau Ellen (Annika Meier) vom großen Glück träumt. Häusermakler Knock (Andreas Beck) schickt ihn nach Transsylvanien um einem gewissen Grafen Orlok (Nosferatu) ein Londoner Domicil zu verkaufen. Schön marode soll es sein und dementsprechend sind die Gewinnaussichten für Hutter. Wie quetscht man also im Theater drei Räume und die Reise auf eine Minibühne? Gar nicht. Buttgereit arbeitet opulent mit Schattenspiel und Scheinwerferschaltern und schafft es dabei noch die authentische Geschichte zwischen Autor Bram Stoker, Filmemacher F. W. Murnau und dem Drehbuchautor Henrik Galeen in die Szenen zu packen. Und natürlich die Analyse über die durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochene, aber dann lieber in den USA weitergeführte deutsche Horrorfilmkultur, ohne die moderne amerikanische Gruselklassiker überhaupt erst möglich wurden – auch ohne Fluxkompensator. Also erst mal ein Schlückchen alten Wein aus der Flasche mit dem Fledermaus-Etikett und rein ins Murnausche Draculaheim des Grafen Orlok. Den Blutsauger verkörperte 1922 in dessen Film „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ Max Schreck (nochmal Huch), in Dortmund ist es der unvergleichliche Uwe Rohbeck, dem auch diese Rolle auf Körper und We- 9 GROß ODER ARTIG? [email protected] Wir freuen uns auf Post. sen geschmiedet scheint, denn Rohbeck war bei Buttgereit auch schon ein unglaublich intensiver Ed Gein und grandioser John Merrick. Jetzt ist er eigentlich nicht Nosferatu, sondern eher eine Hommage an Max Schreck, in einer stilisierten Inszenierung, die selbst eine Hommage an F. W. Murnau sein will. Duster, lange Einstellungen, keine Farbe und alles gerahmt vom gefrackten Pianisten Kornelius Heidebecht am schwarzen Klavier, der die Szenen wie in den alten Stummfilmklassikern live begleitet und hier und da etwas duster-musicalhaftes einbringt („Bela Lugosi’s Dead“), während Andreas Beck ab und an aus seiner Rolle tritt und Fakten unter das Publikum streut: Murnau musste seinen Vampir umtaufen, weil er die Namensrechte an Bram Stokers Roman „Dracula“ von 1897 nicht besaß. Henrik Galeen hat insofern eine gespiegelte Version geschaffen, die im Laufe der Zeit ein richtiges Eigenleben entwickelte. Das Original-Drehbuch war für Buttgereit nicht verfügbar, er hat mit der visuellen Vorlage des Films gearbeitet und deshalb viel mit bekannten Bildern gespielt. Ratten kommen nur in essbarer Form vor und sie fallen massenhaft von der Decke aufs Publikum. Das Grauen findet in Dortmund also lieber im Schattenkabinett statt, Max Schreck/Orlok/Nosferatu sorgt für die absolute Präsenz, aber auch Annika Meier als Ellen hat die Stummfilm-Motorik verinnerlicht, köstlich, wenn sie sich träumend auf dem Diwan räkelt, um das Grauen vorherzuahnen oder später dem verliebten Grafen den weißen Hals hinzustrecken. Hier hat Nosferatu bereits seinen Schrecken verloren, der kleine verliebte Untote rennt wie immer in sein Verderben, ausgerechnet die Morgensonne gibt ihm den Rest. „Time Is on My Side“ singt es in Dortmund, wo der längst gesaugte Hutter wohl freiwillig an die Stelle des toten Vampirs tritt. Dann noch etwas aus Paul Celans „Todesfuge“: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Genau. Aber wir liefern heute nur noch die Werkzeuge. PETER ORTMANN „Nosferatu lebt!“ | R: Jörg Buttgereit | So 25.1. 18.30 Uhr Theater Dortmund | 0231 502 72 22 musical in NRW tanz in NRW „Das Wunder von Bern“ Szene aus „subtexten“ mit Carolin Simon, Foto: © Meyer Originals Ein Bühnenbild zum Niederknien Ausgezeichneter Tanz Von Rolf-Ruediger Hamacher Der „König der Löwen“ hat Konkurrenz bekommen – zumindest was die Qualität der Produktion und das grandiose Bühnenbild angeht. Gleich nebenan hat Stage Entertainment Impressario Joop van den Ende an den Landungsbrücken sein viertes Hamburger Musical„Deutsche Jungens Theater eröffnet. Wie bei seinem sich um weinen nicht“ Udo Lindenbergs Songs rankenden Ost-WestMusical „Hinterm Horizont“ geht es auch in seiner neuesten Produktion um ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte: „Das Wunder von Bern“, wo die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 1954 überraschend Weltmeister wurde. Sönke Wortmann machte daraus 2003 ein berührendes Stück Kino, dass Komponist Martin Lingnau und Liedtexter Frank Ramond zusammen mit Autor und Regisseur Gil Mehmert nun für die Musical-Bühne einrichteten. Von Klaus Keil Wer Carolin Simon einmal auf der Bühne erlebt hat, ist von der Vielfalt ihres Könnens gleich eingenommen. Sie ist nicht nur Tänzerin, sondern auch Darstellerin, Performerin, Komödiantin, Entertainerin und natürlich auch Choreografin – also in vielen Genres zuhause: „Wie provokant darf eine durch und durch schillernde künstlerische Kunst sein?“ Persönlichkeit. Sie bereichert die Bühne, ist dort wirklich „zuhause“ und sorgt dort immer wieder für „Überraschungen und Irritationen“ wie ihr jetzt die Jury des Kölner Darsteller-Preises ins künstlerische Stammbuch schrieb. Für ihre Rolle in „subtexten“ hat sie den Darstellerpreis 2014 erhalten. Spätestens seit ihrem Solo „Happy Birthday“, einem Highlight ihrer Karriere, kennt man ihr darstellerisches Talent, umwerfend tragisch und komisch zugleich zu sein. Gratulation! Nach dem 2004 im Gelsenkirchener MIR aufgeführten Schalke-Musical „Nullvier – Keiner kommt an Gott vorbei“ hat nun ganz Deutschland sein FußballMusical – denn Stage Entertainment wird es sicherlich nach Hamburg in seine anderen Häuser im Lande schicken. Aber das kann dauern, denn „Das Wunder von Bern“ hat durchaus das Zeug zum Kult-Musical und Dauerbrenner. Was nicht unbedingt an der Lingnaus Musik liegt. Wie schon beim „Schuh des Manitu“ gelingt ihm auch hier eine zwar gefällige, aber nicht gerade aufregende Musik, die allenfalls in den von Tanja Schön interpretierten SchlagerNummern zur Hochform aufläuft. Damit wären wir schon bei der Entdeckung des Abends, denn Schön als Verlobte des Sportreporters Ackermann (genauso überzeugend: Andreas Bongart) offenbart gesanglich und schauspielerisch wahre Musical-Qualitäten. Der Rest des Ensembles besticht vor allem durch seine schauspielerische Präsenz, wobei die Regie vor allem die Kinder-Darsteller präzis zu führen versteht. Dass Regisseur Gil Mehmert ein Faible für den Fußball hat, bewies er schon mit seinem (einzigen) Spielfilm „Aus der Tiefe des Raumes“ (2004), einer skurrilen Hommage auf Günter Netzer. Die Mythen und Legenden des Fußballs verknüpft er jetzt im „Wunder von Bern“ dramatisch-komödiantisch mit einer berührenden Familiengeschichte: Der fußballbegeisterte Essener Jung Matthias (Hut ab vor den acht alternierenden kleinen Darstellern, die fast ununterbrochen auf der Bühne stehen!), muss mit ansehen, wie sein Vater (mit sonoriger Stimme: Detlef Leistenschneider) aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrt und den familiären Zusammenhalt bedroht. Dazu parallel verläuft die Geschichte seines Idols Helmut Rahn (nicht nur dribbelstark: Dominik Hees), dessen „Sporttaschenträger“ der 11-Jährige ist und der um seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft kämpft. Zum Happy End versöhnen sich Vater und Sohn und machen sich auf zum Endspiel nach Bern... Gratulation gebührt besonders dem Ensemble von bodytalk, das für sein geschichtskritisches Tanztheater „Jewrope“ mit dem Kölner Tanztheaterpreis 2014 ausgezeichnet wurde. Wie spricht man nach Auschwitz über das Unsagbare, fragt die Preisjury in ihrer Begründung. Yoshiko Waki und Rolf Baumgart, die das Köln-Bonner-Theaterensemble leiten, haben sich nie vor schwierigen Fragen gedrückt und für „Jewrope“, ihrem Tanztheater gegen das Vergessen, im geschichtsträchtigen Posen mit dem Polski Teatr Ta ca nach Antworten gesucht. „Das alleine traut sich sonst niemand zu“, hebt der Journalist und Juror Thomas Linden hervor, der damit wohl auch die oft mangelnde Tiefe der gängigen Tanzproduktionen, gleich welcher Thematik und welchen Inhalts, anspricht. „Politisches Theater von großer Reife“ mit stets überraschenden Bildern von wilder Schönheit und Dichte, die nie Selbstzweck blieben, attestierte die Jury mit ihrer weitblickenden Entscheidung der Gruppe bodytalk. „Das ist kraftvolle, poetische, kluge, provokante Kunst – ein Erlebnis“, so Linden in seiner Laudatio. Damit weist er über den Moment hinaus und fragt indirekt nach Aufgabe und Funktion der Kunst. „Das Wunder von Bern“ wird zum Musical-Wunder Rolf-R. Hamacher Hochschuldozent und Beirat des Filmkritikerverbandes Allein schon das atemberaubende Bühnenbild von Jens Kilian und den Video-Designern Ad de Haan und Timm Ringewaldt lohnt die Fahrt nach Hamburg: Da erglüht der Ruhrpott im Feuerschein der Hochöfen, eine virtuelle Lok fährt direkt auf uns zu, und beim Endspiel hängen die Fußballspieler an Seilen und laufen über ein vertikales LEDSpielfeld. Info: www.stage-entertainment.de Preise für bodytalk und die Tänzerin Carolin Simon Gerade weil sich von bodytalk und ihrer explizit politischen Kunst mancher provoziert fühlt, wäre es einmal an der Zeit, auch in Köln den Diskurs zu eröffnen, wie provokant Kunst denn sein darf. Von der Kölner Kulturverwaltung und dem bisherigen Tanzbeirat fühlt sich die Gruppe nach eigenem Bekunden geschnitten und ausgebremst. Ihr Köln-kritischer Förderantrag für ein Tanztheater mit dem Arbeitstitel „Mer losse Kon-dom in Kölle“ wurde mehrfach, so bodytalk, wegen angeblich formaler Fehler abgelehnt. Eine vorgeschobene Begründung, so vermutet die Gruppe auf Befragen. Vielleicht sollte in Köln mit kritisch-provokanter Kunst gelassener umgegangen werden. Lothar Späth, einst konservativer Ministerpräsident im Ländle, hat dazu eine ebenso eindeutige wie unmissverständliche Position: „In der Kunst muss man mit offenem Ergebnis fördern, auch wenn man von der Kunst, die man fördert, mit Provokation und Kritik rechnen muss. Das muss man aushalten und sich klar Klaus Keil Journalist, Tanzkritiker machen, dass Kunst genau diesen Raum braucht und für und Hochschuldozent sich beansprucht.“ Info: www.bodytalkonline.de | www.resistdance.de 10 theater in NRW oper in NRW Alfia Kamalova als Belsazars Mutter Nitocris (li.) und Anke Sieloff als Cyrus, Foto: Pedro Malinowski Schlussapplaus bei „Heinrich IV.“ mit Rudolf Kowalski © Foto: Ruhrfestspiele Recklinghausen Strahlen darf nur einer Verbindliche Sturheit Von Karsten Mark Einen König wie Cyrus kann sich jedes Volk nur wünschen. Als edler Befreier des jüdischen Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft ging der Anführer der Perser in die Bibel ein. Und auch historische Quellen haben nur Gutes zu berichten. Für Händel und seinen Librettisten Charles Jennens war der Fall somit klar. Cyrus war der ideale Held für ein „Der ‚Gelsenkirchener Oratorium, das weniger auf theologische Erbauung als auf eines abzielte: das Publikum Barock‘ zum neuen Gütesiegel erhoben“ zu unterhalten. Von Hans-Christoph Zimmermann Manchmal werden Wünsche sofort erfüllt. Bei der Bilanz-Pressekonferenz der Ruhrfestspiele im Sommer 2014 hatte Leiter Frank Hoffmann den kleinen Satz: „Ich hätte definitiv Lust weiterzumachen“, fallen gelassen. Auf diesen Satz hatte der Aufsichtsrat des Festivals auf dem grünen Hügel im Ruhrgebiet offenbar „Hoffmann ließ sich prünur gewartet. Man respektierte die obligate geln, ließ sich verreißen“ Schamfrist, um dann mit der Bescherung ins Haus zu fallen: Kurz vor Weihnachten wurde der Vertrag mit Hoffmann um weitere drei Jahre bis 2018 verlängert. Die Frage der „Ära“ ist geklärt. Sie erhält damit die amtliche Beglaubigung. Hoffmann wird den legendären Hansgünther Heyme um ein Jahr überrunden und dann 14 Jahre Chef der Ruhrfestspiele gewesen sein. Der Schüler hat alles richtig gemacht: Es war Heyme, der 2004 nach dem Rauswurf von Frank Castorf die Inthronisation von Frank Hoffmann vorbereitet hatte. Händels „Belsazar“ als szenische Choroper in Gelsenkirchen Frank Hoffmann verlängert bei den Ruhrfestspielen Nach mehr als 20 Jahren Abstinenz bringt das Musiktheater im Revier mit Händels „Belsazar“ wieder ein vollständiges barockes Stück auf die Bühne. Damit behandelt es das ursprünglich nur zur konzertanten Aufführung konzipierte weltliche Oratorium als das, was es eigentlich ist: eine Choroper. Sonja Trebes hat sie als ihre erste Regiearbeit in Gelsenkirchen in Szene gesetzt und lässt den Helden so sehr strahlen und glänzen, dass man es schon ahnen kann: Hinter der schönen Fassade tut sich noch ein düsterer Abgrund auf. Als musikalischen Leiter hat sich die Gelsenkirchener Oper mit Christoph Spering einen überaus renommierten Spezialisten für Alte Musik und historische Aufführungspraxis ans Haus geholt. Ihre modernen Instrumente hat er den Musikern der Philharmonie belassen. Das Klangbild und der rhythmische Drive des Orchesters sind indes eine wahre Freude. Sie geben dem durchaus spannungsgeladenen Stück den nötigen Schwung. Bei den Sängern kommt Gelsenkirchen mit einem einzigen eingekauften Spezialisten aus: Attilio Glaser gibt den Bösewicht Belsazar mit strahlendem Tenor und überzeugender Großkotzigkeit. Die souveräne Mezzosopranistin Anke Sieloff in der Hosenrolle des Helden Cyrus und die ebenfalls herausragende Alfia Kamalova als Belsazars Mutter Nitocris hingegen gehören wie alle weiteren Solisten zum Ensemble. Auf diesem Niveau wird der „Gelsenkirchener Barock“ gar zum neuen Gütesiegel erhoben. Einen Bezug zum Ruhrgebiet lässt unterdessen nur das funktional-zurückhaltende Bühnenbild von Hyun Chu erkennen, in dem der Turm zu Babel subtil, aber erkennbar an einen Gasometer erinnert. Eine tragende Hauptrolle spielt auch der Chor, der unter Leitung von Christian Jeub eine uneingeschränkt starke Leistung gezeigt. Es ist sogar eine Dreifachrolle. Mal singt er das Heer der Perser, mal die gefangenen Juden, mal die Einwohner von Babylon. Dabei tragen die Sänger zuweilen sogar zwei Kostüme übereinander. Kostümbildnerin Renée Listerdal bedient sich einiger Klischees wie der orthodoxen Juden mit Hüten und Schläfenlocken oder jenem des schillernden arabischen Despoten mit Leopardenfell und vergoldeter Handgranate um den Hals. Solch erfrischend karikierender Humor steht im krassen Gegensatz zum trostlosen Ende. Cyrus entpuppt sich als offensichtlich noch schlimmerer Despot. Zum SchlusKarsten Mark schor tritt eine im schlichten Schwarz vereinheitlichte Journalist mit Schwerpunkt (Musik-)Theater Volksmasse an. Strahlen darf nur noch einer. „Belsazar“ | R: Sonja Trebes | Fr 26.12., Sa 11.1. je 18 Uhr, So 3.1. 19.30 Uhr Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00 11 Der geborene Luxemburger galt nach außen zunächst als Mann des Interims, der das Castorfsche Defizit abzutragen und nach der Verzahnung mit der Ruhrtriennale die neue Selbständigkeit zu füllen hatte. Vom regierende Oberbürgermeister der Kommune bekam er damals die Quadratur des Kreises als Aufgabe mit auf den Weg: „Die Ruhrfestspiele müssen Raum für Innovation und Provokation bieten. Künftige Programme sollten allerdings auch auf die Menschen in Recklinghausen und die Region Rücksicht nehmen.“ Kümmern und Rücksicht standen nach Castorfs Berlin-Arroganz hoch im Kurs. Hoffmann hat diese Aufgabe klaglos bewältigt, auch wenn er darüber bei der Theaterkritik zum Mann des klassischen „Ja, aber“ wurde. Die jährlich übertroffenen Zuschauerrekorde und Einspielergebnisse nötigten Respekt ab, der programmatische Gemischtwarenladen aus Schauspiel, Kabarett oder Liederabend, das Engagement von Stars wie Kevin Spacey oder Isabelle Huppert und die konservative Ästhetik mancher Inszenierung rief Genörgel hervor. Hoffmann ließ sich prügeln, ließ sich verreißen – und ging einfach weiter seinen Weg. Es ist schwer zu sagen, ob der Chef der Ruhrfestspiele wirklich der nette Herr Hoffmann aus Luxemburg ist oder doch eher der Theatermacher, der dem Lächelfirnis zum Trotz stur seinem Weg folgt. In Luxemburg hat er mit dieser Mischung aus Beharrlichkeit und Verbindlichkeit 1996 das Staatstheater „Théâtre National de Luxembourg“ aus dem Boden gestampft. Bei den Ruhrfestspielen standen bereits nach wenigen Jahren die Flaggschiffe des deutschen Stadttheaters von Berlin bis München auf der Matte und zeigten Klassiker und Uraufführungen als Premieren – inszeniert vom Who-is-Who des zeitgenössischen Regietheaters. Und daneben stehen eben Comedy, Pop-Konzert und Nouveau Cirque. Inzwischen sieht man oft den Wald vor lauter Programm-Bäumen nicht mehr, aber zum Festival gehört auch die Überforderung. Frank Hoffmann hat es schließlich auch geschafft, dem Publikum allmählich fremdsprachige Inszenierungen unterzujubeln. Mal garniert mit internationalen Stars, mal nicht. Für die kommende Ausgabe hat er in der Recklinghäuser Zeitung schon mal angekündigt: „Das Festival 2015 wird Hans-Christoph Zimmermann noch internationaler.“ Überraschen kann uns das jetzt Journalist und Theaterkritiker auch nicht mehr. theater an der Ruhr prolog „Die Ratten“, Foto: Sebastian Hoppe Toshiyuki Kamioka in der Stadthalle, Foto: Antje Zeis-Loi Vom Stillstand der Welt Mit Schwung ins neue Jahr Es gibt wahrscheinlich kaum ein ahistorischeres Medium als das Theater. Zwar lebt es größtenteils von historischen Stoffen, doch seine eigene Geschichte reflektiert es selten. Der Regisseur Volker Lösch holt jetzt in Düsseldorf zu einer veritablen Geschichtsstunde aus. Als Vorlage nutzt er Gerhart Hauptmanns Tragikömödie „Die Ratten“, die zum einen die Geschichte des Dienstmädchens Piperkarcka erzählt, die aus Armut ihr uneheliches Kind an Frau John verkauft, die es dann nicht mehr hergeben will und sich in todbringende Widersprüche verstrickt. Dagegen geschnitten sind Szenen um den Möchtegern-Intendanten Hassenreuther, der als Anhänger einer idealistischen Klassikerexekution Jungmimen Schauspielunterricht erteilt und dabei mit dem Naturalismusanhänger und Hauptmanns Alter Ego Erich Spitta aneinander gerät. Bei Lösch wird daraus ein reflektierender ParforceRitt über Spielweisen im Theater und die Darstellbarkeit von sozialen Verhältnissen auf der Bühne. Die Nachricht schlug hohe Wellen: Toshiyuki Kamioka, Opernintendant und Generalmusikdirektor, verlässt vorzeitig die Stadt. Die muss sich nun auf die Suche nach einem neuen Chef der Oper und des Sinfonieorchesters zum Ende der Spielzeit 2015/16 machen. Über die Gründe für den vorzeitigen Weggang kann nur spekuliert werden. Was auch immer hinter dieser neuen Theaterkatastrophe steckt, noch arbeitet er in Wuppertal, noch kann man ihn erleben. Beispielsweise zum Neujahrkonzert in der Johanneshalle, das unter seiner Leitung gegeben wird. Die Familie Strauß, also Johann Strauß (Vater), Johann Strauß (Sohn), Josef Strauß und Eduard Strauß stehen auf dem Programm. Womit ein heiter-leichter musikalischer Einstieg ins Jahr bevorsteht. Völker Lösch inszeniert „Die Ratten“ in Düsseldorf Während der blökende Hassenreuther des Rainer Galke in stilisierter Säulendeko seine Truppe Pathosschaum schlagen lässt, schert Spitta (Urs Peter Halter) bald aus und sucht im Publikum nach geeigneten Darstellerinnen: „Schauspieler-Kenntnisse nicht erwünscht!“ Er findet 16 alleinerziehende Mütter, die dann auf der Bühne ihr Leben zwischen Armut, Arbeitsplatzsorgen, gewalttätigen Männern in die Kamera erzählen. Kaum haben sie das getan, werden die weiblichen Laien von Spitta durch eine Art Lindenstraßen-„Ratten“ gescheucht, billiger Trash zwischen Dokudrama und Soap. Dann dieselben Szenen in der Longversion als psychologisch-stiliserte Version mit den Berufs-Schauspielern. Da streitet sich Claudia Hübbecker als eine schwer keifende Frau John mit der verzweifelten Pauline Piperkarcka der Anna Kubin. Dann wieder eine Version mit den Laien und Schauspielern zusammen in grau stilisierten Filzkitteln mit Babytuch als wuchtiger Sprechchor. Alles sehr körperlich, brüllend laut mit aufgeputschten Gefühlen. Lösch nimmt Hauptmanns „Ratten“ allenfalls als Anlass, um über Fragen der Darstellung, des (sozialen) Realismus von Hauptmann über Brecht bis zur Postmoderne, des Authentischen und Wahrhaftigen sowie über Wirkungsästhetik nachzudenken. Es ist vor allem der Laienchor, der sich dabei beeindruckend schlägt, der schließlich zu einer großen Klage über das Dasein als gesellschaftliche Underdogs ansetzt – die bei aller Authentizität die Wucht einer antiken Tragödie entwickelt. Dazwischen schneidet Lösch in grotesker Überzeichnung Szenen mit Debatten zwischen Hassenreuther, Spitta und den Schauspielern über alle möglichen Theaterprobleme, lässt Theoriediskurse aufbranden, Düsseldorfs Theaterzukunft erörtern – doch leider bald in ihrem kurzgeschnittenen Modus aufgeputscht zum theatralen Overkill – bis man das Stück vor lauter Szenen nicht mehr sieht. Weniger wäre da mehr gewesen. Trotzdem sehenswert. Musikalisches und Literarisches Ein Gastspiel anderer Art wird Joachim Król in der Mitte des Monats geben. Der Schauspieler gastiert zusammen mit dem South of the Border Jazz Trio und seiner Interpretation des Romans „Seide“ in der Oper. Schon mit seinem Debütroman „Land aus Glas“ (1991) hat dessen Autor Alessandro Baricco in seiner italienischen Heimat Aufsehen erregt – und bald weit darüber hinaus. Und zwar mit dem lyrischen Miniroman „Seide“, der im gehobenen Teil des Genres Unterhaltung einzuordnen ist. Als sinnlicher, wehmütiger und zarter Roman wurde die Geschichte von schlichter Schönheit als „leicht wie ein Seidentuch“ beschrieben. Es geht darin um die unerfüllte Liebe zwischen einem französischen Seidenhändler und einer rätselhaften japanischen Schönheit. Dem Vernehmen nach gefällt Król der „kleine Roman, der eine große Novelle ist“, weil er in eine andere Zeit versetzt und sehr romantisch ist. Die Sprache nennt er wunderbar, kein Wort sei überflüssig. „Das Werk erinnert mich ein bisschen an das eine oder andere Werk von Picasso.“ Auf den ersten Blick sind bloß ein paar Pinselstriche zu sehen, schaut man genau, erkennt man, dass alles da ist, was das Bild braucht, um perfekt zu sein. Zur passenden Untermalung und Ergänzung spielen South of the Border. Mit Corinna Harfouch ist eine weitere berühmte Schauspielerin zu Gast im Bergischen. Anlässlich des Geburtstags Else Lasker-Schülers, die am 11. Februar 1869 in Wuppertal geboren wurde, und 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, dem 70. Todesjahr Lasker-Schülers sowie dem 25-jährigen Bestehen der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft trägt die Schauspielerin „Styx II – Gott ist kein Spießer“ vor. Lasker-Schüler lebte extrem und war Teil der Avantgarde, die damals die Kunst- und Literaturszene revolutionierte. Jedem, den sie liebte und verehrte, setzte sie ein Denkmal, sie schrieb radikal subjektiv, wie man es bisher noch kaum kannte. Damit erfand sie die literarische Liebeserklärung quasi neu. Was andere davon hielten, war ihr schnuppe – es ging um den Ausdruck in schwindelerregenden Sprachbildern. Trotz ihres Ruhms reichte das Geld nie. Als die Nazis aufmarschierten, floh sie nach Palästina, wo sie 1945 verarmt und einsam in Jerusalem starb. VALESKA VON DOLEGA HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN „Die Ratten“ | R: Volker Lösch | Sa 27.12., Mi 7.1., Sa 10.1., Fr 23.1. je 19.30 Uhr, So 18.1. 18 Uhr | Düsseldorfer Schauspielhaus 0211 852 37 10 Neujahrskonzert | Do 1.1. 18 Uhr | Stadthalle Joachim Król: „Seide“ | Mi 14.1. 19.30 Uhr | Oper Corinna Harfouch: „Styx II – Gott ist kein Spießer“ | Mi 2.2. 19.30 Uhr Kunstmuseum Solingen 12 film des monats Der Jurastudent Fabian hadert mit moralischen Wertevorstellungen Liebe, Politik und Verbrechen „Norte – End of History“ von Lav Diaz Die Tat eines jungen Studenten löst eine Katastrophe aus. C Langsam entfaltetes Gesellschaftsdrama Ein fremder Mann schenkt einer überraschten Gemüseverkäuferin viel Geld. Eine Frau steht mit ihren Kindern an einem Abgrund, bereit, sie hinunterzustoßen. Ein Mann schwebt in der Luft … Drei kurze Szenen aus einem über vierstündigen Film. Drei Szenen, die in ihrer Inszenierung zugleich so beiläufig, alltäglich erscheinen, und doch so sehr aufgeladen sind mit den dramatischen Ereignissen in „Norte – End of History“, dem neuen Film des philippinischen Regisseurs Lav Diaz. Diaz hat in letzter Zeit mit seinen Filmen für einige Aufregung gesorgt. Das liegt nicht zuletzt an der ungewöhnlichen Formatierung: Seine Filmografie setzt sich aus Dokumentarfilmen, Spielfilmen und Kurzfilmen zusammen. Letztere sind oft eine Art Prolog für den darauf folgenden Langfilm. Und lang darf man bei Diaz sehr wörtlich nehmen. Selten unter vier Stunden, oft bis zu sechs Stunden oder mehr Spielzeit haben seine Filme, sein „Death in the Land of Encantos“ von 2007 ist neun Stunden lang, „Evolution of a Filipino Family“ (2004) kommt auf über zehn Stunden Laufzeit. Im Sommer gewann sein aktueller Film „From What is Before“ in Locarno den Goldenen Leoparden, der mit knapp sechs Stunden eher kurz geraten ist. Warum diese Länge, warum dieses Extrem? Action im Nebenraum Lav Diaz selber sagt, die Länge an sich sei ein wichtiger Aspekt seines ästhetischen Konzepts. Das ist von Bedeutung, weil anders als bei einem Langfilmer wie Bela Tarr („Das Turiner Pferd“) die Filme von Diaz ansonsten in ihrer visuellen Gestaltung erst mal gar nicht auffällig sind. Wir sehen, wie Studenten debattieren, eine arme Familie ihren Alltag bewältigt und eine Kreditgeberin ihrer Arbeit nachgeht. Bis man die Figuren und den Ort der Handlung wirklich kennengelernt hat, ist schon mal eine klassische Spielfilmlänge verstrichen. Der Spannungsbogen ist in dieser Zeit eher eine gerade Linie als ein Bogen, die zudem nicht immer deutlich zu erkennen ist. Wenn dann tatsächlich dramatische Ereignisse die Leben der Protagonisten erschüttern, ist das Ereignis an sich recht unspektakulär und knapp inszeniert (oft nicht mal sichtbar, sondern im Nebenraum nur erahnbar), die Konsequenzen jedoch durchdringen jede der nun folgenden langen Einstellungen. Hier entfaltet Diaz’ Konzept seine ganze Kraft. Lav Diaz steht mit seinen Filmen nicht alleine da. Es gibt auf den Philippinen eine neue Welle, die angeführt von Regisseuren wie Brillante Mendoza, Khavn Mein Film, mein Kino, meine Meinung 13 de la Cruz oder eben Diaz ein radikales Kino stärkt, das alleine schon von der Form her Aufmerksamkeit erregt: Mendoza mit seinem brutalen Realismus („Lola“, „Kinatay“) , Khavn mit seinem psychedelischen Bilderstrudel („Mondomanila“, „Misericordia: The Last Mystery of Kristo Vampiro“) und Diaz mit seinen überlangen, betont ruhigen Beobachtungen. Zugleich verbindet die Filme, dass sie alle von einer gewalttätigen Gesellschaft sprechen. Diaz entfaltet das Thema immer entlang der Zeitachse – spricht, wenn nicht explizit wie in seinem neuesten Film „From What is Before“, zumindest indirekt auch immer von der jüngeren Geschichte des Landes, die geprägt ist von der 15-jährigen Diktatur von Marcos in den 70er und 80er Jahren. Im Norden („Norte“) wurde Marcos geboren, dort sind seine Familienmitglieder bis heute an der Macht, und die Folgen der Diktatur sind bis in die Gegenwart in zahlreichen Putschversuchen, Wahlfälschungen und Korruptionsskandalen im ganzen Land zu spüren. Narrative Verschiebung Eine der Hauptfiguren, der Jurastudent Fabian, der Dostojewskis Romanowitsch in „Schuld und Sühne“ nachempfunden ist, hält einmal in einem Café eine flammende Rede für den Kommunismus und den Anarchismus. Tatsächlich kommen seine politischen Ideen eher einem Pol Pot am nächsten. Als kurz darauf eine Frau vor dem Café ihren Verletzungen erliegt, ist er der Einzige, der keine Gemütsregung zeigt. Jetzt fühlt er sich, ganz wie Dostojewskis Romanowitsch, dazu befähigt, seinen Reden Taten folgen zu lassen. Anders als bei Dostojewski versagt in „Norte“ aber das Rechtssystem. Diaz überträgt Romanowitschs Schicksal auf eine andere Figur und öffnet dadurch ganz neue Implikationen, die auf die gesellschaftliche Situationen der Philippinen verweisen. Seit 1998 macht der 56-jährige Lav Diaz Filme. Bis vor kurzem geschah dies weitgehend unbemerkt von der westlichen Welt. Mit der Teilnahme in Cannes mit „Norte“ und dem Hauptpreis für seinen aktuellen Film in Locarno ändert sich dies, und dank eines mutigen Verleihs und ebenso mutiger Kinobetreiber kommt seine Arbeit nun auch nach Deutschland. Man sollte sich die 250 Minuten Zeit nehmen, um dieses Kino kennenzulernen. Für die 750 Seiten von „Schuld und Sühne“ braucht man jedenfalls unzählige Stunden mehr. CHRISTIAN MEYER NORTE – END OF HISTORY Cinemanila Int. Film Festival 2013: Bester Regisseur PHI 2013 - Drama - 250 Min - Regie: Lav Diaz mit: Sid Lucero, Archie Alemania, Soliman Cruz Start: 25.12. -kultur.de Me Mein e in i Lesezeichen film-kritik Im Geheimdienst Ihrer Majestät: Alan Turning (Benedict Cumberbatch) Marie entdeckt sich und die Welt Heil Bloody Hitler! Jenseits dunkler Stille „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben” von Morten Tyldum „Die Sprache des Herzens“ von Jean-Pierre Améris Im Krieg versucht ein englischer Mathematiker, einen deutschen Code zu knacken. C Spannendes Spionagedrama Ein blindes, taubstummes Mädchen findet in einem Kloster ihre Identität. C Bewegendes Behindertendrama Während des Zweiten Weltkriegs wird der Mathematiker Alan Turning beim britischen Geheimdienst vorstellig. Er möchte den Enigma-Code knacken, der die Kommunikation der deutschen Wehrmacht verschlüsselt. Regisseur Morten Tyldum liefert ein ebenso spannendes wie berührendes Drama ab, das auch die historische Bedeutung von Turnings Arbeit vermittelt. Zugleich betrachtet es die tragischen Verstrickungen, die seinerzeit aus der homosexuellen Veranlagung des Code-Knackers hervorgingen. Der Film wird getragen von britischem Charme und einem großartigen Benedict Cumberbatch, der hier auch mal verletzliche Seiten ausspielen darf. HARTMUT ERNST Die französische Provinz im ausgehenden 19. Jahrhundert. Marie (Ariana Rivoire) wächst auf dem Hof ihrer Eltern auf. Sie ist stumm, taub und blind. Als das Mädchen 14 Jahre alt ist, übergibt sie der überforderte Vater an ein klösterliches Institut, das auf stumme Frauen spezialisiert ist. Marie gelangt unter die Obhut von Schwester Marguerite (Isabelle Carré), die nun Wege sucht, mit der jungen Frau zu kommunizieren. Der Nonne eröffnet sich dabei eine bisher fremde, haptische Erlebniswelt. Ein auf wahren Ereignissen basierendes Drama, das ebenso schmerzvoll wie berührend von einer ganz besonderen Selbstfindung erzählt. Regisseur Jean-Pierre Améris schildert diese Suche nach Identität und Kommunikation jenseits elementarer Sinne bewegend und fernab von Pathos. engels verlost 3x2 Karten und 3 Plakate. E-Mail bis 25.1. an [email protected], Kennwort: Imitation HARTMUT ERNST THE IMITATION GAME – EIN STRENG GEHEIMES LEBEN DIE SPRACHE DES HERZENS San Diego Film Festival 2014: Best Gala Film, Morten Tyldum USA/GB 2014 - Drama / Thriller - 113 Min - Regie: Morten Tyldum mit: Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode Start: 22.1. Int. Filmfestival von Locarno 2014: Variety Piazza Grande Award, Jean-Pierre Améris F 2014 - Drama - 94 Min - ab 6 J. - Regie: Jean-Pierre Améris mit: Isabelle Carré, Ariana Rivoire, Brigitte Catillon Start: 1.1. Cheryl auf dem Weg in die Selbstheilung Annäherung zweier Hinterbliebener: Junn (Cheng Pei-Pei) und Richard (Ben Whishaw) Kopfüber Leerstelle „Der große Trip – Wild“ von Jean-Marc Vallée „Lilting“ von Hong Khaou Eine vom Schicksal gebeutelte junge Frau begibt sich auf eine lange Wanderung. C Beeindruckender Selbstfindungstrip Richard sucht nach dem Tod seines Freundes die Nähe zu dessen Mutter. C Ruhiges Drama um Trauer und Freundschaft Als sich Cheryl Strayed 1995 zu einer 3-monatigen Wanderung aufmacht, weiß sie nicht, was sie erwartet: Nach dem Tod ihrer Mutter, dem Absturz in die Drogensucht und einer gescheiterten Ehe bricht die junge Frau vollkommen planlos zu diesem Abenteuer auf und findet langsam zu einem Gleichgewicht. Reese Witherspoon, die sich die Filmrechte an Strayeds autobiografischem Buch gesichert hat und als Produzentin fungiert, spielt die langsame Selbstheilung einer zerstörten Person sehr glaubwürdig. „Der große Trip“ ist beinahe eine One-Woman-Show, die Witherspoon großartig meistert. Raffiniert eingewoben in die Wanderung haben Drehbuchautor Nick Hornby und Regisseur Jean-Marc Vallée Rückblicke und Erinnerung der Protagonistin. Junn lebt im Altersheim, seit ihr Sohn Kai sie dort untergebracht hat. Nach dessen Tod ist sie komplett alleine. Dass sie kein Englisch spricht, obwohl sie schon seit Jahrzehnten hier lebt, macht den Kontakt noch schwieriger. Kais Freund Richard (Ben Wishaw, „The Zero Theorem“) versucht zu helfen und engagiert eine Dolmetscherin. Doch Junn mag Richard nicht und weiß auch nicht, dass ihr Sohn schwul war. Hong Khaous Debüt zeichnet sich durch eine beeindruckende Ruhe und Tiefe aus, die einerseits das Gefühl der Trauer, andererseits die langsame Annäherung von Junn und Richard spiegelt. Sowohl die Sprachbarriere als auch Kais Tod liegen schwer auf den Szenen, und trotzdem gibt es hier Humor und Hoffnung. CHRISTIAN MEYER CHRISTIAN MEYER DER GROSSE TRIP – WILD USA 2014 - Drama - 116 Min - ab 12 J. - Regie: Jean-Marc Vallée mit: Reese Witherspoon, Laura Dern, Thomas Sadoski Mein Film, mein Kino, meine Meinung LILTING Start: 15.1. GB 2014 - Drama - 86 Min - ab 6 J. - Regie: Hong Khaou mit: Ben Whishaw, Cheng Pei-pei, Andrew Leung 14 Start: 1.1. -kultur.de Forum gespräch zum film Sönke Wortmann und Anke Engelke bei den Dreharbeiten, Foto: Constantin Film Verleih / Tom Trambow „Der Film kommt aus dem ‚Ghetto‘ des Kammerspiels heraus“ Sönke Wortmann über seine neue Komödie „Frau Müller muss weg!“ Sönke Wortmann, Jahrgang ’59, hat von forderung an Regie, Dramaturgie und die Sie konnten sich auf einen außerordentlich 1983 bis 1989 an der Hochschule für Film Schauspieler. Ich musste spontan an John guten Cast stützen. Wenn man Anke Engelke und Fernsehen in München studiert. Bereits Hughes’ „Breakfast Club“ von 1985 denken – so durchs Bild stürmen sieht – haben sie da nur mit Erwachsenen ... sein Kinodebüt „Allein unter noch viel zu tun? „So wie ein Satz jetzt im Schön, dass Sie das sagen! Das Nee, habe ich nicht. Anke war immer meine Frauen“ (’91) war ein Publikumserfolg. Mit „Kleine Haie“ Film gesprochen wird, ist er war früher einer meiner Lieb- Wunschbesetzung dafür. Ich finde, sie ist in ihrer (’92) und „Der bewegte Mann“ zigfach geknetet und zurecht lingsfilme. Für meine Generati- Generation – zumindest als Filmschauspielerin – gebogen worden“ on war das damals ein Kultfilm. unübertroffen. Mit ihr zu arbeiten ist ein einziges (’94) folgten weitere KomöIch habe mich natürlich damals Vergnügen. Man muss nur ein wenig justieren: dienerfolge. 2003 brachte er „Das Wunder von Bern“ auf die Leinwand mit den Schülern identifiziert, und jeder hatte so hier ein bisschen mehr grün, da etwas weniger und spiegelte mit „Deutschland – Ein Som- seinen Liebling. Meine Generation ist jetzt zur gelb – das versteht sie sofort und macht das mermärchen“ (2006) auch die Gegenwart des Elterngeneration geworden. Ich wollte ganz be- dann entsprechend. deutschen Fußballs. Zuletzt waren von ihm wusst darauf Bezug nehmen und den Film auch „Die Päpstin“, „Das Hochzeitsvideo“ und die zitieren, z.B. wenn am Anfang die Leute alle an- Haben Sie bei der Vorbereitung viel zum TheCharlotte-Roche-Verfilmung „Schoßgebete“ gefahren kommen ... ma recherchiert oder eigene Erfahrungen einfließen lassen – Sie haben ja selber drei im Kino zu sehen. „Frau Müller muss weg!“ Ich musste auch an Polanskis „Gott des Ge- Kinder? startet am 15. Januar in den Kinos. metzels“ denken, der ja in jüngster Zeit ge- Jein. Die Hauptarbeit hatte schon der Autor engels: Herr Wortmann, bei „Frau Müller...“ zeigt hat, dass ein Kammerspiel auch heute gemacht, und der hat tatsächlich diese perhabe sie zuvor auch Regie am Theater ge- im Kino funktionieren kann ... sönlichen Erfahrungen und solche Eltern erlebt, führt. Wie verhält sich ihre Theaterversion Schade, dass dieser Vergleich jetzt auch noch wie man sie in dem Stück sieht. Wir hatten in zur Vorlage von Lutz Hübner, und wie verhält kommt ... Aber die Inszenierung des Theater- unseren Schulen bisher Glück und recht coole sich ihre Theaterversion zu ihrer Filmadapti- stücks hatte im Februar 2012 Premiere im Ber- Eltern. Aber ich weiß natürlich, dass es auch anliner Grips Theater, „Gott des Gemetzels“ kam ders sein kann. Manche Eltern haben keine Zeit on? Sönke Wortmann: Für mich sind die Dialoge im Mai raus. Und die Uraufführung des Stückes für ihre Kinder und wollen der Schule die komeine große Stärke des Theaterstücks. Die sind war 2010 – also weit vor Polanskis Film. Ich fin- plette Verantwortung übergeben. Und dann gibt Lutz Hübner super gelungen, und darum wurden de unseren Film auch insofern besser – weil er es auch die Eltern, die alles selber machen woldie auch für den Film möglichst wenig geändert. die größeren Themen hat: Es len. Wir haben das – in einer Meine Theaterfassung entspricht weitgehend geht nicht nur um die Kinder, Komödie gehört sich das ja so KINO IM KOPF? [email protected] – natürlich ein wenig zugedem, was Hübner geschrieben hat. Die spielt es geht auch um Schule, um Wir freuen uns auf Post. spitzt. aber nur in einem Klassenzimmer und in Echt- Bildung, um Ost- und Westzeit. Für eine Verfilmung war mir das auf Dauer deutschland. Und wir haben ein bisschen zu eintönig und wir haben geguckt, zwei Haupt- und ein paar Nebenrollen mehr – Die Helikopter-Eltern kriegen ihr Fett weg, dass wir aus dem Klassenzimmer auch mal raus das öffnet den Film. Kritik an der Schule bzw. dem Schulsystem kommt im Film nicht so deutlich vor ... kommen. Der Film hat gegenüber einem Theaterstück die Möglichkeit und den Vorteil, einen Inwieweit war ihre Arbeit mit den Theater- Der Film kritisiert das Bildungssystem durchaus. Raum auch wieder verlassen zu können. Wenn schauspielern für die Bühnenfassung bei der Ein großes Thema ist die Frage: Vier Jahre oder die Eltern Frau Müller suchen gehen, geschieht Arbeit am Film hilfreich? sechs Jahre gemeinsamer Unterricht für alle das im Theater nur im Off, im Film sehen wir Die Dialoge habe ich im Theater in sechswö- Kinder? Die Wissenschaft sagt ganz klar, lieber das. Der Film kommt dann aus dem „Ghetto“ des chiger Arbeit mit den Schauspielern so heraus länger als kürzer, bevor sich die Spreu vom WeiKammerspiels raus, wenn sie in der Turnhalle gefiltert, dass ich genau wusste, was funktio- zen trennt. Für die Lehrerin ist es im Vergleich sind, im Schwimmbad oder dem Aufenthalts- niert und was nicht funktioniert. So wie ein Satz zu diesen Helikoptereltern im Film natürlich gar raum. Das ist der Vorteil eines Films, dass er so jetzt im Film gesprochen wird, ist er zigfach nicht so schwer, Sympathieträgerin zu sein. Aber geknetet und zurechtgebogen worden. Da hatte trotzdem wird es thematisiert, dass sie vielleicht etwas dann ein bisschen größer machen kann. ich einen Vorteil gegenüber den Schauspielern. überfordert ist, und infrage gestellt, wie sie ihren Ein Kammerspiel ist auch in diesem erwei- Die waren ein bisschen frustriert, dass ich schon Unterricht führt. terten Sinn immer noch eine große Heraus- so genau wusste, wie sie das sprechen sollen. INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 15 -kultur.de Me Mein e in i Lesezeichen film-kritik Ruhe vor dem Sturm Stefans Clique marschiert auf in blinder Wut Rache ist süß Die machen wenigstens was! „Wild Tales – Jeder dreht mal durch!“ von Damián Szifrón „Wir sind jung. Wir sind stark.“ von Burhan Qurbani Sechs kurzweilige Episoden erzählen von ausufernden Rachegelüsten. C Schwarzhumoriger Episodenfilm Rassistisch motivierte Randalierer zünden ein Asylantenheim an. C Chronologie eines Kollektivverbrechens So etwas gibt es nicht allzu oft auf der Leinwand, und noch seltener derart gelungen: Regisseur Damián Szifrón vereint in diesem argentinischen Beitrag für die anstehende Oscar-Verleihung sechs Geschichten, die voneinander losgelöst serviert werden, dabei aber einem Grundthema unterworfen sind. Ein gescheiterter Musiker, ein Autofahrer, ein Sprengstoffexperte, eine Köchin, ein Witwer und ein Hochzeitspaar sehen allesamt rot in diesem morbiden Spaß. Damián Szifrón bewegt sich dabei munter zwischen Tiefgang und profanem Schlagabtausch. So klein die Filmchen sind, die Produktion ist es nicht, Pedro Almodóvar ist daran beteiligt. Roald Dahl hätte hier ebenso viel Spaß gehabt wie die Coen-Brüder. Und das Schönste daran: Die Streithähne agieren allesamt äußerst menschlich. HARTMUT ERNST Am 24. August 1992 setzt der Mob in Rostock-Lichtenhagen unter Beifall der Zuschauerschaft ein Asylantenheim in Brand. Das Drama spinnt eine fiktive Geschichte rund um Täter, Opfer und Politiker. Fokus ist dabei die Clique rund um Stefan (Jonas Nay), der sich Seite an Seite mit gewaltbereiten Orientierungslosen und Neonazis dem Hass hingibt. Bei dem Versuch einer Erklärung für die Aggression der jungen Erwachsenen vermag der Film nur die Oberfläche zu streifen. Arbeitslosigkeit oder ein fehlendes Elternteil sind zu dünn für ein Täterpsychogramm. Beeindruckend an dem Drama ist, neben der minimalistischen Musik und den großartig aufspielenden Jungdarstellern, vor allem die Kameraarbeit von Yoshi Heimrath, der den Weg der Protagonisten schwebend und in langen Sequenzen begleitet. CARLA SCHMIDT WILD TALES – JEDER DREHT MAL DURCH! WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK. Int. Filmf. San Sebástian 2014: Publikumspreis, Damián Szifrón ARG/ES 2014 - Komödie / Thriller - 122 Min - ab 12 J. - Regie: Damián Szifrón mit: Ricardo Darín, Dario Grandinetti, Leonardo Sbaraglia Start: 8.1. Int. Hofer Filmtage 2014: Bestes Kostümbild, Bestes Szenenbild, Juliane Maier, Jill Schwarzer D 2014 - Drama - 128 Min - ab 12 J. - Regie: Burhan Qurbani mit: Devid Striesow, Saskia Rosendahl, Jonas Nay Start: 22.1. Schicksalhafte Begegnungen in einer italienischen Stadt Scheinbar fremde Welten Absturz Lachendes und weinendes Auge „Die süße Gier“ von Paolo Virzi „Eine Taube sitzt auf einem Zweig...“ von Roy Anderson In einer Stadt kreuzen sich die Schicksale von drei Familien. C Drama über Geld und Moral in Zeiten der Finanzkrise Zwei traurige Scherzartikelverkäufer wollen in der Welt Spaß verbreiten. C Absurde Szenen aus einer befremdlichen Welt Paolo Virzi selektiert für seine Verfilmung einige Handlungsstränge aus Stephen Amidons „Human Capital“ (dt. „Der Sündenfall“) und entfaltet in einer italienischen Stadt virtuos multiperspektivisch erzählt einen Thriller um einen Unfall mit fatalen Folgen. Virzi ist aber vor allem an der Figurenzeichnung interessiert: Drei Familien zwischen neureichen Großverdienern, abgehalftertem Mittelstand und abgehängter Unterschicht kollidieren miteinander. Paolo Virzi inszeniert nicht so schrill wie bei seiner Callcenter-Farce „Das ganze Leben liegt vor dir“, sondern bespielt alle emotionalen Tonlagen. Das Ensemble mit u.a. Valeria Bruni Tedeschi, Fabrizio Bentivoglio, Fabrizio Gifuni und der beeindruckenden Newccomerin Matilde Gioli trägt die mit Zufällen leicht überfrachtete Story problemlos. CHRISTIAN MEYER Roy Andersons („Das jüngste Gewitter“) stark stilisierte, tragikomische Filme sind herausragend im Filmbetrieb: Die lose aneinandergereihten, in langen, ruhigen Einstellungen gedrehten Szenen, der lakonische Humor, die Absurditäten und der humanistische Grundton gehen eine einzigartige Verbindung ein. In seinem neuen Film begleitet er zwei glücklose Vertreter für Scherzartikel, stellt der lockeren Handlung aber auch unverbunden Szenen mit der königlichen Armee und befremdlich poetische Folterriten aus der Kolonialzeit zur Seite. Freude, Trauer und Schock sind bei Anderson stets Nachbarn und machen seine Filme ungemütlich. Die Stilisierung durch den Minimalismus tut ihr Übriges, um in eine scheinbar fremde Welt einzutauchen, die im Kern doch die unsrige ist. CHRISTIAN MEYER DIE SÜSSE GIER EINE TAUBE SITZT AUF EINEM ZWEIG UND DENKT ÜBER DAS LEBEN NACH I/F 2013 - Drama - 109 Min - ab 12 J. - Regie: Paolo Virzì mit: Valeria Bruni-Tedeschi, Fabrizio Bentivoglio, Valeria Golino Mein Film, mein Kino, meine Meinung Start: 8.1. S/F/N/D 2014 - Drama / Tragikomödie - 100 Min - ab 12 J. - Regie: Roy Andersson mit: Holger Andersson, Nils Westblom, Charlotta Larsson Start: 1.1. 16 -kultur.de Forum hintergrund Irrwitz des Schulalltags: Die Lehrerin vorm Elterntribunal Elternsprechtag „Frau Müller muss weg!” von Sönke Wortmann Die Eltern einer Grundschulklasse wollen die Lehrerin aus ihrem Posten drängen. C Realitätsnahe und gewitzte Theateradaption Auch mit seinem jüngsten Film setzt der deutsche Erfolgsregisseur Sönke Wortmann wieder auf ein sicheres Pferd. In den letzten Jahren hatte er mit den Romanadaptionen „Die Päpstin“ und „Schoßgebete“ populäre Ausgangsstoffe für die große Leinwand umgesetzt, und genau das Gleiche macht er nun wieder mit „Frau Müller muss weg!“. Das Original ist ein Theaterstück des umtriebigen Lutz Hübner, der an allen renommierten Theatern im deutschsprachigen Raum rauf- und runtergespielt wird. Mit jener exemplarischen Bebilderung eines aus dem Ruder laufenden Elternsprechtages hat er ganz offensichtlich einen Nerv getroffen. Sönke Wortmann selbst hatte 2012 das Bühnenstück in Berlin am Grips-Theater inszeniert und damals schon die Filmqualitäten des Materials erkannt. Und tatsächlich hat der Stoff genügend Potenzial, um mit seinem übersichtlichen Darstellerensemble und dem gleichermaßen beschränkten Setting auch auf der großen Leinwand anderthalb Stunden kurzweilig zu unterhalten. Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide) betreut ihre Grundschulklasse bereits seit ihrer Einschulung. Im vierten Schuljahr geht es nun um das entscheidende Zeugnis, das die Weichen für die weiterführenden Schulen stellt. Da der Notendurchschnitt der Klasse rapide abgefallen ist, haben sich die Eltern der Schüler dazu entschlossen, Frau Müller ihrer Verantwortung zu entheben. Fünf Elternvertreter unter Leitung von Jessica Höfel (Anke Engelke) wollen der Klassenlehrerin die gemeinsame Entscheidung überbringen und diese damit vor vollendete Tatsachen stellen. Aber die engagierte Lehrkraft lässt sich nicht so einfach abservieren und spricht mit den fünf Elternteilen einmal Tacheles in Bezug auf deren kleine Racker. Man kann „Frau Müller muss weg!“ getrost als Komödie bezeichnen, obwohl einem so mancher Gag oder Lacher eigentlich im Halse stecken bleiben müsste. Denn das Stück und der Film von Wortmann sprechen jede Menge tatsächlicher Gegebenheiten und realistischer Entwicklungen an, die alles andere als zum Lachen sind. Wer sich mit der derzeitigen Situation an (deutschen) Schulen auskennt, der dürfte so manche Parallele zwischen Hübners Fiktion und der Alltagsrealität feststellen. Überbesorgte Eltern packen ihre Sprösslinge in Watte, vernachlässigen aber die wichtigsten Erziehungsmaßnahmen und wälzen alles auf die Pädagogen an der Schule ab. Schlechte Noten werden nicht akzeptiert, genauso wenig wie jede weiterführende Schule, die nicht Gymnasium heißt. Hübner hat diese erschreckenden Entwicklungen in wunderbar geschriebenen Dialogen voller Witz und Wahrhaftigkeit festgehalten. Und Sönke Wortmann gelingt es in seiner Filmversion, diese punktgenauen Worte mit herausragenden Darstellern exzellent zu vermitteln. FRANK BRENNER FRAU MÜLLER MUSS WEG! D 2014 - Komödie - 88 Min - ab 6 J. - Regie: Sönke Wortmann mit: Gabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnányi, Anke Engelke Start: 15.1. FRAU MÜLLER MUSS WEG! – Am Rande „Frau Müller muss weg!“ wurde mit Fördergeldern im Wesentlichen im Kölner Raum gedreht, ergänzt um Außendrehs am Handlungsort Dresden. Es ist insofern ein weiterer echter NRW-Film des Düsseldorfer Regisseurs. Anke Engelke (49) sich als gereizte Elternvertreterin vorzustellen, fällt nicht schwer, wenn man sich den Reichtum an Frauentypen vor Augen hält, den die dreifache Mutter u.a. im Laufe vieler „Ladykracher“-Staffeln porträtiert hat. Die Kölnerin wurde eigentlich in Montreal geboren, wo ihr Vater bei der Lufthansa arbeitete, und kam erst mit 5 Jahren in den Kölner Raum (Rösrath). Gesangsunterricht und Schulchor wurden ihr Karrieresprungbrett, als sie bei Heino und Udo Jürgens erst im Kinderchor und mit Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 17 Jürgens dann sogar ein Duett singen durfte. Radio Luxemburg machte sie als erstes zur Moderatorin – und ab 1979 auch über Jahre das ZDF mit seinem Ferienprogramm für Kinder. Doch ihre Ausbildung zur Redakteurin machte Engelke 1986 beim Radiosender SWF, dem sie als Moderatorin lange treu blieb. Den Fernseh-Durchbruch brachte die „Wochenshow“ ab 1996, zwar auch mit Moderationselementen, aber vor allem mit skurrilen Figuren wie Ricky. Detlev Bucks „LiebesLuder“ läutete Engelkes Filmkarriere ein; es folgten Nebenrollen in „Germanikus“, „Vom Suchen und Finden der Liebe“, „Vollidiot“ und in diversen Kinder- und Jugendfilmen. JAN SCHLIECKER -kultur.de Me Mein e in i Lesezeichen roter teppich Trotz schwerer Krankheit optimistisch: Eddie Redmayne als Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ „An Hawking ist überhaupt nichts Tragisches“ Eddie Redmayne über „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, Stephen Hawking und das Streben nach Perfektion Mit zwei Rollen hat sich der 1982 in London hen einem viel weniger Mittel zur Verfügung… halte. Er brauchte fünf Minuten für seine kurze geborene Eddie Redmayne in die Top-Liga Hol- Es war sehr sonderbar und vollkommen un- Antwort, weil er seinen Computer nur mit seinen lywoods gespielt. In der Miniserie „Die Säu- gewohnt für mich. Hawking kann kaum einen Augenbewegungen steuert. Und er sagte: „Ich len der Erde“ nach Ken Follett verkörperte er Muskel bewegen, eigentlich nur ein paar um sei- werde Dir sagen, was ich davon halte, sei es gut ne Augen herum. All die Mög- oder sonst wie.“ Ich erwiderte: „Danke Stephen, den Steinmetz Jack, und in lichkeiten, die wir mit unseren sollte es sonst wie sein, dann sag einfach ‚sonst der Musicalverfilmung „Les „Irgendwann erkennt man, Gesten, unserer Stimmlage wie‘.“ Aber sein Urteil war unglaublich großzüMisérables“ überzeugte er an dass man Perfektion nie erreichen wird“ und unseren Ausdrucksmög- gig. Man muss wissen, dass er das Copyright auf der Seite von Hugh Jackman lichkeiten haben, kanalisieren seine Computerstimme besitzt. Als wir den Film auch als Sänger. Nach bemerkenswerten Arthouse-Filmen wie „Wilde sich bei ihm in diesen Muskeln, die er benutzen drehten, benutzten wir eine synthetische AnnäUnschuld“, „Das gelbe Segel“ oder „My Week kann. Die größte Anomalie bei Stephen Hawking herung an diese Stimme. Aber nachdem er den with Marilyn“ kann er sich nun mit seiner besteht darin, dass er, obwohl er nur so weni- Film gesehen hatte, erlaubte er uns, seine Stimme Darstellung des an ALS erkrankten Physikers ge Muskeln bewegen kann, eines der charisma- zu benutzen! Stephen Hawking Hoffnung auf einen Oscar tischsten Gesichter hat, die man sich vorstellen machen. „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ kann. Ich hatte einige Dokumentarfilme mit ihm Was erhofften Sie sich auf der Bühne oder vor auf meinem iPad. Dann habe ich immer gewartet, der Kamera zu finden, als Sie als Schauspieler startet am 25.12. in den Kinos. bis ich alleine im Raum war, um mich vor den anfingen – und haben Sie es gefunden? engels: Mr. Redmayne, war diese Rolle die Spiegel zu setzen und zu üben, wie man diese Was auch immer man sich zu finden erhofft, man Muskeln bewegt, die man ansonsten eigentlich wird es nie finden. Aber das spornt einen an, weil schwierigste, die Sie bislang gespielt haben? Eddie Redmayne: Ich habe vor einiger Zeit in nicht bewegt, die er aber zu benutzen gelernt man nach Perfektion strebt und hofft, sie eines Ungarn den Fernsehzweiteiler „Birdsong“ ge- hatte, weil es die einzigen sind, die er noch bewe- Tages zu erreichen. Aber irgendwann erkennt dreht, als mich Regisseur Tom Hooper, mit dem gen kann. Ich war sehr glücklich darüber, dass wir man, dass man diese Perfektion niemals erreiich befreundet bin, besuchen kam. Weil es einen einen Film gedreht haben, denn Film sieht alles. chen wird. Deswegen muss man lernen, den Weg engen Drehplan gab und es sich um ein großes Wenn ich Hawking auf der Theaterbühne gespielt dorthin zu genießen. Für mich sind jene Momente am ergiebigsten, in denen meine Filmfigur und Weltkriegsdrama handelte, habe ich Tom gesagt, hätte, wäre das noch viel schwieriger gewesen. ich für wenige Sekunden deckungsgleich sind. das sei das schwierigste Projekt, an dem ich je Bei diesem Film passierte das beteiligt war. Darauf meinte er: „Aber fühlt es Hatten Sie Angst vor Stefür mich in der allerletzten sich nicht jedes Mal so an?“ Und genau so ist es. phens Reaktionen auf Ihre NAH DRAN? [email protected] Szene, die wir drehten, in der Darstellung? Wir freuen uns auf Post. Felicity Jones und ich zusamWie war es für Sie, einen Mann mit einer tra- Ja, und wie! Ich hab da wirkmen im Bett in der Küche gischen Krankheit zu spielen, der noch am Le- lich ein paar Nächte nicht gut geschlafen (lacht). Ich habe mich blind in die Sa- sind. Stephens Bett wurde gerade in die Küche ben ist? Wenn man Stephen trifft, ist an ihm überhaupt che gestürzt und um die Rolle gekämpft, weil mir transportiert, und dort sitzt er nun zwischen all nichts Tragisches! Er ist das genaue Gegenteil. Er die Geschichte so gut gefiel. Erst nachdem ich die den Kissen, als sich Jane auf den Rand des Bettes lebt vorwärtsgewandt, er lebt leidenschaftlich, er Rolle bekommen hatte, wurde ich mir über die setzt. Es stand nicht im Drehbuch, aber ich sagte: lebt ein vollwertiges Leben. Und das macht ihn Verantwortung und das Gewicht bewusst, die da- „Danke!“ In diesem Augenblick ging dieser Dank zu solch einer tollen Figur für einen Schauspieler. mit verbunden sind. Stephen war bei unseren Be- in erster Linie an die Schauspielerin Felicity, weil Sein Charakter ist ganz anders, als man ange- gegnungen wirklich sehr liebenswürdig, aber er sie so viel harte Arbeit in diesen Film gesteckt sichts seiner Krankheit vielleicht erwarten würde, gehört nicht zu denjenigen, die einen aufmuntern hatte. Ich konnte mich nicht bewegen, konner steckt voll großartigem Humor. Er zeigt ganz und sagen: „Du kriegst das schon hin und wirst te dies und das nicht tun. Als ich danke sagte, wenige Schwächen. Für Stephen könnte seine toll sein.“ Er wollte den Film sehen, bevor er sein war das einer der Momente, in denen sich meine Krankheit kaum unwichtiger sein. Er ist über- Urteil abgeben würde. Aber so etwas gibt einem Filmfigur und ich überlappten. haupt nicht an ihr interessiert. Er ist jemand, der den Anstoß, noch härter an sich zu arbeiten. Ich INTERVIEW: FRANK BRENNER habe ihn noch einmal getroffen, unmittelbar beeinfach nur leben möchte. vor er sich den Film angeschaut hat. Ich gestand Lesen Sie die Langfassung unter: Es war sicherlich schwierig, jemanden zu spie- ihm, dass ich ziemlich nervös sei, dass er mir www.engels-kultur.de/roter-teppich len, der sich kaum bewegen kann – dann ste- aber danach unbedingt sagen solle, was er davon Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 18 -kultur.de Me Mein e in i Lesezeichen film-kritik Honig im Kopf D 2014 - Komödie / Drama - 139 Min - ab 6 J. - Regie: Til Schweiger Eddie Redmayne in der Rolle des Erforschers von Raum und Zeit Denken ohne Grenzen „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ von James Marsh Start: 25.12. Til Schweiger inszeniert dieses Alzheimer-Drama mit Dieter Hallervorden („Sein letztes Rennen“) in der Rolle des Familienoberhaupts, das schleichend sein Gedächtnis verliert. Als sein Sohn (Schweiger) den einstigen Lebemann ins Heim schicken will, schnappt sich Enkelin Tilda (Emma Schweiger) ihren Opa und entführt ihn Richtung Italien. Tragikomisches Roadmovie. HE Biografisches Drama über Leiden und Schaffen von Stephen Hawking. C Berührendes Biopic Cambridge im Jahr 1963. Nach dem Abschluss seines Studiums widmet sich der aufstrebende Kosmologe und Mathematiker Stephen Hawking (Eddie Redmayne) seiner Promotion. Der junge Mann hat Großes vor und arbeitet an einem nächsten Forschungssprung. Sein Streben gilt der einen einheitlichen Gleichung, die den ganzen Kosmos erklärt. Privat ist der Nerd gut drauf und humorvoll, weist aber keine Erfolge auf in Liebesdingen. Das ändert sich, als Hawking der Kommilitonin Jane (Felicity Jones) begegnet. Die beiden werden ein Paar. Dann der tragische Einschnitt: Hawking erkrankt an ALS. Das Nervenleiden beeinträchtigt seine motorischen Bewegungsabläufe und befällt ihn zunehmend mit Lähmungserscheinungen. Jane hält zu ihm. Die Ärzte geben ihm noch zwei Jahre. Am 8. Januar 2015 Januar wird Stephen William Hawking 73 Jahre alt. Der Astrophysiker hat nicht nur mehrere Kinder in die Welt gesetzt, sondern auch die eine oder andere umwälzende Idee in Sachen Quantengravitation und schwarzen Löchern. Doch Achtung: Wer sich in diesem Drama eine populärwissenschaftliche Aufbereitung seiner Theorien erhofft, der sitzt hier falsch. Regisseur James Marsh („Man on Wire“, „Shadow Dancer“) verliert sich erst gar nicht in wissenschaftlichen Details, die im Rahmen eines solchen Filmes ohnehin nicht zufriedenstellend aufzuschlüsseln wären. Der Film gibt zwar grundlegende Einblicke in Ideen, Denkanstöße und vermittelt die Bedeutung der Erkenntnisse Hawkings. Vor allem aber konzentriert sich das Drama auf das schicksalsgebeutelte Privatleben des Genies. Darauf, wie Hawking seine Energien darauf setzt, sein Wissen und Forschen mit der Behinderung zu vereinbaren. Und wie er sich dabei origineller Hilfsmittel bedient. Die literarische Vorlage zu diesem bewegenden Film bildet damit denn auch nicht Hawkings Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“, sondern die Biografie seiner ersten Ehefrau Jane. Das hätte in einer Fernsehschmonzette enden können. Diese Adaption jedoch gestaltet sich als ein zärtlich erzähltes Drama. Wir folgen dem Streben eines Genies nach der einen Formel. Wir erleben ein Behindertendrama fernab von eherner Rührseligkeit und verklärtem Pathos. Und wir sehen einen Liebesfilm, der dem Paar von der schüchternen Annäherung bis hin zur Krise und wieder heraus folgt, ohne dabei Kitsch auch nur zu streifen. Vielleicht gibt es ein Zuviel an Gutmenschen in diesem optimistischen Film, der sich damit als Weihnachtsfilm geradezu aufdrängt. Doch auch dieses Übergewicht wirkt in keinem Maße verklärt. 2004 schlüpfte bereits Benedict Cumberbatch („The Imitation Game“) für eine BBCProduktion in die Rolle des begnadeten Forschers. Nun verkörpert Eddie Redmayne („My Week with Marilyn“) Hawking als sympathischen, optimistischen, vor allem aber humorerfüllten Forscher und Familienvater. Ein charmanter Forscher, ein kluger Feingeist, der trotz aller körperlicher Einschränkungen leidenschaftlich an seinem Credo festhält: Dem Streben nach grenzenlosem Denken. HARTMUT ERNST Let’s Be Cops – Die Party Bullen USA 2014 - Action / Komödie - 105 Min - ab 12 J. - Regie: Luke Greenfield Start: 8.1. „Falsche Cops – echter Ärger“. Damit ist grundsätzlich alles gesagt. Zwei Freunde (Damon Wayans Jr., Jake Johnson), die ansonsten nicht viel auf die Kette kriegen, verkleiden sich als Polizisten und patrouillieren die Straßen von Los Angeles. Das sorgt zuerst für Respekt und dann für jede Menge Probleme. Wir freuen uns derweil schon auf „Let’s Be Docs“ usw. Überdrehter Spaß. HE engels verlost 1 Film-Paket bestehend aus 2 Karten, Plakat, Dosenkühler und Cap. E-Mail bis 11.1. an [email protected], Kennwort: Cops The Best of Me – Mein Weg zu dir USA 2014 - Drama / Lovestory - 118 Min - Regie: Michael Hoffman Start: 8.1. Dawson (Luke Bracey) und Amanda (Liana Liberato) waren ein Paar. Durchs Schicksal getrennt, begegnen sich Amanda (Michelle Monaghan) und Dawson (James Marsden) nach zwanzig Jahren wieder. Gibt es eine zweite Zukunft? Liebesmelodram nach der Vorlage von Nicholas Sparks („Wie ein einziger Tag“). Für Menschen, die statt „Tatort“ lieber das andere da im Zweiten gucken. HE Annie USA 2014 - Kinderfilm / Musical - 119 Min - o. Altersb. - Regie: Will Gluck Start: 15.1. DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT Mill Valley 2014: Publikumspreis, J. Marsh GB 2014 - Drama / Biographie - 123 Min - o. Altersb. - Regie: James Marsh mit: Eddie Redmayne, Felicity Jones, Charlie Cox Start: 25.12. Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 19 Quvenzhané Wallis hat uns bereits in „Beasts of the Southern Wild“ verzaubert. Nun spielt sie die kleine Annie aus New York, die unter der Obhut einer garstigen Pflegemutter auf die Rückkehr ihrer Eltern wartet. Währenddessen versucht politisches Gesindel, das Mädchen für die Bürgermeisterwahl zu instrumentalisieren. Familientaugliche Broadway-Verfilmung. HE -kultur.de Mein Lesezeichen film-kritik 3 Türken und ein Baby D 2014 - Komödie - 99 Min - o. Altersb. - Regie: Sinan Akkus Herz aus Stahl Start: 22.1. USA 2014 - Action / Kriegsfilm - 134 Min - ab 16 J. - Regie: David Ayer Start: 1.1. Die drei deutschtürkischen Brüder Celal (Kostja Ullmann, „Coming In“), Sami und Mesut sind eigentlich alt genug, um erwachsen zu sein. Aber so etwas verlangt nach Verantwortung, und der sind die Jungs bisher erfolgreich aus dem Weg gegangen. Dann baut Celal Mist und die Brüder müssen sich um das Baby seiner Ex-Freundin kümmern. Komödie von Sinan Akku? („Evet, ich will“). HE Der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende. US-Sergeant Wardaddy (Brad Pitt) indes kämpft verzweifelt mit seiner Panzer-Besatzung (u.a. Shia LaBeouf, Michael Peña) ums Überleben. Ein gefallener Soldat wird durch einen unerfahrenen Rekruten ersetzt, das deutsche Kriegsgerät ist überlegen. Regisseur David Ayer („End of Watch“) inszeniert einen schonungslosen Kriegsfilm. HE Doktor Proktors Pupspulver Exodus: Götter und Könige N/D 2014 - Kinderfilm - 88 Min - o. Altersb. - Regie: Arild Fröhlich Start: 15.1. Warum sollte man gelegentliche Blähungen nicht zur Fortbewegung durch die Lüfte nutzen? Fragt sich Doktor Proktor (Kristoffer Joner) und macht just die titelgebende Erfindung daraus. Der Vorteil an der Sache: Der innovative Raketenantrieb stinkt nicht. Der Nachteil: Ein Bösewicht will die Formel klauen. Nordisch frecher Kinderspaß mit Anke Engelke als Patentamts-Chefin. HE GB/USA/E 2014 - Drama - 157 Min - ab 12 J. - Regie: Ridley Scott Start: 25.12. In jüngster Zeit produziert Hollywood vermehrt aufwendige Bibelverfilmungen und verwandelt die Kinos in christliche Gotteshäuser. Nachdem Russell Crowe den Noah verkörperte, gibt Christian Bale nun den Moses. Unter der Regie von Altmeister Ridley Scott stellt sich der biblische Held dem Pharao Ramses (Joel Edgerton) entgegen und teilt das Meer. Weihnachtsspektakel. HE engels verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 4.1. an [email protected], Kennwort: Exodus Mucize – Wunder TRK 2014 - Drama - 136 Min - ab 6 J. - Regie: Mahsun Kirmizigül Start: 1.1. 1961. Als der Lehrer Mahir in den provinziellen Osten der Türkei versetzt wird, traut er seinen Augen nicht: In dem Ort gibt es keine Schule. Also muss man improvisieren. Zugleich verlangt Mahir, dass auch Mädchen den Unterricht besuchen sollen. Mit Aziz kommt noch ein Klassenkamerad dazu, der 34 Jahre alt ist und behindert. Dann bricht ein harter Winter herein. Drama. HE EIN FILM VON PAOLO VIRZI 96 Hours – Taken 3 F 2014 - Action / Thriller - 107 Min - ab 12 J. - Regie: Olivier Megaton Start: 8.1. Noch einmal darf Liam Neeson den Ex-Top-Agenten Bryan Mills geben. Diesmal wird ihm ein Mord in die Schuhe geschoben. Das lässt der erfahrene Haudegen natürlich nicht ungestraft und begibt sich auf die Fährte des wahren Killers. Nicht nur die Polizei unter Leitung von Inspector Dotzler (Forest Whitaker) ist ihm auf den Fersen. Actioner aus der Besson-Schmiede. HE Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 20 -kultur.de Me Mein e in i Lesezeichen filmwirtschaft 2015 Januar SALON de 03.01. SALSA Kinotickets und DVDs stützen die Filmförderung, Foto: Jan Schliecker Ein mäßiges Jahr …und was sonst noch so war Beim Lesen dieser Zeilen steht die Jahresabrechnung der Besucherzahlen für 2014 noch aus. Doch schon heute dürfte klar sein, dass sie hinter den beiden Vorjahren zurückliegen und auch die Umsatz-Milliarde durch Kinotickets knapp verfehlt werden dürfte. Dies lag insbesondere an der 6-wöchigen Filmflaute während der WM, die in fast allen Ländern festzustellen war. Die fehlenden Besucher wirken sich bei den Kinos durch die ebenfalls fehlenden Umsätze im Bereich von Süßwaren und Getränken sowie Werbeeinnahmen stärker aus als bei den Filmverleihern, die schon Mitte November den drittbesten Verleihumsatz feierten. Dennoch wollen die Verleiher gemeinsam mit den Kinobetreibern im neuen Jahr zahlreiche Maßnahmen ergreifen, nicht nur die Kinoabstinenten wieder in die Säle zu holen, sondern auch die Bestandskunden zu häufigeren Besuchen zu animieren. Hierzu soll die nunmehr auch softwaremäßig unterstützte breite Markteinführung des papierlosen Tickets, also mit dem online gekauften Barcode direkt in den Saal zu können, ebenso beitragen wie Investitionsmaßnahmen in Komfort und Ausstattung der Kinos. Erneut hat Achim Flebbe, der der deutschen Kinolandschaft immer wieder wichtige Impulse gibt, vorgemacht, wie es gehen könnte. Sein 1991 in Hannover gebautes erstes Multiplex wurde nun nach einer grundlegenden Sanierung in ein sogenanntes Grand Cinema umgebaut. Große Ledersessel, Garderobe, Service am Platz und vieles mehr bietet eine Qualität, für die viele Besucher zu zahlen bereit sind. Zum Jahresende formieren sich auch die einzelnen Verbände, um sich mit der Novelle des Filmförderungsgesetzes zu befassen. Nach der höchstrichterlichen Bestätigung des Gesetzes gilt es nun einerseits die Finanzierung der Filmförderung zu sichern, andererseits verfolgen die einzahlenden Gruppen eine Beitragsreduzierung und die einnehmenden Gruppen höhere Quoten. Die Kinobranche ist mit rund 25 Mio. Euro größter Einzahler, gefolgt von der Videowirtschaft, die bislang rund 15 Mio. einzahlte. Allerdings wird eine erfolgreiche Klage ab sofort dazu führen, dass die Abgabe auf DVDs auf rund 10 Mio. schrumpft. Das Gesetz sieht vor, dass Bildträger mit einer Länge von mehr als 58 Min. die Abgabe zu bezahlen haben, doch das Gericht entschied im Herbst, dass nicht die Gesamtlänge des Inhalts, sondern lediglich die Einzeltitel zu berücksichtigen seien. Eine DVD mit mehreren 45-minütigen Folgen einer Serie ist somit nicht mehr abgabepflichtig. Die so entstehende Lücke von mindestens 5 Mio. Euro wird nicht ohne weiteres zu schließen sein, da weder die Telekommunikationsunternehmen noch die im Ausland angesiedelten Programmanbieter wie Amazon oder iTunes zur Kasse gebeten werden können. Die von den Kinos entrichtete Filmabgabe ist aktuell in vier Klassen zwischen 0 % und 3 % vom Kartenumsatz aufgeteilt. Alle wünschen sich hier einen einheitlichen Satz, der gerechter ist und unnötige Bürokratie abbauen könnte. Kulturstaatsministerin Grütters nimmt ihre Arbeit für den Film ernster als es zunächst schien. Zwar konnte auch sie den Finanzminister nicht daran hindern, die Fördermittel für den DFFF (Deutscher Filmförderfonds) von 60 auf 50 Mio. zu kürzen, immerhin konnte sie aber diese Summe für drei Jahre festschreiben. Für Deutschland als Filmnation dürfte auch die Vertragsverlängerung von Dieter Kosslik als Chef der Berlinale nicht unwichtig sein. Damit werden auch weiterhin internationale Stars den roten Teppich beschreiten. KIM LUDOLF KOCH TEN YEARS 15.01. AFTER SIMON 16.01. & JAN &ŽƌƵŵDĂdžŝŵƵŵƉƌćƐĞŶƟĞƌƚ͗ KONRAD BEIKIRCHER 17.01. UNI POP 18.01. 22.01. CLAUDIO + LI MURA 23.01. Seniorentanztheater W´tal EKO 29.01. FRESH JUST PINK 30.01. ANNA 31.01. LUCA Vorschau Februar WINGENFELDER 05.02. SALON de SALSA 07.02. COLOSSEUM 11.02. KINGS OF FLOYD 20.02. BOUNCE 21.02. JAN PLEWKA 27.02. & MARCO SCHMEDTJE DIE BARMER 28.02. KÜCHENOPER 02.03. Live Club Barmen Geschwister-Scholl-Platz - Wuppertal w w w. l i v e c l u b - b a r m e n . d e Mit freundlicher Unterstützung: Förderverein HDJ & LCB Mein Film, mein Kino, meine Meinung M Mein e Lesezeichen 21 wortwahl comickultur LAST-MIN-X-MAS 2014 Kinderkram Upps!? Schon wieder vier Lichtlein an und schon wieder vergessen, mal früher an die Weihnachtspräsente zu denken (geschweige denn mal zwischendurch der feinsinnigen Kunst des Schenkens zu frönen). Aber vielleicht helfen die diesjährigen Last-Minute-Tipps aus der Bücherwelt nebenbei auch diesem Übel auf die Schliche zu kommen. Der Berliner Verlag Reprodukt hat vor einiger Zeit eine scheinbare Tautologie in ihr Programm aufgenommen: Kindercomics. Aber es ist lange her, dass man unwidersprochen Comics mit Kinderkram gleichsetzen konnte (auch wenn „Kinderkram“ eigentlich nicht negativ belegt sein sollte). Spätestens der Boom der Graphic Novel hat auch dem letzten die Augen dafür geöffnet, dass der Comic ein erwachsenes Medium ist. Da muss man fast schon wieder für Kindercomics werben, zumindest, wenn man etwas anderes als die Klassiker von Gallien bis Entenhausen meint. Luke Pearsons „Hilda“ ist ein solcher Comic: Wunderschön gezeichnet und mit ungebändigter Fantasie erzählte Pearson in den bislang drei Geschichten von der kecken Protagonistin, die allerlei Geister und Trolle, Winzlinge und Riesen oder auch einen winzigen Riesenvogel kennenlernt. Immer siegt bei ihr die Neugierde über die Angst, wenn es im Gebüsch raschelt, im Erdreich grummelt oder hinter dem Schrank poltert. Mit „Hilda und der schwarze Hund“ erscheint nun ein vierter Band in der überaus schön gestalteten Reihe, die Erstleser, aber auch ältere Kinder mit Genuss lesen können: Um Pfadfinder geht es, aber auch um Hausgeister und einen riesigen schwarzen … hm … Hund? Ein Abenteuer aus einer fantastischen Welt voller fabelhafter Wesen – längst nicht nur für Kinder (Reprodukt). Lesestoff zum Jahreswechsel Comics für Kinder jenseits des Mainstreams Belletristik: Philip Teir: „Winterkrieg“ [Blessing]: Vom Verlust der Verlustierung. Materielle Sicherheit und die Vergötterung der Individualität erweisen sich in diesem scharfsinnigen Gesellschaftsroman à la Richard Yates als Totengräber der genussvollen Intimität. / Franz Dobler: „Ein Bulle im Zug“ [Tropen]: Auf dem Dampfross. Nachdem er fatalerweise einen Kollegen erschossen hat, wird ein Kommissar zum Hobo, um auf seiner ziellosen Zugreise durch Deutschland Licht in sein Dunkel zu bringen und gleichzeitig den tödlichen Zwischenfall hinter sich zu lassen. / Wolfgang Schweiger: „Duell am Chiemsee“ [Pendragon]: Ein Wolf im Schafspelz; und das gilt nicht nur für den Helden, der seine Rockervergangenheit hinter sich geglaubt hat, sondern auch für den Roman, der nur oberflächlich als idyllischer Lokalkrimi rüberkommt. Sachbuch: Carl Hoffman: „Tödliches Paradies“ [Bertelsmann]: Ein Sachbuch wie ein Thriller. Ein „Dangerseeker“ begibt sich in die „Hölle WestNeuguineas“, um unter Kannibalen und Kopfgeldjägern den mysteriösen Tod Michael Rockefellers aufzuklären. / Daniel Defoe: „Libertalia. Die utopische Piratenrepublik“ [Matthes&Seitz]: Radikaler Wagemut mit ‚Ansteckungsgefahr‘. Der Augenzeugenbericht aus dem 18. Jahrhundert lässt die basisdemokratischen Sozialvorstellungen der Wegelagerer der Meere aufleben. / Ute Mahler (Text: Sibylle Berg): „Zusammenleben“ [HatjeCantz]: Menschliche Fassaden hinter der Mauer. Cool und sensibel zugleich entpuppt sich der DDR-Fotozyklus der Autorenfotografin als erinnerungswie denkwürdiger Spiegel privater Interaktion, in dem die Geschichte das Szenenbild stellt. Popkultur: Jonathan Lethem: „Talking Heads – Fear of Music“ [Tropen]: Ein Album anstelle meines Kopfes. Der Untertitel macht bereits deutlich, mit welch brachialer Inbrunst wir uns (zumindest in der Jugend) popkulturellen Meisterwerken hingeben. Alles, jedes einzelne Detail erhält eine Wichtigkeit/Bedeutung, die von nun an unser Leben bestimmt; bei dem 79er-Geniestreich der New Yorker Band natürlich völlig zu Recht. / Leonard Cohen: „Almost Young“ [Schirmer/Mosel]: Bewegende Bilder von der poetischen Kraft eines begnadeten Musikers. Eigentlich wollte er Schriftsteller werden, doch der überraschende Erfolg einiger vermeintlich dahingeklampfter Songs machten ihn zum heutigen Grandseigneur unter den Singer/Songwritern. / Max de Esteban: „Heads Will Roll“ [HatjeCantz]: Mal durchzogen von prostierend-harten Gitarrenriffs, dann wieder sich melancholisch in postnuklearen Soundscapes verlierend. Beim Anblick der grandios komponierten Fotocollagen gerät man unweigerlich in einen Sog, der an opulente technoide Industrial-Hymen erinnert, um sich mit dem Schlussakkord eingestehen zu müssen, dass man selber längst der multimedialen Überfrachtung erlegen ist. – Zeit, runterzubremsen. Vielleicht klappt‘s dann nächstes Jahr auch früher mit den Geschenken. Auch hier raschelt und grummelt es im Gebüsch – für Kinder ist „Safari Honeymoon“ aber wohl nicht geeignet. Ein frisch vermähltes Paar genießt die Großwildjagd mit einem fürsorglichen Guide. Der Dschungel ist allerdings höchst ungewöhnlich, und Gefahren lauern überall: giftige Pflanzen, psychedelische Parasiten – ein Albtraum jagt den nächsten. Jesse Jacobs hat eine blühende Fantasie – im wahrsten Sinne des Wortes: Die Natur strotzt nur so vor giftigen, alles fressenden Wesen, die permanent unsere Urängste heraufbeschwören. Und dann steht sich der Mensch auch noch selbst im Weg! Gezeichnet ist diese dunkle Wunderwelt ganz akribisch in faszinierendem Giftgrün (Rotopolpress). Jan Soekens Debüt „Friends“ basiert auf einer Zeitungsnotiz: Zwei Freunde wandern zu einem Treffen des Baden Württembergischen Ku-Klux-Clans. Im Wald verlaufen sie sich und geraten aneinander – der Tonangeber bekommt plötzlich Gegenwind. Dann stehen sie vor einem Zwinger mit einem dreibeinigen Hund ... Die tragikomische Geschichte ist in flüchtigen Bleistiftzeichnungen gehalten, die die Albernheit, aber auch das tragisch unbeholfene der Figuren transportieren (avant verlag). Julie Birmant und Clément Oubrerie widmen sich in „Pablo“ Picassos frühen Künstlerjahren. Aus der Perspektive seiner ersten Geliebten Fernande Olivier erzählen die bisher drei Bände von Picassos Kampf um Anerkennung und einen eigenen Stil. Die sehr schönen Zeichnungen von Oubrerie („Aya“) verströmen die Aura des wilden Lebens am Montmarte. Im aktuellen vierten Band „Matisse“ reisen Pablo und Fernande in die spanische Heimat des jungen Künstlers und lernen den Kollegen Matisse kennen – Picassos großen Konkurrenten. Picassos Arbeit ist zunehmend von Erfolg gekrönt, und mit dem Kubismus findet er schließlich seine Ausdrucksweise. Seine Besessenheit – die Geistesblitze wie der Wahn, aber auch der normale Alltag zwischen Saufgelage, Streitereien mit Fernande und Geldsorgen fangen die Autoren schwung- und humorvoll ein, die Bilder sind eine Augenweide (Reprodukt). CHRISTIAN MEYER LARS ALBAT engels verlost ein Exemplar von „Ein Bulle im Zug“. E-Mail bis 25.1. an [email protected] Kennwort: „Bulle“ engels verlost Luke Pearsons „Hilda und der schwarze Hund“. E-Mail bis 25.1. an [email protected] Kennwort: „Hilda“ 22 improvisierte musik in NRW klassik an der ruhr Simion hat Grund zum Feiern, Foto: Christoph Giese Weltgeiger Frank Peter Zimmermann, Foto: Harald Hoffmann hänssler CLASSIC Zeitensprung Von Finnen und Dänen Von Olaf Weiden Es war ein gigantischer Sprung in der gut 50-jährigen Lebensspanne von Nicolas. In seiner Kindheit in Transsilvanien gab es keine Gasleitungen oder fließendes Wasser aus dem Hahn. Er hütete in den Ferien Schafe, machte auf dem Feld Heu oder erntete in den Ferien Kartoffeln. Auch in seinem Dorf ist die Zeit nicht stehen geblieben. Nicolas: „Heute gibt es Gas, Strom und Wasser. Nur politisch und wirtschaftlich ist es eine Katastrophe geblieben. Die Hoffnung auf ein besseres Leben stirbt gerade in der Jugend, die „Sehr einfach, sehr direkt und sehr emotional“ jungen Studenten wollen alle ins Ausland.“ Von Olaf Weiden Theodor W. Adorno war ein bissiger Hund; natürlich ein schlauer Kerl. Aber seine Urteile und Verurteilungen blieben oft zweifelhaft. So hatte er besonders den nordischen Tonsetzer Jean Sibelius im Visier, als er in einer Glosse dessen sinfonische Themen geißelte: „Diesen Tonfolgen widerfährt sehr früh ein Unglück, etwa wie einem Säugling, der vom Tisch herunterfällt und sich das Rückgrat verletzt.“ „Wie ein Säugling, der vom Wenn jetzt die Temperaturen auch an Tisch herunterfällt“ Rhein und Ruhr etwas nordischer sind, erinnern die Duisburger Philharmoniker sehr früh im Jahr an den anstehenden 150. Geburtstag des finnischen Meisters Sibelius, u.a. mit seiner übersichtlichen Tondichtung „Finlandia“, die als Nationalprodukt hundertfache Bearbeitung und tausendfache Interpretation erfuhr. Nicolas Simion erhält WDR Jazzpreis für Improvisation Die Duisburger Philharmoniker feiern Geburtstage In Köln lebt der „Karpaten-Coltrane“ – so bezeichnete ihn einstmals ein Journalist – in der Südstadt. Leicht ist es nicht, mit Jazzmusik sein Leben zu finanzieren. Er arbeitet seit Jahren an Musikschulen. Nicolas will, dass seine Musik gut ankommt: „Ich habe für mich herausgefunden, dass besonders Stücke die Leute gut erreichen, die sehr einfach, sehr direkt und sehr emotional sind.“ Das klingt nach den Menschen in seiner Heimat, denen der Saxophonist und Komponist nun melden darf, er habe den WDR Jazzpreis 2015 gewonnen. Was sagen die zu seiner beachtlichen internationalen Karriere? „Meine Familie ist immer noch sehr erstaunt, wie man mit einer solchen Musik weiterkommen und davon leben kann. Reich werde ich nicht damit, das war nie meine Absicht. Aber ich stehe auf diese Musik und ich denke, das ist das Beste, was ich machen kann.“ Seit er in Wien zum Studium landete, rückte der Wert und die Einzigartigkeit der Musik seiner Heimat in sein Bewusstsein und schlich sich in sein Werk. Auch dieser Rückgriff auf die eigenen Roots, ein authentisches Lebensthema, kam den Juroren des WDR preisverdächtig vor. Es ist wunderbar, dass ein so vielfältig interessierter und wacher Musiker wie Nicolas Simion, der ohne Paukenschläge wirkt, bedacht wurde. Olaf Weiden Musiker und Musikkritiker Die Verleihung findet in diesem Jahr im Konzerthaus Dortmund statt und wird gleichzeitig in das WDR Jazzfest im Domicil eingebunden. Die Show mit den anderen musikalischen Preisträgern, dem Komponisten Tobias Wember – sein Werk spielt traditionell die WDR Big Band – und der Brühler Big Band „Curuba Jazzorchester“ wird von Professor Bop moderiert – hinter dieser Kunstfigur verbirgt sich Götz Alsmann, von seinen Fans liebevoll Götzi genannt. Repräsentativer für den Komponisten wirkt aber sein Violinkonzert, trotz Adornos Verleumdung ein Repertoirestück aller großen Geigenvirtuosen. Und da in Duisburg ein solcher geboren wurde, gab dies den erfreulichen Anlass, Frank Peter Zimmermann zu diesem Fest einzuladen – ein echter Weltstar aus der Hafenstadt. Er spielt das Instrument des österreichischen Paganini Fritz Kreisler, der mit seinen unglaublich kurzweiligen und faszinierenden Charakterstücken 1935 eine echte Bombe platzen ließ: Nachdem er sie jahrelang als Werke berühmter Komponisten in seinen Konzerten gespielt hatte, enttarnte er sie nun als eigene Kompositionen. Solche Späße mögen Musikkritiker nicht wirklich gern. Das hört aber niemand der Geige an. Und Zimmermann, der aktuell mehrfach in der Blüte höchster Spielkultur gewähnt wurde und z.B. den Echo Klassik Preis als Instrumentalist des Jahres 2014 erhielt, ist genau der Mann, der diesem etwas halsstarren Stück einen genialen musikalischen Bogen abgewinnen kann. Er tourt gerade mit dem Konzert, denn eine Woche später spielt er es beim WDR in Köln. Zimmermann, dessen Sohn Serge auch bereits als Geiger Meriten verdienen konnte, feiert just im kommenden Monat seinen 50. – das passt doch herrlich nicht nur zu Sibelius. Zahlreiche lohnende Komponisten stammen aus dem hohen Norden, so auch der unter ihnen berühmtere Däne Carl Nielsen. Wir erinnern uns ebenfalls an seinen 150. Geburtstag, was bestens in das Jahresprogramm passt. Denn GMD Giordano Bellincampi hat seinen Nielsen-Zyklus bereits früher begonnen. Jetzt erklingt „Das Unauslöschliche“, eine Sinfonie aus dem Jahre 1916, als Reflexion auf den grausigen Ersten Weltkrieg. Das Werk endet in einem Duell zweier Pauken: Die rollen diesmal für die geballten Jubilare in diesem tollen Konzert. WDR 3 Jazzfest | 28.1.-30.1. | Domicil, Dortmund wdr3.de/musik/jazzbeiwdr3/jazzpreis160 Preisverleihung: WDR Big Band Köln | Fr 30.1. 20 Uhr Konzerthaus Dortmund | 0231 22 69 62 00 | www.nicolassimion.com „Nordische Meister“ | Mi 7.1. & Do 8.1. 20 Uhr | Theater am Marientor Duisburg | www.duisburger-philharmoniker.de 23 kompakt disk klassik am rhein Generationenwechsel Stabübergabe in der Popgeschichte Panda Bear, ein Viertel vom Animal Collective, veröffentlicht mit „Panda Bear Meets the Grim Reaper“ bereits sein fünftes Soloalbum. Der Beach Boys-Einfluss ist nicht wegdiskutierbar, das IDM-Interesse ist nach wie vor hörbar, und die Musik des Animal Collective ist auch bei den Soloprojekten sehr präsent. Das tolle neue Album ist relativ poppig, Nervosität und verschwurbelte Strukturen muss hier aber niemand missen (Domino). Dean Blunt, zusammen mit Ina Copeland einst als Hype Williams unterwegs, ist sehr umtriebig und bereist einen komplett eigenen Kosmos. Das war zwar auch schon früher so, jetzt sind aber die Schärfen und die Clubelemente früherer Platten verschwunden. Diese verrauschten Songs – nicht Tracks – erinnern entfernt an Soul, an Indie-Pop, an melancholisches New-WaveFeeling und schlafwandeln sich mit ihrer schnoddrigen Art in ein Paralleluniversum zartester Schönheit. Als Gastsängerin hört man die betörende Joanne Robertson (Rough Trade). Die Compilationreihe „Le Pop“ hat aktuelle französische Popmusik hierzulande auf die Landkarte gebracht. Mit „Le Pop 8“ kommt schon die zehnte Ausgabe – die beiden Specials mit Frauen und Duetten mitgezählt. Die beiden Kölner Macher des Labels, Oliver Fröschke und Rolf Witteler, ruhen sich keinesfalls auf ihrem Erfolg aus: Zehn der 16 Stücke kommen von Newcomern. Und auch die stilistische Bandbreite unter dem Banner des Nouvelle Chanson ist denkbar groß (Le Pop). Nach „Hardcore Traxx“ mit Material aus den späten 80er und 90er Jahren erscheint auf Strut nun mit „Ghetto Madness“ eine zweite Compilation mit Stücken des Labels Dance Mania, das den rauen, pumpenden Ghetto House der 90er Jahre, der wiederum direkt zum Chicago Juke führte, definierte. Mit dabei sind Steve Poindexter, Paul Johnson, Tyree Cooper oder DJ Rush; insgesamt 15 minimalistisch primitivistische Stücke versammelt die Compilation (Strut). „In C“ von Terry Riley ist ein Klassiker der Minimal Music und gilt vielen auch als die erste Komposition seiner Art. Das offen arrangierte, polyphon-perkussive Stück erinnert in seiner Klangfarbe auch an afrikanische Musik. Insofern war eine afrikanische Version wohl nur eine Frage der Zeit, die jetzt, zum 50-jähigen Jubiläum gekommen ist. An dem von African Express initiierten Projekt sind u.a. Brian Eno, Damon Albarn, Andi Toma von Mouse on Mars und André de Ridder beteiligt (Transgressive). In den 70er Jahren machte deutsche Popmusik unter dem Begriff Krautrock erstmals international von sich reden. Darunter zählte vor allem die Elektronik, die aus Berlin (Tangerine Dream, Klaus Schulze) und Düsseldorf (Kraftwerk, Cluster, Neu!) kam. Anhand von O-Tönen der Beteiligten erzählt Rüdiger Esch in „Electri_City“ von der „Elektronischen Musik aus Düsseldorf“ – von 1970 bis 1986 – von Kraftwerk bis Propaganda. Als O-TonCollage, wie man sie von Punk- und New-Wave-Büchern kennt („Please Kill Me“, „Verschwende Deine Jugend“) entfaltet sich ein detailreiches Bild der Szenen, das am spannendsten ist, wenn sich der Generationenwechsel zum Punk vollzieht, von Kraftwerk, La Düsseldorf, Neu! und Cluster zu Der Plan, DAF und Die Krupps, deren späterer Bassist Rüdiger Esch für dieses Buch auch mit Musikern von Wire, Heaven 17, Visage oder OMD, die die Düsseldorfer Szene beeinflussten oder von ihr beeinflusst wurden, gesprochen hat. Eine gleichnamige CD versammelt 13 Stücke von Düsseldorfer Bands aus der Zeit (Suhrkamp / Grönland Records). CHRISTIAN MEYER engels verlost 3 x das Buch „Electri_City“ plus CD! E-Mail bis 25.1. an [email protected] Kennwort: „Electri_City“ Zwei starke Typen: Bell und die „Gibson“, Foto: Eric Kabik Bogen auf der Beute Joshua Bell geigt Diebesgut Von Olaf Weiden Ein Geiger steht in der U-Bahn Washingtons, vor ihm der klassisch aufgeklappte Geigenkasten, gedacht für ein paar Münzen der Passanten, die an ihm vorbei hasten. Die Washington Post hatte den Weltstar-Geiger Joshua Bell, der bereits mit unter zwan„32,17 Dollar landeten zig Jahren in New Yorks Carnegie Hall im Kasten“ debütierte und heute heimische Gefühle für die ehrwürdige Halle entwickelt, vor einigen Jahren gebeten, mit seiner Stradivari auf höchstem Niveau für die Fahrgäste zu musizieren. Was dabei herauskam? Mehr als tausend Passanten in 43 Minuten, sieben blieben stehen, eine Person erkannte den mehrfachen Grammy- und Oscar-Preisträger. 32,17 Dollar landeten im Kasten. Niemand wurde stutzig ob des Könnens oder der besonderen Klangqualität der Millionen-Geige. Vor zwei Monaten wurde das Experiment, diesmal mit Ankündigung und jungen Mitmusikern wiederholt, da versammelte sich eine riesige Gemeinde und reckte ihre Smartphones und Handys in die Luft. Unbeabsichtigt hatte seine berühmte Geige einen ebensolchen Publikumstest absolviert. Die Story klingt wie ein erfundener Krimi: 1936 wurde die legendäre Stradivari „Gibson“ dem Virtuosen Bronislav Huberman während eines Konzerts in der Carnegie Hall entwendet. Bis in die Achtziger spielte ein Gelegenheitsmusiker dieses leicht kaschierte 300 Jahre alte Instrument, ebenfalls ohne im Kollegenkreis aufzufallen. Auf dem Sterbebett gestand er seiner Lebenspartnerin den außergewöhnlichen Wert dieses Schatzes. Bell hat sie 2001 gekauft. Kein Wunder, dass er sich in ein solches Instrument, heute als „Gibson ex Huberman“ geführt, unheilbar verliebt. Charakter sollte nicht nur der Musiker, sondern auch das Instrument haben. Bell, der sich gern auf experimentelles Parkett wagt und neben seinen zahlreichen Konzertveröffentlichungen auch schon mal Jazz und guten Pop mit Freunden produziert und eben als Filmmusiker („Die rote Violine“) aus dem Alltag ausschert, braucht einen edlen anspruchsvollen Partner. Deshalb ist es noch sensationeller, dass der Geiger seit drei Jahren das mit 500 Einspielungen rekordverdächtige Kammerorchester St Martin in the Fields als Musikdirektor betreut, das jetzt auf seiner Tournee auch Ruhrund Rheinland streift. Nicht nur mit Händels „Messias“ setzte der Gründer Sir Neville Marriner in den Sechzigern einen unbekannten Standard für Barockmusik auf Neuen Instrumenten. Heute musizieren die Engländer, die nach ihrer ursprünglichen Aufführungskirche in London benannt sind, längst auch klassische und romantische Konzerte: Jetzt stehen neben Beethovens Fünfter MendelsOlaf Weiden sohn und Bruch (in Essen) bzw. Mozart (in Köln) auf dem Musiker und Musikkritiker Programm. Das ist ein Sahnehäppchen zum Neuen Jahr. Academy of St Martin in the Fields, Joshua Bell Di 20.1. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | www.koelner-philharmonie.de Fr 23.1. 20 Uhr | Philharmonie Essen | www.philharmonie-essen.de 24 kunst & gut Jochen Stücke, Ohne Aussprache, 2007, Tusche laviert, Gouache, 26 x 36 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn Künstler unter Künsten Jochen Stücke mit dem „Pariser Album“ im Von der Heydt-Museum Auch unterhalb der Etage mit den spektakulären Ausstellungen zu Klassikern der Moderne passiert im Von der Heydt-Museum eine Menge. So hat sich eine lockere Ausstellungsfolge mit eher einzelgängerischen Positionen etabliert, die das Gegenständliche der letzten hundert Jahre bereichern, aber nicht aus den Angeln heben. Weniger, dass sie Stile begründen, als vielmehr, dass sie diese vertiefen und variieren. Die Künstler sind weitgehend vergessen oder für das große Publikum noch nicht entdeckt. Das gilt auch für den Zeichner Jochen Stücke, der 1962 in Münster geboren wurde und als Professor für Zeichnen und Druckgrafik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld unterrichtet. Jochen Stücke arbeitet mit der Zeichnung klassisch gegenständlich auf handwerklichem Fundament, im moderaten Format auf Papier, dabei impulsiv expressiv und skizzenhaft. Er sprengt das Format geradezu und treibt die Linie in alle Himmelsrichtungen. Seine Federzeichnungen wirken wie getrieben, fast manisch auf Schritt und Tritt, auch wenn das, was er zeigt, meist der eigenen kombinatorischen Erfindung folgt. Stücke übersetzt in Bilder, was er liest und an klassischer Kunst sieht. Dabei verknüpft er verschiedene Zeiten und Ebenen und erzeugt mitunter einen surrealen Ton. Alles ist vorübergehend, im Kippen begriffen und mit den Mitteln von Licht und Schatten atmosphärisch verdichtet. Fixpunkt und roter Faden seiner Kunst ist seit einem Jahrzehnt Paris, wohin er immer wieder reist und in die Kultur und Geschichte eintaucht. Auf dieses Themenfeld konzentriert sich nun die Ausstellung in Wuppertal, der es gelingt, Zusammenhänge deutlich zu machen und doch jede Zeichnung für sich zu würdigen. In einer inhaltlichen Gruppe nähert sich Stücke dem Maler Theodore Géricault, indem er auf Texte von Louis Aragon eingeht. In einer anderen widmet er sich Emile Zolas literarischer Auseinandersetzung mit dem Impressionismus in Paris. Und er verwebt assoziativ Kunstgeschichte mit Literatur. Dazu gehört ein Blatt, in dem Rodin Victor Hugo und Heming- 25 LUST AUF MEHR? [email protected] Wir freuen uns auf Post. way bei einem Gespräch über Balzac zeichnet. Nur auf den ersten Blick haben seine Blätter etwas von einer effektvollen Sepia-Zeichnung, die mit dem Infinito kokettiert. Denn Jochen Stücke geht gerade dem Raffinierten aus dem Weg. Die Linie stockt, verdichtet und wägt jedes Mal neu zwischen Konkretion und Abstraktion ab. Sie lotet zwischen Innen- und Außenraum aus und verschränkt diese durch Aussparungen und Auswaschungen. Stücke schafft Erinnerungsräume, in die wir als Publikum schauen. Mit seinen fiktionalen Episoden aus der Kulturgeschichte des vergangenen Paris tastet er sich an das Wesen der Seine-Metropole heran und fragt noch nach ihrer Zukunft. Und: Was ist aus der Geschichte geworden? Wie gehen wir heute mit unserem kulturellen Gedächtnis um, und was heißt das für das Heute? Die Fragen, die Jochen Stücke in seiner Kunst stellt, sind grundsätzlich und betreffen uns ganz direkt. Sie thematisieren unsere postmoderne Gesellschaft. Bei einzelnen Blättern hält indes alle Zeit still, die Zitate und die Anspielungen verschwinden fast ganz. Stücke hinterfragt die Existenz des Einzelnen, auch die eigene. Dies trifft im ersten Ausstellungsraum etwa auf das Bild „Besuch im Atelier“ zu, das noch Stückes feinsinnigen Umgang mit Farbe belegt und zwischen Realität und Illusion vermittelt. Ebenfalls mit (vermeintlicher) Leere handelt ein anderes Bild, das Dächer unter einem weiten lastenden Himmel zeigt. Einsamer war die Metropole, aus der tausende Antennen und Giebel aufragen, nie … Vielleicht ist das Werk von Jochen Stücke in seinen ruhigen Momenten doch am eindrucksvollsten. THOMAS HIRSCH Jochen Stücke: „Pariser Album“ | bis 22.2. | Von der Heydt-Museum 563 26 26 kunst in NRW ¡ KURSE Úé¡ Ȉ ̾ò Ȉ Ǧ¡Ǧ Ȉ Ǧ¡ AUSBILDUNGEN ̾ Ȉ ̾ PRÜ TE F AL I TÄT T ® ADA RIP GE QU Klee im Dialog Paul Klee und der Ferne Osten in Köln Ȉ ͚̾ Ȉ ̾ Ȉ Paul Klee, Ohne Titel (Zwei Fische, einer am Haken, Ausschnitt),1901* BIS ZU 100% FÖRDERUNG durch die gesetzlichen Krankenkassen Bildungscheck und Bildungsprämie ǧAkademie für Gesundheit und Yoga Hofaue 63 · 42103 Wuppertal Tel.: 0202 - 979 85 40 · Fax: 0202 - 979 85 41 [email protected] · www.tripada.de Von Thomas Hirsch Zwei Bestseller im Ausstellungsbetrieb treffen derzeit in Köln in einer Schau aufeinander. Es gibt hierzulande kaum einen Künstler, der so oft erfolgreich gezeigt wird wie Paul Klee, obwohl seine Zeichnungen abstrakt und klein sind, also die nächste Nähe und eigene Fantasie verlangen. Und für hohe Besu- „Offen für fremde Einflüsse“ cherzahlen sorgt seit Jahren die Präsentation älterer ostasiatischer Kunst und Kultur mitsamt der durch sie beeinflussten westlichen Kunst. Besonders attraktiv ist die Gegenüberstellung mit den Bildern des Impressionismus. Genau dazu findet noch bis Mitte Januar im Essener Museum Folkwang eine großartige Ausstellung mit Gemälden u.a. von Gauguin, Van Gogh und Monet und Holzschnitten von Hiroshige und Hokusai statt. Untersucht wird die „Inspiration Japan“ ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich Japan mit seinen Gütern wieder gegenüber dem Westen öffnete. Es sind nicht allein stilistische Haltungen und technische Fertigkeiten, die sich die Künstler in Mitteleuropa aneignen, sondern sie greifen auch auf Motive der japanischen Kunst zurück und integrieren deren (Kult-) Gegenstände. Das Modephänomen Japonismus betraf auch Paul Klee (1879-1940), der von japanischer sowie chinesischer Kunst beeindruckt war. Dazu ist nun im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln eine Ausstellung zu sehen, die mit relativ wenigen Beispielen erstaunliche Erkenntnisse liefert. Teilweise sind detaillierte motivische Übernahmen durch Paul Klee zu erkennen. Die Anregungen der ostasiatischen Tuschmalerei und die Verwendung von Japanpapier halfen Klee zunächst, die Dominanz des Ornaments in seiner feinen Kunst aus Linien und Strichfolgen zu überwinden. In den 30er Jahren entwickelte er dann auf der Grundlage der fernöstlichen Kalligraphie Bilder mit Schriftzeichen. Die Kölner Ausstellung zeigt zauberhafte Bilder im kleinen Format, etwa eine Landschaft mit Pavillon aus den 1760er Jahren von Soga Shohaku, bei der sich der landschaftliche Raum mit wenigen Tuschestrichen in die Tiefe und Weite öffnet. Shohaku spielt die Klaviatur der Wasserfarbe zwischen Transparenz und geschlossener Dichte aus. Was den Bildaufbau und die Zeichnung betrifft, so lassen sich Parallelen zu Klees daneben ausgestellter Darstellung einer Pension in der schweizerischen Landschaft (1914) ausmachen. Das Motiv des Fisches wiederum, das er 1901 für mehrere Blätter verwendet, lässt sich indirekt auf Hokusais Manga zurückführen. Und der leere Umraum ist ein formales Element des japanischen Holzschnitts. – Dass Paul Klee auch darüber hinaus offen für fremde Einflüsse war, bestätigt, ganz in der Nähe, eine Ausstellung in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, welche seine Ägyptenreise 1928/29 (wie auch die von Max Slevogt) thematisiert. Im Kölner Museum für Ostasiatische Kunst aber erfahren wir anschaulich, wie Klee Thomas Hirsch mitunter zu seinen Bildfindungen angeregt wurde. So nah Kunsthistoriker, Kurator und Journalist kommen wir seinem Sehen und Denken selten. „Vom Japonismus zu Zen: Paul Klee und der Ferne Osten“ | bis 1.2. Museum für Ostasiatische Kunst, Köln | 0221 22 12 86 08 *Feder und Aquarell auf Karton (Ausschnitt), Depositum im Zentrum Paul Klee © Zentrum Paul Klee, Bern 26 kunst-kalender KÖLN – Museum für Angewandte Kunst www.makk.de Köln 1914 bis 19.4. Untersucht wird der Wandel des Alltags und des Stadtbildes von Köln infolge des Ersten Weltkrieges; zugleich wird Köln als Metropole im frühen 20. Jh. definiert KÖLN – Museum Ludwig www.museum-ludwig.de Ludwig goes Pop bis 11.1. Die berühmte, auf mehrere Museen verteilte Pop-Art-Sammlung Ludwig in ihrer ganzen thematischen Breite mit den britischen und amerikanischen Protagonisten KÖLN – Photographische Sammlung www.sk-kultur.de Jim Dine bis 8.2. Farb- und s/w-Fotografien von Werkzeugen des berühmten USamerikanischen Künstlers, der mit seiner Malerei bisweilen der Pop Art zugerechnet wird KÖLN – Museum Schnütgen www.museenkoeln.de Die Heiligen Drei Könige bis 25.1. Zum 750. Jahrestag der Überführung der Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln eine großartige Schau zur legendenhaften Verbildlichung in Kunst und Kultur KÖLN – Wallraf-Richartz-Museum www.wallraf.museum Cornelius Völker, Hände, 2003, Öl auf Leinwand, 200 x 300 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn; Ausstellung „Von 1900 bis heute“, Von der Heydt-Museum Museumslandschaft NRW MÜNSTER – LWL-Museum für Kunst BERGISCH-GLADBACH – Villa Zanders BOTTROP – Josef Albers Museum DUISBURG – Museum DKM www.villa-zanders.de www.quadrat-bottrop.de www.museum-dkm.de Topf und Deckel bis 8.3. In Beiträgen von Käthe Kollwitz über Rosemarie Trockel bis hin zur jüngsten Künstlergeneration werden Küche und Herd als Sujets der Kunst vorgestellt Wade Guyton bis 15.2. Der US-Amerikaner (geb. 1972) reagiert mit seinen reduzierten, mit dem Computer entwickelten, von Hand gemalten Bildern auf das Werk von Josef Albers in Bottrop Ernst Hermanns bis 26.4. Überblick zum 100. Geburtstag des Bildhauers, der von der informellen Plastik zu minimalistischen mehrteiligen Feldern mit Metallkörpern gewechselt ist DUISBURG – Lehmbruck Museum BIELEFELD – Kunsthalle www.kunsthalle-bielefeld.de Sophie Taeuber-Arp bis 15.3. Werkschau der Schweizer Künstlerin (1889-1943) im Umfeld von Dada und Konkreter Kunst und im Spektrum von Skulptur, Malerei, Design und Architektur BRÜHL – Max Ernst Museum www.lehmbuckmuseum.de www.maxernstmuseum.lvr.de Der Arp ist da! bis 22.2. Im Austausch mit dem Arp Museum in Rolandseck ist in Brühl vor allem das plastische Werk des mit Max Ernst befreundeten Hans Arp ausgestellt Antonius Höckelmann bis 18.1. Der expressive Maler und Bildhauer (1937-2000), der mit seinem Duktus und seiner aufgewühlten Formensprache Vision, Körperlichkeit und Bewegung thematisiert DORTMUND – Museum Ostwall ESSEN – Museum Folkwang www.museumostwall.dortmund.de www.museum-folkwang.de Arche Noah bis 12.4. Durch Kunst von der Moderne bis heute wird beleuchtet, wie sich unser Verhältnis zur Tierwelt gewandelt hat und heute Wissenschaft als Thema mitschwingt Inspiration Japan bis 18.1. Die Wirkung der japanischen Kunst und Kultur auf die Malerei im Frankreich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts u.a. mit den Impressionisten und Nabis DÜSSELDORF – K21 HAGEN – Osthaus Museum www.kunstsammlung.de www.osthausmuseum.de Tomás Saraceno bis Herbst Eine Installation unter der Kuppel des Ständehauses, die, von Spinnennetzen abgeleitet, den Traum vom Schweben anspricht und futuristische Züge trägt Dietmar Gross bis 11.1. Werkschau zum 1957 geborenen, bei Mainz lebenden Maler, der mit seinem virtuosen Surrealismus unsere körperliche und geistige Existenz hinterfragt BOCHUM – Kunstmuseum www.kunstmuseumbochum.de Sparsha bis 1.2. Vierzehn zeitgenössische Künstler aus Indien reflektieren in ihren Werken das Vokabular historischer Kunstwerke und Angewandter Kunst ihrer Heimat BOCHUM – Situation Kunst www.situation-kunst.de Broken Landscapes bis 11.1. Vier niederländische Künstler, die seit den 70er Jahren mittels Fotografie, Montage, Video und Malerei die flache Landschaft oder die Küste in Fragmente zerlegen Die Kathedrale bis 18.1. Meisterwerke der Kunst besonders aus Romantik, Impressionismus und Gegenwart, die sich mit unterschiedlicher Intention diesem Sujet zuwenden www.lwl.org/LWL/kultur Das nackte Leben bis 22.2. Zur Neueröffnung des Museums ein Einblick in die Malerei in London mit ihren innovativen Impulsen in den klassischen Sujets u.a. von Auerbach, Bacon, Freud OBERHAUSEN – Ludwiggalerie www.ludwiggalerie.de Streich auf Streich bis 18.1. Mit 300 Originalzeichnungen und 60 Erstdrucken wird die deutsche Comicgeschichte von Wilhelm Busch bis zur heutigen Comic-Kultur vorgestellt WUPPERTAL – Kunsthalle Barmen www.von-der-heydt-kunsthalle.de Heike Kati Barath bis 25.1. Die Berliner Malerin mit einer Werkschau ihrer meist großformatigen, malerisch eindrucksvollen Bilder, die u.a. Kinder auf lapidare, dabei vielschichtige Weise zeigen WUPPERTAL – Neuer Kunstverein www.neuerkunstvereinwuppertal.de Ulrike Kessl 17.1.-15.2. Eine Installation der Düsseldorfer Künstlerin mit textilen Materialien, die, im Raum gespannt, Volumen und Linie, Transparenz und Dichte vor Augen führen WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum www.von-der-heydt-kunsthalle.de BONN – Bundeskunsthalle www.kah-bonn.de Outer Space bis 22.2. Der Weltraum und die Raumfahrt als wissenschaftliches Terrain und unabsehbare Projektionsfläche in den Feldern von Technik, Design und Kunst DÜSSELDORF – Kunsthalle BONN – Kunstmuseum DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast www.museumkurhaus.de www.kunstmuseum-bonn.de www.smkp.de Andreas Schulze bis 18.1. Der Kölner Maler, der im Umfeld der Jungen Wilden eine ganz eigene Malerei mit „weichen“ Farbformen entwickelt hat, mit der er u.a. Alltäglichkeit thematisiert Winfred Gaul bis 1.2. Werke des Düsseldorfer Malers (19282003), der die Farbe thematisierte und zwischen informeller Malerei, Hard Edge und Farbfeldmalerei anzusiedeln ist Michael Sailstorfer bis 25.1. Überblicksausstellung zum Berliner Künstler, der unter Einbezug lokaler Gegebenheiten den Begriff der Skulptur auf häufig humorvolle Weise erweitert www.kunsthalle-duesseldorf.de Thomas Ruff bis 11.1. Anhand ausgewählter Bildgruppen wird das fotografische, konzeptuell orientierte Werk des wichtigen Fotokünstlers aus der Akademieklasse von B. Becher analysiert 27 ZU WEIT? [email protected] Wir freuen uns auf Post. KLEVE – Museum Kurhaus Von 1900 bis heute bis April Parallel zur Werkschau zu Camille Pissarro werden zentrale Werke aus der eigenen Sammlung vorgestellt, darunter die Neuerwerbungen der letzten Jahre WUPPERTAL – Waldfrieden www.skulpturenpark-waldfrieden.de Luise Kimme bis 11.1. Leicht überlebensgroße, schlank aufragende, realistische Holzfiguren, die das Lebensgefühl der Karibik vermitteln, wo Luise Kimme (1939-2013) gelebt hat Empfehlungen von Thomas Hirsch magenbitter zungen mit -zungen „Jeder Popel fährt ’nen Opel“, Fotos: Jan Schliecker Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic Der letzte Zafira-Streich in Bochum 22. Nov. 82 1, St. Boniface Gardens, Ventnor Alles umparken, was nach Imperialisten-Opel aussieht Von Peter Ortmann Frohes neues Jahr. Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe. Ich habe endlich umgeparkt. Im Kopf. Schon als Kind fuhr ich mit dem Fahrrad die Wittener Straße entlang, immer bergauf, bis ich an diese riesigen Gebäude kam, in denen Autos (damals unerreichbar) gebaut wurden. Mütter und Väter meiner Kumpels strömten da zu bestimmten Zeiten rein und raus, mein Vater verströmte seine Gesundheit lieber in den Stahlwerken, wo eher die Bleche für die Blitz-Karossen gewalzt wurden. Er träumte immer vom Opel-Kapitän, ich auch, doch reichte es irgendwann nur für einen abgelegten Kadett vom Schwiegervater, eine rostende rote Scheißkarre, gut dass irgendwann Kinder und mein Bulli da waren. Also umgeparkt, oft verrät der zweite Blick eben mehr als der erste, sagt der Konzern. Genau. Kann ein Auto Karl heißen? Klar doch. Manche heißen auch Schrotthaufen. Oder Adam und Eva. Mein Nachbar hat jetzt auch umgeparkt. In eine Transfergesellschaft, mit 55 Jahren, nach 35 Jahren bei den US-Amerikanern. Ein nettes Care-Paket gab es nicht, nicht einmal eine Ehrung, auch Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz war zuletzt ausgeladen. Natürlich. Oft verrät der zweite Blick eben mehr als der erste. Oh Tannenbaum. Wo das Herz noch zählt. Und selbst der VfL seinen „Helden“ in die Wüste schickt. Wo Nokia weg, wo alles weg, wo niemand mehr hin, da wo ich bin, oh du Ruhrgebiet, du Perlenrevier, du Einöde, die selbst Smaug meidet wie einen neuen Opel. Ein neuer Hit? Wer wollte so eine Imperialistenkarre hier noch fahren? Ein Konzern, pleite wie die Geier, aufgepäppelt mit amerikanischen Steuergeldern (oder etwa frisch gedruckt?), macht sich in Europa auch noch selbst Konkurrenz, will, ich zitiere: alltagstaugliche Lösungen für die Gegenwart bieten, ohne die Zukunft der Umwelt zu vergessen – oder mein Budget. Zum Gröhlen. Dann doch lieber das GM-Original, da weiß man wenigstens warum man dagegentreten möchte. Doch ist das besser als die alte modifizierte Nähmaschine? Ich glaube nicht. Was jetzt vonnöten ist, ist Haltung. Das Ruhrgebiet ist Opel-frei, und so soll es auch werden – Opel-frei. Jeder Popel fährt ’nen Opel. Der Satz ist auch schon uralt, hat aber nach der Schließung eines Werks und der Freistellung von tausenden von Mitarbeitern eine ganz neue Bedeutung bekommen. Und selbst die aktuelle pseudoinnovative Werbekampagne macht die Preise nicht besser. Also Umparken im Kopf, jetzt. Streichen wir das 52-jährige Kapitel aus dem kollektiven Gedächtnis, lassen wir lieber die ollen Zechenkapellen lauter trompeten. Strukturwandel, wer braucht so einen Scheiß, wenn man Arbeit hat oder wenigstens eine Transfergesellschaft. Wir wohnen immerhin in einer Metropole. Das ist Detroit ja auch nicht mehr. Also. Kapitalismus ist eine tolle Sache, wenn man Geld hat oder etwas Wichtiges zu verkaufen. Und sei es die eigene Gesundheit. Ich geh mal auf den Balkon eine rauchen und schaue auf den Parkplatz. VW, Audi, ein paar Franzosen und ein mittelalterlicher, aber glänzender Mercedes. Von Opel weit und breit keine Spur, und das 1.500 Meter Luftlinie vom Werk entfernt. Recht so. Wer einen Zapffira oder so findet, blitzschnell umparken. Dear Fred, Cheque dankbarst erhalten. Sam, wie Du auch sofort gesehn hast, kritisiert die von mir angewandte Methode, indem er sie ruhig beiseite schiebt, statt dessen sich mit der geometrischen Anwendung beschäftigt, von der ich noch kein Wort gesagt habe. In derselben Manier könnte ich die Entwicklung der eigentlichen sog. Differentialmethode – beginnend mit der rationalistischen Methode von Newton und Leipniz; dann fortgehend zur rationalistischen Methode von d’Alembert und Euler; abschließend mit der streng algebraischen Methode (aber immer ausgehend von derselben ursprünglichen Newton-Leipnizschen Grundanschauung) Lagranges –, ich könnte diese ganze historische Entwicklung der Analyse damit abspeisen, daß praktisch an der geometrischen Anwendung des Differentialkalkuls nichts im Wesen geändert hat, d.h. an der geometrischen Versinnlichung. Da die Sonne eben sich zeigt, der Moment also zum Spaziergehn, gehe ich daher hier pro nunc nicht weiter auf Mathematisches ein, komme aber später auf die verschiednen Methoden gelegentlich ausführlich zurück. […] Salut. Der Mohr engels zungen in der Engels-Stadt: Wir lassen Zeitgenossen des Kapitalisten und Revolutionärs zu Wort kommen, zitieren Briefe an Wuppertals berühmten Sohn. Wie man dem Brief entnehmen kann, beschäftigten sich Marx („Mohr“) und Engels intensiv mit mathematischen Fragen. Auch verfolgten sie die Entwicklung der Naturwissenschaften mit dem größten Interesse. 28 Quelle: Marx-Engels-Werke, Briefwechsel, Band 35, Berlin 1973, S. 114-115; die Abbildung zeigt Karl Marx im Jahre 1882. bildet Jobben und Lachen Verlagssonderveröffentlichung Foto: Amélie Kai Der Jobkongress bietet Jobs und Praktika für Studierende und Absolventen Eine Stelle oder ein Praktikum in der Region gesucht? Dann nichts wie hin zum Jobkongress für Studierende und Akademiker am Donnerstag, 22. Januar von 10 bis 17 Uhr in der Historischen Stadthalle Wuppertal. Mit dabei sind unter anderem Axalta, Barmenia Versicherungen, Barmer GEK, Helbako, Knipex, Vaillant, Vorwerk, Wuppertaler Stadtwerke und viele mehr. Die Unternehmen bewerben sich im Elevator-Pitch und der Poetry-Slam-Star Jan Philipp Zymny trainiert dazu die Lachmuskeln. Das Ausstellerverzeichnis, das Vortragsprogramm und viele weitere Informationen rund um den Jobkongress gibt es im Internet unter www.jobkongress.de. Veranstalter des Jobkongresses sind die Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal, die Bergische Entwicklungsagentur und die Bergische Universität Wuppertal. Jobkongress 2015 Historische Stadthalle, Johannisberg 40, Wuppertal, www.jobkongress.de Eine Stelle oder ein Praktikum gesucht? Informieren Sie sich beim Jobkongress für Studierende und Akademiker am Donnerstag, den 22.1. von 10 bis 17 Uhr in der Stadthalle. Mit dabei sind Axalta, Barmenia Versicherungen, Barmer GEK, Helbako, Knipex, Vaillant, Vorwerk, die Stadtwerke und viele mehr. Die Unternehmen bewerben sich bei Ihnen im Elevator-Pitch, und Poetry-Slam-Star Jan Philipp Zymny sorgt für Unterhaltung. Ausstellerverzeichnis, Vortragsprogramm und weitere Infos auf der Webseite. Veranstalter des Jobkongresses sind die Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal, die Bergische Entwicklungsagentur und die Bergische Universität Wuppertal. Aktuelle Tipps für Bildungshungrige: TAW – Technische Akademie Wuppertal Hubertusallee 18, Wuppertal, Tel. (0202) 74 95 234, www.taw-studium.de Zukunftsweisende Studiengänge mit starkem Praxisbezug und intensiver Betreuung. Staatliche und staatlich anerkannte Bachelorabschlüsse. Einstieg zu Beginn der Berufsausbildung, während der Berufsausbildung oder nach der Berufsausbildung möglich. TEXT/ZUSAMMENSTELLUNG: JULES LUX Bergische Universität Wuppertal Gaußstr. 20, Wuppertal, Tel. 0202 43 90, www.uni-wuppertal.de Fast 100 Studiengänge in Geistes- und Kulturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaft, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Kunst, Design und Bildungswissenschaften. Studienberatung unter Tel. 0202 439 25 95. WARUM IN DIE FERNE? DAS GUTE LIEGT SO NAH. Foto: Sebastian Jarych www.studieren-mit-perspektive.de auswahl UND MEIN TEXT? [email protected] Wir freuen uns auf Post. Bühne MÜLLERS MARIONETTENTHEATER So 11.1., Mi 14.1., So 18.1., Mi 21.1., Sa 24.1., So 25.1., Mi 28.1. je 16 Uhr, Do 22.1. 10.30 Uhr Die Schneekönigin SCHAUSPIELHAUS BOCHUM Sa 31.1. 16 Uhr Grimmsklang Fast jedem sind die Märchen der Gebrüder Grimm ein Begriff und nicht immer scheinen sie für Kinderohren bestimmt zu sein, denn in Grimms Märchen sind die Hexen wirklich böse und die Wölfe wirklich gefährlich. Doch es gibt noch mehr Muster, denen dieses spezielle Geschichtengenre folgt: Die Prinzen sind immer die, die das hübsche Mädchen bekommen, der Teufel ist immer der Böseste aller Bösen und die Hexen, ja, die sind immer schlecht. Martina van Boxen geht gemeinsam mit ihren KollegInnen der Frage nach, ob im Märchen nicht noch ein paar Grautöne stecken und der Prinz einfach auch mal ein fauler und gemeiner Mensch sein kann, denn jeder hat doch zwei Seiten in sich. Ein spannender Nachmittag durch Grimms Märchenwelt und eine ungewöhnliche Analyse sind garantiert. Info: 0234 33 33 0 von Kirchturmdenken, das Ineinanderfließen von Tellerrändern im Ruhrgebiet. Im Jahr 2015 überlässt Hannelore Kraft das Revier sich selbst und ein Schriftsteller übernimmt mit Gleichgesinnten das politische Ruder. Im Jahr 2044 irren zwei junge Leute durch die Design- und Kunsttempel, die untergegangene Industrien endgültig abgelöst haben. Doch die schöne neue Welt entpuppt sich als Trugbild. Rasant und bissig rechnet Albrecht mit der Kreativwirtschaft ab. Info: 0231 502 32 37 Musik BANDFABRIK Fr 9.1. 20 Uhr Katrin Eggert & Delicious Bits TALTONTHEATER Fr 16.1., Sa 17.1. je 20 Uhr, So 18.1. 18 Uhr Mörderkarussell Hans Christian Andersens berühmtes Märchen „Die Schneekönigin“ ist eine tolle Geschichte für Jung und Alt, über Freundschaft und das Füreinanderdasein. Die kaltherzige Schneekönigin hält Kinder in ihrem Schloss aus Schnee und Eis gefangen. Auch Gerdas Freund Kai ist in die Fänge der bösen Frau geraten. So macht sich Gerda auf den Weg, um ihrem Freund zu helfen und ihn zu befreien. Welche Abenteuer sie dabei erlebt und wie die Geschichte ausgeht, wird liebevoll mit den Marionetten dargestellt. Info: 0202 44 77 66 MÜLLERS MARIONETTENTHEATER Fr 16.1. 19.30 Uhr Der kleine Prinz So 25.1. 19 Uhr Ufa Film Schlager oder Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche Die Sängerin Annette Konrad, Mr. Mike Rafalczyk am Mikrofon, Posaune und Trombone, Martin Langer mit Kontrabass und Sousaphone sowie Pianist Wolfgang Eichler nehmen ihr Publikum mit auf eine Zeitreise zurück in die Ufa-Ära der 30er und 40er Jahre. Wie immer bieten die vier dabei nicht nur Professionalität, sondern vor allem eine originalgetreue Aufmachung, die das Publikum zurück in die damalige Zeit katapultiert, in der das Kino einen weitaus größeren Stellenwert besaß als heutzutage. Niemand besaß einen Fernseher zu Hause. Somit machte das Kino Stars und Hits. Mit dem Swing Kabarett Quartett werden Songs wie „Mein Herz hat heute Premiere“ wieder zum Leben erweckt. Info: 0202 87 04 815 FZW - DORTMUND So 18.1. 20 Uhr Ton Steine Scherben Das von Sam Bobrick und Ron Clark verfasste Stück „Mörderkarussell“ ist eine Krimikomödie ohne Mordfall. Wie immer geht es um die Liebe und eine heiße Menage a Trois. Wie jeder weiß, sind Drei immer einer zu viel. Doch jemanden um die Ecke zu bringen ist leichter gesagt als getan. Das Stück punktet mit Wortwitz und allerlei skurrilen Fettnäpfchen, die bei jeder Gelegenheit voll ausgekostet werden. Ein gutes Training für Jedermanns Lachmuskeln. Info: 0211 27 40 00 Literatur STADT- U. LANDESBIBLIOTHEK DORTMUND Soul, Funk und Jazz sind die Grundlagen von Katrin Eggerts neuestem Projekt Delicious Bits. Mit einer Stimme, die auch der Rockmusik nicht abgeneigt ist, interpretiert Eggert alle Arten von Coversongs in ihrem ganz eigenen Stil. Dabei geht es oft ungewöhnlich zu, doch macht das erst den Reiz aus. Gemeinsam mit vier talentierten Musikern bringt Eggert ihre Leidenschaft für Musik auf der Bühne zum Ausdruck, wobei sich die Fans auch auf das ein oder andere selbst geschriebene Stück freuen dürfen. Info: 0202 69 85 19 33 BANDFABRIK Sa 31.1. 20 Uhr BluesTones Mo 26.1. 19.30 Uhr Im Jahre 1943 erschuf Antoine de SaintExupéry die Geschichte des kleinen Prinzen, die Parallelen zu dem Leben des Schriftstellers aufweist, der Ende des Krieges ums Leben kam. Die Geschichte, eigentlich eine Illustration, aber nun liebevoll von den Puppen von Müllers Marionettentheater dargestellt, spiegelt den in den Augen des Autors existierenden Verfall der Werte in der Gesellschaft wider. Es wird die Frage nach Moral und auch Freundschaft gestellt. Berühmteste Quintessenz der Geschichte ist die Erzählung: Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Info: 0202 44 77 66 CAFÉ ISLAND Jörg Albrecht: Anarchie in Ruhrstadt Klar ist es unsicher, ob die Show der aktuellen Reinkarnation der legendären Ton Steine Scherben gut werden wird. Zweifel solcherart sollten aber kein Grund sein, die Show zu meiden. Immerhin ist allein die neuerliche Existenz dieser Pioniere des deutschsprachigen Polit-Rock, an der immerhin der Original-Gitarrist und -Bassist beteiligt sind, ein Ereignis. Alte Hits wird es geben, skurrile Momente sicher auch, komische Déjà-vuSituationen ebenfalls. Auf jeden Fall spannend, zu sehen, wie das wohl wird. Info: 0231 17 78 20 LCB Do 29.1. 20 Uhr Foto: Jörg Albrecht / fotofixautomat Der Roman- und Theaterautor Jörg Albrecht, zerlegt in seinem neuen Roman eine Utopie, die nicht nur viele Kreative im Ruhrgebiet träumen: Die Überwindung Seit 2006 steht das Quartett BluesTones mit Sängerin Christine Iyoha auf der Bühne. Gegründet im Jahr 2003 hat sich das Quartett bis heute in die Herzen seiner Fans gesungen. Ihre Akustikversionen lassen den Blues in und um Düsseldorf wieder aufleben. 2010 brachten die vier Musiker ihr Album BluesTools heraus. Bühnenerfahrung sammeln sie auf Festival und Konzerten, die sie für ihre Fans geben. Info: 0202 69 85 19 33 30 Eko Fresh auswahl Mit „König von Deutschland“ wurde der damals erst 17-jährige Eko Fresh in ganz Deutschland bekannt. Die eingängige Musik und der Text ließen selbst diejenigen mitsummen, die mit Rap und Hip-Hop sonst nichts am Hut hatten. Entdeckt von Kool Savas folgte ein jahrelanger Streit zwischen Mentor und Schüler. Eko Freshs Alben „Ekrem“ sowie „Ek to the roots“ zeugen von seinem Wunsch nach Unabhängigkeit, die er spätestens mit dem Album „Eksodus“ feiern konnte. Der Rapper türkischer Abstammung hat mit seinem letzten Album bewiesen, dass von ihm noch viel zu erwarten sein wird. Gelobt wird sein Stil, den heutzutage nicht mehr viele der führenden Rapper anzuwenden wagen. Info: 0202 563 64 44 Emotionen und Gedanken durch Bewegungen und Berührungen aus. Spannend ist die kulturelle Vielfalt, die dem Ensemble zu eigen ist. Jeder einzelne Tänzer bringt seine eigene ganz persönliche Geschichte mit, die in die Aufführung mit einfließt. Das macht die Vorstellung so individuell und authentisch. Info: 0202 563 6444 KÖLNISCHES STADTMUSEUM bis 19.4., Di 10-20, Mi-So 10-17 Uhr Köln 1914 Fr 30.1. 20 Uhr Just Pink Spielzeug-Flugzeug, 1914/18, bemaltes Blech, © KSM/RBA Köln, Foto: Sabrina Walz Eine gemeinsame Ausstellung mit dem Museum für Angewandte Kunst und der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zum Einbruch des Ersten Weltkrieges in das Stadtgefüge von Köln. Die Ausstellung untersucht, in welchem Zustand Köln und seine Gesellschaft um 1914 waren, was seine wirtschaftliche und kulturelle Blüte als aufstrebende Stadt kennzeichnete und wie weit sich der Erste Weltkrieg auf die Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens erstreckte. Info: 0221 221 257 89 Seniorentanztheater Wuppertal Claudio li Mura „Stimmen aus der Stille“ ist das neue Projekt des Seniorentanztheaters. Unter der Leitung von Claudio li Mura drücken 30 Tänzerinnen und Tänzer ihre Gefühle, Heike Kati Barath IMPRESSUM Foto: Heike Kati Barath, Wandarbeit Kunsthalle Barmen, 2014, Tusche, Lackspray, Styrodur, Spachtelmasse, Acrylfugendichter, © VG BildKunst, Bonn, Foto: Antje Zeis-Loi, courtesy Von der Heydt-Museum Heike Kati Barath (geb. 1966) wurde mit meist hochformatigen, überlebensgroßen Gemälden bekannt, die malerisch virtuos, dabei ganz direkt Mädchen und Jungen unserer Gesellschaft sowie Aliens und Yetis zeigen. Die Werkschau im Haus der Jugend in Barmen verdeutlicht nun, wie facettenreich das Repertoire der Berliner Malerin ist und wie raffiniert und psychologisch differenziert sie mit Gefühlslagen spielt. Dabei treten die Figuren in Kontakt mit dem Betrachter und zitieren aus der Kunst- und Kulturgeschichte der Gegenwart. Info: 563 65 71 Herausgeber: engels-kultur Verlag Joachim Berndt, Büro Bochum Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum Tel: 0234-94191-0, Fax: -91 E-Mail: [email protected] www.engels-kultur.de Chefredaktion: Maxi Braun (v.i.S.d.P.) Mitarbeit an dieser Ausgabe: Lars Albat, Frank Brenner, Valeska von Dolega, Hartmut Ernst, Sanje Gautam, RolfRuediger Hamacher, Thomas Hirsch, Tom Jost, Klaus Keil, Kim Ludolf Koch, Anna Lenkewitz, Jules Lux, Karsten Mark, Christian Meyer, Peter Ortmann, Jan Schliecker, Carla Schmidt, Florian Schmitz, Christian Steinbrink, Olaf Weiden, Jon Witte, HansChristoph Zimmermann, Andreas Zolper Projektleitung: Birgit Michels WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM (KÖLN) Grafik: Amélie Kai, Dominik Empl bis 22.3., Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr Dürers Mysterien Anzeigenverwaltung: BERNDT MEDIA Joachim Berndt Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum Tel. 0234-94191-0, Fax -94191-91 E-Mail: [email protected] www.berndt-media.de Druckerei: Die Wattenscheider Medien Vertriebs GmbH Kantstrasse 5-13 44867 Bochum VON DER HEYDT-MUSEUM bis März, Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr Von 1900 bis heute Buchhaltung: Karin Okniewski Albrecht Dürer, Das Meerwunder, 1498, Kupferstich, Graphische Sammlung Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud LCB Do 22.1./Fr 23.1. je 19.30 Uhr bis 25.1., Di-So 11-18 Uhr Kunst LCB Just Pink ist in ihrem Metier die erfolgreichste deutsche Tribute Band, die nicht nur die Anerkennung des amerikanischen Originals, sondern auch mit deren Unterstützung performt. Schon mehrfach spielten Musiker von Pinks Band in der deutschen Gruppe um Sängerin Vanessa Henning, die der echten Pink in Power und Bühnenpräsenz das Wasser reichen kann. Just Pink punkten mit originalgetreuen Details. Ihre neueste Show ist angelehnt an Pinks aktueller „The Truth About Love Tour“. Kostüme, Choreographien und Videoanimationen werden den Fans geboten. Die Musiker um Vanessa Henning sind dabei mehr als bühnenerprobt, stehen sie doch nicht nur für Just Pink, sondern auch mit Stars wie Farin Urlaub, Stefanie Heinzmann, Bosse, Elton John oder den Söhnen Mannheims gemeinsam auf der Bühne. Info: 0202 563 64 44 VON DER HEYDT-KUNSTHALLE Foto: Alberto Giacometti, Figur III (Caroline), 1962, Öl auf Leinwand, 100 x 65 cm (Ausschnitt), © Von der Heydt-Museum Selbst für eine Auswahl aus dem Sammlungsbestand seit dem frühen 20. Jahrhundert reicht eine Etage des Von der Heydt-Museum eigentlich nicht aus: Am Ende wird es in der Ausstellung reichlich eng. Dabei beginnt die Reise durch die wesentlichen Kunststile des 20. Jahrhunderts gelassen und gediegen mit zahlreichen Hauptwerken wichtiger deutscher Künstler. Ab den 1960er Jahren wird die Schau international und spiegelt schließlich den Stilpluralismus der neuesten Kunst wider. Ausgestellt sind auch Neuerwerbungen aus den eigenen Schauen. Info: 563 62 31 31 Im Graphischen Kabinett des WallrafRichartz-Museum wird Albrecht Dürer als Künstler vorgestellt, der über seine virtuose Zeichenkunst hinaus innovativ mit der Druckgraphik gearbeitet hat. Auch in diesem Medium zeigen sich sein erstaunlicher Detailrealismus und die gewissenhafte Naturschilderung, mit der der berühmte Künstler aus der Zeit um 1500 auch heute in aller Munde ist. Die Ausstellung fokussiert Blätter, die die Antike anklingen lassen, sich aber nicht einfach auf einen bestimmten Mythos beziehen, so gesehen rätselhaft bleiben. Info: 0221 221 222 19 Alle nicht gesondert gekennzeichneten Bilder sind Pressefotos. Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen? engelsKultur Die Auflage unterliegt der ständigen Kontrolle der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern. Durch Berndt Media werden auch folgende Kultur-, Kino- und Bildungsmagazine (Köln, Ruhrgebiet, Aachen und Düsseldorf) vertreten: ZUSAMMENGESTELLT VON: THOMAS HIRSCH, ANNA LENKEWITZ, CHRISTIAN STEINBRINK, JON WITTE Veranstalter-Infos an: [email protected] engels bietet Platz für freie AutorInnen! klimaneutral natureOffice.com | DE-294-856315 gedruckt www.engels-kultur.de EDDIE REDMAYNE Januar 2015 FELICITY JONES DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT DIE AUSSERGEWÖHNLICHE GESCHICHTE VON JANE UND STEPHEN HAWKING www.entdeckung-der-unendlichkeit.de ab 25.12. im Kino