Markengeschichten

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Markengeschichten
Markengeschichten
Wie Marken mit narrative branding neue Kraft gewinnen können
k
Dr. Johann Schlieper, Zollikonsult
November 2012
Dieser Entw
wurf soll zur Diskussion über das Thema anregen,,
darum
m wünsche ich mir Kritik und Feedback dazu:
e-mail: [email protected]
Twitter:@JSchlieper
29.11.2012
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Es war einmal eine Marke
Der Kleinstwagen smart wurde 1998 in Biel geboren, ein Baby noch ohne eigene Historie –
auch wenn die Geburtswehen lange angedauert haben. Doch sehr schnell entwickelten sich
Geschichten rund um die Marke, so wie diese: 1997 wurde ein skeptischer Investor aus den
USA nach Paris eingeflogen. Nachdem er in einem typischen Stau vom Flughafen zur
Besprechung die Musse hatte, alle anderen Autos zu betrachten, erklärte er gleich zu
Beginn: „Ich habe während zwei Stunden in fast keinem Auto mehr als zwei Personen sitzen
sehen. Jetzt bin ich überzeugt, dass ein zweisitziges Auto Zukunft hat“. Kurz darauf
unterschrieb er den Beteiligungsvertrag.
Ähnliches wird auch von Hayek Senior erzählt, als er mit Daimler-Benz über eine Beteiligung
an einem Joint-Venture mit der Swatch Group zum Bau des smart verhandelte. Der damalige
Leiter Personenwagen hatte den Einwand, dass Mercedes Autos für mehr als 100‘000 DM
bauen würde, das passe nicht sehr gut zu einem Uhrenhersteller. Zu seiner Verblüffung
entgegnete Hayek „Das passt sogar ausgezeichnet, schliesslich bauen wir Uhren, die mehr
als eine halben Million kosten können“. Kurz darauf unterschrieb Mercedes den Beteiligungsvertrag. Später fuhr Hayek dann mit einem der ersten Prototypen auf der für den
privaten Verkehr gesperrten Zürcher Bahnhofstrasse auf und ab, in der Hoffnung, von der
Polizei angehalten zu werden. Zu seiner Enttäuschung passierte das aber auch nach einer
Stunde nicht. Aus diesen und ähnlichen Geschichten bezog die Marke smart ihre ersten
Impulse, so wurde z.B. Provokation früh in der Marke verankert.
Warum lässt uns so viel Werbung unberührt, warum empfinden wir so viele Marken als austauschbar ? Wer kann spontan den Unterschied nennen zwischen Opel und Ford, Acer und
Lenovo, UBS und Credit Suisse ?
Eine Ursache liegt in einer austauschbaren Positionierung. Mit dieser versuchen Marken,
eine bestimmte Nische im Kopf – eben eine Position – zu besetzen. Austauschbar wird sie
dann, wenn der Kunde nicht in der Lage ist, die Unterschiede zwischen zwei Marken festzustellen. Die Urväter der Positionierung, Al Ries und Jack Trout, empfahlen stattdessen,
einige wenige Attribute zu besetzen. So stand Volvo jahrelang für Sicherheit und Marlboro
für Freiheit und Abenteuer. Heute gelten diese beiden Beispiele aber als altbacken, weil viel
zu eindimensional und langweilig.
Im modernen Marketing erleben wir stattdessen wechselnde Botschaften mit stark emotionalem Charakter. Mit möglichst coolen Sprüchen oder Claims sowie Bildwelten soll eine
Phantasiewelt von Schönen und Erfolgreichen geschaffen werden, welche die Kunden als
erstrebenswert empfinden sollen: „So will ich auch sein !“, „so will ich auch leben !“.
Unternehmen, die sich dem verweigern, setzen stattdessen auf einer produktzentrierte
Positionierung. Sie zeigen ihr Produkt ganz prominent und vertrauen darauf, dass die
Kunden alle Vorzüge erkennen und ihre Brieftasche dafür öffnen.
Die erfolgreicheren Marken positionieren sich hingegen über Relevanz, d.h. sie schaffen
Markenwerte, sowohl durch die Leistung selber (Produkt/Dienstleistung) als auch durch ihre
Kommunikation, indem sie überlegenen Kundennutzen liefern - siehe DOVE oder IKEA –
das macht sie authentisch und vertrauenswürdig. Ihre Aktualität erhalten solche starken
Marken besonders von Konflikten, die erst die notwendige Spannung beim Kunden
erzeugen. DOVE setzt auf den Ansatz der „Real Beauty“, also der echten und natürlichen
Schönheit gegen die künstliche Welt der perfekten Models. Dadurch entstand eine neue
Positionierung ihrer Pflegeprodukte mit hoher Relevanz. IKEA steht als Marke für den
Gegensatz vom Qualitätsdesign für jedermann zum Design für nur eine kleine Elite. Durch
diese Konflikte wurde bereits der Kern einer Geschichte angelegt.
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Markengeschichten als neuer Ansatz der Positionierung
Was haben Geschichten mit Markenbildung zu tun ? Bis vor wenigen Jahren war diese
Frage selbst bei Marketingprofis oft zu hören. Selbstverständlich haben sie schon immer
kleine Geschichten in Kampagnen genutzt, um den Botschaften mehr Tiefe und einen
Bezugsrahmen
srahmen zu geben. In der Schweiz ist z.B. die Mobiliar mit ihren kurzen SchadensSchadens
geschichten in der Werbung sehr erfolgreich.
Doch auf der strategischen Ebene, d.h. für den langfristigen Aufbau von Markenpräferenzen,
haben Geschichten keinen Platz. Dort wird mit Marken-Steuerrädern,
Steuerrädern, MarkenpersönlichMarken
keiten oder
er Identitätskreisen gearbeitet, die mit oft austauschbaren Adjektiven das Wesen
einer Marke definieren sollen („schnell“, „warmes Essen“, „weltweit wohlschmeckend“ ->
McDonalds). Solche Markendefinitionen
Markendefinitionen haben schon auf dem Papier wenig Kraft und wirken
dann auch in der Umsetzung durch
d
die Kommunikation oder dem Verhalten der Organisation
Organi
distanziert und künstlich: Die Mitarbeiter können sich damit genauso wenig identifizieren
identifi
wie
die Kunden, denn im Gehirn
rn wird wenig ausgelöst.
Als Alternative zu dieser „flachen Positionierung“ hat sich seit ein paar Jahren ein neuer
Ansatz entwickelt: Die Markenbildung über Geschichten, auf Englisch „Narrative Branding“.
Im Gegensatz zu Kampagnen werden nicht einzelne Leistungen
Leistungen beworben,
beworben sondern die
Marke selber soll mit all ihren Facetten und Angeboten positioniert werden. Darum ist der
Erzählbogen langfristig angelegt und baut über die Zeit eine Geschichte
Ge
te auf, die sich aus
vielen Teilen zusammensetzt. Denn es sind gute
gute Geschichten, die sich einprägen, die uns
mitleiden, -trauern oder –freuen
freuen lassen, die unsere tiefen Emotionen
Emotionen wie Liebe, Freude
Angst oder Wut ansprechen. Wer schon einmal in der Illias, oder auch nur im Kinofilm
„Troja“, die Geschichte vom Zweikampf zwischen Hector und Achilles gelesen hat, weiss
über die Kraft dieses klassischen Konflikts zweier Helden untereinander
un einander und mit den Göttern.
Davon kann sich auch die Markenbildung
Mar
inspirieren lassen. Als
ls Beispiel ist hier das
Erzählmuster schematisch dargestellt:
darg
Wohltäter
Die olympischen
Götter (v.a. Apollo
und Poseidon)
Ziel
Rache für die Entführung Helenas,
Einnahme von Troja
Nutzniesser
Die Griechen
Hilfsmittel
Das hölzerne Pferd
Held
Achilles
Gegner
Hector, die Trojaner
Hier wird (nach Jensen*)
*) der Abenteuermarkt bedient und damit die Sehnsucht nach
Spannung, Risiko und grossen Herausforderungen Diese Geschichte hat während mehr als
zwei Jahrtausenden die abendländische Kultur geprägt.
geprägt. Können ähnlich gute Geschichten
auch Marken unsterblich machen ?
Lassen Sie uns das Erzählmuster auf die heute stärkste Marke der
Welt übertragen: Apple. Diese Marke wurde 1977 ins Markenregister
eingetragen.
en. Schon das allererste Logo
L
erzählt eine Geschichte:
Newton sitzt unter dem Apfelbaum, am Rande steht geschrieben:
Newton… A Mind Forever Voyaging Through Strange Seas of
Thought … Alone. Verständlicherweise wurde dieses antik wirkende
Logo sehr bald durch den berühmten angebissenen
angebisse
Apfel ersetzt.
* Rolf Jensen, The Dream Society, 1999
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Das weiter oben gezeigte Erzählmuster kann gut auf Apple übertragen werden:
Wohltäter
Apple
Ziel
Kreative Vielfalt
Nutzniesser
Alle ComputerNutzer, die anders
denken
Hilfsmittel
Einzigartiges Design
und intuitiv nutzbare
Software
Held
Steve Jobs und die
kreativen Köpfe bei
Apple
Gegner
Die anonyme und effiziente Einheitlichkeit,
v.a. IBM / Microsoft
Der zentrale Konflikt in dieser Geschichte ist rot markiert: Steve Jobs im Kampf gegen eine
gleichmachende, graue Einheitsmaschine, den PC. In dem berühmten Werbespot aus dem
Jahr 1984 zur Lancierung des Macintosh wurde dieser Gegensatz ebenfalls als Geschichte
erzählt. Solche Konflikte muss eine gute Markengeschichte finden, aufbauen und nutzen.
Wenn sie sich, wie im Falle der Personen Steve Jobs und Bill Gates, auch noch personifizieren lassen, wirken sie umso stärker.
Während die Kraft von guten Geschichten für eine Marke noch einleuchtend ist, bestehen in
der praktischen Anwendung bis heute erhebliche Unsicherheiten.
Zuerst zur Frage, warum gute Markengeschichten so viel Potential haben:
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Das Gehirn liebt Geschichten, sie bleiben länger haften und können an vorhandenes
andocken.
Geschichten sind leicht verständlich und bringen Emotionalität in eine Welt, in der
rationale Produktunterschiede immer seltener werden. Insbesondere schaffen
Geschichten einen Sinn, sie begründen Werte und Handlungen. „Story … ist unsere
beste Bemühung, in die Anarchie das Daseins Sinn zu bringen“ (Robert McKee)
Die Konsumenten verarbeiten Geschichten stark unterbewusst, legen sie als innere
Bilder mit einem starken Körpergefühl ab und rufen sie auf, wenn sie vor einer
Entscheidung stehen.
Die bisherigen Instrumente der strategischen Markenführung sind abgenutzt, sie schaffen
nicht die notwendige Tiefe, um Identifikation und Engagement mit einer Marke zu
erreichen.
Heute nutzen vor allem Nischenmarken die Kraft der Geschichten, gute Beispiele sind
L’Occitane (Seifen/Düfte), Chipotle (Schnellrestaurant), Kramski (Putter) oder Freitag
(„Materialien, die ihr erstes Leben auf der Strasse verbrachten“). Grosse Marken hingegen
scheinen sich nur selten an diesen innovativen Ansatz heranzutrauen. Als Gründe werden
von Markenverantwortlichen oft genannt:
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Markengeschichten sind komplexer, denn sie bestehen nicht nur aus Botschaften,
sondern auch aus Charakteren und einer Handlung, idealerweise zusätzlich mit einem
Konflikt aufgeladen.
Markengeschichten wirken besser bei high-involvment Produkten, wo sich der Kunde
genügend Zeit nimmt, um sich mit den „komplexen“ Geschichten zu beschäftigen.
Die Inszenierung einer Markengeschichte ist aufwendig, es müssen viele Kanäle bedient
werden und die zeitliche Abstimmung (Dramaturgie) sauber erfolgen.
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Aus diesen Gründen dauert es länger, bis die Geschichten eine Verbreitung gefunden
haben und von der Öffentlichkeit verstanden und akzeptiert werden.
Eine gute Geschichte muss zuerst gefunden werden und gerade junge Marken haben
überhaupt keine Geschichte.
Das klassische Erzählschema von Geschichten (Szenen, Protagonisten, Spannungsbogen) kann nicht direkt auf Markengeschichten übertragen werden, da sie in einem
ganz anderen Umfeld entwickelt werden müssen.
Gerade der letzte Punkt stellt immer noch eine grosse Hürde dar. Darum müssen wir uns
zuerst damit beschäftigen, was denn eine gute Geschichte ausmacht.
Fortsetzung folgt …
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Was sind gute Geschichten ?
Wie entwickelt man Markengeschichten ?
Wie kommuniziert man Markengeschichten ?
Markengeschichten und soziale Medien
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