Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?

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Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?
Dirk Loerwald
Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?
Schutz und Missachtung geistigen Eigentums in
der globalisierten Wirtschaft
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Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?
Schutz und Missachtung geistigen Eigentums in der globalisierten Wirtschaft
Inhalt
Einleitung der Herausgeber .......................................................................................................................... 3
Nachahmung von Produktideen – Kavaliersdelikt oder wirtschaftliche Bedrohung? ................................... 4
Ursachen, Ausmaß und Folgen von Produkt- und Markenpiraterie ............................................................. 5
Unterrichtsplanung: Praxiskontakt Zoll ....................................................................................................... 10
Unterrichtsverlauf ........................................................................................................................................ 12
Literaturhinweise ......................................................................................................................................... 13
Unterrichtsmaterial ...................................................................................................................................... 14
M1
Original und Fälschung
M2
Begriff und Gegenstand
M3
Produkt- und Markenpiraterie – ein Randphänomen?
M4
Nachahmung im Wirtschaftsleben – Imitation als integraler Prozess wirtschaftlicher
Entwicklung
M5
Teure Rückkehr – Auswirkungen von Produktpiraterie auf Verbraucher
M6
Auswirkungen von Produktpiraterie auf Unternehmen: Beispiele
M7
Patente: (K)ein Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie?
M8
Bundestag verabschiedet Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums
Autor und Herausgeber
Dirk Loerwald, geb. 1974, Dr. päd., Juniorprofessor für Wirtschaft/Politik und ihre Didaktik an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Thomas Retzmann, geb. 1963, Dr. rer. pol., Diplom-Handelslehrer, Professor für
Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsdidaktik an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen
Tilman Grammes, geb. 1957, Dr. phil., M. A., Professor für Erziehungswissenschaft unter besonderer
Berücksichtigung der Didaktik sozialwissenschaftlicher Fächer/Politikdidaktik an der Universität Hamburg
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Geistiges Eigentum – eine überholte Idee in der globalisierten
Wirtschaft?
Produkt- und Markenpiraterie als warenethisches Problemfeld
Das Privateigentum ist in unserer Wirtschaftsordnung gewährleistet und geschützt. Wer die
Eigentumsrechte anderer missachtet, muss mit Schadenersatzansprüchen und (!) Strafverfolgung
rechnen. Die Bedeutung von Eigentumsrechten (Property Rights) für das Wirtschaften beschrieb schon
Thomas Hobbes: Wenn andere sich der Güter durch Raub und Diebstahl bemächtigen können, ist Fleiß
unwahrscheinlich, weil kein Vorteil davon zu erwarten ist. Die meisten Menschen respektieren das
Eigentum anderer. Nur wenige vergreifen sich daran, selbst wenn die Gelegenheit dafür günstig ist und
sie sich unbeobachtet fühlen können. Doch gilt dies für geistiges Eigentum in gleichem Maße? Oder ist
die Hemmschwelle diesbezüglich niedriger? Sind die illegalen Downloads von Software und Musik nicht
ein untrügliches Indiz für letzteres? Sehen die Bürger im Hersteller bzw. Anbieter von Plagiaten den Dieb
bzw. Hehler? Wie bereitwillig kaufen sie – des Preises wegen – Produkt- und Markenfälschungen?
Produkt- und Markenpiraten treten als Anbieter von Waren auf den Markt. Ohne selbst in Forschung,
Entwicklung und Reputation zu investieren, kopieren sie die Produkte von Konkurrenten. Sie profitieren
dabei von dem „kostspielig“ aufgebauten Marken- und Herstellerimage, verhalten sich also wie
Trittbrettfahrer. Zudem gefährdet die oft mangelhafte Qualität der Waren die Verbraucher (z. B. bei
Medikamenten, Autoersatzteilen, Handyakkus). Von den Konsumenten wird die Markenpiraterie und
Produktfälschung oft nicht als kriminelle Handlung angesehen, sondern als „Kavaliersdelikt“. Als
Begründung kann man hören: „Macht die Produkte doch einfach billiger, dann kauft man auch das
Original! Wer zockt hier eigentlich wen ab?“ Oder es wird die Meinung vertreten: „Wer Plagiate kauft
bringt damit zum Ausdruck, dass er die Originalprodukte nicht erwerben will!“ Deshalb sei es Unfug, wenn
die Hersteller behaupteten, dadurch Verdienstausfälle in Millionenhöhe zu haben.
Viele Schülerinnen und Schüler bringen persönliche Erfahrungen zu diesem Thema mit: Im Internet oder
im Urlaub sind nachgemachte Markenprodukte oft zu einem Spottpreis zu haben. Trendige Sneakers für
zehn Euro oder die Rolex unter hundert Euro. Ein bisschen heiß wird einem dann bei der Ankunft am
Flughafen zuhause, denn die „Schnäppchen“ können teuer werden, falls der Zoll die Fälschungen
entdeckt. Dieser ethos-Baustein fördert eine warenethische Reflexion der Produkt- und Markenpiraterie.
Die Schülerinnen und Schüler klären Fragen wie:
•
Worin besteht der Unterschied zwischen der legitimen Nachahmung eines Produktes und einer illegitimen
Produktfälschung?
•
Für wen ist Produkt- und Markenpiraterie mit Nachteilen verbunden, für wen mit Vorteilen?
•
Wer ist in unserer Wirtschaftsordnung für die Aufdeckung von Fälschungen zuständig?
Methodisch werden verschiedene mögliche Praxispartner vorgeschlagen. In vielen Regionen empfiehlt
sich ein Kontakt mit dem Zoll (www.zoll.de/dienststverz/index.html).
Lehrplan-Bezug: In berufsbildenden Schulen ergeben sich zahlreiche Bezüge zu kaufmännischen
Themenfeldern, allen voran die Warenkunde, das Wirtschaftsrecht und das Marketing. Der Baustein
eignet sich gleichermaßen für die konsumökonomische Bildung in allgemein bildenden Schulen.
Grundkonzepte werden geklärt und geprüft wie (geistiges) Eigentum und sein Zusammenhang mit
Wettbewerb und Innovation. Im Unterricht kann daher das Verhalten der Produkt- und Markenpiraten
sowohl mit Bezug auf die Verletzung der Institution des (geistigen) Eigentums als auch mit Bezug auf die
Gefährdung der Verbraucher warenethisch reflektiert werden.
Thomas Retzmann / Tilman Grammes
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Dirk Loerwald
Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?
Schutz und Missachtung geistigen Eigentums in der globalisierten Wirtschaft
Nachahmung von Produktideen – Kavaliersdelikt oder wirtschaftliche Bedrohung?
In Literatur und Film wird von der Piraterie zum Teil ein romantisch verklärtes Bild gezeichnet. Berühmte fiktive Piraten wie Long John Silver („Die Schatzinsel“), Ephraim Langstrumpf („Pippi Langstrumpf“) oder Captain Jack Sparrow („Fluch der Karibik“) werden als verwegene Sympathieträger
dargestellt. Für die realen Übergriffe heutiger Piraten (z. B. in den Gewässern vor Somalia) gibt es in
der öffentlichen Diskussion hingegen nur wenig Verständnis. Diese Ambivalenz von Akzeptanz und
Verurteilung kann auch in der Diskussion um eine ganz andere Art der Piraterie beobachtet werden:
Die Produkt- und Markenpiraterie wird zuweilen als ‚Kavaliersdelikt‘ aber auch als wirtschaftliche
Bedrohung wahrgenommen. Einerseits werden Strafen für Produktfälscher gefordert, andererseits
ist der Handel mit Plagiaten ein florierender Geschäftszweig.
Produkt- und Markenplagiate werden oftmals geduldet und konsumiert, wenn die gefälschten Produkte nicht sehr komplex sind, wenn die Fälschung gut gemacht ist und wenn die Produkte im Niedrigpreissegment zu verorten sind. Wer kennt nicht jemanden, der mit einer erstaunlich günstigen
Markensonnenbrille, einem Marken-T-Shirt oder einer Markenarmbanduhr aus dem Sommerurlaub
zurück gekommen ist?! Was aber, wenn Produktfälschungen Qualitätsmängel aufweisen? Wenn
einem Konsumenten der Handy-Akku am Ohr explodiert oder der Rauchmelder im Notfall nicht funktioniert, dann werden die problematischen Folgen der Produkt- und Markenpiraterie deutlich.
Und wenn die Produktfälschungen gut gemacht sind und von ihnen keine besonderen Gefahren für
Leib und Leben ausgehen? Ist Produkt- und Markenpiraterie dann legitim oder gibt es andere
ethisch begründbare Einwände? Sicherlich: Dem Markenunternehmen entsteht ein wirtschaftlicher
Schaden, wenn es seine eigenen Ideen nicht mehr zu Grenzkostenpreisen auf dem Markt absetzen
kann, weil es der Konkurrenz billiger Fälschungen ausgesetzt ist. Aber: Ist Nachahmung nicht ein
ganz normaler Prozess in modernen, global verflochtenen Marktwirtschaften? Worin liegt eigentlich
das moralische Problem der Produkt- und Markenpiraterie? Diese Frage lässt sich nicht so einfach
beantworten, wie es auf den ersten Blick scheint.
In der vorliegenden Unterrichtseinheit soll die Produkt- und Markenpiraterie aus wirtschaftsethischer
Sicht beleuchtet werden. Folgende Fragen stehen dabei im Zentrum:
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Worin besteht der Unterschied zwischen der legitimen Nachahmung eines Produktes und einer
ethisch problematischen Produktfälschung?
Für wen ist Produkt- und Markenpiraterie mit Nachteilen verbunden, für wen mit Vorteilen?
Was sind die Ursachen von Produkt- und Markenpiraterie?
In welchen Fällen und warum konsumieren Verbraucher, zum Teil, bewusst Plagiate?
Welche Auswirkungen hat die Produkt- und Markenpiraterie auf die Gültigkeit nationaler und internationaler Sozial-, Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards?
Warum gelten Ideen (geistiges Eigentum) als schützenswert und welche Rechtsgrundlagen gibt es in
Deutschland zum Schutze geistigen Eigentums?
Wer ist in Deutschland für die Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie zuständig?
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Ursachen, Ausmaß und Folgen von Produkt- und Markenpiraterie
► BEGRIFF. Die illegale Nachahmung und Übernahme fremder Leistungen wird mit verschiedenen
Begriffen belegt: Produktfälschung, Ideenklau, Plagiarismus etc. (vgl. Hintze 2007: 16 f.). In der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion haben sich die Bezeichnungen Produkt- und Markenpiraterie durchgesetzt. Unter Markenpiraterie wird die „Nachahmung von Markenrechten“ verstanden, unter Produktpiraterie die „Imitation von rechtlich geschützten Produkten“, ganz gleich, ob zusätzlich eine Nachahmung der Marke vorliegt oder nicht (vgl. Welser/González 2007: 59).
► ARTEN. Plagiate können danach unterschieden werden, wie die Produktfälscher den Originalhersteller in Bezug zur eigenen gefälschten Ware bringen.
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Marken- und Produktpiraterie: gefälschte Produkte, die nicht als Fälschungen erkannt werden sollen.
Der Verbraucher soll glauben, es handele sich um das Markenprodukt. Dazu werden das Produkt
und das Markenlogo nachgeahmt. Lediglich der Preis unterscheidet sich vom Original. Beispiele: gefälschte Rolex-Uhren und gefälschte Lacoste-T-Shirts.
Produktpiraterie mit Bezug zur Marke: Plagiate, die das Produkt kopieren und die Marke verändern.
Der Produktname und das Markenlogo werden abgewandelt, erinnern aber an das Original. Beispiele: Bucksstar Coffee (statt Starbucks Coffee), Haagen Bozs (statt Häagen-Dazs) und Adidos (statt
Adidas).
Produktpiraterie ohne Bezug zur Marke: Nachahmungen, die das Produkt aber nicht die Marke imitieren. Die Produktplagiate werden unter anderem Produktnamen und Produktlogo angeboten. Beispiel:
Salz- und Pfefferstreuer der Marke Koziol wurden vom italienischen Unternehmen Due Esse kopiert
und unter dessen Namen vertrieben.
► ENTWICKLUNG. Die EU verzeichnete ein starkes Anwachsen von Urheberrechtsverletzungen. In
2006 wurden in 37.334 Fällen 128 Millionen Produktplagiate beschlagnahmt. Im Jahr zuvor waren
es nur 26.000 Fälle und 75 Millionen Produkte (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Urheberrechtsverletzungen in der EU: registrierte Fälle von 1999 bis 2006
Quelle: European Commission Taxation and Customs Union 2006: 2.
► URSACHEN. Die Zunahme der Produktpiraterie hat mehrere Ursachen:
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Technischer Fortschritt: Fälschungen werden dadurch einfacher. Mittels PC und Bildbearbeitungssoftware lassen sich beispielsweise Marken-Logos problemlos kopieren.
Hohe Gewinne: Die Produktfälscher tragen weder Kosten für Forschung und Entwicklung noch für
das Marketing. Da sie wegen der Qualität der Produkte nicht haftbar gemacht werden, können sie in
Billiglohn-Ländern produzieren.
Geringes Risiko: Das Risiko der Strafverfolgung ist gering. Schwarzmärkte entziehen sich in weiten
Teilen der Kontrolle. Hinzu kommt, dass die Unterscheidung zwischen Plagiaten und Originalen aufgrund der verbesserten Produktionstechniken der Fälscher immer schwieriger wird.
Neue Kommunikations- und Absatzwege: Fälschungen sind nicht auf Urlaubsorte beschränkt, an
denen ausländische Touristen ‚übers Ohr gehauen‘ werden. Über Online-Märkte lassen sich Waren
aus entfernten Teilen der Welt in heimische Wohnzimmer ordern.
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Dirk Loerwald: Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?
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► KAUF VON PLAGIATEN. Grundsätzlich ist zwischen den Konsumenten zu unterscheiden, die ungewollt einer Fälschung aufgesessen sind und denjenigen, die vor dem Kauf ahnen oder gar wissen,
dass es sich um ein Plagiat handelt. Dass auch in letzterem Fall nicht immer vom Kauf abgesehen
wird, zeigt eine aktuelle Studie:
Jeder Vierte kauft gefälschte Produkte
„Mehr als jeder vierte Kunde kauft zumindest gelegentlich gefälschte Markenware. Das ist das Ergebnis
einer am Dienstag in Berlin veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young und des Markenverbandes. 28 Prozent der Befragten hätten in den vergangenen drei Jahren Erzeugnisse von Produkt- und Markenpiraten gekauft, bei den Jüngeren sei der Anteil noch deutlich höher, heißt es in der
Studie. In mehr als 60 Prozent der Fälle hätten die Käufer bewusst zu einem nachgeahmten Produkt
gegriffen.
‚Die Fälschung ist mittlerweile gesellschaftsfähig geworden‘, sagte der Leiter der Umfrage, Peter
Schommer. Neun von zehn Konsumenten sähen dadurch ihr Ansehen bei Freunden und Verwandten
nicht gefährdet. Immerhin rechneten 67 Prozent der Verbraucher mit Unfallrisiken, hervorgerufen durch
die Verarbeitung minderwertiger Materialien. Schäden für ihre Gesundheit schlössen 61 Prozent nicht
aus, 48 Prozent erwarteten finanzielle Risiken. Trotz des Bewusstseins verführe aber der günstige Preis
zum Kauf.“
(www.stern.de vom 4. September 2008)
► IMITATION UND DIFFUSION. Aus ökonomischer Sicht sind die Nachahmung und Verbreitung von
Produktideen nicht per se problematisch. Imitations- und Diffusionsprozesse sind vielmehr ein integrales und wichtiges Element der modernen Marktwirtschaft [Æ M 4]. Ohne die Möglichkeit, gute
Ideen nachzuahmen, würde die Anbieterkonkurrenz stark eingeschränkt.
► KULTURELLE UNTERSCHIEDE. Während das Plagieren in den westlichen Nationen nicht nur als
Urheberrechtsverletzung, sondern auch als Mangel an Kreativität abgestraft wird, hat sich die Nachahmung und Weiterentwicklung von Produktideen in China zu einer Kulturleistung der ganz eigenen
Art entwickelt, die mit dem Oberbegriff „Shanzai“ belegt wird. Das Besondere an Shanzai ist, dass
Markenprodukte nicht einfach nur imitiert, sondern auch variiert und weiterentwickelt werden. Befürworter des Shanzhai sprechen von der „Intelligenz des Volkes“, von einer „Kreativität von unten“ und
sogar von einem „Instrument der Demokratisierung“ (vgl. Siemons 2009).
► WIRTSCHAFTLICHE FOLGEN. Der wirtschaftliche Schaden bei Konsumenten, Produzenten und
Staat, kann nicht genau beziffert werden. Die Internationale Handelskammer schätzt ihn auf 600
Milliarden US-Dollar weltweit pro Jahr (Welser/Gonzáles 2007: 47).
Die Verbraucher profitieren zwar von niedrigen Preisen, nehmen aber sinkende Qualität und gesundheitliche Risiken in Kauf. Bei Arzneimittelfälschungen, gefälschten Ersatzteilen für Transportmittel (Flugzeuge, Züge, Autos etc.) oder bei gefälschten Kosmetika, Spielzeugen und Textilien können
Qualitätsmängel gesundheitsgefährdend oder gar lebensgefährlich sein.
Die Produzenten der originalen Waren müssen Umsatzeinbußen und den Verlust von Marktanteilen
hinnehmen (ebd.: 47 ff.). Die Marken werden aufgrund mangelnder Qualität und verringerter Exklusivität entwertet. Darüber hinaus müssen sie mit zunehmenden Gewährleistungs- und Produkthaftungsansprüchen rechnen, da der Originalhersteller in Haftung genommen wird, wenn ein Plagiat
nicht nachgewiesen werden kann. Auch die Groß- und Einzelhändler müssen mit Haftungsansprüchen rechnen, wenn ihnen unterlassene Pirateriebekämpfung vorgeworfen werden kann.
Staaten können in Form von Steuerausfällen und niedrigeren Sozialversicherungseinnahmen Nachteile durch Produkt- und Markenpiraterie erfahren. Gefälschte Produkte werden oftmals in Schwarzarbeit produziert und auf illegalen Wegen in andere Staaten übergeführt. Einkommensteuern, Sozialversicherungsbeiträge und Zölle werden in der Regel nicht entrichtet. Hinzu kommt, dass oftmals
Gesetze zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitnehmer missachtet werden.
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Negative Auswirkungen von Produkt‐ und Markenpiraterie
Verbraucher
• Gesundheitliche Risiken
• Lebensgefahr
• Wirtschaftliche Schäden
Unternehmen
Staat/Gesellschaft
• Umsatzeinbußen
• Verlust von Marktanteilen
• Entwertung der Marken
• Gewährleistungs‐ und Produkthaftungsansprüche
• Haftung wegen unterlassener Pirateriebekämpfung
• Steuerausfälle
• Fehlende Sozialversicherungs‐
einnahmen
• Missachtung von Arbeits‐
und Umweltschutz‐
bestimmungen
Abb. 2: Wirtschaftliche Folgen von Produkt- und Markenpiraterie.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Welser/González 2007: 47 ff.
► BEDEUTUNG DES PRIVATEIGENTUMS. Wirtschaftliches Wachstum ist von Investitionen in Vermögenswerte abhängig. Vermögenswerte können materieller Art sein (z. B. eine Maschine, ein Computer, ein Auto) oder immaterieller Art (z. B. eine Taxi-Lizenz, Fernsehübertragungsrechte, ein Patent).
Die Höhe der Investitionen hängt von der Sicherheit der Verfügungsrechte ab: „Wenn der investierende Akteur damit rechnen muss, dass sich andere die Erträge seiner Investition aneignen werden,
wird er die Investition unterlassen“ (Homann/Suchanek 2005: 118). Der Schutz von Verfügungsrechten ist die Aufgabe des Staates. Die Institution ‚Privateigentum‘ wird in Deutschland im Grundgesetz
(Art. 14) festgelegt.
► SCHUTZ GEISTIGEN EIGENTUMS. Das geistige Eigentum wird zuweilen auch als das „Öl des 21.
Jahrhunderts“ bezeichnet. Infolge des Übergangs von der Industriegesellschaft hin zur Wissensökonomie wird Wissen – neben Arbeit, Kapital und Boden – als vierter Produktionsfaktor anerkannt.
Wissen ist als Vermögenswert schützenswert und deshalb steht der Schutz geistigen Eigentums in
westlichen Gesellschaften auf der aktuellen politischen Agenda. Auf EU-Ebene und auch in
Deutschland wurden unlängst die Rechtsgrundlagen für immaterielle Eigentumsrechte grundlegend
novelliert [Æ M 8]. Der staatliche Schutz geistigen Eigentums ist aus ökonomischer Sicht notwendig,
da Wissen den Charakter eines öffentlichen Gutes hat (vgl. Goldhammer 2006: 85 ff.). Das bedeutet, dass niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden kann und dass keine Rivalität im Konsum besteht. Ohne staatliche Regelungen würde (ökonomisch relevantes) Wissen nicht bereit gestellt. Unternehmen würden nicht in Innovation und Forschung investieren, weil sie befürchten müssen, dass sie von Konkurrenten ausgebeutet werden, die das Wissen zwar nutzen, sich aber nicht
an den Kosten der Bereitstellung beteiligen.
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► RECHTSGRUNDLAGEN. Der Schutz geistigen Eigentums und die Bekämpfung von Produkt- und
Markenpiraterie erfolgen durch zivil-, straf- und zollrechtliche Bestimmungen. Die wichtigsten Gesetze enthält Abbildung 5. Für den Materialteil wird exemplarisch das Patentrecht ausgewählt [Æ M 7].
Rechtsgrundlage
Was wird geschützt?
Beispiele
Markengesetz
Kennzeichen
Microsoft, Nivea, Coca Cola
Urheberrechtsgesetz
Werte der Musik, Kunst, Literatur,
Fotografie, Filmwerke, Software
etc.
Musikalben (z. B. Billy Talent),
Literatur und Kinofilme (z. B.
Fluch der Karibik) etc.
Geschmacksmustergesetz
Design
Patentgesetz
technische Erfindung
Gebrauchsmustergesetz
technische Erfindung
Klettverschluss, Airbag-Gewebe,
Auto-Kindersitze
Sortengesetz
Pflanzenzüchtungen
Monsanto Gen-Mais
Motorola Handy-Design, BMWKarosserie, Schriftarten (z. B.
Arial)
Google Earth, Sonnenblumen,
Medikamente (z. B. Aspirin)
Abb. 3: Wichtige Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Welser/González 2007: 61.
► ZGR. Die deutsche Zollverwaltung hat 1995 die Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz (ZGR)
eingerichtet. Sie koordiniert die Grenzbeschlagnahmungsverfahren. Bei der Beschlagnahme schutzrechtsverletzender Waren arbeiten die Zollbehörden mit dem Zollkriminalamt und den regionalen
Zollfahndungsämtern zusammen.
„Inhaber von gewerblichen Schutzrechten wie z. B. Marken, Geschmacksmustern, Urheberrechten oder
Patenten können bei der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz in München das Tätigwerden der Zollbehörden beantragen. Der Rechtsinhaber übermittelt alle relevanten Daten zu den Originalprodukten.
Nach Bewilligung des Antrags können sämtliche Zollstellen in Deutschland elektronisch auf diese Informationen zugreifen und Originalwaren von Mogelpackungen unterscheiden. Hat eine Zollstelle anhand
der vorliegenden Informationen den Verdacht, dass Waren gefälscht sind, wird sie aktiv. Sie hält die Waren an und informiert den Inhaber des möglicherweise verletzten Schutzrechts. Dieser hat dann die Möglichkeit, seine Rechte zivilrechtlich geltend zu machen oder – unter bestimmten Voraussetzungen – die
Waren im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens vernichten zu lassen.“ (BMF 2008: 8).
► ERKENNUNGSMERKMALE. Gefälschte Waren sind manchmal selbst von Experten kaum zu erkennen. Um Original und Fälschung unterscheiden zu können, müssen die Unternehmen ihre Waren
detailliert beschreiben und die Spezifika herausstellen, die ein Plagiat wahrscheinlich nicht vorweist
(z. B. hochwertige Verarbeitungen, Produktbesonderheiten). Mit Hilfe so genannter Track & TraceSysteme (Barcode oder ähnliche Technologie) können Waren von der Herstellung bis zum Verbrauch nachverfolgt und identifiziert werden. Dadurch können Schutzrechtsverletzungen einwandfrei
aufgedeckt werden, was dem Zoll das Auffinden von Plagiaten erleichtert.
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► SACHSTRUKTUR. Am Tausch von Produktplagiaten sind zunächst nur die Anbieter und die Nachfrager beteiligt. Produktfälscher und Markendiebe imitieren gute Ideen und vertreiben diese Produkte
auf legalen und illegalen Märkten. Die Konsumenten erstehen wissend oder unwissend günstige
Plagiate und setzen sich damit ggf. Konsumrisiken aus. Die Folgen von Produkt- und Markenpiraterie betreffen ebenso Dritte (externe Effekte). Aufgrund der dadurch hervorgerufenen gesellschaftlichen Probleme sind Produktfälscher und Konsumenten von Plagiaten der Kritik der Wirtschaftsbürger ausgesetzt. Diese Kritik wird durch Interessengruppen (z. B. Vereine wie der „Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e. V.“ oder die „Aktion Plagiarius e. V.“) unterstützt. Staatliche
Rahmenordnungen wie das Patent, das Marken- und das Urheberrechtsgesetz sollen den Pionierunternehmen Schutz für innovative Ideen gewähren und Anreize für Investitionen in Forschung und
Entwicklung schaffen. Der nationalstaatliche Rahmen wird in allen GATT-Mitgliedsländern durch das
„Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“ (TRIPS) gerahmt. Die Pionierunternehmen selbst versuchen, sich vor Produkt- und Markenpiraterie zu schützen und beauftragen den Zoll mit der Grenzbeschlagnahme.
öffentliche Aufmerksamkeit
Verbot
Verbot
Wirtschaftsbürger
TRIPSAbkommen
Prävention
Produktfälscher/
Markendieb
Kritik
Imitation
Pionierunternehmen
Anreize
PatG
MarkenG
UrhG
…
z. B.
APM,
Plagiarius
Konsument
Zoll
Durchführung
der Grenzbeschlagnahme
Antrag auf
Grenzbeschlagnahmungsverfahren
ggf. Haftung/Gewährleistung
PatG:
MarkenG:
UrhG:
TRIPS:
APM:
Plagiarius:
Deutsches Patentgesetz
Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen
Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights
Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e. V.
Aktion Plagiarius e. V.
Abb. 4: Sachstruktur der Produkt- und Markenpiraterie
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Retzmann 2006: 298.
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Unterrichtsplanung: Praxiskontakt Zoll
► WIRTSCHAFTSBÜRGER. Über die persönlichen Erfahrungen mit gefälschten Produkten (z. B. im
Urlaub oder bei Ebay) kann ein schülerorientierter Einstieg in die Thematik gelingen, doch letztlich
handelt es sich bei der Produkt- und Markenpiraterie um ein gesellschaftliches Problem. Daher sollte
nicht lediglich die Betroffenen-Perspektive eingenommen werden. Schülerinnen und Schüler können
lernen, ein sachlich fundiertes und moralisch abgewogenes Urteil über politische Handlungsalternativen zu fällen.
► KOMPETENZFÖRDERUNG. Ein zentrales Ziel ökonomischer Bildung ist, dass Schülerinnen und
Schüler die Notwendigkeit einer sozialen Ordnung für wirtschaftliches Handeln erkennen. Sie sollen
lernen die Rahmenbedingungen der Wirtschaft zu verstehen und mitzugestalten (DeGöB 2004: 6 f.).
Am Beispiel der Produkt- und Markenpiraterie können die unterschiedlichen Auswirkungen nationalstaatlicher Rahmenbedingungen (hier insbesondere: Urheberrecht und Patentrecht) auf wirtschaftliche Aktivitäten veranschaulicht werden. Letztlich ist der Großteil des Handels mit Plagiaten auf internationale Unterschiede und auf ordnungspolitische Defizite in den institutionellen Rahmenbedingungen zurückzuführen. Die Entschärfung des Problems kann, folgerichtig, vor allem durch einen
international geltenden und sanktionsbewährten Ordnungsrahmen gewährleistet werden.
Die hohe Komplexität der Problematik wird in vollem Umfang erst nachvollziehbar, wenn zum einen
internationale Verflechtungen und zum anderen langfristige Folgewirkungen in den Blick geraten. So
können Produktfälschungen in anderen Ländern Auswirkungen auf den deutschen Markt haben (z.
B. Billig-Konkurrenz durch ausländische Nachahmer). Ebenso sind die innovationshemmenden
Auswirkungen von Produkt- und Markenpiraterie nicht auf den ersten Blick offensichtlich. Eine unterrichtliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik kann bei Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit fördern, ökonomische Systemzusammenhänge zu erklären (DeGöB 2004: 6).
►LERNVORAUSSETZUNGEN. Es sind nur wenige ökonomische Vorkenntnisse notwendig, da sich viele
Grundsachverhalte an der Thematik erarbeiten lassen. Sinnvollerweise bringen die Schülerinnen ein
grundlegendes Wissen über Märkte und die auf den Märkten handelnden Akteure mit. Insbesondere
sollte klar sein, wie sich ein Preis bildet und welche Informationen ein Preis über Anbieter (Kostenstrukturen) und Nachfrager (Zahlungsbereitschaft) liefert. Nur dadurch kann der Preiswettbewerb
nachvollziehbar werden, zu dem die Produktfälscher und Markendiebe innovative Unternehmen
zwingen. Darüber hinaus sind grundlegende Kenntnisse über Konsumentenverhalten und Marketingstrategien hilfreich, um die wirtschaftlichen Folgen von Produkt- und Markenpiraterie zu verstehen.
►CURRICULARE EINBETTUNG. Die Thematik passt in unterschiedliche Kontexte. Sie ist aus der Sicht
von Verbrauchern (z. B. qualitative und ökologische Kaufrisiken) und aus der Perspektive von Unternehmen (z. B. Anreize für Innovationen) relevant. Sie kann mit Blick auf die Notwendigkeit einer
staatlichen Rahmenordnung für wirtschaftliches Handeln (z. B. Patentrecht oder Urheberrecht) und
vor dem Hintergrund globaler wirtschaftlicher Verflechtungen (z. B. fehlender internationaler Rechtsrahmen) rekonstruiert werden.
► METHODIK. Die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Produkt- und Markenpiraterie sind für Schülerinnen und Schüler beobachtbar bzw. erfahrbar. Daher wird hier die methodische Großform der
Praxiskontakte zur Erschließung der Problemstellung vorgeschlagen. Praxiskontakte zwischen
Schule und Wirtschaft bieten authentische Lerngelegenheiten, durch die wirtschaftliche Sachverhalte greifbar werden können. Unmittelbare Bezüge zur Realität können die Relevanz des Lerngegenstands offenlegen. Dies steigert in vielen Fällen die Lernmotivation. Durch die eigenaktive und
selbstständige Auseinandersetzung mit realen Problemen können die Schülerinnen und Schüler
theoretisch Gelerntes handelnd überprüfen. Dies steigert in vielen Fällen die Nachhaltigkeit von
Lernerfolgen. Je nachdem, ob Praxiskontakte schulextern oder schulintern stattfinden, sind sie mehr
oder weniger zeitaufwendig und bedürfen gesonderter Organisation. Sollte diese Zeit nicht zur Verfügung stehen, können die Schülerinnen und Schüler alternativ eine Internetrecherche zum Thema
durchführen.
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► PRAXISPARTNER. Als Praxispartner kommen Verbraucher (Opfer, Geschädigte), international agierende Unternehmen, Politiker oder Juristen (mit den Spezialgebieten Patentrecht oder Urheberrecht)
in Frage. Ebenso bietet sich ein Besuch im Museum „Plagiarius“ in Solingen an. Dort werden mehr
als 250 Originale und Plagiate [Æ M 1] ausgestellt. Außerdem finden Workshops und Seminare zur
Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie statt.
In dieser Unterrichtseinheit wird mit dem Zoll ein anderer Praxispartner vorgeschlagen. Der Zoll ist
zuständig für die Einfuhr- und Ausfuhrabfertigung und hat die Aufgabe im Grenzbeschlagnahmungsverfahren gefälschte Produkte zu identifizieren und aus dem Verkehr zu ziehen. Der Zoll kann dabei
wachsende Erfolge verzeichnen, wie der folgende Pressetext veranschaulicht:
Hamburg – Rekordfund des Zolls im Hamburger Hafen.
Innerhalb weniger Wochen gelang es den Hamburger Zöllnern 117 Container gefälschte Markenartikel
mit einem geschätzten Gesamtwert der Originalprodukte von mehr als 383 Mio. Euro sicherzustellen. Es
handelte sich dabei überwiegend um Sportschuhe bekannter Markenhersteller. Gleichzeitig stellten die
Zöllnerinnen und Zöllner große Mengen an gefälschten Markenarmbanduhren, Textilien und Spielzeug
fest. Dies ist wohl der weltweit größte bekannte Aufgriff im Bereich der Produktfälschungen. Der Zollverwaltung gelang es, die Beschlagnahmezahlen gegenüber dem Vorjahr nochmals zu steigern. Der Wert
der beschlagnahmten Produkte stieg im Jahr 2006 auf über 1,1 Milliarden Euro (gemessen am Originalpreis). Die Anzahl der sichergestellten Produkte stieg im Vergleich zum Vorjahr um 400 % an. Ebenfalls
geklettert sind die Aufgriffe in den Sicherheitsbereichen Arzneimittel und Automobilindustrie.
(Quelle: Jahresbericht 2006 Gewerblicher Rechtschutz, S. 5)
Der Zoll ist in ganz Deutschland sowohl an den als auch innerhalb der Landesgrenzen tätig. Für
einen Praxiskontakt zur Produkt- und Markenpiraterie dürften insbesondere einfuhrintensive Standorte wie Häfen oder Flughäfen interessant sein. Eine Übersicht über die Standorte der Hauptzollämter, Zollfahndungsämter, Zollkriminalämter und Sonderstellen der Zollverwaltung bietet das
Dienstverzeichnis der Zollverwaltung (http://www.zoll.de/dienststverz/index.html).
► ZENTRALE PROBLEMSTELLUNG. Die wirtschaftliche Realität ist nicht didaktisch vorstrukturiert. In
der Durchführungsphase des Praxiskontakts gilt es daher, den Blick der Schülerinnen und Schüler
auf das Wesentliche zu lenken. Dies gelingt durch Einführung einer zentralen Problemstellung für
den Praxiskontakt, hier beim Zoll: „Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?“. Die
Experten des Zolls können erläutern, für wen Produkt- und Markenpiraterie mit Vorteilen verbunden
ist und für wen mit Nachteilen, wo die Ursachen für Produkt- und Markenpiraterie liegen und welche
Folgen damit verbunden sind, wie Produktplagiate erkannt werden können und welche politischen
Möglichkeiten zur Problementschärfung existieren. Andere, für Schülerinnen und Schüler durchaus
spannende Aspekte wie die technischen Details (z. B. beim Durchleuchten von Koffern und Paketen), die kriminalistischen Vorgehensweisen (z. B. Umgang mit einem Schmuggler) oder die Identifikationsstrategien zur Aufdeckung gefälschter Ware, dürfen den Blick auf die zentrale Problemstellung nicht verstellen.
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Unterrichtsverlauf
► VORBEREITUNG. Die Kontaktaufnahme mit dem Praxispartner sollte frühzeitig erfolgen und es sollte möglichst schnell ein Termin für den Praxiskontakt festgemacht werden. Dieser muss systematisch vorbereitet werden, damit sich die Schülerinnen und Schüler mit dem notwendigen Grundlagenwissen in die Realbegegnung hineinbegeben und die Lernerfahrungen in übergeordnete Sachund Sinnzusammenhänge einbetten können. Für den Praxiskontakt beim Zoll ist folgender Verlauf
sinnvoll.
Vorbereitung
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Durchführung
Auswertung
ƒ
ƒ
ƒ
Zentrale Problemstellung einführen und entfalten
Inhaltliche Grundlagen vermitteln (Grundbegriffe, wirtschaftliche Ursachen,
juristische Grundlagen)
Fragen für ein Expertengespräch sammeln
Betriebserkundung (Kennenlernen der Arbeit des Zolls/ Kontakt mit gefälschter Ware/ …)
Expertengespräch (Fragen der Schülerinnen und Schüler an den Praxispartner)
Sammeln und Systematisieren der wesentlichen Lernerfahrungen
Prüfung der Lernerfahrungen auf Richtigkeit und Exemplarität (Was sind die
grundlegenden Erkenntnisse?)
► EXPERTENGESPRÄCH. Die Schülerinnen und Schüler sollten dafür vorab Fragen entwickeln, damit
es in Richtung der angestrebten Lernziele gelenkt werden kann. Mögliche Fragen sind:
•
•
•
•
•
•
•
•
Warum engagiert sich der Zoll in der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie? Auf welche
Weise tut er das?
Wie können Fälschungen vom Original unterschieden werden?
Aus welchen Branchen stammen die beschlagnahmten Plagiate?
Wie hoch ist der Umfang beschlagnahmter Ware (z. B. pro Jahr)?
Ist Nachahmung im Wirtschaftsleben nicht gewünscht?
Für wen ist Produkt- und Markenpiraterie mit Vorteilen verbunden, für wen mit Nachteilen?
Worin liegen die Probleme von Produkt- und Markenpiraterie?
Ist der Zoll zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie international tätig?
► GENERALISIERUNG. Praxiskontakte sind eine Form exemplarischen Lernens: Der Lernprozess
rankt sich um ein möglichst anschauliches Beispiel, welches nicht lediglich im Unterricht thematisiert, sondern von den Lernenden selbst erfahren, durch Experten praxisnah vermittelt oder im Modell realitätsnah simuliert wird. Praxiskontakte sind zeitlich begrenzt und kontextgebunden; sie sind
Momentaufnahmen eines Ausschnittes von Realität. Das Gelernte bezieht sich dementsprechend
zunächst lediglich auf die erfahrene Situation und den erlebten Zeitraum. Die Herausforderung bei
der Auswertung des Praxiskontaktes besteht darin, die grundlegenden Einsichten und die zentralen
Kategorien herauszuarbeiten, um einen Transfer auf ähnlich gelagerte Probleme zu ermöglichen.
Bei dem hier skizzierten Praxiskontakt ist also beispielsweise zu fragen, ob neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten über …
•
•
•
•
•
•
das Ausmaß und die branchenübergreifende Verbreitung der Produkt- und Markenpiraterie,
über wirtschaftliche Ursachen und Auswirkungen der Produkt- und Markenpiraterie,
über die Schwierigkeiten des Zolls bei der Identifikation gefälschter Waren und der Androhung der
Produktfälscher und Markendiebe,
über die Situation in den Herkunftsländern der gefälschten Produkte,
über die Funktionsweise und die Grenzen der deutschen Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung der
Produkt- und Markenpiraterie oder
über die Notwendigkeit und die Schwierigkeiten international abgestimmter Vorgehensweisen.
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Literaturhinweise
BMF – Bundesministerium der Finanzen (2008): Der Zoll. Produktpiraterie im Visier. Jahresbericht 2007. Berlin.
BMF – Bundesministerium für Finanzen (2007): Kampf gegen die Marken- und Produktpiraterie. Ergebnisse des G 8Gipfels von Heiligendamm für die internationale Zusammenarbeit der Zoll- und Grenzschutzbehörden. In: Monatsbericht des BMF. Juli 2007. S. 93-98.
BMF – Bundesministerium für Finanzen (2007): Gewerblicher Rechtschutz. Jahresbericht 2006. Berlin.
DPMA (2008): Jahresbericht 2007. München.
European Commission Taxation and Customs Union (Hrsg.): Summary of Community Customs Activities on Counterfeit and Piracy Results at the European Border - 2006.
Goldhammer, K. (2006): Wissensgesellschaft und Informationsgüter aus ökonomischer Sicht. In: Hoffmann, J.
(Hrsg.): Wissen und Eigentum. Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter. Bonn. S. 81-106.
Furjan, N. (2008): Medikamente für alle. In: Im Klartext. Informationen zur sozialen Marktwirtschaft. Heft 04/2008. S.
2-3.
Hintze, M. (2007): Die Problematik der chinesischen Marken- und Produktpiraterie. Saarbrücken.
Homann, K./Suchanek, A. (2005): Ökonomik. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Tübingen.
Pressemitteilungen des Zolls zum Themenbereich Marken- und Produktpiraterie
http://www.zoll.de/f0_veroeffentlichungen/c0_produktpiraterie/index.html
Siemons, M. (2009) : Mit Adodas zu Bucksstar Coffee. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.01.2009, Nr. 8. S.
29.
Straubhaar, Th. (2007): Markenpiraterie kein Kavaliersdelikt. HWWI Standpunkt, September 2007.
Welser, M. v. /González, A. (2007): Marken- und Produktpiraterie. Strategien und Lösungsansätze zu ihrer Bekämpfung. Weinheim.
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M1
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Original und Fälschung
Arbeitsauftrag:
Die Aktionsgemeinschaft „Plagiarius“ verleiht jedes Jahr einen Negativpreis in Form einer Trophäe
(schwarzer Zwerg) an die dreistesten Fälscher. Welche Intention könnte eine solche Preisverleihung haben und welche Branchen werden prämiert (siehe dazu auch: www.plagiarius.com)?
Salz- und Pfefferstreuer “Step’n Pep”
Notizbuch „Moleskine“
Originale: Koziol GmbH, Erbach
Original: Hersteller: Moleskine S.r.l., Mailand,
Italien/ Vertrieb (D, AT, CH): Authentics
GmbH, Gütersloh
Plagiate: DUE ESSE s.r.l., Martina Franca,
Italien
Plagiat: ars nova GmbH Großhandel für Künstlermaterialien, Witten
Motorsäge "MS 380"
Original: ANDREAS STIHL AG & Co. KG,
Waiblingen
Plagiat: SWOOL Power Machinery Co. Ltd.,
Quzhou, Zhejiang, PR China
Resektoskop für die Urologie (Arbeitselement)
Original: KARL STORZ GmbH & Co. KG, Tuttlingen
Plagiat: Phoebus Medizintechnik GmbH, Tuttlingen (Gesellschaft aufgelöst)
Quelle: www.plagiarius.com
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M2
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Begriff und Gegenstand
Arbeitsauftrag:
Produktfälscher werden mit „Piraten“ verglichen. Für wie aussagekräftig halten Sie diesen Vergleich und
wo sehen Sie Grenzen? Begründen Sie Ihre Antwort.
Markenpiraten und Produktfälscher
Markenpiraten verwenden illegal Zeichen, Namen, Logos (Marken) und geschäftliche Bezeichnungen, die von den Markenherstellern zur Kennzeichnung ihrer Produkte im Handel eingesetzt werden.
Produktfälscher beuten fremdes geistiges Schaffen rücksichtslos aus; sie machen sich fremde Entwicklungen zunutze, ohne einen kreativen oder finanziellen Beitrag dazu geleistet zu haben. Produkte, für die der rechtmäßige Hersteller eingetragene Schutzrechte besitzt, werden gezielt nachgeahmt
und vervielfältigt. Produktfälscher und Markenpiraten werden in ihrem Vorgehen immer dreister. Sie
überschwemmen den Weltmarkt längst nicht mehr nur mit gefälschten Modeaccessoires oder nachgeahmten Textilien, kopiert werden auch Autoersatzteile, Medikamente, Nahrungsmittel und Getränke, Computersoftware, Zigaretten und Elektroartikel.
Produktsicherheit
Darunter leidet zunehmend auch die Produktsicherheit. Gefälschte Lenkteile für Pkw oder Bremsscheiben können zu schweren Unfällen führen. Gefälschte und damit qualitativ schlechte Nahrungsmittel können sich unmittelbar auf die Gesundheit des Verbrauchers auswirken. Aber auch
fehlende Wirkstoffe im Arzneimittelbereich sowie schadhafte oder nicht dem Sicherheitsstandard
entsprechende Elektroartikel können fatale Folgen auslösen. Plagiate schädigen also nicht nur den
Ruf des Originalherstellers; sie können auch erhebliche Gesundheitsrisiken für den Verbraucher mit
sich bringen.
Produkthaftung – Gewährleistung – Garantie
Vor allem die Produkthaftung spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle, denn wegen
schlechter Qualität der Produkte kommt es zu Produkthaftungs-, Gewährleistungs- und GarantieStreitigkeiten worunter auch das Markenimage leidet. Produkt- und Markenpiraten tragen kein unternehmerisches Risiko; sie müssen nicht, wie der Unternehmer, hohe finanzielle Mittel einsetzen,
um ein Produkt zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Quelle: BMF (Hrsg.): Gewerblicher Rechtsschutz – Jahresbericht 2006. München. S. 6
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M3
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Produkt- und Markenpiraterie – ein Randphänomen?
In den Anfängen war die Produkt- und Markenpiraterie ein Randphänomen. Sie hat sich vor allem
auf die Imitation ausgewählter Luxus- und Designerprodukte (z. B. Rolex-Uhren oder Lacoste-TShirts) beschränkt. Heute lassen sich Plagiate in nahezu allen wirtschaftlichen Warengruppen ausfindig machen. Von einfachen Gebrauchsgegenständen (z. B. Regenschirme/Scheren) und Entertainment-Produkten (z. B. Musik-CDs/Computerspiele) über Produktionsgüter (z. B. Pflanzenschutzmittel) und Designerprodukte (z. B. Küchenaccessoirs) bis hin zu hochkomplexen technologischen Produkten (z. B. medizinische Instrumente) gibt es kaum ein (erfolgreiches) Produkt, das
nicht gefälscht und auf den Markt gebracht wird.
Der Großteil der an deutschen Grenzen beschlagnahmten Plagiate wird in Ostasien produziert. Die
meisten der in Deutschland und auch der in Europa beschlagnahmten Plagiate kommt aus China.
Beschlagnahmefälle in Deutschland 2005 nach Herkunftsländern
Quelle: Welser/González 2007: 28.
Die Produkt- und Markenpiraterie ist heute nicht mehr auf einzelne Warengruppen beschränkt, sie
betrifft nahezu alle Produkte und erstreckt sich auf das gesamte Warenprogramm.
Beschlagnahmefälle in Deutschland 2005 nach Warengruppen
Quelle: Welser/González 2007: 29.
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M4
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Nachahmung im Wirtschaftsleben – Imitation als integraler Prozess
wirtschaftlicher Entwicklung
Im Jahr 2001 brachte das deutsche Unternehmen Philips in Kooperation mit dem niederländischen
Kaffeeröster Douwe Egberts die erste Kaffeemaschine auf den deutschen Markt, die nach dem
Kaffeepadsystem funktioniert. Es dauerte nicht lange, bis diese Idee von anderen Unternehmen
nachgeahmt wurde. Mittlerweile gibt es ein breites Angebot von Kaffeepadmaschinen (z. B. Melitta
Mycup oder Braun Tassimo).
Solche ‚Innovations-Imitations-Zyklen’ sind typisch für den Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung.
Der Ökonom Joseph Alois Schumpeter hat Mitte des 20. Jahrhunderts in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung die Innovationen als die zentralen Antriebskräfte für wirtschaftlichen Fortschritt hervorgehoben. Der zum geflügelten Wort gewordene ‚Schumpetersche Pionierunternehmer‘
steht im Zentrum dieser Theorie. Wenn ein Unternehmen der Konkurrenz durch andere Unternehmen ausgesetzt ist, zwingt ihn das dazu, neue Verfahren und neue Produkte zu entwickeln. Ebenso
hat Schumpeter bereits auf die Relevanz von Nachahmern hingewiesen, die durch die Imitation innovativer Produktideen zur Verbreitung (Diffusion) der Produkte beitragen.
Einen solchen „Innovations-Imitations-Zyklus“ kann man sich wie folgt vorstellen: Manche Unternehmen können als „Bahnbrecher“ bezeichnet werden. Sie entwickeln, in zum Teil aufwendigen
Verfahren, neue Produktideen und setzen sich damit von der Konkurrenz ab. Für einen mehr oder
weniger kurzen Zeitraum haben sie die Marktmacht an sich gerissen und die Konkurrenten hinken
hinterher. Dies ist aus ökonomischer Sicht dann kein Problem, wenn sich die Marktmacht nicht verfestigt, sondern durch den „Wettbewerb der Nachahmer“ auflöst. Der Vorsprung des „Bahnbrechers“
wird wieder eingeholt.
(Quelle: Autorentext)
Arbeitsaufträge:
1. Arbeiten Sie heraus, worin genau die Anreize für Produktinnovationen bestehen und welche Rolle der
Nachahmung von Produkten zugesprochen wird.
2. Übertragen Sie die theoretischen Zusammenhänge auf das Beispiel der Kaffeepadmaschinen.
3. Geben Sie weitere Beispiele für ökonomisch erwünschte Nachahmungen im Wirtschaftsleben.
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Teure Rückkehr – Auswirkungen von Produktpiraterie auf Verbraucher
Arbeitsaufträge:
1. Interpretieren Sie vor dem Hintergrund des folgenden Textes die Volksweisheit, „Wir sind zu arm, um
uns etwas billiges zu leisten“ sowie den Werbeslogan „Geiz ist geil“.
2. Nennen und erläutern Sie mindestens drei Maßnahmen, wie Sie sich als Verbraucher vor dem Kauf
gefälschter Ware schützen können.
Für die dänische Touristin war es ein Alptraum: Nur ein paar Euro hatte sie im italienischen
Ventimiglia für eine Designer-Sonnenbrille bezahlt. Doch das Teil war gefälscht – und die Polizei
stand gleich daneben. 10 000 Euro Strafe stehen in Italien auf den Kauf von Plagiaten.
Ähnlich geht es Urlaubern weltweit: Fälscherware überall. Ob Omega-Uhren für 30 Euro in New
Yorks China-Town, Adidas-T-Shirts für 5 Euro in Antalya, Louis-Vuitton-Taschen für 40 Euro in Florenz – die Versuchung lauert überall. Mitunter gleich hinter der deutschen Grenze, zum Beispiel im
polnischen Swinemünde oder im tschechischen Eger: Boss-Gürtel, Nike-Turnschuhe, NokiaHandys, DVD-Filme, Software, angeblich alles Originale. Doch neben der Gefahr, damit geschnappt
zu werden, sind die „Luxusmarken“ auch sonst nicht ohne Risiko: Plagiate bestehen oft aus billigem
Material. Das T-Shirt löst Allergien aus, die Hautcreme macht Pickel, der Handy-Akku explodiert und
der chinesische USB-Speicherstick löscht plötzlich alle Daten.
Richtig gefährlich kann es bei Medikamenten werden. Schließlich kann jeder Laie in einer
Hinterhofgarage aus Backpulver Tabletten pressen, die kaum vom Original zu unterscheiden sind.
2004 tauchten Viagra-Plagiate mit lebensgefährlichen Nebenwirkungen auf. Besonders oft werden
auch Asthmamittel und Muskelaufbaupräparate gefälscht. Die Gefahr: zu wenig Wirkstoffe, dafür
aber Verunreinigungen.
Auch am Zoll droht Ärger. Nur wenn der gesamte Warenwert 175 Euro nicht übersteigt – wobei der
Einkaufspreis im Urlaubsland zählt – und wenn klar ist, dass der Urlauber keinen Handel treiben will,
können die Zöllner ein Auge zudrücken. Eine einzelne gefälschte Uhr kann also durchgehen, kommen aber noch ein falsches T-Shirt und ein Paar Turnschuhe dazu, droht die Beschlagnahme. Zoll
und 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer sind dann trotzdem fällig. Außerdem verständigen die Beamten
die Originalfirma. Die wird eine Unterlassungserklärung verlangen. Da kann allein der Anwalt Hunderte Euro kosten.
Die Ausrede „Ich habe das Teil schon vor Jahren geschenkt bekommen“, hilft da nicht weiter.
Schließlich können die Beamten einer Marken-Sonnenbrille nicht ansehen, wo sie gekauft wurde.
Liegen keine Beweise vor, unterstellen sie die erstmalige Einfuhr. Auch der Einwand: „Ich wusste
gar nicht, dass das eine Edelmarke ist“, greift nicht. Denn auf ein Verschulden kommt es nicht an,
ebenso wenig darauf, ob man das Stück von Einheimischen geschenkt bekam.
„Manche Leute haben die unglaublichsten Dinge im Gepäck“, berichtet Zollpressesprecher Thomas
Malter. Die Beamten werden regelmäßig geschult, sie kennen die typischen Reiseziele. Im Februar
koordinierten sogar alle EU-Staaten Kontrollen mit gemeinsamen Fahndungsrastern.
Quelle: test (Stiftung Warentest). Heft 6/2008: 12-13.
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Auswirkungen von Produktpiraterie auf Unternehmen: Beispiele
Arbeitsauftrag:
Zeigen Sie anhand der nachfolgenden Beispiele auf, worin genau die wirtschaftlichen Probleme liegen,
die durch Produkt- und Markenpiraterie verursacht werden? Beurteilen Sie eigenständig, ob diese Probleme lediglich Einzelschicksale darstellen, oder ob es sich um Probleme von gesamtwirtschaftlichem
Ausmaß handelt.
Beispiel 1: Wangmazi Scissors
Im August 2003 schockierte ein Zeitungsartikel die chinesische Wirtschaft. Wangmazi Scissors, eine
mehr als 350 Jahre alte chinesische Traditionsmarke für Schneidewerkzeuge, musste Konkurs anmelden. Das 1651 gegründete Unternehmen galt als Inbegriff der chinesischen Kunst, Messer und
Scheren allerbester Qualität herzustellen. Auf dem Höhepunkt seiner Geschichte zahlte Wangmazi
dem chinesischen Staat jährlich zwei Millionen Renminbi an Steuern. Es dauerte nicht lange, da
traten immer mehr Kopien der Marke mit schillernden Namen wie „Old Wangmazi“ oder „True
Wangmazi“ auf den Markt und machten der Originalmarke Konkurrenz. Zum Schluss waren es dutzende Imitate, die mit jährlich fünf Millionen Paar dreimal so viele Messer und Scheren auf den
Markt warfen wie der Originalhersteller. Sie trieben ihn nach mehreren hundert Jahren in den Konkurs.
Beispiel 2: Böblinger Werbas AG
Bei der Böblinger Werbas AG, einem Anbieter von Software für die Werkstattabwicklung, dauerte
die Demontage durch Fälscher nur wenige Jahre. Das Unternehmen stieg im Frühjahr 2005, nach
einem fünfjährigen Engagement, wieder aus dem chinesischen Markt aus. WERBAS entwickelt und
vertreibt Software für das Management von Kfz-Werkstätten, das von der Auftragsannahme, der
automatischen Warenbestellung und der Lagerverwaltung bis zur Berechnung verschiedener Arbeitswerte und der Erläuterung von Reparaturen an Fahrzeugen aller gängigen Automarken reicht.
Auch Teilehändler, Speditionen, Kommunen und Polizeiwerkstätten, die Post, Feuerwehren und die
Flughäfen in Stuttgart und Berlin arbeiten mit Softwarelösungen von WERBAS.
Die schwäbische Softwareschmiede hatte im November 2000 zusammen mit der Firma Sinowest
Net e-Commerce Co. Ltd. in Beijing die Sinowest WERBAS (China) Software Development Co. Ltd.
gegründet. Das Ziel des Joint Ventures war, Softwareprodukte in chinesischer Sprache zu entwickeln und zu vertreiben, die auf die Bedürfnisse der chinesischen Unternehmen abgestimmt sind.
Die Bilanz des fünfjährigen Engagements in China war ernüchternd. Vorsichtigen Schätzungen zufolge gab es mehr als hundertmal so viele WERBAS-Raubkopien, als das Unternehmen in China
Lizenzen verkauft hat. Unter diesen Voraussetzungen machte es für das Unternehmen keinen Sinn,
den chinesischen Markt weiter zu bearbeiten.
Beispiel 3: Obi
Auch der Rückzug der Obi Bau- und Heimwerkermärkte GmbH & Co. KG aus dem Reich der Mitte
ist eine Reaktion auf Nachahmer. Denn Chinas Plagiatoren kopieren nicht nur Produkte und Marken,
sondern auch ganze Geschäftsmodelle und Konzepte. Obi etablierte im Juni 2000 seinen ersten
Markt in Wuxi bei Shanghai und hatte vor, innerhalb von zehn Jahren im ganzen Land 100 Baumärkte zu eröffnen, von denen jeder im ersten Jahr 30 bis 35 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften
sollte. Im Jahr 2005 gab die deutsche Baumarktkette das Chinageschäft aber überraschend auf und
verkaufte ihre 13 bereits eröffneten sowie fünf im Bau befindlichen chinesischen Märkte an die britische Baumarktkette Kingfisher. Der Grund: Obwohl es im boomenden China an potenziellen Käufern nicht fehlt, kauften die Kunden bei Obi nicht genug. Sie gingen zu chinesischen Konkurrenzbaumärkten wie Home Mart, Home Way oder Orient Home, die das Konzept der neuen europäischen und amerikanischen Baumärkte schnell imitiert hatten und in identischen Märkten die gleichen
Produkte billiger anboten. Der Umsatz der deutschen Obi-Kette war in China deshalb geringer als
erwartet, die chinesischen Nachahmer erwiesen sich als überlegen.[…]
Quelle: Fuchs, H.-J. (2006): Piraten, Fälscher und Kopierer. Strategien und Instrumente zum Schutz geistigen Eigentums in der Volksrepublik China. Wiesbaden. S. 15-17.
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Patente: (K)ein Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie?
Arbeitsauftrag:
Patente sind als Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie gedacht. Stellen Sie mit eigenen Worten dar,
inwieweit Patente diesen Schutz gewährleisten können und wo die Grenzen liegen.
Bei einem Patent handelt es sich um ein Schutzrecht auf eine Erfindung, das den Inhaber dazu berechtigt, anderen die Benutzung dieser Erfindung zu untersagen. Im Patentgesetz ist festgelegt,
dass Patente „für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt [werden], sofern sie neu sind,
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.“ (PatG §1, Abs. 1). Das
Patentrecht soll die Unternehmen vor Ideenraub schützen und ihre Innovationsvorsprünge sichern.
Unternehmen werden nur dann in Forschung und Entwicklung investieren, wenn sich diese Investitionen durch den Verkauf der jeweiligen Innovationen rechnen. Patente können dies gewährleisten,
indem sie dem Inhaber ein zeitlich befristetes Monopol (bis zu 20 Jahren; PatG § 16) an der patentierten Erfindung erteilen.
Patente unterliegen dem Territorialitätsprinzip, was bedeutet, dass sie national beschränkt sind. In
jedem Land bzw. in jedem Wirtschaftsraum (z. B. EU), in dem die Erfindung vermarktet werden soll,
müssen sie beim dort zuständigen Patentamt beantragt werden (vgl. Furjan, N. 2008: 2). Im Jahr
2007 wurden beim Deutschen Patentamt (DPMA) und beim Europäischen Patentamt (EPA) etwa
175500 für Deutschland wirksame Patente gemeldet. Beim DPMA geht durchschnittlich alle neun
Minuten ein Patentantrag ein. Die Aktenlänge der Patentanmeldungen für das Jahr 2007 hätte
aneinandergelegt eine Gesamtlänge von ca. 20 Kilometern (vgl. DPMA 2008: 13 ff.).
Patente schalten Konkurrenz aus. Die hohen Preise hat der Verbraucher zu tragen. Im medizinischen Bereich könnten wirkstoffgleiche Kopien eines Markenmedikaments (so genannte Generika)
durch günstige Preise zu einer besseren Versorgung mit dem Medikament führen. Generika dürfen
aber nur produziert werden, wenn der Patentschutz gelockert wird. Ein weiterer unerwünschter Nebeneffekt ist, dass durch die öffentliche Zugänglichkeit angemeldeter Patente Produkt- und Markenpiraterie gefördert werden kann. So werden Patentbeschreibungen nicht selten als „Anleitung zum
Selberbauen“ interpretiert, wie der folgende Textausschnitt zeigt:
„Deutsche Maschinenbauunternehmen melden einem Zeitungsbericht zufolge immer weniger Patente an.
Mit der Kreativität der Entwickler hat das allerdings weniger zu tun, als mit der Angst vor der Kopierwut
der Chinesen. In China hat man eine ganz eigene Auffassung von Patentschriften. Sie dienen weniger
der Information, welche technische Errungenschaft bereits einem anderen gebührt, sondern vielmehr wie
eine Anregung und Anleitung zum Nachbauen. Diese Umwidmung des Schutzkatalogs hat sich inzwischen auch bei den deutschen Unternehmen herumgesprochen. ‚Wir melden nur noch ganz wenige Patente an‘, sagte etwa der Chef des weltgrößten Stahlwerksbauers SMS Group, Heinrich Weiss, der Financial Times Deutschland. Auch der Kranhersteller Demag Cranes sei mittlerweile bei der Anmeldung
von Patenten vorsichtig geworden, berichtet die Zeitung. ‚Wir versuchen, die Chinesen so lange wie möglich auf Abstand zu halten‘, sagte Unternehmenschef Harald J. Joos. Der Weltmarktführer bei mobilen
Hafenkränen, der insgesamt über rund 1500 Patente verfügt, habe bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Zwei frühere Kran-Generationen seien von den Chinesen längst kopiert worden.“
(Quelle: Spiegel-Online. 02. Januar 2008, 08:38 Uhr)
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21
Bundestag verabschiedet Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums
Arbeitsauftrag:
Beurteilen Sie mit Bezug zu den unten aufgeführten Gesetzesänderungen die folgenden Fälle:
a) Die Schülerin S (16 Jahre) hat auf ihrer privaten Homepage einen Stadtplanausschnitt eingebunden, damit ihre Freunde sie besser finden. Dies ist eine Urheberrechtsverletzung (§§ 19a,
106 UrhG). Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Eine Kanzlei hat die Schülerin abgemahnt, die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert
und als Anwaltshonorar einen Betrag von 1.000 € gefordert.
Æ Muss die Schülerin S diesen Betrag zahlen?
b) Der Musikverlag M entdeckt, dass jemand komplette Musikalben einer bei ihm unter Vertrag
stehenden Künstlerin im Internet zum Download anbietet. Außerdem stellt M durch Einsichtnahme in die Dateiliste des Anbieters A fest, dass auch noch zahlreiche weitere Alben anderer
Künstler angeboten werden. Der Name des Anbieters dieser Musikstücke ist dabei nicht ersichtlich, M kann lediglich die Internet-Protokoll-(IP)-Adresse erkennen, die der Computer des Download-Anbieters verwendet. Diese IP vergibt der Internetzugangsvermittler des A (sein AccessProvider), wenn A mit seinem Computer online geht. M kann neben der IP-Adresse von A auch
erkennen, über welchen Provider er die Daten ins Netz stellt. Von diesem möchte M nun wissen,
welcher Kunde die fragliche IP-Adresse benutzt hat.
Æ Darf der Provider diese Informationen an Private herausgeben?
c) Ein Fälscher ahmt ein patentgeschütztes Medikament nach. Der Patentinhaber verlangt Schadenersatz. Da es für ihn schwierig ist, seinen konkreten Schaden zu berechnen, fordert er vom
Fälscher entweder eine angemessene Lizenzgebühr oder den Gewinn, den der Fälscher durch
die Benutzung des Patents erzielt hat.
Æ Ist diese Forderung juristisch haltbar?
d) Der Hersteller von Automobilersatzteilen H stellt fest, dass in Deutschland vermehrt Fälschungen seiner Produkte auftauchen, die sein Recht an dem Design, seine Marke oder ein Patent
verletzen. In einem Antrag teilt er der Zollbehörde (in Deutschland der Zentralstelle für gewerblichen Rechtsschutz in München) seine geistigen Eigentumsrechte mit. Bei einer Einfuhrkontrolle
eines Containerschiffs im Hamburger Hafen kommt der Verdacht auf, dass es Waren geladen
hat, die eines dieser Schutzrechte verletzen. Der Zoll hält die Ware zurück und informiert H sowie den Eigentümer der Ware. H fordert, dass die Waren umgehend vernichtet werden sollen.
Æ Darf der Zoll die Waren ohne Weiteres vernichten?
Berlin, 11. April 2008 – Der Deutsche Bundestag hat heute das Gesetz zur Umsetzung der EUDurchsetzungs-Richtlinie verabschiedet. Das Gesetz erleichtert den Kampf gegen Produktpiraterie
und stärkt damit das geistige Eigentum. […]. Das Gesetz setzt die Richtlinie 2004/48/EG durch eine
Novellierung von mehreren Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums um: Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Markengesetz, Halbleiterschutzgesetz, Urheberrechtsgesetz, Geschmacksmustergesetz, Sortenschutzgesetz werden weitgehend wortgleich geändert. Ferner passt das Gesetz das deutsche Recht an die neue EG-Grenzbeschlagnahme-Verordnung an. Diese Verordnung
sieht ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung von Piraterieware nach Beschlagnahme durch
den Zoll vor. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Anpassung an eine EG-Verordnung zum
Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und schließt, hinsichtlich der unberechtigten Verwendung von geographischen Herkunftsangaben, eine Strafbarkeitslücke. Zum Inhalt des Gesetzes im Einzelnen:
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Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen
Das Gesetz verbessert die Situation von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich hohen Rechnungen für eine anwaltliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung ausgesetzt sehen.
Künftig sollen, bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs, die erstattungsfähigen Anwaltsgebühren für die Abmahnung nicht
mehr als 100 Euro betragen.
Auskunftsansprüche
Bereits heute gibt es einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch des Rechtsinhabers gegen denjenigen, der geistiges Eigentum verletzt (z. B. § 101a UrhG). Sehr häufig liegen die Informationen, die
erforderlich sind, um den Rechtsverletzer zu identifizieren, jedoch bei Dritten (wie z.B. InternetProvidern oder Spediteuren), die selbst nicht Rechtsverletzer sind. Künftig soll der Rechtsinhaber
unter bestimmten Bedingungen auch einen Auskunftsanspruch gegen diese Dritten haben. Der
Rechtsinhaber soll damit die Möglichkeit erhalten, den Rechtsverletzer mit zivilrechtlichen Mitteln zu
ermitteln, um so seine Rechte gerichtlich besser durchsetzen zu können. Voraussetzung für den
Auskunftsanspruch ist u. a., dass der Rechtsverletzer im gewerblichen Ausmaß gehandelt hat. Ein
Zugriff auf die sogenannten Vorratsdaten findet für zivilrechtliche Auskunftsansprüche nicht statt.
Schadenersatz
Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung wird klargestellt, dass nach Wahl des Verletzten
neben dem konkret entstandenen Schaden auch der Gewinn des Verletzers oder eine angemessene fiktive Lizenzgebühr – d. h. das Entgelt, das für die rechtmäßige Nutzung des Rechts zu zahlen
gewesen wäre – als Grundlage für die Berechnung des Schadenersatzes dienen können.
Vorlage und Sicherung von Beweismitteln
Wenn ein Schutzrecht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verletzt ist, hat der Rechtsinhaber ferner
einen Anspruch gegen den Verletzer auf Vorlage von Urkunden und die Zulassung der Besichtigung
von Sachen, der über die nach der Zivilprozessordnung bereits bestehenden Möglichkeiten hinausgeht. Gegebenenfalls erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- und
Handelsunterlagen. Diese Beweismittel können zur Abwendung der Gefahr ihrer Vernichtung oder
Veränderung auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch den Erlass einer einstweiligen
Verfügung gesichert werden. Soweit der Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen (z. B. Geschäftsgeheimnisse) handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen,
um die Vertraulichkeit zu sichern.
Grenzbeschlagnahmeverordnung
Die EU-Grenzbeschlagnahmeverordnung, deren Vorschriften im Allgemeinen unmittelbar anzuwenden sind, sieht Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums unmittelbar an den Außengrenzen
der EU vor. Damit soll verhindert werden, dass Waren, die im Verdacht stehen, Rechte des geistigen Eigentums zu verletzen, überhaupt in die EU eingeführt werden können. Diese Verordnung regelt auch die Vernichtung beschlagnahmter Piraterieware. Die Anwendbarkeit dieser Regelung
hängt jedoch davon ab, dass die Mitgliedstaaten sie billigen, d. h. in ihr Recht übernehmen.
Schutz geographischer Herkunftsangaben
Die zivilrechtliche Durchsetzung von Schutzrechten wird auch für geographische Herkunftsangaben
in der beschriebenen Weise erleichtert. Außerdem soll durch die Änderung des Markengesetzes ein
strafrechtlicher Schutz für solche geographische Angaben und Ursprungsbezeichnungen geschaffen
werden, die auf europäischer Ebene nach der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20.
März 2006 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EU Nr. L 93, S. 12) geschützt sind. Dazu gehören die Bezeichnungen zahlreicher landwirtschaftlicher Produkte wie z. B. die berühmten „Spreewälder Gurken“.
Bisher gab es einen solchen Schutz nur für die nach rein innerstaatlichem Recht geschützten Bezeichnungen.
Urteilsbekanntmachung
Der Rechtsinhaber kann schon jetzt bei der Verletzung eines Urheber- oder Geschmacksmusterrechtes die Veröffentlichung des Gerichtsurteils beantragen. Diese Möglichkeit wird auf alle Rechte
des geistigen Eigentums erstreckt.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) vom 11.04.2008.
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Wirtschafts- und Unternehmensethik in der ökonomischen und politischen Bildung
Herausgeber:
Prof. Dr. Thomas Retzmann
Universität Duisburg-Essen, Campus Essen
Prof. Dr. Tilman Grammes
Universität Hamburg
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Dirk Loerwald
Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft?
Schutz und Missachtung geistigen Eigentums in der globalisierten Wirtschaft
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O Ja, in Klasse __ der folgenden Schulform: _________________________________________________________
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O Wirtschaftslehre / Wirtschaftskunde / Wirtschaft und Recht / Ökonomische Bildung.
O Sozialkunde / Gemeinschaftskunde / Politik / Politische Bildung.
O Ethik.
O Religion.
O Sonstige Fächer/ Lernbereiche: _________________________________________________________________
3. Verfügen Sie bereits über Unterrichtserfahrungen mit dem speziellen Thema des Bausteins?
O Ja, und zwar umfassende Erfahrungen.
O Ja, aber nur einzelne Erfahrungen.
O Nein, bislang nicht.
O Sonstige Erfahrung: ___________________________________________________________________________
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Antworten sind möglich.)
O Ich bin durch das ethos-Projekt erstmals darauf aufmerksam geworden.
O Ich habe bereits gelegentlich etwas darüber gehört oder gelesen, z. B. in Tageszeitungen, Zeitschriften, Radio
oder Fernsehen.
O Ich verfolge die Diskussion intensiv.
O Ich kenne Unternehmen, Organisationen oder Personen, die sich damit beschäftigen.
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O Sie war Bestandteil meines Studiums.
O Ich habe eine Fortbildung dazu besucht.
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Unternehmensethik zu einem ethos-Unterrichtsbaustein ausgearbeitet wird?
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