E-Book - Dülmener Heimatblätter
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Heimatverein Dülmen e. V. Heft 2, Jahrgang 60, 2013 Heft 2, Jahrgang 60, 2013 In einem feierlichen Rahmen gedachte die Stadt Dülmen, 75 Jahre nach den Novemberpogromen, am 9. November 2013 ihrer jüdischen Opfer. Von links: Ortwin Bickhove-Swiderski, Bürgermeisterin Lisa Stremlau und Christoph Falley. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Denise Willmer Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schützenvereine vor dem Nationalsozialismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schützenvereine im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Schützenvereine für die Nationalsozialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schützenvereine während des Zweiten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 7 18 20 20 21 Erik Potthoff Dülmen im Licht – Werbewoche 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Stefan Sudmann „Freedom of the City“ für die britische Garnison und die Friedensbewegung in Dülmen 1983. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorbereitungen durch die Stadt Dülmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteste aus der Friedensbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Dülmener Proteste als lokale Ausprägung eines bundesweiten Phänomens 26 26 27 29 Gisela Timpte Meine Kindheit im zerstörten Dülmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Hermann Lödding Ein schrecklich schöner Abenteuerspielplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Stefan Sudmann Kinderbewahrschule/Kinderverwahrschule – Der Dülmener Kindergarten vor dem Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Genehmigung von 1898 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der neue Kindergarten 1910 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Raumprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 42 43 45 Erik Potthoff Nachruf auf Reinhold Reuver . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Stefan Sudmann Neues aus dem Stadtarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Wolfgang Werp Neuerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Autoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Zuschriften und Manuskripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Denise Willmer Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine Am Beispiel ausgewählter Dülmener Schützenvereine zeigt Denise Willmer exemplarisch die Gleichschaltung im Nationalsozialismus. Stellvertretend für alle 18 Schützenvereine aus Dülmen und Umgebung wurden die Vereine der Innenstadt, Bürgerschützenverein Dülmen e. V., Schützenverein Kohvedel, Schützenverein Pluggendorf und Nieströter Schützenverein Dülmen für ihre Facharbeit des Schuljahrs 2010/11 am Clemens-BrentanoGymnasium ausgewählt. Diese Betrachtung scheint besonders interessant, da die Schützenvereine in ihrer Arbeit gleich zwei Kernziele des Nationalsozialismus verfolgten. Zum einen war ihre Schützentätigkeit für das Ziel der Wehrhaftmachung für die Nationalsozialisten von größtem Interesse, zum anderen bot ihre tiefe Verwurzelung in der Gesellschaft die Chance zur Verwirklichung der „Volksgemeinschaft“. Auf diese Punkte geht die Autorin im Verlauf des hier abgedruckten Beitrages noch genauer ein. Schützenvereine vor dem Nationalsozialismus Um die Tätigkeiten der Schützenvereine in den 1930er-Jahren und vor allem in der Zeit von 1933 bis 1945 verstehen zu können, ist es erforderlich, ihre Vorgeschichte und ihre Bedeutung für die Gesellschaft zu kennen. Verankerung der Schützen in der Gesellschaft Die Schützenvereine in der Region des Münsterlandes sind tief in der Bevölkerung verwurzelt, da sie auf eine lange Tradition zurückblicken können. Die Anfänge des Schützenwesens lassen sich grob bis ins Mittelalter zurück datieren. Aus ersten Wehrgemeinschaften, die die Aufgabe hatten, das kommunale Gemeinwesen zu beschützen, entwickelten sich sogenannte Schützengilden, die im Laufe der Jahrhunderte des Öfteren jedoch durch Kriege oder ähnliches zerschlagen wurden.1 Daneben ging eine grundlegende Struktur der Schützenvereine der 1930er-Jahre auf eine Welle von Gründungen neuer Vereine zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück.2 In diese Zeit nach dem Ende der Besetzung durch Napoleon lassen sich auch die ersten Schützenfeste einordnen. Diese fanden aber nur unregelmäßig statt. Erst um die Jahrhundertwende wurden sie jährlich abgehalten. Ein Grund dafür ist die Änderung ihres Aufgabenfeldes. Die zuvor benötigte Schutzleistung wurde durch das Heer des Kaiserreiches übernommen 6 Denise Willmer Kohvedel: Schützenfest-Frühschoppen 1935 und für die Gilden überflüssig, weshalb die „Verbundenheit zur Heimat sowie die Pflege der Kameradschaft und des Gemeinschaftssinnes“3 nun zum neuen Zweck der Vereine wurden. Wenn auch der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1919 einen Einschnitt für das Vereinsleben bedeutete, so erlebte dieses während der Weimarer Republik einen erneuten Aufschwung und Zuwachs. Da die strengen militärischen Beschränkungen des Versailler Vertrages ein deutsches Heer verboten, fühlten sich große Teile der deutschen Bevölkerung den anderen Ländern ausgeliefert. Deshalb sah man in der Schützentätigkeit die einzige Möglichkeit, die Wehrhaftigkeit der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Erst die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten stoppten diese Entwicklung. Bedeutung für die Dülmener Bevölkerung Dass das Schützenwesen in Dülmen schon seit langer Zeit von großer Bedeutung ist, zeigt folgende Tatsache deutlich: Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 7 Für das Jahr 1829 waren in Dülmen und den umliegenden Gemeinden insgesamt achtzehn Schützengemeinschaften, zum Teil seit Jahrhunderten existent, verzeichnet. Ein großer Teil der Bevölkerung hatte sich folglich in einer dieser Gemeinschaften organisiert. Diese verfügten zwar weder über geregelte Vorschriften noch Schießübungen, sie prägten die grundsätzliche Struktur der späteren Vereine jedoch sehr.4 Das große Interesse an diesen Gemeinschaften blieb seit dieser Zeit ständig bestehen und lässt sich beispielsweise an den jederzeit gut besuchten Schützenfesten vor allem ab der Jahrhundertwende verfolgen. Ein weiterer Beleg dafür, dass das Schützenwesen in Dülmen besonders in den 1930erJahren sehr bedeutungsvoll war, ist die Gründung des Nieströter Schützenvereins im Jahr 1930. In Anbetracht der allgemeinen finanziellen Notlage durch die Weltwirtschaftskrise scheint dieser Zeitpunkt ein durchaus ungünstiger zu sein, um einen neuen Verein ins Leben zu rufen. Die Schützengemeinschaft der „Nieströter“ hatte es zwar vorher schon gegeben und sie hatten auch schon Schützenfeste veranstaltet, doch der Wunsch nach der Gründung eines eigenen Vereins entstand erst in dieser Zeit. Deshalb versammelten sich am 10. Juni 1930 die Interessenten in dieser Angelegenheit, um den Nieströter Schützenverein zu gründen. Dass trotz der schlechten Situation „der größte Teil der Versammlung [. . . ] eine gute Portion Optimismus mitgebracht [hatte]“5 und sogar die Abhaltung eines Schützenfestes beschlossen wurde, zeugt davon, dass die Schützenvereine sehr wichtig für die Dülmener Bevölkerung waren. Schützenvereine im Nationalsozialismus Das nachfolgende Kapitel beleuchtet kritisch die Aktivitäten der Schützenvereine in den Jahren 1933 bis 1939. Es wird untersucht, inwieweit die Schützenvereine dem als „Gleichschaltung“ bezeichneten Prozess des NS-Regimes unterworfen wurden oder inwieweit sie sich selbstständig mit der nationalsozialistischen Herrschaft arrangierten. Bei der Untersuchung des Einflusses des NS-Regimes auf die Schützenvereine muss ganz klar zwischen denjenigen Vereinen unterschieden werden, die bereits vor 1933 einem Verband angehörten und denjenigen, die ihre Aktivitäten eigenständig organisierten. Neuorganisation und Zusammenschluss der sportlichen Dachverbände Bevor Adolf Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde und im März 1933 die NSDAP die Wahlen gewann, gab es in Deutschland im Großen und Ganzen vier Verbände, in denen große Teile der Schützen organisiert waren. Dieses waren der 8 Denise Willmer Aufforderung zur Eingliederung in den Deutschen Schützenbund Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 9 „Deutsche Schützenbund“ und der „Westfälische Schützenbund“ sowie die Kleinkaliberverbände „Kartell“ und „Reichsverband“. Diese vier Verbände wiederum gehörten einer gemeinsamen Dachorganisation, der „Reichsgemeinschaft für Kleinkaliberschießen“ an.6 Nach den Wahlen im März hatten sich die vier Verbände bereits am 22. April 1933 zur nationalsozialistischen Regierung und deren Zielen bekannt, noch bevor seitens der Nationalsozialisten Schritte zur Gleichschaltung der Schützenvereine bzw. -verbände unternommen worden waren. Diese folgten Ende April mit der Ernennung Hans von Tschammer und Osten zum Reichssportführer. Seine Aufgabe sollte die Neuorganisation der Verbände sein, die „die Einrichtung eines Einheitsverbandes, die Reduzierung der Verbandsvielfalt, eine einheitliche Gaugliederung aller Sportverbände und die Einführung des national-sozialistischen Führerprinzips“7 beinhaltete. Daraus resultierte im Frühjahr die Gründung des „Deutschen Reichsverbandes für Leibesübungen“ (im Folgenden abgekürzt durch DRL), der inhaltlich an die Ausrichtung des Sportes in der Weimarer Republik anknüpfte, der dort bereits gewisse militärische Elemente zeigte.8 Im Zuge der Neuorganisation schlossen sich schon im Juni 1933 der Deutsche Schützenbund und die Verbände Kartell und Reichsverband zum „Deutschen Schießsportverband“ zusammen, behielten dabei aber ihre organisatorische Eigenständigkeit bei. Dieser Zusammenschluss verlief aufgrund ihrer vorherigen Zustimmung zum NS-Regime ohne Probleme. Die Ziele der Neuorganisation ließen sich auch im Westfälischen Schützenbund realisieren, der im Januar 1934 den Zusatztitel „Gau Westfalen im Deutschen Schützenbund“ bekam.9 Doch aufgrund vieler Spannungen unter den noch eigenständigen Verbänden des Deutschen Schießsportverbandes beschloss der Reichssportführer von Tschammer und Osten im Januar 1935, alle Verbände aufzulösen und in einen Einheitsverband zu überführen. Seiner Aufforderung in dieser Sache kamen die Verbände nach. Der neue Verband entstand im Mai 1935 unter dem Namen „Fachamt Schießen – Deutscher Schützenverband (DSchV)“ und unter der Leitung Ernst von Cleves. Dieser hatte sich bereits ein Jahr vorher offen zum Nationalsozialismus bekannt.10 Offiziell nahm der Deutsche Schützenverband seine Arbeit am 1. Januar 1936 auf und erhielt im Frühjahr 1937 eine einheitliche Satzung, welche die Schieß- und Gemeinschaftspflege zum Vereinszweck erklärte. Dass sich der Verband jedoch wesentlich stärker auf die Wehrhaftmachung konzentrierte, zeigen die folgenden Worte Ernst von Cleves aus dem Oktober 1937: „Der Verband dient der Wehrertüchtigung und Wehrerhaltung der breiten Massen des Volkes.“11 10 Denise Willmer Aufforderung zur Aufstellung einer Schießmannschaft Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine Zusammenschluss der Schützenvereine 11 12 Denise Willmer Ab 1936 begann der Deutsche Schützenverband Druck auf diejenigen Vereine auszuüben, welche sich noch keinem Verband angegliedert hatten. Mit Hilfe von Auflösungsandrohungen, polizeilichen Verboten und der Lokalpresse wurde dieser noch erhöht und gipfelte 1938 in der Anordnung Ernst von Cleves, alle Vereine endgültig aufzulösen, die sich keinem der Dachverbände angeschlossen hatten.12 Gleichschaltung der Dülmener Schützenvereine Die vier hier untersuchten Dülmener Schützenvereine „Pluggendorf“, „Kohvedel“, „Nieströter“ und „Bürger“, waren zu Beginn des Nationalsozialismus keine Mitglieder der zuvor genannten Verbände. Von deren Satzungsregeln waren die Dülmener Vereine folglich zunächst nicht betroffen. Sie lassen sich den traditionalistisch orientierten Schützenvereinen zuordnen. Das heißt jedoch nicht, dass die Nationalsozialisten nicht versucht haben, Einfluss auf die Dülmener Schützen zu nehmen. Aus einer Festschrift des Schützenvereins Kohvedel geht hervor, dass die Dülmener Schützenvereine bereits im Frühjahr 1933 seitens der NSDAP-Ortsgruppe zum Zusammenschluss gedrängt worden waren. Es lässt sich dieser Festschrift jedoch auch entnehmen, dass dieses Anliegen von allen vier Vereinen im April 1933 gemeinsam abgelehnt wurde.13 Ein weiterer Versuch der NSDAP, die ortsansässigen Schützenvereine zum Zusammenschluss zu bewegen, fand im September 1934 statt. In diesem Jahr waren die Schützenfeste der jeweiligen Vereine untersagt worden, da die NSDAP ein allgemeines Schützenfest angeordnet hatte. Die- Schützenumzug in der Tiberstraße, Ecke ses schon lange in der Lokalpresse angekündig- Coesfelder Straße te Fest wurde unter „ungewöhnlichem Jahrmarktrummel“14 auf dem Overbergplatz begangen, der Thron von einem NSDAP-Mitglied zusammengestellt. Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 13 Trotz positiver Berichterstattung in der Lokalzeitung in den Folgetagen konnte das vermutliche Ziel der Nationalsozialisten, der Zusammenschluss der Schützenvereine, nicht verwirklicht werden. Im März hatte die Dülmener Zeitung noch berichtet, eine Kommission beschäftige sich mit der „Ausarbeitung der gemeinschaftlichen Statuten [. . . ] und [werde] den Zusammenschluss in die Wege leiten“15 , da die vier Schützenvereine ihre Zustimmung gegeben hätten. Dieses scheint nicht der Fall gewesen zu sein, da es nach diesem einen Schützenfest in den folgenden Jahren wieder selbstständige Feste der einzelnen Vereine gegeben hat. Dass im Jahr 1936 auch von den Verbänden Druck auf die nicht angeschlossenen Schützenvereine ausgeübt wurde, machte sich auch in Dülmen bemerkbar. Dieser massive Versuch der Verbände, die Dülmener Vereine anzugliedern, lässt sich anhand einer ausführlichen Korrespondenz des Bürgerschützenvereins mit dem Gau Westfalen verfolgen. Am 10. März 1936 erreichte Herrn Göllmann, den Vorsitzenden des Bürgerschützenvereins, ein Brief des Kreissportleiters, in dem er darüber informiert wurde, dass sich jeder Schützenverein dem DRL anzugliedern habe und die Vereine „dem Deutschen Schützenbund der Fachgruppe I im Schiessportverband eingereiht“16 werden sollten. Weiter heißt es, dass alle Schützenvereine, welche sich bis zum 1. April 1936 nicht angegliedert hätten, aufgelöst würden bzw. mit einem Verbot der Abhaltung von Vereinsfesten zu rechnen hätten, da diese von nun an genehmigungspflichtig seien.17 Damit sich die Vereinsführer über die Beitrittsbedingungen und Zwecke des Verbandes informieren konnten, wurden diese zu einer Informationsveranstaltung gebeten, die am 15. März 1936 in Münster stattfinden sollte.18 Aufgrund der drohenden Auflösung hielten die Vereine außerordentliche Versammlungen ab, um über die Eingliederung in den Deutschen Schützenbund zu beraten. Aus dem Protokoll der Vorstandssitzung des Bürgerschützenvereins vom 19. März 1936 geht hervor, dass dieser beschloss, die Eingliederung sofort vorzunehmen.19 Auch die anderen drei Vereine scheinen dem Deutschen Schützenbund beigetreten zu sein, dieses jedenfalls wird in der Chronik des Schützenvereins Kohvedel vermutet, da es keine gesicherten Informationen darüber gibt.20 Als Reaktion auf die Eingliederung des Bürgerschützenvereins in den Deutschen Schützenbund wurden dem Vereinsvorstand (inzwischen Alfred Löhning) Fragebögen zugesandt, in denen genaue Informationen zum Beispiel zur Gründung des Vereins, zur Zahl der Mitglieder oder zu Art und Anzahl der verwendeten Waffen angeben werden mussten.21 Es folgte die Bestätigung der Eingliederung, in welcher dem Verein mitgeteilt wurde, dass der „Reichsverband Deutscher Kleinkaliber-Schützenverbände“ diejenige Gruppe des Deutschen Schützenverbandes sei, in die der Bürgerschützenverein endgültig eingereiht wurde. In dieser Bestätigung wurde nochmal aufgeführt, dass eine 14 Denise Willmer Beitritt des Vereins „Horrido“ zu den Bürgerschützen Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 15 Ablehnung der Eingliederung die Auflösung des Vereins zur Folge habe. Ebenfalls wurde angeordnet, das „Führerprinzip“ mit sofortiger Wirkung einzuführen, sofern dies noch nicht geschehen sei.22 Wie bereits angesprochen, konzentrierten sich ab 1937 die Ziele des DSchV auf die Wehrhaftmachung. Ein Brief vom 7. Juni 1937 des Gauschützenführers an den Vorsitzenden, Alfred Löhning, bestätigt dieses. In diesem Schreiben wurde verlangt, dass der Bürgerschützenverein eine aktive Schießmannschaft aufstellt, außerdem wurde wiederum betont, dass es „Genehmigung[en] für irgendwelche Vereinsveranstaltungen“23 erst nach der Aufstellung geben wird. Auf diesen Brief folgte seitens der Dülmener Schützen sofortiger Widerspruch. Die angeblich fehlende Schießmannschaft habe schon seit März 1936 existiert, was auch dem Vereinigung der Schützenvereine Unterkreisführer Pelster ge24 meldet worden sei. Dieses schien den Verband zufrieden zu stellen, es gibt jedenfalls keine weitere erhaltene Korrespondenz bezüglich dieses Themas. Ein letzter und auch erfolgreicher Versuch zur Gleichschaltung der Dülmener Schützenvereine begann im Jahr 1938. Dieser bestand erneut darin, die vier Schützenvereine zu einem einzigen großen Verein zusammenzuschließen. Von wem die Veranlassung ausging, lässt sich anhand der vorhandenen Informationen nicht genau herausfinden. Man 16 Denise Willmer kann jedoch vermuten, dass dieser Versuch entweder, wie schon vorher, von der NSDAPOrtsgruppe oder aber dem DSchV ausging. Am 5. August 1938 wurden sämtliche Vereinsführer vom Unterkreisschützenführer zusammengerufen und ihnen wurde der Vorschlag unterbreitet, alle Dülmener Vereine zusammenzulegen. Die Vereinsführer beschlossen vor ihrer Zustimmung ihre Mitglieder zu befragen. Diese Befragung schien bei allen Vereinen negativ ausgefallen zu sein, da es zunächst zu keiner Zusammenlegung kam. Zumindest beim Nieströter Schützenverein ergab die Abstimmung „eine hundertprozentige Antwort [. . . ], worin [der] Vorschlag abgelehnt wurde“25 . Es muss im Verlauf des Jahres jedoch erneut die Aufforderung oder Idee zum Zusammenschluss gegeben haben, da sich am 2. Dezember 1938 erneut eine Versammlung der oben genannten Vereine sowie des Schießvereins „Horrido“ ergab, die über einen möglichen Zusammenschluss beraten sollte. Ergebnis dieser Verhandlungen war der Beschluss, „dass sämtliche Schützenvereine grundsätzlich mit einer Zusammenlegung einverstanden“26 seien, eine zeitnahe Lösung jedoch aufgrund nötiger Vorarbeiten nicht möglich sei. Es ist ebenfalls erfasst, dass zu diesen Beratungen neben den Vereinsführern auch „die politische Leitung, der SA-Standartenführer [. . . ], [und] der Bürgermeister der Stadt“27 hinzugezogen wurden.28 Der DSchV wurde ebenfalls von dem Vorhaben der Vereine informiert (falls nicht sogar die Anordnung dieses Schrittes von diesem ausgegangen war). Am 28. Dezember 1938 erbat der Gauschützenführer von Alfred Löhning Informationen bezüglich der Zusammenlegung und gab vor, dass die Eingliederungsunterlagen des neuen Vereins bis zum 10. Januar 1939 beim Gau eingereicht sein müssten.29 Nach dem Verstreichen der Frist bat der Gauschützenführer am 12. Januar 1939 erneut um Informationen über den Stand der Verhandlungen, worauf der Bürgerschützenverein mitteilte, dass es zwar noch Verhandlungen, jedoch noch kein endgültiges Ergebnis gebe.30 Aus der Chronik des Schützenvereins Kohvedel geht hervor, dass der damalige Bürgermeister von Dülmen am 1. Februar 1939 bei einer Versammlung endgültig die Anordnung gegeben hat, die Dülmener Vereine zusammenzulegen.31 Bei dieser Versammlung konnten sich die Anwesenden, wenn auch „nach längeren Auseinandersetzungen“32 , schließlich einigen. Die Schützenvereine Bürgerschützenverein Dülmen e. V., Schützenverein Kohvedel, Schützenverein Pluggendorf, Nieströter Schützenverein und der K. K. S. V. Horrido vereinigten sich zum „Allgemeinen Bürgerschützen-Verein von 1551 e. V. Dülmen“, in dem die ehemaligen Vereine als Kompanien unter ihrem bisherigen Namen erhalten bleiben und ihre Übungsschießen selbstständig organisieren sollten.33 Dieser Beschluss wurde dem DSchV am 14. Februar 1939 durch Alfred Löhning mitgeteilt, der bis zur Wahl eines Vorsitzenden weiter mit diesem in Verbindung stand.34 Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 17 Auf diese Mitteilung folgte am 17. Februar 1939 die Antwort des Gauschützenführers. Mit einem Dank über die Anstrengungen bezüglich der Zusammenlegung übersandte dieser den Wunsch, dass der neue Verein „einer glücklichen, erfolgreichen Zukunft entgegengehen möge, zu seiner Ehre und Nutzen [. . . ] einer großen wehrhaften deutschen Schützenidee“35 . Die Dülmener Zeitung berichtete am 15. Februar 1939 mit folgenden Worten über den Zusammenschluss: „Nach vielen Wochen und Monaten, ja nach Jahren der Bemühungen, ist es nunmehr gelungen, die Einigkeit im Dülmener Schützenvereinswesen herzustellen. Alle Bedenken wurden zurückgestellt, alle Schwierigkeiten überwunden. Der einigende Gedanke der Kameradschaft und der staatspolitischen Notwendigkeit siegten und führten zum Zusammenschluß.“36 Die erste Generalversammlung des neuen Allgemeinen Bürgerschützen-Vereins fand unter Anwesenheit der ehemaligen Vereinsführer sowie der Ortsgruppenleiter der NSDAP und des Bürgermeisters Heinrich Helms am 4. März 1939 statt. Bei dieser wurden der Bürgermeister zum neuen Vereinsführer gewählt und die Ziele des Vereins als „Pflege des wehrpolitischen Gedankens, der Tradition und der Kameradschaft“37 festgelegt.38 In einer Rede nach seiner Wahl zum Vereinsführer betonte Bürgermeister Helms, er „hoff[e], daß es gelingen werde, gemeinsam die alte Tradition des Schützenwesens im Sinne [der] nationalsozialistischen Staatsführung und Weltanschauung zum Ansehen zu bringen“39 . Damit knüpfte er im Großen und Ganzen an die Absichten an, die die Verbände schon seit längerer Zeit verfolgten. Mit dem Zusammenschluss der Dülmener Vereine zu einem Großverein und der anschließenden Wahl des Bürgermeisters, eines NSDAP-Mitglieds, zum Vereinsführer kann man die Gleichschaltung der Dülmener Vereine als abgeschlossen ansehen. Zwischenfazit Nach der Untersuchung der Zusammenlegung der Dachverbände und der Dülmener Schützenvereine lässt sich folgendes Zwischenfazit ziehen: Was die Schützenverbände angeht, so hat es zwar seitens des NS-Regimes massive Eingriffe in deren Organisationsstruktur gegeben, eine Zustimmung, vielleicht sogar Aneignung der nationalsozialistischen Ziele war jedoch schon vorhanden, bevor die Nationalsozialisten aktiv in das Schützenwesen eingriffen.40 Dieser aktive Eingriff begann erst im Jahr 1935 mit der Entstehung des Deutschen Schützenverbandes und der Ernennung eines bekennenden Nationalsozialisten zum Verbandsführer. Doch schon ab 1933 arrangierten sich die Schützenverbände mit dem Nationalsozialismus und setzten einer Neuordnung des Schützenwesens wenig entgegen. 18 Denise Willmer Was die Dülmener Schützenvereine angeht, so entsteht ein anderes Bild. Obwohl diese seit 1933 beständig dem Versuch eines Zusammenschlusses ausgesetzt waren, so zeigen die mehrfachen eindeutigen Ablehnungen jedoch, dass die Dülmener Schützen nicht bereit waren, sich dem Nationalsozialismus ohne Weiteres anzupassen. Erst als den eigenständigen Vereinen die Auflösung drohte, mussten sie notgedrungen einem Verband beitreten, der den Einfluss des Nationalsozialismus auf das Dülmener Schützenwesen erheblich erhöhte. Doch auch eine Zusammenlegung der eigenständigen Vereine konnte erst durchgesetzt werden, als erneut mit der Auflösung gedroht wurde. Die Dülmener Schützen wehrten sich folglich so lange wie möglich gegen die Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten, konnten sich dieser letztendlich aber nicht entziehen. Bedeutung der Schützenvereine für die Nationalsozialisten Die Schützenvereine boten die Möglichkeit, gleich zwei Kernziele des Nationalsozialismus zu verwirklichen. Zum Einen war dies die „Volksgemeinschaft“, eine von den Nationalsozialisten propagierte Gesellschaftsform des deutschen Volkes, in der es keine Standesunterschiede geben sollte41 , zum Anderen war dies die Wehrhaftmachung der Deutschen. Deren Bedeutung soll im folgenden Kapitel dargestellt werden. Schützenfeste als Mittel zur Realisation der „Volksgemeinschaft“ Das Modell der „Volksgemeinschaft“ war eine wesentliche Stütze des NS-Regimes und daher von großer Bedeutung. Diese Gemeinschaftsform musste jedoch erst hergestellt werden, wozu die Nationalsozialisten verschiedene Mittel, unter anderem auch die Schützenfeste, nutzten. Die regionalen Feste der Schützenvereine stellten in den meisten Orten einen Höhepunkt aller stattfindenden Feiern dar. Die große Wirkung der Schützenfeste begründet Werner Freitag damit, dass durch das gemeinschaftliche Handeln im Sinne der Tradition die vermittelten Ideen und Ideale, Probleme und Lösungen verinnerlicht werden.42 Diesen Effekt machten sich die Nationalsozialisten zunutze, indem sie große Schützenfeste veranstalteten, an denen alle „Volksgenossen“ teilhaben sollten. Solch ein Fest wurde auch in Dülmen gefeiert, nämlich das allgemeine Schützenfest im Jahr 1934, von dem bereits die Rede war. In vielerlei Hinsicht wurde dieses Fest dazu instrumentalisiert, die „Volksgemeinschaft“ zu etablieren. Bereits im März des Jahres wurde in der Dülmener Zeitung davon berichtet, dass geplant sei, ein „einheitliches große[s] Schützenfest einmal im Jahre [zu veranstalten], da ein solches Vorgehen auch der Volksverbundenheit des nationalsozialistischen Staates Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 19 entspräche“43 . Nachdem dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt worden war, fand das Schützenfest vom 1. bis zum 3. September des Jahres statt. Auf dem Overbergplatz begann das Fest mit außergewöhnlicher Aufmachung.44 Bereits am 2. September erschien in der Dülmener Zeitung erneut ein Artikel, der alle Bürger aufforderte, das Schützenfest zu besuchen, und der den Zusammenhalt der Dülmener Bürger mit den Worten betonte: „Und da wir heute im nationalsozialistischen Staate leben, finden sich alle im Kreise zusammen. Da gibt’s keinen Standesunterschied mehr, da gibt’s nur eine Volksgemeinschaft. [. . . ] so wird nun auch im geselligen Leben das Zusammengehörigkeitsgefühl gepflegt werden.“45 Diese überaus positive Berichterstattung übte eine Art sozialen Druck auf die Dülmener Bevölkerung aus, das Schützenfest besuchen zu müssen und die „Volksgemeinschaft“ mitzugestalten. Auch nach Beendigung der Feierlichkeiten setzten sich die Artikel in der Lokalzeitung fort. Auch in diesen war die Betonung der „Volksgemeinschaft“ der zentrale Aspekt. Sätze wie: „Das Allgemeine Schützenfest sammelte alle Kreise Dülmens in Harmonie und freudiger Stimmung“46 und „Alle Schützen [. . . ] fanden sich wieder und feierten ohne Rücksichtnahme auf die Zugehörigkeit zu den seitherigen einzelnen Schützenvereinen“47 zeigen dies deutlich. Auch der Schützenkönig, ein NSDAP-Mitglied, betonte in seiner Rede seine Freude über den Zusammenhalt der Dülmener Gesellschaft und forderte die Bürger auf, auch weiterhin fest zusammenzuhalten ohne von der sozialen Stellung beeinflusst zu werden.48 Schützenfeste waren für den Nationalsozialismus folglich ein gutes Mittel, um die „Volksgemeinschaft“ zu realisieren, was das Dülmener Beispiel zeigt. Rolle der Schützenvereine für die Kriegsvorbereitung Aus demselben Grund, aus dem den Schützenvereinen in der Weimarer Republik eine große Bedeutung zukam, waren sie auch für die Nationalsozialisten wichtig. Sie boten die Möglichkeit, eine breite Masse der Bevölkerung wehrhaft zu machen. Mit der Einführung der Wehrpflicht im Jahr 1935 entfiel jedoch die Aufgabe, ausgebildete Schützen für den Kriegsfall bereitzustellen. Daher setzten sich die Verbände zum Ziel, die Wehrmacht so gut wie möglich zu unterstützen.49 Inwieweit Maßnahmen zur Wehrhaftmachung in den Dülmener Vereinen durchgeführt wurden, lässt sich nur schwer nachvollziehen, da es kaum Unterlagen darüber gibt. Einzig die Tatsache, dass es auch in dem Dülmener Schützenvereinen sogenannte Schießwarte gab, die über die Schießaktivitäten wachen sollten, weist auf die Bemühung hin, die Wehrhaftigkeit auch hier herzustellen. Dass in Dülmen wahrscheinlich jedoch vergleichsweise wenig für die Kriegsvorbereitung getan wurde, lässt sich darauf zurückführen, dass 20 Denise Willmer die Dülmener Schützenvereine lange keinem Verband angehörten und auch sonst eher traditionell als schießsportlich orientiert waren. Schützenvereine während des Zweiten Weltkrieges Zu einer vollständigen Untersuchung der Gleichschaltung und Tätigkeit der Schützenvereine gehört auch die Zeit des Zweite Weltkrieges von 1939 bis 1945. Bei den Dülmener Schützenvereinen stellt sich das Problem, dass es über diese Zeit keine Informationen mehr gibt. In den Chroniken und Festschriften wird lediglich gesagt, dass zu dieser Zeit das Vereinsleben ruhte. Man kann jedoch nicht mit Sicherheit sagen, ob während des gesamten Krieges keine Aktivität seitens der Vereine herrschte. Es muss also hervorgehoben werden, dass die vorliegende Arbeit bezüglich dieses Themas unvollständig ist. Fazit Im Anschluss an die Arbeit lässt sich bei Betrachtung der Gleichschaltung der Dülmener Schützenvereine folgendes abschließendes Fazit ziehen: Wie bereits im Zwischenfazit festgestellt, waren die Schützenvereine in Dülmen im Gegensatz zu den Dachverbänden so lange wie möglich bemüht, ihre Eigenständigkeit beizubehalten, um nicht von der Gleichschaltung des NS-Regimes betroffen zu werden. Erst nach mehrfacher Auflösungsdrohung konnten sie sich dieser letztendlich nicht entziehen und mussten sich zu einem Großverein unter nationalsozialistischer Führung zusammenschließen. Das propagierte Ziel der Wehrhaftmachung wurde in Dülmen verhältnismäßig wenig erfolgreich durchgesetzt, da ihre Gleichschaltung erst kurz vor Kriegsbeginn erfolgt war und die Vereine eher traditionalistisch als schießsportlich orientiert waren. Diese traditionalistische Orientierung, die aus der tiefen Verwurzelung des Schützenwesens in der Dülmener Bevölkerung hervorging, war jedoch eine gute Voraussetzung für die Nationalsozialisten, um auch in Dülmen die „Volksgemeinschaft“ herzustellen. Durch eine große Beteiligung an den traditionalistischen Veranstaltungen der Vereine, vor allem an den Schützenfesten, war die Möglichkeit gegeben, eine große Menge an Leuten gleichzeitig erfolgreich zu beeinflussen. Durch den Zusammenschluss zum Großverein wurde die Gleichschaltung in Dülmen zwar faktisch abgeschlossen, die Kernziele der Wehrhaftmachung und der Realisation der „Volksgemeinschaft“ konnten allerdings nur bedingt umgesetzt werden. Gleichschaltung der städtischen Schützenvereine 21 Quellen B ORGGRÄFE , H ENNIG: Schützenvereine im Nationalsozialismus. Pflege der „Volksgemeinschaft“ und Vorbereitung auf den Krieg (1933 – 1945), Münster 2010. D ERNEKÄMPER S CHÜTZENVEREIN E . V. (H RSG .): Festschrift zum 300jährigen Jubiläum, Dülmen 2005. D EUTSCHER TASCHENBUCH V ERLAG (H RSG .): dtv Lexikon 8. Gane – Gros, München 2006. F REITAG , W ERNER: Das dritte Reich im Fest. Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933 – 1945, Bielefeld 1997. N IESTRÖTER S CHÜTZENVEREIN E . V. (H RSG .): 75 Jahre Geschichte in Wort und Bild, Dülmen 2005. O . A.: Das Schützenfest beginnt!, in: Dülmener Zeitung (Zeno Zeitung), 2. September 1934. O . A.: Allgemeines Schützenfest, in: Dülmener Zeitung (Zeno Zeitung), 4. September 1934. O . A.: Ein Schützenverein – ein Schützenfest, in: Dülmener Zeitung 9. März 1934. O . A.: Schaffung des Allg. Bürgerschützenvereins 1551. Bürgermeister Helms Vereinsführer. Grundlegende Ausführungen über die Pflege des wehrpolitischen Gedankens, der Tradition und der Kameradschaft im neuen Großverein, in: Dülmener Zeitung (Zeno Zeitung), 7. März 1939. S TADTARCHIV D ÜLMEN: Nachlass Peters Nr. 31. WWW: http://www.bpb.de/ vom 12. März 2011. WWW: http://www.kohvedel.de/ vom 21. Februar 2011. 1 Vgl. http://www.kohvedel.de/ vom 21. Februar 2011. Borggräfe, Münster 2010, S. 13. 3 http://www.kohvedel.de/ vom 21. Februar 2011. 4 Vgl. Dernekämper Schützenverein (Hrsg.), Dülmen 2001, S. 18. 5 Nieströter Schützenverein Dülmen e. V. (Hrsg.), Dülmen 2005, S. 13. 6 Vgl. Borggräfe, Münster 2010, S. 30 – 32. 7 Borggräfe, Münster 2010, S. 31. 8 Vgl. Borggräfe, Münster 2010, S. 31. 9 Vgl. Borggräfe, Münster 2010, S. 31 – 32. 10 Vgl. Borggräfe, Münster 2010, S. 37 – 38. 11 Zitiert nach: Borggräfe, Münster 2010, S. 41. 12 Vgl. Borggräfe, Münster 2010, S. 43 – 47. 13 Vgl. Schützenverein Kohvedel e. V. (Hrsg.), Dülmen 2003, S. 39. 14 Schützenverein Kohvedel e. V. (Hrsg.), Dülmen 2003, S. 39. 15 Dülmener Zeitung vom 9. März 1939. 16 Stadtarchiv Dülmen, Nachlass Peters Nr. 31: Brief des Kreissportleiters vom 10. März 1936. 17 Wie Fußnote 16: Brief des Kreissportleiters vom 10. März 1936. 18 Wie Fußnote 16: Brief des Kreissportleiters vom 10. März 1936. 19 Wie Fußnote 16: Protokoll der Sitzung des Bürgerschützenvereins vom 19. März 1936. 20 Vgl. Schützenverein Kohvedel (Hrsg.), Dülmen 2003, S. 39. 21 Wie Fußnote 16: Fragebogen. 22 Wie Fußnote 16: Eingliederungsbestätigung in den DSchV. 23 Wie Fußnote 16: Brief des Gauschützenführers vom 7. Juni 1937. 2 Vgl. 22 24 Wie Fußnote 16: Brief von Herrn Löhning vom 18. Juni 1937. Schützenverein Dülmen e. V. (Hrsg.), Dülmen 2005, S. 33. 26 Wie Fußnote 16: Verhandlungsbeschluss vom 2. Dezember 1938. 27 Wie Fußnote 16: Verhandlungsbeschluss vom 2. Dezember 1938. 28 Wie Fußnote 16: Verhandlungsbeschluss vom 2. Dezember 1938. 29 Wie Fußnote 16: Brief des Gauschützenführers vom 28. Dezember 1938. 30 Wie Fußnote 16: Brief von Herrn Löhning vom 12. Januar 1939. 31 Vgl. Schützenverein Kohvedel e. V. (Hrsg.), Dülmen 2003, S. 40. 32 Wie Fußnote 16: Brief des Kreisschützenführers vom 5. Februar 1939. 33 Wie Fußnote 16: Vereinbarung vom 1. Februar 1939. 34 Wie Fußnote 16: Brief von Alfred Löhning vom 14. Februar 1939. 35 Wie Fußnote 16: Brief des Gauschützenführers vom 17. Februar 1939. 36 Dülmener Zeitung (Zeno Zeitung) vom 15. Februar 1939. 37 Zitiert nach: Schützenverein Kohvedel e. V. (Hrsg.), Dülmen 2003, S. 40. 38 Vgl. Schützenverein Kohvedel e. V. (Hrsg.), Dülmen 2003, S. 40. 39 Zitiert nach: Dülmener Zeitung (Zeno Zeitung) vom 7. März 1939. 40 Ähnlich: Borggräfe, Münster 2010, S. 30. 41 Vgl. http://www.bpb.de/ vom 12. März 2011 42 Vgl. Freitag, Bielefeld 1997, 12. 43 Dülmener Zeitung vom 9. März 1934. 44 Vgl. Schützenverein Kohvedel (Hrsg.), Dülmen 3003, S. 39. 45 Dülmener Zeitung vom 2. September 1934. 46 Dülmener Zeitung vom 4. September 1934. 47 Dülmener Zeitung vom 4. September 1934. 48 Vgl. Dülmener Zeitung vom 4. September 1934. 49 Vgl. Borggräfe, Münster 2010, S. 83. 25 Nieströter Denise Willmer Erik Potthoff Dülmen im Licht – Werbewoche 1930 Durch die alliierten Luftangriffe am 21./22. März 1945 wurde die Dülmener Innenstadt praktisch ausradiert. Um den Kontext zwischen der historisch gewachsenen und der nach 1945 komplett neu aufgebauten Stadt zu vermitteln, stellt der Heimatverein seit einigen Jahren im Rahmen einer Serie in den Dülmener Heimatblättern alte Dülmener Ansichten aktuellen Fotografien mit demselben Motiv gegenüber. Der 1924 gegründete Heimatverein für Dülmen und Umgegend initiierte als Heimatund Verkehrsverein vom 13. bis 21. Dezember 1930 in Dülmen eine Werbewoche. Diese stand unter dem Motto „Kauft am Platze!“ und wurde in der dunklen Vorweihnachtszeit durch besondere Lichtinstallationen und einem Schaufensterwettbewerb unterstützt. Die Monatsausgabe Dezember 1930, Heft 12 der Heimatblätter, wurde der Dülmener Werbewoche gewidmet. Auf dem Titel wird neben dem Motto „Kauft in Dülmen“ auch mit dem Slogan „Dülmen im Licht“ geworben. Mit Hilfe großer (Flak-)Scheinwerfer wurde innerhalb der Werbewoche der Turm der Katholischen Pfarrkirche angestrahlt. Einen bescheidenen Eindruck, wie das Motto „Dülmen im Licht“ damals umgesetzt wurde, vermittelt heute noch das hier ausgesuchte Amateurfoto. Der Fotograf wählte vermutlich das Obergeschoss des Nonnenturms als Standort für seine Aufnahme. Der helle Baumberger Sandstein des Kirchturms reflektierte das Licht so, dass das aus der Dülmener Stadtsilhouette herausragende „Landzeichen“ auch in der Nacht weithin sichtbar war. Gut zu erkennen ist die 1836 durch Blitzeinschlag und Brand zerstörte, 1908/09 wieder rekonstruierte und 1945 endgültig kriegszerstörte Turmbalustrade mit ihren markanten vier Ecktürmchen. Im Rahmen der umfangreichen Fassadensanierung 1908/09 wurde der Turmhelm um 13 Meter erhöht. Die auf der historischen Aufnahme gut zu erkennende Turmuhr mit ihren vier Zifferblättern wurde nach 1945 nicht wieder in Betrieb genommen. Heute werden in Dülmen mit Einbruch der Dunkelheit aus touristischen Gründen das Wahr- und Erkennungszeichen, das Lüdinghauser Tor, die Kreuzkapelle, die Christuskirche und die St.-Viktor-Kirche angestrahlt. Daneben setzen Lichtinstallationen gewerblicher Eigentümer ausgewählte Gebäude und Objekte in eine teils besondere Atmosphäre. 24 Erik Potthoff St.-Viktor-Kirche in der Werbewoche 1930 Dülmen im Licht – Werbewoche 1930 St.-Viktor-Kirche bei Nacht (2012) 25 Stefan Sudmann „Freedom of the City“ für die britische Garnison und die Friedensbewegung in Dülmen 1983 Vor 30 Jahren: Protest gegen die Verleihung der Ehrenstadtrechte an das Forward Ordnance Depot der britischen Rheinarmee Die Vorbereitungen durch die Stadt Dülmen Am 22. April 1981 informierte ein Mitarbeiter des Britischen Feldzeugdepots Bürgermeister Schlieker über die Möglichkeit, der in Dülmen seit mehreren Jahren stationierten britischen Garnison die Stadtfreiheit („Freedom of the City“) zu verleihen.1 Dabei handelt es sich um ein besonderes Privileg englischer Rechtstradition, das beim Bestehen freundschaftlicher Verbindungen zwischen Stadt und Militär verliehen wird und den Soldaten der betreffenden militärischen Einheit gestattet, mit Waffen die Stadt zu betreten. Eine daraufhin im Mai vom Dülmener Stadtdirektor durchgeführte Erkundigung bei den Verwaltungschefs der Kommunen Viersen und Brüggen, die bereits einen positiven Entschluss über die Verleihung der Stadtfreiheit an die dortigen britischen Einheiten gefällt hatten, ergab, dass zur Verleihung selbst und zu den Jahrestagen Feierlichkeiten üblich seien, dass aber sonst keine finanziellen Verpflichtungen für die Stadt damit verbunden seien. In den städtischen Gremien wurde diese Angelegenheit zuerst nur in den nichtöffentlichen Sitzungen des Hauptausschusses verhandelt.2 Dort informierte die Verwaltung am 16. Juli 1981 dessen Mitglieder erstmals über die Angelegenheit, woraufhin die Bildung einer Vorbereitungskommission – bestehend aus Stadtdirektor, Bürgermeister sowie drei Vertretern der CDU und zwei der SPD – beschlossen wurde. Nachdem anfangs bereits das folgende Jahr für die Verleihung angedacht worden war, wurde wenig später aber überlegt, ob nicht das Jahr 1983 passender sein könnte, in dem das Britische Feldzeugdepot sein 15-jähriges Bestehen feiern würde3 , da in diesem Jahr wohl auch das Depot selbst ein kleines Fest aus diesem Anlass feiern würde. So hätte man im Jahr 1982 auch genug Zeit für die Vorbereitungen – wozu neben der Arbeit der eingesetzten Kommission auch die Einholung der erforderlichen Erlaubnis von Königin Elizabeth II. gehörte. Im Dezember 1981 wurde dafür nach mehreren mündlichen Unterredungen schließlich schriftlich die offizielle Mitteilung der Stadt an Lieutenant Colonel (Oberstleutnant) Ewens übermittelt. Im Juli 1982 wurde den Briten von Bürgermeister und Stadtdirektor vorgeschlagen, die Verleihung der Stadtfreiheit im Rahmen der für Anfang September 1983 geplanten „Dülmener Woche“ – vorbereitet von Stadt und Heimatverein – durchzuführen. „Freedom of the City“ für die britische Garnison und die Friedensbewegung in . . . 27 Demonstration gegen die Verleihung des Ehrenstadtrechts im September 1983 Unstimmigkeiten zwischen Stadt und Militär während der Vorbereitungen sind in den Unterlagen der Stadtverwaltung kaum zu finden. Nur über die ersten Überlegungen der Stadtverwaltung, das Sportzentrum am Kapellenweg als Veranstaltungsort für Teile der Zeremonien – nämlich für die Parade – zu nutzen, waren die Vertreter der Garnison „nicht glücklich“, wie bei der Besprechung am 10. Januar 1983 mitgeteilt wurde. Das britische Militär bevorzugte eine Parade im Innenstadtbereich. Proteste aus der Friedensbewegung Gerade diese Parade in der Innenstadt sollte dann aber außerhalb der Stadtverwaltung in einem Teil der Bevölkerung auf Kritik und Proteste stoßen. Schon in Viersen, wo es kurz zuvor eine solche Veranstaltung gegeben hatte, war es bezüglich der Parade zu Irritationen gekommen, wie Dülmens Stadtdirektor am 3. März 1983 von seinem dortigen Amtskollegen erfuhr: Der zuständige britische Offizier, der damals in Viersen gewesen und inzwischen in Dülmen stationiert war, hatte eine „Parade mit Gewehr und gezogenem Säbel“ gewünscht, was aber in Viersen „auf Ablehnung in der Bevölkerung gestoßen“ war. Für Dülmen wurde deshalb am 1. Juni 1983 beschlossen, die Bevölkerung hinsichtlich der bevorstehenden Verleihung der Stadtfreiheit durch eine Pressekonferenz über „die aus der Historie damit verbundenen Dinge, wie Truppenparade mit aufgepflanztem Seitengewehr und gezogenem Degen, gezielt zu unterrichten“. Allerdings hatten die Vertreter der britischen Einheit bereits bei der gemeinsamen Besprechung am 15. September 1982, ein Jahr vor der Feier, darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Parade und beim Zapfenstreich „entsprechende Sicherheitsvorkehrungen in Bezug auf Demonstranten“ erforderlich seien. Am 11. Januar 1983 wurde deshalb 28 Stefan Sudmann beschlossen, dass die hiesige Polizei und die britische Militärpolizei dafür Kontakt aufnehmen sollten – einig waren sich die Vertreter der Stadt und des britischen Militärs aber, dass bei den Feierlichkeiten „die britische Militärpolizei keinesfalls öffentlich auftreten sollte“. Auch am 15. März 1983 war die „Sicherheitsfrage“ offensichtlich ein besonders intensiv diskutiertes Thema. Der Leiter der Dülmener Polizeistation teilte mit, „dass dem Sicherungsbedürfnis durch verstärkten Streifeneinsatz Rechnung getragen werde“. Die britische Militärpolizei werde in Zivil eingesetzt, die als Gäste geladenen britischen Offiziere sollten durch eigene „Sicherheitsbeamte“ geschützt werden. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass man sich auf eine Verkürzung der Truppenparade vorbereiten sollte, „falls äußere Umstände (z. B. Demonstranten) dies erforderlich machen“. Wenige Tage vor der Veranstaltung wurde für die „Sicherheits- und Schutzfragen“ sogar ein gesondertes Gespräch angesetzt. Verleihung des Ehrenstadtrechts im September 1983 „Freedom of the City“ für die britische Garnison und die Friedensbewegung in . . . 29 Die Befürchtungen, dass es in Dülmen Protest geben könnte, sollten sich bewahrheiten: Ein Flugblatt – unterzeichnet mit „Friedensinitiative, Die Grünen“ – rief für den 10. September, den Tag der Truppenparade, zum Protest gegen diese „Militärparade“ auf. Dass die Soldaten das Recht erhalten sollten, mit gezogenem Degen und aufgepflanztem Bajonett durch Dülmen marschieren zu dürfen, bezeichneten die Initiatoren des Protests als „Affront gegen all diejenigen, die sich für einen Frieden einsetzen, der auf Vertrauen und nicht auf Angsterzeugung durch militärische Stärke basiert“. Die Verleihung des Ehrenstadtrechts erweckte bei den Kritikern nicht das Gefühl von Vertrauen zwischen Bürgern und Soldaten, sondern Angst vor einem „neuen Militarismus“. Ebenso wurde bemängelt, dass die britischen Soldaten in ihren Wohnsiedlungen an der Ostlandwehr und am Ostdamm „in einer Art Ghettosituation“ lebten – erforderlich sei also eine „wirkliche Integration“, keine „Scheinintegration in Form eines symbolischen Akts“, der letztlich nur den „Sonderstatus“ der Soldaten unterstreiche. Betont wurde, man wolle „nicht gegen die britischen Soldaten“ protestieren, sondern „gegen die Institution Militär“. Dabei wurde auch der 1982 zwischen Großbritannien und Argentinien geführte Falklandkrieg angesprochen. Am 8. September, zwei Tage vor der Parade, teilte die Polizei dem Stadtdirektor mit, diese Demonstration sei nicht angemeldet, man wolle aber mit den Herausgebern des Flugblatts ein entsprechendes Gespräch führen. Der Stadtdirektor bat die Polizei, diese Demonstration über den Overbergplatz zu leiten; die Polizei rechnete jedoch damit, die Veranstalter würden auf einer Demonstration in unmittelbarer Nähe zur Parade bestehen. Allerdings seien „keine Gewalttätigkeiten“, sondern lediglich Transparente und Pfeifkonzerte zu erwarten – womit die Polizei letztlich auch Recht behielt. Die Dülmener Zeitung äußerte sich den Protesten gegenüber sehr kritisch, bot diesen jedoch durch den Abdruck von Leserbriefen auch ein öffentliches Forum. Kritik wurde dort nicht nur an der Verleihung des Ehrenstadtrechts, sondern auch an einer weiteren Veranstaltung während der „Dülmener Woche“ geübt, am Tag der offenen Tür in der St.-Barbara-Kaserne. Im Gegenzug kritisierten andere Leserbriefe aber wiederum diese als störend empfundenen Proteste.4 Die Dülmener Proteste als lokale Ausprägung eines bundesweiten Phänomens Diese Veranstaltungen des Militärs in der „Dülmener Woche“ waren nicht die einzigen Kritikpunkte der Friedensbewegung in Dülmen zu dieser Zeit: Bereits einige Monate zuvor, im Frühling des Jahres 1983, hatte der Ostermarsch, der auch die militärischen 30 Stefan Sudmann Protest gegen die Verleihung des Ehrenstadtrechts Anlagen in Dülmen wie das Visbecker Munitionsdepot thematisierte, für ähnliche Auseinandersetzungen gesorgt.5 Die Proteste gegen die Veranstaltungen des deutschen und britischen Militärs in Dülmen waren letztlich aber keine isoliert stehenden Aktionen, sondern sind im Zusammenhang mit der zu dieser Zeit besonders aktiven Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland zu sehen: Wenige Tage vor diesen Dülmener Protestaktionen hatte die „Prominentenblockade“ am Pershing-Depot in Mutlangen stattgefunden, im Monat danach kam es am 22. Oktober 1983 unter Teilnahme von mehreren hunderttausend Menschen sowohl zu einer großen Kundgebung in der Hauptstadt Bonn als auch zur Bildung einer Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm als Protest gegen den NATO-Doppelbeschluss zur Stationierung von Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern der USA in Deutschland. Aufgrund der Tatsache, dass es in Dülmen mehrere militärische Einrichtungen – die Barbarakaserne, das britische Feldzeuglager und das Visbecker Depot – gab und sowohl das deutsche als auch das britische Militär öffentlich als Teil des städtischen Lebens agierten, konnten diejenigen Dülmener, die sich als Teil dieser Friedensbewegung verstanden, ihre politischen Positionen hier nicht nur ganz allgemein vorbringen, sondern auch konkrete Aspekte des aktuellen städtischen Lebens als Kritikpunkte formulieren und dagegen protestieren. „Freedom of the City“ für die britische Garnison und die Friedensbewegung in . . . 1 Hierzu 31 und zum Folgenden v. a.: Stadtarchiv Dülmen, Stadt Dülmen, D 2101; auch: D 2102 und D 2432. Stadtarchiv Dülmen, Stadt Dülmen, HA 29 (16. Juli, 29. September und 10. November 1981). 3 Vgl. auch. L OEWEN , VOLKER : Das Forward Ordnance Depot der britischen Rheinarmee in Dülmen, in: Dülmener Heimatblätter 1983, Heft 3/4, S. 11 – 15, hier S. 11; vgl. auch M AASMANN , J USTIN: Neues Kapitel der Geschichte: Dülmen auf dem Weg zur Mittelstadt, in: B RATHE , H EINZ (Hg.): Dülmen – Von der Bauerschaft zum zentralen Ort. Beiträge zur Geschichte der Stadt, Dülmen 1986, S. 80 – 126, hier S. 125. 4 Vgl. die Zeitungsartikel und Leserbriefe in der Dülmener Zeitung von Anfang September 1983. 5 Dülmener Zeitung, 29. März, 30. März, 5. April, 11. April, 4. Mai und 7. Mai 1983; vgl. auch M AAS MANN , Neues Kapitel der Geschichte (wie Anm. 3), S. 118. 2 Vgl. Gisela Timpte Meine Kindheit im zerstörten Dülmen Die Bombardierung meiner Heimatstadt Dülmen erlebte ich mit meiner Mutter und meiner Schwester in der Bauerschaft Börnste. Die Bauersfamilie Böinghoff in Börnste, treue Kunden in der Drogerie meines Vaters, riet meiner Mutter: „Wenn es in der Stadt zu gefährlich wird, kommen Sie mit den Kindern zu uns.“ So entschloss sich meine Mutter als es an der Zeit schien, diese freundliche Einladung anzunehmen. Ladenzeile mit Drogerie Timpte Täglich fuhr sie mit dem Rad in die Stadt, um – soweit es noch möglich war – die Drogerie in der Marktstraße (früher Adolf-Hitler-Straße) weiterzuführen. Vater war ja längst zum Kriegsdienst eingezogen. An die Bombardierung Dülmens habe ich selbst aufgrund meines Alters keine Erinnerungen, aber Mutter sprach oft davon, dass sie am Abend der Bombardierung von Börnste aus die brennende Stadt sehen konnte, besonders die in unserer Nachbarschaft stehende St. Viktor-Kirche, deren Turm dann einstürzte. Meine Kindheit im zerstörten Dülmen 33 Dülmen lag in Trümmern, aber trotz allem versuchte Mutter in den Tagen nach dem Bombenangriff regelmäßig von Börnste mit dem Rad in die Stadt zu kommen. In Höhe der Borkener Straße sei es dann nur noch über Trümmerberge gegangen. Hier inmitten der Trümmer begegnete sie Herrn Dechant Dümpelmann und Herrn Vikar Kohaus; sie suchten verzweifelt nach Verletzten und Toten, die ihrer Hilfe bedurften. An der Stelle, an der mein Elternhaus stand, tat sich ein großes Bombenloch auf; es soll eines der größten in der Stadt gewesen sein, verursacht durch eine Brandbombe. Nichts war übrig geblieben von dem, was wir einst besaßen. Gegenüber, rechts und links – Trümmer. An einem Baumstumpf – ehemals ein Pfirsichbaum im Garten – konnte Mutter sich orientieren, wo einst unser Garten gewesen war. Wir Kinder nannten das große Trümmergelände „Wüste“, die schon bald unser schönster Spielplatz wurde! Timptes Baracke mit Bombenloch 34 Gisela Timpte Gegenüber von unserem Trümmergrundstück waren natürlich auch alle Häuser zerstört. Allerdings gab es ein Haus, von dem der Keller noch erhalten geblieben war. Da war es spannend für uns, immer wieder schlichen wir uns neugierig dort hinein. Ich erinnere mich an einen blau gekachelten Raum, von dem uns Kindern immer erzählt wurde, dass hier die „Nebelfrau“ wohne. Gesehen haben wir sie nie! Unsere Nachbarn Preun hatten mittlerweile eine Baracke bezogen, und eines Tages, als ein starker Sturm über die zerstörte Stadt hinweg zog, flog das ganze Dach der Baracke davon. Das Erschrecken war groß bei allen, die dies beobachtet hatten. Die Jahre 1945 bis 1948 verbrachte ich mit meiner Schwester in Epe bei meiner Großmutter. Hier waren keine Bomben gefallen, hier erlebten wir Kinder, weit weg von dem Nachkriegschaos, eine „heile Welt“. Als mein Vater 1948 aus der englischen Gefangenschaft auf Jersey entlassen wurde und nach Dülmen zurückkehrte, kannte er seine Heimatstadt nicht wieder. Da für viele Jahre kein Briefkontakt zwischen meinen Eltern mehr möglich war, kam er völlig unvorbereitet heim. „Hier können wir nicht mehr leben“, sei seine erste Bemerkung bei dem schrecklichen Anblick der Zerstörung gewesen. Aber meine Eltern hatten das Glück, mit Unterstützung Gisela Timpte beim Hühnerstall neben der Barahilfsbereiter Verwandter, die von den Bom- cke ben verschont geblieben waren, eine kleine Baracke kaufen zu können. Sie wurde hinter unserem riesengroßen und metertiefen Bombenloch aufgebaut, und Vater richtete schon bald einen der Räume wieder als Laden ein. Ab diesem Tag war er wieder Karl Timpte, Drogist und Geschäftsmann. In einem provisorischen Schaufenster hängte er – weithin sichtbar – eine große Uhr auf, was von der Kundschaft sehr begrüßt wurde, da es weit und breit keine öffentliche Meine Kindheit im zerstörten Dülmen 35 Uhr mehr gab. An unsere Baracke war ein Hühnerstall angebaut und meine Aufgabe war es, täglich die Hühner zu füttern und nach Eiern zu suchen. Die Kinder der Nachbarschaft, überwiegend lebten ihre Familien ebenfalls in Baracken, trafen sich in der „Wüste“ und auf Straßenabschnitten, die von Trümmern inzwischen schon befreit waren. Wir spielten Völkerball und Brennball, „Böse Acht“, Hinkeln und Seilchenspringen, „Fischer wie weit darf ich reisen“ und „Ochs am Berge eins, zwei, drei“ und hatten dabei unser größtes Vergnügen. In der Wüste, besonders im Bereich der Rathaustrümmer, waren inzwischen kleine Loren auf Geleisen aufgestellt, die zur Trümmerbeseitigung notwendig waren. Es war für uns herrlich, auf diesen Loren herum zu klettern und „Eisenbahn“ zu spielen, wir kamen uns groß und mächtig vor! Das Nachbargrundstück neben unserer Baracke gehörte Emma Pins, einer gutmütigen alten Dame. Da sie Jüdin war, verließ sie Dülmen 1940 rechtzeitig. Sie fühlte sich in Dülmen nicht mehr sicher, denn schräg gegenüber von ihrem Haus stand das sogenannte „Braune Haus“. Sie verabschiedete sich von Mutter über den Gartenzaun hinweg mit einer Hand voll Johannisbeeren aus ihrem eigenen Garten. Zum Gedenken wurde für Emma Pins vor einigen Jahren in der Marktstraße der Stolperstein Nr. 25 gesetzt. Neben Emma Pins war das Grundstück der „Dülmener Zeitung“, die Inhaberin war Franzi Horstmann. Als ich mit meiner Schwester 1948 in meine zerstörte Heimatstadt zurückkehrte, standen auf diesem Trümmergrundstück mehrere große eiserne und verrostete Druckmaschinen der „Dülmener Zeitung“. Hier hatte sich eine kleine Plattform gebildet, die besonders für uns Mädchen zum Spielplatz wurde. Wir suchten aus den Trümmern Ziegelsteine und bauten damit den Umriss einer Wohnung mit verschiedenen Zimmern. Dann wurden die Rollen verteilt und wir spielten „Mutter und Kind“ (einen Vater gab es nicht, unsere Väter waren ja auch jahrelang abwesend). Von den wild aufgeschlagenen Stolperstein Emma Pins Sträuchern sammelten wir die Schneebeeren und „kochten“ damit das Essen. An Phantasie mangelte es uns nicht, im Gegenteil. Hier erlebten wir unsere Kinder- und Traumwelt täglich in Neuauflage! 36 Gisela Timpte Neben der „Dülmener Zeitung“ befand sich das Anwesen Ahlert (ehemals Eichengrün). Schon relativ bald war hier ein Keller mit einer großflächigen Betondecke fertiggestellt. Wir warteten auf die ersten Wintertage; wenn wir Glück hatten und sich auf der Betondecke Regenwasser gesammelt hatte, stand uns eine herrliche „Schlinderbahn“ zur Verfügung! Und der große unverschlossene Kellerrohbau mit den vielen Räumen und Gängen war ein verlockendes Objekt zum Versteckspiel! Für uns war hier das Paradies, ein Abenteuer-Spielplatz! Hier trafen wir uns ohne Verabredung (das kannten wir nicht), jeder wusste dass hier immer Nachbarskinder anzutreffen waren, niemand machte uns Vorschriften, hier spielten wir nach Lust und Laune und genossen unsere Freiheit. Sicher hatten unsere Eltern in der für alle noch schwierigen Zeit Freude an unserer Unbeschwertheit und den phantasievollen Spielen und vor allem an unserer Zufriedenheit. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir – bei aller Trostlosigkeit um uns herum – irgendetwas vermissten. Auch der St. Viktor-Kirchplatz war unser Spielbereich. Ich habe nie vergessen, dass wir hier gelegentlich Knochen fanden – aufgeregt berichteten wir den Eltern davon. Wir erfuhren, dass zu früheren Zeiten hier rund um die Kirche die Verstorbenen beigesetzt worden sind. Wenn wir draußen nicht spielen konnten saßen wir Mädchen manchmal bei unseren Nachbarn Preun in der Gaststube zusammen und machten Handarbeit. Unsere Wollfäden wickelten wir über halbierte Bierdeckel. Familie Preun hatte immerhin schon, soweit ich mich erinnern kann, den ersten Bauabschnitt des Hauses wieder errichtet. Vorne, zur Straße hin, war die Wirtschaft mit dem Tresen und im hinteren Raum die Gaststube. Es wurde auch Kinderschützenfest gefeiert. Einer der Jungen besaß ein Taschenmesser und schnitzte aus einem Stück Torf einen Vogel, der dann auf eine lange Stange gesteckt wurde. Wie der Vogel dann abgeschossen wurde, weiß ich nicht mehr. Vielleicht haben wir mit Bällen auf ihn geworfen? Dann kam der Höhepunkt: der Vogel fiel von der Stange und wir hatten unseren Schützenkönig. Und natürlich brauchte der Schützenkönig eine Königin. Ich weiß noch, dass ich auch ein Mal die Ehre hatte. Es wurde ein Bollerwagen herbeigeholt und das Königspaar nahm darin Platz. Dann wurden wir durch die Gegend gefahren, soweit es die Straßen überhaupt zuließen! Eine Schar Spielkameraden folgte jubelnd dem Gefährt. Ein weiteres großes Kinderfest war „Pingstebrut“ (= Pfingstbraut). An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, sicher weiß ich noch, dass ebenfalls ein Bollerwagen für die Pingstebrut bereitgestellt wurde und ein Festzug durch die Nachbarschaft zog. Meine Kindheit im zerstörten Dülmen 37 Gisela und Marie-Luise Timpte mit Klärchen Lödding beim Schlitten fahren, im Hintergrund erkennbar die Ruine des herzoglichen Schlosses Natürlich war es für jedes Mädchen eine große Ehre, wenn sie einmal Pingstebrut sein durfte. Für alle Kinder ist der Nikolaustag ein wichtiger Tag, das war auch damals schon so. Meine Schwester und ich saßen zuhause in unserem kleinen Wohnzimmerchen, da öffnete sich plötzlich die Tür vom Laden zum Wohnzimmer und, ohne dass wir jemand sahen, reckte sich eine weiß-behandschuhte Hand um die Ecke und warf für uns zwei Zahnbürsten ins Wohnzimmer! Der Nikolaus war da! Zu Weihnachten hatten wir einen kleinen Christbaum, unter dem eine einfache, aber schön bunte Papierkrippe aufgebaut war, das Dach war mit Watte abgedeckt. Es sah idyllisch aus wie im tiefsten Winter. Unser erstes Weihnachtsfest in der Baracke! Wir zündeten Wunderkerzen an, da passierte es: ein Funke flog auf die Watte, die natürlich sofort zu brennen anfing. Geistesgegenwärtig zog mein Vater seinen Hausschuh aus und 38 Gisela Timpte schlug damit auf die Flammen ein, bis sie erstickt waren. Das hätte ein großes Unglück geben können . . . Wunderkerzen waren seitdem tabu. Zum Schlittenfahren zogen wir in den Schlosspark. Hier tummelten sich viele Kinder. Der große Teich war mittlerweile ausgetrocknet, so konnten wir mit Anlauf eine lange Abfahrt bis in den Teich machen. Vom herzoglichen Schloss stand nur noch eine Ruine, aber das fiel uns nicht weiter auf, denn Ruinen sahen wir ja in der ganzen Stadt. Vieles ist natürlich über die Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, und manche Erinnerung mag nach so langer Zeit vielleicht auch etwas „bunt gefärbt“ sein. Dass die Welt der Erwachsenen eine ganz andere war, darüber habe ich hier bewusst nicht geschrieben. Und doch erstaunt es mich bis heute, dass wir trotz aller Entbehrungen, trotz vieler Sorgen unserer Eltern in Hinblick auf Wiederaufbau und Neubeginn, eine relativ unbeschwerte Kindheit erleben konnten. Vielleicht waren es unter anderem auch unser Zusammengehörigkeitsgefühl und unser unverdorbener Phantasiereichtum, die uns Kinder manch Schlimmes verdrängen und vergessen ließen. Das erfüllt mich bis heute mit Dankbarkeit. Hermann Lödding Ein schrecklich schöner Abenteuerspielplatz An einen Bombenangriff auf das Tanklager im Osthoff erinnere ich mich noch genau. Ich war sieben Jahre alt, als ich sah, wie die Schwerverletzten zum Krankenhaus gebracht wurden. Das war mein erstes Kriegserlebnis. Trümmergrundstück an der Coesfelder Straße mit Blick in die Marktstraße; im Hintergrund der Turm der St.-Viktor-Kirche 40 Hermann Lödding Marktstraße nach 1945 Meine Familie hatte eine Gastwirtschaft an der Lüdinghauser Straße. Als später die Angriffe auf Dülmen geflogen wurden, flüchteten wir ebenso wie Nachbarn in unser Kellergewölbe. Je mehr die Mauern zitterten, umso lauter haben wir gebetet. Meine Mutter war 1945 schwerkrank, sie wurde in ein Krankenhaus nach Seppenrade gebracht. Meine jüngere Schwester1 und ich kamen auf einem Bauernhof in Emkum unter. Gott sei dank waren wir während der Zerstörung nicht in Dülmen. Den brennenden Turm von St. Viktor habe ich aus der Ferne gesehen. Im April 1945 starb meine Mutter. Die Großeltern Preun nahmen uns auf, da mein Vater 1941 verstorben war. Nach dem Krieg hatten wir Kinder in Dülmen den schrecklich schönsten Abenteuerspielplatz, den man sich vorstellen kann. Wir spielten in den Trümmern, was sehr gefährlich war, immer wieder stürzte etwas ein. Überall in der Stadt haben wir „Burgen“ gebaut, zum Beispiel im Mittelstück des Lüdinghauser Tores. Im Frühjahr 1946, als der Wiederaufbau begonnen hatte, setzte Regen einen ausgehobenen Keller unter Wasser. Und wir Kinder haben ein Floß gebaut und sind auf dem kleinen See herum gefahren. Ich bin Ein schrecklich schöner Abenteuerspielplatz 41 ins Wasser gefallen und musste dann den ganzen Tag im Bett liegen, da meine einzige Kleidung trocknen musste. Eines Tages ging es mit der Schulklasse zum Trümmerhaufen des Krankenhauses, jedes Kind musste 100 Steine für den Wiederaufbau picken. 1 Klärchen Lödding, die Spielkameradin von Gisela Timpte Stefan Sudmann Kinderbewahrschule/Kinderverwahrschule – Der Dülmener Kindergarten vor dem Ersten Weltkrieg Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen politischen Debatten um die „U3-Betreuung“ und Kinderkrippen mag es einmal interessant sein, für Dülmen einen Blick in die Geschichte des hiesigen Kindergartenwesens zu werfen. Die Genehmigung von 1898 Als um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in der Stadt Dülmen vielfältige Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen in der Infrastruktur erfolgten, erhielten auch die hier seit einigen Jahren ansässigen „Schwestern von der göttlichen Vorsehung“ einen neuen Aufgabenbereich. Nach dem Ende des Kulturkampfs, der Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und der römisch-katholischen Kirche, war ihnen zuerst 1889 die Erziehung der Waisenkinder genehmigt worden; Ende 1893 hatten sie die Leitung der 1881 eingerichteten höheren Mädchenschule (der heutigen kirchlichen Realschule, der Marienschule) übernommen.1 1898 wurden den Dülmener Vorsehungsschwestern von der Regierung schließlich noch zwei weitere Tätigkeiten erlaubt: Zum einen die Übernahme „der Leitung und Unterweisung in einer Haushaltungs- und Handarbeitsschule für katholische Kinder in nicht mehr schulpflichtigem Alter“, zum anderen die Übernahme „der Pflege und Unterweisung von Kindern katholischer Straßenabschnitt vor der Kinderverwahrschule, rechts der KinKonfession, welche sich dergarten (Fachwerkhaus) noch nicht im schulpflichtigen Alter befinden“ – und zwar in einer so genannten Kinderbewahrschule/Kinderverwahrschule – Der Dülmener Kindergarten vor dem . . . 43 „Kleinkinderbewahrschule“ (in dem vorliegenden Schreiben war zuerst der Begriff „Kleinkinderverwahrschule“ verwendet worden, wie auch sonst in den Dülmener Quellen dieser Zeit beide Begriffe auftauchen)2 , also modern gesprochen, in einem Kindergarten. Der neue Kindergarten 1910 Allerdings übernahmen die Vorsehungsschwestern diese Aufgabe erst gut zwölf Jahre später. Am 2. September 1910 verstarb die frühere Lehrerin Rosalie Wünnenberg, die zuvor privat eine solche Einrichtung geführt hatte.3 Ende November teilte die Stadt schließlich die Eröffnung einer Nachfolgeeinrichtung mit. Zum einen wurde am 29. November über die Dülmener Zeitung bekannt gegeben, dass die „Kleinkinderbewahrschule“ der ver- Das Bild zeigt einen Straßenabschnitt der Tiberstraße vermutlich storbenen Lehrerin Wünnen- 1939 und zeigt von links nach rechts Elfriede Nolde, Ilse Pläsker, Josef Büsse und Paul Blankenau. „Dat Verwoahschölken“ befand berg tags zuvor unter Leitung sich in dem Gebäude, das exakt hinter Paul Blankenau zu sehen einer Nonne „im Schulloka- ist. le auf dem Bült (Rektoratschule)“ neu eröffnet worden sei.4 Zum anderen waren im Vorfeld am 26. November jene elf Familien benachrichtigt worden, die ihre Kinder zuvor in die private Einrichtung der Lehrerin Wünnenberg geschickt hatten, dass am 28. November (einem Montag) eine „städtische Kinderverwahrschule“ unter Leitung der Vorsehungsschwestern eröffnet werde. Im Vergleich zu heute schickten damals noch wenige Eltern ihre Kinder in eine solche Einrichtung: 1910 waren es der Liste zufolge nur elf Familien. Bei diesen elf Familien, die ihre Kinder zu dieser Zeit in einen Kindergarten gegeben hatten, fällt hinsichtlich der angetroffenen Berufe der Väter auf, dass es sich größtenteils um Handwerker handelte, offensichtlich zumeist mit Meistertitel und selbständig tätig: 44 Stefan Sudmann Auflistung der erforderlichen Einrichtungsgegenstände und Arbeiten im neuen Kindergarten 1910 Kinderbewahrschule/Kinderverwahrschule – Der Dülmener Kindergarten vor dem . . . 45 Drei waren Bäckermeister (Aulike, Gernemann und Uckelmann); daneben gab es unter den Vätern u. a. einen Kupferschmiedemeister (Brandt), einen Maurer (Heiming), einen Schlosser (Spangemacher) und einen Friseur (Frintrup), der auch den Posten eines Fleischbeschauers innehatte.5 In der Liste nur einmal vertreten war die Sparte der „Unternehmer“ (Lödding). Auch war nur ein einziger der Väter dieser Kindergartenkinder in der Verwaltung tätig: der Amtsgerichtssekretär Ludwig Bielefeld. Dieser ist in der Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts bekannt als Geschäftsführer des Dülmener Amtsgerichts, als Heimatforscher und nicht zuletzt als Vater der beiden führenden Nationalsozialisten in Dülmen, Franz und Julius Bielefeld, geboren 1905 bzw. 19076 – so dass offensichtlich davon auszugehen ist, dass die beiden Gründer der Dülmener NSDAP-Ortsgruppe wohl zu den ersten Kindern in Dülmen gehörten, die einen Kindergarten besuchten. Für die neue Kinderverwahrschule im Bültschulgebäude – im früheren Klassenzimmer der 1909 verstorbenen Lehrerin Brüggemann7 – mussten entsprechende Anschaffungen getätigt werden (wobei im selben Raum auch die Handarbeitsschule der Vorsehungsschwestern untergebracht war). Als erforderlich angesehen wurden u. a. die Anbringung von Mantelhaken (und zwar „getrennt für Knaben und Mädchen“), ein Pult für die Leiterin, Anschauungsbilder mit Stücken aus der Biblischen Geschichte, Bänke und Kindertafeln mit Griffeln. Ebenfalls genannt: „Mehrere Aborte für Knaben und Mädchen und 1 Pissoir mit 2 – 3 Ständern“ (womit das Stadtbauamt und die Firma Mesem beauftragt werden sollten). Unsicher war man sich aber offensichtlich, ob man auch einen „Kasten mit Bonbons“ anschaffen sollte. Für die regelmäßige Reinigung war das Bürgermeisteramt zuständig. Auch sollte ein Spielplatz im Hof auf dem Grundstück der Witwe Döpper angelegt werden, wofür man mit besagter Dame in Verhandlungen über eine Anpachtung treten wollte.8 Weitere Raumprobleme Dieser Ende 1910 errichtete Kindergarten blieb jedoch nur für kurze Zeit im Bültschulgebäude. Bereits im Oktober 1911 wurde mitgeteilt, dass dort ein weiterer Unterrichtsraum eingerichtet werden und der Kindergarten deshalb andere Räumlichkeiten suchen müsse.9 Im Frühjahr 1912 musste der Kindergarten deshalb vorübergehend schließen.10 Nachdem verschiedene Optionen geprüft worden waren (so das Schildschulgebäude und private Gebäude in der Münsterstraße) konnte im Herbst 1912 schließlich bekannt gegeben werden, dass der von den Vorsehungsschwestern geleitete städtische Kindergarten (zusammen mit der Handarbeitsschule) im Oktober in dem alten Gesellenhaus zwischen Marktstraße 46 Stefan Sudmann 1912 zog der Kindergarten in das Gesellenhaus zwischen Tiberstraße und Markstraße. Kinderbewahrschule/Kinderverwahrschule – Der Dülmener Kindergarten vor dem . . . 47 und Tiberstraße eröffnet werde.11 Zu dieser Zeit besuchten bereits 70 bis 80 Kinder diese Einrichtung.12 Die Frage nach der räumlichen Unterbringung des Kindergartens stellte auch Jahrzehnte später noch ein Problem für die Stadtverwaltung dar, so in der Nachkriegszeit13 und schließlich zu Beginn der 1960er Jahre, als die Situation der Kindergärten zunehmend ein wichtiges Thema für die Landes- sowie vor allem für die Dülmener Kommunalpolitik und -verwaltung wurde – und bis heute geblieben ist.14 1 F RINGS , B ERNHARD: Sorgen – Helfen – Heilen. Dülmen und seine sozial-caritativen Einrichtungen, Dülmen 1997, S. 184 f.; Marienschule (Hg.): 125 Jahre Marienschule 1881 – 2006, Dülmen 2006, S. 13. 2 Hierzu und zum Folgenden: Stadtarchiv Dülmen (StadtA Dülmen), Stadt Dülmen, Bn 152; vgl. W ES KAMP, A LBERT: Geschichte der Stadt Dülmen, Dülmen 1911, S. 95. 3 Neun Jahre zuvor war der Lehrerin vom Stadtrat hierfür ein Zuschuss genehmigt worden: Dülmener Anzeiger, 20. Juli 1901. In der genannten Akte (Bn 152), die 1898 einsetzt, taucht diese private Einrichtung von Lehrerin Wünnenberg ansonsten nicht auf, die erste Nennung einer solchen Einrichtung in der Lokalpresse findet sich Ende Mai 1899: Dülmener Anzeiger, 30. Mai 1899. Vgl. auch StadtA Dülmen, Stadt Dülmen, Bu 8 (Protokolle der Stadtverordnetenversammlung). 4 Dülmener Zeitung (DZ), 29. November 1910; vgl. B ERTLING , A NTON : Die Dülmener Schulen von 1911 bis 1960 (StadtA Dülmen, Mskr., Nr. 59), S. 44. 5 Vgl. Dülmener Anzeiger, 21. April und 27. August 1904. 6 Vgl. hierzu die Beiträge von N ICOLA W ILLENBERG (Dülmen in der Weimarer Republik) und H ANS WALTER S CHMUHL (Dülmen im Nationalsozialismus) in S UDMANN , S TEFAN (Hg.): Geschichte der Stadt Dülmen, Dülmen 2011. 7 Vgl. DZ, 22. Juni, 26. Juni und 23. September 1909. 8 StadtA Dülmen, Stadt Dülmen, Bn 152. 9 StadtA Dülmen, Stadt Dülmen, Bn 152. 10 DZ, 28. September 1912. 11 StadtA Dülmen, Stadt Dülmen, Bn 152; DZ, 28. September und 12. Oktober 1912. 12 So in der Bitte um Schrank und Tisch vom 17. Oktober 1912: StadtA Dülmen, Stadt Dülmen, Bn 152. Für die kommenden Jahre nennt B ERTLING, Die Dülmener Schulen (wie Anm. 4), S. 44 über 100 Kinder. 13 Vgl. StadtA Dülmen, Stadt Dülmen, RP 1 (5. April 1946 und 2. Juni 1947) 14 S UDMANN , Geschichte der Stadt Dülmen (wie Anm. 6), S. 397. Erik Potthoff Nachruf auf Reinhold Reuver Am 7. August 2013 starb nach langer schwerer Krankheit unser Vorstandsmitglied und Schriftführer Reinhold Reuver im Alter von 57 Jahren. Als gebürtiger Dülmener kehrte er nach langer beruflicher Tätigkeit in Berlin in seine Heimatstadt zurück und trat 2001 dem Heimatverein bei. Dort galt zunächst sein Interesse der Denkmalpflege. Im Jahr 2003 wurde er von der Mitgliederversammlung zum Beisitzer in den Vorstand gewählt und zwei Jahre später übertrug das gleiche Gremium ihm die Aufgabe der Schriftführung. Reinhold Reuver erledigte die Arbeiten im Verein, die normalerweise nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ohne die es jedoch nicht geht und die einen gehörigen Umfang an Zeit verschlingen. Als Schriftführer hielt er Kontakt zu den Mitgliedern, den Medien, dem Kreisheimatverein und dem Westfälischen Heimatbund. Die Organisation von Veranstaltungen und Fahrradtouren lag in seinen Händen. Als selbständiger Architekt brachte er die Fachlichkeit mit, die dem Heimatverein Dülmen Mut machte, nach dem Tod von Stadtarchivar Dr. Friedrich-Wilhelm Hemann das begonnene Projekt der Erstellung eines zweiten Stadtmodells weiter zu führen. Die für das Modell benötigten Grunddaten und Informationen stellte überwiegend Reinhold Reuver aus Planunterlagen, Luftaufnahmen, Ansichtskarten und Fotomaterial zusammen. Nachruf auf Reinhold Reuver 49 Viele Stunden unterstützte er den Modellbaubetrieb Mosler durch Besuche vor Ort im Atelier und dokumentierte den jeweiligen Stand der Arbeiten am Stadtmodell. Dank dieser Fotos konnten sich die Bürgerinnen und Bürger nicht zuletzt durch eine von ihm gestaltete Präsentation bei der offiziellen Modellübergabe an die Stadt Dülmen und einer sich anschließenden Ausstellung ein anschauliches Bild vom Entstehen des Stadtmodells machen. Im Jahr des Stadtjubiläums lag Reinhold Reuver der historische Bilderbogen zur Dülmener Geschichte besonders am Herzen, für den er sich sehr zeitintensiv engagierte und dessen Layout seine Handschrift trug. Dabei gelang es in einem beispiellosen Ausstellungsprojekt, alte Dülmener Ansichten aus den Anfängen der Fotografie bis zum Beginn der 1950er-Jahre am dargestellten Ort in Geschäftsauslagen oder als Bildtafeln im öffentlichen Straßenraum zu platzieren. Dank der großen Unterstützung von Eigentürmern und Geschäftsinhabern entstand ein interessantes Bilderbuch der Dülmener Geschichte, das sich wie ein roter Faden durch die Stadt und das Jubiläumsjahr 2011 zog. Die großen Bildtafeln an allen Einfallstraßen in die Dülmener Innenstadt zum 700-jährigen Stadtjubiläum 2011 entstammen seiner Idee. An ihrer Realisierung hatte Reinhold Reuver maßgeblichen Anteil. Als Mitglied der Fachgruppe Denkmalpflege setzte er sich mit Sach- und Fachkunde immer wieder für eine Sensibilisierung von Eigentümern und politischen Entscheidungsträgern zum Erhalt historischer Gebäudesubstanz ein. Am jährlichen Bürgertreff aller Dülmener Vereine war er meist ganztägig präsent und führte viele Gespräche am Stand des Heimatvereins. Der Verkauf von Ansichtskarten mit Bildgegenüberstellungen aktueller und historischer Aufnahmen ging auf seinen Vorschlag zurück. Für diese engagierte Heimatarbeit sind wir Reinhold Reuver zu großem Dank verpflichtet und bemühen uns, die Arbeit in seinem Sinne fortzusetzen. Stefan Sudmann Neues aus dem Stadtarchiv Akten der Stadtverwaltung Mehrere vom Archiv für archivwürdig befundene Akten der Stadtverwaltung wurden in den vergangenen Monaten aus dem Zwischenarchiv und (u. a. aufgrund bevorstehender Umbauarbeiten) aus dem Rathaus in das Stadtarchiv überführt. Hierbei handelt es sich um Unterlagen der Fachbereiche 11 (früher: Hauptamt), 2 (Kämmerei), 52 (Sozialamt) und der Stadtbücherei. Beispielhaft genannt seien hier Dokumente der Jahre 1945 – 47 zum Wiederaufbau des Bauhofs und zu finanziellen Angelegenheiten (darunter auch ein Bericht über die Abgabe von Einrichtungsgegenständen und Möbeln der NSDAP an Verwaltung und Apotheken) sowie Akten der Stadtbücherei zur Errichtung, zum Umzug Anfang der 1970er Jahre, zur Einrichtung einer Spielothek, zu Vorlesewettbewerben und zum 25-jährigen Jubiläum 1983. Nachlass von Josef Zumegen Verzeichnet und zugänglich sind nun auch Unterlagen aus dem Nachlass von Josef Zumegen (1896 – 1992), der mehrere Jahre zur Zentrumsfraktion in der Stadtverordnetenversammlung gehört hatte. Dort finden sich auch Dokumente zum Wiederaufbau nach 1945. Madrigalchor Übergeben wurden dem Stadtarchiv von Karlheinz Messing Unterlagen des Dülmener Madrigalchors, der zwei Jahrzehnte lang das kulturelle Leben in Dülmen bereichert hat. Hier finden sich u. a. Protokolle, Programme und Plakate, die nun der Forschung zur Verfügung gestellt werden können. Wolfgang Werp Neuerscheinungen Dülmen – gestern und heute, von Erik Potthoff und Dietmar Rabich, Laumann-Verlag Dülmen 2013. Die beiden Dülmener Heimatfreunde Erik Potthoff und Dietmar Rabich haben in monatelanger Fleißarbeit einen glänzenden Bild-Text-Band „Dülmen – gestern und heute“ erstellt, der allen Dülmen-Fans mit beeindruckenden neuen Farbaufnahmen einen grandiosen Rundgang zu den Sehenswürdigkeiten und Schönheiten der Stadt Dülmen und ihrer Ortsteile eröffnet. Diese Dokumentation zeigt und erklärt Dülmen in einzigartigen Bildern und Texten. Dülmen besitzt aufgrund seiner fast vollständigen Zerstörung in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges zwei Gesichter: einmal ein in alten, vergilbten Ansichtskarten und wenigen Schwarz-Weiß-Fotografien zu betrachtendes Stadtensemble und zudem ein Zweites nach dem Wiederaufbau mit dem sich bis heute fortwährend verändernden aktuellen Stadtbild. In einer Verbindung dieser beiden Aspekte sahen die Verfasser des Bildbandes eine reizende Aufgabe. So schufen sie ein aufschlussreiches Gegenüber zwischen dem heutigen reizvollen, idyllischen und dem ehemaligen, nicht mehr sichtbaren Dülmen. Dabei wurden die in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Stadtjubiläum 2011 ausführlich in der „Geschichte der Stadt Dülmen“ und der „Sonderausgabe“ der Dülmener Heimatblätter zum Stadtjubiläum in Wort und Bild vorgestellten und erörterten Kriegsereignisse und ihre schlimmen Folgen für Dülmen und seine Bürgerschaft hier bewusst ausgeklammert. Der facettenreiche Band gliedert sich sowohl geografisch als auch thematisch: Ausgehend von der historisch gewachsenen Innenstadt, weiter ausgreifend über die Ringstraßen bis hin zu den Dülmener Ortsteilen wird die stetige Entwicklung von Stadt und Umland besonders über Bildvergleiche immer wieder an den Betrachter herangetragen. Dieser wird dabei insbesondere mit den ganzseitigen prächtigen bunten oder schwarz-weißen Großaufnahmen auf imposante und im Verborgenen schlummernde Details aufmerksam gemacht. So tastet er sich immer weiter blätternd und lesend an die geschichtsträchtige Stadt heran und lernt deren Attraktivität in stimmungsvollen, bisher so nicht gesehenen Bildern besser kennen. Erweitert wird der Gesamteindruck über einige Sonderthemen wie „Anna Katharina Emmerick“, „Kulturveranstaltungen“, „Dülmen bei Nacht“ oder schließlich auch die „Dülmener Wildpferde“ im Merfelder Bruch. Umrahmt wird das 52 Wolfgang Werp Werk durch faszinierende Landschaftsaufnahmen der münsterländischen Parklandschaft in ihrer jahreszeitlich bedingten abwechslungsreichen Schönheit. Neben dieser üppigen optischen Seite überzeugt auch die durch Kurztexte erreichte informelle Ergänzung. Nach einer einführenden Einleitung wird dem Leser mit fachkundigem Kommentar in kurzen, prägnanten Erläuterungen viel Wissenswertes über die gerade gezeigten Objekte vermittelt und er mit Dülmen von heute vertraut gemacht. Dadurch ergeben sich neben der vorrangigen Bilderschau eine vertiefende Betrachtung und eine leichtere Einordnung in die wechselvolle Geschichte unserer Heimatstadt und der angrenzenden Region. Mit der Übernahme von mehr als 550 Aufnahmen aus etwa doppelt so vielen Schnappschüssen und zahlreichen historischen alten Dülmener Ansichten konnte von den beiden Verfassern ein Gesamtbild Dülmens vermittelt werden, das es in dieser Art noch nie gegeben hat, das eine aktuelle Lücke schließt oder anders gesagt, eine hervorragende Ergänzung zur oben zitierten umfangreichen Literatur zum Stadtjubiläum 2011 darstellt. Für diese ergänzende, neue Sicht unserer Heimatstadt soll den beiden Autoren auch hier in den Dülmener Heimatblättern, sozusagen „auf ihrem heimischem Gelände“ besonders gedankt werden. Es bleibt nur der Wunsch einer erfolgreichen Verbreitung dieser prachtvollen Dokumentation des Dülmener Raumes von hohem zeitgeschichtlichem Wert. Jahrbuch Westfalen 2014, 68. Jahrgang, hg. vom westfälischen Heimatbund, Redaktion Dr. Peter Kracht, Münster 2013. Wie in jedem Jahr hat sich das Redaktionsteam um Peter Kracht einem Schwerpunktthema gestellt: Im Mittelpunkt des Jahrbuchs Westfalen 2014 stehen „Gärten und Parks“. Dabei spannt sich der grüne Bogen vom botanischen Garten in Gütersloh zum Westpark in Bochum, von den Klostergärten in Herzebrock-Clarholz und der münsterländischen Parklandschaft bis zum Schlosspark in Bad Berleburg oder allgemeiner von den westfälischen Natur- und Kurparks bis zum Sauerlandpark in Hemer, auf dessen Gelände bis zum Entstehen der Anlage eine Kaserne untergebracht war. Wie in jedem Jahr widmet sich der Band zudem mit zahlreichen weiteren Beiträgen den Rubriken „Geschichte und Geschichten“ (hier zum Beispiel einem Bericht über den Transrapid in Hagen), „Museen“ (so das lippische Landesmuseum in Detmold oder das Ziegeleimuseum Lage), „Menschen“ „Westfalen-Sport“, „Kultur“ und „Orte in Westfalen“ (hier in diesem Jahr: Bielefeld, Rheine und Witten). Wie immer abwechslungsreich und bunt bebildert, zeigt das Werk die Vielfalt westfälischer Aspekte und lädt zu anregender Lektüre ein. Neuerscheinungen 53 Geschichtsblätter des Kreises Coesfeld, Unser Kreis – Geschichte und Geschehen 2012, hg. vom Kreisheimatverein Coesfeld, 37. Jahrgang 2012, Coesfeld 2013. Der 37. Jahrgang der Geschichtsblätter reiht sich in die Werkfolge bestens ein. Er bietet diesmal ein aufschlussreiches Lesevergnügen zu folgenden heimatgeschichtlichen Themen: Die Frühzeit der Bauerschaft Harle vor der Stadt Coesfeld untersucht Peter Ilisch anhand einer Darstellung der verschiedenen Hofgruppen vom Schultenhof bis zum kleinen Kotten. So fertigt er ein beeindruckendes Bild der Geschichte dieses Landstriches und seiner Bewohner, das er mit fünf detailgetreuen Karten des Siedlungsgebietes erläuternd untermauert. – Derselbe Verfasser untersucht in einem zweiten Beitrag zur Geschichte des niederen Adels im südwestlichen Münsterland einen mittelalterlichen Adelssitz zwischen Lüdinghausen und Dülmen, den Komplex Berenbrock sowie die Anfänge der Burg Rönhagen in Olfen. Hier geht es einmal um die Entwicklung der Familie des Edelherrn Godfrid von Berenbroke etwa ab dem Jahre 1254 als Träger einer langen Ahnenreihe und zum anderen um die Geschichte des Hauses Rönhagen nahe der Ronhagener Heide an einer von der Stever zur Lippe verlaufenden Wallanlage, der „Rönhagener Landwehr“. – Stefan Sudmann befasst sich mit finanziellen Aspekten der Pockenimpfungen in Dülmen von 1820. Er beleuchtet die damalige staatliche Gesundheitspolitik, deren Kostenträgerschaft und die kommunale Gebührenverwaltung. – Franz-Josef Schulte-Althoff schildert die Lüdinghauser Revolutionswirren von 1918/19 bis zum Ausgang der Rätezeit: die politische Orientierung und die Aktivitäten des dortigen Arbeiter- und Soldatenrates auf der einen sowie die Sammlung der bürgerlichen Kräfte und der Bauernräte auf der anderen Seite. Und hier der interessanteste Beitrag: Die denkmalgerechte Instandsetzung der über 400 Jahre alten Wassermühle Schulze Westerath in Nottuln-Stevern ist Gegenstand der spannenden Untersuchung von Peter Petersen. Dieser erläutert (und belegt mit einem sehr ausführlichen, lobenswerten Anmerkungskatalog über das Mühlenwesen) nach einem allgemeinen Blick auf die Geschichte der Wassermühlen die Sanierung dieser bei vielen Wanderern und Radfahrern an der Sandsteinroute beliebten Wassermühle, die nur etwa eineinhalb Flusskilometer hinter dem Naturschutzgebiet „Steverquellen“ in den Talgrund geschmiegt idyllisch gelegen ist. Das Nutzungskonzept des eigens gegründeten „Förderkreises Wassermühle Schulte Westerath“ sah den Ausbau der Mühle zu einem touristischen Mittelpunkt für Bauern- und Mühlenkultur im Stevertal vor, um die vollständig vorhandenen Mühleneinbauten und das gut erhaltene Wohngeschoss allen zugänglich machen zu können. Durch die Unterstützung etlicher Geldgeber konnte dieses Projekt 2012 erfolgreich abgeschlossen und die Öffnung für Besucher in diesem Jahr gefeiert werden. Das Denkmalensemble Wassermühle Schulze Westerath darf als eines der wichtigsten 54 Wolfgang Werp Beispiele gelungener Mühlen- und Bauernkultur im Münsterland gelten, dessen Besuch allen Besuchern der nahen Baumberge zu empfehlen ist. Schließlich befasst sich im letzten Aufsatz Hans-Peter Boer mit dem schulgeschichtlichen Thema „. . . der kümmerlichsten Zukunft entgegen sehen müssen“ – oder von der Schwierigkeit, einen Schulmeister zu pensionieren. Am Beispiel eines Streites um die Pensionierung eines Appelhülsener Schulmeisters wird dem Leser das Auf und Ab einer solchen „Karriere“ lebensnah vor Augen geführt. – Wie immer folgt zum Schluss des Heftes auf verschenkten 31 Seiten eine „statistische“ Chronik des Kreises Coesfeld 2012 von Anne Grütters mit viel zu vielen unnötigen Zahlen und Daten. Insgesamt wieder eine gelungene Fleißarbeit, die dem Heimatgeschichtler spannende Lektüre verspricht. Die besondere Mystik der Anna Katharina Emmerick, 2. Symposion nach der Seligsprechung, am 15./16. Februar 2013 in Münster, hg. von Clemens Engling, Hermann Flothkötter und Peter Nienhaus, Laumann-Verlag Dülmen 2013. Es ist das besondere Verdienst des Emmerick-Bundes und der damaligen bischöflichen Kommission „Anna Katharina Emmerick“, interdisziplinär angelegte Symposien mit ausgewiesenen Fachwissenschaftlern durchzuführen und durch Dokumentationen einer interessierten Leserschaft zugänglich zu machen. Diesem Anliegen dient auch das vorliegende Heft, das die Thematik des 2. Symposions der „besonderen Mystik der Anna Katharina Emmerick“ in Schwerpunkten gewichtet und dokumentiert. Folgende Tagungsbeiträge werden vorgestellt: • Sabine Gruber, Clemens Brentano und die Nächstenliebe • Sabine Gruber, Bericht aus einem Arbeitskreis • Elmar Klinger, Die Leben-Jesu-Mystik der Anna Katharina Emmerick • Clemens Engling, Bericht aus einem Arbeitskreis • Norbert Köster, Anna Katharina Emmerick und ihre Zeit • Günter Scholz, Informationen zu dem Film „Das Gelübde“ von Dominik Graf Hervorgehoben werden sollte hier die Tatsache, dass von allen Arbeitsgruppen die Gruppe „Anna Katharina Emmerick – Vorbild des Glaubens heute?“ zur Vermittlungsproblematik einer „sperrigen Seligen des Münsterlandes“ auf höchste Resonanz stieß Neuerscheinungen 55 und die meisten Teilnehmer sich diesem Themenfeld zuwandten. Insgesamt zeigen diese Symposien immer wieder, wie dringlich die Verbindung zwischen Theorie und Praxis nicht nur für Emmerickverehrer ist. Autorinnen und Autoren Hermann Lödding, Anton-Laumann-Weg 24, 48249 Dülmen, S. 39 Erik Potthoff, Haselbrink 13, 48249 Dülmen, S. 23, 48 Dr. Stefan Sudmann, Stadtarchiv Dülmen, Charleville-Mézières-Platz 2, 48249 Dülmen, S. 26, 42, 50 Gisela Timpte, Blumenstraße 7, 79194 Gundelfingen, S. 32 Wolfgang Werp, Ludwig-Wiesmann-Straße 10, 48249 Dülmen, S. 51 Denise Willmer, Buldern, Gerstenkamp 25, 48249 Dülmen, S. 5 Abbildungen Brigitte Abendroth, Stockhover Weg 83A, 48249 Dülmen, S. 6 Dietmar Rabich, Hausdülmen, Koppelbusch 37, 48249 Dülmen, S. 2, 25, 35 Erik Potthoff, Haselbrink 13, 48249 Dülmen, S. 48 Gisela Timpte, Blumenstraße 7, 79194 Gundelfingen, S. 32, 33, 34, 37, 40 Heinrich Walgenbach, Josef-Heiming-Straße 4, 48249 Dülmen, S. 12, 42 Klemens Segbert, Overbergstraße 76, 48249 Dülmen, S. 39 Paul Blankenau†, Dülmen, S. 43 Sammlung Erik Potthoff, Haselbrink 13, 48249 Dülmen, S. 24 Stadtarchiv Dülmen, Charleville-Mézières-Platz 2, 48249 Dülmen, S. 8, 10, 11, 14, 15, Fotosammlung, S. 27, 28, Stadt Dülmen, Bn 152, S. 44, 46, Stadt Dülmen, D 2101, S. 30 Impressum © 2013 Heimatverein Dülmen e. V. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, dem Herausgeber vorbehalten. Herausgeber: Heimatverein Dülmen e. V., Postfach 1307, 48234 Dülmen E-Mail: [email protected] WWW: http://www.heimatverein-duelmen.de/ Redaktion: Hanne und Ludger David, Justin Maasmann, Erik Potthoff (Ltg.), Dietmar Rabich und Dr. Stefan Sudmann Satz: Dietmar Rabich (mit LATEX) ISSN: 1615-8687 Zuschriften und Manuskripte Sie haben ein interessantes Thema mit lokalem Bezug? Ihr Verein oder Ihre Nachbarschaft feiert ein rundes Jubliäum? Sie haben sich in der Schule mit einem interessanten Dülmener Thema befasst? Gerne können Sie uns Ihr Manuskript zur Verfügung stellen. Der Beitrag kann in nahezu jedem üblichen digitalen Textformat verfasst sein. Digitalisierte Bilder in einer Auflösung für das oft verwendete 10er-Format nehmen wir ebenso gerne, wenn wir das Recht zur Veröffentlichung erhalten. Auch beim Digitalisieren von Vorlagen können wir Hilfestellung leisten. Wenden Sie sich mit Ihrem Manuskript oder Fragen dazu an: Vorsitzender Erik Potthoff, Haselbrink 13, 48249 Dülmen E-Mail: [email protected] WWW: http://heimatblaetter.heimatverein-duelmen.de/ Mitgliedschaft Gerne können Sie in unserem Verein auch Mitglied werden. Drucken Sie dazu bitte die anhängende Beitrittserklärung aus, füllen die vorgegebenen Felder aus und senden Sie diese an uns. Die Satzung unseres Vereins ist ebenso als Anlage an dieses Dokuments angehangen.