Trendstudie „Tierwohl“ VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz

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Trendstudie „Tierwohl“ VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Trendstudie „Tierwohl“
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Trendforscher Prof. Peter Wippermann
Basis: repräsentative Marktforschungsergebnisse von TNS Infratest
1. Den Bürgern (96%) ist tiergerechtes Leben in der Nutztierhaltung wichtig:
Die gesellschaftliche Relevanz des Themas Tierschutz/Tierwohlbefinden steigt.
81% der deutschen Bevölkerung sind der Ansicht, dass es den Tieren in der Nutztierhaltung heutzutage „nicht
gut“ geht. Diese Gruppe umfasst die drei ersten Nennungen: „schlecht“, „nicht gut“ oder „mäßig“. Nur 17%
gehen davon aus, dass es den Tieren „gut“ oder „ sehr gut“ geht.
Singles sind bewusstere Konsumenten (34%) als Familien (26%) und denken kritischer (es geht den Tieren in der
Nutztierhaltung „schlecht“).
Das monatliche Haushaltsnetto-Einkommen spielt eine große Rolle bei der Einschätzung der Zustände in der
Massentierhaltung: Das Prädikat „schlecht“ wird bei der Gruppe der mit 1.500 – 2.000 Euro von 21% geteilt,
während es bei der Gruppe mit 2.500 – 3.500 Euro Haushaltsnetto-Einkommen auf 40% steigt. Auffallend ist,
dass Geringverdiener und Vielverdiener ein sehr ähnliches Denkmuster aufweisen: unter 1.000 Euro schätzen
nur 24% und über 3.500 Euro nur 29% die Lage der Tiere als „schlecht“ ein.
2. Die Bürger (81%) fordern von der Politik
klare und strengere Tierschutzgesetze zu verabschieden und zu überwachen.
97% der deutschen Bevölkerung sehen die Verantwortung des Menschen für das Tier: „keine Schmerzen oder Leiden“
ist die Basis des Verständnis von Tierschutz und Tierwohlbefinden. Die Befragten fordern die Politik auf, hier aktiv zu
werden.
Aktuell stehen zwei Themen im Brennpunkt der Diskussion:
94% fordern die Aufzucht ohne künstliche Wachstumsförderer,
89% wollen keine gentechnisch veränderte Nahrung für Tiere.
Die Verantwortlichkeit der Politik wird von den Jüngeren weniger eingefordert („voll verantwortlich“ und
„verantwortlich“). Sie liegt bei den 14- bis 29-jährigen mit 75% zwar hoch, steigt aber bei den über 60-jährigen auf
91% an. 25% der 14- bis 29-jährigen sehen die Politik eher nicht oder überhaupt nicht in der Pflicht, während nur 8%
der über 60-Jährigen diese Meinung teilen.
Spannende regionale Unterschiede zeigen sich in der Untersuchung:
Die Bevölkerung der Bundesländer fordert die Politik unterschiedlich auf, Verantwortung zu übernehmen:
Spitzenreiter („ voll verantwortlich“ und „verantwortlich“) sind Sachsen und Thüringen (95%), gefolgt von Hessen,
Rheinland-Pfalz und Saarland (93%). Die Gegenpositionen („eher nicht verantwortlich“ und „überhaupt nicht
verantwortlich“) vertreten die Bewohner von Mecklenburg-Vorpommern (20%), Baden-Württemberg (19%) und
Bayern (16%).
3. Die Bürger (96%) sehen die landwirtschaftlichen Betriebe in der Pflicht, die Bedingungen für ein verbessertes
Wohlbefinden der Tiere in der Praxis umzusetzen und zu kontrollieren.
Konsumenten, die die Landwirtschaft in der Verantwortung sehen, kaufen auch „häufig“ (97%) Fleischprodukte mit
Gütesiegeln.
Die Umsetzung und Überprüfung des Wohlbefindens der Tiere wird unterschiedlich bewertet und richtet sich nach den
Haushaltsnettoeinkommen. Überraschend kommen die stärksten Forderungen aus der Gruppe der Normalverdiener mit
einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.500 – 2.000 Euro (100%) und nicht aus der Gemeinschaft der
Besserverdiener 3.000 – 3.500 Euro (98%). Wer mit dem Geld rechnen muss (1.000 – 1.500 Euro) will die Landwirte zwar
auch klar in der Verantwortung wissen (89%), aber nicht mit vollem Nachdruck.
Es gibt eine geringe aber stetige Veränderung, die Landwirtschaft aus der alleinigen Pflicht zu entlassen: 6% der 14- bis
29-Jährigen vertreten diese Meinung während nur 1% der über 60-jährigen diese Auffassung teilen.
Auffallend ist die Schwankung der Ergebnisse bei den 14- bis 29-jährigen nach Bundesländern, Hessen führt den
Stimmungsumschwung mit (3%) an, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt halten an der
Verantwortlichkeit der Landwirte fest (1%).
4. Die Bürger fordern Strafen (91%) und Geldbußen (88%) bei Nichteinhaltung der
Tierwohlbefindlichkeits-Vorschriften.
Die Hauptgruppen, die bei einer Abmahnung der Nichteinhaltung von vereinbarten Tierwohlbefinden für
Strafen („voll geeignet“ und „geeignet“) sind, findet man bei den 40- bis 49-jährigen (92%) und bei den 50- bis
59-lährigen (97%). Die 14- bis 29- jährigen fordern etwas weniger Strafen und sprechen sich mit 88% dafür aus.
In den westdeutschen Regionen (56%) ist die Bereitschaft, Strafen festzusetzen stärker vertreten, als in den
ostdeutsche Regionen (49%). Ausnahmen bilden hier die Konsumenten in Baden-Württemberg, die Strafen mit
12% für „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ für angemessen halten. In Sachsen und Thüringen geht die
Meinung klar in die Gegenrichtung. Hier befürwortet man Strafen als „voll geeignet“ und „geeignet“ mit 97%
am höchsten.
Geldbußen bei der Verletzung des Tierwohls werden von Frauen (88%) und Männern (88%) gleich gefordert.
Vor allem Familien mit 3 Personen (92%) befürworten Strafen („voll geeignet“ und „geeignet“). Singles sehen
Geldbußen mit 84% als wichtige Maßnahme, sind aber die Gruppe mit der geringsten Dringlichkeit in ihren
Forderungen.
5. Die Mehrheit der Konsumenten (59%) hat ein gestiegenes Interesse an Tierschutz-Gütesiegeln.
55% der Konsumenten haben ihren Fleischkonsum in den letzten ein bis zwei Jahren geändert. Dabei steht die
eigene Gesundheit für 46% im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und wird durch den Willen bekräftigt,
zukünftig weniger Fleisch essen zu wollen. 7% gaben bereits an, sich ohne Fleisch zu ernähren.
Die Sorge um das Wohl der Tiere hat bei 40% der Konsumenten den Fleischkonsum gesenkt. Hier stellen die
Frauen mit 52% die Mehrheit im veränderten Konsumverhalten. Männer folgen mit 29% mit deutlichem
Abstand.
Ein Drittel der Konsumenten hat ihr Kaufverhalten aus Sorge um die Umwelt verändert und isst heute weniger
Fleisch.
6. Die Konsumenten (79%) fordern von Industrie und Handel Gütesiegel auf Fleischwaren
Die Kaufhäufigkeit der Produkte mit einem Gütesiegel ist mit 62% auf hohem Niveau („häufig“ 33%, „ab und
zu“ 29%). Vergleicht man die Nennungen der 14- bis 29-jährigen (72%) mit denen der 40- bis 59-jährigen (53%),
so wird der Ruf nach einem qualifizierten Gütesiegel weiter stark steigen.
Mit der Zahl der Familienangehörigen wird der Wunsch nach einem Gütesiegel größer. Während die SingleHaushalte nur zur Hälfte ein Gütesiegel wünschen, steigern sich die Nennungen mit der Zahl der Personen im
Haushalt bis zu Familien mit mehr als vier Mitgliedern auf 70%.
Nach „Bio“ ist der Erfolg von Regionalen-Gütesiegeln deutlich gestiegen. Regionale Bauern genießen durch ein
Gütesiegel mit 77% das höchste Vertrauen.
7. Die Konsumenten fordern von der Politik mehr Einsatz für das Tierwohlbefinden und sehen die
persönliche Eigenverantwortung steigen.
34% der Befragten, möchte von der Politik klarere Vorgaben für die Kennzeichnungspflicht, mehr
Unterstützung durch Förderprogramme für die Landwirtschaft und neue Gesetze.
25% richten den Appell für mehr Tierwohlbefinden an die einzelnen Konsumenten, die durch die Diskussion um
das Thema ethischen Konsum, das eigene Kauf- und Ernährungsverhalten, den Wandel voranbringen.
17% sehen in den Brancheninitiativen der landwirtschaftlichen Betriebe eine positive Wende.
Medien und Tierschutzorganisationen sollen aufklären: 7% der Befragten, sind der Meinung, die Medien sind
heute schon durch eine kritische Berichterstattung aktiv und werden wie Tierschutzorganisationen (3%) durch
Aktionen nicht zusätzlich in die Verantwortung genommen.
8. Die Bürger (93%) sehen die Hauptaufgabe von Tierschutzorganisationen in der Offenlegung und Aufklärung
von Missständen in der Nutztierhaltung und Kooperationen mit dem Handel.
Die Kooperationen der Tierschutzorganisationen mit dem Handel für bessere Lebensbedingungen der Tiere in der
Nutztierhaltung fordern 80% der Bürger. Sie sehen darin eine schon heute wichtige Aufgabe der
Tierschutzorganisationen.
Interessant ist der steigende Anteil bei den 14- bis 29-jährigen, die sich die Kooperation mit dem Handel wünschen und
die pragmatischen Aktivitäten der Tierschutzorganisationen mit 86% begrüßen. Sie wenden sich schneller von der
tradierten Protesthaltung der Tierschutzorganisationen ab, als die älteren Kohorten der Befragten.
Auf dem dritten Platz der Erwartungen liegt mit 73% die Stärkung der politischen Einflussnahme der
Tierschutzorganisationen. Hier liegen die Männer (74%) ein leicht stärkeres Gewicht auf die Entwicklung als Frauen
(72%).
Eine Mehrheit von 59% sieht den Sinn von Tierschutzorganisationen darin, Alternativen in der Ernährung aufzuzeigen,
um weniger Fleisch zu verzehren. Dazu sollte es gehören, Rezepte zu veröffentlichen und über aktuell vegetarische und
vegane Ernährung aufzuklären. Diese Forderungen werden von Frauen (62%) wie von Männern (55%) bereits
mehrheitlich vertreten.
9. Die Mehrheit von 62% der Konsumenten erwartet, dass in den nächsten zwanzig Jahren der
Fleischkonsum nicht steigen wird.
Die überwiegende Mehrheit von 85% der Befragten erwartet persönlich, dass es eine Nutztierhaltung auch in
zwanzig Jahren noch geben wird.
Knapp die Hälfte der Konsumenten (48%) geht davon aus, dass wir in 20 Jahren nur noch Fleisch von gut
gehaltenen Tieren essen. Dabei ist die Erwartung bei den Geringverdienern (57%) mit einem
Haushaltsnettoeinkommen von 1.000 – 1.500 Euro besonders ausgeprägt und auch bei den Single-Haushalten
(51%) steigt die Erwartung.
99% der Befragten sind zuversichtlich, das sie in 20 Jahren persönlich nur noch Fleisch von gut gehaltenen
Tieren essen werden und sich über Gütesiegel orientieren werden (Das Ergebnis addiert die gemeinsamen
Nennungen von „häufig“ und „ab und zu“).
10. Eine überraschend große Minderheit (14%) kann sich schon heute vorstellen in zwanzig Jahren
tierloses Fleisch zu konsumieren.
Künstliches Fleisch und Fleischersatz wird in der Gruppe der 40- bis 49-jährigen mit 21% am deutlichsten in der
Zukunft erwartet, gefolgt von den 14- bis 29-jährigen, die mit 13% die zweite Gruppe stellen. Eine deutlich
andere Einschätzung haben die 30- bis 39-jährigen, die diese Aussichten nur mit 9% teilen.
Überraschend sind die Ergebnisse, wenn man sie nach Bundesländern betrachtet:
Die individuellen Skeptiker dieser Entwicklung hin zu künstlichem Fleischkonsum, sitzen im Norden der
Republik mit 87% („trifft eher nicht zu“ oder „trifft überhaupt nicht zu“), Schleswig-Holstein, Hamburg,
Niedersachsen und Bremen aber auch in Berlin (85%). Die persönlichen Optimisten (19%) leben in
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bayer (18%) und sehen künstliches Fleisch als
Hoffnungsträger für das Tierwohl.
Wie unterschiedlich die Erwartungen oder Befürchtungen zum Thema tierloses Fleisch ausfallen, lässt sich
durch den Fokus des Haushaltsnettoeinkommen klar erkennen:
Wer 1.000-1.500 Euro im Monat zu Verfügung hat ist zu 24% persönlich davon überzeugt, dass künstliches
Fleisch in zwanzig Jahren eine Selbstverständlichkeit werden könnte.
Bei einem Einkommen von 3.000-3.500 Euro im Monat sind es nur noch 4% und 95% dieser Gruppe können sich
diese Entwicklung persönlich nicht vorstellen.