ZUR HEMISPHXRENDOMINANZ FOR SPRACHE

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ZUR HEMISPHXRENDOMINANZ FOR SPRACHE
Neuropsyehologia, Vol. 22, No. 6, pp. 755-775, 1984.
0028-3932/84 $3.00+0,00
~ 1984 Pergamon Press Ltd.
Pnnted in Great Britain.
ZUR HEMISPHXRENDOMINANZ
FOR SPRACHE UND
RECHNEN: ELEKTROPHYSIOLOGISCHE KORRELATE EINER
L I N K S D O M I N A N Z BEI L I N K S H , ~ N D E R N * t
RICHARD JUNG, ECKART ALTENMfJLLER u n d BRUNO NATSCH
Abteilung Neurophysiologie der Universit/it Freiburg i.Br., B.R.D.
(Accepted 24 February 1984)
Abstract--Slow brain potentials were recorded in left-handers and right-handers during: (i)
processing of language and mental arithmetic tasks, without vocalization, and (ii) subsequent writing
down of the answers with either the right or left hand. Left-sided iaterality of negative potentials was
taken as evidence of hemispheric dominance. It appeared during the processing of words and numbers
in 26 of the 30 left-handers and was localized mainly in the left frontal and temporal parietal regions.
Similar results were found with the right-handers. This electrophysiological evidence indicates that
the left hemisphere is dominant for language and calculation in the vast majority of left-handers. Only
when writing with either their left or right hand do left-handers show less left-sided laterality than
right-handers.
Zusammenfassung--Bei 30 Linksh~indern wurden langsame Hirnpotentiale bei Sprachverarbeitung
und Rechnen ohne Vokalisation in zwei Perioden yon 4-5 s analysiert und mit 20 Rechtsh/indern
verglichen. In Periode I wurden die Sprach- und Rechenaufgaben gel6st, in Periode II die Ergebnisse
mit der linken und rechten Hand aufgeschrieben. Ein lateralisiertes Oberwiegen negativer Potentiale
in Querableitungen zwischen korrespondierenden Hirnregionen links und rechts frontal, temporal,
pr~entral und parietal wurd¢ als hirnelektrisches Korrelat der dominanten Hemisph/ire gedeutet. 26
erwachsene Linksh~.nder zeigten bei Wort- und Zahlenverarbeitung der Periode I eine linksseitioe
Lateralisation, /ihnlich den Rechtsh/indern. In der Schreibperiode II entstehen verschiedene
Lateralisierungen kontralateral zur schreibenden Hand vorwiegend fiber der motorischen Region.
Unter 20 Linksschreibenden Linksh~indern hatten nur 2 Jugendliche unter 15 Jahren eine
rechtsseitige und 2 eine unsichere Lateralisation. ABe rechtsschreibenden LinkshSnder hatten eine
Linkslateralisation. In der Schreibperiode II zeigten die Linksh/inder eine geringere
Linkslateralisation als die Rechtsh/inder vorwiegend fiber der motorischen Region. Diese relative
Rechtsverschiebung der Lateralisation beim Schreiben mit der linken und rechten Hand war bei
linksschreibenden Linkshiindern am st/irksten. Es wird angenommen, dab eine angeborene
Rechtstateralisation der Linksh/inder sich durch Lernen von Sprache, Schreiben und Rechnen bis
zum Erwachsenenalter zur Linkslateralisation entwickeln kann.
EINLEITUNG
SEIT 0BER 100 Jahren ist die Sprachdominanz der linken Grol3hirnhemisph/ire bei
Rechtsh/indern allgemein anerkannt, aber bei Linkshiindern umstritten. BROCAs
Hypothese, Linksh/inder seien rechts sprachdominant [4], wurde durch neurologische und
neurochirurgische Erfahrungen nicht best/itigt [12, 19-21, 35, 37, 40, 42] ein objektives
Kriterium der Sprachdominanz fehlte bisher, wurde aber von uns durch Lateralisierung der
*Dem Gedenken an Henry Hfcaen (1912-1983) gewidment.
tHemispheric Lateralization for Language and Calculation: Electrophysiological Correlates of Left-sided
Dominance in Left-handers.
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RICHARD JUNG, ECKARTALTENMULLERund BRUNONATSCH
Schreibpotentiale [29] mit Vermeidung der Vokalisation entwickelt [26, 28]. Dieses
elektrophysiologische Korrelat der Sprachverarbeitung haben wir bei linksschreibenden
und rechtsschreibenden Linksh/indern registriert, um den Einflul3 der Handpr/iferenz
zu kl~iren [26]. Da die linke Hemisph~ire auch als dominant fiir Rechnen und
Zahlenverarbeitung gilt [1, 17, 191, wurde jetzt die Lateralisation der Hirnpotentiale bei
Sprachverarbeituno und Kopfrechnen ohne Vokalisation untersucht. Im Folgenden werden
die Ergebnisse bei 30 Linksh/indern beschrieben und mit den Befunden bei Rechtsh~indern
verglichen.
METHODIK
Polygraphische Ableitungen von EEG, EOG, Schreibdruck und Triggersignal wurden durch einen 16-fachen
Mingograph Siemens registriert, gleichzeitig auf Tonband gespeichert und durch Averager aufsummiert.
EEG-Ableitungen
Alle EEG-Potentiale wurden mit langer Zeitkonstante (t = 5 s) registriert und der Hautwiderstand unter jeder
Etektrode durch Abreiben der Kopfhaut aufetwa 3 kI) vermindert. Die Elektrodenlagen, nach dem internationalen
10/20-System [24] bezeichnet, hatten folgende Schaltungen: (a) Referenzableitun#en 'unipolar" [43] yon der
Sch~idelkonvexit~it gegen 2 gemeinsame basale Elektroden an beiden Ohren oder Mastoid; (b) Querableitungen
transversal zwischen symmetrischen Hirnteilen links und rechts; (c) lokale Ableitungen yon einzelnen Probanden
nach a und b fiber den Sprachfeldern, und dem motorischen und parieto-temporalen Cortex meistens mit
bipolarer Reihenschaltung (Abb. 1 B und 5). Erg~inzende Laplace-Schaltungen nach HJORTH ['23] oder MACKAY
[34] wurden zur Fokuskontrolle gemacht, aber in dieser Arbeit noch nicht verwertet.
Zu a. Die gemeinsame Referenz wurde durch Zwischenwiderst~inde hinter jeder Ohrelektrode yon etwa 2 k~
gegen Kurzschlul3fehler gesichert.
Zu b. Die Querableitungen wurden bilateral von korrespondierenden Hirnregionen links gegen rechts registriert,
um die gr613ere Negativit~it fiber einer Hemisph~ire einfach darzustellen: C 3 j,gc, 4, P3 ~esen4, PT3 g c g c . 4, und
F3 ~,g,, 4. Die Elektroden F 3 und PT 3 lagen wie ihre Gegenelektroden F~ und PT~ 1-2 cm weiter vonder sagittalen
Mittellinie entfernt, als C3~4 und P3/,*.
Analog einer friiheren Arbeit mit Aufsummierung von Bandaufnahmen fiber XY-Plotter [26] wurden auch jetzt
alle transversalen Querableitungen so gepolt, daft links #rii[3ere N egativitiit nach oben und rechts #r6flere N egativitiit
nach unten in den aufsummierten Kurven gerichtet sind. Die negative Lateralisierung links fiber der Mittellinie
wurde in den Abbildungen durch horizontale Schraffen, Lateralisierung rechts durch vertikale Schraffen
gekennzeichnet (Figs 2-4).
Zur Schaltungsvereinfachung waren die direkt vor der Aufsummierung im Mingograph aufgezeichneten EEGKurven um#ekehrt #epolt : Negativit~it der Konvexit~itselektrode gegen basal nach unten in den Referenzableitungen
(a} und rechtsseitige Negativit/it nach oben und linksseitige nach unten in den Querableitungen b.
Zu c. Die lokalen Ableitunoen mit Elektrodenreihen und Quellableitung 1-23, 34] werden sp~iter in speziellen
Arbeiten beschrieben. Wir bringen in Fig. 5 nur ein Beispiel mit Reihenschaltung links vom Scheitel priizentral und
parietal nach basal bei einem Rechtsh/inder, um die Fokuslokalisation zu demonstrieren: die Phasenumkehr war bei
links-und Rechtsh~ndern ffir die langsamen Sprachpotentiale in Periode I meist unten links temporal, f/Jr die
Schreibpotentiale der Periode II oben pr~izentral lokalisiert.
EOG
Die Auyenbewequnoen wurden zur Kontrolle yon Einstreuungen der corneo-retinalen Potentiale in die EEGAbleitungen als Elektrooculogramm registriert: horizontale Blickbewegungen bitemporal durch zwei laterale
Elektroden an den Schl/ifen, rertikale Blickbewegungen durch eine Stirnelektrode gegen Jochbeinelektrode fiber
und unter einem Auge.
Periode 1. Sprach- und Rechenat~fyaben
In jedem Summationsabschnitt wurden 30 Tests ffir Wort- oder Zahlenverarbeitung aufsummiert. In der ersten
Versuchsserie (S 50 93), die im Eccles-Symposium beschrieben ist [26], wurden verschiedene Sprachaufgaben
gegeben, die mit Satzerg~inzen. Obersetzen und Wortfinden mit 4 Buchstaben variiert wurden. In der zweiten
Versuchsserie (SV 10 771 wurden einfachere standardisierte SprachauJoaben (30xNamenfinden nach
Anfangsbuchstaben) und Rechenaufgaben (30 x Addieren oder Subtrahieren zweistelliger Zahlen) verwendet. Je
zwei gleiche Standardtests (Namenserg~inzung nach Initialien oder Addieren) bei Linksh~indern wurden ffir die
linke und rechte Hand in Periode 11 verglichen.
ZUR HEMISPHARENDOMINANZFOR SPRACHEUND RECHNEN
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Periode II. Aufschreiben der Resultate
Jeder Proband schrieb das Ergebnis der Aufgabe I nach dem 3. Triggerreiz 30 mal zuerst mit der geiibten
Schreibhand. In diesem ersten Summationsabschnitt schreiben also rechtsschreibende Linksh~inder und
Reehtsh/inderrechts, und linkssehmibende Linkshiinder links. Im zweiten Summationsabschnitt schrieben sie die
Resultate einer zweiten gleichartigen Aufgabe I mit der kontralateralen ungeiibten Hand. L/i.ngere Worte wurden auf
die 4 Anfangsbuchstaben abgekiirzt und die Rechenergebnisse wurden ais zweistellige Zahlen aufgeschrieben.
Probanden
Die Versuchspersonen waren 30 gesunde Linkshiinder: 24 Erwachsene und 6 Schfiler (13-16 Jahre alt): 18
m/innlich, 12 weibtich. Das Alter der Erwachsenen lag zwischen 18 und 37 Jahren. Die Linksh/indigkeit wurde nach
der Anamnese und Handgeschicklichkeit beurteilt und eine Graduierung nicht vorgenommen. Die 30 Linksh/inder
wurden nur nach ihrer Schreibhand in 2 Gruppen, 20 linksschreibende (a) und 10 rechtsschreibende (b), unterteilt.
Deren Befunde wurden mit 20 Rechtsh/indern (c) verglichen. 20 Linkshiinder wurden im Laufe eines Jahres
mehrfach mit je 2-10 Versuchsserien und unterschiedlichen Sprach- und Rechenaufgaben untersucht. Je 5 gute
Standardversuche mit Sprachaufgaben und Rechnen und folgendem Schreiben der linken und rechten Hand
wurden ffir die drei Gruppen a-c in Tabelle I quantitativ ausgewertet.
Triggersignale
Die AuslOsersignale ffir Blickflxation und Vorw~irtssummierung yon etwa 15 s waren 4 kurze Piep-T~ne
verschiedener Frequenz, yon denen Ton 2-4 in den Averagekurven markiert wurden: (1) Warnton ffir die Fixation
und Unterdrfickung des Lidschlags; (2) Ausl6sereiz ffir Beginn der Aufsummierung yon Periode I und Angabe der
Sprach- oder Rechenaufgabe (etwa 1-1.5 s dauernd); (3) AuslSsereiz ffir das Aufschreiben des Ergebnisses in Periode
II; (4) Schluflsignal zur Erlaubnis erneuter Augenbewegungen am Ende der Summierungszeit.
Das ZeitimervaU zwiscben dem 1 und 2. Signal wurde yon dem Versuchsleiter je nach der Stabilit/it der
beobachteten EEG-Registrierung bestimmt und variierte meist zwischen 3 und 8 s. Das Zeitintervall zwischen dem
2, 3 und 4. Ton war konstant: Dauer yon Periode I u n d II jeweils 4 oder 5 s. Bei rasch 1/Ssbaren Aufgaben waren 4 s
optimal, beim Rechnen 5 s (Fig. 3A). Die gesamte Summationszeit (dwell time) dauerte bei Verkfirzung 10-12 s (Fig.
3, 4), sonst 15 s (Figs. 2, 5).
Aufsummierung der langsamen Potentiale
In der Regel wurden 12 EEG-Ableitungen, 2 Augenbewegungsregistrierungen (EOG) horizontal (13) und vertikal
(14), Schreibdruck (15) und Triggersignal (16) simultan aufsummiert durch einen 16-Kanal-Z,,erager (gebaut yon
WLD Zeittechnik, Freiburg). Die Eingangsspannung betrug + 5 V. Die MeBzeit (dwell time) fur einzelne Aufgaben
war 10-15 s. In dieser Zeit wurde nach dem Startsignal durch Vorwiirtsanalysen jeweils 30 Aujgaben aufsummierr
Dieses 'Average' des langsamen Potentialniveaus wurde nach jedem Versueh auf den gleichen EEG Mingographen
riickgeschaltet. Damit wurde jeweils das aufsummierte averaging yon den gleichen Schreibsystemen nach den
Originalkurven aufgezeichnet. Fig. 2-4 zeigen typische Ergebnisse des Averaging.
Da nur die langsamen Potentiale, nicht einzelne EEG-WelIen und evozierte Potentiale interessierten, wurde
zwischen Verst/irkerausgang und Averager ein Frequenzlilter eingeshcaltet, der Wellen fiber 15 Hz aussiebte, so die
aufsummierten Kurven gl/ittete und evozierte Potentiale verkleinerte (Fig. 4) oder unterdriickte (Fig. 2, 3).
Alle Kurven wurden gleichzeitig mit der Mingo-Registrierung ung¢liltert auf ein 16-faches Tonband
aufgenommen, so dab jeder Versuch damit dokumentiert und erneut registriert werden konnte. Da der averager
einen breiten Frequenzbereich 0-1 kHz hatte, konnten yon den gespeicherten Tonbandaufnahmen zur Kontrolle
auch ungefiltrerte Registrierungen aufsummiert werden, die gr6Bere evoked potentials zeigten.
Messun# der Negatil~itiit und Lateralisation
In den durch Averager aufsummierten Kurven sieht man die Abweichungen vom Mittelniveau auf einen
Blick: Ablenkung nach oben bedeutet negatit,es Potential der Ableitungselektrode gegen die Referenz: in den
'unipolaren' Referenzableitungen sind negativ: die Koncexit~itselektrode gegen beide Ohren, in den transversalen
Querableitungen die linke Elektrode gegen die rechte, in den Reihenableitungen jeweils die obere Elektrode gegen die
n~ichste. Die Lateralisation der Negativit~it in Querableitungen nach links wird in den Abbildungen horizontal
schraffiert; die rechtsseitige Lateralisation z~ertikal schraffiert (Fig. 2-4).
Die Quanti[izierung dieser Kurven ist schwieriger, da einzelne Spitzenwerte der Ordinaten in pV wenig aussagen.
Wit haben daher in den Perioden I und I1 die durch Potentialverschiebungen entstehenden Fliichen fiber und unter
dem Mittelniveau gemessen und in MaBeinheiten yon/~V.s dargestellt. Fig. 3 zeigt durch Punktierung, welche
Fliichen nach der 1 s ausgemessen wurden: in der Sprach- und Rechenperiode I b i s zum Endsignal, in der
Schreibperiode II bis zum Ende der Schreibdruckkurve oder bei I~ingerer Dauer bis zur 5 s. Quantifizierte
Fl~ichenwerte erh~ilt man dutch Umfahren mit einem konventionellen Planimeter*, das man auf Fl~ichen von lpV.s
*Herrn Prof. Leder, Anatomisches lnstitut I1 der Universit~t danken wir ffir die Benutzung seines elektronischen
Planimeters MOP, das die FI/ichenausmessung sehr erleichterte.
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RICHARD JUNG, ECKART ALTENMULLERund BRUNONATSCH
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FIG. 1. Ableitungsarten und Artefaktquellen der langsamen Hirnpotentiale. (A) Ableitepunkte mit
Lokalisation der Sprachzentren, des Supplementiircortex und des motorischen Handareals.
Elektrodenlagen nach JASPER [24] mit Zwischenelektroden fiber der Wernicke-Region (PT3). Die
frontale Eiektrode liegt iiber der Broca-Region und dem Ansatz des M. temporalis links und rechts
1-2 em tiefer als die normale F 3. Die Referenzelektroden ffir Ableitungen yon Konvexitiit gegen basal
liegen an beiden Ohren oder Mastoid. EEG-fremde Artefakte durch Bewegungen des Augendipols
sind am gr6Bten an frontalen und vorderen temporalen Elektroden. Die Zungenartefakte sind diffuser
verteilt. (B) Querableitungentransversal zwischen korrespondierenden Hirnregionen links und rechts
zeigen Lateralisation der Negativitiit bei Sprachaufgaben fiber der dominanten Hemisphere. Die
Stiirke der linksseitigen Lateralisierung ist durch die Punktdichte bezeichnet. Falsche Seitenbefunde
entstehen vorwiegend durch horizontale Augenbewegungen. (C) Reihenableitungenlinks vom Vertex
bis basal. Bei den Sprachaufgaben entsteht die gr6flte Phasenumkehr der negativitiit fiber der
Wernicke-Spraehregion (Fig. 5 A,B). Beim Schreiben zeigt die vordere Reihe durch steile
Phasenumkehr der oberen beiden Ableitungen kontralateral zur Schreibhand die Negativitiit der
Handarea fiber dem motorischen Cortex (Fig. 5 B).
der zu messenden Kurvenabszisse eicht. Die verschiedenen MeBzeiten werden zum Vergleich auf Fliichenwerte von
I/~V ffir 10 Sekunden normalisiert. Tab. 1 und Fig. 7 zeigen Vergleiche der lateralisierten Fliichenwerte ffir
Sprachaufgaben, Rechnen und Schreiben mit der rechten und linken Hand bei 10 Linkshiindern und 5
Rechtshiindern.
Fehlerquellen und Kontrollen
Artefakte und MeBfehler von aufsummierten langsamen Potentialen entstehen vor allem durch nicht-cerebrale
Potentialschwankungen. Verschiebungen des corneo-retinalen Ruhepotentials der Augen bei Blickbewegungen
machen die gr613ten Artefakte. Ffir die Seitenbestimmung in Querableitungen sind horizontale, ffir
Referenzableitungen gegen Ohr vertikale Augenbewegungen st6rend. Auch Zungenbewegungen machen 'glossokinetische' Artefakte [31]. Augenst6rungen werden durch Blickfixation und Unterdrfickung des Augenzwinkerns
mit Lidschlag vermieden. Zungenartefakte werden durch Vermeidung von Sprechintention und leicht ge6ffneten
Mund vermindert. Der Einflug der Atmung ist bei unserer Methodik gering, da Sprechen vermieden wird und
Atmungsabflachung oder Stop bei den Aufgaben meist nur am Anfang der Durchg~inge auftritt.
Weitere Fehlerquellen sind langsame Hautpotentiale (SchweiBdrfisentiitigkeit mit galvanischen Hautreflexen),
Polarisation oder Widerstandsiinderungen an den Elektroden und Muskelkontraktionen. lm Sommer mul3ten
einige Registrierungen wegen starken Schwitzens unberficksichtigt bleiben. Der galvanische H autreflex (GH R), der
nach Sinnesreizen und Emotionen rail etwa 1.5 s Latenz auftritt, ist in der Regel nach dem ersten Reiz stiirker und
wird dann geringer. Bei Kontrollexperimenten waren die GHR der Handfl~ichen nach dem ersten Warnton, der zur
Fixation aufforderte, meist am griSl~ten und im Beginn der Aufsummierung abgeklungen. Der zweite Ton der
Sprachaufgabe und der 3 fiJr das Schreiben erzeugte meistens kleinere GHR, aul3er wenn der Proband die Aufgabe
nicht 16sen konnte und 3 Kreuze schreib. GHR Potentiale sind fiber der Kopfhaut symmetrisch gr6Ber als an der
Ohrelektrode. Daher werden vorwiegend "unipolare" Referenzableitungen gest6rt, aber nicht Querableitungen.
Muskelpotentiale sind in der Regel durch ihre schnellen Frequenzen weniger st6rend, k6nnen aber durch
Kontraktionen des Temporalmuskels Artefakte verursachen, die bei leichter Kiefersenkung und MundOffnung
geringer werden.
Die strenge lidschlagfreie Blickfixation bei jeder Aufgabe ijber 10 15 sec ist zwar erm/idend, aber wird dutch freie
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ZUR HEMISPHARENDOMINANZ FUR SPRACHE UND RECHNEN
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Rechts schreibender Linkshander
FiG. 2. Referenzableitungen gegen beide Ohren und Querableitungen links/rechts bei
Sprachaufgaben und Schreiben. Linkslateralisation---, Rechtslateralisation IIII schraffiert. 23j~ihriger rechtsschreibender Linksh~inder. In Sprachperiode I (nach ,L) werden 30 deutsche W6rter in
englische mit 4 Buchstaben iibersetzt. In der Schreibperiode II (nach ,r") werden die englischen W6rter
mit der linken Hand (A) oder rechten (B) aufgeschrieben. Alle Konvexiditselektroden zeigen in der
Sprach- und Schreibperiode anfangs negative Potentiale gegen die Ohrreferenz. Augenkontrollen
zeigen, dab in den letzten 2 s extracerebrale Artefakte dutch vorzeitige Augenbewegungen auftreten.
(A) Kurze Linkslateralisation bei der Sprachverarbeitung Iund Rechtslateralisation beim Schreiben
mit der linken Hand sind in C 3 am gr6Bten. (B) GroBe Linkslateralisation in der Sprachperiode Iund
beim Schreiben rechts. Nach Ende des Schreibens Riickschlag mit Rechtslateralisation vorwiegend
temporo-parietal (PT3!.~).
Augenbewegungen zwischen den einzelnen Aufgaben erleichtert. Auf eine automatische Kompensation der
Augenbewegungen durch Computerprogrammierung [10] haben wir bei diesen Versuchsserien verzichtet. Sie wS.re
ffir spfitere Untersuchungen am Patienten zweckm/iBig.
Kontrolle der Augenartelhkte
Die gr6Bten Mel?,fehlerdurch Auoenheweoun.qen werden zwar durch Blickfixieren vermieden, doch m/issen zur
Kontrolle der Blickfixation die horizontalen und vertikalen Augenbewegungen mitregistriert und Ableitungen mit
Augenst6rungen ausgeschieden werden. Bei den Querableitungen wird die Bestimmung der Seitendominanz durch
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[inksschmibende Linkshcinderin
FIG. 3. Linkslateralisierung bei Kopfrechnen (A) und Sprachaufgaben (B) einer linksschreibenden
Linkshiinderin (19 Jahre). Die zur lateralen Quantifizierung gemessenen Kurvenfl~ichen sind
punktiert: Zahl- und Wortverarbeitung in Periode I u n d Schreibdauer bis Ende der Periode II. (A)
Nach 2 s Latenz bei HSren der Rechenaufgabe beginnt mit dem Addieren zweisteiliger Zahlen eine
Linkslateralisierung, die frontal (F3~4) und parieto-temporal (PT3/4) am gr6Bten ist. Die
Schreibperiode II erzeugt kleinere kontralaterale Lateralisierungen nach rechts beim Schreiben links
in C3/4 und links beim Schreiben rechts in allen Ableitungen. (B) Bei Sprachaufgaben (Namenfindung
von St~idten und Vornamen nach Anfangsbuchstaben) beginnt die Linkslateralisierung fr~iher.
Beim Schreiben der ersten 3 Wortbuchstaben ist die Rechtslateralisierung beim Schreiben links in der
Zentralregion (C3/4). Beim I~ngerdauernden Schreiben mit der ungeiibten rechten hand ist die
Linkslateralisierung geringer und zeigt frontal einen friihen Riickschlag nach rechts (F3/41. Die
Fl~ichenwerte der punktierten gemessen Lateralisierungen waren bei C3/,, auf 1/~V.s normalisiert:
A Rechnen
B Namenfinden
1
II li
I
II re
li 4.5
li 5.6
re 4.2
re 5.6
1 8.6
1 7.7
1 4.9
1 9.9
ZUR I..IEMISPHXPJENDOMINANZFOR
A
mit linker Hand
761
UND RECHNEN
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Rechtsschreibender Linkshcinder
Fig. 4. Linkslateralisierung be[ Kopfrechnen (A) und Sprachaufgaben (B) eines rechtsschreibenden
Linkshimders (35 Jahre). Die Startsignale for Per[ode ] und I1 erzeugen am Vertex (Cz) akustisch
evozierte Potent[ale und kleinere Negativitiit be[ Sprach- und Rechenaufgaben als beim Schreiben.
(A) Addieren macht eine Linkslateralisierung in allen Querableitungen yon frontal bis parietal,
abet beim Schreiben der Zahl m i t d e r ungeiibten linken Hand erscheint nach kurzer Zacke nut
ein Rfickgang zum Mittelniveau ohne Rechtslateralisierung. Bcim Schreiben rechts [st die
Linkslateralisierung iiber der motorischen Region (C3/,=) am deutlichsten. (B) SprachauJyabe:
Wortfindung nach Anfangsbuchstabe ffir FluBnamen und St.~.idtenamen erzeugt gr~SBere Linkslateral[sat[on in den Querableitungen vorwiegend frontal (F3t4). Beim Schreiben links verminderte
Linkslateralisierung und erst nach Schreibende geringe Rcchtslateralisierung. Beim Schreibcn rechts
st~irkere kontralaterale Linkslateralisierung vorwiegend in der motorischen Region (C3,,).
RICHARDJUNG, ECKART ALTENMULLER
und BRUNO NATSCH
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Potentialquellen
durch
zwei
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links
bei
Sprachaufgaben und Schreiben mit der linken (A) und rechten Hand (B). 23-jahriger Rechtshander.
Man erkennt eine Phasenumkehr der Potentialmaxima
in der Sprachperiode 1 temporal und der
Schreibperiode II prbentral:
die prlzentrale Reihe (oben) zeigt ein Reversal bei der Sprachaufgabe I
in (A) nur an den temporalen Elektroden Cc und PC. Beim Schreiben II in (A) an Ca (ipsilateral) in (B)
an Ca (kontralateral).
Das Reversal beim Schreiben in Ca entspricht etwa der Handregion
des
motorischen Cortex und zeigt kontralateral
zur schreibenden rechten Hand (B) einen steileren
Anstieg. Das cerebrale Korrelat des Schreibens 1st daher nur relative kontralaterale Lateralisierung
einer hilaterakn Aktivierung der motorischen Region. Die parietal Reihe (unten) zeigt ein steiles
Reversal in Periode I bei PC und in Periode II ein weniger steiles in Pa. Unten 2 Querableitungen
zentral und parietal zwischen links und rechts mit links lateralisierter
Negativitat
(s) bei
Sprachaufgaben und Schreiben rechts und Rechtslateralisation
()I] 1)beim Schreiben links und nach
dem Schreiben rechts.
horizontale Blickabweichungen verfalscht und such beim Schreiben sollen die Augen nicht das Schriftbild verfolger
da dies mit Blickfolge nach rechts ein Linkstiberwiegen
vortluschen kann. Bei langer Aufgabendauer von IS
konnen in den letzten Sekunden storende Lidschlage und Blickbewegungen auftreten (Fig. 2 in der 14 und 15 s
Die Augen- und Zungenartefakte
werden bei kleiner Elektrodendistanz
mit mehrfachen Lokalableitungen
(z.E
bipolare Reihe Abb. 1 C und 5) sehr vermindert. Sie konnen durch die Quellenableitung nach HJ~RTH[23] und dis
Laplace-Methode
nach MACKAY [34] praktisch ausgeschaltet werden. Solchestrenglokalen
Ableitungen haben wi
noch nicht systematisch durchgefiihrt und nur zur lokalen Fokuskontrolle
bei einzelnen Probanden verwendet
Andere
Kontrollregistrierungen
wurden
meistens nicht aufsummiert:
Atmung,
galvanischerHautrefler
Mikrophonaufnahmen
der akustisch gegebenen Aufgaben.
ZUR HEMISPH,KRENDOMINANZFOR SPRACHE UND RECHNEN
763
Tabelle 1. Quantitative Auswertung der Lateralisierung in Querableitungen verschiederer Hirnregionen bei
Sprachverarbeitung, Rechnen und Schreiben von 10 Linksh~ndern (a,bl und 5 Rechtsh~.ndern (cj
Schreiben
Schreiben
rechts
Sprachaufgabe
links
II
I
II
Hirnregion
(n = 15)
H/indigkeitsgruppe
( n = 15)
Sprachaufgabe
I
F3, 4
a
b
1 79
1 47
1 5
r 6
c
1 58
1 12
1 80
C3, 4
a
b
1 43
1 26
r 8
1 22
1 39
1 36
c
1 38
1 35
1 47
r 38
r 27
r 18
a
b
c
1 50
1 9
1 25
r 13
1 27
1 29
1 50
1 19
I 14
r 22
r 1
r 5
a
1 27
l 10
1
9
r 29
b
c
1 8
1 27
116
1 41
1 9
1 7
r 7
1 11
Addieren
Schreiben
rechts
Addieren
1
II
I
Schreiben
links
II
a
b
c
a
b
c
1 39
1 47
1 53
1 47
l 35
1 54
1 12
1 10
1 63
1 14
1 27
1 62
1 50
I 58
1 77
1 33
I 42
1 82
r
r
r
r
r
r
a
b
c
1 44
1 9
1 32
r 2
1 12
1 49
1 32
1 15
I 44
r 46
r 18
r 2
a
b
c
1 36
1 16
1 24
1 15
1 26
1 55
1 29
1 1
1 25
r 23
r 25
1 5
PT3~4
Ps/4
Fa, ,
C3!.~
PT3~4
P3,.t
1 96
1 52
r 23
r 28
r 52
24
33
41
54
41
15
Sprachaufgaben
vor
Schreiben
Rechenaufgaben
vor
Schreiben
Mittelwerte yon je 5 Experimenten der drei Probandengruppen la) linksschreibende Linksh/inder, (b}
rechtsschreibende Linkshfinder, (c) Rechtsh/inder in Fl/ichen von pV-s. Die Lateralisierung nach Links (I) und rechts
It) wurde auf/aV-Werte in 10 s normalisiert, nachdem die Fl~che der Mittellinienabweichung in der Sprach- und
Rechenperiode 1 und w/ihrend der Schreibaktion der Periode II gemessen wurde. Bei Sprach- und Rechenaufgaben
haben die Gruppen a, b und c/ihnliche Linkslateralisierung. Doch wenn die Ergebnisse der Aufgaben mit der rechten
und linken Hand aufgeschreiben werden (II), entstehen charakteristische Gruppenunterschiede yon a, b und c: Die
Rechtslateralisierung beim Schrieben links ist am grfBten bei linksschreibenden Linksh/indern (a), geringer bei
rechtsschreibenden Linksh/indern (b) und am kteinsten bei Rechtsh/indern (c). Umgekehrt verh/ilt sich die
Linkslateralisierung beim Schreiben rechts, die in C3,.~ bei la} sogar nach rechts umkehrt (Fig. 7).
Kontrolh,ersuche
U m die Variation spontaner cerebraler Potentialverschiebungen und Augenbewegungen zu registrieren, wurden
Leerrersuche ohne Sprach- und SchreibauJgaben gemacht. Die Versuchperson richtete die Augen f/.ir 15 s auf einen
Punkt (a) nach akustischem Reiz, (b) willentlich mit selbstgew~ihltem Beginn, tc) mit oder (d j ohne Lidschlag. EEG
und Augenbewegungen wurden 30 mal aufsummiert wie bei den Versuchsperioden i und ll.
Die Querableitungen zeigten bei guter Fixation ohne Sprach- und Schreibaufgabe nur sehr kleine wellenartige
Abweichungen unter _+2.5 ~V und keine 15.ngere Links- oder Rechtslateralisation.
In Referenzableitungcn gegen beide Ohren entstanden nach Warnreiz oder Beginn des Eigenentschlusses zur
Fixation eine negative Potentialverschiebung his 5 14V wahrscheinlich ein Erwartungspotential (CNV) [45] oder
Bereitschaftspotential[30]undfolgendelangsameWellenvon I 2 s. Wennw~ihrendder FixationLidschlagerlaubt
wurde, zeigten die vertikalen Augenableitungen grol.~e, die Referenzableitungen kleinere positiv gerichtete
764
RICHARD JUNG, ECKARTALTENM/3LLERund BRUNONATSCH
o4
25,
20.
15
[ ] 20 linksschreibende
Linkshonder
[ ] 10 rechtsschreibende
io!
links rechts unsicher
FIG. 6. Lateralisierung elektrophysiologischer Sprachdominanz-Korrelate bei 30 Linksh~ndern. Alle
erwachsenen Linksh~,nder batten bei Sprachaufgaben und Rechnen gr6Bere Negativit~it fiber der
linken GroBhirnhemisph/ire, auch wenn ihre normale Sehreibhand links war: Rechtsdominant waren
unter 20 linksschreibenden Linksh§ndern nur 2 Jugendliche unter 15 Jahren und 2 hatten unsichere
Lateralit~it (<2/iV). Alle l0 rechtsschreibenden Linksh~,nder waren elektrophysiologisch
linksdominant.
Abweichungen yon der Mittellage mit Amplitude bis 10/iV, wenn das Augenzwinkern regelm/il3ig auftrat. In
Querableitungen erreichten die Lidschlagartefakte nur 3-5/~V. Zungenbewegungen hatten ~ihnliche Amplituden.
Giit ekrit erien
Die Aufsummierung langsamer Hirnpotentiale bei Sprach-, Rechen- und Schreibleistungen gibt nur mit den
folgenden Merkmalen brauchbare Lateralisierungen: (l) Stabiles Mittelniveau des EEG; (2) Ausschaltung
horizontaler Augenbewegungen kurz vor und w~ihrend der Aufsummierungszeit; [3} geringe galvanische
Hautpotentiale und Fehlen /iberm~iBigen Schwitzens: 14) Wachheit und fehlende Oberm/idung: (5)
Vernachliissigung kurzer Potentialverschiebungen unter 2/.tV.
Wenn man die EEG- und EOG-Kurven w~ihrend der Registrierung nach diesen Kriterien fiberwacht und
ausw~ihlt, ergeben sich klare Befunde der Lateralisierung, wie Fig. 2~, zeigen.
Folgende Punkte sind relativ neutral und fiir die Auswertung der Lateralisierung unbedenklich: Grfl3e und
Auspr~igung der Alphawellen, seltene Lidschl~ige und versehiedene Polungsrichtung der Vertexpotentiale in
Referenzableitungen gegen die Ohren. Auch bei vorwiegend positiv gerichteten Schreibpotentialen entsteht, wie
friiher beschrieben [29]. negative Lateralisierung kontralateral zur Sehreibhand.
Die Polarit~it und Gr613e der Referenzableitungen ist an der mittleren Vertexelektrode am deutlichsten, so dab
diese immer als Kontrollableitung mitregistriert wurde.
ERGEBNISSE
Hirnelektrische Lateralisation ]~'r Sprache und Rechnen bei Linkshiindern und
Rechtshdndern
Linkslateralisation negativer langsamer Potentiale. W~ihrend der Sprach- und
Rechenleistungen in der Periode I zeigten alle Ableitungen seitendifferente langsame
Potentiale von etwa 2-8 gV Verschiebung gegen das vorangehende Mittelniveau. Die
Amplitude und Dauer der Negativit~it war yon den Elektroden fiber dem linken Cortex
frontal, zentral, parietal und parieto-temporal gr6~er als an den symmetrischen rechten
Elektroden, wie Tab. 1 zeigt. Diese Linkslateralisationfu'r Sprachaufgaben und Rechnen fand
sich sowohl bei 20 Rechtsh~indern als auch bei 26 Linksh~indern, von denen 16 mit der linken
Hand schrieben.
Die Linkslateralisation der Sprach- und Rechenperiode I wurde bei l~inger als 1 s
ZUR HEMISPH.~RENDOMINANZ FOR SPRACHE UND RECHNEN
I
765
II
_.Sprachvemrbeitung_
Schreiben des Wortes
20
links
JO
- hrnken HSCd" rechtender
l inke Hand
3o
c
Lateralisierung
rechts
rechte Hand schreibt
Schreiben der Zohl
Add~mn
70
~
C
c
iO
5O
b
~0
I1
3O
N
20
0
I0
|inks
Lateratisierung
vor dem Schreiben mit der
|inken Hand rechten
Mittelwerte uber C3/4
na,b,c = 5
-lo I
-zo
t
~.
so
~I"
.l-r~ a
~
rechts
b
linke Hand
rech~e Hand sch~bt
a: linkssch. Linkshander • }
b: rechtssch Linkshander .~ I
[ c : Rechtshander
~l ]
FIG 7. Lateralisierung nach links und rechts bei Sprachaufgaben, Rechnen und Schreiben fiber der
Pnizentralregion (C3/4) bei linkssehreibenden Linksh~ndern (a), rechtsschreibenden Linksh~indern
(b) und Rechtsh~indem (c). Trotz ~ihnlicher Linkslateralisierung bei Sprach- und Rechenaufgaben
zeigen die Linksh~inder beim Schreiben mit der linken oder rechten Hand eine Tendenz zur
Rechtslateralisation im motorischen Cortex. Die normalerweise linkssehreibenden Linksh~inder (a)
haben relativ grSBere Rechtslateralisierungen beim Schreiben und Wortsehreiben rechts als die
rechtsschreibenden Gruppen b und c. Die Rechtsh~,nder haben umgekehrt die grSBte Linkslateralisierung beim Schreiben rechts und geringere Rechtslateralisierung beim Schreiben links.
dauernden Linksfiberwiegen von 2-8/~V als gesichert angesehen. Laterale Differenzen unter
+ 2 #V galten als unsichere Sprachlateralisation bei 2 von 30 Linksh~indern.
Tab. 1 zeigt vergleichend Werte von je 5 repdisentativen Probanden der drei untersuchten
Gruppen mit quantitativer Ausmessung der lateralisierten Fl~ichen: (a) Linksh~inder,
normalerweise linksschreibend; (b) Linksh~inder, rechtsschreibend; (c) Rechtsh~inder,
rechtsschreibend.
Die Tabelle zeigt fiir Links- und Rechtsh~inder eine sichere Linkslateralisation in
der Periode I. Diese drei Gruppen haben nur unterschiedliche Lateralisation in der
Schreibperiode II (Fig. 7). Die Seitendifferenzen fiber verschiedenen Cortexregionen
766
RICHARD JUNG, ECKART ALTENMULLER und BRUNO NATSCH
variieren etwas, zeigen aber alle eine gleichartige Lateralisation links ~dr Sprache und
Rechnen. Das spricht ffir eine st~irkere Aktivierung der linken GroBhirnhemisph~re bei der
Verarbeitung von W6rtern und Zahlen. Quantitative und lokalisatorische Unterschiede
werden erst an gr6~ren Populationen faBbar sein.
Sprachleistungen und Kopfrechnen sind nach unseren bisherigen Befunden bei Rechtsund Linksh~ndern im Prinzip ~hnlich lateralisiert. Dieses hirnelektrische Korrelat der
Linkslateralisation yon Sprache und Rechnen erscheint also relativ unabh~ngig vonder
angeborenen H~indigkeit und der erlernten Schreibhand.
Die in Querableitungen sichtbare Linkslateralisation bleibt bei Sprachaufgaben nicht auf
die Sprachzentren beschr~nkt also auf F a und PT a, sondern ist auch zentral (C3) und parietal
(P3) erkennbar (Fig. 2-4). Die St~irke der Lateralisation ist in Periode I meistens, aber nicht
immer in F 3 und PT a am gr6Bten, wie die Fl~ichenmessungen der Tab. 1 zeigen. Die Dichte
der Schraffur in Fig. 1 B zeigt diese verschiedene Auspr~igung der linksbetonten Negativit~it.
Diese ausgedehnte Linkslateralisation mit frontaler und temporo-parietaler Betonung gilt
auch ffir Rechenaufgaben. Nur die Occipitalregion O 1 zeigt nach wenigen Experimenten
keine deutliche Lateralisierung bei Sprach- und Rechenaufgaben.
Befunde bei 30 Linkshiindern
Periode I f~r Sprache und Rechnen. Bei 26 von 30 Linksh~indern fanden wit, entgegen
unseren Erwartungen, ~ihnliche Potentialbefunde wie bei Rechtsh~ndern, n~mlich eine
Lateralisation links bei Wort- und Zahlenverarbeitung. Beispiele zeigen Fig. 2-4 und Tab. 1.
Kein erwachsener Linksh~nder hatte eine Rechtslateralisierung, auch wenn er links schrieb.
Nur 2 jugendliche linksschreibende Linksh~inder waren rechts lateralisiert und 2 hatten
ungewisse Lateralisation. Au Bet bei diesen 4 Jugendlichen im Alter yon 13-16 Jahren hatten
26 Erwachsene von 18-37 Jahren, die rechts oder links schreiben gelernt hatten, immer eine
Linkslateralisation bei Sprachaufgaben. Daher zeigten die bilateralen Querableitungen von
korrespondierenden Cortexarealen bei Fl~chenmessung der 2-4. Sekunde in Periode I bei 26
Linksh~indern gr6Bere negative langsame Potentiale fiber der linken als fiber der rechten
GroBhirnhemisph~re. Diese asymmetrische T~itigkeit beider GroBhirnseiten deuten wit als
elektrophysiologisches Korrelat einer Linksdominanz fiir Sprache und Rechnen bei
Linksh~indern [26]. Die Lateralisierung war nicht auf die frontalen und temporalen
Sprachzentren beschriinkt, sondern betraf in der Regel alle transversal bilateral abgeleiteten
Hirnregionen von frontal (F5/6), zentral (Ca/4) bis parietal (P3/4) und parieto-temporal
(PT3/4) mit etwas h6heren Fl~ichenwerten frontal (Tab. 1).
Schreibperiode II. Zur genaueren Differenzierung yon H~indigkeit und Schreibhand wurde
in Periode II das Aufschreiben der Resultate mit der rechten und linken Hand registriert.
W~hrend des Schreibaktes ergab Schreiben mit der rechten Hand Lateralisation der
negativen Potentiale links, Schreiben mit der linken Hand umgekehrt Lateralisation
rechts. Die kontralateralen Negativit~iten der Schreibpotentiale waren meistens in den
Querableitungen der oberen sensomotorischen Region (C3 gegen C4) am deutlichsten (Figs. 3
und 4). Die linksschreibenden Linksh~inder zeigten eine relativ st/irkere Rechtslateralisation
beim Schreiben links als rechtsschreibende Linksh/inder und Rechtsh/inder (Tab. 1, Fig. 7).
Die Linkslateralisation der Querableitungen von symmetrischen Hirnregionen war bei
Linksh/indern w~ihrend der Sprach- und Rechenaufgaben in der Regel gr6Ber als beim
Schreiben der rechten Hand (Tab. 1). Bei allen linksschreibenden Linkshiindern (a)
erreichten die FlS.chenwerte links beim Schreiben mit der ungefibten rechten Hand meistens
weniger als 1/5 der Lateralisierung bei Sprachaufgaben und Rechnen oder waren sogar
ZUR HEMISPH,~RENDOMINANZ FOR SPRACHE UND RECHNEN
767
ipsilateral rechts lokalisiert. Die rechtsschreibenden Linksh~inder (b) zeigten geringere
Unterschiede der Sprach- und Schreiblateralisierung. Bei den Rechtsh~indern war die
Linkslaterali~ation beim Schreiben rechts meistens gr613er als beim Rechnen, aber etwa
gleichgrol3 bei Sprachaufgaben (Tab. 1).
Potentialablauf bei verschiedenen Ableitungsmethoden
(A) Referenzableitungen "unipolar' gegen Ohr. In der ersten Sekunde der Periode I nach dem
akustischen Signal entsteht mit dem evozierten Potential und w~ihrend der Wahrnehmung
der Sprachaufgabe eine ober]tiichennegative Potentialverschiebung an der Scheitelelektrode
und fiber allen Cortexarealen der Konvexit~it gegenfiber den basalen Referenzelektroden der
Ohren (Fig. 2 oben).
In Periode II sieht man bei Schreibbeginn meistens anfangs negative Potentiale, doch
werden diese auch w~ihrend des Schreibens obertl?ichenpositiv gegen die basalen Ohr- oder
Mastoid-Referenzen 129]. Die Lateralisation der Negativit~it ist in den Referenzableitungen
links und rechts enthalten, wie Fig. 2 oben zeigt, aber schwerer erkennbar als in den
Querableitungen (Fig. 2 unten).
Bei allen Experimenten wurde aul3er bilateralen Elektroden auch die mittlere
Vertexelektrode C z gegen beide Ohren registriert (Fig. 2-5 oben). Diese, dem oberen
motorischen Cortex und der Supplemendirregion entsprechenden Potentiale Cz-Ohr
wurden bei allen Sprach- und Rechenaufgaben der Phase I zwischen 5 und 20/~V negativer
gegen die Ohrreferenzen. Das Anfangsniveau variierte (Fig. 2 und 3). Auch Gr613e und Form
der Vertexpotentiale variierte bei Sprach- und Rechenaufgaben interindividuell st~irker als
intraindividuell, war aber beim gleichen Probanden weniger konstant als bei den
Schreibpotentialen ohne vorangehende Sprachaufgaben [29].
(B) Querableitungen zwischen links und rechts. Die in Fig. 1B bezeichneten Elektroden
lagen der transversalen Registrierung von symmetrischen Cortexarealen des linken und
rechten GroBhirns zugrunde und ergaben die deutlichsten Hinweise ffir die Lateralisation
langsamer Potentiale. Fig. 2~1 zeigen typische Beispiele mit Vergleich der Ableitungen gegen
Ohrreferenz. In der ersten und zweiten Sekunde der Periode I sieht man h~iufig biphasische
Abliiufe der langsamen Potentiale mit wechselndem Seitenfiberwiegen. Diese alternierende
Lateralisation erschwert die Ausmessung des Seitenfiberwiegens im Beginn der Periode I.
Daher messen wir nach der 1 Sekunde die Fl~ichen der Periode Ibis zum Startsignal der
Periode II und die Schreibdauer nach der 1 sec in der Periode II. Das biphasische
Alternieren im Anfang der Periode I war bei Linksh~indern h~iufiger als bei Rechtsh~indern.
In der Schreibperiode II wird die Lateralisation zwar durch die kontralaterale Schreibhand
bestimmt, doch zeigen die Schreibpotentiale bei Linksh/indern die oben beschriebenen
Unterschiede gegenfiber den Rechtsh~indern. Gr6Be und Ausdehnung der kontralateralen
Negatividit in der Schreibperiode II waren in der Regel geringer als die Linkslateralisation in
der Sprachperiode I, seltener gleich oder gr6Ber (Fig. 4 A rechts). Tab. 1 und Fig. 7 zeigen
typische Gruppenunterschiede der Gr6Be der Schreiblateralisierung ffir die kontralaterale
Hand bei links- und rechtsschreibenden Linksh~indern und Rechtsh~indern, n~imlich eine
verst~irkte Rechtslateralisierung bei linksschreibenden Linkshiindern und verstiirkte
Linkslateralisierung bei Rechtshiindern. Die Rechtsh~inder haben beim Schreiben mit der
rechten Hand eine sehr grol3e Lateralisation links, aber beim Schreiben links geringere
Lateralisation rechts. Umgekehrt verhalten sich die linksschreibenden Linksh~inder, da ihre
Schreiblateralisierung nach rechts verschoben ist. Die rechtsschreibenden Linksh~inder sind
768
RICHARD JUNG, ECKARTALTENMULLERund BRUNONATSCH
jeweils weniger, die linksschreibenden Linksh~inder am wvnigsten links lateralisiert, wenn sie
mit der rechtvn Hand schreiben (Tab. 1).
Bei lokalisatorischem Vergleich der Lateralisierung lag das Maximum meistens in der
Zentralregion, d.h. beim Schreiben ist die Lateralisierung in der Regel iiber dem
kontralateralen sensomotorischen Cortex am grSBten und frontal, parietal und parietotemporal n~iher dvm Variationsbereich + 2 •V (Fig. 4 links).
Der kontralateralen Lateralisation zur schreibenden Hand folgt nach dem Schreibakt
meistens ein postexcitatorischer Riickschlag zur ipsilateralen Seite. Dieser ipsilaterale
Riickschlag entsteht in der 1 oder 2 s nach Ende der Schreibdruckkurve und kann auch
au~rhalb der Zentralregion deutlich sein (Fig. 2B in PT3/4). Wegen dieses R/ickschlags sind
die Fl~ichenwerte der Schreiblateralisierung nur bis zum Ende des Schreibens auszumessen,
meist in der 2-3 s der Periode II.
(C) Bipolare Reihenableitungen. Zur Lokalisation der negativen Foci bei
Sprachverarbeitung, Rechnvn und Schreiben wurden Elektrodenreihen verwendet (1) yon
der Mittellinie um den Vertex nach basal und (2) anterior-posterior von frontal nach
parietal. Fig. 1C zvigt das Prinzip und Fig. 5 zwei vvrtex-basale Reihenableitungen von
pr~entral (Cz) und parietal (Pz) zum Mastoid mit Phasenumkehr langsamvr Potentiale.
Unsere Schaltung zeigt gr6~re lokale Negativit~itsfoci [41] unter tier gemeinsamen
Mittelelektrode dutch Abweichung der cranialen Ableitung nach oben und der basalen nach
unten. Bei Sprachverarbeitung und Rechnen lag diese Phasenumkehr temporal links in der
Wemicke-Region (Elektrode Cc tier vorderen Reihe in Fig. 5A). Beim Schreiben war die
Phasenumkehr immer hSher lokalisivrt, am gr6Bten etwa 2-4 cm neben der Mittellinie in der
Pr~entralregion. Wenn die kontralaterale Hand schrieb, bvgann die Phasenumkehr mit
einem steileren Gipfel (Elektrode Cz tier vorderen Reihe in Fig. 5B). Beim Schreiben mit dvr
ipsilateralvn Hand fehlte die steile Anfangszavke und die Phasenumkehr in Periode II war
nur vine langsame Wellenform (Elektrodvn Cc und Pa in Fig. 5A).
Bei waagerechten Elektrodenreihen von frontal nach temporo-parietal fanden sich bei der
Sprachverarbeitung ~ihnliche Phasenumkehrungen in den fronto-temporalen und parietotemporalen Regionen. Unsere lokalisierten Ableitungen sind noch unvollst~indig und sollen
sp~iter durch Laplace-Anordnungen mehrerer Elektroden um einen Fokus pr/izisiert werden.
Die Atmung wurde w~ihrend der Sprach- und Rechvnaufgabe meistens fortgesetzt. Einige
Versuchspersonen zeigten vine Atmungsabflachung und wenige im Beginn der ersten
Teilaufgaben auch ein kurzes Sistieren tier Atmung. Diese Atmungsver~inderungen
verschwanden meistens im Laufe der Experimente nach 10-20 Durchg~ingen.
Unsichere erste Sekunde nach Triggerreiz. Zur Messung der Lateralisierung in den
Testperioden I und II habvn wir jewvils die erste Sekunde nach den akustischen Signalen
nicht ber/icksichtigt, weil in dieser Zeit die objektiven EEG-Ableitungen und die subjvktive
Einstellung der Probanden komplizivrt und variabel sind. Die langsamen Potentiale nach
dem evozierten Potentialkomplex (negative Spitzen und P 300) haben im Anfang oft
wechselnde Lateralisierung mit bipolaren Abl~iufen zwischen rechts und links. Die
punktierten Areale der Fig. 3 zeigen die Zeit der Fl~ichenmessungen in den Sprach- und
Schreibperioden. Subjektiv bestehen in der 1 s unterschiedliche Interaktionen von
Aufmerksamkeit und Wahrnehmung tier Signalv, H6ren der Aufgaben und Schreibintention.
Die Wahrnehmung der Rechenaufgaben dauert etwa 1-1.5 s, bevor die Zahlenverarbeitung
in Periode I beginnt. Selbst bei kurzdauemden Sprachreizen (Anfangsbuchstaben von
Namen, Fig. 4 und 5) beginnt die eigentliche Spracharbeit erst etwa 1 s sp-~iter. Auch der
Beginn des Schreibens variiert mit tier Aufgabenl6sung und es gibt verschiedene
ZUR H E M I $ ~ N D O M I N A N Z FOR SPRACHE UND RF.,CHNEN
769
langdauernde Erwartungspotentiale und Bereitschaftspotentiale, die mit oder ohne
motorische Aktion der Bewegungsintention entsprechen 1-33]. Wegen dieser Unsicherheiten
wurde auch die erste Sekunde nach Signalisierung der Schreibperiode II nicht ausgemessen,
wie Fig. 3 zeigt.
Mittelniveau der Potentiale. Das mittlere Potentialniveau entspricht nur in den
Querableitungen etwa dem Kurzschlu8 der Verst~kereing~inge, ist aber durch Elektroden
und Hautpolarisation ver~inderlich. In Referenzableitungen zwischen den Konvexit~itselektroden iiber verschiedenen Cortexregionen und den Ohrelektroden ist das Mittelniveau
labiler, da das meist an der Konvexit~it negative Ruhepotential mit Aufmerksamkeit und
Ermiidung wechselt. Bei unseren Querableitungen mit CW-gekoppelten Verst~irkem (AC
circuits) von 5 s Zeitkonstante wurde die Mittellinie arbitr~ir als Niveau bei Kurzschlu8 der
Verstiirkereing~inge angenommen. Negative Spannungs~inderungen der linken gegen/.iber
der rechten Elektrode als Ordinaten wurden nach oben angezeichnet. In allen aufsummierten
Kurven wurde Negativit?it #egen Ohr in Referenzableitungen und linksseitioes Neoativit~itsiiberwiegen in Querableitungen nach oben gepolt, in den EEG-Kurven aus Verschaltungsgriinden dagegen nach unten.
Einige Probanden machten vor der Phase I eine gr6Bere Blicksakkade nach links oder
rechts zum Fixationspunkt. Dies fiihrte in den transversalen Ableitungen zu einer mit der
Zeitkonstante von 5 s abklingenden Steigerung oder Senkung der aufsummierten Kurve.
Diese Neigung des Mittelniveaus wurde je nach der Augenregistrierung f/Jr die Auswertung
der MitteUinie in den ersten 8 s der MeBzeit beriJcksichtigt.
DISKUSSION
Zur Seitendominanz bei Linkshiindern
Unsere Untersuchungen ergaben bei allen erwachsenen Linksh~indern elektrophysiologische Korrelate der Sprachverarbeitung in der linken GroBhirnhemisph~ire (Fig. 6). Die
Seltenheit von nur zwei von 30 Linksh~indern mit Rechtslateralisierung bedarf einer
Diskussion mit der Literatur. Bisher wurde eine Rechtsdominanz der Sprache bei etwa 1/3
der LinkshLnder angenommen [19-21, 35, 48].
BROCA hatte 1861 bei seinen ersten beiden F~illen linksseitiger frontaler 1-3] und frontotemporaler [2] Hirnl~isionen eine Linksdominanz der Sprache noch nicht diskutiert. Erst als
1865 mehr Aphasief'~ille (Broca's 'aph6mie') mit linksseitigen Herden beschrieben waren,
betonte er 'la singuli6re pr6dilection des 16sions de raph6mie pour l'hemisph6re gauche du
cerveau' 14]. In dieser Arbeit postulierte BROCA als Sitz der Sprache beim Rechtsh~inder die
linke, beim Linkshiinder aber die rechte Frontalregion. Er nahm an, dab die Linksh~inder, im
Gegensatz zu den linkshirnigen Rechtsh~indern, 'rechtshirnig' w~iren: 'gauchers, sont au
contraire droitiers du cerveau' [4].
Erst in den letzten 50 Jahren wurde die Rechtsdominanz fiir die Sprachleistungen der
Linksh~inder zunehmend zweifelhaft. Die Carotisinjektion yon Barbituraten [44] als
Sprachdominanztest ergab bei 7 0 ~ der Linksh~iader Sprachdominanz der linken
Hemisph~ire t35~ und nach Aphasieerfahrungen bestand linksseitige Sprachdominanz bei
2/3-4/5 der Linksh~inder [5, 19-24, 37, 38]. Nach unseren hirnelektrischen Korrelaten waren
noch mehr, etwa 9/10 tier Linksh~inder links sprachdominant.
770
RICHARD JUNG, ECKART ALTENMULLERund BRUNONATSCH
Linksdominanz fffr Sprache und Rechnen
Die linksseitige elektrophysiologische Lateralisation fanden wir immer ffir
Sprachaufgaben und ffir Rechenleistungen fibereinstimmend. Dies deuten wir als Zeichen
einer iihnlichen Dominanz des linken Groflhirns fiir Sprache und Rechnen bei Rechtsh/indern
und den meisten Linksh/indern. Es gab zwar unterschiedlich starke und unsichere
Lateralisationen mit geringen Amplituden einzelner Hirnregionen, aber niemals waren
Sprache und Rechnen in verschiedenen Grol3hirnhemisph/iren lateralisiert. Neuropsychologisch kSnnen zwar bei Cortexherden ungleiche St6rungen von Sprachleistungen und
Rechnen oder ffir das Schreiben von Worten und Zahlen auftreten, doch korrelieren Aphasie
und Akalkulie auch bei Linksh~indern in der Regel mit linksseitigen Grol3hirnherden
[14, 19,1. Dies pal3t auch zu unseren Befunden. Vorl/iufig erlauben die langsamen
Hirnpotentiale bei Gesunden nur grobe Seitenbestimmungen. Wir hoffen aber, durch
bessere Quantifizierung und Lokalisation sp/iter mehr fiber eine Beteiligung verschiedener
Cortexareale aussagen zu k6nnen. Obwohl seit BERGER in 1926 [1-1 bei den prim/iren
Akalkulien oft linksseitige temporale und occipitale Herde gefunden wurden, ist die
Lokalisation bei Linksh/indern weniger klar als bei den SprachstSrungen.
Erkennung der Sprachdominanz
Unsere elektrophysiologischen Kriterien gr/SBerer Negativit/it langsamer Hirnpotentiale
bei Sprachaufgaben zeigen hirnelek'trische Korrelate der sprachdominanten Grol3hirnhemisph/ire beim Gesunden. Bisher war die Seite der Sprachdominanz nur bei Kranken
neurologischstatistisch durch Auswertung von Aphasien nach einseitigen Grol3hirnherden
[38,1 oder durch die invasive Methode der Carotisinjektion von Barbituraten [35, 44] zu
untersuchen.
Die linksseitige Sprachdominanz ist seit WERNICKE [46] bei Rechtsh/indern vielfach
best/itigt worden. Doch blieb umstritten, ob die Linksha'nder ihre Sprachdominanz im
rechten GroBhirn hatten, wie BROCA (1865) vermutete [4], oder ob sie vorwiegend links
oder mehr bilateral ihre Sprache verarbeiteten [5, 21]. Die Carotisinjektion war nur bei
Patienten vor neurochirurgischen Eingriffen durchzuffihren und andere, nicht invasive Tests,
wie die dichotische Worterkennung, hatten unsichere Resultate [22]. Auch LEvv's und
REID'S Annahme, dab die Handinversion des Linksh/inders die Hemisph/irendominanz
anzeigt [32], wurde widerlegt [22].
Unsere elektrophysiologische Lateralisierung der Sprachdominanz ist nicht invasiv und
ohne Risiken ffir den Probanden. Sie ist aber noch keine Routinemethode bei Patienten, da
eine gute Kontrolle der Augenbewegungen mit strenger Fixation und Lidschlagunterdrfickung den Kranken nicht immer gelingt. Wenn eine automatische Computerkompensation von Blickbewegungen [10] weiter verbessert wird, kann ein klinisch
brauchbarer Test der Sprachdominanz bei Patienten entwickelt werden.
Zu anderen Sprachlateralisierungen dutch langsame Potentiale
Die bisherigen Versuche elektrophysiologischer Lateralisierung der Sprachfunktionen
waren bis 1982 wenig fiberzeugend. Dies erkl/irt sich dadurch, dab Ableitungen gegen
gemeinsame Referenz und Bereitschaftspotentiale vor dem Sprechen verwendet wurden, die
nur unsichere Seitendifferenzen von 1/~V ergaben [8, 15, 16,1 Da der Sprechakt auch in der
Vorbereitung zahlreiche Atmungs- und Zungenartefakte verursacht [16], die Bereitschaftspotentiale vorwiegend bilateral im oberen motorischen Supplement/ircortex entstehen [6]
ZUR I..IEMISPH)~RENDOMINANZFOR SPRACHE UND RIECHNIEN
771
und kleinere Amplituden haben als Zielbewegungspotentiale [17, 18] und Schreibpotentiale
[29], war es notwendig, solche langsamen Potentiale wiihrend Sprachverarbeitungen ohne
Vokalisation zu registrieren. Erst 1982 ergaben unsere Schreibpotentiale [29] und die
Lesepotentiale von NEVILLEund Mitarbeitern [36] deutliche Hinweise ffir die Linkslateralisierung bei gesunden Rechtsh~indern. Doch wurde die Sprachlateralisierung im LEG bei
Linkshiindern in anderen Labors noch nicht, und von uns nur bei wenigen Probanden [26]
registriert, bis wir jetzt 30 Linksh~inder untersuchten.
Unsere Befunde gr6Berer Lateralisation links frontal und temporal bei akustischer
Sprachverarbeitung erscheinen mit NEVILLESund Mitarbeitern Befunden beim Lesen yon
Rechtsh~indern [36] vergleichbar. Auch diese Autoren vermieden die Vokalisation und
lieBen das Erkennen tachistoskopisch exponierter W/Srter aufschreiben, allerdings nach
einem Knopfdruck und mit kiirzerem Intervall von nut 2 s nach dem visuellen Reiz. Wit
fanden 4-5 s ffir die Sprachverarbeitung bis zum Schreiben geeigneter und registrierten bei
Links- und Rechtsh~ndern deutliche, mehrere Sekunden dauernde Linksverschiebungen der
Negativit~it, die in der 2-4 s vermessen wurden. Bei NEVILLEund Mitarbeitern [36] dauerte
die Linkslateralisierung temporal und frontal nur 300-500 ms und wurde als Differenz des
positiven Nachpotentials (~ihnlich unserem Vollzugspotentiale [25]) gemessen, das etwa
dem P 300 der Literatur entspricht. Im P 300 beschrieb DESMEDT schon 1977 bei
Rechtsh~indern auch eine Rechtslateralisation parietal nach r~iumlichen Tastbewegungen
[7]. Es erscheint lohnend, unsere Methode auch ffir Funktionen der rechten Hemisph~ire bei
Raumorientierung und Musik zu verwenden.
Linksdominanz oder Linksiiberwiegen bilateraler Sprachverarbeitung
Die elektrophysiologische Linkslateralisation bei allen erwachsenen Linksh~indern
spricht nut f/Jr eine st~irkere, aber nicht f/Jr eine alleinige T~itigkeit der linken Hemisph~ire bei
der Sprachverarbeitung. Line bilaterale hirnelektrische Aktivierung, wie bei Sprachaufgaben
(Fig. 2), ist bei allen, auch einseitigen Handlungen fiber beiden GroBhirnhemisph~iren
nachweisbar: Bei Bewegungsprogrammierung erscheint sie als doppelseitiges Bereitschaftspotential [6, 30] oder Erwartungspotential, CNV [451 bei Zielkontrolle als Zielbewegungspotential [17, 18] und beim Schreiben als Schreibpotential [29] mit etwas gr6Berer
Amplitude kontralateral zur bewegten Hand. Linksh~inder und Rechtsh~inder zeigen bei
einseitigen Armzielbewegungen nut geringe Unterschiede der Lateralisation [17]. Dasselbe
gilt f/Jr die leicht verst~irkte rechtsseitige Mundinnervation beim Sprechen [13]. Die
Sprechbewegung ist eine bilaterale Muskelaktivierung, die erlernt und von den ffir Menschen
spezifischen Cortexarealen gesteuert wird [9, 11]. Die Dominanz der linken Wernicke- und
Broca-Regionen ist auch nach PENEIELDund ROBERTS'SCortexreizungen [37] eine h~Shere
Sprachprogrammierung, fibergeordnet den Sprechmechanismen, die mit den rechtsseitigen
symmetrischen Cortexregionen bilateral die Vokalisation koordinieren.
Die yon HECAEN[19-21] und anderen ffir Linksh~inder diskutierte bilaterale Sprachverarbeitung ist nach unseren hirnelektrischen Ergebnissen yon der H~indigkeit unabh~ingig.
Denn bei der Sprachverarbeitung in Periode I haben Links-und Rechtsh~inder in beiden
temporalen und frontalen Hirnregionen oberfl~ichennegative Potentiale mit etwas gr6Beren
Amplituden links. Die elektrophysiologische Linkslateralisation ist daher nicht eine
einseitige Aktivierung der linken Sprachzentren, sondern eine relatir vermehrte T~itigkeit der
linken im Vergleich zu den symmetrischen rechten Cortexarealen.
Unsere nach Spiegelschrifttests frfiher [27] ge~iuBerte Annahme, dab linksschreibende
Linksh~inder die Sprache vorwiegend in der rechten Hemisph~ire verarbeiten, miissen
772
RICHARD JUNG, ECKARTALTENM/3LLERund BRUNONATSCH
wir korrigieren, da von 20 linksschreibenden Linksh~indern 16 hirnelektrisch eine
Linkslateralisation und nur 2 eine Rechtslateralisation hatten. Auch mit 2 Probanden
ungewisser Lateralisierung wiiren mindestens 809/o der linksschreibenden Linksh/inder
sprachdominant f~r ihre linke Hemisph/ire. Daher sind Sprachdominanz und
Handdominanz bei Linkshiindem in der Regel nicht iibereinstimmend.
Linkshiindigkeit und Rechtsschreiben
Falls man praktische Folgerungen aus unseren Befunden filr das Schreiben von
Linkshiindern ziehen will, so wiiren es folgende: Das Schreibenlernen mit der rechten Hand
stimrnt auch bei der Mehrzahl der Linkshiinder mit der Sprachdominanz des linken
Grol3hirns ilberein. Da die rechte Schreibhand auch andere praktische Vorteile in unserem
Kulturmilieu hat, kann das seit Jahrhunderten ilbliche Rechtsschreibenlernen in der regel
empfohlen werden. Es ist eine durch t.)bung erworbene Seitenpr~iferenz entgegen der
angeborenen Seitendominanz. Nut solche Linkshiinder, denen das Schreiben mit der rechten
Hand extrem schwer fallt, und die ohne Milhe in Normalschrift links schreiben, wiiren filr das
Schreiben mit der linken Hand zu schulen und man k6nnte es'i:lem linkshiindigen Schiller
selbst ilberlassen, ob er die rechte oder linke Hand w~ihlt.
Rechtslateralisierung yon Linkshiindern in der Schreibperiode
Die bei Links- und Rechtshiindern iihnliche Linkslateralisierung filr Sprachaufgaben und
Rechnen, die Tab. 1 und Fig. 7 I zeigt, war zuniichst ilberraschend, da wir mehr
Rechtslateralisierung bei den linksschreibenden Linkshiindern erwartet hatten. Diese filr
Sprache und Rechnen zuniiehst fehlende Rechtslateralisierung erscheint jedoch spiiter sehr
deutlich in der folgenden Schreibperiode II sowohl mit der linken wie mit der rechten Hand:
Beim Aufschreiben der Resultate der vorangehenden Wort- und Zahlenverarbeitung zeigen
die 3 Gruppen eine verschiedene Lateralisierungstendenz. Die Rechtslateralisierun# beim
Schreiben ist bei den linksschreibenden Linkshiindern (a) am stiirksten und sogar beim
Wortschreiben rechts erkennbar. Umgekehrt ist die Linkslateralisierung bei Rechtshiindern
am grSBten (Tab. 1). Die Fig. 7 II zeigt, dal3 diese relative Rechtslateralisierung der
Linkshiinder sowohl beim Schreiben mit der kontralateralen wie mit der ipsilateralen Hand
auftritt. Man sieht, dab die GrSl3e des Rechtsilberwiegens in der Gruppe (a) fiber die
rechtsschreibenden Linkshiinder (b) bis zu den Rechtsh~indern (c) abnimmt und umgekehrt
die Linkslateralisierung zunimmt. Dies entspricht einer reziproken rechts- und linksseitigen
Aktivierung der pr~entralen Handregionen in der Querableitung C3/a beim Schreiben, die
in Fig. 7 II nach der vorangehenden Sprachverarbeitung (oben) und dem Rechnen (unten) in
iihnlicher Weise auftritt. Die an den Elektroden C a und Ca jeweils kontralateral zur
schreibenden Hand gr613ere Negativitiit ist also bei der #leichen Aufgabe in den drei
Probandengruppen a, b und c je nach Hiindigkeit und Schreibhand verschieden ausgepriigt.
Tabelle 1 zeigt die Messwerte aller registrierten Hirnregionen (Querableitungen F3/a, Ca/a,
PT3/, , und Pa/a) und Fig. 7 II besonders anschaulich die fiber der motorischen Handregion
reziproke Gr613enordnung der relativen Rechtslateralisierung bei den drei Gruppen a, b und
c. Zwischen den linksschreibenden Linkshiindern und den Rechtshiindern bilden die
rechtsschreibenden Linkshiinder etwa die Mitte der beiden Extremgruppen.
Lerneffekte und Lateralisierunff
Nach den in Fig. 7 II erkennbaren Interaktionen yon Hiindigkeit und Schreibhand ist
anzunehmen, dab die beim Schreibenlernen erworbene einseitige (Jbung die cerebralen
ZUR HEMISPHARENDOMINANZFOR SPRACHEUND RECHNEN
773
Korrelate der Handdominanz beeinfluBt. Dies ist am deutlichsten in der Zentralregion um
den motorisehen Cortex. Dort, in der motorischen und pr~imotorischen Rinde fanden SASAKI
und GEMBA [39] beim Affen eharakteristische Ver/inderungen der langsamen Potentiale
w/ihrend des Lernens yon Handbewegungen. Beim Menschen sprechen drei Befunde ffir eine
durch Sehreibhandiibung beeinfluBte Altersentwickluno der mit Sprache und Schreiben
korrelierten.Hirnpotentiale: Erstens, die wenigen Probanden mit Reehtslateralisation oder
fehlender Linkslateralisation bei der Spraehverarbeitung waren jugendliehe Linkshfinder
unter 15 Jahren; zweitens, alle erwaehsenen Linkshfinder hatten elektrophysiologisch eine
deutliche Linkslateralisation; drittens, die in der Sehreibperiode auftretende relative
Linkslateralisierung war am ldeinsten bei den Linksh~indern, die seit der Jugend mit der
linken Hand sehreiben, und gr6Ber bei denen mit rechter Sehreibhand (Fig. 7 II) Danach ist es
wahrseheinlich, dab bei angeborener Linksh~indigkeit aus einer prim/iren cerebralen
Reehtsdominanz die Linksdominanz fiir Spraehe und Reehnen entwickelt wird. Mit
Sprechen, Schreiben und Rechnen kann offenbar in jahrelangen Lernprozessen w~ihrend des
Jugendalters eine Linkslateralisierung erworben werden, und eine angeborene Reehtslateralisierung durch Obungseffekte des Sehreibens modifiziert werden. Diese Entwieklung
und die erlernte Pr/iferenz der Schreibhand k6nnen aueh die hirnelektrischen Korrelate der
Hemisph~rendominanz beeinflussen, wie unsere Ergebnisse bei Links- und Rechtsh~indern
zeigen. Die Altersentwicklung selbst ist noeh wenig gekl~irt und soil sp~iter an kindlichen
Links- und Reehtsh~indern untersucht werden.
Danksaoung--Ing. H. Kapp und G. Brenneisen danken wir ffir ihre technische Hilfe. Die Untersuchungen wurden
dureh die Deutsche Forschungsgemeinschaft fiber den Sonderforsehungsbereich Hirnforschung und Sinnesphysiologie (SFB 70) unterstfitzt.
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