linde technology - The Linde Group

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linde technology - The Linde Group
LINDE TECHNOLOGY #1.12
LINDE
TECHNOLOGY
Ausgabe
# 1.
1 2
TITELTHEMA: Energien aus der Erde
CO₂ abtrennen
Klimafreundliche Kohlekraft
Schiefergas nutzen
Rohstoffe effizienter fördern
Kohle Umwandeln
Synthetische Erdgasproduktion
Kriminaltechnik
Mit Gasetechnologie auf Spurensuche
METALLVERARBEITUNG
Bauteile verzugsfrei schweißen
Wasseraufbereitung
E ntsalztes Meerwasser trinkbar machen
Neue Wege für mehr Effizienz und Klimaschutz
Herausgeber
Linde AG
Klosterhofstraße 1
80331 München
Telefon +49.89.35757-01
Telefax +49.89.35757-1398
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Energien
Aus der Erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Impressum
02
Impressum
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Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, Linde AG;
wissen + konzepte, München
#1.
12
Bildredaktion:
Judith Schüller, Hamburg
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ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2012
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Titel: Linde AG // Seite 04/05: Laurance B. Aluppy, Don Farrall, Sean Gallup/Getty Images, Roche
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AG // Seite 12/13: Linde AG (2), Novosti/SPL/Agentur Focus, BKA // Seite 14/15: picture-alliance/
dpa, Linde AG (2), Hollandse Hoogte/laif, Image Source/Getty Images // Seite 16: John Zoiner/
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Corbis // Seite 22/23: Linde AG, Roy Morsch/Corbis, Justin Sullivan/Getty Images // Seite 24/25:
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Hub/laif, Bally/Keystone Schweiz/laif // Seite 42: Linde AG // Seite 44: Janet Forster/Getty Images // Seite 46/47: Bloomberg/Getty Images, Yu Fangping/Imaginechina/laif, Linde AG // Seite 48/
49: Linde AG // Seite 51: Science Photo Library/Agentur Focus // Seite 52/53: Linde AG, Ingram/
Getty Images, Roche PR (2) // Seite 54: M. Barraud/Getty Images, Bayer AG
Mehr Erdgas fördern: 670.000 Kubikmeter Stickstoff
erzeugen die beiden Luftzerleger des Linde-ADNOCGemeinschaftsunternehmens Elixier stündlich. N₂
macht die Erdgasproduktion in Abu Dhabi effizienter.
Ein außergewöhnliches Projekt: Europas größte Erdgasverflüssigungs-Anlage in
Norwegen wurde mit dem Know-how der Linde Group errichtet. Ein perfektes
Beispiel dafür, dass wir als eines der weltweit führenden Gase- und Engineeringunternehmen mit rund 50.500 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern innovative
Ideen entwickeln, die den Horizont des menschlich Machbaren konsequent
erweitern. Herausragende Ingenieurkunst, Exzellenz im operativen Bereich und
der Antrieb, bei Technologien und Innovationen weltweit neue Maßstäbe zu setzen,
unterstützen uns dabei, richtungsweisende Schritte in eine lebenswerte Zukunft
zu machen. Weitere Informationen über The Linde Group finden Sie online unter
www.linde.com.
editorial // LINDE TECHNOLOGY #1.12
03
Editorial
Liebe Leserinnen
und Leser,
der weltweite Energiebedarf steigt rasant, die Rohstoffpreise ebenso, und die globale Erderwärmung
bedroht das Klima. Wie ist dieses Spannungsfeld, das Experten als Energie-Trilemma bezeichnen, zu
lösen? Darauf gibt es keine einfachen Antworten, fest steht nur: Der Weg zu einer nachhaltigen, verlässlichen und bezahlbaren Energieversorgung führt nur über innovative, umweltverträgliche Technologien.
Dabei müssen wir uns klar machen, dass der überwiegende Teil der Energieträger derzeit noch immer
aus der Erde gewonnen wird. Die fossilen Rohstoffe bleiben auch noch auf absehbare Zeit unsere wichtigsten Energiequellen – allen voran die Kohle: Sie ist in großen Mengen vorhanden und wird weltweit
genutzt. Umso wichtiger ist es deshalb, den CO₂-Ausstoß von Kohlekraftwerken weiter zu senken.
Linde verfügt über alle erforderlichen Kompetenzen, um die weitgehende Abscheidung und Speicherung von CO₂ aus Kraftwerksabgasen sicherzustellen. Gepaart mit Verfahren zur Rauchgaswäsche tragen
wir dazu bei, den Betrieb von Kohlekraftwerken erheblich klimafreundlicher als bisher zu gestalten.
Auch die Umwandlung von Kohle in synthetisches Erdgas ist ein vielversprechendes Verfahren für eine
umweltschonendere Nutzung des schwarzen Rohstoffs. In Südkorea realisieren wir derzeit gemeinsam
mit Kooperationspartnern ein Referenzprojekt auf diesem Gebiet. In der weltweit größten Gas-to-LiquidsAnlage in Katar wird Erdgas zu flüssigen Kraftstoffen verarbeitet – und sorgt so für eine umweltfreundlichere Mobilität.
Dass man industrielle Prozesse durch den Einsatz von Gasen verbessern kann, zeigen Projekte aus
der Biotechnologie. So arbeiten etwa Bioreaktoren deutlich wirtschaftlicher, wenn reiner Sauerstoff eingesetzt wird. Ein anderes Beispiel für die vielfältige Wirkungsweise von Gasen ist die Aufbereitung von
entsalztem Meerwasser: Mit CO₂ lassen sich der pH-Wert sowie das chemische Gleichgewicht exakt einstellen – so wird das Wasser erst trinkbar.
In unserem Technologie-Magazin zeigen wir Ihnen einmal mehr, wie wir mit innovativer Anlagentechnik und einem ausgeklügelten Gasemanagement eine große Bandbreite von Industrieprozessen
verbessern und nicht zuletzt nachhaltiger machen.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.
Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni
Mitglied des Vorstands der Linde AG
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // inhalt
04
_26
_36
SchweiSStechnologie: Kälteschock entspannt heiße Nähte
_44
Wasser: Den pH-Wert optimal einstellen
Kohlekraft: Eine saubere Nutzung ermöglichen
_50
Biotechnologie: Sauerstoff kurbelt Prozesse an
inhalt // LINDE TECHNOLOGY #1.12
05
03
editorial
06
Frostige Fracht auf Reisen
Stickstoff für die Nord-Stream-Pipeline
08
news
10
Dem Täter auf der Spur
Gasetechnologie verbessert die Kriminaltechnik
Titelthema
14
Energien aus der Erde
Auf fossile Rohstoffquellen wie Kohle und Erdgas wird unsere Industriegesellschaft in Zukunft noch länger angewiesen sein. Innovative Verfahren von Linde helfen, die Schätze der Erde effizient und umweltfreundlich zu nutzen.
16
Klimaschutz und Kohlekraft
Großbritannien: Leistungsstärkste Oxyfuel-
Anlage treibt CCS-Technologie voran
20
Treibstoff aus der Tiefe
24
Nordamerika: Schiefergas-Boom bringt LNG auf die Straße
Strategie für Reines Rauchgas
Deutschland: Gaswäsche für Kraftwerke
32
Knollen ohne Keime 36
Weniger Spannung im Blech
40
Mobiler Strom – Sauber und Leise
42
Interview: „Wasserstoff ist jetzt im Halbfinale“
44
Durst nach Meerwasser
48
Entspannung bei Hochdruck
50
Kraftschub für Zellfabriken
54
Mückenfang mit CO₂
Ethengas macht Gemüse fit für den Markt
CO₂-Kühlung sorgt für hochwertige Schweißnähte
Innovative Wasserstoffanwendung ersetzt Dieselgeneratoren
Markus Bachmeier, Leiter Hydrogen Solutions bei der Linde AG
Kohlendioxid sorgt für eine ausgeglichene Wasserchemie
Herz-OP: Stickstoffmonoxid erweitert verengte Lungenarterien
Sauerstoff macht biotechnologische Prozesse leistungsfähiger
Umweltfreundlich gegen Moskitos
26 SYNTHETISCHES Erdgas aus Kohle
Südkorea: Umweltfreundliches Verfahren
zur Energieumwandlung
30
Die Kraftstoff-Maschine
Katar: Gas-to-Liquids-Anlage erzeugt
flüssige Treibstoffe aus Erdgas
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Erdgas
Bildquelle: Linde AG / P. Ohligschläger
06
↳
Stickstoff für die Nord-Stream-Pipeline
Frostige Fracht
auf Reisen
1.224 Kilometer Stahlrohre liegen in rund 100 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund der Ostsee: Die Nord-Stream-Pipeline verbindet das russische
Wyborg mit dem deutschen Lubmin nahe Greifswald. 55 Milliarden
Kubikmeter Erdgas sollen ab Ende 2012 jährlich durch die Doppelröhren strömen – und die Energieversorgung in Europa langfristig sichern.
Bevor das Gas fließen kann, muss die Pipeline frei sein von Stoffen,
die mit Erdgas reagieren könnten. Nach einer ersten Reinigung mit Wasser
und anschließender Trocknung folgt als einer der letzten Schritte die
Inertisierung: Das Durchspülen mit Stickstoff (N₂) entfernt gefährliche,
reaktive Substanzen aus den Röhren. Linde erhielt den Auftrag für die
Erdgas // LINDE TECHNOLOGY #1.12
07
Temperaturextreme: Minus 196 Grad Celsius kalt ist
der flüssige Stickstoff in den LKW-Tanks (links).
Im August 2011 schlug sich die feuchte Luft als Reif auf
den eiskalten Anschlüssen nieder (unten). Nach der
Anlieferung (oben) wird die frostige Fracht für die
Inertisierung verdampft. Wärmetauscher verwandeln
sie in 40 Grad Celsius warmen N₂.
Bereitstellung der riesigen Stickstoffmengen. Das Ziel: 14.000 Kubikmeter N₂ mussten pro Stunde und eine Woche lang ohne Unterbrechung
durch die Pipeline strömen. Linde meisterte diese logistische Herausforderung mit mehr als hundert Tanklastern, die den verflüssigten
Stickstoff aus mehreren Luftzerlegungsanlagen nach Lubmin brachten.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // News
08
n
ews
Deutschland:
F lüssiges Erdgas für Hamburger Hafen
Linde und die Hamburg Port Authority (HPA) treiben die Nutzung
von verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas – LNG) voran. Dafür
arbeiten beide Unternehmen derzeit gemeinsam an einer umfangreichen Machbarkeitsstudie, die den wirtschaftlichen Einsatz von
LNG im Hamburger Hafen untersucht. Die Ergebnisse könnten als
Grundlage für den Aufbau einer LNG-Infrastruktur im Hafen dienen,
um den umweltfreundlichen
Kraftstoff für Schiffe und andere
Transportmittel wie LKW einzusetzen. Denn im Vergleich zu
Diesel oder Schweröl verursacht
Erdgas wesentlich geringere
Emissionen: Erdgasantriebe verringern beispielsweise den Ausstoß von Stickoxiden im Vergleich
zu Diesel um knapp 90 Prozent
und den von Kohlendioxid um
bis zu 20 Prozent. Schwefeldioxid- und Feinstaubemissionen
entfallen nahezu komplett. „Vor
dem Hintergrund verschärfter
Umweltstandards registrieren wir
eine stetig steigende Nachfrage
nach LNG-Lösungen im Transportsektor“, erklärt Dr. Andreas
Opfermann, Leiter Clean Energy
und Innovationsmanagement bei
Linde. Als Anlagen- und Gase-
spezialist verfügt das Unternehmen über große Erfahrung im Einsatz von verflüssigtem Erdgas als Kraftstoff. Die schwedische LindeTochter Cryo AB hat in Skandinavien bereits 40 Schiffe mit der
LNG-Technologie ausgerüstet – und mit Verflüssigern und LNGTerminals stellt Linde die Versorgung mit dem vorteilhaften Energieträger sicher.
Deutschland:
Algen für die Zukunft
Mehr als 150 Fachleute aus Industrie, Hochschulen und Forschungseinrichtungen trafen sich Ende März 2012 beim 5. Bundesalgenstammtisch, der erstmals bei der Linde AG in Pullach stattfand. Die
Experten beschäftigten sich unter anderem mit der Verfahrenstechnik und Konzeption von Photobioreaktoren, in denen Algen
kultiviert werden. Mikroalgen gelten als vielversprechende Liefe-
ranten nachwachsender Rohstoffe. Im Vergleich zu Landpflanzen erzeugen sie deutlich mehr Ertrag pro Fläche und lassen sich
leichter weiterverarbeiten. Linde kooperiert unter anderem mit
Sapphire Energy in einem Projekt zur industriellen Algenkultivierung. Für die Lebens- und Futtermittelindustrie, aber auch die
Treibstoffproduktion bieten Algen große Zukunftschancen.
News // LINDE TECHNOLOGY #1.12
09
Europa:
Stärkung des Homecare-Sektors
Die medizinische Betreuung von Patienten in ihrem häuslichen
Umfeld ist ein wichtiger Zukunftsmarkt. Um das HomecareGeschäft weiter zu stärken, hat Linde jetzt die kontinental-europäischen Homecare-Aktivitäten des Unternehmens Air Products übernommen. Dazu zählen die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich,
Portugal und Spanien mit insgesamt mehr als 250.000 Patienten.
Die Europäische Kommission hat die Übernahme im April 2012 ohne
Auflagen genehmigt. Ende April konnte die Akquisition abgeschlossen werden. Linde erwirbt die Homecare-Aktivitäten zu einem
Enterprise Value von umgerechnet 590 Millionen Euro. Damit stärkt
der Konzern seine Position als einer der weltweit führenden Homecare-Anbieter.
„Healthcare ist eines unserer drei strategischen Felder. Es ist
ein stabiles Geschäft, das von der demographischen Entwicklung
profitiert. Mit dieser Akquisition stärken wir unser Produktportfolio
und erweitern unsere Kompetenzen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Wolfgang
Reitzle, Vorsitzender des Vorstands der Linde AG. „Wir schaffen gute
Voraussetzungen, um neue Behandlungsmethoden und Pflege-
konzepte zu entwickeln. Durch den Zukauf werden wir zu einem
der führenden Anbieter im europäischen Respiratory HomecareGeschäft“, so Reitzle. Mit Homecare werden medizinische Dienstleistungen für die Behandlung von Patienten außerhalb von Krankenhäusern bezeichnet. Dazu gehören unter anderem Beatmungs- und
Schlaftherapien.
Saudi-Arabien:
Investition im Nahen Osten
Linde hat den Auftrag für die langfristige Gaseversorgung des saudi-arabischen
Chemieunternehmens Sadara Petrochemical Company erhalten. Am Standort
Jubail wird Linde Anlagen zur Kohlenmonoxid-, Wasserstoff- und Ammoniakproduktion errichten und hierfür 380 Millionen US-Dollar investieren. „Dieser Auftrag
ist unser größtes On-site-Petrochemie-Projekt in der Region und gleichzeitig das
erste in Jubail. Damit stärken wir unsere weltweit führende Stellung in der Produktion und Lieferung von Kohlenmonoxid als Chemiebaustein für die Herstellung von PolyurethanKunststoffen“, sagt Prof.
Dr.-Ing. Aldo Belloni,
Mitglied des Vorstands
der Linde AG. Sadara
errichtet am Standort in
Jubail Industrial City II
einen großen, integrierten Chemiekomplex. Lindes Engineering Division wird die
neuen Gase-Anlagen
für den Chemiepark planen, liefern und schlüsselfertig errichten. Im
Jahr 2015 soll die Produktion anlaufen. Den
Anlagenbetrieb übernimmt die Linde Gases
Division.
China:
Joint-Venture
für Gaseversorgung
Linde setzt sein Engagement in China weiter
fort: Das Unternehmen investiert 70 Millionen Euro in den Standort Dalian im Nordosten
des Landes und wird dort die Gaseversorgung des chinesischen Chemieunternehmens
Dahua Group übernehmen. Im Rahmen dieses On-site-Vertrags wird der Anlagen- und
Gasespezialist zwei bestehende Luftzerlegungsanlagen des Chemiekonzerns erwerben und betreiben. Zudem baut Lindes
Engineering Division dort einen neuen Luftzerleger, der die beiden älteren Anlagen
ersetzen wird. Die neue Anlage, die 2014 in
Betrieb gehen wird, hat eine Produktionskapazität von 38.000 Normkubikmetern
Sauerstoff pro Stunde und soll den steigenden Bedarf von Dahua decken. Die Versorgungssicherheit des größten chinesischen
Herstellers von Basischemikalien und Düngemitteln wird damit deutlich erhöht. Der
neue Luftzerleger wird auch Flüssiggase für
den regionalen Gasemarkt liefern. Für die
lokale Versorgung wurde das Joint-Venture
Linde-Dahua (Dalian) Gases Company, Ltd.
gegründet.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Kriminalistik
10
Dem Täter auf
der Spur
Fingerabdrücke liefern entscheidende Beweise für die Spurensuche. Um sie sichtbar zu
machen, benötigen Ermittler aber viel Feingefühl – und auch einen speziellen Chemiecocktail.
Linde-Ingenieure haben jetzt eine Technik entwickelt, die die Arbeit der Kriminaltechniker
künftig effizienter und umweltfreundlicher macht: Mit der innovativen Gasetechnologie lassen
sich die individuellen Täterspuren besonders präzise sichern und archivieren.
Nach dem Verbrechen kommen die Ermittler: Am Tatort wimmelt es übereinstimmen: Feine Verzweigungen, besondere Schleifen oder
von Menschen in weißen Ganzkörper-Overalls. Penibel sammeln sie plötzliche Endungen der Papillarlinien sind wichtige Hinweise. Das
Haarproben und Faserreste, fotografieren Beweismittel und suchen individuelle Fingermuster wird schon im Mutterleib festgelegt.
nach verborgenen Blutspuren. Und der klassische Fingerabdruck ist
„Aber entscheidend für eine zuverlässige Identifizierung ist ein
nach wie vor eines der wichtigsten Fundstücke am Ort eines Delikts. optimales Abbild des Fingerabdrucks“, so Knaggs. Dafür muss der
Ohne die wichtigen Spuren würde Special Agent Leroy Jethro Gibbs Abdruck sichtbar gemacht werden. Und je nach Oberflächenbeschafbei seinen Ermittlungen in der TV-Sendung Navy CIS ebenso im fenheit des Beweisstücks ist das eine echte Herausforderung. Meist
Dunkeln tappen wie Peter Falk alias Columbo – und auch Sherlock rücken die Kriminologen an – bewaffnet mit zahlreichen Pinseln –
Holmes überführte in vielen Romanen mit akkuratem Fingerprintver- und streichen feines Rußpulver behutsam über Beweisstücke. Aber
gleich zahlreiche Gangster.
damit ist das Repertoire der Tatortprofis noch lange nicht erschöpft.
Fingerabdrücke helfen schon seit mehr als 150 Jahren dabei, Denn diese Technik eignet sich nur für glatte Materialien, beispielsMenschen eindeutig zu identifizieren. Denn sie sind von Perweise Glas oder Plastik. Schwieriger wird es auf porösem,
son zu Person verschieden, kein Muster gleicht dem
saugfähigem Untergrund wie Papier oder Holz. Dann
anderen. Selbst eineiige Zwillinge haben untersetzen die Spezialisten auf chemische Substanschiedliche Papillarleisten, so heißen die feinen
zen wie Ninhydrin oder Iod. „Diese Stoffe reaLinien auf den Fingerkuppen. „Greift ein Vergieren mit den Aminosäuren in den Rückbrecher mit bloßen Händen eine Tatwaffe,
ständen des Fingerabdrucks und machen
zeichnet sich das Muster dieser unverwechihn dadurch sichtbar“, so Knaggs. Dazu
Fingerabdrücke erfasst die weltselbaren Rillen wie ein Stempel auf dem
mischen die Kriminalisten die Chemikagrößte Datenbank: das Integrated
Automated Fingerprint Identification
Gegenstand ab“, erklärt Calvin Knaggs, Marlien mit einem Lösungsmittel, um sie dann
System des FBI.
ketingmanager Speciality Markets Equipment
auf die Abdrücke aufzubringen. Der große
bei Linde in Kanada. Winzige Rückstände von
Nachteil: Die hierfür nötigen Substanzen
Schweiß und Talg, die ununterbrochen von
wie Methanol, Petrolether oder HydrofluorHautdrüsen abgesondert werden, bilden die
ether sind zum Teil giftig, umwelt- und
natürliche Stempelfarbe. Um die Abdrücke sicher
gesundheitsschädlich. Dieses Problem wollte
einer Person zuzuordnen, müssen mehrere Merkmale
Calvin Knaggs lösen: Zusammen mit seinem
70
Millionen
Autor: Henning Hochrinner
B
ildquelle: Linde AG
Gasetechnologie verbessert die Kriminaltechnik
↲↳
Leuchtende Spuren:
Fingerabdrücke sind unverwechselbar. Die empfindlichen Beweisspuren
lassen sich jetzt dank einer neuen
Technologie von Linde noch besser
sichtbar machen.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // kRiminalistik
12
Präzise Profile: Passiert ein Beweisstück das ADROIT™ FC 300 (oben),
werden Fingerabdrücke im Detail
enthüllt – und helfen so bei der Tätersuche (links).
Erfolgreicher Erfinder: Calvin
Knaggs, Marketingmanager bei
Linde in Kanada, hat die innovative Technik zur Sicherung von
Fingerabdrücken entwickelt.
Team entwickelte er ein innovatives Verfahren, das die Sicherung
von Fingerabdrücken revolutioniert.
Das System heißt ADROIT™ FC 300. Der englische Begriff
„adroit“ bedeutet soviel wie clever – und der Name ist Programm
für die neue Technik: „Das Gerät arbeitet mit einem ungefährlichen
und umweltfreundlichen Trägergas und vereinfacht die Entwicklung
von unsichtbaren Fingerabdrücken erheblich“, erklärt Knaggs. Bei
der Erfindung half ihm vor allem seine langjährige Erfahrung in verschiedensten Fachbereichen bei Linde: Knaggs hat
Know-how in der Vakuum- und Dünnschicht-Technologie sowie im Bereich der Spezialgase. Und er
beschäftigte sich mit Forensik – besonders die gängigen Methoden zur Sicherung von Fingerabdrücken machten ihn neugierig: „Ich dachte mir, dass
es einen einfacheren und vor allem sichereren Weg
geben muss, als die Nutzung von leicht entflammbaren und giftigen Lösungsmitteln“, sagt Knaggs.
Und mit dem ADROIT™-System ist ihm das gelungen: Das Gerät sieht zwar unscheinbar aus: Eine graue Stahlbox mit
Sichtfenster, Schaltern, Schläuchen und einem Display. Doch es kombiniert Vakuum-, Dünnschicht- und Gasetechnologien.
Herzstück der Entwicklung ist die Vakuumkammer: Dort legen
die Kriminaltechniker die Beweisstücke hinein. Selbst ein komplettes
Gewehr findet darin Platz. In einem vorgelagerten Vakuum-DampfSystem befinden sich die Substanzen, mit denen die Fingerabdrücke sichtbar gemacht werden sollen. Durch Aufheizen verdampfen
diese Stoffe, verbinden sich mit einem Trägergas und werden so mit-
tels einer speziellen Düse in die Vakuumkammer transportiert. Dort
benetzen sie das Beweisstück, legen sich als dünner, gleichmäßiger
Film über die unsichtbaren Spuren – und bringen die Fingerabdrücke ans Licht. Knaggs: „Es lässt sich ein breites Substanzspektrum zur
Visualisierung in das Gerät einspeisen, unter anderem auch fluoreszierende Substanzen.“ Bestrahlt mit Laser- oder UV-Licht beginnen
diese zu leuchten und machen die Spuren sichtbar. Das ADROIT™System macht die Arbeit der Kriminalisten viel effizienter, denn das
lästige manuelle Auftupfen, Besprühen oder Bepinseln mit Chemikalien entfällt. „Dies ist ein großer
Vorteil, weil dabei die Abdrücke oft beschädigt werden“, erklärt Knaggs. Einen ersten Prototypen des
Systems hat der Erfinder zunächst auf eigene Faust
in der heimischen Garage entworfen – bis ihm seine
Frau die Versuchswerkstatt untersagt hat.
Doch Knaggs war von seiner Innovation überzeugt; mit seinem Team führte er seine Entwicklung in den Linde-Labors weiter. Um die Technik an
die Anforderungen der Ermittler anzupassen, arbeiteten die Ingenieure auch eng mit Spezialisten des Kriminalistiklabors der US-Armee
(US Army Criminal Investigation Laboratory – USACIL) zusammen. Die
Ermittler prüften die Technik und verglichen das neue Verfahren mit
den besten gängigen Methoden. Das Ergebnis: Das ADROIT™-System
macht Fingerabdrücke mindestens genauso gut oder besser sichtbar,
kommt aber ohne giftige Lösungsmittel aus. Selbst schwer zu untersuchende Oberflächen wie Thermopapier lassen sich mit der neuen
Technologie untersuchen: Diese Papiersorte wird unter anderem für
Mehr effizienz
beim Spurensuchen: Kein
Bepinseln und
aufsprühen.
Kriminalistik // LINDE TECHNOLOGY #1.12
13
Flugtickets, Quittungen oder Faxe verwendet. Es besitzt eine wärmeempfindliche Beschichtung, die sich durch Hitze schwarz färbt. Für
Kriminalisten eine Herausforderung, denn das Papier verfärbt sich
auch beim Kontakt mit Lösungsmitteln. Beweisspuren gehen so verloren. Der Vorteil des Linde-Verfahrens: Fingerabdrücke lassen sich
bei Raumtemperatur entwickeln und die temperaturempfindliche
Schicht wird nicht angegriffen. Auch DNA-Spuren oder Drogenrückstände bleiben unversehrt.
Analysen archivieren und weltweit austauschen
Basierend auf den Prüfergebnissen der USACIL-Experten optimierten
die Linde-Ingenieure ihre Technologie: „Wir konnten so das Verfahren hinsichtlich Ergonomie, Abmessungen und Prozessgeschwindigkeit verbessern“, sagt Knaggs. Auf der Tagung der American Academy of Forensic Sciences (AAFS) Anfang 2012 wurde das System
erstmals der Fachöffentlichkeit vorgestellt. „Es gab sehr gute Resonanz von den Fachleuten, die in unserer Entwicklung eine innovative Technologie sehen“, so der Linde-Experte. FBI, US-Armee und
die deutsche Bundespolizei zeigten bereits reges Interesse.
Das im ADROIT™-System integrierte Computersystem erleichtert
den Ermittlern zusätzlich die Arbeit. Die Kriminalisten können beispielsweise feste Prozessabläufe programmieren: Wiederkehrende
Untersuchungen lassen sich routinierter durchführen – das garantiert
Reproduzierbarkeit und gleichbleibende Qualität. Ein weiterer Praxisnutzen: Das System besitzt eine Netzwerkschnittstelle, die eine Fernüberwachung per Internet und das Abspeichern einzelner Analysen
ermöglicht. Ermittlungsteams, die weltweit und mit mehreren Systemen arbeiten, können ihre Prozessabläufe so besser übertragen und
aktualisieren. Die Entwicklung von Linde erweitert den Werkzeugkasten der Kriminalisten um ein vielversprechendes Instrument. Für
Verbrecher wird es künftig schwieriger, ihre Spuren zu verwischen.
Verräterische Hautrillen
Linienende
Pore
Kreuzung
Kern
Insel
Gabelung
Delta
Fingerabdrücke unterscheiden sich in der
Beschaffenheit und
Anordnung der Grate.
Diese Merkmale heißen
Minutien. 150 verschiedene sind insgesamt
bekannt. Die individuelle Rillenbildung der
Haut geschieht bereits
im Mutterleib.
LINK:
www.interpol.int/INTERPOL-expertise/Forensics/Fingerprints
Kurzinterview
„Selbst Zwillinge haben individuelle Fingerabdrücke“
Linde Technology sprach mit
Alexandra Herrmann-Tamm,
Kriminalhauptkommissarin
beim Bundeskriminalamt in
Wiesbaden über die Spurensicherung am Tatort.
↳ Welche Bedeutung haben Fingerabdrücke für
Kriminalfälle in Zeiten von DNA-Tests?
Beides ist wichtig. Sämtliche Informationen – auch Werkzeugspuren, Fasern oder Mikrostäube – und natürlich die
Aussagen von Personen müssen von den Ermittlern, der
Staatsanwaltschaft und den Gerichten interpretiert werden.
Denn eine DNA-Spur bedeutet nicht zwingend, dass die
identifizierte Person der Täter ist oder überhaupt am Tatort
war: DNA-Material kann leicht verschleppt werden – Fingerabdrücke nicht. Ein weiterer Pluspunkt für die Daktyloskopie, also den Methoden zur Sicherung und Auswertung von
Fingerabdrücken: Selbst eineiige Zwillinge sind individuell
unterscheidbar, obwohl ihre DNA-Profile identisch sind.
↳ Wie lange dauert das Sichern von Fingerabdrücken?
Das hängt vom Spurensicherungsmittel, dem Spurenträger
und Folgeuntersuchungen ab. Arbeitet man etwa mit Rußpulver und Folienabzug auf nicht saugenden Oberflächen wie
Glas oder Metall, ohne auf andere Spuren achten zu müssen, lässt sich ein Abdruck in Minuten sichern. Saugende
Oberflächen wie beispielsweise Papier können mehr Zeit
brauchen. Vor allem, wenn noch mögliche DNA-Anhaftungen oder weitere Spuren berücksichtigt werden müssen.
↳ Und Was sind die gröSSten Herausforderungen?
Die Abdrücke überhaupt sichtbar zu machen. In den meisten
Fällen weiß man nicht, ob daktyloskopische Spuren auf
Beweismitteln vorhanden sind. Zudem dürfen die Spurensicherer keine Spur beschädigen. Sehr schwierige Materialien
sind Styropor, bestimmte Metalle und Fingerspuren, die in
Verbindung mit Blut auftreten. Aber auch feuchte Oberflächen und Geldscheine sind eine Herausforderung. Die
Methoden werden deshalb permanent verfeinert und die
Analytik verbessert. In Versuchen gelang es beispielsweise
sogar, daktyloskopische Spuren auf Haut zu sichern.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Titelthema
14
Neue Wege für Mehr Effizienz und Klimaschutz
Energien
aus der Erde
Auf Kohle und Erdgas kann unsere Industriegesellschaft in absehbarer Zeit nicht verzichten.
Moderne Anlagen- und Gasetechnologien von Linde helfen weltweit dabei, die Nutzung fossiler
Rohstoffe effizienter und klimafreundlicher zu machen.
GROSSBRITANNIEN
CCS-TECHNOLOGIE
USA
Schiefergas
LKW fahren vermehrt mit Erdgas. Bei der Förderung und Aufarbeitung von unkonventionellem Erdgas sorgen Gasetechnologien
von Linde für mehr Effizienz. Seite 20
Kohlekraftwerke müssen klimafreundlicher werden. Mithilfe
des Oxyfuel-Verfahrens lässt
sich CO2 leichter aus dem Abgas
abtrennen und so besser
speichern. Seite 16
Titelthema // LINDE TECHNOLOGY #1.12
15
DEUTSCHLAND
Rauchgaswäsche
Für die Speicherung im Boden
muss CO₂ besonders rein sein.
Das gelingt mit dem LICONOX®Verfahren. Seite 24
SÜDKOREA
Kohlevergasung
Aus Kohle lässt sich
synthetisches Erdgas gewinnen.
Diese Umwandlung macht
die Nutzung des Rohstoffs umweltfreundlicher. Seite 26
KATAR
Gas-to-Liquids
Aus Erdgas lassen sich
flüssige Treibstoffe herstellen.
Das erfordert große Mengen
Sauerstoff, den acht Luftzerleger
von Linde liefern. Seite 30
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Kraftwerkstechnik
16
Kraftwerke im Wandel: Mithilfe der
CCS-Technologie lassen sich die CO₂Emissionen eindämmen. Das OxyfuelVerfahren und reiner Sauerstoff von
Linde helfen dabei, die Energie aus
Kohle klimafreundlich zu machen.
Titelthema: Energien aus der Erde
Kraftwerkstechnik // LINDE TECHNOLOGY #1.12
17
Bildquelle: John Zoiner/Getty Images
Autor: Henning Hochrinner
CCS-Technologie für kommerzielle Anwendung
↲↳
Klimaschutz
und Kohlekraft
Die Welt braucht klimafreundliche Kohlekraft. Eine Lösung: Das CO₂ aus
Kraftwerksabgasen abtrennen und im Erdboden speichern. Das Oxyfuel-Verfahren
ist dabei ein wichtiger Baustein. Jetzt planen Linde-Ingenieure zusammen mit
weiteren Industriepartnern das weltweit leistungsstärkste Oxyfuel-Kraftwerk in
Großbritannien – für die ersten Tests im kommerziellen Maßstab.
Technologien zur klimafreundlichen Kohlenutzung sind gefragter irdischen Lagerstätten gespeichert. Damit ließen sich bis zum Jahr
denn je. Denn die Rechnung ist einfach: Der weltweite Energiekon- 2050 etwa 20 Prozent der weltweit nötigen CO₂-Einsparungen erreisum steigt rasant. Nach Prognosen der Internationalen Energieagen- chen, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Auch Linde engagiert sich deshalb intensiv für die weitere Erprotur (IEA) verdoppelt sich der globale Bedarf bis 2050. Doch erneuerbare Energien können die steigende Nachfrage längst nicht decken. bung der CCS-Technologie. Zusammen mit den Kraftwerksspezialisten
Daher werden wir wahrscheinlich noch für Jahrzehnte auf fossile der französischen Firma Alstom und dem britischen KraftwerksbeBrennstoffe – vor allem Kohle – zur Stromerzeugung angewiesen sein. treiber Drax planen die CO₂-Manager von Linde derzeit den Bau einer
Um den Klimawandel hierdurch nicht weiter zu forcieren, müssen die innovativen Oxyfuel-Anlage in der Grafschaft North Yorkshire in EngCO₂-Emissionen der Kraftwerke dringend eingedämmt werden. Denn land. Mit 304 Megawatt Nettoleistung wird es das leistungsstärkste
in den westlichen Industriestaaten bildet Kohle heute noch das Rück- Oxyfuel-Kohlekraftwerk weltweit sein und klimafreundlichen Strom
für mehr als 900.000 Haushalte erzeugen. „Vergrat der Stromproduktion: In den USA stammten
glichen mit einem konventionellen Kraftwerk wer2011 noch etwa 42 Prozent des Stroms aus Kohleden wir jährlich zwei Millionen Tonnen CO₂ einkraftwerken, so die U. S. Energy Information Admisparen können, indem wir es in salinen Aquiferen
nistration. Selbst in Deutschland, dem Vorreiter
unter der Nordsee speichern“, sagt Beer. Die
bei erneuerbaren Energien, ist der Anteil ähnlich
Das geplante OxyfuelKraftwerk soll jährlich
Anlagenspezialisten von Linde bauen die Luftzerhoch. Auch in Asien setzt man auf Kohle: „Der einzwei Millionen Tonleger für das geplante Kraftwerk: Diese produziefachste Weg für Nationen wie China und Indien,
nen CO₂ einsparen.
ren täglich rund 6.300 Tonnen Sauerstoff. Denn
schnell und preiswert Strom zu produzieren, ist
bei der Oxyfuel-Technik wird die Kohle mit reinem
der Bau neuer Kohlekraftwerke. Der Brennstoff ist
günstig, meist vor Ort vorhanden und die Länder verfügen über das Sauerstoff statt Luft verbrannt. Der Vorteil: Das Rauchgas besteht
Know-how solche Kraftwerke zu bauen“, sagt Philip Beer, Direktor dann vor allem aus CO₂ und Wasserdampf – und das Kohlendioxid
lässt sich durch Abkühlen einfach abtrennen.
Clean Energy Europa bei Linde.
Das Kraftwerk in North Yorkshire wird ein wichtiges DemonstraEine Strategie, um die CO₂-Emissionen trotz wachsendem Energiehunger zu drosseln, ist die CCS-Technologie (CCS = Carbon Capture tionsprojekt für die CCS-Technologie werden – und auch für das Oxyand Storage): Kohlendioxid, das bei der Kohleverbrennung entsteht, fuel-Verfahren: Denn bislang gibt es lediglich kleinere Pilotprojekte,
wird im Kraftwerk abgetrennt, gereinigt und anschließend in unter- wie die von Vattenfall betriebene Oxyfuel-Anlage im Industriepark
GrossBritannien
Titelthema: Energien aus der erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Kraftwerkstechnik
18
Schwarze Pumpe in Brandenburg mit 30 Megawatt thermischer Leistung.
Auch dort hat Linde zahlreiche Komponenten geliefert und das Konzept für den Gesamtprozess entwickelt. „Für die Zukunft ist es wichtig,
die Technologie schrittweise in den großtechnischen Maßstab zu
übertragen, um sie insgesamt weiter zu verbessern“, erklärt CCSExperte Beer. Und das Kraftwerk in North Yorkshire ist der nächste Ent-
Wo am meisten Kohle konsumiert wird
Anteile der Regionen am weltweiten
Kohleverbrauch
67,1%
15,6%
0,7 %
0,2% 13,7%
2,7%
Quelle: BP Review of World Energy 2011
•
•
•
••
•
Asien/Pazifik
Nordamerika
Süd- & Zentral-
amerika
Europa & Eurasien
Mittlerer Osten
Afrika
Kraftwerksfutter: Die mit Kohle versorgte Anlage des britischen Betreibers
Drax (oben) zählt zu den effizientesten weltweit. In der Grafschaft
North Yorkshire, England, wird jetzt der Bau einer innovativen OxyfuelAnlage inklusive CO₂-Abtrennung (rechts) geplant – und damit eines
der wichtigsten CCS-Demonstrationsprojekte.
wicklungsschritt: „Die erste CCS-Demonstrationsanlage im kommerziellen Maßstab“, sagt Beer. Ist das Projekt erfolgreich, soll die Implementierung in einem Großkraftwerk der Gigawatt-Klasse folgen.
„Um aus den unterschiedlichen CCS-Technologien die beste auswählen zu können, müssen sämtliche Verfahren in der Praxis im mittleren Maßstab von bis zu 300 Megawatt getestet werden“, erklärt
Dr. Bernd Holling, Direktor Geschäftsentwicklung Clean Energy und CCS
bei Linde. Denn nur durch den Praxistest lassen sich Oxyfuel-Verfahren,
Pre-Combustion- oder Post-Combustion-Verfahren wirklich vergleichen.
Die Technologien verfolgen zwar allesamt das gleiche Ziel: den CO₂Ausstoß zu senken. Aber sie haben jeweils völlig unterschiedliche Ansätze. Beim Pre-Combustion-Verfahren wird die Kohle vor der Verbrennung zuerst vergast und mit einer CO₂-Abtrennung kombiniert.
Das geschieht im so genannten IGCC-Prozess (Integrated Gasification
Combined Cycle). Verbrannt wird anschließend reiner Wasserstoff. Die
Post-Combustion-Technik hingegen entfernt das Kohlendioxid erst
nach dem Verbrennen. Verschiedene Prozesse befreien das Rauchgas
schrittweise von Verunreinigungen, bevor das CO₂ eingefangen wird.
Verglichen mit einem Oxyfuel-Kraftwerk ist diese Reinigung aufwendiger, weil die Verbrennungsabgase mehr Schadstoffe enthalten.
Für die Erprobung der CCS-Technik ist der Standort in North Yorkshire gut geeignet. Denn das abgetrennte Kohlendioxid kann einfach per Pipeline zur Küste und auf die offene See weitergeleitet
werden, wo es dann im Nordseeboden gespeichert wird. „Verglichen
mit anderen Ländern sind die geografischen Bedingungen in Großbritannien optimal. Es müssen in der Regel nur kurze Strecken bis zur
Küste überbrückt werden“, erklärt Beer. Ein weiterer Vorteil: Die politischen Rahmenbedingungen auf der Insel sind eindeutig, denn alle
neu gebauten Kohlekraftwerke müssen künftig mit CCS-Technik ausgestattet werden.
Titelthema: Energien aus der Erde
Mehr Demonstrationsprojekte für die Industrie
In einigen anderen Ländern, die auch keinen direkten Zugang
zur See haben, ist die CO₂-Speicherung teilweise ein strittiges
Thema: Gegen die unterirdische Speicherung am Festland gibt es
Widerstände. Wichtige CCS-Demonstrationsprojekte können deshalb
nicht realisiert werden. Gründe für die Ablehnung sind Befürchtungen, dass unterirdische Speicher das Kohlendioxid nicht sicher fixieren
oder durch die CO₂-Verpressung in salinen Aquiferen Salzwasser
ins Grundwasser gelangen könnte. Forschungsergebnisse haben
diese Bedenken allerdings nicht bestätigt: Das Geoforschungszentrum Potsdam erprobt die Technik bereits seit Juni 2008 im Rahmen
des Projekts CO₂MAN (früher CO₂SINK). Am Standort Ketzin werden
dafür pro Stunde 1,5 Tonnen Kohlendioxid durch armdicke Rohre in
tiefer liegende Gesteinsschichten geleitet. Linde liefert hierfür das
nötige Kohlendioxid sowie Technologie zur Zwischenspeicherung
und Verpressung des Gases. Am Standort gewährleisten undurchlässige Schichten aus Gips und Ton, dass der CO₂-Speicher wie in einer
Käseglocke abgekapselt bleibt. Kritiker bemängeln, dass die gespeicherten Mengen in Ketzin zu gering sind, um auf die Anwendung
im großen Maßstab schließen zu können. Deshalb müssen künftig
auch Projekte im industriellen Maßstab folgen, um die Speicherung
weiter zu erproben – ähnlich dem Projekt in Großbritannien.
Es gibt allerdings weitere Hürden für die Einführung der klimafreundlichen Kraftwerkstechnik: „Die CO₂-Abtrennung und -Speicherung erfordert große Investitionen in die Technik und sie senkt auch
die Effizienz eines Kraftwerkes“, erklärt Beer. Unabhängig vom eingesetzten CCS-Verfahren verbrauchen die zusätzlich dafür benötigten Anlagen Energie, um das CO₂ einzufangen. Ein Kohlekraftwerk
verliert deshalb nach heutigem Stand der Technik etwa zehn Prozent an Wirkungsgrad. Viele Kraftwerksbetreiber stehen der CCSTechnik aus diesem Grund zögerlich gegenüber. Programme wie die
NER-300-Förderung durch die Europäische Union sind darum sehr
wichtig für die Weiterentwicklung der CCS-Verfahren. Auch Linde hat
sich gemeinsam mit den Partnern Alstom und Drax mit dem OxyfuelKraftwerk-Projekt in England für die Förderung beworben. Das Projekt
wird derzeit von der EU geprüft. Bekommen die Industriepartner den
Zuschlag, verpflichten sie sich auch für ein langfristiges Engagement
in Sachen umweltfreundliche Stromproduktion: Denn mit Inanspruchnahme der Förderung müssen die Betreiber die CO₂-Abtrennung und
-Speicherung für mindestens zehn Jahre fortführen. Läuft alles nach
Plan, könnte das Kraftwerk ab 2017 ans Netz gehen.
Der Aufwand zur Entwicklung der CCS-Technologie ist hoch, aber
er lohnt sich: „Kohlekraftwerke und Industrieverbraucher stoßen
signifikante CO₂-Mengen an einem Ort aus. Damit sind sie viel wirkungsvoller mit klimafreundlicher Technik auszustatten als andere
Emittenten“, erklärt Beer. Der Aufwand, um bei Privathaushalten
oder im Straßenverkehr die Emissionen vergleichbar zu reduzieren,
wäre viel höher. Mit CCS bedeutet ein steigender Energiebedarf nicht
automatisch mehr CO₂-Emissionen – und das ist gut fürs Klima.
LINK:
w
ww.draxgroup.plc.uk
Kraftwerkstechnik // LINDE TECHNOLOGY #1.12
19
Kurzinterview
„Die CO₂-Emissionen müssen
reduziert werden“
Linde Technology sprach mit Dr.
Bernd Holling, Experte für Carbon
Capture and Storage (CCS) bei
Linde, über die Vorteile, Projekte
und die Zukunft der CCS-Technologie.
↳ Warum setzen Sie auf die CCS-Technologie?
Nimmt man den Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung
und Treibhausgasemissionen ernst, muss der CO₂-Ausstoß
begrenzt werden. CCS-Technologien kosten zwar Energie,
aber der Nutzen überwiegt das Risiko des Nicht-Handelns.
Die Industrienationen haben bei der Umsetzung eine wichtige Vorbildfunktion. Ohne ihre Anstrengungen wird sie sich
nicht durchsetzen – das wäre für die Klimafolgen fatal.
↳ Welches Verfahren ist das Beste?
Das lässt sich leider noch nicht abschließend beurteilen:
Oxyfuel-Kraftwerke haben durch die höhere Temperatur
einen etwas höheren Wirkungsgrad bei der Verbrennung –
das ist ein Vorteil. Das Post-Combustion-Verfahren hingegen
kann bisher als einzige Technologie auch bei bestehenden
Kraftwerken nachgerüstet werden. Generell gilt, dass alle
drei Technologien – Oxyfuel, Post- oder Pre-Combustion –
die Kraftwerkseffizienz senken. Für die abschließende Beurteilung sind Demonstrationsanlagen wie in Großbritannien
immens wichtig. Denn nur in der Praxis lassen sich die Technologien wirklich vergleichen.
↳ Welche weiteren CCS-Projekte gibt es bei Linde?
Neben dem geplanten Oxyfuel-Kraftwerk in Großbritannien engagieren wir uns beispielsweise bei einer Pilotanlage des italienischen Energiekonzern ENEL SpA, um abgetrenntes CO₂ aufzureinigen, zu verflüssigen und zu lagern.
Die Anlage entsteht bei Brindisi in Apulien. Unterstützt vom
U. S. Department of Energy bauen wir zudem eine CCS-Pilotanlage in Wilsonville, Alabama. Ab 2014 sollen dort innovative Verfahren für die CO₂-Wäsche bei der Post-CombustionTechnik getestet werden. Die Anlage soll mindestens 90 Prozent des CO₂ entfernen, die Energiekosten sollen aber lediglich um 30 Prozent steigen.
Titelthema: Energien aus der erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Schiefergas
20
Treibstoff
aus der Tiefe
Mobilität erfordert Energie. Noch basieren Kraftstoffe auf Erdöl, aber der schwindende Rohstoff
lässt sich ersetzen – zum Beispiel durch Erdgas. In Nordamerika werden LKW verstärkt mit Flüssigerdgas angetrieben. Das Land besitzt riesige Schiefergas-Vorkommen. Linde-Technologien helfen
bei der Förderung und Aufarbeitung. Auch bei der eigenen Truck-Flotte setzt man auf LNG.
Sie sind die wahren Könige der Straße: amerikanische Trucks. Ihre Welt 700 Trucks integriert. Sie sollen ab dem dritten Quartal 2012 über
sind die endlosen Asphaltbänder der Interstates – den Superauto- die amerikanischen Straßen rollen, um nordamerikanische Kunden
bahnen der USA. Im Bauch riesiger Sattelschlepper wird Holz von mit Flüssiggasen zu beliefern. „Ein weiterer Vorteil ist, dass die LNGder Ost- an die Westküste transportiert, und auf der Rückfahrt reisen Trucks mehr als 500 Kilogramm leichter sind als dieselbetriebene FahrFrüchte und Gemüse mit. Fast 5.000 Kilometer zieht sich allein die zeuge. Deshalb können wir das Ladegewicht erhöhen“, erklärt Ed
Interstate 80 – von New York bis nach San Francisco. Dabei schlucken Windsor, zuständig für das Flottenmanagement bei Linde Nordamerika.
die Verbrennungsmotoren der Trucks Unmengen Diesel. Doch es gibt Auch für den Fahrer wird es komfortabler, denn die Maschinen
Alternativen: erdgasbetriebene Fahrzeuge – so genannte Natural Gas laufen deutlich leiser als die Variante mit Dieselantrieb. Bei einem
Vehicles, kurz NGV. Die Rohstoffsituation ist bei Erdgas im Vergleich zu Zehn-Stunden-Tag am Steuer bedeutet das eine enorme Erleichterung.
Erdöl weniger angespannt, mittlerweile ist es auch
Äußerlich erkennt ein Laie kaum den Unterschied
kostengünstiger. Und die NGVs bieten einen weitezwischen Diesel- und LNG-Truck. „Einzig die Kraftren Vorteil: „Erdgas verbrennt sauberer als Diesel.
stofftanks sehen unterschiedlich aus“, erklärt der
Das reduziert die CO₂-Emissionen um 20 Prozent,
Linde-Manager. „Diesel-Trucks besitzen einen SatSchwefel um 100 Prozent sowie NOX (Stickoxide) Schiefergas deckt inzwischen 23 Proteltank aus Aluminium, die erdgasbetriebenen Fahrum bis zu 70 Prozent – und auch die Partikelemis- zent des amerikanischen Energiezeuge sind mit einem Kryotank aus hochwertigem
sionen sind geringer“, sagt Earl Lawson, Vizepräsi- marktes ab. Bis 2035 sollen es nach
Edelstahl ausgerüstet“, so Windsor. Mit der neuen
Schätzungen der IEA 49 Prozent sein.
dent für Energielösungen bei Linde Nordamerika.
Truck-Flotte wird das Unternehmen selbst zum LNGAuch Linde setzt beim Antrieb der eigenen
Kunden. „Das bekräftigt einmal mehr unsere ÜberLKW-Flotte verstärkt auf verflüssigtes Erdgas, kurz LNG für Liquefied zeugung, dass LNG ein vorteilhafter Treibstoff ist, und wir damit einen
Natural Gas: In Süd-Kalifornien testete das Unternehmen während weiteren wichtigen Schritt in Sachen Nachhaltigkeit gehen“, sagt
eines Pilotprojekts bereits die Effizienz dreier LNG-Trucks, die flüssiges Lawson. Diese Ansicht teilt mittlerweile auch die Politik: US-Präsident
CO₂ im Ballungsgebiet von Los Angeles liefern. Das Ergebnis: Die Treib- Barack Obama sprach sich Ende Januar 2012 in seiner Ansprache zur
stoffkosten ließen sich mit den erdgasbetriebenen Trucks um 30 Pro- Lage der Nation für den Einsatz von Erdgas im LKW-Verkehr aus und
zent reduzieren. Ein wichtiger Faktor, denn die Linde-LNG-Trucks legen machte deutlich, dass er stärker auf Erdgas aus den USA setzt. Hinterpro Jahr etwa 50.000 Meilen zurück, das entspricht etwa 80.000 Kilo- grund ist, dass in den Vereinigten Staaten und Kanada in den letzten
metern. Mittlerweile hat Linde 20 weitere LNG-betriebene LKW Jahren große Gasvorkommen in Schiefergestein entdeckt wurden. Das
beschafft und setzt damit verstärkt auf den alternativen Kraftstoff. Die Schiefergas hat eine regelrechte Goldgräberstimmung in der Energieneuen Fahrzeuge werden nach und nach in die Linde-Flotte mit über branche ausgelöst. Mit den neuen Lagerstätten sind die USA zum größten
USA
Autorin: Caroline Zörlein
B
ildquelle: Shuli Hallak/Corbis
Schiefergas: Basis für die LNG-Mobilität
↲↳
SchieferGAs // LINDE TECHNOLOGY #1.12
21
Rohstoffrausch: Durch die Schiefergas-Vorkommen sind die Vereinigten
Staaten zum weltgrößten Erdgasproduzenten aufgestiegen.
Titelthema: Energien aus der erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // SchieferGas
22
Erdgasproduzenten der Welt aufgestiegen – und haben sogar Russland überholt. Das Schiefergas deckt inzwischen etwa 23 Prozent des
amerikanischen Erdgasmarktes. Nach Schätzungen der Internationalen
Energiebehörde (IEA) sollen es bis 2035 sogar 49 Prozent werden.
Erdgasschätze effizienter heben
Aber der Gasschatz – kilometertief unter der Erdoberfläche – muss erst
aus dem Gestein befreit werden. Um diese so genannten unkonventionellen Vorkommen zu erschließen, nutzen Bergbaufirmen eine ausgeklügelte Technologie, das Hydraulic Fracturing. Dabei schraubt sich
ein Bohrer erst vertikal tausende Meter tief und dann horizontal in
mehrere Richtungen. Anschließend werden Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in das Bohrloch gepresst. Dadurch entstehen
künstliche Risse im Gestein, die das Erdgas befreien, sodass es gefördert werden kann. „Mittlerweile sind die Bohrkosten dramatisch
gesunken, und die Schiefergasgewinnung hat in den USA stark zugenommen“, erklärt Steve Bertone, Geschäftsführer von Linde Process
Plants, USA. „Beispielsweise ist die Anzahl der
Bohrpunkte im Marcellus Shale im Bundesstaat
Pennsylvania von fast Null im Jahr 2007 auf rund
1.400 im Jahr 2010 angestiegen“, so Bertone.
Auch Linde ist entlang der Wertschöpfungskette von der Förderung bis zur Reinigung des Schiefergases beteiligt: Vor allem
den hohen Wasserverbrauch wollten die Erdgasspezialisten reduzieren. „Die große Wassermenge ist nötig, um
ausreichend Risse zu erzeugen. Denn je größer die dadurch entstehende Oberfläche ist, desto mehr Schiefergas kann gefördert werden – und desto wirtschaftlicher ist der Prozess“, erklärt Robin Weir,
Managerin für Öl- und Gas-Technologie im Team Energielösungen bei
Linde Nordamerika. Dazu bietet Linde eine innovative Technologie
an: Die Experten versetzen die in den Boden gepumpte Flüssigkeit
mit den natürlichen Gasen Stickstoff oder Kohlendioxid. „Der Stickstoff wird flüssig geliefert, dann vor Ort verdampft und entweder als
reines Gas oder gemischt mit wässrigen Lösungen als Emulsion oder
Schaum in den Boden gebracht“, sagt Weir. Verflüssigtes CO₂ kann
direkt injiziert werden oder ebenfalls in Kombination mit wässrigen
Lösungen. Beide Gase reduzieren den Wasserverbrauch und erhö-
hen die Fördermengen. „Wie viel Erdgas letztlich gewonnen werden
kann, bestimmen Druck und Viskosität der eingebrachten Flüssigkeit“,
sagt Linde-Expertin Weir. Und diese Eigenschaften lassen sich über
den CO₂- bzw. N₂-Anteil sehr gut steuern. Ein weiterer Vorteil des
Gas-/Wasser-Mixes: Es entsteht weniger Abwasser. Zwar verbleibt
ein Teil der Flüssigkeit im Gestein, aber große Mengen werden nach
oben gespült und müssen in Spezialbecken gelagert und entsorgt
werden. Linde versorgt die Betreiber aber nicht nur mit den Gasen.
Das Servicepaket beinhaltet sowohl die professionelle Lagerung
der Gase vor Ort als auch Pumpen und Systeme zur Druckerhöhung,
bevor die Gase der Mischeinrichtung zugeführt werden. Eine Studie
über Schiefergaslagerstätten belegt die Vorteile des Verfahrens: In
der Nähe von Montney in der Provinz British Columbia im Westen
Kanadas lagern nach Schätzungen von Experten Erdgasvorräte
von über 1.400 Billionen Kubikmetern. Die Förderanlagen in diesem
Gebiet, die N₂ und CO₂ einsetzten, konnten deutlich mehr Gas produzieren und verbrauchten weniger Zusatzstoffe. „Allein die Wasserersparnis rechtfertigt den Einsatz“, so der Ingenieur Lyle H. Burke von der Beraterfirma RPS
Energy in Calgary, Kanada – und Koautor der
Studie. Zwar seien die Kosten der Technologie
nicht unerheblich, doch das kompensiere die
gesteigerte Fördermenge bei weitem.
Das freigesetzte Gas muss nach der Förderung oberirdisch weiterbehandelt werden,
damit Industrie- und Privatverbraucher den Rohstoff nutzen können.
„Das extrahierte Schiefergas enthält verschiedene Komponenten wie
Kohlendioxid, Methan, Ethan, Propan und Butan, aber auch schwerere
Kohlenwasserstoffverbindungen“, erklärt Bertone. „Das Rohgas wird
mithilfe etablierter Linde-Verfahren weiterbehandelt – unter anderem
komprimiert und kryogen gekühlt – um es in seine Bestandteile aufzutrennen.“ Produkte, beispielsweise Methan, werden dann zu Privatund Industriekunden geliefert, während die schweren Komponenten
(Ethan, Propan, Butan) von der chemischen und petrochemischen
Industrie weiterverarbeitet werden. Ein begehrtes Nebenprodukt der
Schiefergasvorkommen sind so genannte NGL (Natural Gas Liquids):
Diese bestehen aus Ethan und schweren Kohlenwasserstoffen und
bilden einen idealen Rohstoff für die Steamcracker der Petrochemie
Weniger Wasser,
mehr ertrag: GasWasser-Mix optimiert Förderung.
Titelthema: Energien aus der Erde
SchieferGas // LINDE TECHNOLOGY #1.12
23
Gesamtpotenzial Erdgas*
in Billionen Kubikmeter
11
5
63
5
38
27
19
26
131
10
55
59
15
Kumulierte Förderung:
(Welt gesamt: 95 Bill. m³)
Ressourcen konventionell
(Welt gesamt: 313 Bill. m³)
7
35
3
31
3
76
19
6
16
44
8
50
42
13
Ressourcen unkonventionell
(Welt gesamt: 217 Bill. m³)
Reserven
(Welt gesamt:192 Bill. m³)
* Quelle: DERA Rohstoffinformationen 2011
Die kumulierte Förderung bezeichnet die Erdgasmenge seit Förderbeginn. Ressourcen sind nachgewiesene, aber
technisch und/oder wirtschaftlich noch nicht gewinnbare sowie geologisch mögliche Erdgasmengen. Unter Reserven
versteht man nachgewiesene, zu heutigen Preisen und heutiger Technik wirtschaftlich gewinnbare Erdgasmengen.
zur Olefin-Produktion. Zudem besitzt das Flüssiggas einen deutlich
höheren Verkaufswert. Zur Rückgewinnung des wertvollen Rohstoffs bietet die Linde Engineering Division ein bewährtes Verfahren an: CRYOPLUS™, das mit einer Effizienz von bis zu 98 Prozent
arbeitet. Und die boomende Schiefergasexploration treibt den Markt
Erdgas für die Straße:
Um das Schiefergas zu fördern
(links), müssen künstliche
Risse in tiefen Gesteinsschichten erzeugt werden. Im
Tank von schweren Trucks dient
das aufbereitete Erdgas
als umweltfreundlicher Treibstoff (Mitte und rechts).
an: In weniger als einem Jahr bekam Linde Process Plants den Auftrag für drei Flüssiggas-Rückgewinnungsanlagen im Williston-Becken
sowie für eine Anlage im Anadarko-Becken. „Durch die Schiefergasvorkommen sind die USA unabhängiger von ausländischem Erdöl
geworden“, erklärt Lawson. „Die LNG-Produktion schafft auch neue
Jobs vor Ort – das kurbelt die Wirtschaft in der Region an.“ Erdgas ist
von allen fossilen Brennstoffen die sauberste Option und kann somit
auf dem Weg in eine CO₂-arme Energiezukunft von großer Bedeutung sein. Damit die Trucks künftig durchs ganze Land rollen können, ist aber eine Infrastruktur für LNG-Produktionsanlagen und LNGTankstellen nötig. Lawson: „Mittlerweile gibt es offensive Pläne,
dieses Versorgungsnetz zu verbessern.“ Denn LNG dient nicht nur
als Kraftstoff für LKW, sondern kann Diesel in vielen Anwendungen
ersetzen: in der Schifffahrt, auf der Schiene oder bei der Energieerzeugung. Die Rohstoffquelle ist vorhanden – jetzt muss sie effizient
genutzt und verteilt werden.
LINK:
www.eia.gov
Titelthema: Energien aus der Erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Oxyfuel-Verfahren
24
Kraftwerksabgase effizient abtrennen
S trategie für
r
eines Rauchgas
Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken lässt sich im Boden speichern oder für
chemische Prozesse verwenden. Dazu muss das Gas möglichst sauber sein.
Linde hat ein effizientes Verfahren entwickelt, das Schwefel- und Stickstoffverbindungen herausfiltert – und die Kohlekraft umweltfreundlicher macht.
Um Energie aus Kohle weitgehend klimaneutral zu erzeugen, bleibt
nur ein Ausweg: Kraftwerke benötigen ein Verfahren, das Kohlendioxid in möglichst reiner Form aus dem Abgasstrom abtrennt. Erst
dann lässt es sich in geeigneten Bodenstrukturen speichern oder
für industrielle Prozesse nutzen. Mittlerweile gibt es bereits marktreife CCS-Kraftwerkskonzepte (CCS = Carbon Capture and Storage) –
und dabei ist die Gewinnung von reinem CO₂ der Schlüsselschritt.
Das etablierte Oxyfuel-Verfahren bietet dafür eine vielversprechende
Lösung: Denn hierbei wird die Kohle nicht mit Luft verbrannt, wie
beim klassischen Kohlekraftwerk, sondern mit reinem Sauerstoff. Der
Vorteil: Der Abgasstrom ist deutlich geringer, da der Stickstoffanteil
aus der Luft entfällt. Bereits seit mehreren Jahren wird das Verfahren
im Vattenfall-Kraftwerk Schwarze Pumpe in Brandenburg getestet.
Drei Abgassorten auf einen Streich
Aber auch das Oxyfuel-Abgas muss nachbehandelt werden: Bei
der Verbrennung entstehen geringe Schadstoffmengen – vor allem
Schwefeldioxid und Stickoxide. Die Abgasreinigung ist fundamental,
denn für die Verpressung von CO₂ in geologische Formationen gelten
hohe Reinheitsstandards: So darf das Kohlendioxid eine Verunreinigung von höchstens 100 ppm (parts per million) aufweisen: In einer
Million CO₂-Moleküle dürfen also nur 100 Fremdmoleküle sein.
„Zwar werden Stickoxide und Schwefeldioxid schon seit rund
30 Jahren aus dem Abgas von Kohlekraftwerken gefiltert, weil sie in
der Atmosphäre sauren Regen bilden. Das ungiftige aber klimaschädliche Kohlendioxid entweicht hingegen bislang“, erklärt Dr. Roland
Ritter, Verfahrenstechniker bei der Linde Engineering Dresden GmbH.
Die Abtrennung aller drei Abgasbestandteile – also Schwefeldioxid,
Stickoxide und Kohlendioxid – ist neu. Dass eine Rauchgasreinigung
im Dreierpack möglich ist, haben inzwischen Forschergruppen weltweit gezeigt. Und die Linde-Ingenieure sind bereits einen Schritt
weiter: Seit 2008 läuft im Kraftwerk Schwarze Pumpe eine OxyfuelPilotanlage des Kraftwerksbetreibers Vattenfall, die alle drei Komponenten sauber abtrennt und als Nebenprodukte Gips, Pflanzendünger
und reines Kohlendioxid produziert. LICONOX® heißt das neu entwi-
Waschstationen für Abgase
CO₂Verpressung
DeNoxEinheit
Kondensator
Elektrische
Arbeit
Kessel
CO₂Verdichter
Brennstoff
Entstaubung
Entschwefelung
Kühler
und Kondensator
Sauerstoff
Rauchgasrückführung
Kesselasche
Flugasche
Gips
Wasser
Autor: Tim Schröder
↳ Bildquelle: Linde AG
Titelthema: Energien aus der Erde
↲
Oxyfuel-Verfahren // LINDE TECHNOLOGY #1.12
25
wandelt sich das NO in Gegenwart von Sauerstoff von selbst in
NO₂ um – ganz ohne Ozon. „Für die CO₂-Verpressung muss man das
Kraftwerksabgas ohnehin verdichten. Es bietet sich an, die Stickoxide unter höherem Druck zu entfernen“, erklärt Ritter. Labortests
bestätigten die Idee der Linde-Experten: Wie erwartet verwandelte
sich NO bereits bei 10 bar in das reaktionsfreudigere NO₂. Gaben
die Forscher dann die Ammoniaklösung hinzu, bildeten sich Ammoniumnitrat und -nitrit. „Das ist nichts anderes als die Basis für flüssigen Blumendünger“, sagt Ritter. Aus Kraftwerksabgasen entsteht
ein nutzbares Produkt. Die Forscher gingen noch weiter. Es gelang
ihnen, gezielt Ammoniumnitrit herzustellen. Der Vorteil: Es wandelt
sich durch Erwärmen in harmlosen Stickstoff um. Die Tests zeigten
deutlich, dass sich das Prinzip der kalten DeNOX verwirklichen lässt.
Nach den erfolgreichen Laborversuchen wurde dann eine große Testanlage gebaut, die Oxyfuel-Pilotanlage mit integrierter Gaswäsche in
Schwarze Pumpe, die seit Mitte 2010 reibungslos arbeitet.
Aber die Linde-Experten mussten noch eine zweite Baustelle in
Angriff nehmen: Schwefeloxide, die auch aus dem Abgas entfernt
werden müssen. Die neue Oxyfuel-Pilotanlage setzt dabei auf eine
altbewährte Technik: In klassischen Kohlekraftwerken filtert man das
schwefelhaltige Gas durch das Beregnen mit Kalkmilch heraus. Bei
Vorstufe für Verpressung: Die Oxyfuel-Pilotanlage mit integrierter Rauchdieser Reaktion entsteht hochreiner Gips, der bereits seit vielen Jahren
gaswäsche im Kraftwerk Schwarze Pumpe liefert hochreines CO₂.
in der Bauindustrie eingesetzt wird. Eine entsprechende Rauchgasentschwefelungsanlage arbeitet auch in Schwarze Pumpe. Anders als
in herkömmlichen Kraftwerken, befindet sich die Entschwefelungsanckelte Verfahren. Es steht für „Linde Cold Denitrification“, wobei NOx lage vor dem so genannten Entstickungsmodul, also der Abtrennung
das chemische Symbol für Stickoxide darstellt. „Unser Konzept hat der Stickoxide. Damit ist das Rauchgas schon abgekühlt, wenn es in
eine Reihe von Vorteilen gegenüber herkömmlichen und alternativen den Verdichter der DeNOx-Stufe fließt. „Daher kommt das Wort ‚cold’
Rauchgasreinigungs-Verfahren“, betont Ritter, der das Verfahren bei in unserem LICONOX®-Verfahren“, erklärt Ritter. Zwar sind inzwischen
Linde mitentwickelt hat. Bei der klassischen Entstickung in her- alternative Reinigungsmodule auf dem Markt, die das Rauchgas
kömmlichen Kohlekraftwerken werden die Stickoxide aus dem rund gleichzeitig von Stick- und Schwefeloxiden befreien. Aber: „Die Gase
350 Grad Celsius heißen Abgas abgetrennt, sobald es die Brennkam- werden dabei mit Wasser ausgewaschen, sodass Schwefel- und Salmer verlässt und ein Teil der Wärme abgeführt wurde. Das Gas strömt petersäure entsteht“, sagt Ritter. Das saure Abwasser greift Leitungen
in einem großen Turm durch eine Art Schüttgut. Dieses Material wirkt und Behälter an und muss zudem aufwendig entsorgt werden.
wie ein Autokatalysator. Zugleich wird über Düsen eine Ammoniak- Pflanzendünger und Ammoniumsalze, wie sie das Linde-Verfahren
erzeugt, sind dagegen nützliche Produkte.
lösung in den Turm geleitet. „Das Ammoniak
Die Ingenieure sind deshalb überzeugt von
reagiert dabei am Katalysator mit den Stickihrer Lösung, die inzwischen Marktreife
oxiden zu harmlosem Stickstoff“, erklärt der
Der CO₂-Abscheidegrad der
erlangt hat. Die Entstickung bei hohem Druck
Linde-Experte. Der Nachteil: Da die Abluft aus
Oxyfuel-Anlage von Vattenfall
beträgt mehr als 90 Prozent.
hat noch einen Vorteil: „Weil das Gas bei
der Brennkammer sehr viel Staub enthält, seteinem Druck von 20 Bar stark komprimiert
zen sich die Katalysatoren immer wieder zu
wird, kann die Anlage sehr viel kleiner ausgelegt werden – das verund müssen ausgetauscht werden – ein teurer Prozess.
Eine besondere Herausforderung ist die Entstickung (DeNOx) vor ringert die Baukosten“, erklärt der Linde-Experte.
allem, wenn das Rauchgas geringe Temperaturen hat und nicht unter
„Auch die hohen Reinheitsstandards für die CO2-Verpressung
Druck steht. In diesem Fall lässt sich Stickstoffmonoxid (NO) nur mit- erreichen wir mit der LICONOX®-Anlage spielend“, sagt Ritter. Zudem
hilfe von Ozon entfernen, indem es zu Stickstoffdioxid (NO₂) oxidiert übertrifft die Technologie die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen
wird. Diese Verbindung lässt sich dann durch eine Wasserwäsche aus Abgaswerte – und bleibt rund 50 Prozent unter dem Grenzwert. Und
dem Rauchgas abtrennen. Der Nachteil: Ozon ist teuer. Ritter und damit ist man bei Linde sogar für künftige, noch strengere Abgasseine Kollegen entwickelten eine effizientere Strategie, die ohne werte gewappnet.
teure Katalysatoren und Ozon funktioniert. Dabei helfen ihnen die
Bedingungen, die für die CCS-Technologie notwendig sind: Das CO₂
soll künftig bei einem Druck von rund 100 bar in den Untergrund LINK:
gepresst werden. Bei hohem Druck laufen chemische Reaktionen oft www.vattenfall.de/de/klimaschutz-ccs.htm
viel besser ab – und das gilt auch für die Stickoxide. Schon bei 10 Bar
DeutschLand
Titelthema: Energien aus der erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Synthetisches Erdgas
26
S ynthetisches
Erdgas aus Kohle
Die Industrie der asiatischen Schwellenländer wächst – und der Import von Energierohstoffen
wie Erdgas wird immer teurer. Jetzt setzt Südkorea verstärkt auf günstigere Kohle, die sich dank
Kohlevergasungstechnologie in synthetisches Erdgas (SNG) umwandeln lässt. Linde arbeitet
zusammen mit dem dänischen Unternehmen Haldor Topsøe an einer ersten Anlage dieser Art.
Sie soll ab 2013 unter anderem eines der größten Stahlwerke im Land mit SNG versorgen.
Stahl ist unverzichtbar für die Industriegesellschaft: Der Werkstoff Erdgas pro Jahr versorgen. Der Kernprozess der Synthesegasaufbereibildet das tragende Skelett von Hochhäusern, aus Stahlblechen ent- tung basiert auf Technologien von Linde und dem dänischen Unterstehen Autos, und jedes Jahr transportieren stählerne Ozeanriesen nehmen Haldor Topsøe. Für Claude Keller, Projektleiter bei der Linde
eine Milliarde Tonnen Fracht über die Meere. Doch die Stahlerzeu- Engineering Division, ist das Vorhaben einzigartig: „Die Anfordegung benötigt enorme Mengen Energie. Südkorea zum Beispiel – rungen an die Reinheit des Gases sind besonders hoch.“ Und das
eine der großen Schiffbaunationen – muss für die Befeuerung seiner Projekt verlangte aufgrund der hohen Komplexität eine sehr enge
Stahlschmelzen jedes Jahr hunderttausende Tonnen Erdgas importie- Kooperation mit den Dänen. „In dieser Technologiepartnerschaft
ren. Um die Kosten für Energierohstoffe zu senken, besinnt sich die haben wir von Anfang an gemeinsam geplant und so einen effiziIndustrie Südkoreas auf einen fossilen Energieträenten und zuverlässigen Produktionsprozess entger, der deutlich günstiger aus China oder Austrawickeln können“, sagt Keller.
lien importiert werden kann: Kohle.
Das Unternehmen Haldor Topsøe ist verantLange blieb der schwarze Brennstoff für die
wortlich für die Methanisierung anhand des so
500.000 Tonnen Erdgas
alternative Erdgaserzeugung unbeachtet. Bisher
genannten TREMP™-Prozesses (Topsøe Recycle
jährlich soll die
existiert weltweit nur eine Anlage dieser Art. Doch
Methanation Process). In diesem Verfahren wird
Kohlevergasungsanlage
Kohle lässt sich mittlerweile dank moderner Techdas zuvor aufbereitete Gas (Synthesegas), das
künftig erzeugen.
nik auf umweltfreundlichem Wege in hochreines
aus der Kohle gewonnen wird, an einem Katasynthetisches Erdgas umwandeln – in so genanntes Synthetic Natural lysator in den Erdgasbrennstoff Methan umgewandelt. Linde liefert
Gas (SNG). Die Anforderungen der Koreaner sind hoch: Das Gas aus für die SNG-Anlage die Aufbereitung und Reinigung des schmutzigen
Kohle soll „Pipeline-ready“ sein, sich also direkt ins Versorgungsnetz Gasgemischs, das hauptsächlich aus den Prozesseinheiten Wassereinspeisen lassen. Entsprechend darf es keine Verunreinigungen gas-Shift, Rectisol® und Schwefelrückgewinnung besteht. Das Gasenthalten und muss einen ebenso hohen Brennwert einhalten wie gemisch entsteht im ersten Schritt – der Vergasung der Kohle – und
natürliches Erdgas. Zusammen mit dem dänischen Unternehmen Hal- enthält Wasserdampf, eine Mischung aus Wasserstoff, Kohlenmodor Topsøe haben Verfahrenstechniker von Linde diese Herausfor- noxid, Kohlendioxid und allerlei Verunreinigungen wie Schwefelderungen angenommen. Derzeit entsteht in der südkoreanischen und Kohlenstoffverbindungen. „Unser Job ist es, daraus sauberes
Hafenstadt Gwangyang eine erste SNG-Anlage, die den schwarzen Synthesegas zu gewinnen und dieses in dem richtigen KonzentraRohstoff in leichtes Erdgas verwandelt. Gebaut wird die Anlage vom tionsverhältnis in die Methanisierungsstufe einzuspeisen“, erklärt
Stahlproduzenten Posco. Sie soll ab Ende 2013 als alternative Erd- Keller. Eine schwierige Aufgabe: „Wir dürfen dabei im Verhältgasquelle dienen und hauptsächlich Stahlwerke mit 500.000 Tonnen nis nur minimal abweichen, um letztendlich den Brennwert des
SüdKorea
Autor: Tim Schröder
B
ildquelle: Cameron Davidson/Corbis
Alternative Energiequellen: Südkorea setzt auf Kohlevergasung
↲↳
Kohle in
Wartestellung:
Südkorea verfügt nur über
geringe Rohstoffvorkommen und
Bodenschätze.
Die Energiewirtschaft ist stark
von Kohleimporten abhängig.
Titelthema: Energien aus der erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Synthetisches Erdgas
28
Kohle Vergasen – Erdgas gewinnen
Synthesegas
Pipeline
Methanisierung
SNG
Stahlwerk
Luftzerlegung
Kohlevergasung
Schwefelrückgewinnung
Sauerstoff
Kohle
WassergasShift-Einheit
Rectisol®Einheit
Schwefel
Hochreines CO2
Kohleförderung
Schlacke
SNG zu garantieren. Das ist eine besonders große Herausforderung
angesichts möglicher Schwankungen beim Rohstoff Kohle“, so Keller.
Wie das natürliche Erdgas soll auch das SNG später hauptsächlich Methan enthalten. Es bildet sich, wenn Kohlenmonoxid (CO) und
Kohlendioxid (CO₂) mit Wasserstoff (H₂) am Katalysator der Methanisierungsstufe miteinander reagieren. Die benötigten Gase entstehen
direkt bei der Kohlevergasung – jedoch in einem ungeeigneten Verhältnis. Das Verhältnis dieser drei Komponenten kann durch die Wassergas-Shift-Reaktion mit nachgeschalteter Sauergaswäsche (Rectisol®) an die Anforderungen
angepasst werden. Genau das haben die LindeIngenieure in Gwangyang realisiert. Sie teilen den
Gasstrom nach der Vergasung auf: Im ersten Teilstrom wird überschüssiges Kohlenmonoxid aus
der Vergasung umgewandelt. Dieser Prozess heißt
Wassergas-Shift-Reaktion: Dabei reagiert das CO
mit Wasserdampf, und es entsteht Wasserstoff und Kohlendioxid.
Der zweite Strom bleibt zunächst unbehandelt (Unshift-Teilstrom)
und enthält das Rohsynthesegas entsprechend dem Verhältnis aus
der Vergasung. „Durch eine intelligente Regelung der beiden Teilströme können wir die strengen Anforderungen der Methanisierung
gewährleisten“, sagt Keller. Linde verfügt über technisches Wissen
Die Kohle wird mit Sauerstoff vergast, sodass Synthesegas entsteht. Die
Konditionierung und Reinigung des Gasstroms erfolgt anhand WassergasShift- und Rectisol®-Einheit. Mithilfe eines Katalysators bildet sich
in der Methanisierungsstufe dann synthetisches Erdgas (SNG), das per
Pipeline zum Stahlwerk fließt.
und jahrelange Erfahrung, wie sich solche Anforderungen großtechnisch beherrschen lassen. „Wir können abschätzen, wie schnell sich
Veränderungen bei der Kohlevergasung am Anfang auf die spätere
Methanisierung auswirken“, sagt Keller. Entsprechend ist es notwendig, dass die SNG-Anlage mit Kohle betrieben wird, deren Zusammensetzung möglichst konstant bleibt.
Neben dem korrekten Einstellen der Verhältnisse im Synthesegas
und der Methanisierung spielt auch die Gasreinigung eine entscheidende Rolle, bei der Verunreinigungen wie Schwefelverbindungen und überschüssiges Kohlendioxid
entfernt werden. Denn diese können den katalytischen Prozess der Methanisierung stören und die
Produktqualität beeinträchtigen. Hier setzt Linde
in Südkorea auf den seit vielen Jahrzehnten etablierten Rectisol®-Prozess. Dabei werden aus
beiden Teilströmen separat die Schwefelkomponenten und das CO₂ mithilfe des „Waschmittels“ Methanol ausgewaschen. Das mit CO₂ und Schwefelkomponenten beladene Methanol
wird anschließend einer gemeinsamen Regenerierung zugeführt –
das macht die Anlage kompakt und sehr effizient.
Und noch etwas zeichnet den verwendeten Rectisol®-Prozess
aus: Beide im Methanol gelösten Komponenten können getrennt
GAse managen:
Optimaler mix
für die Methanproduktion.
Titelthema: Energien aus der Erde
voneinander regeneriert und für weitere Prozesse verwendet werden – und das macht man sich in der Anlage zunutze: In der ersten
Regenerierungsstufe wird gezielt der Druck verringert und man
erhält schwefelfreies CO₂, das als Produkt oder auch für weitere Prozesse wie Enhanced Oil Recovery und zur CO₂-Sequestrierung geeignet ist. Im zweiten Schritt werden durch Erwärmen des Methanols
hochkonzentrierte Schwefelkomponenten frei, die bestens für nachgeschaltete Prozesse für diverse Schwefelprodukte geeignet sind.
Eine solche Rectisol®-Einheit ist also sehr flexibel und im Prozessdesign an die Kundenwünsche anpassbar. Für Projektleiter Claude
Keller ist eine SNG-Anlage daher mehr als ein Prozess für die SNGProduktion. „Wir betrachten sie vielmehr als ,Polygeneration’-Anlage,
in der gleich mehrere Produkte hergestellt werden können.“ Die im
Rectisol®-Prozess ausgewaschenen Schwefelkomponenten lassen
sich ebenfalls nutzen. Dafür setzen die Linde-Experten auf ein etabliertes Verfahren, den so genannten Claus Prozess, bei dem am Ende
hochreiner elementarer Schwefel entsteht, der sich industriell weiterverarbeiten lässt.
Hochreines Kohlendioxid für die Industrie und CCS
Letztlich ist es die Kombination aller Schritte, die diese SNG-Anlage
bislang einzigartig macht. „Wir verknüpfen die zweisträngige Synthesegasaufbereitung mit kombinierter Rectisol®-Einheit und Schwefelrückgewinnung mit der Methanisierung nach dem TREMP™-Prozess.
Das funktioniert nur, weil Experten von zwei Technologieunternehmen Hand in Hand gearbeitet haben“, erklärt Keller. Hinzu kommen
zahlreiche und komplexe Schnittstellen, bei denen Energie- und
Stoffströme ausgetauscht und integriert werden, um einen effizienten und energieoptimierten Betrieb zu gewährleisten. So ist eine
hochintegrierte und effiziente Clean-Coal-Technologie entstanden,
die ihresgleichen sucht und einen Maßstab für zukünftige Projekte
setzt. Für POSCO-Chairman Joon-yang Chung ist das SNG-Projekt
geradezu beispielhaft für eine sichere künftige Energieversorgung –
die selbst Kohle sauber zu nutzen weiß.
Synthetisches Erdgas // LINDE TECHNOLOGY #1.12
29
Kurzinterview
„Stahlprodukte sparen
auch Energie und CO₂“
Linde Technology sprach mit Hans
Jürgen Kerkhoff, Präsident der
Wirtschaftsvereinigung Stahl und
Vorsitzender des Stahlinstituts
VDEh, über die Bedeutung von Kohle
in der Stahlbranche.
↳ Wie lässt sich die Stahlbranche zuverlässig mit
Energie versorgen und zudem das Klima schützen?
Für die energieintensive Stahlproduktion sind Sicherheit und
Bezahlbarkeit ein zentraler Faktor im internationalen Wettbewerb. Beispielsweise wurden in der Europäischen Union
die fossilen Energien stark verteuert. Der Emissionshandel
hat die Energiekosten der Stahlerzeuger in den letzten Jahren drastisch erhöht. Die Energiewende sollte aber auch
wirtschaftliche Kriterien berücksichtigen. Wir brauchen
einen technologisch orientierten Ansatz, der die Bedingungen industrieller Produktion berücksichtigt und auch die
Energie- und CO₂-Einsparungen sowie die Recyclingfähigkeit
von Stahlprodukten einbezieht. Stahl trägt auch zum Klimaschutz bei: Windräder oder automobiler Leichtbau sparen
sechsmal mehr CO₂ ein, als ihre Herstellung verursacht.
↳ Wieso ist Kohle wichtig für die Stahlproduktion?
Hochöfen können aus verfahrenstechnischen Gründen
nicht ohne Kohle oder Koks betrieben werden. Der Anteil
der Hochofenkonverter-Route an der Weltrohstahl-Erzeugung liegt bei rund 70 Prozent oder 1.060 Millionen Tonnen. Diese Verfahrensroute ist zudem sehr effizient, sodass
man in absehbarer Zeit nicht auf Kohle in der Stahlproduktion verzichten kann.
Energie für Stahl:
Die importierte Kohle
(oben) wird in Methan
umgewandelt. Es dient
als Energierohstoff
im Stahlwerk (links).
LINK:
www.topsoe.com
↳ Welche Clean-Coal-Lösungen bieten sich an?
Der Einsatz von Kohle bei der Eisenerzreduktion führt
zwangsläufig zu CO₂. Zur deutlichen Verringerung der CO₂Emissionen bietet sich Carbon Capture and Storage (CCS)
an. Für die industrielle Einführung dieser Technologie sind
jedoch komplizierte technische Fragen und die gesellschaftliche Akzeptanz zu klären. Zudem ist diese Technologie mit
erheblichen Zusatzkosten verbunden, die aus heutiger Sicht
vom Stahlerzeuger im weltweiten Wettbewerb nicht finanziert werden können.
Titelthema: Energien aus der Erde
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Pearl
30
Linde-Luftzerleger für Gas-to-Liquids-Anlage
D
ie KraftstoffM
aschine
Es ist eine Petrochemieanlage der Superlative: Mit Pearl GTL hat Shell die weltgrößte
Anlage zur Umwandlung von Erdgas in flüssige Treibstoffe geschaffen. Acht Luftzerleger
von Linde produzieren die enormen Sauerstoffmengen, die für den Prozess nötig sind.
Die Wüste lebt. Aber nicht Wasser hat die trockene arabische Halbinsel Katar zum Erblühen gebracht, sondern Erdgas. Wo vor kurzem
noch Sandstürme über Geröll und verdorrte Flächen fegten, brummt
heute ein gigantischer Industriekomplex: die Pearl GTL-Anlage (Gasto-Liquids) von Shell. Sie wandelt Erdgas in flüssige Kraftstoffe um.
Vor allem aus der Luft beeindrucken die gigantischen Ausmaße von
Ras Laffan Industrial City am Persischen Golf – Ergebnis modernster
Ingenieurskunst: kilometerlange Pipelines, Reaktoren, Destillationskolonnen und Speichertanks, und auch acht der weltweit größten
Luftzerleger-Coldboxen erheben sich aus dem Wüstenboden.
Das Erdgas stammt aus einem der größten Vorkommen der Welt,
direkt vor der Küste Katars: 260 Milliarden Kubikmeter des Energierohstoffs lagern dort. Pipelines transportieren ihn zur etwa 30 Kilometer entfernten GTL-Anlage – „dem weltweit größten Baugelände
der Öl- und Gasindustrie“, sagt Andy Brown, Executive Vice President für Shell in Katar, und Managing Director von Pearl GTL. Hinter
ihm türmt sich ein Industriekomplex der Superlative: 600.000 Kubikmeter Beton wurden vergossen – das würde zum Aufbau von sieben
Arenen in der Größe des Wembley Stadions reichen. „Und mit den
120.000 Tonnen Stahl hätte man 15 Eiffeltürme bauen können“, so
Brown. 48.000 Mitarbeiter waren insgesamt beschäftigt, um die
Anlage zu bauen. Im Juni 2011 wurden die ersten Produkte aus der
GTL-Anlage bereitgestellt: Kerosin für Flugzeuge, Dieselkraftstoff für
Autos und Naphtha für die petrochemische Industrie. Um das Rohgas
in diese Produkte umzuwandeln, sind einige Prozessschritte nötig.
Zunächst müssen die Begleitgase des Methans abgetrennt werden.
Diese so genannten Kondensate lassen sich durch Abkühlen gewinnen. Jeden Tag erzeugt die Anlage in Katar 120.000 Barrel (1 Barrel =
159 Liter) dieser Nebenprodukte: Propan, Butan und Ethan sind wichtige Grundchemikalien. Und auch Schwefelwasserstoff, der im Erdgas
natürlicherweise vorhanden ist, muss vor dem GTL-Prozess entfernt
werden. Der daraus gewonnene Schwefel ist ebenfalls eine wichtige
Basis für die Chemiebranche. Nach diesen Vorreinigungsschritten
fließt schließlich hochreines Methan durch die Rohrleitungen – der
Ausgangsstoff für die GTL-Anlage. Eine Schlüsselkomponente für das
Titelthema: Energien aus der Erde
Pearl // LINDE TECHNOLOGY #1.12
31
Verfahren ist Sauerstoff. Das benötigte O₂-Gas stammt aus acht Luft- soren, die von Dampfturbinen angetrieben werden, sorgen für die
zerlegungsanlagen von Linde. „Das Pearl GTL-Projekt zog den größ- Verdichtung. „Weil beim GTL-Prozess viel Wärmeenergie freigesetzt
ten Auftrag nach sich, der jemals in der Geschichte der Luftzerle- wird, gibt es für die acht Luftverdichter genügend Dampf, für den es
ger vergeben wurde“, erinnert sich Dr. Gerhard Beysel, Chemiker und sonst wenig Nutzungsmöglichkeit gegeben hätte“, sagt Beysel.
zuständig für die Entwicklung und Vermarktung von LuftzerlegungsZusammen mit dem Sauerstoff aus den Linde-Luftzerlegern wird
anlagen bei der Linde Engineering Division. Bis dahin war es ein lan- aus dem Methan zunächst Synthesegas hergestellt: Diese Mischung
ger Weg, denn es musste ein überzeugendes, technisch-wirtschaft- aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff geht dann in den GTL-Reaktor:
liches Konzept gefunden werden. Erste Überlegungen dazu liegen Hier warten maßgeschneiderte Katalysatoren, die von Shell entwimehr als zehn Jahre zurück – als der Ölpreis noch bei 12 Dollar pro ckelt wurden, bei 1.350 Grad Celsius auf ihren Einsatz. „5.000 Tonnen
Barrel lag. Und im Jahre 2006, dem Jahr des Vertragsabschlusses dieser Katalysatoren befinden sich in den Reaktoren“, sagt Shellmit Shell, hatte sich der Ölpreis bereits verfünffacht. Der Auftrag Direktor Brown. Diese feinen Partikel haben eine extrem große Oberwar auch das anspruchsvollste Projekt in der
fläche. „Zusammengenommen ist die KataLinde-Unternehmensgeschichte in Sachen
lysatoroberfläche 18-mal so groß wie die
Sauerstoffproduktion. „Wir bekamen den
Landesfläche von Katar“, so Brown. Die SpezialDie Erdgasvorkommen vor der Küste
Zuschlag von Shell, auch weil wir das Prokatalysatoren sorgen dafür, dass sich das Synzählen zu den größten der Welt:
260 Milliarden Kubikmeter lagern dort. thesegas in langkettige Kohlenwasserstoffe
jekt aus einer Hand planen wollten – schlüsselfertig und in Gesamtverantwortung“, sagt
(Wachse) verwandelt. Diese werden dann in
Beysel. Zudem setzt Linde auf globale Vernetzung, auch bei Einkauf einer Raffinerie weiterverarbeitet: Hier spalten so genannte Hydround Fertigung. Beysel: „Dadurch wird die Voraussetzung geschaffen, cracker die Kohlenwasserstoffketten in kürzere Einheiten, die sich
neben einer Topqualität auch den bestmöglichen Preis zu erzielen.“ anschließend destillieren lassen: 140.000 Barrel flüssige Kraftstoffe
produziert die Shell-Anlage täglich. Ein weiteres Produkt der GTL-ReakTäglich 140.000 Barrel flüssige Energie
tion ist Wasser. „Wir gewinnen sogar mehr Wasser als Wachse“, sagt
Warum die GTL-Anlage in Katar entstand, ist nachvollziehbar: Eine Brown. Die Anlage benötigt kein zusätzliches Wasser.
alternative Rohstoffquelle für die Kraftstoffproduktion wird durch das
Bereits die Errichtung der Luftzerleger in Katar war ein Mammutknapper und teurer werdende Erdöl immer dringlicher. Die Erdgas- projekt: Die 60 Meter hohen und 470 Tonnen schweren Coldboxen
vorkommen reichen dagegen deutlich länger. „Aus Erdgas lässt sich sind das Herzstück der Luftzerleger: Sie beinhalten die Plattenwärmezudem sauberer, emissionsarmer Diesel produzieren, denn hier kann tauscher und Rektifikationskolonnen aus Aluminium. Die Schlüsselder störende Schwefel im Vergleich zu Erdöl viel leichter abgetrennt komponenten stammen aus Linde-Standorten in Deutschland und
werden“, erklärt Beysel. Ein weiterer Vorteil: Hat man das Erdgas in China. Dort wurden die Coldboxen für Katar als so genannte Packaged
flüssige Produkte überführt, lässt es sich effizient transportieren. Units montiert. Der Vorteil: Durch die Vormontage reduziert sich
„Die maximal in einem Strang baubare Luftzerlegungskapazität ist ein aufwändiger Zusammenbau vor Ort, wo brütende Hitze, Staubdurch die Luftverdichtung begrenzt, die der Verflüssigung und -zer- einwirkung und häufige Sandstürme die Montagearbeiten extrem
legung vorgelagert ist“, erklärt Beysel. Deshalb waren insgesamt erschweren. Aber nicht nur für die Menschen sind die Bedingungen
acht Anlagen notwendig, um den Sauerstoffbedarf zu decken.
eine Bewährungsprobe, sondern auch für Material und Maschinen:
„Angefangen hat Carl von Linde 1902 mit fünf Kilogramm Sauer- Schließlich herrschen im Innern der Coldboxen minus 190 Grad Celstoff pro Stunde. Heute werden in Katar bis zu 1,25 Millionen Kilo- sius – bei Außentemperaturen von 50 Grad Celsius im Schatten.
gramm O₂ pro Stunde produziert“, sagt Beysel. Das ist etwa fünfzig
Die Maschinenfertigung der Dampfturbinen und Verdichter lief bei
mal so viel Sauerstoff wie die gesamte Bevölkerung von Katar im MAN in Oberhausen. Dort mussten die kompletten Anlagenstränge
gleichen Zeitraum als Atemsauerstoff benötigt. Dank leistungsfähiger auch einen mehrwöchigen Praxistest bestehen, um zu beweisen,
Maschinen lassen sich solche Mengen heute produzieren: Kompres- dass sie die geforderte Spezifikation erfüllen. Erst dann durften sie
ihre Reise nach Katar antreten. Nach schrittweiser Inbetriebsetzung
des Gesamtkomplexes wurden im März 2012 die Luftzerleger offiziell
Zerlegte Wüstenluft:
an Shell übergeben. Und die Linde-Experten arbeiten bereits an der
Herzstück der Luftnächsten, noch leistungsfähigeren Generation von Luftzerlegern.
zerleger (links)
sind die 60 Meter
„GTL-Anlagen eignen sich auch für die Verarbeitung von Schiefergas,
hohen Coldboxen.
das derzeit den US-amerikanischen Markt erobert“, so Beysel. Der
Hitze und Sand sind
Erdgas-Boom hat also gerade erst begonnen.
↲
↳
Autorin: Caroline Zörlein
Bildquelle: Linde AG
Katar
nicht nur für die
Menschen eine Bewährungsprobe
(rechts), sondern
auch für Material
und Maschinen.
LINK:
www.shell.com
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Lebensmittelgase
32
Bunte Schalenpracht:
Kartoffeln variieren in der Farbe und
auch im Geschmack – von fruchtig
über würzig-kräftig bis nussigsüß. Für alle Sorten gilt: Nur keimfrei
landen sie auf dem Marktstand.
Lebensmittelgase // LINDE TECHNOLOGY #1.12
33
Bildquelle: Jonelle Weaver/Getty Images
Autorin: Andrea Hoferichter
Ethengas macht Gemüse fit für den Markt
↲↳
Knollen ohne Keime
Wenn Kartoffeln keimen, gelten sie als unverkäuflich. Eine neue Technologie von Linde
mit einem Gasgemisch nach natürlichem Vorbild verhindert das unerwünschte
Sprießen und hält die weltweit gefragte Knolle rundum frisch. Die Methode ist besonders
umweltfreundlich und deshalb sogar für die Behandlung von Biokartoffeln zulässig.
Mittlerweile hat die Knolle alle Kontinente erobert: Selbst in Grönland zige gekeimte Kartoffel aus einer Lieferung fischt, wird die Ware
wachsen Kartoffeln, auf dem nördlichsten Acker der Welt. Das Nacht- komplett vernichtet. Sie gilt dann als nicht mehr verkehrsfähig“,
schattengewächs steht heute weltweit im Rampenlicht. Ob „Linda“, berichtet Henke.
Beim Kampf gegen die Knollenkeime setzen die Linde-Experten
„Bamberger Hörnchen“ oder „Blauer Schwede“, ob als Knödel,
Pommes oder Pellkartoffeln: Nach Angaben der Deutschen Gesell- auf das Gasgemisch BANARG®. Der Wirkstoff darin ist das natürliche
schaft für Internationale Zusammenarbeit werden heute weltweit Pflanzenhormon Ethen, ein einfaches Molekül aus zwei Kohlenstoffund vier Wasserstoffatomen. Die Verbindung versetzt die
20 Prozent mehr Kartoffeln geerntet als noch vor zwanzig JahKartoffeln in eine Art Schlafphase. „Ethen ist ein leicht
ren. Insgesamt sind es im Jahr rund 320 Millionen Tonsüßlich riechendes Gas, das unter anderem bei Reifenen. Und die Tendenz ist weiter steigend, vor allem
prozessen oder beim Laubabwurf von Bäumen und
in Asien und in vielen Schwellenländern.
Sträuchern eine Rolle spielt und zum Beispiel auch
Und die Knollen könnten sogar einen wichtigen
von Äpfeln freigesetzt wird“, so Henke. Gemischt
Beitrag leisten, um den Hunger einer wachsenmit ungefähr der fünfundzwanzigfachen Menge
den Weltbevölkerung zu stillen, denn: „Kartoffeln
Stickstoff, der auch Hauptbestandteil der Luft ist
enthalten viel Eiweiß, Nährstoffe und Spureneleund als Verdünner dient, ist es ohne Risiko leicht zu
mente. Sie sind genauso nahrhaft wie Weizen,
isst jeder Weltbürger durchhandhaben. Nur in höheren Konzentrationen von
brauchen aber nur die Hälfte der Anbaufläche“,
schnittlich pro Jahr.
über fünf Prozent kann sich Ethen entzünden.
erklärt Silvia Henke, Marktentwicklung LebensDas Gasgemisch ist keine Innovation im eigentmittel bei Linde, den Trend. Henke ist in den
lichen Sinn, denn es wird schon seit Jahren
letzten Jahren zu einer echten Kartoffel-Exgenutzt, um Bananen in Rekordzeit reifen zu
pertin geworden. Sie hat eine neue Technolassen. Und auch die keimhemmende Wirkung
logie entwickelt, mit der das Keimwachstum
des Naturgases ist schon seit Jahrzehnten
der Erdäpfel verhindert werden kann. Im
Einzelhandel gelten die krummen Keime als Todesurteil für ganze bekannt. Bisher fehlte allerdings die Technologie, um diesen Effekt
Lieferungen. Sie sind nicht nur ein ästhetisches Problem – gekeimte in großem Stil für die Lebensmittelindustrie nutzbar zu machen.
Dabei hat Ethen einen großen Vorteil gegenüber konventiKartoffeln verkaufen sich nicht –, sondern sie enthalten auch das giftige
Alkaloid Solanin und müssen deshalb vor dem Verzehr entfernt onellen Keimhemmern: Es ist für den Anwender gesundheitlich
werden. „Wenn der Prüfer auf dem Großmarkt auch nur eine ein- unbedenklich, belastet die Umwelt nicht und ist sogar für die Behand-
31,3 kilogramm
Kartoffeln
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Lebensmittelgase
34
lung von Biokartoffeln zulässig. Die konventionellen Mittel enthalten
dagegen meist den chemisch-synthetischen Wirkstoff Chlorpropham,
„aber mit BANARG® können die sonst nötigen aufwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen und kostenintensive Rückstandskontrollen entfallen“, betont Henke. Chlorpropham dagegen kann bei unsachgemäßer
Verarbeitung die Augen reizen und Verdauungs- und neurologische
Störungen hervorrufen. Die Substanz steht sogar im Verdacht, Krebs
zu erregen. Zudem wird sie nur sehr langsam abgebaut. Deshalb
müssen Kartoffeln, die mit Chlorpropham behandelt wurden,
in Deutschland als „Nach der Ernte behandelt“ gekennzeichnet
werden. Wegen der unerwünschten Nebenwirkungen ist sogar
fraglich, ob der Wirkstoff in ein paar Jahren überhaupt noch verkehrsfähig sein wird. Die aktuelle Zulassung gilt nur noch bis Ende 2018.
Von Holzscheunen bis Hightech-Hallen
K artoffeln weltweit
Gesamtproduktion im Jahr 2010: 324 Millionen Tonnen
33%
5,2%
Die größte Herausforderung, um die umweltfreundliche Ethenkur
in die Praxis umzusetzen, war technologischer Natur. „Für eine erfolgreiche Behandlung muss möglichst überall im Lager und zu jeder Zeit
eine optimale konstante Ethendosis herrschen“, erklärt die Kartoffel-Expertin. Eine zu geringe Menge erzeugt nicht die gewünschte
Wirkung. Bei einer Ethen-Überdosierung wiederum schrumpeln die
Knollen rascher und treiben sogar wieder aus. „Für PflanzkartoffelZüchter kann das vorteilhaft sein, weil sie die Triebe schneller einsetzen können“, so Henke. Die nötige sorgsame Dosierung scheint nicht
umsonst auch die Achillesferse eines Konkurrenzverfahrens zu sein,
das mit dem Alkohol Ethanol arbeitet. Bei dieser Methode wird der
Wirkstoff Ethen erst im Kartoffellager durch eine chemische Reaktion produziert. „Unseren Messungen zufolge ist das Verfahren aber
ungenauer und die Ethenkonzentration in der Lagerluft schwankt
sehr stark“, berichtet Henke.
6,9%
7,2%
••
••
•
Afrika
Asien/Ozeanien
Europa
Lateinamerika
Nordamerika
47,5%
Quelle: FAOSTAT
Das Gasgemisch von Linde hingegen lässt sich sehr genau dosieren.
Henke hat dafür in Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen
HTK Hamburg GmbH eine Steuereinheit mit bis zu acht Sensoren entwickelt, die den Ethengehalt der Luft im Kartoffellager kontinuierlich und an verschiedenen Positionen messen. Die elektronischen
Spürnasen machen selbst einzelne Ethenmoleküle unter Millionen
Luftteilchen ausfindig. „Die Steuerung selbst funktioniert im Grunde
sehr einfach“, berichtet Henke. „Wenn zu wenig Ethen in der Luft ist,
öffnet das System ein Magnetventil und dosiert Gas nach. Ist schließlich der Sollwert erreicht, schließt das Ventil wieder.“ Auch ein Sauerstoffsensor ist fester Bestandteil des Systems. „Damit wird sichergestellt, dass das Lager auch begehbar ist“, so die Expertin. Zudem
lässt sich die Überwachung mit zusätzlichen Sensoren aufrüsten, die
Jährlicher Verbrauch pro Kopf in Kilogramm
kg
87,8
80
60,0
60
40
20
0
23,9
20,7
13,9
Afrika
Asien
Europa
LateinNordamerika amerika
Immer der Größe nach: Sortieranlagen trennen große von kleinen Knollen. Beschädigte
oder gekeimte Kartoffeln werden dann von geschultem Personal entfernt.
Lebensmittelgase // LINDE TECHNOLOGY #1.12
35
turbo für Tomaten
Am Saisonende ist Sonne Mangelware. Hunderte grüner
Tomaten warten dann auf ihre Ernte. In Gewächshäusern
sind das bis zu vier Kilogramm pro Quadratmeter – bezogen
auf die Jahresernte können das zehn Prozent des Ertrags
sein. Doch die unreifen Früchte sind nicht verloren: Um
grüne in rote Tomaten zu verwandeln, setzt man auf einen
natürlichen Trick: das Pflanzenhormon Ethen. Schon geringe
Mengen des Gases lassen die Früchte nachreifen – ganz
ohne Sonne. Bislang wird Ethen indirekt über den Wirkstoff Etephon erzeugt. „Dabei besteht leicht die Gefahr der
Überdosierung, sodass unerwünschte Rückstände auf den
Früchten verbleiben können“, sagt Christoph Andreas vom
Gartenbauzentrum Straelen der Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen. „Wie lange das Mittel noch appliziert
werden darf, ist fraglich“, so Andreas. Eine sichere Lösung
bietet das Linde-Gasgemisch BANARG®: Es enthält neben
Stickstoff vier Prozent Ethen. Die Ethen-Begasung ist für
Bananen oder Zwiebeln in Deutschland bereits erlaubt; die
Zulassung für Tomaten steht noch aus. Im November 2011
haben Tests im Gartenbauzentrum Straelen stattgefunden.
Das Ergebnis: Nach spätestens einer Woche waren die
Tomaten rot. „Die Versuchsreihen zeigten, dass zehn ppm
(parts per million) Ethen ausreichen, um gute Ergebnisse
zu erzielen und vermarktungsreife Tomaten zu produzieren,
die auch geschmackvoll sind“, sagt der Agrarexperte.
weitere wichtige Lagerbedingungen wie Luftfeuchtigkeit, Kohlendioxidkonzentration oder Temperatur detektieren. „Das System kann
außerdem auch mit einer Lüftungsanlage gekoppelt werden, die
heute in modernen Lagerhallen Standard ist“, ergänzt Henke. Die
Software easyHTK MAPAX® control, entwickelt von HTK, dokumentiert die Messergebnisse, macht sie auf einem Computermonitor
sichtbar und ermöglicht so eine lückenlose Kontrolle im Lager.
Eine konstante Ethen-Konzentration herzustellen, war allerdings
nicht die einzige Herausforderung für die Ingenieure. Sie mussten
das System auch individuell an die unterschiedlichen Bedingungen
und Ansprüche der Kunden anpassen. „Zum Beispiel können die
Gebäude, in denen die Kartoffeln lagern, sehr verschieden sein“,
erzählt Henke. Das Spektrum reicht von einer einfachen Holzscheune
bis zur Hightech-Halle. So arbeiten manche Betreiber noch mit einer
Stoßlüftung über die Fenster, während andere moderne Lüftungsanlagen installiert haben. Zudem sind manche Kartoffelsorten keimfreudiger als andere. Auch darauf muss die Ethendosis gut abgestimmt sein. Und nicht zuletzt sind die Ansprüche der Handelsketten und weiterverarbeitenden Unternehmen an das Aussehen der
Erdäpfel verschieden. „Wenn die Kartoffeln als Ganzes in den Supermarkt kommen sollen, müssen sie besonders gut aussehen“, sagt
Ausgereift: Das Pflanzenhormon Ethen
macht Gewächshaustomaten schneller rot.
Henke. Werden sie nach der Lagerung weiterverarbeitet, spielt die
Optik dagegen keine so große Rolle.
Dass die neue Technologie funktioniert, haben schon mehrere Pilotprojekte gezeigt. Ein großes deutsches Unternehmen zum
Beispiel, das die Erdäpfel unter anderem zu Fertigknödeln und Kartoffelbreipulver weiterverarbeitet, attestiert der Linde-Methode
die gleiche erfolgreiche Wirkung wie die Standardbehandlung mit
Chlorpropham – und das ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen.
Für die BANARG®-Anwendung bei Kartoffeln wurde Silvia Henke im
November 2011 sogar vom Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI)
in der Kategorie „Jungingenieure aus der Industrie“ mit dem ersten
Preis ausgezeichnet. Bisher wird die neue Technologie in Deutschland angeboten. Die Linde-Expertin geht aber davon aus, dass eine
weltweite Karriere, wie sie die Kartoffel längst geschafft hat, nur
eine Frage der Zeit ist.
LINK:
www.potato2008.org
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Stahlverarbeitung
36
Weniger Spannung
im Blech
Im Stahlbau fliegen die Funken: Im Schiffbau oder in der Autoindustrie werden Bleche
per Schweißnaht im Sekundentakt verbunden. Doch oft verziehen sich dadurch die Bauteile.
Das erfordert teure Nacharbeit. Jetzt haben Ingenieure der britischen Linde-Tochter
BOC gemeinsam mit weiteren Unternehmen ein innovatives Verfahren entwickelt: Sie kühlen
die Schweißnaht mit CO₂ – das erhöht die Effizienz in der Produktion.
Am Anfang eines Autolebens stehen meterlange Stahlbleche. In den
Fabrikationshallen der Stahlverarbeiter werden sie gestanzt, geformt
und gepresst – und Schritt für Schritt in die verschiedensten Karosserieteile verwandelt. Durch die präzisen Arme dutzender Schweißroboter entsteht dann ein stabiles, metallenes Autoskelett. Im Rohzustand, wenn die Bleche aus der Presse fallen, sind die Stahltafeln
absolut eben. Liegen sie auf einer waagerechten
Fläche, wackelt nichts. Das ändert sich schlagartig
beim Schweißen: Denn der Schweißkopf heizt das
Metall blitzschnell auf 1.500 Grad Celsius – und
das setzt Kräfte frei, die sich beim Walzen des Bleches in der Presse aufgestaut haben. Kühlt die
Schweißnaht dann ab, bleiben oft erhebliche
Spannungen zurück. Entlang der Verbindungsnaht
verkürzt sich das Material sogar um etwa ein halbes Prozent. Die
Folge: Das Blech verbiegt sich zum Teil so stark, dass es als Kinderwippe dienen könnte.
Nachbearbeitung nach sich ziehen, wie Glühprozesse oder das Fixieren und Verspannen der Werkstücke, um innerhalb der geforderten
Toleranzen zu bleiben. Aber beide Optionen sind teuer – Lösungen
also dringend nötig.
„Eine vielversprechende Idee ist es, mit gezielter Kühlung zu
arbeiten“, sagt Walter Veldsman, Spezialist für Produktionstechnologien bei der britischen Linde-Tochter BOC. Denn
der Verzug falle deutlich geringer aus, wenn die
Schweißnaht unmittelbar hinter dem Schweißkopf
stark abgekühlt wird. Das belegen auch mathematische Modelle, Computersimulationen und
Versuche, die unter anderem im Anwendungstechnischen Zentrum der Linde Gases Division in
Unterschleißheim durchgeführt wurden. Bei vielen
Bauteilen stellt sich allerdings der positive Effekt nur ein, wenn die
Kühlung auf der Seite des Blechs erfolgt, wo auch der Schweißkopf
entlangfährt – und in möglichst geringem Abstand. Andere Versuche,
bei denen die Schweißnaht beispielsweise von der Unterseite des
Bleches gekühlt wurde, sind für die Produktionsabläufe von Fahrzeugkomponenten nicht praktikabel.
Deshalb startete im Jahr 2006 ein Konsortium aus mehreren
Unternehmen und Forschungsinstituten, um das Erfolg versprechende
Konzept umzusetzen. Koordiniert wurde das Projekt MALCO (Manufacture of Lightweight Components) vom britischen The Welding Institute in Cambridge. Vom britischen Gase-Hersteller BOC, einer Tochter
entspannte
Stahlnähte dank
Gezieltem
Frostschock.
Kalte Eskorte für heißen Schweißkopf
Von diesem problematischen Phänomen sind die Automobilhersteller
besonders betroffen. Sie führen einen nicht enden wollenden Kampf
gegen den Schweißstress: Man versucht beispielsweise der entstehenden Krümmung mit zusätzlichem Material entgegenzuwirken. Der
Nachteil: Das Bauteil wird schwerer und treibt so später den Spritverbrauch des Autos nach oben. Ein anderer Weg kann die aufwendige
Autor: Bernd Müller
B
ildquelle: Thomas Ernsting/laif
CO₂-Kühlung sorgt für hochwertige Schweißnähte
↲↳
Stahlverarbeitung // LINDE TECHNOLOGY #1.12
37
Edle Karossen: Stahlelemente machen
Autos erst robust und sicher. Kombiniert
mit Aluminiumkomponenten werden
moderne Fahrzeuge leichter und damit
kraftstoffsparender.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Stahlverarbeitung
38
Fliegende Funken: Ob Fassaden in Wolkenkratzern, Schiffsrümpfe oder Autoskelette (rechts) – Stahlkonstruktionen verleihen die notwendige Stabilität. Um die
Bleche unzertrennbar miteinander zu verbinden, ist Schweißen per Hand (links) oder mithilfe hochpräziser Roboterarme unerlässlich.
der Linde AG, stammten große Teile der Technologieentwicklung.
Mit von der Partie waren auch Anwender wie die Gestamp-Tochter
Tallent Automotive, Bentley Motors und Komatsu. Rund eine Million
Pfund floss in die Entwicklung, die Hälfte kam vom Technology
Strategy Board, der Innovationsagentur der britischen Regierung.
„Das MALCO-Projekt lief dann über vier Jahre. In dieser Zeit haben
wir viel gelernt und etliche Hürden überwunden“, so Veldsman.
Die größte Herausforderung war, die Kühlung möglichst nahe
an den Schweißkopf zu bringen. Denn die entspannende Wirkung
des kühlenden Gases kann sich nur entfalten, wenn die Schweißnaht noch mindestens 500 Grad heiß ist. Dann ist das Metall weich
wie warmes Plastik und die stressbringenden Kräfte können ausgebügelt werden. „Allerdings darf die Kühlung dem Schweißkopf
auch nicht zu nahe kommen, denn sonst erlischt der Lichtbogen –
wie eine Kerzenflamme in der Zugluft“, erklärt Veldsman. Zur Kühlung nutzen die Linde-Experten Kohlendioxid. Denn BOC verfügt
über langjähriges Know-how und bietet die komplette Peripherie zur
CO₂-Versorgung und zum Abpumpen des verbrauchten Gases aus der
Zelle des Schweißroboters.
Um die Kühlung exakt zu dosieren, haben die Ingenieure des
Gasespezialisten eine Düse konstruiert, aus der pro Minute etwa
370 Gramm CO₂ unter hohem Druck herausschießen. Das Innere der
Düse ist so gestaltet, dass es darin zu einem schlagartigen Druckabfall kommt. „Der größte Teil des flüssigen Kohlendioxids erstarrt blitzartig, und aus der Düse schießen winzige CO₂-Hagelkörner“, erklärt
der Linde-Experte. Diese prasseln auf die noch heiße Schweißnaht
und verdampfen sofort. „Der Sprung vom festen direkt in den gasförmigen Zustand bewirkt eine enorme Kühleffizienz und übersteigt sogar die des kälteren Flüssigstickstoffs“, so Veldsman. Aber
die Ingenieure mussten noch ein weiteres Problem meistern: Das
CO₂ verdampfte unkontrolliert, und es bestand die Gefahr, dass es
in der Nähe des Schweißkopfes den Prozess störte. Um das zu verhindern, hat das MALCO-Team einen „Vorhang“ entwickelt, der die
Kühldüse eng umschließt. Allerdings entpuppte sich die Suche nach
einem geeigneten Material schwieriger als gedacht, weil der Vor-
Frost trifft Hitze
Hinter den Schweißkopf
haben die Ingenieure eine
spezielle Kühldüse konstruiert. Sie bringt das flüssige
Kohlendioxid gezielt auf
die heiße Naht. Durch den
Druckabfall an der Düse
prasseln winzige CO₂-Hagelkörner auf die Oberfläche.
Schweißfunken
CO₂-Kühlung
Stahlverarbeitung // LINDE TECHNOLOGY #1.12
39
hang nur etwa 35 Millimeter hinter dem Schweißkopf sitzt. Versuche
mit Metallfasern schlugen fehl, denn das Material verbrannte schon
nach kurzer Zeit: Der Vorhang bekam dort Löcher, wo er über die
glühende Schweißnaht entlangfuhr, sodass CO₂ entweichen konnte
und den Lichtbogen störte. „Erst durch die Idee, Glas- und Keramikfasern statt Metall zu verwenden, konnten wir diese Hürde nehmen“,
so Veldsman. Die Tests zeigten, dass die Verzerrungen und Verkrümmungen bestimmter Bauteile durch die neue Technologie um etwa
40 Prozent geringer ausfallen. Damit ist das Verfahren reif für Tests
unter Fabrikbedingungen. Erste Adresse: die Automobilindustrie –
und dort vor allem der Projektpartner Tallent Automotive, der Achsen, Träger, Fahrwerks- und Karosserieteile an viele europäische
Automobilfirmen liefert. Tallent Automotive und BOC haben gemeinsam mit The Welding Institute den Kühlkopf und den Vorhang entwickelt und patentiert.
Schweißnahtkühlung hemmt Korrosion
Die Automobilindustrie ist aber nicht die einzige Branche, die von
der neuen Technologie profitieren könnte. „Potenzielle Anwender
gibt es überall, wo viel Metall verschweißt wird – beispielsweise
auch im Schiffbau“, sagt Veldsman. Eine Studie der US-Marine kommt
zu dem Ergebnis, dass beim Bau einer Fregatte rund drei Millionen
Dollar zusätzliche Kosten entstehen, die direkt oder indirekt auf das
Nacharbeiten verformter Metallteile infolge fehlerhafter Schweißprozesse zurückzuführen sind. Interessant ist die Schweißnahtkühlung
auch, weil sie noch ein weiteres Problem löst: Sie unterbindet auch
einen gefährlichen Prozess im Stahl – die so genannte interkristalline Korrosion. In einem Projekt der Universität in Birmingham gingen Studierende dieser Frage nach: Dieses als Kornzerfall bekannte
Phänomen tritt in eigentlich korrosionsfesten Stählen auf, wenn sich
beim Schweißen Chrom mit Kohlenstoff verbindet. Durch diese Reaktion kann das Chrom die korrosionsanfälligen Eisenatome nicht mehr
schützen und das Metall rostet mit der Zeit – eine Gefahr für tragende Bauteile bei Schiffen oder im Auto. Die Studenten konnten
zeigen, dass mit der CO₂-Kühlung die Reaktion von Chrom und Kohlenstoff und damit auch die Korrosionsneigung verringert wird.
Diese Entdeckung ruft viele Interessenten auf den Plan: Die
Betreiber von Tiefseepipelines kämpfen beispielsweise mit Rost an
den Schweißnähten ihrer Rohre. Auch die Atomindustrie muss Spannungskorrosionsrisse an den Schweißnähten von Reaktorbehältern
verhindern, wo das Metall unter starker innerer Spannung steht.
BOC hat ein Patent angemeldet, das solche Korrosionsrisse durch die
Schweißkühlung verhindert. „Die Phase der Grundlagenforschung ist
zu Ende“, so Veldsman. Nun geht es für ihn darum, das Verfahren für
verschiedene Branchen einsatzreif zu machen. „Die Technologie ist
zu 95 Prozent fertig“, sagt der Linde-Experte, „die letzten fünf Prozent sind die Umsetzung in der Fabrik vor Ort.“ Vier Patente hat BOC
bereits 2011 angemeldet – und weitere sollen folgen.
LINK:
ww.twi.co.uk
w
Kurzinterview
„Die Entwicklung darf nicht
stehen bleiben“
Linde Technology sprach mit Roger
O’Brien, Manager für Forschung
und Entwicklung bei der GestampTochter Tallent Automotive, über das
MALCO-Projekt und das Potenzial
der Schweißnahtkühlung.
↳ Warum hat sich Tallent Automotive beim MALCOProjekt engagiert?
Es gibt im Auto jede Menge Stellen, wo man beim Schweißen
mit Materialverzug rechnen muss. Schweißt man beispielsweise in ein Rohr eine Gewindebuchse, kann es leicht zu
Rissen kommen. Bauteile müssen dann nachgearbeitet oder
sogar umkonstruiert werden. Da heute vieles am Computer
entsteht und weniger Prototypen gebaut werden, fallen
solche Probleme oft erst kurz vor oder während der Serienfertigung auf. Mit der MALCO-Technologie könnten wir
besser verhindern, dass es künftig zu solchen Störungen
kommt. Und die Entwicklung darf nicht stehen bleiben.
↳ Wie ist der Stand der industriellen Umsetzung?
Gerade arbeiten wir daran, einen Schweißroboter mit der
Kühlung unter realen Fabrikbedingungen in unserer Prototyp-Anlage zu testen. In der Serienproduktion setzen wir
das noch nicht ein. Es gibt aber Nischenanwendungen, wo
das Verfahren bereits jetzt Vorteile bringt: Wenn es um perfekte Zentrierung und Rundheit geht – beispielsweise beim
Anschweißen eines dünnen Blechs an das äußere Ende
eines Rohres.
↳ Ist die SchweiSSnahtkühlung wirtschaftlich?
Wenn der Kunde kleinere Toleranzen bei den Bauteilen
fordert, haben wir höhere Kosten. Bei hohen Stückzahlen
schlägt das merklich zu Buche. Bisher waren das Kosten für
die Nachbearbeitung. Wenn wir aber schon beim Schweißen die Toleranzen einhalten können, entfällt die Nachbearbeitung. Dadurch wird der Prozess für uns automatisch
profitabler – und damit auch für unsere Kunden.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Brennstoffzelle
40
Innovative Wasserstoffanwendung ersetzt Dieselgeneratoren
Mobiler Strom –
Sauber und leise
Wenn abseits der Netze Strom gebraucht wird, greift man meist auf Dieselgeneratoren zurück.
Jetzt hat Linde eine umweltfreundliche Alternative entwickelt. Die mobile Brennstoffzelle
Hymera ist wesentlich effizienter, läuft so gut wie geräuschlos und ganz ohne Abgase – dank
innovativer Wasserstofftechnologie.
Elektrizität kann extrem laut sein: Ein dumpfes Wummern und eine
Geruchsnote wie an einer Tankstelle verraten sofort, wenn der Strom
nicht aus dem Netz, sondern aus einem Generator kommt. Denn die
meisten mobilen Stromerzeuger arbeiten mit diesel- oder benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren. Das könnte sich jetzt ändern. Ingenieure der britischen Linde-Tochter BOC haben in nur drei Jahren
gemeinsam mit Horizon Fuel Cells in Schanghai die mobile Brennstoffzelle Hymera entwickelt. Sie produziert Strom aus der Reaktion
von Sauerstoff mit Wasserstoff – übrig bleibt Wasser. Zudem macht
die Brennstoffzelle kaum Geräusche: Mit einem Schallpegel von
etwa 45 Dezibel (dB) ist es neben ihr ungefähr so leise wie in einer
Energie für alle Fälle: Wenn Geräuschmessungen in U-Bahn-Tunneln (rechts)
anstehen, ist die leise Brennstoffzelle ein
Stromlieferant der Wahl. Auch die LEDBeleuchtung von Sportstätten (oben)
lässt sich damit betreiben.
Bibliothek. Der Stromgenerator und die H₂-Flasche – der Sauerstoff
wird der Umgebungsluft entzogen – bringen zusammen etwa 17 Kilogramm auf die Waage. Das ist leichter als ein gepackter Reisekoffer.
Nach und nach erobert die stille, mobile Stromquelle unterschiedlichste Anwendungen. „Gerade haben wir eine größere Stückzahl
an einen Wasserversorger geliefert“, erzählt Stewart Dow, Energieexperte bei der Linde-Tochter BOC in Großbritannien. Hymera versorgt
dort die Alarmsysteme und Geräte für die Wasserstandsüberwachung. Auch das Bauunternehmen Morgan Sindall, das zurzeit in
der Londoner Region neue Bahnstrecken und Tunnel baut, setzt die
mobile Stromquelle ein. „Wir müssen unter anderem Geräuschmes-
Brennstoffzelle // LINDE TECHNOLOGY #1.12
41
Prognose des Globalen Brennstoffzellenmarktes im Jahr 2017
•
•
43 %
Stationäre
Stromerzeugung
Frühe Märkte (z. B. Not stromversorgung, Lager technik, Mikrobrennstoffzellen)
Fahrzeuge
Militärische Anwendung
•
•
Autorin: Andrea Hoferichter
Bildquellen: Andreas Hub/laif, Bally/Keystone Schweiz/laif
Energiepaket: Mit
einer H₂-Flasche
lässt sich Energie
für 40 Stunden LEDLicht produzieren.
↲↲
38 %
meint BOC-Manager Dow. Konnte vor ein paar Jahren mit 100 Watt
und einer klassischen Glühbirne bestenfalls der Schreibtisch ausgeleuchtet werden, sorgt die gleiche elektrische Leistung heute für
gleißendes Licht beispielsweise auf Tennisplätzen, weil moderne
LED-Lampen genutzt werden. Mit einer Flasche Wasserstoff produziert Hymera bis zu drei Kilowattstunden Energie: Damit können LEDLampen bis zu 40 Stunden lang betrieben werden, oder ein modernes Laptop eine ganze Woche lang.
Zuverlässig, effizient und gut fürs Klima
3 %
16 %
Quelle: Freedonia, Pike research
Effizienzwunder:
Die Brennstoffzelle
Hymera punktet mit
einem Wirkungsgrad von 50 Prozent.
sungen machen und ein lauter Generator kommt dafür einfach nicht
in Frage“, berichtet Casey Fleming, der Umweltbeauftragte des Unternehmens. Auch bei nächtlichen Wartungsarbeiten an Bahnschienen
helfen die mobilen Brennstoffzellen von Linde und liefern Strom für
eine ausreichende Beleuchtung. In der Baubranche gibt es noch
weitere Möglichkeiten, Hymera zu nutzen. So ist die Brennstoffzelle
beispielsweise sehr gut geeignet, um Bürocontainer auf noch nicht
erschlossenem Terrain mit elektrischer Energie zu versorgen.
Ein drittes Geschäftsfeld, das von der Technologie bereits profitiert, sind Sicherheitsdienste. Dort versorgt Hymera entlegene Überwachungskameras, die bisher mit Batterien
betrieben wurden, schon heute mit Elektrizität. Denn die klassischen Stromspeicher hatten
einen großen Nachteil: Sie mussten häufig gewechselt werden, was nicht nur lästig war,
sondern auch die Aufmerksamkeit auf das
Überwachungsinstrument lenken konnte. „Die
Batterien mussten wir alle vier bis fünf Tage
wechseln. Mit der Brennstoffzelle können wir eine Überwachungskamera drei Wochen lang betreiben“, erzählt Tom Ryan, der beim Überwachungstechnik-Spezialisten Advanced Monitoring in Dublin, Irland,
für die Geschäftsentwicklung zuständig ist. Auch Fans von Open-AirVeranstaltungen auf der grünen Wiese profitieren von der LindeInnovation, denn sie ersetzt lärmende, stinkende Dieselgeneratoren.
Bei einem der führenden britischen Zulieferer von Eventveranstaltern White Light ist eine Kombination aus Hymera und den Wasserstoffflaschen von Linde schon fester Bestandteil der Produktpalette.
Hymera erzeugt eine elektrische Leistung von bis zu 200 Watt. „Das
klingt erst einmal nach nicht so viel, ist aber dank moderner effizienter Technik mittlerweile für viele Anwendungen ausreichend“,
Diesel- und Benzingeneratoren liefern üblicherweise elektrische
Leistung im Kilowattbereich. Klassische Generatormodelle, die auf
so kleine Leistungen ausgelegt sind, gibt es schlicht nicht. „In den
niedrigen Leistungsbereichen hat die mobile Brennstoffzelle deshalb deutliche Wettbewerbsvorteile“, sagt Dow. Das macht sich in
den Anschaffungskosten ebenso bemerkbar wie im Unterhalt, denn
Hymera punktet auch in Sachen Energieeffizienz. Konventionelle
Generatoren haben für geringere elektrische Leistungen nur einen
Wirkungsgrad von wenigen Prozent. Bei Hymera sind es 50 Prozent. So schont die neue Brennstoffzelle nicht nur die Ohren, unsere
Gesundheit und den Geldbeutel, sondern auch das Klima.
Einzig Batterien sind noch effizienter, aber dafür in anderen
Punkten unterlegen – nicht nur wenn es um Videoüberwachungen
geht. Bleibatterien sind um ein Vielfaches schwerer, was auf Kosten
der Mobilität geht. Lithiumbatterien können zwar vom Gewicht her
mithalten, sind aber deutlich teurer. Ein weiterer Konkurrent der
mobilen Brennstoffzelle ist die Photovoltaik. Sie muss sich aber in
Sachen Zuverlässigkeit und Flächenbedarf geschlagen geben. „Die
Stromproduktion via Solaranlagen funktioniert nachts gar nicht – und
in nebligen oder schattigen Gebieten nur eingeschränkt“, so Dow.
Selbst bei optimalen Rahmenbedingungen hängt die Stromernte
noch vom Wetter ab, sodass Solaranlagen für eine sichere Stromversorgung sehr groß ausgelegt werden müssen. „Für eine 100-WattAnwendung bräuchte man ein drei-Kilowatt-Panel. Das entspricht
einer Fläche von über 20 Quadratmetern und
ist für viele Anwendungen gar nicht umsetzbar“, meint der BOC-Experte.
Während sich die 200-Watt-Brennstoffzelle
gerade zum Verkaufsschlager mausert, haben
die Ingenieure Modelle für weitere Leistungsklassen im Visier, von wenigen bis einigen
hundert Watt. „Die Brennstoffzellentechnologie ist sehr ausgereift“, sagt Dow. „Wenn die Hersteller, mit denen
wir zusammenarbeiten, die nötigen Komponenten verfügbar haben,
könnten wir nächstes Jahr marktreife Modelle präsentieren.“ Eine
Herausforderung ist die Markteinführung – wegen der enormen Anwendungsvielfalt. Dow: „Es ist ein wenig wie in den Anfängen der Computerindustrie. Schon heute gibt es bis zu hundert mögliche Anwendungen für die mobile Brennstoffzelle. Und jedes Jahr werden es mehr.“
Geräuschlose
stromproduktion:
Ruhe wie in einer
Bibliothek.
LINK:
www.horizonfuelcell.com
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Wasserstoff
42
Markus Bachmeier,
Leiter Hydrogen
Solutions bei der Linde AG
H₂-Mobilität: Ein Interview zum Stand der Technik
„Wasserstoff ist
jetzt im Halbfinale“
Brennstoffzellenautos, Speichertechnologien und Infrastrukturaufbau – die Wasserstoffmobilität nimmt Gestalt an. Im Gespräch mit
„Linde Technology“ erläutert Markus Bachmeier, Leiter Hydrogen
Solutions bei der Linde AG, den aktuellen Stand der Technik und gibt
eine Einschätzung zur Zukunft von H₂.
↳ Herr Bachmeier, Linde steht wie kein anderes Unternehmen für die Wasserstofftechnologie. Geben Sie uns
einen kurzen Einblick in Ihre aktuelle Arbeit?
Nun, derzeit befinden wir uns in einer intensiven Phase der
Detailarbeit. Wir haben in der Vergangenheit ja bereits mit zahlreichen Pilotprojekten gezeigt, dass die Wasserstoffmobilität
machbar ist. In den letzten Jahren konnten sowohl fahrzeug- als
auch infrastrukturseitig große Fortschritte hin zu marktfähigen
Systemen und Produkten erzielt werden. Weltweit sind aktuell
215 H₂-Tankstellen in Betrieb – und mehr als 100 in der konkreten Planung. Jetzt geht es darum, die nächste Ebene zu erreichen: Unsere Kollegen in Wien bauen beispielsweise eine Kleinserienfertigung für die ionischen Verdichter auf, und in München
entwickelt unser Team die Kryopumpen-Technologie weiter. Parallel sprechen wir intensiv mit allen Marktbeteiligten – von der
Autoindustrie bis zu den Energieversorgern – über weitere Entwicklungen und Projekte. So wird die Wasserstofftechnologie
auch bei der Speicherung von Windstrom immer wichtiger. Es
gibt hier vielversprechende Ansätze ...
↳ ... die aber alle noch weit von der Marktreife
entfernt sind.
Das mag sein. Der Aufbau einer Infrastruktur für neue Energieträger erfordert sehr viel Detailarbeit – und braucht eben Zeit. Aber
anders als bei den Übergängen von Holz auf Kohle und dann zu
Erdöl, haben wir dieses Mal keine 50 Jahre Zeit.
↳ Klimaschutz, Energiewende und auch die Initiativen in
Schwellenländern drücken aufs Entwicklungstempo. Viele Studien und Programme in Sachen Mobilität
Wasserstoff // LINDE TECHNOLOGY #1.12
43
Sehen das Jahr 2015 als wichtigen Meilenstein. Wie
weit ist dann die Wasserstoffmobilität?
Interview: Michael Kömpf
Bildquelle: Linde AG
Wir werden den Ausbau der H₂-Infrastruktur weiter vorantreiben, das ist klar. Und man kann beispielsweise unser 20-H₂Tankstellen-Projekt zusammen mit Daimler als einen wichtigen
Impulsgeber sehen. Ich gehe davon aus, dass wir im Jahr 2015
eine weitaus größere Zahl von Wasserstofftankstellen haben.
So sind in Großbritannien, Skandinavien, Frankreich und den
Beneluxländern neue Initiativen entstanden. In den USA und
Japan werden bestehende Projekte weiter ausgebaut. In Südamerika plant São Paulo jetzt eine Flotte von 25 Wasserstoffbussen. Für die Gesellschaft und selbst für die Medien ist ja die
„einfache“ Eröffnung einer Wasserstofftankstelle schon nichts
Besonderes mehr. Mittlerweile verstärken auch andere Unternehmen ihre Aktivitäten im Infrastruktur- und Fahrzeugbereich.
Der Mercedes B-Klasse F-CELL ging bereits 2010 in eine Kleinserie mit fast 200 Fahrzeugen für Europa und USA; ab 2014
startet die Produktion großer Stückzahlen. Und auch Toyota,
Hyundai und GM/Opel wollen im Jahr 2015 Brennstoffzellenautos in Serie bauen. Selbst die chinesischen Autobauer sind
bereits auf dem Weg. Linde ist dabei ein wichtiger Schrittmacher – und das wollen wir auch über 2015 hinaus bleiben.
↲↲
↳ Aber es hat sich ja ein regelrechtes Wettrennen
zwischen Batterie- und Brennstoffzellenautos entwickelt. Wer gewinnt Ihrer Meinung nach?
Ich bin kein Prophet, sondern orientiere mich an Fakten und
Marktdaten. Aus meiner Sicht ist nach dem enormen Hype um
die Elektromobilität – den es übrigens auch beim Wasserstoff gab
– Ernüchterung eingetreten. Alle Beteiligten haben erkannt, dass
noch viele entscheidende Details zu klären sind. Linde besitzt
erwiesenermaßen eine große Expertise bei der Wasserstofftechnologie und wird diese erfolgreich und konsequent weiterentwickeln. Und dass die H₂-Technologie Erfolg verspricht, lässt sich ja
auch am Auftauchen völlig neuer Marktteilnehmer festmachen.
Der Markt ist sehr dynamisch geworden. Es kommen sogar Spieler wieder zurück aufs Feld, die sich schon verabschiedet hatten – oder zumindest auf der Ersatzbank saßen. Um im Sprachbild des Fußballs zu bleiben, würde ich sagen: Wasserstoff ist im
Spiel der alternativen Kraftstoffe bereits im Halbfinale.
↳ Und bei den hohen Spritpreisen dürfte das Endspiel
schon bald anstehen, oder?
Nun, die unaufhörlich steigenden Benzin- und Dieselpreise zeigen uns in erster Linie wie wichtig es ist, frühzeitig Alternativen
aufzubauen. Und das nicht nur aus Umweltgesichtspunkten,
sondern auch aus volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Aspekten. Denn die individuelle Mobilität wollen wir ja auch in
20 Jahren noch genießen – und bezahlen können. Hierfür bietet
Wasserstoff eben eine umweltschonende und dauerhafte Alternative. Aus diesem Grund halte ich es für entscheidend, dass wir
Grüner Wasserstoff mit Zertifikat
In Leuna produziert Linde Wasserstoff aus Nebenprodukten der Biodieselherstellung. Jetzt wurde der grüne
Wasserstoff vom TÜV SÜD zertifiziert. Es hat sich gezeigt,
dass der von Linde entwickelte Pyroreforming-Prozess
auf Basis von Rohglycerin bereits als Pilotanlage ein
Treibhausgas-Reduktionspotenzial von über 50 Prozent
im Vergleich zur konventionellen Wasserstofferzeugung
aus Erdgas aufweist. Eine voll ausgereifte kommerzielle
Produktionsanlage bietet sogar ein Einsparpotenzial von
bis zu 80 Prozent. Auch zur Hannover Messe 2012 versorgte Linde Brennstoffzellenfahrzeuge von GM/Opel,
Volkswagen, Honda und Toyota mithilfe seiner mobilen
Betankungseinheit trailH₂-gas mit dem grünen Wasserstoff.
diesen Weg gemeinsam mit Industriepartnern und Regierungsverantwortlichen intensiv weiter beschreiten. Denn der Benzinpreis könnte sehr viel schneller steigen, als man die Infrastrukturen für alternative Treibstoffe aufbauen kann. Das müssen wir
unbedingt vermeiden.
↳ Mit dem Zertifikat für grünen Wasserstoff hat Linde
auch einen weiteren Meilenstein erreicht.
Richtig. Mit dem grünen Wasserstoff aus Leuna steht uns erstmals ein zertifizierter Kraftstoff zur Versorgung von emissionsfreien Brennstoffzellenfahrzeugen in ganz Deutschland zur Verfügung.
↳ Wagen Sie eine Prognose zu Wasserstoff im Jahr 2025?
Heutzutage veralten Prognosen sehr schnell. Fest steht: Wir
werden gemeinsam mit unseren Forschungs- und Industriepartnern weitere Einsatzstoffe testen und Technologien zur
nachhaltigen Wasserstofferzeugung und -nutzung weiterentwickeln, um einer umweltschonenden, globalen Wasserstoffmobilität mit einem spürbaren Marktanteil im Jahr 2025 ein
gutes Stück näher zu sein.
LINK:
w
ww.cleanenergypartnership.de
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // WASSERaufbereitung
44
Durstige Felder:
Die Landwirtschaft verschlingt 70 Prozent
des gesamten Weltwasserverbrauchs.
Die Niederschläge reichen in trockenen
Regionen nicht aus – und die Meerwasserentsalzung wird immer wichtiger.
WASSERaufbereitung // LINDE TECHNOLOGY #1.12
45
Bildquelle: Janet Forster/Getty Images
Autorin: Caroline Zörlein
Kohlendioxid sorgt für eine ausgeglichene Wasserchemie
↲↳
D
urst nach
Meerwasser
In Wüsten ist Wasser Mangelware – und nicht nur dort: Dass Flüsse versiegen und
der Grundwasserpegel sinkt, ist ein weltweites Problem. Mit Entsalzungsanlagen lässt
sich Meerwasser trinkbar machen. Doch um das kostbare Nass zu nutzen, muss es
speziell aufbereitet werden – dabei hilft CO₂-Technologie von Linde.
ohnehin wenig Niederschlag fällt.“ Zugenommen hat die BedeuDie Wasserressourcen auf der Erde werden immer knapper.
tung des Grundwassers: Es stellt heute weltweit fast die Hälfte
Viele Regionen leiden bereits heute unter akutem Wassermandes gesamten Trinkwassers, heißt es im Weltwasserbericht der
gel – und die Lage spitzt sich weiter zu. Die Ursachen für das
Vereinten Nationen. Der Grundwasserspiegel sinkt bereits
schwindende Lebenselixier sind bekannt: Der fortschreiweltweit rapide ab – teilweise bis zu einem Meter pro
tende Klimawandel, die parallel dazu wachsende WeltJahr. Anlässlich des Weltwasserforums im März 2012
bevölkerung und die sich ändernden Lebensgewohnin Marseille, Frankreich, warnten Umweltschutzorheiten erhöhen den Wasserverbrauch. Vor allem
ganisationen vor einer weiteren Zuspitzung der
die Landwirtschaft und der steigende FleischWasser verbergen sich in einer
globalen Wasserkrise. „Auch wenn in Westkonsum verschlingen viel vom wertvollen
Getränkedose.
europa die Situation derzeit weitgehend
Nass. Und auch die Industrie benötigt Wasentspannt ist, kann das nicht darüber hinser für die Produktion von Autos, Medikawegtäuschen, dass wir uns bereits mitten in
menten und Kunststoffen.
Wasser stecken in einem Paar Jeans –
einer globalen Wasserkrise befinden“, sagte
Von außen ist es dem blauen Planet
so viel wie in einem Swimmingpool.
Martin Geiger, Leiter des Bereichs Süßwasnicht anzusehen, dass er unter H₂O-Mangel
ser beim WWF Deutschland. Eine Analyse
leidet: Immerhin sind fast zwei Drittel der
der Umweltorganisation hat ergeben: Seit der
Erde mit Wasser bedeckt. Doch nur 2,5 ProWasser werden zur Herstellung
Jahrtausendwende kam es weltweit zu über 50
zent der 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser
eines Autos gebraucht.
gewaltsamen Konflikten, die mit der Nutzung von
entfallen auf direkt nutzbares Süßwasser. Und
Wasser zusammenhängen.
davon sind wiederum fast 70 Prozent in Gletschern
Während in den industrialisierten Staaten sauberes
eingeschlossen. Hinzu kommt: Süßwasser ist zudem extrem
ungleich auf der Erde verteilt. „Vor allem die boomenden Metropol- Wasser selbstverständlich ist, haben laut den Vereinten Nationen
regionen Asiens, die immer mehr Menschen beherbergen, werden weltweit etwa 900 Millionen Menschen keinen ausreichenden
immer durstiger“, sagt Dr.-Ing. Stefan Dullstein, Leiter des Industrie- Zugang zu sicherem Trinkwasser. Nach ihren Schätzungen werden
segments Aquakultur & Wasserbehandlung der Linde Gases Division. im Jahr 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung von Wasserknappheit
„Zudem befinden sich diese Ballungszentren häufig in Regionen, wo betroffen sein. Ab 2070, so warnt eine aktuelle Studie, könnte aber
3 LITER
11.000 LITER
380.000 LITER
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // WASSERaufbereitung
46
auch Mitteleuropa unter Wassermangel leiden. Zudem wird häufig
übersehen, so die UN-Wissenschaftsorganisation Unesco, dass viele
Industriestaaten ihren steigenden Wasserbedarf mithilfe ärmerer
Ländern decken. Großbritannien beispielsweise importiert 62 Prozent des genutzten Wassers als so genanntes virtuelles Wasser in
Form von Reis oder Fleisch.
Ausgeglichene Wasserchemie dank CO₂
Viele Regionen in Nordafrika, dem Mittleren Osten oder Australien,
den USA und Mexiko sind auf die Entsalzung von Meerwasser angewiesen, um Trinkwasser bereitzustellen und Landwirtschaft betreiben
zu können. Heute existieren weltweit etwa 12.000 größere Anlagen
zur Meerwasserentsalzung, die insgesamt 36 Millionen Kubikmeter
Trinkwasser pro Tag produzieren, so die Deutsche MeerwasserEntsalzung e. V. (DME) – Tendenz steigend. Damit hat sich die Meerwasserentsalzung zu einem weltweiten Wachstumsmarkt entwickelt.
„Bei der Entsalzung entsteht jedoch reines H₂O, also Wasser
ohne Mineralien. Es ist nicht zum Trinken oder für die Bewässerung von Feldern geeignet“, erklärt Dullstein. Normalerweise enthält
Trinkwasser viele verschiedene Mineralien. Um es mit diesen wichtigen Inhaltsstoffen wie beispielsweise Kalzium- und Magnesiumverbindungen anzureichern, muss aber erst der pH-Wert des Wassers
gesenkt werden. Dieses Ansäuern lässt sich zwar auch mit Salz- oder
Schwefelsäure erreichen. Viel natürlicher und umweltfreundlicher
funktioniert dieser Schritt aber mit Kohlendioxid, da so unnatürlich
hohe Konzentrationen an Chlorid- und Sulfatverbindungen im Wasser vermieden werden.
Der Vorteil von Kohlendioxid: „Es kommt auch natürlicherweise im Süßwasser vor“, so Dullstein. Ein geringer Teil des gasförmigen CO₂ reagiert mit Wasser zu Kohlensäure, einer so genannten
schwachen Säure: Diese zeichnet sich durch ein sehr gutes Pufferverhalten aus. Das bedeutet: Der pH-Wert des Wassers ändert sich
kaum, auch wenn Säuren oder Basen zugegeben werden. „Das ist
wichtig für eine ausgeglichene Wasserchemie“, sagt der Linde-Ingenieur. „Wenn man das leicht saure Wasser anschließend über einen
Marmorfilter rinnen lässt oder mit Kalkmilch versetzt, löst sich das
darin enthalte Kalzium in Form von Kalziumbikarbonat im Wasser.“
Wenn Kalk und Kohlensäure im chemischen Gleichgewicht miteinander stehen, wird weder Kalk gelöst noch abgeschieden. Überschüssiges CO₂ würde die Leitungen angreifen und Korrosionsschäden an
Beton- und Metallrohren verursachen. Enthält das Wasser hingegen zu wenig gelöstes Kohlendioxid, kommt es zu unerwünschten
Kalkablagerungen in den Leitungen und an Armaturen. Um das Gas
mit der richtigen Dosierung ins Wasser zu bringen, haben die LindeIngenieure das SOLVOCARB®-System entwickelt. Das Angebot reicht
von der bloßen Bereitstellung des flüssigen Kohlendioxids bis hin
Trinkwasser in Balance
Das Rohwasser durchläuft zuerst einen Qualitätscheck (QH₂ O ). Enthält es hohe Metallkonzentrationen werden diese durch Sauerstoff in der
Solvox®-Einheit entfernt. Anschließend dosiert der Solvocarb®-Reaktor Kohlendioxid hinzu und bringt den pH-Wert des Wassers ins Gleichgewicht.
Wasserwerk
Solvox®R-Reaktor
Rohwasserbrunnen
QH o
2
Solvocarb®Reaktor
Reinwasserspeicher
Verbraucher
ph
Kohlendioxid
flüssig
MessEinheit
Bypass-Prinzip:
Um größere
Wassermengen
mit CO₂ zu versetzen, wird ein
Teil abgezweigt,
und dann dem
Hauptstrom wieder zugeführt.
WASSERaufbereitung // LINDE TECHNOLOGY #1.12
47
Wasser in Wartestellung:
Ein Techniker kontrolliert die
Umkehrosmose-Einheiten,
die zur Meerwasserentsalzung nötig sind (oben). Bevor
das Rohwasser (links) verwendet werden kann, muss
es die CO₂-Anreicherung
Solvocarb® von Linde
durchlaufen (rechts, vorne).
zur Installation der kompletten Gasregelstrecke mit Druckminderern,
Regelventilen und Eintragssystemen. Ob das Kohlendioxid per Diffusionsschlauch, Reaktor oder Düse ins Wasser eingetragen wird, hängt
von den Dimensionen der Anlage und den Anforderungen vor Ort
ab. Für die CO₂-Einspeisung in Druckrohrleitungen wurde beispielsweise das SOLVOCARB®-D-Verfahren entwickelt. Dabei injiziert eine
Edelstahldüse das Gas direkt in den fließenden Rohwasserstrom. Bei
diesem Verfahren benötigt das Kohlendioxid allerdings auch eine
gewisse Verweilzeit und damit eine Reaktionsstrecke, um sich im
Wasser zu lösen. Für größere Wassermengen haben die Linde-Experten deshalb eine andere Lösung entwickelt. „In diesem Fall zweigen
wir einen Teilstrom ab und legen einen Bypass. Dieser wird dann
über spezielle Düsen oder Druckbehälter mit CO₂ hochangereichert
und wieder in den Hauptstrom zurückgeführt“, erklärt Dullstein.
Simulationen für optimalen CO₂-Eintrag
zungsanlagen. „Auch Wasser aus kalkarmen Regionen oder Talsperren weist meist ein zu geringes Puffervermögen auf – und benötigt
daher den CO₂-Zusatz. Der Bedarf hängt stark von den geologischen
Gegebenheiten ab“, sagt Dullstein. Die größte Herausforderung bei
Trinkwasseranlagen ist die gleichmäßige Verteilung des Gases in den
riesigen Wassermengen. Um eine effiziente Lösung für die jeweilige
Anforderung zu entwickeln, setzen die Gasespezialisten auch auf
Simulationen, so genannte fluiddynamische Simulationsverfahren.
„Im Falle einer Trinkwasseranlage in Australien hatte der Betreiber Sorge, ob sich das Kohlendioxid gleichmäßig verteilen lässt.
Denn das Wasser fließt in einem künstlichen, offenen Kanal“, erinnert sich der Ingenieur. Die Linde-Experten konnten diese Bedenken mithilfe der Simulationsverfahren ausräumen: Wenn der mit CO₂
angereicherte Bypassstrom über mehrere Düsen mit dem Hauptwasserstrom vereinigt wird, sorgen Verwirbelungen für
eine optimale Durchmischung der Ströme. Über die
Variation der Eintragstiefe und Düsenausrichtung
konnte das Team um Dullstein die beste Konstellation finden. „Ein Erfolgsrezept ist es, gemeinsam mit
dem Kunden maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Dank unserer Expertise hat er immer die
Gewissheit, dass ausreichende Mengen CO₂ zur richtigen Zeit vorhanden sind“, sagt der Linde-Ingenieur.
Und das Know-how der Wasser-Experten wird in Zukunft gefragt
sein: Vor allem die rasant wachsenden Megastädte stehen vor
großen Herausforderungen, ausreichend Trinkwasser für ihre Bewohner bereitzustellen. Die Wasserversorgung der Welt zu verbessern,
ist eine Mammutaufgabe – auch die Gasespezialisten von Linde leisten hierzu einen wichtigen Beitrag.
H₂O für Megacities: HErausforderung
der Zukunft.
Bei einer Meerwasserentsalzungsanlage in Algerien haben die Linde-Experten einen SOLVOCARB®Drucksättiger installiert: Dort sprudeln jährlich 2.000
Tonnen Kohlendioxid in das wertvolle Nass – und
machen es für die Menschen und die umliegende
Landwirtschaft nutzbar. Dafür stehen Tankanlagen
mit flüssigem CO₂, Verdampfer, Druck- und Mengenregelung bereit
– alles in doppelter Ausfertigung, um eventuell mögliche Ausfälle zu
kompensieren. Denn: Ohne die Linde-Technik würde kein Wassertropfen die Aufbereitungsanlage verlassen.
Auch eine australische Meerwasserentsalzungsanlage setzt auf
Kohlendioxid: Die Sydney Desalination Drinking Water Plant nutzt
CO₂, das bei industriellen Prozessen anfällt, um das blaue Gold nutzbar zu machen. Bis zu 6.000 Tonnen des Gases fließen dafür jährlich in die Anlage. Mithilfe des Kohlendioxids lassen sich täglich bis
zu 250 Millionen Liter Wasser produzieren – das entspricht etwa
15 Prozent des Wasserbedarfs von Sydney. Aber die Linde-Ingenieure
kümmern sich nicht nur um die richtige Wasserbalance von Entsal-
LINK:
www.waterfootprint.org
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Intensivmedizin
48
Herz-OP: Stickstoffmonoxid erweitert verengte Lungenarterien
Entspannung
b
ei Hochdruck
Bei akutem Sauerstoffmangel leiden alle Organe. Zum Beispiel bei Lungenhochdruck, wenn
dieser vor, während oder nach einer Herz-OP auftritt. Mit der INOmax®-Therapie von Linde lässt
sich der Druck in den Lungengefäßen senken. Das Medizingas Stickstoffmonoxid entspannt
die verengten Blutgefäße, sodass sich die Herzfunktion und Sauerstoffversorgung verbessern.
Eine Herzoperation geht an die Substanz. Sowohl bei Kindern als auch
Erwachsenen hängt das Leben dabei häufig am seidenen Faden. Egal
ob Bypass, Herzklappe oder Organtransplantationen: Viele Eingriffe
sind zwar mittlerweile Routine im medizinischen Alltag. Die OPs
erfordern dennoch die volle Konzentration eines Ärzteteams. „Wäh-
Geringer
Blutfluss
Stickstoffmonoxid (NO)
Angespannte Muskelzelle
Höherer
Blutfluss
rend einer Operation kann sich der Zustand des Patienten jederzeit
schlagartig verändern“, sagt Berit Lindh von Linde Healthcare im
schwedischen Lidingö. Bei einigen Patienten kann es zu einer Verengung der Blutgefäße kommen, die das Blut vom Herzen zur Lunge
führen – mit gefährlichen Folgen: Bei dieser so genannten Vasokonstriktion steigt der Blutdruck in den Pulmonalarterien, also den Lungenschlagadern, immer weiter an. Das verursacht Lungenhochdruck
und belastet in der Folge die rechte Herzkammer, die das Blut zur
Lunge pumpt. Und nicht nur das: Von der Lunge gelangt dann weniger Sauerstoff aus der Atemluft ins Blut. Das belastet den Kreislauf
zusätzlich und birgt die Gefahr eines schwerwiegenden Sauerstoffmangels im gesamten Körper. Um das zu verhindern und den Kreislauf der Patienten wieder zu stabilisieren, gibt es in der Intensivmedizin mehrere Möglichkeiten – eine davon ist INOmax®: eine Therapie
mittels Stickstoffmonoxid, kurz NO. „Klinische Studien haben gezeigt,
dass die Gabe von NO den erhöhten pulmonalarteriellen Druck reduziert“, erklärt Lindh. „Dadurch verbessert sich die Rechtsherzfunktion, der Blutkreislauf und damit auch die Sauerstoffzufuhr.“
NO wirkt selektiv auf den Lungenkreislauf
Entspannte Muskelzelle
Mehr Blutfluss dank entspannter Muskeln: Wenn sich Muskelzellen
anspannen, verengen sich die Gefäße und es fließt weniger Blut.
NO entspannt die Muskeln, erhöht Blutfluss und Sauerstoffversorgung.
In Europa gibt es jährlich etwa 420.000 Herzoperationen. Erhalten die Patienten das medizinisch geprüfte Inhalationsgas, gelangt
es mit der Atemluft bis in die Lungenbläschen und dann weiter in
die Blutgefäße der Lunge. Dort setzt das Stickstoffmonoxid (NO)
eine biochemische Reaktion in Gang, für deren Aufklärung die USAmerikaner Ferid Murad, Robert Furchgott und Louis J. Ignarro 1998
den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhielten (siehe Textkasten): Wie körpereigenes NO signalisiert INOmax® den Gefäßen,
sich zu entspannen und damit zu weiten. Intravenös gegeben, erweitert Stickstoffmonoxid (Nitroglycerin) alle Arterien und verbessert
Intensivmedizin // LINDE TECHNOLOGY #1.12
49
NO – Kleines Molekül, groSSe Wirkung
↲
↳ Bildquelle: Linde AG
Autorin: Clara Steffens
Für die Aufklärung der Wirkungsweise des zweiatomigen Moleküls Stickstoffmonoxid (NO) gab
es 1998 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Gebildet wird NO in den Endothelzellen, der
inneren Zellschicht der Arterien. Der Botenstoff
diffundiert aber rasch zu den tiefer gelegenen
glatten Muskelzellen und aktiviert dort die so
genannte Guanylatcyclase (GC). Das Enzym produziert schließlich den Botenstoff zyklisches
Guanosinmonophosphat (cGMP), das eigentliche
Signalmolekül für die Entspannung (Relaxation)
der glatten Muskelzellen. Die Folge: Je mehr cGMP
zum Beispiel in den Muskelzellen der Lungenarterien vorhanden ist, desto dehnbarer sind die
Gefäße – und desto eher kann der Blutdruck
auf dem Weg vom Herz in die Lunge wieder sinken.
den Blutfluss – und damit die Sauerstoffversorgung in allen Organen
und Geweben des Körpers. Zugleich kann es aber auch einen Blutdruckabfall auslösen. Anders bei der Inhalation von Stickstoffmonoxid: Der direkte Transport über die Atemluft an den gewünschten
Wirkort ist ein großer Vorteil: „Das inhalierte NO wirkt selektiv auf
den Lungenkreislauf“, betont Lindh. Allein der Lungenhochdruck wird
reduziert – und damit auch die Überlastung der rechten Herzkammer.
Das verbessert die Sauerstoffzufuhr. Linde Healthcare vertreibt das
Inhalationsgas INOmax® seit fast zwölf Jahren. Etwa 300.000 Patienten wurden weltweit bereits mit dem gasförmigen Medikament
intensivmedizinisch behandelt: INOmax® ist für die Behandlung des
Lungenhochdrucks bei Neugeborenen seit 2001 zugelassen und
gilt seither als Standardtherapie bei der Behandlung von Lungenfehlfunktionen. Kürzlich hat die Europäische Kommission INOmax®
für Patienten aller Altersklassen neu zugelassen, wenn bei ihnen im
Rahmen einer Herzoperation ein Lungenhochdruck auftritt. Europaweit werden in Zukunft rund 10.000 Patienten pro Jahr von der
INOmax®-Therapie profitieren. In der Regel reicht eine Behandlung
über etwa 24 bis 48 Stunden aus, um den gewünschten Effekt zu
erzielen. Inhaliertes NO kann aber auch über mehrere Tage verabreicht werden. „Egal wie lange die NO-Zufuhr dauert – wichtig ist,
dass das Absetzen danach schrittweise erfolgt“, warnt Lindh. Denn
eine zu schnelle Entwöhnung von der Therapie birgt das Risiko des
so genannten Rebound-Effekts: Der Druck in den Lungenarterien
steigt wieder an, und der Kreislauf wird erneut instabil. Wie die Entwöhnung optimal gestaltet und mit welchen NO-Konzentrationen bei
welchen Patienten am besten begonnen werden sollte, lernen Intensivmediziner, Anästhesisten und Pflegepersonal bei Schulungen, die
Linde Healthcare ebenfalls anbietet. „INOmax® ist für uns mehr als
nur ein Medikament: Wir bieten den Kliniken ein komplettes Thera-
piesystem samt Geräten, klinischer Unterstützung und Training – das
umfasst alles vom Service bis zur technischen Unterstützung“, erklärt
Lindh. „Unser INOvent®-Abgabesystem lässt sich mit allen gängigen
Apparaturen kombinieren und stellt die richtige Verdünnung mit dem
jeweiligen Sauerstoff-/Luftgemisch sicher“, so Lindh weiter.
Linde Healthcare kümmert sich auch um regelmäßigen Service
und um die Wartung der Geräte. Von alldem profitieren vor allem
die Patienten: „Dank der Überprüfung durch die europäische Arzneimittelagentur haben Ärzte und Krankenschwestern die Sicherheit,
dass sie ihre Patienten im Fall der neuen Indikation mit dem zugelassenen Arzneimittel behandeln können“, so Roel Kellenaers, Leiter von Global Marketing, Sales and Business Development, Linde
Healthcare. „Die INOmax®-Therapie ist ingesamt sehr sicher“, sagt
Lindh. Wie bei allen Medikamenten sind Nebenwirkungen natürlich
nicht auszuschließen. Und wenn doch, dann sind diese in der Regel
abhängig von der Dosis. So wurde bei einigen Patienten zum Beispiel
eine geringere Anzahl an Blutplättchen und damit verlängerte Blutungszeiten beobachtet. Neben der Gefäßerweiterung bei Lungenhochdruck wird NO in Form von Nitroglycerin-Sprays oder -Tabletten bereits seit langem in der Therapie der Herzerkrankung Angina
pectoris eingesetzt. Zudem ist NO wichtig für die Signalweiterleitung
im Gehirn, für den Geruchssinn und bei der Immunabwehr. Weltweit
laufen Forschungsprojekte zu dem medizinischen Potenzial dieses
farblosen Gases – und es ist noch lange nicht ausgeschöpft.
LINK:
www.nhlbi.nih.gov/health/health-topics/topics/hlw/system.html
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Biotechnologie
50
K
raftschub für
Zellfabriken
Die Zukunft der Industrie steckt in der Natur. Weil Erdöl knapp wird, müssen verstärkt nachwachsende Rohstoffe genutzt werden. Den Schlüssel dazu liefert die Biotechnologie mit maßgeschneiderten Mikroorganismen. Experten von Linde Gas Deutschland und Linde Engineering
Dresden wollen die Zellfabriken jetzt auf Höchstleistungen trimmen – mithilfe von Sauerstoff.
Sie haben weder Biologie studiert noch einen Doktortitel in Chemie. Dennoch managen lebende Zellen ein kompliziertes biochemisches Räderwerk. Menschen nutzen die Talente von Einzellern wie Bakterien,
Hefen oder Pilze schon lange: Käse, Wein und Joghurt, aber auch Penicillin sind bekannte Beispiele für die Leistung der Mikroorganismen. Die
optimal aufeinander abgestimmten Stoffwechselprozesse, die in den Zellen ablaufen, hätte kein Chemieingenieur besser konstruieren können.
Auf Zucker gebaut
Die industrielle Biotechnologie benötigt eine ausreichende Zuckerversorgung. Der süße Rohstoff stammt vor allem
aus Zuckerrohr und -rübe, aber auch aus Mais, Weizen
und Maniok. 160 Millionen Tonnen Kohlenhydrate werden
weltweit jedes Jahr von Mikroorganismen umgesetzt.
Dennoch übersteigt die globale Zuckernachfrage seit der
Jahrtausendwende regelmäßig die Produktion. Spitzenreiter sind die USA und Brasilien: Sie benötigen mehr als
drei Viertel der globalen Zuckerproduktion für die Fermentation, vor allem für die Bioethanol-Gewinnung. Die
EU-27 benötigt für die industrielle Biotechnologie rund
5,5 Millionen Tonnen Zucker. Weltweit wird intensiv an
der Umwandlung von Agrarreststoffen sowie Holz in
Zucker gearbeitet, um der wachsenden Konkurrenz zur
Nahrungsmittelproduktion zu begegnen.
Zahlen: ECO SYS
Die Industrie hat die Qualitäten der Zellfabriken längst erkannt und
nutzt den Ideenreichtum der Natur zur Herstellung von Pharmawirkstoffen, Grundchemikalien und Biokraftstoffen. „Die Biotechnologie
hat das Zeug dazu, die chemische Industrie künftig völlig umzukrempeln und auf eine grüne Basis zu stellen. Denn die Mikroorganismen können Biomasse besonders effizient in nützliche Verbindungen
umwandeln“, sagt Johann Kaltenegger, Anwendungstechniker in der
Marktentwicklung Chemie der Linde Gases Division.
Komplexe Wirkstoffmoleküle, Enzyme, aber auch Massenchemikalien wie Zitronensäure oder Futtermitteladditive wie die Aminosäure
Lysin lassen sich mit maßgeschneiderten Bakterienstämmen und speziell
gezüchteten tierischen Zellkulturen viel eleganter und kostengünstiger produzieren. „Ein wichtiges Verfahren in der Biotechnologie
ist die Fermentation, also die großtechnische Kultivierung der Mikroorganismen, die beispielsweise Glukose oder Stärke in chemische
Produkte umsetzen“, so Kaltenegger. Der Lebensraum der winzigen
Chemiefabriken sind so genannte Fermentationsreaktoren: Die riesigen
Behälter aus Edelstahl sind mit einer wässrigen Nährstofflösung
befüllt und können beheizt, gekühlt, begast und gerührt werden. Bei
30 bis 40 Grad Celsius fühlen sich die meisten gegenwärtig kommerziell genutzten Zellen besonders wohl und vermehren sich rasch.
„Neben dem zuckerhaltigen Futter brauchen die Mikroorganismen aber für viele Produkte auch Sauerstoff“, erklärt Dr. Michael
Buchmann, Disziplin-Manager Industrielle Biotechnologie bei der
Linde Engineering Dresden GmbH. Denn viele Fermentationen in der
pharmazeutischen und der Spezialchemie-Industrie verlaufen aerob,
also mithilfe von Sauerstoff. Das Lebensmolekül O₂ ist eine wichtige Substanz für alle Zellen: Es ist essentiell für die Atmung, kurbelt
Autorin: Caroline Zörlein
B
ildquelle: Science Photo Library/Agentur Focus
Sauerstoff macht biotechnologische Prozesse leistungsfähiger
↲↳
Biotechnologie // LINDE TECHNOLOGY #1.12
51
Frischluft im Fermenter: Mit der
richtigen Sauerstoffversorgung wachsen
Mikroorganismen schneller. Bei
Biotech-Prozessen erhöht dies oft die Ausbeute des gewünschten Produkts.
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Biotechnologie
52
Chemiedesign im Bio-Gewand:
In den riesigen Edelstahl-Fermentern
lassen sich die optimalen Wachstumsbedingungen für die Zellen einstellen (links und unten rechts).
Die richtige Sauerstoffversorgung ist
beim Kultivieren von Bakterien
wichtig (unten), aber auch bei der
Fermentation von tierischen Zellen,
die zum Beispiel monoklonale
Antikörper produzieren (unten links).
etliche Stoffwechselprozesse an und trimmt sie auf Höchstleistungen. Und bei vielen Biotech-Prozessen gilt: Je mehr Biomasse
erzeugt wird, desto größer ist die Ausbeute am gewünschten Produkt. Herrschen also optimale Wachstumsbedingungen im Fermenter,
spiegelt sich das direkt im Ertrag wider. Ein Rührwerk sorgt für eine
gute Durchmischung. „Bei steigendem Sauerstoffbedarf muss man
die Rührergeschwindigkeit aufgrund des Wachstums der Zellen erhöhen. Das führt zu einer stärkeren Dispergierung der eingebrachten
Luftblasen und wegen der vergrößerten Oberfläche zu einer Erhöhung des Sauerstoffeintrags“, sagt Dr. Karl-Heinz Schneider, Global
Drug Discovery bei der Bayer AG.
Mehr Sauerstoff, weniger Rühren
„Meist ist der natürliche Sauerstoffgehalt in der Luft mit knapp 21 Prozent zu gering für eine optimale Sauerstoffversorgung der Zellen,
insbesondere wenn hohe Wachstumsraten gefordert
sind“, sagt Buchmann. Es besteht die Gefahr von
Sauerstoffmangel und damit einem schlechteren
Zellwachstum – vor allem dann, wenn die Mischung
sehr viskos ist. „Damit sich unter diesen erschwerten Bedingungen genügend O₂ im Wasser löst, muss
entweder sehr stark gerührt oder ein höherer Gasdruck angelegt werden“, erklärt Kaltenegger. Doch
diese Strategie hat auch Nachteile: Starkes Rühren
kann sensible Zellen beschädigen oder sogar zerstören. „Bei der biotechnologischen Produktion von monoklonalen Antikörpern werden nahezu ausschließlich tierische Zellen verwendet,
die extrem scherempfindlich sind“, erklärt Johanna Leisling, Anwendungstechnikerin in der Marktentwicklung Chemie der Linde Gases
Division. Diese Kulturen können nur leicht gerührt werden. „Um den
wachsenden O₂-Bedarf dennoch zu decken, werden diese mit einem
Gemisch aus Luft und Sauerstoff begast“, sagt Schneider. „Für die
Fermentation von tierischen Zellen wird also immer reiner Sauerstoff
benötigt“, so der Bayer-Experte. Denn die Alternative, den O₂-Gasdruck zu erhöhen, ist nicht vorteilhaft: Zwar können die Zellen dann
leichter Sauerstoff aufnehmen, aber Kohlendioxid
auch schwerer in das umgebende Medium abgeben.
Das behindert die Atmung der Zellen und macht sie
unproduktiver. Deshalb verfolgen die Experten der
Linde Gases Division gemeinsam mit ihren Kollegen
von Linde Engineering in Dresden eine andere Strategie gegen den O₂-Mangel: Sie wollen die Brutluft
mit reinem Sauerstoff anreichern. „Teilweise haben
bereits die Kunden den Wunsch, O₂-reicheres Gas
einzusetzen – beispielsweise im Pharmabereich.
Hier wird wegen der empfindlichen Zellkulturen häufig sogar besonders reine synthetische Luft verwendet, also eine Gasmischung von
20 Prozent Sauerstoff und 80 Prozent Stickstoff“, weiß Buchmann.
Versuche im Labor haben bereits gezeigt, dass aerobe Fermentationen von mehr Sauerstoff deutlich profitieren. Um die Vorteile für
Biotech auf
Hochtouren:
O₂ macht
Prozesse wirtschaftlicher.
Biotechnologie // LINDE TECHNOLOGY #1.12
53
Biotech-Prozesse im Produktionsmaßstab zu untermauern, haben
die Linde-Ingenieure neben Wirtschaftlichkeitsberechnungen auch
Computersimulationen durchgeführt. „Unsere Basis war das Bakterium Escherichia coli in einem 50 Kubikmeter großen Fermenter – ein
gängiges System in der Biotechnologie zum Beispiel zur Insulinherstellung. Mithilfe der Simulationsmodelle konnten wir genau untersuchen, wie viel Biomasse sich bei normaler Luftbegasung und bei
Sauerstoffanreicherung über die Zeit bildet“, erklärt Buchmann.
Bunte Biotech-Welt
Ein Farbcode erleichtert die Zuordnung der biotechnologischen Anwendungsfelder. Die Weiße Biotechnologie
nutzt die Werkzeuge der Natur wie Bakterien, Hefezellen
oder Enzyme zur industriellen Produktion. Vor allem in
der Ernährung bereichern Produkte der Weißen Biotechnologie schon jahrtausendelang das Leben der Menschen: Wein, Brot, Bier, Käse oder Joghurt lassen sich nur
mittels Mikroorganismen herstellen. Mittlerweile helfen
die natürlichen Werkzeuge auch bei der Produktion von
Grund- oder Spezialchemikalien. Die Rote Biotechnologie, angelehnt an die Farbe des menschlichen Blutes,
macht heute den größten Bereich aus und beschäftigt
sich mit der Entwicklung neuer therapeutischer und diagnostischer Verfahren. Medikamente wie Antikörper oder
Hormone sind bekannte Beispiele. Die wissenschaftlichen
Grundlagen bildet die moderne Genforschung. Der grüne
Blattfarbstoff Chlorophyll hat der Grünen Biotechnologie
ihren Namen verliehen. Dabei widmet man sich der Züchtung neuer Pflanzensorten und entwickelt anhand molekularer Methoden beispielsweise verbesserte Nutzpflanzen und ertragreichere Sorten. Die Blaue Biotechnologie
konzentriert sich auf Organismen der Ozeane. Besonders
interessant für die Forscher: Hitzestabile Enzyme aus
Tiefseebakterien, die in der Nähe heißer, unterseeischer
Vulkane leben.
Zellkulturen im Sauerstoffbad
Die Ergebnisse sprechen für sich: Wird der O₂-Gehalt auf 30 Prozent
erhöht, haben sich durch die damit erzielbare hohe Wachstumsrate
bereits nach 15 Stunden 50 Gramm Biomasse pro Liter gebildet. Zum
Vergleich: Sprudelt Umgebungsluft in den Fermenter, sind nach 60
Stunden erst 30 Gramm Biomasse pro Liter entstanden. Zudem lassen sich durch mehr Sauerstoff im Reaktionsgefäß auch höhere Zelldichten, also mehr Mikroorganismen pro Volumen, kultivieren. Durch
den zusätzlichen Sauerstoff wird die Apparatur zum Hochleistungsfermenter. Buchmann: „Der Biotech-Prozess läuft besser ab. Wir verzeichnen ein schnelleres Wachstum in kürzerer Zeit und damit auch
mehr Ausbeute an Produkt.“ Ein weiterer Vorteil: Es bildet sich oft
weniger Schaum im Bioreaktor. Dank des Sauerstoffs muss weniger Gas durch die Lösung sprudeln. Auf so genannte chemische Entschäumer, die den Biotech-Prozess stören können, lässt sich also
gegebenenfalls verzichten.
Aber das schnelle Wachstum der Mikroorganismen birgt auch
Risiken, weiß Leisling: „Wenn der Zellstoffwechsel auf Hochtouren
läuft, wird deutlich mehr Wärme produziert. Und das macht natürlich leistungsfähigere Kühlsysteme erforderlich.“ Die aufwendigere
apparative Ausstattung verursacht aber nur zu Beginn Mehrkosten.
Denn die Linde-Experten konnten mit ihrer Wirtschaftlichkeitsstudie zeigen, dass diese durch den schnelleren Biotech-Prozess, Einsparungen bei Energie und Nährstoffmedium sowie eine geringere
Abwasserproduktion überkompensiert werden. „Eine O₂-Versorgung
zu installieren, ist zudem unkompliziert, denn die Bioreaktoren besit-
Wachstumsmarkt Biotechnologie
Weltweite Umsätze in Milliarden Euro
2005
2010
Quelle: DIB, McKinsey
20
20
15
10
15
10
10
5
0
zen bereits die Vorrichtung zum Einsprudeln der Luft“, erklärt Leisling. Das Sauerstoffversorgungssystem von Linde, OXIMIX®, und das
dazugehörige Mess- und Regelsystem FLOWTRAIN® können also einfach integriert werden.
Das Turbo-Wachstum mithilfe von Sauerstoff soll in Zukunft auch
von einer Forschungsgruppe am Chemisch-Biotechnologischen Prozesszentrum in Leuna (siehe Beitrag in LT #2/2011) noch genauer
untersucht werden. Dort forschen Wissenschaftler der Fraunhofer
Gesellschaft gemeinsam mit Linde-Mitarbeitern und anderen Industrieunternehmen sowie wissenschaftlichen Partnern u. a. an der Entwicklung neuer Biotech-Verfahren. „Denn trotz aller Vorteile ist die
Biotech-Szene noch etwas skeptisch“, so Kaltenegger. „Wenn ein
Bakterienstamm das richtige Produkt mit guter Ausbeute herstellt,
reicht das den meisten.“ Aber der Linde-Experte ist überzeugt, dass
sich die Einstellung „Never change a running system“ in den nächsten Jahren ändern wird, weil die O₂-Anreicherung großes Ertragspotenzial bietet.
5
2,5
PharmaWirkstoffe
Chemikalien,
Polymere
Enzyme
LINK:
www.europabio.org
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Insektenfalle
54
Umweltfreundlich gegen Moskitos
Sommerzeit ist Mückenzeit. Bislang können nur
Insektizide und UV-Lichtfallen die Blutsauger
abwehren. Aber darunter leiden auch nützliche
Bienen. Die Firma Biogents AG hat eine umweltfreundliche Falle gegen die Moskitos entwickelt:
Sie arbeitet mit Kohlendioxid von Linde.
Jährlich grüßt die Insektenplage. Kaum ist es warm genug, um die
Sommerabende auf der Terrasse oder im Garten zu verbringen, schon
schwirren die ersten Blutsauger – und die Stiche jucken an Beinen
und Armen. Bislang half nur die chemische Keule, um sich vor den
lästigen Moskitos zu schützen. Doch Mückensprays enthalten Insektengifte, die auch Nützlinge schädigen können.
Eine in Deutschland neue Methode setzt auf eine völlig andere
Strategie: Mit Kohlendioxid lassen sich die stechenden Plagegeister
an der Nase herumführen und gezielt fangen. Im Vergleich zu Insektiziden ist die Alternative umweltfreundlich. Kohlendioxid ist für beinahe alle Mücken in Mitteleuropa einer der wichtigsten Lockstoffe.
Auch Menschen atmen etwa ein Kilogramm CO₂ pro Tag aus. Das Gas
führt die Insekten wie auf einer unsichtbaren Geruchsspur zur Blutmahlzeit. Die Schwäche der Mücken für Kohlendioxid wird ihnen mit
der neu entwickelten Falle zum Verhängnis. Die
Firma Biogents AG hat zusammen mit Forschern
der Universität Regensburg eine einfache, aber
effektive Lösung entwickelt: Der Mosquitaire™
Plus lockt die geflügelten Plagegeister per CO₂ in
die Falle. Das Gas stammt von der Linde-Tochter
Unterbichler Gase GmbH und wird unter dem Produktnamen BIOGON® C vertrieben. Dr. Stephan
Schmitz, Leiter Produktmanagement bei Linde Gas Deutschland,
hat die Mückenfalle bereits im eigenen Garten getestet – und ist
begeistert: „Die Falle ist leicht aufzubauen, man schließt nur Strom
und BIOGON® C an und sie läuft.“ Der Mosquitaire™ Plus selbst
besteht aus einem Kunststoffbehälter. Aus einer Düse strömt das
angeschlossene CO₂, das die Atemwolke imitiert – je nach Einstellung
200 bzw. 500 Gramm pro Tag. In der Mitte befindet sich ein Loch, in
das die angelockten Moskitos über einen Lüfter angesaugt werden.
Dort landen sie in einem Beutel und können nicht mehr flüchten.
Nur die Mückenweibchen gehen in die Falle. Denn nur diese saugen
Blut, während sich die Männchen von Pflanzennektar ernähren. Die
Autorin: Ulrike Feigl
Bildquellen: M. Barraud/Getty Images, Bayer AG
Mückenfang
mit CO₂
↲↳
Entwickler versprechen bis zu 85 Prozent weniger Stiche durch die
neue Lösung. „Und bei längerem Betrieb der Falle lässt sich auch die
Mückenpopulation an sich deutlich reduzieren. Denn jedes Weibchen
kann in seinem Leben etwa 200 Eier legen – aus denen dann wieder
neue Stechmücken schlüpfen“, erklärt Schmitz.
Die Falle imitiert aber nicht nur die menschliche Atemwolke,
sondern auch den Körpergeruch – und zwar durch ein einfaches
Kreislaufsystem: Der künstliche Atem wird ebenso wie die Stechinsekten in das Gerät gesogen. Darin wird die mit CO₂ angereicherte
Luft umgeleitet und über einen Geruchspender
mit kleinen Mengen an Substanzen versetzt, die
auch im menschlichen Schweiß vorkommen. Dieser Duftmix strömt großflächig aus der Oberseite
der Falle. Dadurch wird der Kohlendioxid-Lockstoff angereichert und gleichzeitig noch reizvoller
gemacht. So werden die Mücken aus einer Distanz
von bis zu 20 Metern angelockt. Und im Gegensatz
zu Insektiziden oder UV-Lichtfallen, die alle Insektenarten, also auch
Blütenbestäuber und Nützlinge anzieht, ist die CO₂-Falle tatsächlich selektiv für Stechmücken. „Denn der Mosquitaire™ Plus simuliert den Menschengeruch. Er ist deshalb nur für Blutsauger attraktiv und für Bienen, Schmetterlinge oder Marienkäfer uninteressant“,
erklärt Schmitz.
Ausgetrickste
Mückennasen:
85 Prozent
weniger stiche.
LINK:
www.biogents.com
LINDE TECHNOLOGY #1.12 // Impressum
02
Impressum
Herausgeber:
Linde AG
Klosterhofstraße 1, 80331 München
Telefon +49.89.35757-01
Telefax +49.89.35757-1398
www.linde.com
Redaktion:
Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, Linde AG;
wissen + konzepte, München
#1.
12
Bildredaktion:
Judith Schüller, Hamburg
Layout:
wissen + konzepte, München;
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Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle
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ohne Einwilligung des Herausgebers nicht
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ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2012
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Titel: Linde AG // Seite 04/05: Laurance B. Aluppy, Don Farrall, Sean Gallup/Getty Images, Roche
PR // Seite 06/07: Linde AG // Seite 08/09: Frank Siemers/laif, Linde AG (2) // Seite 11: Linde
AG // Seite 12/13: Linde AG (2), Novosti/SPL/Agentur Focus, BKA // Seite 14/15: picture-alliance/
dpa, Linde AG (2), Hollandse Hoogte/laif, Image Source/Getty Images // Seite 16: John Zoiner/
Getty Images // Seite 18/19: Linde AG (2), Cuthbert/SPL/Agentur Focus // Seite 21: Shuli Hallak/
Corbis // Seite 22/23: Linde AG, Roy Morsch/Corbis, Justin Sullivan/Getty Images // Seite 24/25:
Linde AG // Seite 27: Cameron Davidson/Corbis // Seite 28/29: plainpicture/Design Pics, ddp
images, Bloomberg/Getty Images, Linde AG // Seite 30/31: Linde AG (2) // Seite 32: Jonelle Weaver/
Getty Images // Seite 34/35: Linde AG (4), Ruiz/Treal/laif // Seite 37: Thomas Ernsting/laif // Seite 38/39: Getty Images, plainpicture/Cultura, Tallent Automotive Limited // Seite 40/41: Andreas
Hub/laif, Bally/Keystone Schweiz/laif // Seite 42: Linde AG // Seite 44: Janet Forster/Getty Images // Seite 46/47: Bloomberg/Getty Images, Yu Fangping/Imaginechina/laif, Linde AG // Seite 48/
49: Linde AG // Seite 51: Science Photo Library/Agentur Focus // Seite 52/53: Linde AG, Ingram/
Getty Images, Roche PR (2) // Seite 54: M. Barraud/Getty Images, Bayer AG
Mehr Erdgas fördern: 670.000 Kubikmeter Stickstoff
erzeugen die beiden Luftzerleger des Linde-ADNOCGemeinschaftsunternehmens Elixier stündlich. N₂
macht die Erdgasproduktion in Abu Dhabi effizienter.
Ein außergewöhnliches Projekt: Europas größte Erdgasverflüssigungs-Anlage in
Norwegen wurde mit dem Know-how der Linde Group errichtet. Ein perfektes
Beispiel dafür, dass wir als eines der weltweit führenden Gase- und Engineeringunternehmen mit rund 50.500 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern innovative
Ideen entwickeln, die den Horizont des menschlich Machbaren konsequent
erweitern. Herausragende Ingenieurkunst, Exzellenz im operativen Bereich und
der Antrieb, bei Technologien und Innovationen weltweit neue Maßstäbe zu setzen,
unterstützen uns dabei, richtungsweisende Schritte in eine lebenswerte Zukunft
zu machen. Weitere Informationen über The Linde Group finden Sie online unter
www.linde.com.
LINDE TECHNOLOGY #1.12
LINDE
TECHNOLOGY
Ausgabe
# 1.
1 2
TITELTHEMA: Energien aus der Erde
CO₂ abtrennen
Klimafreundliche Kohlekraft
Schiefergas nutzen
Rohstoffe effizienter fördern
Kohle Umwandeln
Synthetische Erdgasproduktion
Kriminaltechnik
Mit Gasetechnologie auf Spurensuche
METALLVERARBEITUNG
Bauteile verzugsfrei schweißen
Wasseraufbereitung
E ntsalztes Meerwasser trinkbar machen
Neue Wege für mehr Effizienz und Klimaschutz
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