PRO CONTRA

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PRO CONTRA
BLICK 03 - 2007
PRO
& CONTRA
thema
GRÜNE GENTECHNIK
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Die schon heute angebauten gentechnisch veränderten
Pflanzen der ersten Generation zeichnen sich vor allem
durch Resistenz gegenüber biologisch abbaubaren
Totalherbiziden oder bestimmten Schadinsekten aus,
wodurch der Einsatz von umweltbelastenden Pestiziden wesentlich reduziert werden konnte. Bei den vor
der Zulassung stehenden transgenen Pflanzen der 2.
und den in der Entwicklung befindlichen Pflanzen der
3. Generation geht es in erster Linie um eine wesentliche Steigerung der Qualität der Ernteprodukte, zum
unmittelbaren Vorteil des Endverbrauchers. Dies
betrifft die Verbesserung der Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln (Fettsäurezusammensetzung, Reduktion
von Allergenen) und Futtermitteln (Verdaubarkeit,
Aminosäuren), die Optimierung für industrielle Stoffproduktionen (Biopolymere, Enzyme), die Produktion
pharmazeutischer Substanzen (Impfstoffe, Medikamente), die Entgiftung von Böden und veränderte
Eigenschaften von Zierpflanzen. Von den Regierungen
wurden und werden viele Millionen Euro für die Sicherheitsforschung ausgegeben, wobei bislang keinerlei Hinweise erhalten wurden, dass durch die Anwendung von
Gentechnik neue oder andersartige Gefahren entstehen
als bei konventionell gezüchteten Sorten. Dies ergibt
sich auch aus den Erfahrungen des weltweiten bereits
großflächigen Anbaus, alleine im Jahr 2006 auf einer
Fläche von 102 Mio. Hektar, der dreifachen Gesamtfläche Deutschlands. Dennoch wird die kontroverse
öffentliche Diskussion immer wieder von „Horrorgeschichten“ in der Boulevardpresse aufgeheizt, die Entwarnung folgt dann meist kurz danach, unauffällig platziert und unbemerkt von der Öffentlichkeit. Auch wenn
die neuen Pflanzen genauso sicher wie konventionelle
Sorten sind, muss der Verbraucher frei entscheiden
können, ob er Produkte von gentechnisch optimierten
Pflanzen verwenden möchte. Deshalb muss eine Koexistenz von konventioneller Landwirtschaft und dem
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gewährleistet
sein. Dabei muss insbesondere eine Auskreuzung der
gentechnischen Veränderung in andere Nutzpflanzen
und Wildkräuter verhindert werden. Entsprechende
biologische und organisatorische Sicherheitsmaßen sind
verfügbar und auch Teil jeder Zulassung, die erst nach
einem sehr strengen und langwierigen Prüfprozess für
jeden Einzelfall erteilt wird. Dementsprechend wichtig
ist auch eine zweifelsfreie Kennzeichnung und Überwachung, was durch EU-weit verbindliche Richtlinien und
Normen geregelt wird.
Prof. Dr. Thomas Roitsch
Von Befürwortern wird die Grüne Gentechnik, auch
Agro-Gentechnik, oft als „Zukunftstechnologie“ und
„Wachstumsmotor“ bezeichnet. Für die Gegner ist sie
vielmehr eine „Risikotechnologie“, deren Gefahren in keinem Verhältnis zu den Chancen stehen. Ihr Einsatz erhöht
die Gesundheits- und Umweltrisiken in einem nicht abzuschätzenden Maß. Er gefährdet die Verbraucherrechte,
fördert die Bildung von Monopolen bzw. Oligopolen im
Bereich der Saatgut- und Pflanzenherstellung und führt
paradoxerweise vielleicht zu mehr Hungerleidenden als
wir heute haben. Der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und so hauptsächlich in der Lebensmittelproduktion verstärkt die Tendenz der Entfremdung unserer
Ernährung von der Natur. Die Nahrung wird industrialisierter, uniformierter und damit ungesünder. Es gibt keine
Studien zu mittelfristigen oder gar langfristigen Folgen des
Konsums genveränderter Lebensmittel. Der Konsument
ist nichts weiter als ein Versuchsobjekt in einem riesigen
Experiment, dessen Ergebnis nicht abzuschätzen ist.
Eines der Hauptanwendungsgebiete der Agro-Gentechnik
ist die Immunisierung von Pflanzen gegen Herbizide, damit diese bei der Anwendung von Unkrautmitteln unversehrt bleiben. Die vermehrte Anwendung dieser Spritzmittel hat negative Auswirkungen auf das Grundwasser.
Dabei ist die Entwicklung von Resistenzen des Unkrauts
gegen die Herbizide trotzdem nicht ausgeschlossen. Die
möglichen Auswirkungen auf Nützlinge, Bodenlebewesen und den Boden selbst sind nicht abschätzbar. Dabei
stellen gerade diese Lebewesen eine umweltverträgliche
Alternative zum Einsatz der Agro-Gentechnik dar.
Auch ist unklar, wie man die drei von vier Bundesbürgern,
die den Einsatz der Agrar-Gentechnik ablehnen, vor dem
unwissentlichen Konsum genveränderter Lebensmittel
schützen kann. Durch den Pollenflug ist es unmöglich,
klar zwischen den Anbauflächen zu trennen. Wer schützt
den Bio-Landwirt vor den Pflanzen seines Nachbarn, der
genetisch verändertes Saatgut verwendet? Und wer haftet
in diesem Falle für die Schäden?
Und letztlich birgt die Agro-Gentechnik noch Risiken
für den Wettbewerb auf dem Agrarmarkt. Durch die
Veränderung am Saatgut ist dieses patentierbar und als
Hybrid unter Umständen nicht mehr fruchtbar. Wo man
früher einfach Teile der Ernte für das nächste Jahre wieder aussähen konnte, muss man künftig auf kommerzielle Produkte zurückgreifen und macht sich von deren
Produzenten abhängig. Gerade für Landwirte in ärmeren
Ländern und deren Konsumenten hat dies oftmals fatale
Folgen.
Matthias Gauger

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