Zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung am Beispiel eines

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Zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung am Beispiel eines
Zuverlässigkeitsorientierte
Instandhaltung am Beispiel eines
regionalen Netzbetreibers
G. Balzer, TU Darmstadt
A. Montebauer, Elektrizitätswerk Wesertal GmbH, Hameln
A. Osterholt, ABB Utilities GmbH, Mannheim
Beitrag im Rahmen der ETG Fachtagung
ABB
Zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung
am Beispiel eines regionalen Netzbetreibers
Prof. Dr.-Ing. Gerd Balzer, Institut für Elektrische Energieversorgung, Technische Universität Darmstadt,
Deutschland
Dr.-Ing. Alexander Montebaur, Elektrizitätswerk Wesertal GmbH, Hameln, Deutschland
Dipl.-Ing. André Osterholt, ABB, Mannheim, Deutschland
Kurzfassung
Bei der allgegenwärtigen Suche nach Einsparmöglichkeiten in den Verteilnetzen werden vielfach neue Instandhaltungsstrategien in die Diskussion eingebracht. Die Zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung (RCM) legt
dabei ein besonderes Augenmerk auf die Konsequenzen, die der Ausfall eines Betriebsmittels auf die Versorgungsaufgabe hat und misst jedem Betriebsmittel damit eine "Wichtigkeit" für die Netzfunktion bei.
Wenngleich damit im Prinzip sogar die Berücksichtigung der individuellen Qualitätsanforderungen jedes Kunden möglich erscheint, scheitert die systematische Erfassung dieser Anforderungen in größeren Netzen schnell
an dem dafür erforderlichen Aufwand.
Stattdessen wurden die erforderlichen Wichtigkeitsindizes bei der Einführung einer RCM-Strategie für die 110und 30-kV-Netze eines regionalen Netzbetreibers über eine probabilistische Zuverlässigkeitsrechnung ermittelt.
Der vorliegende Beitrag zeigt die dabei relevanten Einflussfaktoren am Beispiel konkreter Betriebsmittelkollektive auf. Die systematisch erfassten Wirkungszusammenhänge zeigen eine gute Übereinstimmung der rechnerisch ermittelten Wichtigkeitsindizes mit der subjektiven Prioritäteneinschätzung der Instandhaltungsexperten
des Netzbetreibers.
1
Grundidee der Zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung
Die Liberalisierung der Strommärkte hat den Kostendruck auf alle Bereiche der elektrischen Energieversorgung verstärkt. Insbesondere in den Verteilungsnetzen, auf die bislang mehr als zwei Drittel aller
Netzinvestitions- und -betriebskosten entfielen, werden drastische Einsparungen gefordert. Dies begründet auch, warum heute ein Trend weg von der traditionellen zyklischen Instandhaltung hin zu wirtschaftlicheren Strategien festgestellt werden kann. Mit Hilfe
einer zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung können Verteilnetzbetreiber die Aufwendungen für die
Instandhaltung reduzieren, indem sie die individuellen
Qualitätserfordernisse der Kunden gezielt berücksichtigen. Dementsprechend erfolgt die Priorisierung der
Instandhaltungsmaßnahmen neben dem tatsächlichen
Betriebsmittelzustand insbesondere auch über die
Folgen, den der Ausfall eines Betriebsmittels verursachen würde, und der daraus abgeleiteten Betriebsmittelwichtigkeit. Die grundlegenden Wartungsstrategien
im Überblick zeigt nachstehend Tabelle 1.
Die planmäßige Wartung - Time Based Maintenance definiert den Zeitpunkt von Wartungsmaßnahmen
unabhängig vom Zustand des betreffenden Betriebsmittels. Aufgrund der dadurch entstehenden Kosten
sowie aufgrund der Tatsache, dass auch Wartungsmaßnahmen den Netzbetrieb stören und grundsätzlich
unerwünscht sind, wird überlegt, von dieser Strategie
abzugehen.
Im Gegensatz dazu schätzt das zustandsabhängige
Verfahren - Condition Based Maintenance - zunächst
den Zustand eines Betriebsmittels ein und fordert
Wartungsmaßnahmen nur dann, wenn ein kritischer
Abnutzungsgrad des Betriebsmittels erreicht ist. Die
praktische Anforderung besteht darin, mit kostengünstigen Untersuchungsmethoden ausreichend belastbare
Aussagen zum Komponentenzustand zu erzielen.
Bei der zuverlässigkeitsorientierten (vorausschauenden) Instandhaltung - Reliability Centered Maintenance (RCM) - wird nach [1] neben dem Zustand
eines Betriebsmittels als weiteres Bewertungskriterium dessen Wichtigkeit für die Netzfunktion eingeführt. Die zugrundeliegende Idee ist, den Grenzwert,
ab dem ein Abnutzungsgrad als kritisch eingestuft
wird, nicht einheitlich (strikt) zu wählen. Vielmehr
sollen für Betriebsmittel an für die Netzfunktion weniger kritischen Einbauorten erhöhte Abnutzungen
(und somit Versagensrisiken) zugelassen werden,
bevor eine Wartung durchgeführt wird.
Eine Sonderrolle bei den vorgestellten Strategien
spielt die ereignisorientierte Instandsetzung - Corrective Maintenance (CM) -, da sie auf Betriebsmittelwartung grundsätzlich verzichtet und im Versagensfall
für Reparatur oder Ersatz sorgt. Sie bietet sich nur für
kostengünstige Betriebsmittel in solchen Netzbereichen und Spannungsebenen an, in denen die Ausfallfolgen begrenzt und Reserveteile kurzfristig verfügbar
vorgehalten werden können.
Verfahren
Strategie
Erläuterung
planmäßig
ausfallver-
Wartung in regelmäßigen
Time Based
hindernd
zeitlichen Abständen
Maintenance - TBM
unabhängig vom Zustand
zustandsabhängig
ausfallver-
Komponentenüberwa-
Condition Based
hindernd
chung und Wartung bei
Maintenance - CBM
Erreichen eines (für jede
Komponentenklasse
einheitlich definierten)
kritischen Zustands
risikoorientiert
ausfallver-
Komponentenüberwa-
Reliability Centered
hindernd
chung und Wartung bei
Maintenance - RCM
Erreichen eines zulässigen
max. Risikos für die
Netzfunktion
ereignisorientiert
korrektiv
Keine (wesentliche)
Corrective Mainte-
Wartung, Instandset-
nance - CM
zung/Austausch bei Störung
Tabelle 1: Unterschiedliche Wartungsstrategien im
Vergleich
Wie oben beschrieben, ist die Voraussetzung zur Anwendung der RCM sowohl den technischen Zustand
eines Betriebsmittels als auch dessen Bedeutung für
die Netzfunktion zu quantifizieren.
Zur Bestimmung des technischen Zustands werden je
nach Anforderungen unterschiedlich aufwändige Diagnoseverfahren eingesetzt. Ziel ist es, kostengünstige
Verfahren zu entwickeln, die eine Zustandsprüfung
bei laufendem Betrieb erlauben. Allgemein gilt, dass
zur Interpretation der Ergebnisse auf bestehende langjährige Erfahrung zurückgeblickt werden kann [2].
Kriterium
Versorgungszuverlässigkeit
Bezug nicht
vorhanden
• Wert eines Betriebsmittels
• Umweltbeeinträchtigung bei einer Störung
• Soziale Einflüsse (z.B. Unterbrechung der
Versorgung eines Krankenhauses)
• Image-Schäden
impliziter Bezug
• Spannungsebene
• Verfügbarkeit von Ersatzteilen
• Dauer bis zum Eintreffen von Reparaturtrupps an der Störungsstelle
• Netzaufbau und -betrieb (radial, vermascht)
direkter Bezug
• Nicht zeitgerecht gelieferte Energie
• Nicht versorgte Leistung
• Unterbrechungskosten
(z.B. wirtschaftlicher Schaden der Kunden, Pönale-Zahlungen)
Tabelle 2: Kriterien zur Bewertung der Wichtigkeit einer Komponente
Im Gegensatz zur Zustandsbewertung kommen Verfahren, die die Wichtigkeit einer Komponenten quantitativ beschreiben, erst in den letzten Jahren verstärkt
zum Einsatz. Derartige Zuverlässigkeitsanalysen ermitteln den Beitrag jedes Betriebsmittels zur resultie-
renden Systemunzuverlässigkeit über eine Simulation
seines Ausfalls gewichtet mit seiner Eintrittswahrscheinlichkeit.
Einige der bisher verwendeten Kriterien sind in Tabelle 2 aufgeführt. Auffällig ist, dass der weitaus überwiegende Teil der Kriterien entweder implizit oder
direkt Aspekte enthält, die mit der probabilistischen
Zuverlässigkeitsberechnung in Zusammenhang stehen. Beispielsweise umschreiben die Begriffe "Spannungsebene" und "Netzbetrieb" die vermutliche
Tragweite von Störungen, die sich auch in den Ergebniskenngrößen der Zuverlässigkeitsrechnung ausdrückt. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und die
Dauer der Anfahrt zum Aufstellort der gestörten
Komponenten deuten auf die Reparatur- bzw. Umschaltdauer hin, in diesem Fall Eingangsdaten der
Zuverlässigkeitsberechnung.
Aufgrund der dargestellten Überlegungen wurde von
ABB Utilities ein Verfahren entwickelt, das die Ergebnisse der Zuverlässigkeitsberechnung zur Berechnung der Wichtigkeit der Betriebsmittel verwendet.
Dieses Verfahren wurde bereits mehrfach bei Unternehmen der elektrischen Energieversorgung erfolgreich eingesetzt. Für den praktischen Einsatz bewährt
hat sich die Quantifizierung der Wichtigkeit anhand
des Beitrags eines Betriebsmittels zur nicht zeitgerecht gelieferten Energie WU des Gesamtsystems.
Dieser Ansatz bietet folgende Vorteile:
•
•
•
2
Die nicht zeitgerecht gelieferte Energie beinhaltet
alle Aspekte (Häufigkeit von Unterbrechungen,
deren Dauer und die jeweils betroffene Leistung)
der Nicht-Zuverlässigkeit eines Netzes.
Es handelt sich um eine skalare Größe, so dass
eine Wichtung mehrerer Kriterien mit dem Problem der subjektiv festzulegenden Wichtungsfaktoren nicht erforderlich ist.
Sie ist aus dem amerikanischen Sprachraum als
EENS (Expected Energy Not Supplied) bekannt
und eingeführt.
Berechnung der Wichtigkeit I
(Importance)
Vor dem Ablauf einer Zuverlässigkeitsberechnung
werden einzelne Betriebsmittel geeignet zu "Komponenten" zusammengefasst, damit die Anzahl der zu
berechnenden Ausfallkombinationen (Einfach- und
Mehrfachausfälle) überschaubar bleibt. Für diese
Komponenten als kleinste Funktionseinheiten werden
die Ausfälle im Netz simuliert und deren Folgen untersucht.
Dies bedeutet, dass die Beiträge zur nicht zeitgerecht
gelieferten Energie im Netz zunächst nur für diese
Komponenten ermittelt werden. Aus diesen müssen
die Beiträge der zur Komponente gehörenden Be-
triebsmittel (beispielsweise Strom- und Spannungswandler) dann extrahiert werden. Hierzu wird folgender Ansatz verwendet:
WU i , j =
mit
λ A i, j
⋅ WU i
λA i
WU i,j
WU i
λA i,j
λA i
Anteil des Betriebsmittels j innerhalb der Komponente i an der nicht
zeitgerecht gelieferten Energie WU
des Systems
(bekanntes) Berechnungsergebnis
für die Komponente i
Ausfallrate des Betriebsmittels j
innerhalb der Komponente i
Ausfallrate der Komponente i
Zur Auswertung werden die absoluten Werte WU i,j
jedes Betriebsmittels in einen Wichtigkeits-Wert I im
Intervall 0..1 umgewandelt. Hierzu wird für jeden
Betriebsmitteltyp ein 100-%-Bezugswert W U max definiert, auf den alle übrigen Ergebnisse bezogen werden.
Bei der Bestimmung der Wichtigkeit I für Schaltanlagen werden die Betriebsmittelanteile einer Schaltanlage an der nicht zeitgerecht gelieferten Energie WU
des Systems zusammenfasst und ebenfalls auf einen
100-%-Bezugswert W U max bezogen.
3
Anwendung des Ansatzes bei einem regionalen Netzbetreiber
Die Anwendung des vorgestellten Ansatzes zur Berechnung der Betriebsmittelwichtigkeit in der Praxis
soll im Folgenden am Beispiel eines regionalen Netzbetreibers dargestellt werden. Im Rahmen eines vom
Elektrizitätswerk Wesertal und ABB Utilities gemeinsam ausgeführten Pilotprojektes zur Einführung der
zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung wurden
die erforderlichen Wichtigkeitswerte mit Hilfe einer
probabilistischen Zuverlässigkeitsberechnung ermittelt.
Sammelschienen der 30-kV-Netzstationen bzw. der
30-kV-UW und -SH nachgebildet.
Für die Zuverlässigkeitsberechnungen wurde die von
ABB in Zusammenarbeit mit dem Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der
RWTH Aachen entwickelte Netzberechnungssoftware
NEPLAN®-Ramses [3] verwendet. Die Zuverlässigkeitsberechnung mit NEPLAN®-Ramses erlaubt die
Quantifizierung der Versorgungszuverlässigkeit in
elektrischen Verteilungsnetzen. Die Quantifizierung
erfolgt lastknoten- und systembezogen anhand bekannter Zuverlässigkeitskenngrößen, wie beispielsweise der Unterbrechungshäufigkeit (Einheit 1/a), d.h.
der Erwartungswert der Häufigkeit, mit der Unterbrechungen von Lastknoten im Netz zu erwarten sind,
der Nicht-Verfügbarkeit (Einheit min/a), d.h. die
Wahrscheinlichkeit dafür, einen Lastknoten im nicht
versorgten Zustand vorzufinden, oder der bereits erwähnten nicht zeitgerecht gelieferten Energie.
Die Differenzierung der systembezogenen Ergebnisse
nach den verursachenden Komponenten liefert dann
die Grundlage für den beschriebenen Ansatz zur Berechnung der Wichtigkeit I.
Als zusätzliche Eingangsdaten der Zuverlässigkeitsberechnung dienen vor allem die Zuverlässigkeitskenndaten der Netzbetriebsmittel, die beispielsweise
aus [4] ermittelt werden können.
3.2
Exemplarische Ergebnisse
3.2.1
110/30-kV-Transformatoren
In Bild 1 sind die mit dem vorgestellten Ansatz berechneten Wichtigkeits-Werte der 110/30-kV-Transformatoren dargestellt. Den Bezugswert W U max liefert
der 110/30-kV-Transformator UB im UW D7, der im
Normalbetrieb eine Maximallast von 22 MW versorgt.
I
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,4
0,3
0,2
Bild 1: Wichtigkeit
formatoren
M2TRC
M2TRB
L7TRA
L7TRB
M2TRA
B9TRA
B9TRC
K8TRA
B9TRB
K8TRC
K8TRB
K3TRB
H8TRA
der
H8TRB
H1TRF
H1TRE
H1TRG
E7TRA
E7TRB
D9TRA
D7TRA
D5TRA
D7TRB
D5TRB
C2TRA
C2TRB
B7TRB
A2TRF
0,0
B2TRA
0,1
A9TRB
Gegenstand des Pilotprojektes war das gesamte
110/30-kV-Netz des Elektrizitätswerkes Wesertal,
bestehend aus 16 110/30-kV-Umspannwerken (UW),
18 30/10-kV-Umspannwerken, 20 30-kV-Schalthäusern (SH) sowie etwa 1500 30-kV-Netzstationen.
Die Einspeisung aus dem Verbundnetz erfolgt über
vier Transformatoren. Für die Zuverlässigkeitsberechnungen wurde das Netz durch die Oberspannungsseiten dieser Transformatoren sowie die Sammelschienen der 30-kV-Netz-Stationen abgegrenzt.
Die Verbraucher wurden als Summenlasten an den
0,5
A2TRE
Zuverlässigkeitsberechnung des
110/30-kV-Netzes
A2TRD
3.1
110/30-kV-Trans-
In 9 der 16 UW erfolgt die Speisung mindestens einer
30-kV-Sammelschiene über nur einen Transformator,
so dass es bei Transformatorausfall zu einer Versorgungsunterbrechung bis zur Umschaltung auf die
Reserveeinspeisung kommt. Die Transformatoren
dieser UW liefern somit einen Beitrag zur nicht zeitgerecht gelieferten Energie, der maßgeblich durch die
versorgte Leistung, und die Dauer der Umschaltung
auf die Reserveeinspeisung bestimmt wird. Die Umschaltung auf die Reserveeinspeisung sollte also
grundsätzlich automatisch oder von der Netzleitstelle
aus möglich sein. Das Fernwirkkonzept der EW Wesertal sieht hier ausnahmslos eine Umschaltung von
der Netzleitstelle aus vor. Die Wichtigkeit der entsprechenden 12 Transformatoren wird also daneben
nur durch die versorgte Leistung bestimmt, sofern
man für alle Transformatoren eine einheitliche Ausfallhäufigkeit unterstellt. Diese ist mit 22 MW beim
Transformator UB im UW D7 maximal.
Ebenfalls in 9 UW's erfolgt die Speisung mindestens
einer 30-kV-Sammelschiene parallel über zwei Transformatoren (drei im UW B9), folglich führen Transformatorausfälle dort nicht zu Versorgungsunterbrechungen. Die Reserveleistung muss hierzu nur für die
Dauer von Umschaltungen ausreichen. Die 19 Transformatoren in diesen UW's liefern demzufolge nur
einen geringen Beitrag zur nicht zeitgerecht gelieferten Energie, der nur aus – vergleichsweise unwahrscheinlichen – Ausfallkombinationen resultiert.
Dieses Ergebnis einer probabilistisch errechneten
Wichtigkeit entspricht der gängigen Praxis, nicht (sofort) redundant ausgelegten Betriebsmitteln bei der
Instandhaltung
eine
erhöhte Aufmerksamkeit
beizumessen.
Es kommt in der Folge zu einer Versorgungsunterbrechung aller an die betreffende(n) Sammelschiene(n)
angeschlossenen Abgänge. Die Leistungsschalter
liefern einen Beitrag zur nicht zeitgerecht gelieferten
Energie, der maßgeblich durch die nach Schutzauslösung unterbrochene Leistung, die Dauer bis zur Freischaltung des betroffenen Leistungsschalters und ggf.
der Umschaltung auf die Reserveeinspeisung bestimmt wird. Das Fernwirkkonzept der EW Wesertal
sieht auch hier ausnahmslos Umschaltungen von der
Netzleitstelle aus vor. Somit wird auch die Wichtigkeit der Leistungsschalter primär durch die nach
Schutzauslösung unterbrochene Leistung bestimmt.
Diese ist mit ca. 80 MW beim Leistungsschalter im
Abgang 18 im UW A2 maximal.
Unter Zuverlässigkeitsaspekten sollte die von einem
UW versorgte Leistung folglich möglichst gleichmäßig auf die vorhandenen Sammelschienen verteilt
werden.
3.2.3
30-kV-Schaltanlagen
Bild 3 zeigt die Wichtigkeits-Werte der 30-kV-Schaltanlagen (UW und SH) dargestellt. Den Bezugswert
W U max liefert die Schaltanlage des 30-kV-UW J9.
I
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
3.2.2
110-kV-Leistungsschalter
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
L8
M3
L4
K4
K2
I6
J5
L1
H4
G8
E8
E9
E1
D6
C8
J4
A7
B3
L3
A3
K6
E6
G5
G6
D4
C4
A1
B6
0,0
B4
In Bild 2 sind die berechneten Wichtigkeits-Werte der
110-kV-Leistungsschalter dargestellt. Den Bezugswert
W U max liefert der Leistungsschalter im Abgang 18 des
UW A2.
Bild 3: Wichtigkeit der 30-kV-Schaltanlagen
I
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
C2LS02
L7LS10
M2LS08
M2LS04
L7LS05
K8LS05
K8LS02
H8LS05
H8LS01
H1LS09
H1LS06
H1LS03
LS7LS06
7LS06
7LS01
LS7LS01
5LS02
2LS19
2LS16
2LS09
2LS03
C2LS08
C2LS05
B9LS06
A2LS17
B9LS02
A2LS12
B2LS02
A2LS09
A2LS05
A2LS01
0,0
H1LS1A
0,1
Bild 2: Wichtigkeit der 110-kV-Leistungsschalter
Leistungsschalterausfälle führen zur Auslösung aller
Einspeisungen und ggf. der Sammelschienenkupplung, sofern im Normalbetrieb zugeschaltet. Bei fehlender Kupplung (UW in H4-Schaltung) ist stets das
gesamte UW betroffen, da konzeptgemäß alle Einspeisungen auslösen. Gleiches gilt, wenn ein Leistungsschalter in der SS-Kupplung ausfällt.
In der Wichtigkeit der 30-kV-Schaltanlagen sind die
Beiträge aller Schaltanlagenkomponenten (Sammelschienen und Schaltfelder) zusammengefasst. Damit
liefern auch Schaltanlagen einen Beitrag zur nicht
zeitgerecht gelieferten Energie, der maßgeblich durch
die nach Schutzauslösung unterbrochene Leistung, die
Dauer zur Freischaltung des betroffenen Betriebsmittels und ggf. der Umschaltung auf die Reserveeinspeisung bestimmt wird. Umschaltungen werden von der
Netzleitstelle aus (angenommene Umschaltdauer 5
Minuten) wie auch in einigen Fällen auch Vor-Ort
(angenommene Umschaltdauer 45 min) durchgeführt.
Die Wichtigkeit der 30-kV-Schaltanlagen wird somit
primär durch das Produkt der nach Schutzauslösung
unterbrochenen Leistung und der Dauer bis zur Wiederversorgung (5 bzw. 45 Minuten) der unterbrochenen Abgänge bestimmt.
So sind im Fall des 30-kV-UW J9 nach Ausfällen bis
zu ca. 15 MW Leistung unterbrochen, deren Wiederversorgung wegen fehlender Fernsteuerung erst nach
Umschaltungen Vor-Ort erfolgen kann. Bei Ausfällen
im 30-kV-UW M3 (M3, I= 0,72) sind dagegen bis zu
ca. 60 MW Leistung betroffen, die Wiederversorgung
ist allerdings von der Netzleitstelle aus möglich. Das
Fehlen einer Fernsteuereinrichtung, wie im Bereich
des 30-kV-UW J9, wirkt sich somit auf die Wichtigkeit insgesamt stärker aus als eine hohe versorgte
Last, deren Maximalwert im UW M3 mit ca. 60 MW
erreicht wird.
3.3
Bewertung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Wichtigkeits-Berechnungen zeigen ein hohes Maß an Plausibilität und decken sich in
vielen Punkten mit den Erfahrungen des Netzbetreibers. Dies bestätigt die Praxistauglichkeit des verwendeten Ansatzes, da er das Störungsgeschehen und
dessen Auswirkungen realitätsnah abbildet.
Die Ergebnisse lassen darüber hinaus eine abgestufte
Priorisierung der Betriebsmittelwichtigkeit zu, da
jeweils die gesamte Bandbreite der Wichtigkeit I zwischen 0 und 1 auch tatsächlich auftritt (vgl. Bilder 1
bis 3).
Aufgrund des durchgängigen Fernwirkkonzeptes der
EW Wesertal, das im 110-kV-Netz Umschaltungen
ausschließlich von der Netzleitstelle aus vorsieht, ist
die Wichtigkeit der 110-kV-Betriebsmittel primär
durch die nach der ausfallbedingten Schutzauslösung
unterbrochenen Leistung bestimmt. Ausfälle die unmittelbar zu größeren Unterbrechungsleistungen führen sind:
•
•
Transformatorausfall im UW ohne Paralleleinspeisung der 30-kV-Sammelschiene(n)
Leistungsschalterausfall im UW mit großer direkt
versorgter Leistung
Dagegen können einzelne Schaltelemente in der 30kV-Ebene nur von Hand vor Ort bedient werden. Hier
ist die Wichtigkeit der 30-kV-Schaltanlagen somit
durch das Produkt aus der nach einer ausfallbedingten
Schutzauslösung unterbrochenen Leistung und der
Dauer für die Umschaltungen bestimmt. Dabei hat die
Dauer zur Wiederversorgung nach Ausfällen (von
Fern/Vor-Ort) einen größeren Einfluss auf die Wichtigkeit als die Unterbrechungsleistung.
4
Zusammenfassung
Im Zuge eines Pilotprojektes zur Einführung einer
zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltungsstrategie
waren für einen regionalen Netzbetreiber die auf die
Versorgungsaufgabe bezogenen Wichtigkeitsindizes
der untersuchten 110- und 30-kV-Betriebsmittel zu
ermitteln. Dazu kam ein Verfahren zur probabilistischen Zuverlässigkeitsberechnung zum Einsatz. Die
Ergebnisse bestätigen die Tauglichkeit dieser Metho-
de, da sie eine gute Übereinstimmung mit subjektivem Empfinden der Instandhalter zur Priosierung
einzelner Betriebsmittel zeigen.
5
Literatur
[1] Balzer, G.: Zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 52.
Jg. (2002), H. ½ , S. 74 – 77
[2] Balzer, G.; Schmitt, O.; Halfmann, M.; Hößle,
A.: Maintenance and refurbishment Strategies
for M.V. Substations. CIRED 2001, Amsterdam,
Report 3.15
[3] Backes, J.; Schmitt, O.; Snieders, A.; Zimmermann, W.: Zuverlässigkeitsberechnung – Ein
Verfahren wird praxistauglich, Elektrizitätswirtschaft, Jg. 97 (1998), Heft 19, S. 30-36.
[4] VDN Störungsstatistik 1998.

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