Das Notgeld von Kappeln
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Das Notgeld von Kappeln
Das Notgeld von Kappeln Hans-Peter Wengel Was ist das eigentlich -Notgeld- ? So lauten die Fragen, wenn in Gesprächen über die Geldverhältnisse während des ersten Weltkrieges und der folgenden Jahre die Rede ist. Vorwiegend jüngere Leute stellen diese Fragen, wenn man bedenkt, daß die heute 70jährigen damals noch in der Wiege lagen. Bei Kriegsausbruch 1914 wurde das Hartgeld knapp, weil das Münzmaterial (Kupfer, Nickel u.a.) für die Kriegsproduktion benötigt wurde. Die größte Notgeldgruppe gliedert sich in die Verkehrsausgaben und die Serienscheine, die nur für Sammlerzwecke in der Zeit von 1916 1922 ausgegeben wurden. Sie umfassen die Werte von 1 Pfennig bis zu 20 Mark. Dazu kommen noch die Notmünzen, die Scheine der Inflation und das Notgeld der privaten Firmen. Anhand der Unterlagen im Archiv der Stadt Kappeln läßt sich das auch politisch aufschlußreiche Genehmigungsverfahren über Entwurf, Herstellung, Kosten, Laufzeit und Auflagenhöhe nachzeichnen. Es begann u.a. mit einer Bitte der Stadt Kappeln am 5. März 1920 an den Magistrat von Itzehoe, ihr eine Abschrift der behördlichen Genehmigung ihres Notgeldes zu überlassen. Itzehoe schickte eine Abschrift des Ministeralerlasses vom 31. Oktober 1919. Am 20. März 1920 beschließt das Kollegium einen Antrag auf Genehmigung für Herausgabe von Notgeld (50-Pfennig und 25-Pfennig Scheine) zu stellen. Es gingen viele Anträge und Genehmigungen in Bezug auf Auflagenhöhe und Druckkosten hin und her. Am 5. Juni 1920 genehmigte der Regierungspräsident die Ausgabe von 200.000 Scheine zu 50 Pfennig und 100.000 Scheine zu 25 Pfennig. Am 17. August 1920 wurden die ersten Scheine aus Flensburg geliefert und der Stadtkasse zugeführt. Die Laufzeit sollte bis zum 1. März 1922 begrenzt werden. Verschiedene Fristverlängerungen lehnte der Regierungspräsident ab. Die eingelösten und auch die nicht ausgegebenen Scheine verkaufte Kappeln an das Notgeld-Versandhaus Hans Geiger, Lübeck, zum Preis von 25% des Nominalwertes. Der Stadtkassierer Auls überbrachte am 7. Oktober 1922 persönlich die erste Sendung nach Lübeck. In seinem Bericht schreibt er u.a.:" Ich habe am Sonnabend, den 7.Oktober dieses Jahres verpackte 95.500 Stück neue und ungebrauchte Notgeldscheine zu 50 Pfennig im Gewicht von reichlich zwei Zentnern mittels Handkarren zum Schleswiger Bahnhof geschafft und unter Hilfeleistung meiner Frau mit dem ersten Zuge über Süderbrarup, Kiel, unter Benutzung der IV. Wagenklasse, den Transport nach Lübeck bewerkstelligt." Er berichtete weiter, daß er schließlich mit einer Handkarre den weiten Weg zur Firma und das Notgeld zum vereinbarten Preis von 11.937,50 Reichsmark abgeliefert hat. Den Restbestand von 25- und 50-Pfennig-Scheinen, von denen noch die Hälfte brauchbar waren, verkaufte Auls unsortiert für 20% des Nominalwertes zu einem erzieltem Betrag von 4.682,80 Mark. Die 58 kg schwere Ware wurde in einer Kiste unfrankiert nach Lübeck versandt. Damit endete der erste Teil des "Abenteuers" Notgeld bei der Stadt Kappeln. Der Zigarrenhändler Wilh. Laß ließ sich im Sommer 1920 durch seinen Neffen Jan Laß, dem später bekannten Maler vom Langsee, ein Ersatzwertzeichen zu 50 Pfennig entwerfen. Auf der Rückseite ist das Eckhaus Mühlenstraße 7 dargestellt. Auf der Vorderseite steht links der Spruch: "Wiel dat Geld ward bannig knapp, mak ick mie enfach selber wat". Rechts dagegen steht: "Inlöst ward dat mit 8 Dag Frist, wenn`t mit de Klock utropen is". Man stelle sich Kidde Köster vor, mit seiner Glocke unterm Arm durch die Straßen gehen. Neben frisch geräucherten Makrelen von Fiete Föh hatte er auch die Einlösung des Notgeldes von Wilhelm Laß auszurufen. Aber dazu ist es dann wohl doch nicht gekommen; denn am 29.September 1921 erließ der Regierungspräsident eine Verfügung. Damit sollte das Überhandnehmen von Bons bekämpft werden, die aus Gewinnabsichten ausgegeben wurden. Die Polizeiverwaltung von Kappeln gibt am 22. Oktober 1921 bekannt: "Der Zigarrenhändler Wilhelm Laß hat nach eigenen Angaben 5.000 Gutscheine a` 50 Pfennig herstellen und in Verkehr bringen lassen. Auf Anordnung des hiesigen Amtsgerichts sind sämtliche Gutscheine beschlagnahmt. Gegen Laß wird ein Strafverfahren eingeleitet." Die Gutscheine wurden weggelegt und nicht vernichtet. Damit wurde dem "Sünder" nicht wehgetan. Wären die Scheine wirklich beschlagnahmt und vernichtet worden, könnte man sie heute nicht mehr zum zwanzigfachen Nominalwert erwerben. -Teilweise Auszug aus dem Jahrbuch des Heimatverein Angelns von 1980-