spotguide - Freeride
Transcrição
spotguide - Freeride
> SPOTGUIDE Moon-Riding: Livigno ist immer wieder für Überraschungen gut. Diesen Traumtrail fanden wir am Carosello 3000, im Winter der Skiberg von Livigno. Ja FREERIDE 2/08 120 ackpot 600 Kilometer Militärwege, Schmug glerpfade, Singletrails. Und als ob das noch nicht genug wäre, gib t’s in der Alpenregion als Dreingabe einen Killer-Bikepark – Jackpot Liv Mario Lenzen waren dort und habe igno! Wade Simmons, Rob J und n das Freeride-Paradies gefunden! FREERIDE 2/08 121 > SPOTGUIDE Typisch Simmons: Wade zeigt Tabletops im Moto-Style im Val Federia. Spielplatz für Gravitations-Freaks: Diese Anlieger sind das Wahrzeichen des Mottolino-Bikeparks. Flanieren im Ort: Rustikale Holzhäuser, dörfliches Ambiente mit italienischem Charme – in Livigno verpuffen die Gedanken um das Alltagsallerlei automatisch. FREERIDE 2/08 122 Wie gemalt: Livigno ist das Singletrail-Paradies. Wade und Rob auf der Panoramica. FOTOS und TEXT Markus Greber „Saluti“, zirpt es hinter uns – und völlig verdutzt drehen sich vier Biker-Köpfe Richtung Eingangstür der Mottolino-Bergstation. Zwar war uns klar, dass unser Bike-Guide für die nächsten drei Tage weiblich sein würde. Aber wir hatten eher den Typ „Burschikose Downhill-Matrone” als eine „Elfe in Protektoren” erwartet. Wir, das sind Wade Simmons, Mario Lenzen, Rob J und ich. Es ist Oktober 2007, und wir sind nach Livigno gekommen, um unsere private Freeride-Landkarte um einen Spot zu erweitern, von dem die Szene immer mehr schwärmt: Tagsüber endlose Flowtrails, garniert mit geschaufelten Steilkurven, Sprüngen und Northshore-Elementen, abends lecker Pasta essen und Party machen in zahllosen Bars und Clubs. Und das alles zu Low-Budget-Preisen. Denn Livigno ist bekannt als zollfreies Einkaufs- und Schlemmerparadies. Drei Tage Livigno sollten es werden, voll gepackt mit allen Highlights der Region. Schon bei der Vorab-Recherche stolperten wir fast automatisch über Patricia, die in Livigno eine Art weiblicher Bike-Messias ist. So infiziert sie den Sommer über Hotelbesitzer mit dem BikeVirus und schafft die entsprechende Infrastruktur. Mit Erfolg: Bereits 14 ausgewiesene BikeHotels gibt es hier, doch das nur am Rande. „Kommt, zum Einfahren erst mal die leichte Variante.“ Patricia stülpt sich die Schoner über die Gazellenbeine, schwingt sich auf ihr „Ransom“ und rast mit voller Schräglage in die erste Anlieger-Kombination. Den Freeride-Trail hatten wir schon von der Gondel aus gescannt. Besonders im oberen, baumfreien Teil zeigt er seine Zähne: Wie riesige Muscheln, die sich im Sand eingegraben haben, sehen die Anlieger schon von Weitem aus. Mit diesen Steilkurven, die sich so lang ziehen, dass sie mit Höchstgeschwindigkeit genommen werden wollen, startet der Trail. Nach ein paar hundert Metern teilt sich der Weg und man kann wählen, welchem Jump-Trail man folgen will. Auf jeden Fall ist hier für jede Könnensstufe etwas dabei. Die Bandbreite reicht von kleinen Stufen zum Droppen, Doubles und Tables in allen Größen über teils technische Rhythm-Sections. Am obersten Ende der Schwierigkeitsskala stehen zwei wahrliche Monster-Tables, deren Dimension der Mann im Mond noch locker mit dem bloßen Auge erkennen kann. Doch alles ist sicher gebaut und jeder kann sich seinem Fahrkönnen entsprechend steigern und herantasten. Der zweite Teil des Trails verläuft im Wald auf vorwiegend natürlichem Singletrail. Nur hier und da haben die Bikepark-Designer Mutter Natur ein wenig auf die Sprünge geholfen und den Weg mit kleinen Jumps, Wallrides und NorthshoreElementen garniert. Alle schwierigen Passagen lassen sich jedoch umfahren, absteigen brauchen also auch schwächere Fahrer nicht. Wer so richtig Downhill-Luft schnuppern will, der entscheidet sich für die (beschilderte) Original-Weltcup-Strecke von 2005. Die riesigen Gaps von damals hat man zwar weitgehend entschärft, doch vom Design her ist die Strecke im Originalzustand geblieben. BIG MOUNTAIN RIDING Morgenstund hat Gold im Mund, schlägt aber aufs Gemüt. Und so herrscht unter den Freeridern erstmal gedämpfte Stimmung, als sie um fünf Uhr früh aus den Federn mussten. Unglaublich, mit welcher Kreativität die Jungs Argumente finden, wenn’s ums Ausschlafen geht. Eine halbe Stunde später habe ich gewonnen, wir sind auf dem Weg zum Carosello 3000, dessen Gipfel mit 2 900 Höhenmetern der höchste Punkt des Areals ist. Normalerweise bequem per Seilbahn (Biker willkommen) zu erreichen, durften wir dank Sondergenehmigung heute das Auto benutzen. Der Berg hat die Form einer Flanke, auf deren Grat ein Bilderbuch-Singletrail verläuft. Rechter- > „W ER GLAU BT, TRAILS MIT FLO W GIBT`S NIC HT IN DE N ALPE N, DE R WI RD IN LIV IGN O EIN ES BESS ER EN BE LEHRT.“ J > SPOTGUIDE Helikopter-Perspektive: Patricia und Rob auf dem Höhepunkt. Im Hintergrund der Livignosee. Flowiger geht’s nicht: Rob und Mario im unteren Teil des Bikeparks Mottolino. FREERIDE 2/08 124 SIMMONS „L IVI GN O IST DE R SP OT IN DE N ALPE N, DE R ME INE N LIE BL ING ST RA ILS IN KA NA DA AM NÄ CH STEN KO MM T.“ hand blickt man auf Livigno, dessen Häuser aus dieser Höhe wie Spielzeuge aussehen. Dahinter der tiefblau glitzernde Livigno-Stausee. Links taucht die Morgensonne das mächtige Bernina-Massiv in goldenes Licht. Müdigkeit und schlechte Laune sind schnell verflogen. Der Singletrail ist ein „Eye Opener“, wie die Kanadier einen absoluten Traumtrail beschreiben. Diesmal trifft das sogar im Wortsinn zu. Kehre für Kehre fliegen wir den exponierte Pfad talwärts. Tief unter uns liegt das einsame Tal Val Federia noch im Schatten. Zunächst führt der Weg durch offenes, hochalpines Terrain – später durch einen Lärchenwald, der mich mit seinen Herbstfarben an Indian Summer in Colorado erinnert. Patricia überrascht uns immer wieder – unglaublich, wie die zierliche Schweizerin ihr Enduro durch die haarigen, felsdurchsetzten Schlüsselstellen zirkelt. In Livigno lernt man scheinbar schnell. Der Panoramica-Trail bringt uns Stunden später wieder zum Ort zurück. AUF DEN SPUREN DER SCHMUGGLER Heute hat das Grauen einen Namen: Der Chaschaunapass. 900 Höhenmeter, größtenteils extrem steil auf Schotter, kämpfen wir uns mit den Freeride-Bikes – keines unter 16 Kilo – hinauf. Ziel der kraftraubenden Expedition sind dabei noch nicht einmal epische Singletrails. Der Weg, auf dem wir hier hochschrauben, ist eine der historischen Schmugglerrouten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Italien Genussmittel wie Tabakwaren, Kaffee und Zucker durch ein staatliches Monopol extrem teuer. So entwickelte sich in und um Livigno in den 50er- und 60er-Jahren ein lebhafter Schmugglerhandel. In bis zu 40 Kilo schweren Jutesäcken trugen die Schweizer die heiße Ware auf schmalen Bergpfaden bis kurz vor die italienische Grenze. Dort wurde sie von italienischen Schmugglern übernommen, die – immer nachts – ihren gefährlichen Weg ins Tal antraten. Sommer wie Winter. Der Chaschaunapass ist die Verbindung zwischen dem Engadin und Livigno und war somit eine der Hauptdrehscheiben des Schmuggels. Endlich taucht das Rifugio Cassana auf. Die Schutzhütte, kurz vor dem Grenzübergang, ist heute beliebte Zwischenstation von Transalplern. So sind die freundlichen Besitzer voll auf Biker eingestellt. Sie servieren uns eine extragroße Portion Pasta. Der Tag endet mit einem Panorama, das eher an Utah als an die Alpen erinnert. Wir hiken in Richtung des 3 000 Meter hohen Punta Cassana um mit Highspeed dessen steile, sandsteinartigen Flanken abzusurfen. Wade erklärt diesen verlassenen Ort zu seinem Lieblingsplatz der Region. In der Ferne leuchtet der Ortler im letzten Abendlicht, als wir wieder zum Rifugio zurückkehren. Wir kuscheln uns ins Matratzenlager auf 2 600 Meter und lassen drei Tage Revue passieren, die keiner von uns missen will. Livigno ist eines der Freeride-Highlights in den Alpen – ein Rundumpaket aus perfekten Trails, faszinierender Landschaft, gutem Essen und freundlichen Menschen. „Buona Notte. Jetzt wird geschlafen – und keine Dummheiten“, sagt Patricia. Frauen müssen eben immer das letzte Wort haben. > SPOTGUIDE LENZEN Gastspiel: Holger Meyer kam kurzerhand für einen Tag zum Surfen. Die besten Bike-Infos über Livigno: www.altarezia.eu Beste Reisezeit: Die Trails rund um Livigno sind vom späten Frühjahr bis Ende Oktober fahrbar. Eindeutig schönste Jahreszeit ist der Herbst. Die Lärchenwälder bekommen dann den „Indian Summer Look“. Anreise: Aus Süddeutschland über den Fernpass, Landeck und das Engadin. In Zernez nach links die Passstraße Richtung Ofenpass und durch den Tunnel Munt la Schera (gebührenpflichtig). Vorsicht: Der Tunnel ist ab 20 Uhr geschlossen, die Zufahrt nach Livigno ist dann nicht mehr möglich. Mit dem Zug: Die Schweizer Hälfte von Alta Rezia kann man einfach mit dem Zug erreichen. Von Zernez aus gibt es eine neue Buslinie nach Livigno. Bikepark-Infos: Bikepark Mottolino: Tel: +39 0342 970025, www.mottolino.it oder www.konabikeparks.com. Offen von 21. Juni bis 21. September, meistens von 9 bis 16.30 Uhr. Preise: Einzelfahrt: 8 Euro (Frauen: 7 Euro). Tageskarte 20 Euro (Frauen: 16 Euro). Fünftagespass: 60 Euro (Frauen: 49 Euro). Leihbike- und Protektoren gibt’s an der Talstation oder in einem Shop in Livigno ab 56 Euro/Tag. FREERIDE 2/08 126 „FÜ R MI CH ALS BIG -M OU NTAIN RID ER HA BE ICH IN LIV IGN O ME IN PA RA DIES GE FU ND EN .“ Die besten Strecken im Bikepark Mottolino: 1. Camanel: Perfekter natürlicher Flowtrail mit vielen Spitzkehren. Endet direkt am Hotel Intermonti. 2. Val Tort Singletrail: Die längste und leichteste Abfahrt, über Trepalle zum Livignosee. Mit kurzen Gegenanstiegen. 3. Val delle Mine: Singletrail-Runde mit viel Panorama, ideal für Enduro- und All-Mountain-Biker. 4. Freeride Trail: Anspruchsvolle Strecke mit Tables, Banked Turns und Doubles. Für Fahrer, die keine Drops und Sprünge mögen, gibt es auch Alternativen. Trotzdem ist hier gute Fahrtechnik Voraussetzung. 5. Downhill Trail: Die Originalstrecke der Weltmeisterschaft von 2005. 6. Jump Area: Auf halber Höhe des Mottolino-Bikeparks. Übungsparcours mit Tables jeder Dimension. Auch Anfänger können hier an ihren ersten Sprüngen feilen. Die besten Bike-Touren außerhalb des Bikeparks: Für die Region empfehlen wir die Singletrail-Maps Blatt 37 (Livigno/Bormio) und Blatt 38 (Poschiavo/Tirano), sowie Blatt 24 (Oberengadin) für die angrenzenden Alta Rezia Regionen. Zu bestellen unter: www.ride-shop.ch Tagestouren für Freerider: 1. Bernina Freeride Express: Mit dem Silvestribus kommt man schnell zum Berninapass. Von da aus kann man Richtung St. Moritz oder Poschiavo auf flüssigen Trails surfen und danach mit der Rhätischen Bahn wieder zurück auf die Passhöhe. Shuttleinfos: www.rhb.ch / Tel. +41 81 288 5415 / www.silvestribus.it Tourdaten: www.altarezia.eu 2. Carosello 3000: Diese Tour ist eigentlich nur was für angefressene Kletterer. Zur Enduro-Tour wird die Runde, wenn man den gesamten Aufstieg mit Hilfe der Carosello 3000 Bahn auf der anderen Seite des Bikeparks in Angriff nimmt. Shuttleinfos: Bergbahn Carosello, Tel. +39 0342 996152 / www.carosello.it, Tourdaten: www.altarezia.eu Die schönsten Touren für All-Mountain-Fahrer (ohne Shuttle): 1. Panoramica: Eine kurze Trailrunde mit typischen Livigno-Trails. Tourdaten: www.altarezia.eu 2. Passo Gallo: Ein langer und leicht versteckter Ride. Tourdaten: www.altarezia.eu 3. Passo Trela: Eine mittelschwere Tour mit dem Bürgermeister-Trail, einem Phänomen in den Alpen. Tourdaten: www.altarezia.eu > > LAGOTRAIL SPOTGUIDE Big-Mountain-Riding am frühen Morgen: Rob und Mario fahren sich wach am Carosello 3000. TIBOR KE INE VE RB OTE, KA UM REGLEM EN TS - HIE R WI RST DU WE NIG STEN S NIC HT BLÖD AN GESC HA UT, WE NN DU EIN EN FU LL FA CE -H EL M TRÄG ST. Bike-Shops: Shopping in Livigno lohnt sich wegen der Zollfreiheit. Neben Elektronik, Mode, Schnaps und Benzin sollte man auch einen Blick in die Bike-Shops werfen. Die besten sind: 1. Ceccini Sport, Via Pontiglia 575, Tel. +39 0342 997 219 www.cecinisport.com 2. I’M Sport, Via Ostaria 210, Tel. +39 0342 997722 www.imsport.cx 3. Arcobaleno, Via Plan 42, Tel. + 39 0342 996 662 4. De Fox, Via Saroch 1274, Tel. +39 0342 970 471 www.livigno.com/defox Unterkünfte: In Livigno gibt es 14 ausgewiesene Bikehotels. Hier fünf Unterkünfte, deren Chefs angefressene Biker sind (Preise mit Halbpension in der Hauptsaison): 1. Hotel Lac Salin (bestes Hotel): ab 160 Euro pro Zimmer, Tel: + 39 0342 996166, [email protected]. 2. Hotel Baita Montana: ab 65 Euro pro Person, Tel: + 39 0342 990611, [email protected]. 3. Hotel Astoria: ab 43 Euro pro Person, Tel: + 39 0342 996663, [email protected] 4. Hotel Intermonti (mit Trailanbindung Mottolino): ab 50 FREERIDE 2/08 1/08 128 Euro pro Person, Tel: + 39 0342 972100, [email protected]. 5. Hotel Villagio San Carlo (Nähe Mottolino-Talstation): ab 42 Euro pro Person, Tel: + 39 0342 972999, [email protected]. Die besten After Bike Locations: Im ganzen Ort gibt es Restaurants, Bars Kaffees, Pubs und Pizzerien. Für den Schlummertrunk hier eine kleine Auswahl an Lokalen: 1. Junges Publikum: Homelywood Pub, Via Saroch 466 2. Das Pub im Zentrum: Micky’s Pub, Via Pontiglia 149 3. Das Stammlokal der Snowboard-Locals: Marco’s Ristorante, Via Saroch 591 4. Der gediegene Aperitiv mit guter Weinauswahl: Jpioca Wine Bar, Via Botarel 52 5. Die Apres-Bike-Location im Keller: Bivio, Via Plan 422/A Events: 1. Free Wheel Fest: „No pros, just bros.“ 4 Tage TrailSurfen ohne Wettkampf, dafür mit Lagerfeuer am Abend und Touren mit Übernachtung unter freiem Himmel. 24. - 29. Juni, [email protected] 2. La Pedaleda: Legendärer Bike-Marathon, am 29. Juni Anmeldung: [email protected] 3. Bernina Night Ride am 12. Juli: Eine 1300 Meter lange Nachtabfahrt und ein Freeride-Abenteuer auf 18 km langen Trails vom Berninapass nach Poschiavo. Anmeldung: [email protected] Camps: 1. Rocky Mountain Rider Clinics mit Wade Simmons, Dennis Stratmann und Mario Lenzen, 26. - 29. Juni und 17.20. Juli. Anmeldung: [email protected] 2. FREERIDE-Lesercamp mit Holger Meyer, 31. Juli bis 3. August. Für fortgeschrittene Singletrail-Liebhaber und Freeride-Einsteiger mit guter Kondition. Infos und Anmeldung: Die Rasenmäher, Tel: 089 64280055 [email protected]