Trauerrede für die Gedenkfeier für Dr. med. Kilian Tegethoff am 2

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Trauerrede für die Gedenkfeier für Dr. med. Kilian Tegethoff am 2
Trauerrede für die Gedenkfeier für Dr. med. Kilian
Tegethoff am 2. März 2013
Liebe Angehörige, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kollegen,
liebe Freunde und Gäste,
Ich danke ihnen allen, dass sie heute gekommen sind um
Kilian Tegethoff gemeinsam die letzte Ehre zu erweisen.
am 12. Januar dieses Jahres ist Kilian Tegethoff gestorben.
Sein Tod ist so endgültig wie grausam. Er macht uns alle
fassungslos. Niemand hätte geahnt, dass ihn eine
Krankheit im Griff hat, die letztlich stärker war als er.
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Wer war Kilian Tegethoff?
Kilian war ein echt starker Typ.
Am 26.12.1963, also am 2. Weihnachtsfeiertag in Bebra
geboren, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in
Ostwestfalen. Wer Westfalen kennt, weiß, dass dort
bodenständige, geradlinige Menschen mit Herz und
Charakter herkommen. Kilian war ein solcher
bodenständiger, geradliniger Mensch. Nach seinem Abitur
im Gymnasium in Paderborn und dem 2jährigen Zivildienst
studierte er Medizin in Freiburg und Berlin. Die Approbation
erhielt er im Mai 1991.
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Seine Laufbahn als Arzt für Anästhesie und Intensivmedizin
begann er als Arzt im Praktikum im Deutschen
Herzzentrum und setzte sie an der Abteilung für
Anästhesiologie und operative Intensivmedizin im
Universitätsklinikum Rudolf Virchow und später an der
Charité fort. Im Jahr 2002 bestand er die Facharztprüfung.
Im gleichen Jahr erlangte er die Zusatzbezeichnung
Rettungsmedizin. Seine Promotion schloss er ein Jahr
später im Jahr 2003 ab. Die Medizin und die
Patientenversorgung waren ihm so wichtig, dass er sich
intensiv für bessere Arbeitsbedingungen einsetzte.
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Als Gründungsmitglied und treibende Kraft der
Ärzteinitiative der Charité war er seit Dezember 2004
ordentliches Mitglied des Personalrates der Charité im
Campus Virchow Klinikum und von 2006 bis 2012
freigestelltes Personalratsmitglied des Gesamtpersonalrats.
Sein hohes Engagement, sein starkes Auftreten aber auch
die Sachlichkeit und Stringenz seiner Argumentation war in
hohem Maße geschätzt. Auch, wenn er damit dem Einen
oder Anderen gelegentlich auf die Füße trat.
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Gleichzeitig schloss er im Februar 2005 die fakultative
Weiterbildung zur Speziell anästhesiologischen
Intensivmedizin erfolgreich ab. Er praktizierte also Beides,
Patientenversorgung und aktive Interessensvertretung.
Sein hoher Anspruch an die Qualität dessen, was er als
Arzt aber auch als Arbeitnehmervertreter macht,
veranlassten ihn, gemeinsam mit seiner Frau, ein
weiterbildendes Studium zum Master of Health
Administration an der Fakultät für
Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld zu
absolvieren. Er schloss es mit seiner Masterarbeit im März
2009 zum Thema „Der DGB-Index Gute Arbeit - weiche
Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung“ erfolgreich ab.
Was er machte, machte er gründlich.
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Dies alles blieb natürlich nicht unentdeckt.
2006 wurde Kilian Tegethoff zum Mitglied der
Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin und mit
Beginn dieser Wahlperiode zum Vorsitzenden des
Krankenhausausschusses der Ärztekammer Berlin gewählt.
In dieser Funktion vertrat er die Ärztekammer Berlin im
Landeskrankenhausbeirat der Senats-verwaltung für
Gesundheit. Dort war er als sachbezogener und
höchstkundiger Berater, auch hinter den Kulissen, sehr
geschätzt. Für den Marburger Bund Berlin-Brandenburg
übernahm er im Januar 2008 den Vorsitz.
Aus dem Stand heraus vom einfachen Mitglied zum
Vorsitzenden. Auch das ein Beweis für seine Fähigkeiten
und Akzeptanz.
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Er führte den Verband mit mehreren tausend Mitgliedern in
einem Stadtstaat und in einem Flächenland bravourös.
Durch dieses Engagement konnte er am Abschluss
zahlreicher Tarifverträge in erster Reihe mitwirken. So ist
insbesondere der Manteltarifvertrag für die Ärztinnen und
Ärzte, aber auch andere in der Patientenversorgung tätige
akademische Berufsgruppen der Charité, überregional
wegweisend. Im Marburger Bund Bundesverband war er
von dessen Vorstand als Mitglied der kleinen
Tarifkommission benannt.
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Mit Beginn der laufenden Wahlperiode wurde Kilian
Tegethoff in den Vorstand der Ärztekammer Berlin gewählt.
Bereits bei den Koalitionsverhandlungen war er ein
wichtiger und verlässlicher Partner, der geradlinig und
deutlich und dennoch kompromissbereit die Verhandlungen
führte. Im Vorstand der Ärztekammer Berlin übte er die
Position des Schriftführers der Delegiertenversammlung
und die des Sprechers der Fraktion des Marburger Bundes
aus.
Seine Lebensleistung war mit 49 Jahren enorm. Er kann zu
recht stolz auf sich sein.
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Wie war Kilian Tegethoff?
Ich habe selten einen Mann erlebt, der in seiner ganzen Art
dermaßen stabil und ausgeglichen wirkte, der sich voller
Offenheit, Neugierde und Kreativität Problemen und
Argumenten stellte und versuchte daraus ohne große
Umschweife Lösungen zu generieren. Seine Klugheit ließ
ihn Zusammenhänge erkennen und den Überblick über
Themen gewinnen, bei denen sich viele Andere in Details
und Nebenschauplätzen verlieren. Er war unkonventionell.
Statussymbole bedeuteten ihm nichts und sein uralter Opel
löste bei dem Einen oder Anderen eher materiell
orientierten Mitbürger leises Kopfschütteln aus. Ihm war
das egal.
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Wichtig war ihm seine Aufgabe. Er übernahm
Verantwortung, nicht nur für Sachthemen, sondern für das
Wohl und Weh seiner Mitmenschen. Davon profitierten
seine Patienten, davon profitierten seine Kolleginnen und
Kollegen. Davon profitierten wir alle.
Sein Anspruch an sich selbst war enorm. Halbe Sachen
gab es für ihn nicht. Ganz oder gar nicht, vielleicht „ganz“
mit einer gewissen zeitlichen Perspektive, aber
durchwursteln kam für ihn nicht in Frage.
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Kilian war einer, auf den Verlass war. Abreden konnte man
mündlich treffen und sich darauf verlassen, dass sie
eingehalten oder übertroffen wurden. Er praktizierte
Solidarität, er war auf Solidarität angewiesen, um
erfolgreich tätig zu sein. Diese Solidarität wurde ihm – fast
– durchgängig gewährt.
Kilian mochte Menschen. Er war ein Menschenfreund in
bestem Sinne. Als Gast und Kollege, als Weggefährte war
man bei ihm jederzeit willkommen. Dies betrifft auch die
eine oder andere Grillaktivität im Garten seines Hauses und
dem seiner Familie. Er war ein freiheitsliebender Mensch,
nicht nur, weil er gerne Motorrad fuhr. Selbstverständlich
fuhr er ein Klassik-Bike, eine Triumph Bonneville.
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Er war auch in dem Sinne ein freiheitsliebender Mensch
und Individualist, dass er sich von niemandem etwas
vorschreiben lassen wollte, schon gar nicht, wenn es den
Prinzipien seiner Berufsausübung, seiner Aufrichtigkeit und
seines Verantwortungsbewusstseins entgegen stand.
Widerstand zu leisten gegen solche Bevormundung war
ihm ein Gebot. Es auch nicht beim Widerstand zu belassen,
sondern Lösungen zu suchen, waren bei ihm eine
Selbstverständlichkeit. Auch hier können wir viel von Kilian
Tegethoff lernen.
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Westfalen neigen gelegentlich zur Sturheit. Auch dafür war
Kilian bekannt. Er kam schnell auf den Punkt – für manchen
vielleicht zu schnell - aber selbst, wenn man sich mit klaren
politischen Positionen an der einen oder anderen Stelle
etwas zurückziehen musste, war dies vermittelbar und auch
ohne Gesichtsverlust für jeden möglich. Ob er für den
diplomatischen Dienst geeignet wäre, weiß ich nicht. Aber
das zeichnete ihn auch aus. Ich bin froh, dass er nicht im
diplomatischen, sondern im ärztlichen Dienst gewesen ist.
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Wie es im Inneren von Kilian Tegethoff aussah, wussten
offensichtlich nur sehr wenige.
Im frühen Frühjahr letzten Jahres verabredete er sich mit
mir, um mir mitzuteilen, dass eine bei ihm seit langem
bekannte Depression wieder ausgebrochen sei und er sich
deswegen in Behandlung begäbe. Er würde auf absehbare
Zeit seine Funktionen nicht mehr ausüben können. Es war
einer der ersten Vorfrühlingstage. Wir saßen in einem Cafe
in Potsdam unter freiem Himmel und bei aller Bestürzung
über das, was er sagte, wirkte es erschreckend banal. So,
als ob er sich zur Reparatur eines Hüftleidens auf den OPTisch begeben müsste. Was ich und viele andere erst viel
später erfahren haben ist, dass diese Krankheit bei ihm
schon sehr lange bekannt war, nämlich seit seinem 20.
Lebensjahr.
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Es gibt Krankheiten, mit denen lernt man umzugehen. Man
kann mit Krebskrankheiten umgehen, man kann mit einem
Unterschenkelbruch umgehen, mit einer
Blinddarmentzündung, mit Lähmungen und Sehstörungen.
Womit man nicht umgehen kann, sind Krankheiten, die das
Organ befallen, das für das Umgehen mit Situationen und
Eindrücken zuständig ist: die Seele.
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Als wir nach einem langen aber stetigen Krankheits- und
Behandlungsverlauf Signale bekamen, dass die Aussichten
auf eine erfolgreiche Behandlung besser geworden seien,
kam der Anruf, Kilian ist verschwunden. Die meisten von
uns sind vom Fach, auch wenn sie keine Psychiater oder
Psychotherapeuten sind. Das Kaleidoskop der Gefühle, das
einen in Beschlag nimmt, kann man kaum beschreiben.
Fassungslosigkeit, Entsetzen, abgrundtiefe Trauer und
innere Leere. Ich habe bei der Übermittlung der
Todesnachricht noch nie so viele erwachsene Männer am
Telefon heulen gehört. Wenn wir so gefühlt haben und so
fühlen, wie mag er sich selbst gefühlt haben?
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Was das Besondere an seinem Leben, an ihm war, weiß
seine Familie, seine Frau Dorothea und seine Kinder
Thomas, Maria und Paul. Für uns Kollegen und Freunde
waren es sein Herz, sein Verstand, sein Mut, seine Kraft ,
seine Offenheit und seine Aufrichtigkeit.
Was das Besondere an seinem Tod war, weiß ich immer
noch nicht. Er hätte auch mit dem Motorrad verunglücken
oder einer anderen der seltenen gleichwohl tödlichen
Krankheiten zum Opfer fallen können.
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Wie es auch immer ist, er hat uns viel hinterlassen:
Prinzipien in der Arbeit, im sozialen Miteinander, im
kollegialen, ja freundschaftlichen Umgang: „Übernimm
Verantwortung für dich und andere und gestalte dein
Leben.“
Es wird schwer ohne ihn, aber gemeinsam schaffen wir
das.
Wir müssen das Loslassen lernen. Es ist eine der großen
Lektionen des Lebens.
Und wir müssen und dürfen weitermachen, auch in seinem
Sinne.
Dr. med. Günther Jonitz
Berlin, 2. März 2013
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