Vertrauen wecken • interesse nähren
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Vertrauen wecken • interesse nähren
Vertrauen wecken • interesse nähren Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz Georg Jost: Was ist Rudolf Steiner Pädagogik? 4 Thomas Marti: Rhythmus – ein Schlüssel zum Lernen 6 Jörg Undeutsch: SchulstoffHomöopathie – Ganzheitliche Pädagogik von der Vorschustufe bis zum Schulabschluss 10 Bruno Vanoni: Hilfspersonal, Zahleltern oder echte Partner? – Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus 12 Thomas Marti: Kindgerechte Einschulung? Lebensprozesse respektieren 16 Eine Einführung in die RudolfSteiner-Pädagogik Thomas Homberger: Ehrfurcht vor der Individualität: Kein Sitzenbleiben – Integration statt Selektion 18 Alec Templeton: Fremdes zu Bekanntem machen – English, Français an der Rudolf Steiner Schule 20 Franziska Heiz Ostheimer: Nachbilden und Gestalten – handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten auf allen Schulstufen 22 www.steinerschule.ch www.schulkreis.ch Rosmarie Blaser: Arbeiten statt Lernen oder Arbeiten und Lernen? – Vielfältiger Projektunterricht und Praktika in der Arbeitswelt 25 Zsolt Joanovitz: Frei Schulwahl – Volksschule oder Eliteschule? 28 Tobias Richter: Globale Pädagogik – Der «Waldorf-Lehr plan» an über 1000 Schulen weltweit 31 Roland Muff: Qualifizierte Abschlüsse – Profile der Integrativen Mittelschule 34 Interview mit Remo Largo: «Beziehung kommt vor Erziehung» 37 Sonderdruck von Der Schulkreis – der Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen von Adliswil, Avrona, Basel, Bern/Ittigen, Biel, Birseck, Genève, Ins, Kreuzlingen, Langenthal, Langnau, Lausanne, Luzern, Münchenstein, Muttenz, Pratteln, St. Gallen, Schaan, Schaffhausen, Schafisheim, Scuol, Solothurn, Steffisburg, Wetzikon, Wil, Winterthur und Zürich www.schulkreis.ch www.steinerschule.ch Redaktion: Robert Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich, Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02, [email protected] Jörg Undeutsch, Waldstätterstr. 20, 3014 Bern, Tel. 031 312 04 52, [email protected] Produktion: PUBLIFORM, Hp. Buholzer, Postfach 630, 3550 Langnau, Tel. 034 402 61 60, Fax 034 402 61 77, [email protected] Der Schulkeis Die Zeitschrift der Rudolf-Steiner-Schulen in der Schweiz 1/3 Seite hoch 190 x 277 mm oder A4 Fr. 2200.–/1500 Euro Beiträge zu den Schwerpunktthemen Pädagogik und Bildungspolitik Aktuelle Nachrichten aus der schweizerischen und internationalen Schulbewegung Weiterbildung und Stellenmarkt Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Rudolf-SteinerSchulen in der Schweiz Publié par la communauté de travail des écoles Rudolf Steiner en suisse Ich/wir bestelle/n ein Jahresabonnement (4 Quartalsausgaben) Der Schulkreis für Fr. 36.– inkl. Porto und Verpackung. (Ausland 25 Euro). editorial Impressum ????? ??? ?????? Duis autem vel eum iriure dolor in hendrerit in vulputate velit esse molestie consequat, vel illum dolore eu feugiat nulla facilisis at vero eros et accumsan et iusto odio dignissim qui blandit praesent luptatum zzril delenit augue duis dolore te feugait nulla facilisi. 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Duis autem vel eum iriure dolor in hendrerit in vulputate velit esse molestie consequat, vel illum dolore eu feugiat nulla facilisis. Name/Vorname Adresse PLZ/Ort Datum/Unterschrift Senden an: Marianne Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich, Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02, [email protected] Vertrauen wecken - Interesse nähren Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik Jörg Robert 3 Was ist Rudolf Steiner-Pädagogik Mut zum Wagnis und Vertrauen Zwei Gesten grenzt Georg Jost voneinander ab: Stellt sich die Erziehung, der Erziehende mit seinen Forderungen, seinen «Lehrplänen» und «Erziehungszielen» der Individualität des Kindes entgegen – oder erklärt sich der Erziehende bereit, sich mit dem Kind auf dessen individuellen Weg zu begeben? Rudolf Steiner Pädagogik stellt sich ganz in den Dienst der Lebensaufgabe, des Zukunftspotentials jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen. Ein 7-Minuten-Vortrag von Georg Jost. In sieben Minuten kann keine auch nur annähernd umfassende Antwort auf die Frage «Was ist Steiner-Pädagogik?» gegeben werden. Also ist es angebracht, einen Aspekt herauszugreifen, das Augenmerk auf einen grundlegenden Ansatz unserer Bemühungen zu richten. Rudolf Steiner schreibt 1907 in seiner frühen pädagogischen Schrift «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft»: «Nicht Forderungen und Programme sollen aufgestellt, sondern die Kindesnatur soll einfach beschrieben werden. Aus dem Wesen des werdenden Menschen heraus werden sich wie von selbst die Gesichtspunkte für die Erziehung ergeben.»1 Remo Largo Um eine Brücke über die zurückliegenden 100 Jahre und zur aktuellen öffentlichen Bildungsdiskussion zu schlagen, drei Zitate aus einem Interview mit Remo Largo, Kinderarzt in Zürich: – «Orientieren wir uns also an den Fähigkeiten des einzelnen Kindes und machen eine Schule, die diese möglichst fördert und dadurch kompetente und selbstbewusste Menschen heranzieht.» – «Diese Lehrplanziele (die von der Politik für die staatlichen Schulen vorgegebenen) orientieren sich nicht an den Bedürfnissen der Kinder.» – «Das Kind bestimmt mit seinem Entwicklungsstand, wozu es zu lernen bereit ist.»2 Aussagen, die nahe beieinander liegen. Wir – Lehrerinnen und Lehrer der Rudolf Steiner Schule – gehen davon aus, dass das Kind, wenn es geboren wird, als «vollständige» Individualität die Erde betritt, es seine Individualität schon mitbringt. Mit ihr bringt es auch eine Art Lebensaufgabe mit, sein Zukunftspotential. Wir verstehen das nicht als fatalistische Schicksalsergebenheit. Aber doch so, dass es nicht unsere – damit sind alle erziehenden Erwachsenen gemeint – Aufgabe sein kann, die Individualität und Zukunft des Kindes zu definieren, zu gestalten und zu kreieren. Diese Individualität des Kindes mit Ihrer Zukunft begegnet nun den erziehenden Erwachsenen: Eltern, Kleinkinderzieher/ innen, Kindergärtner/innen, Lehrerinnen und Lehrern. Vor allem aber ist es in der Regel so, dass die Individualität schon vor der Geburt Programmen begegnet: Die Zeugung ist möglicherweise bald umfassend programmierbar, die Geburt und ihr Zeitpunkt ist zunehmend programmiert... Die Liste kann jeder selbst fortsetzen. Und selbstverständlich ist die rasant und umfassend eingreifende «Durchcomputerisierung» der Gesellschaft nichts anderes als «Programm pur». Programme sind eben ganz klar auch die Lehrplanziele der öffentlichen Schulen. An unseren Schulen bemühen wir uns darum, Rudolf Steiners Devise – aus der Wahrnehmung des sich entwickelnden Kindes heraus die Gesichtspunkte für die Erziehungsaufgabe «abzulesen» – als Grundlage für eben diese Aufgabe zu nehmen. Natürlich haben auch wir Lehrpläne. Diese sind aber so aufgebaut, dass erstens Stoffverarbeitung als Erziehungshilfe verstanden wird und zweitens der Entwicklungsstand der Kinder massgebend ist für die Frage, was wann und wie mit den Schülerinnen und Schülern behandelt werden soll. Es ist auch klar, dass wir diese grundsätzliche Erziehungshaltung nicht vollumfänglich und konsequent beibehalten können: Wir stehen im Kontext von Gesellschaft und Zeitgenossenschaft und wollen unseren Schülerinnen und Schülern keine ihnen mög- liche «Anschlüsse» verbauen. Es geht um zwei in ihrer Richtung gegensätzliche Gesten. Bei der einen begegnet die Kindesindividualität einer Welt, in der Erwachsene definieren, als Ziel inhaltlich festlegen, wohin ihre Entwicklung führen soll; und je umfassender und feiner der Erziehungsprozess durchprogrammiert ist, desto absehbarer kann zwischenzeitlich beurteilt werden, ob das Ziel vom Kind erreicht wird oder nicht. Die inhaltliche Definition des Zieles wird aus einer Einschätzung der Zukunft abgeleitet. Diese Einschätzung wird einerseits aus in ihrer Vergangenheit von den Erwachsenen gemachten Erfahrungen, vor allem aber aus Statistiken gewonnen, die ja wiederum nichts anderes sind als der Versuch, Zukunftsprognosen mittels Programmen zu definieren oder aber eine nur jeweils bruchstückhaft erfasste Gegenwart hochzurechnen. Zuerst wird also die Zukunft definiert aus dem Bedürfnis heraus, die Gegenwart zu optimieren oder gegenwärtige Defizite zu korrigieren. So werden Programme formuliert, nach denen das Kind formen ist. Vertrauen wecken - Interesse nähren Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik Beispiel: Die «Pisaergebnisse» lösen in der Bildungspolitik Panik aus und führen zu fieberhaften Umformulierungen nicht nur der Lehrplanziele, sondern auch des Bildungssystems. Dieser Geste steht gegenüber die von Steiner angeregte: Aus der Wahrnehmung der Individualität und des Entwicklungsstandes des Kindes heraus versuchen zu ahnen, zu erspüren – ein «Wissen» kann es nie sein -, was das Kind braucht, damit es sein Potential möglichst gut, das heisst möglichst umfassend entwickeln, entfalten kann. Gegenüber in der Erziehung, auf das Kind. Die Gesten sind klar: Hier stellt sich die Erziehung, der Erziehende mit seinen Forderungen der Individualität des Kindes entgegen; da erklärt sie, erklärt sich der Erziehende bereit, sich mit dem Kind auf dessen Weg zu begeben. Die Steinerschule als «System» bemüht sich um diese begleitende Erziehungsgeste. Lehrerin oder Lehrer an einer Steinerschule zu sein alleine bewahrt aber noch nicht davor, die konfrontative Geste einzusetzen. Hier ist die Individualität der Lehrerin, des Lehrers gefragt, ihre Überzeugung, ihre Bereitschaft. Keine Programme Programme geben scheinbar Sicherheit, sie sind überschaubar, berechenbar. In der Erziehung keine Programme aufzustellen – und dazu muss jeder «Plan» gezählt werden, der ein inhaltlich definiertes Entwicklungsziel festlegt –, das fordert nicht mehr und nicht weniger als Mut und Vertrauen. Mut zum Wagnis, zum Suchen und Vertrauen auf das 1 Rudolf Steiner «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft», Dornach 2003, S. 14. 2 Interview mit Remo Largo, «Das Magazin» Nr. 2 vom 12. Januar 2008. Thomas Marti Vermittler des Gefühls- und Willenslebens, Grundlage begrifflichen Denkens Rhythmus – ein Schlüssel zum Lernen Eine Pädagogik, die nur intellektuelle oder soziale Fähigkeiten im Blick hat, müsste einseitig sein, wenn nicht auch die Entwicklung der körperlichen Verfassung als zum ganzen Menschen dazugehörig einbezogen würde. Die körperliche Verfassung ist quasi die irdische Basis, auf der ein Mensch im handfesten Sinne überhaupt erst handlungsfähig werden kann. Die schönsten Ideen und ausgeklügeltsten Konzepte taugen nichts, wenn sie nicht wirklich ins Leben hineingeführt werden können und damit erst Hand und Fuss bekommen. Unser Leib ist dafür das wichtigste Werkzeug. Das Herz und das gesamte Kreislaufsystem gehören gemeinsam mit den Atemorganen zur «Mitte» des Menschen. Ihre Tätigkeit ist nicht nur die Folge von Körpervorgängen im Organismus (Transport und Verteilung wichtiger Stoffe, Energieversorgung), die Organe widerspiegeln auch seelische Vorgänge: Ein schnelles oder langsames Herzklopfen, ein tiefer Seufzer oder ein stockender Atem sind ein jeweils direkter Ausdruck vielfältigster psychischer Zustände und Vorgänge. In den Rhythmischen Organen greifen körperliche und seelisch-geistige Prozesse intim ineinander und bestimmen wechselseitig ihre Funktion. Die Rhythmischen Organe sind psychosomatische Organe par excellence. Auch für das Lernen ist Rhythmus eine wichtige Voraussetzung. Rhythmus muss aber selbst auch erlernt und entwickelt werden. Wir können davon ausgehen, dass diese Fähigkeitsbildung die ersten ungefähr zwölf bis vierzehn Lebensjahre beansprucht. Die Herz-/Atem-Reife Die Fähigkeit des Rhythmischen Systems, körperliche und seelisch-geistige Vorgänge zusammenzubringen und zu koordinieren, ist nicht angeboren. Zwar haben sich während der Embryonal- und Fötalentwicklung die Organe Herz und Lun ge gebildet und sind auf die Geburt hin zu elementaren physiologischen Funktionen ausgereift. Die Fähigkeit zum rhythmischen Zusammenspiel muss sich jeder Mensch aber im Verlaufe seiner Kindheit erst noch erwerben. Man kann sich diesen Erwerb vorstellen wie das Erlernen des Musizierens: Der Besitz einer Flöte oder Geige bedeutet ja noch nicht automatisch, dass auf diesen Instrumenten auch schon gespielt werden kann. Das Beherrschen der Instrumente und ihr Zusammenklingen bedürfen der langen und beharrlichen Übung. Tatsächlich müssen auch die Instrumente des Rhythmischen Systems orchestral gestimmt werden, um ihre Funktionen im Gesamtorganismus voll und ganz erfüllen zu können. Diese «Stimmung» oder rhythmische Koordination von Atem- und Herzfunktionen findet zur Hauptsache im Alter zwischen etwa 6 und 12 Jahren statt. Die volle Herz-/ Atem-Reife wird also erst im beginnenden Jugendalter erreicht, womit die rhythmische Organisation «erwachsen» und in einer gewissen Weise auch autonom wird. Namentlich die ersten Schuljahre sind für das Kind eine rhythmologisch besonders sensible Zeit, weshalb der rhythmischen Gestaltung der Lebensbedingungen eine herausragende Bedeutung für die Gesundheit der Kinder zukommt. Aus diesem Grund wird in den Rudolf Steiner Tatsächlich müssen auch die Instrumente des Rhythmischen Systems orchestral gestimmt werden, um ihre Funktionen im Gesamtorganismus voll und ganz erfüllen zu können. Schulen hauptsächlich in den unteren Klassen ganz besonderer Wert gelegt auf eine rhythmische und künstlerisch durchgestaltete Arbeit mit den Kindern. Eine Besonderheit des ausgereiften Rhythmischen Systems ist die allnächtliche Harmonisierung von Herzpuls und Atmung während des Schlafes. Rudolf Steiner hat bereits 1905 darauf hingewiesen, dass sich diese Harmonisierung in einem bestimmten Zahlenwert niederschlägt und sich das Einpendeln der Pulsund Atemfrequenz in einem einfachen mathematischen Verhältnis ausdrücken lässt: Beim gesunden Erwachsenen liegt dieser Wert im Tiefschlaf bei 4:1, d.h. auf vier Pulsschläge kommt ein Atemzug (ausgedrückt als QPA = Quotient Puls/Atem). Tagsüber sind diese Werte individuell und können je nach äusseren Anforderung auch sehr unterschiedlich sein. Nachts dagegen findet eine über-individuelle rhythmische Ordnung um den Wert 4:1 statt (musikalisch entspricht das Verhältnis 4:1 der Doppeloktav). Bei Kindern im Kindergarten und in den unteren Klassen kann der nächtliche Wert bei 7:1, 6:1 oder 5:1 liegen. Erwachsene Werte treten erst ungefähr ab der 6. Klasse auf. Sie sind der «musikalische» Ausdruck der Herz-/Atemoder Rhythmischen Reife. Was bedeutet dies nun alles? Die Verhältnisse im Nachtschlaf geben ein Bild Vertrauen wecken - Interesse nähren ab von der Fähigkeit, die täglichen Anforderungen seelisch bewältigen zu können und wieder «geordnete» und «stimmige» Verhältnisse herzustellen. Ein regenerierender, gesundender Schlaf ist objektiv durch die beschriebene Harmonisierung des Puls-/Atem-Quotienten gekennzeichnet, subjektiv wird beim Aufwachen erlebt: «Ich fühle mich ausgeschlafen, erholt und gekräftigt». Schlafstörungen zeigen sich physiologisch in der Unfähigkeit, die tägliche «Chaotisierung» nachts zu harmonisieren und zu ordnen. Ein disharmonischer und vom Goldstandard abweichender QPA ist Ausdruck der Unfähigkeit, im Schlaf wieder zu vollen Kräften zu kommen. Das Rhythmische System und seine Tätigkeit lässt sich in einem Bild ausdrücken: Das Rhythmische System ist wie eine Tänzerin, die ihre Bewegungen in ein sensibles Wechselspiel mit den Rhythmen der gespielten Musik zu bringen vermag. Dabei kann sie sowohl ganz bei sich bleiben wie auch ganz in der Musik leben und sich von ihr tragen lassen. Das Spielerische ist ihr Element. Im Gegensatz zu marschierenden Soldaten, die unpersönlich werden müssen, um ihre uniformen Schritte nach dem mechanischen Takt der Pauken ausrichten zu können, schwingt der Rhythmus des Tänzers und umspielt die Rhythmen der Musiker. Musiker und Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik Tänzerin spielen miteinander und bringen erst durch dieses Wechselspiel hervor, was man einen lebendigen Gesamtrhythmus nennen kann. Rhythmus und schulisches Lernen Lernen ist weit mehr als ein blosses Aneignen von Fertigkeiten und Kenntnissen. Die an der Informationstechnik orientierte Vorstellung, Lernen sei eine Art der Eingabe, der Verarbeitung und Speicherung von Daten, ist unzureichend. Eine blosse Datenverarbeitungsmaschine kann ja weder Interesse aufbringen noch Begeisterung entfalten oder sich gar langweilen! Das sind alles Seelenregungen, die zwar aufgrund des Gehirns bewusst werden können, ihre Wurzeln aber im Gefühls- und Willensleben haben. Für das Lernen ist diese Einwurzelung im ganzen Menschen unerlässlich. Das Gefühls- und Willensleben wird durch das Rhythmische System vermittelt. Zum Lernen gehört nicht nur das Gedächtnis und die Fähigkeit zum Erinnern, sondern auch das Vergessen. Wie sonst sollten wir Fantasie entfalten und für Neues offen werden können, wenn wir ständig besetzt wären von der Gegenwart des schon Gewussten oder Bekannten? Die Fähigkeit, sich im richtigen Moment an das Richtige zu erinnern oder auf neue und zündende Ideen zu kommen, geht ein- her mit der Fähigkeit, auch vergessen und loslassen zu können. Ein solches Vergessen und Loslassen geschieht aber immer nachts, wenn wir schlafen – es ist sogar die notwendige Bedingung dafür, überhaupt schlafen zu können! Aus der neueren Schlafforschung ist empirisch gut belegt, dass das Gelernte nachts nicht verloren geht, sondern eine essenzielle Wandlung und Läuterung erfährt. Was wir gestern vielleicht mit Mühe und Anstrengung gelernt haben, erfährt durch den Schlaf eine Kräftigung und Verankerung in unserem Wesen, so dass wir nach dem Aufwachen die Erfahrung machen können, wie wir jetzt mehr können als noch vor dem Einschlafen am Vorabend. Auch Probleme lösen sich erstaunlicherweise oft im Schlaf - wenn wir dieser Lösung vorher nur kräftig genug zugearbeitet haben. Der Schlaf spielt ganz entscheiden eine seelisch-geistig klärende und kräftigende Rolle! Ein gesundes Lernen und das Vergessenkönnen gehören untrennbar zusammen. Ihre Verbindung ist eine ähnliche wie diejenige zwischen Aufwachen und Einschlafen oder zwischen dem Ein- und Ausatmen: Erst in ihrer rhythmischen Wechselwirkung kommt das Ganze des jeweiligen Vorgangs zum Tragen. Die Herz/Atem-Reife geht also einher mit der Fähigkeit des richtigen Einschlafen- und 5 Kinder verfügen über ein vollumfängliches, also auch intellektuelles Lernvermögen erst, wenn sie fähig sind, sich selber im Schlaf zu ordnen und sozusagen Anschluss an die regenerierenden Ressourcen der Nacht zu finden. Aufwachenkönnens als Voraussetzung einer gesunden Lernkultur. Das Medium, welches eine solche Lernkultur fördert, heisst rhythmisch-künstlerischer Unterricht. Kinder verfügen über ein vollumfängliches, also auch intellektuelles Lernvermögen erst, wenn sie fähig sind, sich selber im Schlaf zu ordnen und sozusagen Anschluss an die regenerierenden Ressourcen der Nacht zu finden. Wie wir gesehen haben, ist dies ab etwa dem 12. bis 14. Lebensjahr der Fall. Rhythmus und begriffliches Denken Die Entwicklung des Rhythmischen Systems hat noch weitere Folgen für das Lernen des Kindes und Jugendlichen: Die Herz-/Atem-Reife ist auch eine Vorbedingung für das realitätsbezogene oder sachgemässe begriffliche Denken. - Da dieser Zusammenhang nicht einfach so auf der Hand liegt, versuche ich ihn kurz zu erläutern: Wenn wir etwa sagen, dass wir irgendeine Erscheinung aus ihren Ursachen heraus verstehen, dann ist dies nur möglich, weil wir die Erscheinung nicht nur sinnlich wahrnehmen und erleben, sondern sie auch begreifen und also in einem gesetzmässigen Zusammenhang mit anderen Erscheinungen denkend erfassen können. Ein Beispiel: Aus dem Erlebnis eines sehr heissen und schwülen Sommertages ergibt sich noch nicht ohne weiteres das Verständnis des abendlichen heftigen Gewitters. Und aus dem Erleben dieses Gewitters verstehen wir auch noch nicht unbedingt den erneut strahlenden und sonnigen Folgetag. Zunächst erleben wir ja nur eine Abfolge von wechselnden atmosphärischen Erscheinungen. Um die-se jedoch in ihrem inneren Zusammenhang auch zu verstehen, müssen wir die Erscheinungen nicht nur erleben, sondern auch denken können. Das Erlebenkönnen ist dabei unerlässlich, wenn wir zu den Phänomenen auch einen begrifflichen, denkenden Zugang bekommen wollen. Das begriffliche Denken ist die wichtigste Voraussetzung naturwissenschaftlicher Welterklärung und konstituiert im Wesentlichen unser modernes Bewusstsein. Ohne begriffliches Denkvermögen würden wir in einer Welt der blossen Bilder und Empfindungen leben - bar jeder Möglichkeit, ihren Zusammenhang auch wirklich verstehen zu können und zu tieferen Einsichten zu kommen. Dieser begriffliche Zusammenhang ist meistens ein kausaler, also ein Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Der naive oder noch kindliche Mensch erlebt nur die zeitliche Abfolge von Ereignissen, ohne diese Abfolge aber auch begrifflich durchdringen zu können. Jean Gebser hat dies das «mythische Bewusstsein» genannt, das von Wirkungsgeschichten und vom Geheimnis ihrer magischen Hintergründe erfüllt ist. Erst im begrifflichen Denken aber ist Aufklärung möglich, indem in der Wirkung auch die Ursache und in der Ursache die Wirkung erfasst und gedacht werden kann. Ursache und Wirkung gehören begrifflich untrennbar zusammen. Es macht keinen Sinn, von Ursachen zu reden, wenn ich keinen Begriff von Wirkung habe - und umgekehrt. In unserem Beispiel: Im Begriff «schwüler und heisser Sommertag» ist die Wirkung «heftiges Abendgewitters» gleichsam veranlagt. Der Begriff umfasst nicht nur die Jahreszeit, die starke Sonneneinstrahlung mit hohen Temperaturen und einer hohen Luftfeuchtigkeit, sondern ebenso die damit zusammenhängende atmosphärische Dynamik, das rasche Aufziehen und mächtige Auftürmen von Wolken, die einsetzenden Böen, dann der heftige Wolkenbruch usw. In all diesen Erscheinungen ist das Gewitter als Wirkung sozusagen schon inbegriffen, es ist in seinen erkennbaren Ursachen schon anwesend, bevor das Gewitter mit Blitz und Donner ausbricht und uns als atmosphärische Erscheinung beeindruckt. Was hat dies alles mit Rhythmus und mit der Herz-/Atem-Reife zu tun? Zunächst kann jetzt klar werden, dass kausales begriffliches Denken eine innere Bewegung voraussetzt, und zwar von der Ursache zur Wirkung und von der Wirkung zur Ursache. Das ist als Vorgang nichts anderes, als was z.B. auch die rhythmische Verbindung schafft von Einatmen und Ausatmen oder von Aufwachen und Einschlafen. Um Begriffe bilden zu können und das Denken an die erfahrbare Realität anzuschliessen, bedarf es einer Art dialektischer Beweglichkeit, eine Kunst der inneren Gesprächsführung, durch welche Gegensätze und Widersprüche, Trennendes und Verbindendes, Einfälle und Wahrnehmungen, Thesen und Antithesen etc. aufgefunden und zur Begegnung oder gar Aussöhnung geführt werden können. Diese Fähigkeit zum inneren Dialog hat als Voraussetzung die Fähigkeit, Differenzen und Spannungen seelisch auszuhalten und ertragen zu können, sie sogar zu steigern und damit aktiv einer Lösung und Klärung zuzuführen. Diese Grundlagenfähigkeit zum begrifflichen Denken ist mit dem Beginn des Jugendalters durch die Herz-/Atem-Reife gegeben. Es ist auch die Zeit, in welcher sich der Jugendliche selbst als Ursache begreifen lernt und anfängt, Zukunft zu gestalten und Geschichte zu machen. Die Herz-/Atem-Reife ist die Grundlage für das Aufkommen des so genannten Jugendidealismus. Rhythmus – eine Zeitaufgabe in doppelter Hinsicht Rhythmus bedeutet «Gestaltung in der Zeit»: Ruhe und Bewegung, BeschleuniVertrauen wecken - Interesse nähren gung und Verlangsamung, äussere Aktivität und innere Konzentration, Vergessen und Erinnern, Leistung und Erholung, Einschlafen und Aufwachen, sich verwandelnde Wiederholungen etc. Das sind alles Beispiele solcher Gestaltungselemente in der Zeit. Was wir tagtäglich bewusst oder unbewusst tun und wie wir dabei die Zeitläufe gestalten, greift tief in das Rhythmische System unseres Organismus ein und kann hier zu körperlichen Auswirkungen führen. Im idealen Fall gibt Rhythmus Kraft, so wie auch umgekehrt alle Einseitigkeiten wie ununterbrochene Leistungsbereitschaft («Stress») oder Ruhelosigkeit und Hektik an den Kräften zehren und sich auf die Dauer krankmachend auswirken. Die Organe des Rhythmischen Systems sind eine Art Wahrnehmungsorgane für zeitliche Lebensverhältnisse. Sie funktionieren nicht nur rhythmisch (Systole und Diastole des Herzens, Einatmen und Ausatmen), sie tun dies im intimen Wechselspiel mit den Aussenrhythmen, in welchen wir leben. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Herz- und Kreislauferkrankungen eigentliche Zivilisationskrankheiten sind und heute in der Rangliste der verbreitetsten ernsthaften Beschwerden ganz vorne stehen. In den meisten Fällen Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik treten die krankhaften Symptome erst nach dem ungefähr 40. Lebensjahr auf. Aus jüngeren Untersuchungen ist aber bekannt, dass die ersten pathologischen Veränderungen am Herzen schon in der frühesten Jugendzeit, wenn auch «verdeckt», aber doch nachweisbar auftreten. So haben Untersuchungen an jungen Organspendern ergeben, dass ungefähr 20 % aller 13- bis 19-Jährigen bereits arteriosklerotische Veränderungen der Herzkranzgefässe aufweisen und damit eine riskante Disposition für spätere Erkrankungen zeigen. Bei den 20- bis 29-Jährigen ist der Anteil von Betroffenen bereits mehr als verdoppelt. Es ist dabei bekannt, dass neben Rauchen, Fehlernährung und mangelnder Bewegung der so genannte «Stress» (also die Dauerüberspannung, die Hektik und Atemlosigkeit) zu den Hauptrisikofaktoren gehört. Der Pflege rhythmischer Lebensverhältnisse kommt aus diesen Gründen eine ganz besondere Bedeutung zu. In der Pädagogik der Rudolf Steiner Schulen ist die Bedeutung des Rhythmus und der künstlerisch geführten Prozesse bereits in der Begründung umfassend erkannt worden und findet ihren Niederschlag nicht nur im Fächerkanon oder in der Unterrichtsmethodik, sondern auch in der Gestaltung des Stundenplans und dem epochalen Unterricht. Die rhythmisch-künstlerisch gestaltete Arbeit mit den Kindern ist also nicht nostalgisch begründet und folgt nicht romantischen Harmoniebedürfnissen, sondern ist von grösster Aktualität und ergibt sich als unabdingbare gesundheitsfördernde Notwendigkeit aus den gegenwärtigen Zivilisationsverhältnissen. 1 Siehe dazu etwa: Thomas Marti: Wie kann Schule die Gesundheit fördern? Erziehungskunst und Salutogenese. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2006 (Kapitel «Schlafen und Wachen») Thomas Marti ist wissenschaftlicher Projektleiter der basal-stufe an der Rudolf Steiner Schule Bern und Dozent an der «Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik» in Mannheim Jörg Undeutsch Erwachsenen sehnen: Autorität, ohne autoritär sein zu müssen. Ganzheitliche Pädagogik von der Vorschulstufe bis zum Schulabschluss Eurythmie und Gartenbau Meist schon von der ersten Klasse an werden zwei Fremdsprachen unterrichtet in den Rudolf Steiner Schulen - rhythmisch, spielerisch vermittelt zunächst, später mit auch mit Knochen und Sehnen, mit Grammatik untermauert. Und es gibt eigentümliche Fächer in den Rudolf Steiner Schulen, Gartenbau, Eurythmie und Kupfertreiben zum Beispiel, oder ein Landvermessungspraktikum. - Warum das alles? Beschreiben diese Äusserlichkeiten, was die Rudolf Steiner Schule will? Ja - aber nur, wenn man zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Der grosse, der eigentliche Unterschied zwischen den Rudolf Steiner Schulen und fast allen anderen Schulen liegt nämlich im Ziel der Schule selbst. Die Rudolf Steiner Schulen kennen keine «Lernziele», zumindest keine konkreten, die man in klare Worte, in Anforderungsprofile giessen könnte und in Prüfungen ermitteln. Sie will die Kinder und Jugendlichen zu nichts erziehen, nicht zu Christen, nicht zu «nützlichen Gliedern der Gesellschaft», nicht zu «braven Bürgern» und auch nicht zu rebellischen, sie will sie auch nicht «fit machen für den Arbeitsmarkt». Sie will die Kinder zu sich selber führen, will ihnen helfen, sich zu entdecken, zu erproben, zu entfalten. Jeder Mensch ist eine unverwechselbare, eigenständige Persönlichkeit, niemand kommt als «leere Tafel» auf die Welt. Jeder Mensch bringt etwas mit, wenn er seine Erdenreise antritt, einen Lebensentwurf, ein Lebensziel, Lebensthemen zumindest und zuvorderst – sich selbst. Davon gehen Rudolf Steiner-Pädagoginnen und -Pädagogen aus. Niemand irrt leer, sinn- und ziellos durch die Welt. Dieses Ziel, diese Themen, letztlich: sich selbst (wieder) zu finden – dabei will die Rudolf Steiner Schule helfen; damit jeder Schüler, jede Schülerin aufrecht aus dieser Schule gehen kann mit dem zur Gewissheit gereiften Empfinden: Ich kann mich finden, ich gehe meinen Weg. SchulstoffHomöopathie «Nachhaltiges Lernen» haben sich die Rudolf Steiner Schulen auf die Fahnen geschrieben, eine «ganzheitliche Pädagogik» vertreten sie, vom Kleinkindalter bis in die Oberstufe. Was heisst das – jenseits des alt bekannten Schlagwortes von «Kopf, Herz und Hand»? Das Ziel der Schulen ist ein anderes, meint Jörg Undeutsch. Um zu beantworten, was er damit meint, nimmt er etwas Anlauf – und legt damit zugleich eine kurze, allgemein verständliche Einführung in die Rudolf Steiner-Pädagogik vor. Was unterscheidet die Rudolf Steiner-Pädagogik von der «Staatsschul»-Pädagogik oder anderen Formen «alternativen» Umganges mit Kindern und Jugendlichen? Äusserlich betrachtet, ist die Antwort schnell gefunden. Schwieriger ist es, hinter den Kulissen nach dem zu suchen, was eine ganzheitliche, nachhaltige Pädagogik wirklich ausmacht. Fangen wir mit dem an, was schnell zu finden ist: Es gibt keine Noten in der Rudolf Steiner Schule, keinen äusserlich aufgezwungenen Leistungsdruck. Die Kinder und Jugendlichen können nicht «sitzen bleiben», in ihrem jeweiligen Klassenverband schreiten sie von Stufe zu Stufe gemeinsam weiter. Künstlerisch-Musisches und Handwerkliches nimmt einen breiteren Raum ein als in den meisten anderen Schulen, die Kinder singen und musizieren, malen und plastizieren, lernen und sprechen Gedichte, spielen Theater. Epochenunterricht In den meisten Rudolf Steiner Schulen beginnt jeder Schulmorgen mit dem so genannten «Hauptunterricht»: eineinhalb bis zwei Stunden Unterricht am Stück, ohne Pause, dafür in sich gegliedert in einen bewegten künstlerisch-rhythmischen Auftakt, eine konzentrierte Lernund Übphase und einen beruhigenden, abschliessenden Schlussteil, in dem der 10 Lehrer, die Lehrerin erzählt oder vorliest Märchen, Fabeln und Legenden in den unteren Klassen, später Sagen, Episoden aus der Geschichte oder Biografien. Fast aller «Stoff», alle üblichen «Fächer» werden in diesem Hauptunterricht vermittelt: Schreiben, Lesen, Rechnen, Pflanzen- und Tierkunde, Heimat- und Erdkunde, Geschichte, Physik und Chemie, aber auch Astronomie, Haus- und Feldbau, Lebenskunde. Immer mehrere Wochen lang behandelt der Lehrer ein Fach, bleibt die Klasse an einem Thema, vertieft das Thema Schritt für Schritt, lebt sich darin ein – dann darf es ruhen, absinken, wird erst ein halbes, ein ganzes Jahr später wieder aufgegriffen und weiter entwickelt. «Epochenunterricht» nennt das die Rudolf SteinerPädagogik. Diesen Hauptunterricht in Unterichts-Epochen gibt der Klassenlehrer, die Klassenlehrerin. Auch sie gehört zu den Besonderheiten der Rudolf SteinerPädagogik, die ins Auge fallen: In den Klassen eins bis acht begleitet in der Regel dieselbe Lehrperson die Klasse, Jahr für Jahr. So viel wie möglich unterrichtet sie die Klasse selbst, begleitet sie nicht nur als Lernpartnerin, sondern ein wenig auch als Erzieherin oder – wie Allan Guggenbühl es einmal ausgedrückt hat – «Oberbandenchef». Sie will den Kindern ihrer Klasse in dem Alter ein Vorbild sein, eine Führerin, in dem sich Kinder nach solchen Seelen-Nahrung Deshalb bemüht sich die Rudolf Steiner Schule, die Kinder so lange wie möglich «bildsam» bleiben zu lassen, ihr Interesse zu wecken, ihre Lebendigkeit zu erhalten – und sie vor all den Einflüssen zu schützen, die sie vorzeitig «verhärten», erstarren lassen, vertrocknen. Deshalb versucht die Rudolf Steiner Schule, die Kinder und Jugendlichen so vielseitig wie möglich anzuregen, sich nicht nur an den Kopf zu wenden, sondern auch Herz, Hand und Fuss mit einzubeziehen. Und deshalb ist der Schul»stoff» für die Rudolf Steiner Schule so etwas ganz anderes als wir Vertrauen wecken - Interesse nähren Niemand irrt leer, sinn- und ziellos durch die Welt. Dieses Ziel, diese Themen, letztlich: sich selbst (wieder) zu finden – dabei will die Rudolf Steiner Schule helfen. das von so vielen anderen Schulen her gewohnt sind. Herkömmliche Schulen wollen ihren Schülerinnen und Schülern etwas beibringen; wollen, dass die Schülerinnen und Schüler sich etwas merken. Für Rudolf Steiner Schulen ist der «Stoff» kein Wissen, das ich abspeichern und auf Befehl wiedergeben, im besten Fall anwenden können muss. Der «Stoff» ist Nahrung, Seelen-Nahrung. Er wird zum Erlebnisschatz, zum Mittel individueller Menschen-Bildung. Aufwachen zu sich selber sollen die Kinder am «Stoff». Er soll ihnen helfen, all die Entwicklungsschritte der Kindheit und des Jugendalters kraftvoll zu durchleben, an diesen Schritten, die jede und jeder macht, das zu entfalten, was der ganz eigenen Entwicklung dient. Deshalb fragt die Rudolf Steiner Schule nicht: Wie muss ich Stoffhäppchen an Stoffhäppchen reihen, damit der Stoff gut verdaulich den Kindern möglichst schmerzlos eingeflösst werden kann. Sie fragt: Welcher «Stoff» hilft den Kindern, den Jugendlichen in welchem Alter, welchen Entwicklungsschritt zu tun? Jedes Alter hat seine verborgenen, latenten Fragen, manche bewusst, manche unbewusst. Sie zu beantworten, sie klären zu helfen - das vor allem ist die Aufgabe des Schulstoffes in der Rudolf Steiner Schule. Denn nur so dient er nicht irgendeinem Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik äusseren Zweck, sondern dem einen grossen Ziel der Rudolf Steiner Schule: Menschen zu sich selbst zu führen – der Erziehung zu Selbstbestimmung und Freiheit. Vergessen dürfen Das führt uns noch einmal zu einem Unterschied zwischen den Rudolf Steiner Schulen und den meisten anderen: Rudolf Steiner Schulen wollen, dass die Schülerinnen und Schüler den Stoff vergessen. Der Schulstoff der Rudolf Steiner Schulen wirkt ein wenig so, wie der Stoff, die Materie, die Heilsubstanz in homöopathischen Heilmitteln. Je höher diese potenziert werden, desto weniger Ausgangsstoff ist noch in der Trägersubstanz, durch Verdünnen und Verschütteln oder Verrühren, geht so etwas wie die Essenz der Ausgangssubstanz auf die Trägerstubstanz, das Wasser oder den Milchzucker über - und verwandelt ihn, macht die Trägersubstanz zum Heilmittel. Wenn Kinder und Jugendliche Schulstoff nicht lernen, sondern sich mit ihm verbinden, über mehrere Wochen hinweg, ein wenig zu leben beginnen mit ihm, dann wird er in ihnen lebendig, bleibt er kein toter, äusserlich an sie herangetragener Stoff. Wenn sie dann die Fachepoche abschliessen, zu einem anderen Thema übergehen, sinkt das Aufgenommene, das innerlich Bewegte und Bewe- gende ab. Es sinkt in die Vergessenheit – in die Tiefenstrukturen der Psyche und lebt dort weiter: fähigkeits- und persönlichkeitsbildend. Das vergessen Dürfen ist der Schlüssel zu nachhaltigem Schulerfolg. Dabei kommt es nicht darauf an, was Schülerinnen und Schüler in Prüfungen wiedergeben können, was sie im Bewusstsein haben, was sie haben aufnehmen und sich merken können. Es kommt darauf an, ob der Schulstoff ihnen etwas sagen konnte, in ihnen etwas bewegen konnte, ihren Wissensdurst und Erfahrungshunger stillen konnte, ohne sie einfach abzufüllen – ob er sie nähren konnte – und weiter nährt, verwandelt zu Fähigkeiten, zu Lebenseinstellungen, zu Tatkraft, Mut und Lebenszuversicht. Wer Rudolf Steiner-Schülerinnen und Schüler fragt, was sie gelernt haben, stellt mitunter Defizite beim äusserlichen Faktenwissen fest. Aber die meisten antworten: Wir trauen uns etwas zu. Weil sie spüren, dass sie seelisch reichlich genährt worden sind, einen tragfähigen Boden haben ausbilden können, dass sie sich auf sich selbst verlassen können. Genau das will eine nachhaltig arbeitende Schule erreichen. Jörg Undeutsch ist «Schulreis»-Redaktor. Der Journalist, Steinerschul-Lehrer und Kursleiter (www. PubertaetVerstehen.ch) führt ein kleines Heim für Menschen mit psychischen Behinderungen. 11 5 Bruno Vanoni Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus Hilfspersonal, Zahleltern oder echte partner? Die Steinerschulen sind bekannt für ihre engen Verbindungen mit den Eltern und versprechen diesen gar «Erziehungspartnerschaft». Zu Recht? An der Steinerschule Bern und Ittigen erleben Eltern den pädagogischen Einbezug ins Schulleben sehr unterschiedlich. «Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus» – das versprechen die Schweizer Steinerschulen im Internet. Jedenfalls lautet so eines der Schlagworte, die auf www.steinerschule.ch das besondere Konzept dieser Schulbewegung umreissen. Doch was mit dieser Erziehungspartnerschaft konkret gemeint ist, wird nicht näher erläutert. Gewiss: Zu den Steinerschulen gehört allgemein der Ruf, dass die Eltern hier gefragter sind als an anderen Schulen und in einem engeren Verhältnis zu den Lehrpersonen stehen. Und bestimmt verlangen die Steinerschulen von den Eltern mehr Engagement und einen grösseren Einsatz an Zeit (vom stets knappen Geld einmal ganz zu schweigen). Doch verdient dies schon die hehre Bezeichnung «Partnerschaft»? In einer Schule ganz unterschiedlich erlebt Wie andere Eltern die Zusammenarbeit mit der Steinerschule erleben und bewerten, versuchte ich für diesen SCHULKREIS-Beitrag mit einer kleinen Umfrage in Erfahrung zu bringen. Von rund hundert Angeschriebenen nahmen sich nur gut zehn für eine schriftliche Antwort Zeit. Doch sie brachten dabei eine Fülle von Stand- und Gesichtspunkten vor, wie sie tausend Eltern nicht besser hätten zum 12 Ausdruck bringen können. Verblüffend war dabei, dass die Auseinandersetzung mit dem vielversprechenden Schlagwort «Erziehungspartnerschaft» zu völlig entgegengesetzten Urteilen führte. Die «enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und PädagogInnen» sei ihr «ein wichtiges Anliegen», schrieb mir eine Mutter, die sich in einem zeitaufwändigen Gremium der Steinerschule Bern und Ittigen engagiert. Diese enge Zusammenarbeit unterscheide die Steinerschule stark von der Staatsschule. Zu dieser Besonderheit gelte es, Sorge zu tragen – sonst käme «vieles ins Wanken», und dies wäre «der Begleitung unser Kinder nicht dienlich». Ganz anders schrieb die Mutter eines Kindes, das seit bald zwei Jahren die gleiche Steinerschule besucht: Eine «Erziehungspartnerschaft» zwischen Eltern und Lehrpersonen sei ihr da «im Laufe der Zeit nicht besonders aufgefallen. Ich stelle fast keinen Unterschied fest zwischen Staatsschule (an der unsere anderen beiden Kinder sind) und Steinerschule. Und ich weiss nicht so recht, ob ich leider sagen soll. Und ich weiss auch nicht, ob dies mit mir zu tun hat oder mit der Schule.» Aus pädagogischen Gründen gefordert An der Schule sollte, ja dürfte es eigentlich nicht liegen – wenn sie sich an der Haltung ihres Namengebers orientiert: Rudolf Steiner hat (vielleicht anders, als man erwarten könnte) grossen Wert auf ein intensives Zusammenwirken von Lehrpersonen und Eltern gelegt. Zwar spielten bei der ersten Waldorf-Schule die Eltern weder als Gründer noch als Träger dieser Schule eine entscheidende Rolle. Denn die erste Steinerschule war anfänglich Teil eines Unternehmens (der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik), dessen Besitzer (Emil Molt) den Kindern seiner Angestellten eine bessere Schulbildung ermöglichen wollte. Doch schon für diese erste Waldorf-Schule – man vergesse dies nie: von einem sozial gesinnten Patron für Arbeiterkinder geschaffen – hielt Rudolf Steiner 1921 unmissverständlich fest: «Wir brauchen in dieser Schule, wenn wir in der richtigen Weise vorwärts kommen wollen, mehr als in einer anderen ein vertrauensvolles Zusammenwirken mit den Eltern.» Zwei Jahre später stellte Steiner den starken Elternbezug in einem öffentlichen Vortrag in Den Haag geradezu als Charakteristikum und Ziel seiner Schulen dar: «Eine Waldorfschule ist eine Schule, die ganz darauf aufgebaut ist, mit der Elternschaft in enger Verbindung zu stehen.» An Elternversammlungen, die er mal in monatlichem, mal im vierteljährlichen Rhythmus propagierte, plädierte Rudolf Vertrauen wecken - Interesse nähren Steiner für «herzliches Einvernehmen» Geistesleben», die auf das «gemeinsa- die Besonderheiten in diesem Alter, die zwischen Lehrer- und Elternschaft – aus- me pädagogische Anliegen» ausgerich- inneren Vorgänge im Kind». Dies sei «für gehend von der Einsicht, dass «die Eltern- tet sei. Waldorfpädagogik, so ruft uns die Begleitung und Erziehung zu Hause schaft das Teuerste, was sie hat, der Leh- Dietz in Erinnerung, beruht auf einer um- wichtig» und helfe ihr, sich besser in ihr rerschaft anvertraut hat.» Und er sprach fassenden Wahrnehmung des einzelnen Kind einzufühlen. davon, dass die Waldorfschule eine «freie Kindes. Und diese könne ohne Einbezug Eine andere, langjährige Schulmutter Schule» sein solle und gerade deshalb der Eltern nicht gelingen. «Begegnung lobt in diesem Zusammenhang, dass «auf die Hilfe der in der Klasse ihElternschaft in eirer jüngsten Tochnem ganz ausserie menschlich individuelle egegnung von ter regelmässige ordentlich hohen Standortgespräche ltern und ehrern wird zur tragenden äu eingeführt worden Grade angewiesen» sei. sind. Diese gäben emü die «sonst nicht Dass es Steiner bei le der gemeinsamen pädagogischen dieser «Elternhilso angebotene» hung fe» nicht etwa um Möglichkeit, indidie wirtschaftliche viduell Fragen zur und organisatorische Basis seiner Schulen mit den Elternhäusern trägt zum Verste- Steiner-Pädagogik zu stellen. Das indiviging, hat Karl-Martin Dietz in einem leicht hen des Kindes bei», schreibt Dietz: «Die duelle Gespräch müsse an den Steinerlesbaren Bändchen über «Eltern und Leh- menschlich-individuelle Begegnung von schulen «einen festen Platz» einnehmen, rer an der Waldorfschule» (*) herausgear- Eltern und Lehrern wird zur tragenden fordert diese Mutter. Sie ist sich jedoch beitet: «Elternhilfe auf die Finanzierung zu Säule der gemeinsamen pädagogischen bewusst, dass dies den Lehrpersonen eifokussieren (und im Gegenzug dazu die Bemühung.» nen riesigen Zeitaufwand abverlangt. Und eine oder andere Mitbestimmungsmög- Dieses Ideal persönlicher Begegnung und sie räumt ein, dass sie sich aus Rücksicht lichkeit zuzulassen), ist ein Gedanke, der pädagogischer Zusammenarbeit klingt darauf früher mit Gesprächswünschen Steiner völlig fern lag und der auch erst auch in den Erfahrungen an, die Schu- zurückgehalten hat. «Ich fand immer, die viel später in einzelnen Waldorfschulen leltern vorab an Elternabenden und in Lehrer seien sonst schon genug überlastet Einzug gehalten hat.» persönlichen Gesprächen mit Lehrperso- und wollte nicht noch mit unseren Fragen nen machen: Bei diesen Gelegenheiten, kommen.» An einer gemeinsamen Grundhaltung ar- schreibt eine Mutter, erfahre sie «viel Neben Zeit braucht es zweifellos auch beiten über den gegenwärtigen Entwicklungs- grosse Offenheit, Bereitschaft und InitiaRudolf Steiner habe vielmehr Perspekti- stand meines Kindes, über den Lebens- tive zu einer echten Erziehungspartnerven aufgezeigt für eine «Partnerschaft im abschnitt, in dem es sich gerade befindet, schaft. Dass es daran fehlen kann, schil- «D E - B L S B - .» Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik 13 Zu den Rudolf Steiner Schulen gehört allgemein der Ruf, dass die Eltern hier gefragter sind als an anderen Schulen. dert ein Elternpaar, das seine Kinder zunächst in die Staatsschule geschickt hatte und erst wegen Problemen an die Steinerschule wechselte: «An Elternabenden spüren wir immer wieder, dass wir nicht zu den eigentlichen Anthroposophen gehören, sondern eben als QuereinsteigerEltern manchmal nicht ganz ernst genommen werden.» Dies zeige sich etwa bei Diskussionsthemen wie Medien- oder Sexualerziehung. In der Tat wird gerade bei solchen topaktuellen konkreten Erziehungsfragen – auch der Umgang mit (Taschen-)Geld, Handys und Suchtmitteln gehört dazu – offensichtlich, wie stark die Haltungen von Steinerschul-Eltern auseinandergehen können. Eine gemeinsame Basis für die doch zunehmend erwünschte Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus gibt es oft nur sehr beschränkt. Umso wichtiger werden der Austausch unter den Eltern und das gemeinsame Erarbeiten von Grundhaltungen zu aktuellen Erziehungsfragen. Bereitschaft auf beiden Seiten erforderlich Die «altersbewusste» Steiner-Pädagogik biete dazu ein grosses Potential, meint ein Schulvater. Er berichtet von der positiven Erfahrung einer Lesegruppe, in der 14 sich Eltern zusammen mit der Klassenlehrerin regelmässig zusammenfanden, um sich – ausgehend von der Lektüre eines Buches – über die beginnende Pubertät ihrer Schützlinge auszusprechen. So sei es möglich, «die Erziehung lebensphasen-bezogen zu gestalten, sich auf neue Phasen vorzubereiten und darüber Erfahrungen auszutauschen». Wenn dies gelingt, wird die Steinerschule auch zur «Elternschule» – einer Schule, in der die Eltern voneinander, aber auch von den Lehrpersonen und auch von den Kindern lernen. Gelegenheit dazu bieten auch die vielfältigen Möglichkeiten, sich als Eltern an Klassenprojekten, Theaterdarbietungen, Konzerten, Lagern und Reisen zu beteiligen. Eine Schulmutter, die selber in einem Lehrberuf tätig ist, weiss aus Erfahrung, dass solches Elternengagement den Kindern gut tut, ihre Entwicklung fördert und ihnen Sicherheit gibt. Wenn in einer Klasse Probleme auftreten, müsse die Gemeinschaft der Eltern diskussions- und handlungsfähig sein, fordert ein Schulvater. Dies sei nur möglich, «wenn Erziehungsfragen an Elternabenden immer wieder erörtert werden und gegenseitiger Respekt vorhanden ist». Dass diese Bedingungen leider nicht immer erfüllt sind, müssen Lehrkräfte und Eltern immer wieder erfahren. So kommen offene Gespräche an Elternabenden oft nur mühsam in Gang, und die Bereitschaft zur pädagogischen Weiterbildung, zur Teilnahme an Vorträgen, Kursen und Diskussionen ist beschränkt. So berichtet eine Schulmutter, dass es mangels Elternbeteiligung die Arbeitskurse nicht mehr gebe, die früher klassenweise über zwei, drei Abende hinweg zu pädagogischen Themen stattgefunden hätten. Aus einer andern Klasse klagt ein Elternpaar, dass die Lehrperson den Austausch der Eltern nicht fördere: «Gefragt sind Elternmeinungen in Bezug auf Finanzbeschaffung und praktische Mithilfe. Meinungen zu eher pädagogisch-ideellen Fragen werden wenig beachtet. Der Elternabend ist auch klar hierarchisch strukturiert. Vorschläge zu eher partnerschaftlicher Zusammenarbeit ist nicht gefragt.» Solche Kritik macht deutlich, wie sehr die versprochene Erziehungspartnerschaft an den Steinerschulen von den einzelnen Eltern und Lehrpersonen abhängt – von den einzelnen Menschen, die nicht selten Eltern und Lehrer zugleich sind. Im erwähnten Büchlein warnt Karl-Martin Dietz deshalb vor den Gefahren des Gruppendenkens: hier Eltern, dort Lehrkräfte. Er plädiert stattdessen für eine dialogische Zusammenarbeit, die sich an den einzelnen Individuen orientiert. Seine Devise heisst: individuelle Begegnung statt kollektive Vereinnahmung. Vertrauen wecken - Interesse nähren Voraussetzung dafür sind gegenseitige Offenheit, Transparenz und Vertrauen. Die eigentliche Kunst einer solchen Erziehungspartnerschaft besteht für Dietz darin, auch dann fruchtbar miteinander zusammenzuarbeiten, wenn man «nicht so gut» miteinander auskommt oder einander gar als unsympathisch empfindet. Die Konzentration mancher Eltern auf das Vorbringen von Forderungen und ihr Streben nach Entscheidungsbefugnissen in der vom Lehrerkollegium geprägten Steinerschule bezeichnet Dietz als «gefährliche Verkürzung der angestrebten Partnerschaft». Den Blick aufs soziale Ganze nicht verlieren Auch in der verständlichen Absicht vieler Eltern, in der Steinerschule ihrem Kind die bestmögliche pädagogische Versorgung zu sichern, sieht er eine Gefahr: Sie könne zu einer etwas egozentrischen Einstellung gegenüber der Schule führen und vergessen lassen, dass ein Entscheid für diese Schule eine «soziale Tat grossen Stils» (Steiner) sein soll. Die zunächst auf das eigene Kind ausgerichtete Erziehungspartnerschaft ist an den Steinerschulen auf Dauer nicht möglich ohne ein solidarisches Verhalten, das den Fortbestand der Schulgemeinschaft und damit auch andern Eltern eine solche ErziehungsEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik partnerschaft ermöglicht. Für Familien in schwierigen sozialen Situationen sei die Steinerschule «eine Art Insel im Schlamassel», berichtet ein Schulvater, der im Auftrag der Schule regelmässig Gespräche mit Eltern führt, die aus eigener Kraft kaum ein minimales Schulgeld aufbringen können. Trennungen, erzwungene Wohnortswechsel, finanzielle Schwierigkeiten, verlorene Strukturen, Desorientierung und Konflikte mit Partnern und Kindern – all diese Situationen führten in Gesprächen mit betroffenen Elternteilen (oft neu alleinerziehende Mütter) zu Aussagen, dass die Steinerschule als oft letzter «sicherer Boden mit zuverlässigem sozialem Netz» empfunden werde. Ein Schulausschluss solcher Eltern aus finanziellen Gründen, wie er wegen der prekären Schulfinanzen immer deutlicher diskutiert werde, würde den Lebensnerv der betroffenen Familien, Erwachsenen und Kinder sehr hart treffen. Eine Steinerschule sei «ein Unternehmen, das das Engagement aller Beteiligten braucht – und will», heisst es im Büchlein von Karl-Martin Dietz. Es warnt die Eltern ausdrücklich vor der «Illusion, Waldorfpädagogik könne konsumiert, d.h. also durch Entrichtung eines Schulbeitrags gekauft werden». Neben dem Schulgeld fürs eigene Kind braucht es das persönliche Engagement der Eltern für die ganze Schulgemeinschaft. Die individuelle Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule muss in ein grösseres Ganzes eingebettet sein: in eine sozial tragfähige Schulgemeinschaft. 15 Thomas Marti Spielen hat in unserer Zivilisation aber einen schweren Stand. Zur Erholung in den Pausen, am Feierabend, am Wochenende, im Urlaub – kein Problem. Aber Spielen während der Arbeit oder in der Schule? Spielerisches Arbeiten und arbeitendes Spielen im Berufsleben? Für die Kleinsten unter uns, ja! Aber wo kämen wir Grossen auch hin, wenn wir keine klaren Ziele hätten und für das Erreichen dieser Ziele nicht effiziente Methoden einsetzten und die entsprechenden Leistungen nicht erbrächten und wir nicht immer etwas schneller am Ziel wären als die anderen? Im Wettbewerb der globalen Märkte jedenfalls – so hört man die grossen und kleinen Global Players argumentieren – hätten wir bald das Nachsehen. Hätten wir dies wirklich? Lebensprozesse respektieren Kindgerechte Einschulung? Verbindliche Standards Genau genommen findet die wichtigste «Einschulung» mit dem Einnisten in die Gebärmutter statt. Das Bildungsmilieu, das heisst der mütterliche Schoss mit Uterus und Plazenta, vermittelt dem Kind hier alles, was für eine gedeihliche Entwicklung nötig ist. Das wichtigste ist Umhüllung und Geborgenheit, eine gesunde Nahrung, Rhythmus, Wärme sowie eine frohe Zuversicht und Freude der Mutter auf die Niederkunft des Kindes. Das sind alles organisierende, kräftigende und bildende Momente, deren wirksame Gesamtheit wir in der anthroposophischen Anthropologie den Bildekräfteleib nennen. Dieser Bildekräfteleib ist der «grosse Pädagoge» der leiblichen Bildung und Erziehung und der Träger einer gesunden leiblich-seelischen Entwicklung. Mit ihm haben wir «kleinen Pädagogen» intensiv zusammenzuarbeiten, wenn es um eine gesunde Bildung des Menschen gehen soll. Die Geburt Mit der Geburt verändert sich das Bildungsmilieu. Eine Art zweite Einschulung findet jetzt statt. Nun setzt sich das Kind verstärkt mit der physischen und sozialen Welt auseinander. In ihr bildet sich das Kind weiter, indem es zum Beispiel lernt, sich gegen die Körperschwere aufzurichten, sein Gleichgewicht zu halten und 16 Im Prinzip spielt das Alter der Einschulung gar keine Rolle. Ob bereits mit 4 oder erst mit 7 Jahren eingeschult wird, ist eigentlich zweitrangig und nur eine Frage der Perspektive. Denn die Schule des Lebens und die Bildung des Menschen beginnt schon sehr viel früher und dauert ein Leben lang. Die Schule des Lebens, die das Kind seit seiner Geburt durchläuft, kennt eine einzige Disziplin: das Spielen. Spielen ist quasi das Hauptfach dieser Lebensschule. zweifüssig zu stehen und zu gehen; oder indem es Sprechen lernt und im Umgang mit anderen Menschen zu sich selber findet. Das sind alles spezifisch menschliche Bildungsvorgänge, die einerseits zu einem Können führen, andererseits aber auch den Körper und seine Organe weiter formen und ausbilden und damit die vorgeburtliche Entwicklung weiterführen. Durch das Aufrichten beispielsweise bekommt die Wirbelsäule ihre schöne Doppelschwingung und es strecken sich die anfänglichen O-Beinchen, indem die Hüftgelenke, die Knie- und die Fussgelenke soweit umgebildet werden, dass jetzt ein geschlossener Stand und ein rundes Abrollen der Füsschen möglich werden. Ebenso schult das Kind seine Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten und formt damit die entsprechenden Organe aus – Gleichgewichtssinn, Bewegungsund Stellungssinn, Wärmesinn, Tast- und Kraftsinn, Sehsinn, Hörsinn, die Sprachorgane usw. Besonders die Sinnes- und Nervenorgane des Menschen bilden sich im Gebrauch aus und Körpergeschicklichkeit kann nur in der realen Verschränkung mit der wirklichen Welt entstehen. Deshalb sind ausgiebige und vielförmige Bewegungsaktivitäten und reiche sinnliche Erfahrungen auch die wichtigsten Lehrund Lernmittel für die kindliche Leib- und Gestaltbildung. Diese Leibbildung hat ihre dann mit Bauklötzen oder hantiert es mit Wasser, erweist sich das Kind als wesentlich gescheiter, als was das Gehirn eines Maturanden im Physikunterricht zu erklären vermag. Das Kind hat die in der Lebensschule erworbenen physikalischen Kenntnisse aber nicht im Kopf, sondern in den Gliedern, im gesamten Leib. Bevor die Intelligenz im Kopf aufwachen kann, muss sie sich in den Gliedern geregt und hier ihre Basis geschaffen haben. Diese Basis nennen wir üblicherweise Erfahrung, Lebenserfahrung. Die Schule des Lebens, die das Kind seit seiner Geburt (der zweiten «Einschulung») durchläuft, kennt eine einzige Disziplin: das Spielen. Spielen ist quasi das Hauptfach dieser Lebensschule. Die Palette der Kompetenzen, die hier vermittelt werden, ist enorm breit und vielseitig. Ich zähle nur stichwortartig auf: Beim Spielen entwickeln sich Initiative, Hingabefähigkeit, Durchhaltewille, Geduld und Interesse, Phantasie und Kreativität, das Kind lernt und übt soziales Verhalten (Gespräche, Konfliktlösung, Problembewältigung, Teamwork, Umgang mit Rollen, Umgang mit Grenzen, Regeln usw.). Das Kind schult seine Sinne, es wird körperlich geschickter und sicherer und stärkt damit auch sein Daseinsvertrauen. Nicht zuletzt kann durch das Spielen ein «Sinn für den Sinn» entstehen, also eine Art Wahrnehmung Hauptzeit in den ersten etwa 7 bis 9 Lebensjahren, sie wird aber erst im Verlauf der Adoleszenz abgeschlossen. Gehen, Sprechen, Danken Alle diese Umbildungen sind nicht biologisches Programm, sondern das Ergebnis einer vom Kind ständig intendierten Selbstbildung. Es ist gleichsam der individuelle Wille des Kindes, der zum Aufrichten, zum Sprechen und dann zum denkenden Begreifen der Welt führt. Aufrechtes Gehen, Sprechen und Denken sind so betrachtet die ersten drei Grundfertigkeiten, welche sich der Mensch als Kulturwesen in den ersten Jahren seines Lebens aneignet. Sollten wir sie deshalb als die drei eigentlichen «Kulturtechniken» ansprechen? Durch diesen Vorgang der Selbstbildung und Selbstschulung erwirbt sich das Kind ein kaum zu ermessendes Wissen. Dieses Wissen hat das Kind aber nicht bewusst zur Verfügung, sondern vorerst als Können und als Fähigkeit des praktischen Begreifens und Verstehens. Wenn ein Kind etwa lernt, auf der Schaukel zu schwingen oder mit dem Trottinett Kurven zu fahren, dann beherrscht es damit einige Kapitel Physik, für deren theoretische Bewältigung wir Erwachsene schon eine gehörige Portion intellektueller Grütze benötigen. Seine ersten Physiklektionen absolviert das Kind beim sich Aufrichten. Spielt es Vertrauen wecken - Interesse nähren Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik für die Bedeutung einer Sache oder eines Tuns. Wer wirklich spielen kann, langweilt sich seltener und ist v.a. im Jugend- und Erwachsenenalter weniger anfällig für Süchte (inkl. Arbeitssucht) und andere problematische Verhaltensweisen (Z.B. hat Mobbing oft Langeweile zur Ursache; häufig werden jugendliche Gewalttaten begangen, weil es sonst nichts Spannenderes mehr zu erleben gibt.). Durch das Spielen erfolgt echte Persönlichkeitsschulung, Bildung im ursprünglichsten Sinne. Freies Spielen ist Selbstbildung und Ausdruck des individuellen Willens, sich an der Welt zu formen und ein selbstbestimmter Teil dieser Welt zu werden. Der Mensch, so hat ein kürzlich weltweit gefeierter Dichterphilosoph formuliert, «ist nur da ganz Mensch, wo er spielt». Er ist es deshalb, weil er sich im Spielen von den Zwängen befreit, z.B. vom Erfolgs- und Leistungszwang oder vom Konsumzwang. Spielen ist deshalb so etwas wie eine Ur-Kulturtechnik, es ist das Instrument zur Befreiung als Voraussetzung für kulturschaffende Tätigkeit. Es gibt kein kultiviertes soziales Leben, keine Kunst, keine echte Wissenschaft, kein schöpferisches Arbeiten, die ihre Quellen nicht im Spielen haben. Nochmals: «Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt». In der gängigen Vorstellung gehört das Spielen in die Vorschule, repräsentiert durch den Kindergarten oder die «Gfätterlischuel». Hier darf das Kind noch spielen, hier ist es noch im Paradies und fernab von der Welt der Sachzwänge und Nutzenkalküle. Beneidenswert. Bald aber folgt auf diese Vorschule die eigentliche, die «richtige» Schule. Neu wird diese Initiation mit dem vollendeten 4. Lebensjahr vollzogen. Bereits nach der 2. Klasse soll das Kind bestimmte Standards seiner Bildung nachweisen müssen. Innovativ sind solche Standards zwar nicht, denn verbindliche Messlatten gibt es in den Schulen schon lange. Neu ist nur, dass diese Standards auch Inhalte und Methoden umschreiben und flächendeckende Verbindlichkeit bekommen. Damit gehen wir auf eine Schule zu, die sich der Vermittlung vereinheitlichter Wissensbestände und uniformer Weltbilder befleißigt und damit Bildung einer zunehmenden Verflachung und Banalisierung aussetzt. Der Heidelberger Pädagogikprofessor Georg Zenkert nannte diese im Nachgang zu PISA angestrengten Reformen eine «Barbarei auf hohem zivilisatorischen Niveau» (Frankfurter Rundschau, 27.9.2005): Bildung lasse sich weder verordnen noch herstellen, denn Sachzwänge und Nutzenkalküle seien die Feinde des Versuchs, sich selbst zu formen und ein freies Selbst- und Weltverhältnis zu finden. Eine standardisierte Bildung, so Zenkert, sei der Abschied von der abendländischen Bildungsidee, der es immer um eine Befreiung des Menschen gegangen sei. Wenn es also um die Gestaltung einer Thomas Marti ist wissenschaftlicher Projektleiter der basal-stufe an der Rudolf Steiner Schule Bern und Dozent an der «Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik» in Mannheim 17 Thomas Homberger Ehrfurcht vor der Individualität Kein Sitzenbleiben – Integration statt Selektion Im Konzept der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz lautet eine der Kernaussagen: Kein Sitzenbleiben – Integration statt Selektion. Thomas Homberger erläutert, wie in Steiner Schulen mit «begriffsstutzigen» oder leicht ablenkbaren Kindern umgegangen wird. Eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds stellt 2005 fest, dass Sitzenbleiben, d.h. Repetition einer Klasse wegen ungenügender Leistungen, keine fruchtbare Massnahme darstellt, obwohl im Lauf der obligatorischen neun Schuljahre fast jedes 5. Kind eine Klasse wiederholen muss. Das ist ein sehr hoher Anteil. Der Studienleiter, Prof. Bess von der Universität Fribourg, stellt lapidar fest: «Klassenrepetitionen sollten abgeschafft werden.» Sie verpufften ohne Wirkung, Selektion solle frühestens beim Übergang an die Sekundarstufe stattfinden. Im Pisa-Spitzenreiterland Finnland tritt sie erst nach neun Schuljahren ein. Es geht aber nicht nur um Klassenrepetitionen, sondern auch um Zuweisungen zu Sonderklassen verschiedenster Art, die heute auch im Umfeld der staatlichen Volksschule abgenommen haben. Steiner Schulen haben seit ihrem Bestehen Klassenrepetitionen sozusagen nie zur Anwendung gebracht; es konnte sich in ganz wenigen Fällen als notwendig erweisen, ein Kind eine Klasse zurückzuversetzen, weil es seinem seelisch-geistigen Wesen nach eindeutig zu jung war für die Klasse, in der es ursprünglich war. Nie geschah dies aber wegen irgendwelcher Selektions-Kriterien. Aus gleichen Gründen kam es auch schon vor, dass ein Kind eine Klasse überspringen konnte, weil es 18 seinem Wesen nach in der höheren Klasse besser aufgehoben war. Immer steht das Wesen des Kindes im Mittelpunkt und nicht ein irgendwie gearteter Leistungskataster. Was sind die Hintergründe zu dieser Haltung, alle Kinder in ihrer angestammten Klasse mitzuführen? Auch dann, wenn ein Kind auf gewissen Gebieten – z.B. im Rechnen – sehr große Schwierigkeiten hat. Auch dann, wenn ein Kind Probleme des Verhaltens zeigt. Auch dann, wenn ein Kind durch lange Krankheit große Lücken aufweist. Auch dann, wenn… Entwicklungshemmungen wegräumen Dazu möchte ich mir erlauben, einen Passus aus einem Vortrag von Rudolf Steiner anzuführen, der in sehr grundsätzlicher Weise unsere Aufgabe als Eltern und Lehrer charakterisiert: «Wir können uns da ausserordentlich zu Hilfe kommen, wenn wir, ich möchte sagen, wiederum meditierend uns recht tief zum Bewusstsein bringen, dass alle Erziehung mit der wirklichen Individualität des Menschen im Grunde genommen gar nichts zu tun hat, dass wir eigentlich als Erzieher und Unterrichter im Wesentlichen die Aufgabe haben, mit Ehrfurcht vor der Individualität zu stehen, ihr die Möglichkeit zu bieten, dass sie ihren eigenen Entwicklungsgesetzen folge und wir nur die im Physisch-Leiblichen und Leiblich-Seelischen, also im physischen Leibe und im Ätherleibe liegenden Entwicklungshemmungen wegräumen. Wir sind nur dazu berufen, diese im PhysischLeiblichen und im Leiblich-Seelischen liegenden Hemmungen wegzuräumen und die Individualität frei sich entwickeln zu lassen; so dass wir dasjenige, was wir dem Kinde an Erkenntnissen beibringen, im Grunde nur dazu benützen sollten, um das Leibliche, sowohl das Physisch-Leibliche wie auch das Ätherisch-Leibliche, so weit vorwärts zu bringen, dass der Mensch sich eben frei entwickeln kann.» (GA 302a, S.88) Das ist keine einfache Aufgabe für uns als Lehrer und Eltern. Die Ehrfurcht vor der Individualität ist eine weit reichende Herausforderung, die im Grunde genommen keine Selektion erlaubt. Die Individualität des Kindes soll sich nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln und entzieht sich damit jeder Normierung. Aber das Hinwegräumen von Hemmungen, das ist eine begeisternde Aufgabe! Bewusst Umwege beschreiten Was für Hemmungen sind wir berufen, hinwegzuräumen? Da denke ich an bestimmte Schwächen im Bereich der Sinne, z.B. beim Bewegungssinn und beim Tastsinn; ein Kind bewegt sich ungeschickt, es hat Mühe, sich an etwas heranzubegeben, heranzutasten, es fällt ihm schwer, etwas zu «begreifen». Diese Begriffsstutzigkeit kann sich im Lesen, im Rechnen, in den Fremdsprachen äussern. Es geht nun nicht darum, direkt auf diese Fächer einzuwirken, sondern die Hemmungen im Bereich der Bewegung, des Gleichgewichts, des Tastens anzugehen. Das heisst, bewusst Umwege zu beschreiten und nicht Symptombekämpfung zu betreiben. Entsprechende Übungen in spielerischer Form können mit der ganzen Klasse angegangen werden; dadurch werden die betreffenden Kinder nicht stigmatisiert. Dazu können – wenn nötig –gezielte Massnahmen in Zusammenarbeit mit dem Schularzt, z.B. durch Heileurythmie, angeordnet werden. Ein anderes Beispiel: Ein sehr ablenkbares Kind kann sich nur kurze Zeit auf eine Sache konzentrieren, dann schweift es bereits wieder ab und hat alles rasch vergessen und ist darüber völlig unbekümmert. Die Hemmung liegt bei diesem Kind im Seelisch-Leiblichen, alles geht gewissermassen durch das Kind hindurch und hinterlässt zu wenig Spuren. Auch hier können die Hemmungen so gross sein, dass das Kind normierte Lernziele z.B. im Schreiben und Lesen oder im Rechnen nicht erreichen kann. Hier kann eine liebevoll intensive Beziehung zur Pädagogin, zum Pädagogen Wunder wirken. Der Vertrauen wecken - Interesse nähren schen, für ihre Geschichte, Traditionen und geistigen Werte entwickeln.» (Jacques Delors: Lernfähigkeit – Unser verborgener Reichtum) Lernen als soziale Tätigkeit Immer steht das Wesen des Kindes im Mittelpunkt und nicht ein irgendwie gearteter Leistungskataster. intensive «Liebefaden» bildet die Verbindung zur Welt. Beim Wiederholen der Klasse hätten beide Kinder am Anfang vielleicht einen kleinen Vorsprung, der dann rasch «verpuffen» würde, denn die Hemmungen blieben bestehen. In beiden Fällen – sie sollen beispielhaft für die angesprochene Problematik stehen – brauchen wir als Begleiter einen langen Atem. Dabei kann uns eine weitere Äusserung Rudolf Steiners Boden geben: «Pädagogisch betrachtet werden Sie sich jetzt nicht mehr verwundern, wenn Sie die Sache so ansehen, dass die Kinder verschieden sind mit Bezug auf die Wachheit ihres Bewusstseins. (....) Das werden Sie dann zum Anlass nehmen, um durch starke Gefühle auf ein solches Kind zu wirken. Und Sie werden dann die Hoffnung haben können, dass diese starken Gefühle bei ihm auch das helle Erkennen erwecken werden, denn alles Schlafen hat dem Lebensrhythmus gemäss die Tendenz, nach einiger Zeit aufzuwachen.» (GA 293, S.110) Das ist eine grosse Wahrheit, welche im Umgang mit begriffsstutzigen Kindern von zentraler Wichtigkeit ist. Natürlich muss etwas am Schlafen sein; es darf ein nicht Vorhandenes damit nicht verwechselt werden. Dabei ist ein wichtiges Zeichen, ob das Kind auf die erwähnten starken GeEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik fühle anspricht. Eine weitere Äusserung Rudolf Steiners in diesem Zusammenhang: «Ich kann nicht einsehen, dass es so furchtbar schlimm sein soll, wenn so ein Junge einfach da ist. Ganz spurlos geht es nicht vorüber. Das Unbewusste hört die Sache. Bei ihm müsste man warten, bis er 14 Jahre alt ist. Er sollte möglichst entlastet werden; wenig Unterrichtsstoff, und der sollte stark wirksam sein.» (GA 300c, Konferenz vom 29.4.1924) Aufmerksamheit und Liebesfähigkeit Natürlich dürfen wir es nicht zulassen, dass Kinder reine Statisten in der Klasse werden. «Stark wirksam», «starke Gefühle», «das Physisch-Leibliche wie auch das Ätherisch-Leibliche so weit vorwärts bringen, dass der Mensch sich eben frei entwickeln kann» sind Forderungen an uns Begleiterinnen und Begleiter, die von uns höchste Achtsamkeit, Aktivität und Liebefähigkeit erfordern. Integration statt Selektion ist eine Aufgabe, die nicht leicht zu bewältigen ist. Es ist eine hochmoderne Aufgabe, die Jacques Delors im Folgenden beleuchtet: «Nachdem sich die Kommission diese Gedanken zu eigen gemacht hatte, hob sie eine der vier Säulen, die sie als tragendes Gerüst von Bildung sieht, besonders hervor: Lernen, zusammenzuleben, bei den Menschen Verständnis für die Mitmen- Lernen zusammenzuleben als wichtigste Säule der Bildung in der Zukunft beinhaltet natürlich nicht nur das Zusammenleben unter den Kindern; dazu gehört das Zusammenleben von uns Erwachsenen. Das Konzept «Integration statt Selektion» kann nur fruchtbar werden, wenn Eltern und Lehrpersonen, Schulärztin oder Schularzt, Therapeutinnen und Therapeuten so zusammenarbeiten, dass das Kind in jedem Moment im Mittelpunkt der Bemühungen steht. Das heisst, beim Lernen und Zusammenzuleben sind wir auf alle Beteiligten angewiesen, auch auf die Eltern derjenigen Kinder, die keine besonderen Hemmnisse aufweisen, die keinen besonders schlafenden Eindruck machen. Dazu geben neuere Forschungen bedeutsame Hinweise: «Aufgrund der Forschung kann man von einer so genannten 20/50% Regel ausgehen, d.h. solange der Anteil weniger privilegierter Schüler weniger als 20% einer Klasse ausmacht, ist anzunehmen, dass die Leistung dieser schlechteren Schüler durch die hohe Anzahl von guten Schülern positiv beeinflusst wird. Weiter kann man annehmen, dass so lange die Zahl der Schüler mit schlechten Lernvoraussetzungen weniger als 50% beträgt, die Leistungen der besseren Schüler durch die anderen Schüler nicht negativ beeinträchtigt wird.» (Dr. Stefan C. Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, Aarau, in einem Referat anlässlich der «Worlddidac» 2002, Zürich) Schliessen möchte ich mit einem kurzen Zitat von Conrad Ferdinand Meyer, das er seiner Dichtung «Huttens letzte Tage» voransetzt: «... Ich bin kein ausgeklügelt Buch. Ich bin ein Mensch, mit seinem Widerspruch...» Diesen Gedanken müssen wir ganz besonders im Umgang mit allen uns anvertrauten Kindern immer wieder denken. Auch ich als Schreiber dieser Zeilen möchte ihn für mich in Anspruch nehmen. Thomas Homberger ist Klassen- und Fachlehrer an der Rudolf Steiner Schule Zürich und Dozent an verschiedenen Seminaren 19 Alec Templeton English, Français an der Rudolf Steiner Schule Fremdes zu Bekanntem machen Was ist speziell am Fremdsprachenunterricht an einer Rudolf Steiner Schule? Gibt es eine besondere Methode? Wie wird ein Wortschatz aufgebaut? Wie lernen die Schülerinnen und Schüler die fremden Sprachen zu sprechen und zu schreiben? Die Kleinen lernen eine Fremdsprache mit erstaunlichem Erfolg. Sie singen, rezitieren und sprechen die Texte irgendeines Lernspiels. Sie meistern Aussprache, Rhythmus und Tonfall mühelos; ja, es ist wie wenn ihnen die neue Sprache gar nicht so fremd ist: Das von der Lehrerin (vom Lehrer) Vorgesprochene können sie blitzschnell von den Lippen lesen. Ohne intellektuelle Reserve gegenüber ihrem Tun, stürzen sich die Kinder voller Freude, ohne Befangehnheit in das Abenteuer «Fremdsprache». Die Art wie hier gelernt und gelehrt wird, hat viel mit bewegtem Unterricht zu tun: Alles wird mit Geste, Gangart, Gebärde koordiniert. So wissen auch die Kinder (in etwa), was sie da sagen. Ein Beispiel: Alle Kinder (oder eine Gruppe) gehen im Kreis herum und singen einen Refrain wie Sur le pont d’Avignon On y danse, on y danse Sur le pont d’Avignon On y danse tout en rond. Dann stehen die Kinder still und mimen: Damen, die einen Knicks machen; Herren, die eine Verbeugung machen; Köche, die eine Kelle schwingen usw. Les belles dames font comme çi (Knicks) Et puis encore font comme ça (wieder Knicks). 20 So werden Wörter – nein: ganze Ausdrücke – auswendig gelernt. Oder: This is the way we wash our hands, wash our hands, wash our hands; This is the way we wash our hand at six o’ clock in the morning! Dies lässt sich endlos ausdehnen: brush our teeth, stir the porridge, bake our bread, comb our hair usw. Lautmalerische, stimmmungsvoll rhythmische Elemente sind es, was die Kinder mögen. Wortschatz plastisch und musikalisch An diesen Beispielen sehen wir, dass Sprache eine malerisch-plastische und eine musikalisch-dichterische Seite hat. Einerseits hat ein Wort eine Bedeutung, andererseits bedient es sich vieler Mittel, um diese Bedeutung zum Ausdruck zu bringen. Wörter bergen z.B. Bilder in sich: Ein Eimer ist eigentlich ein «Ein-träger», einhenkeliges Gefäss; und Zuber ein «Zwei-Träger; mobbing kommt von vulgus mobile (aufgebrachte Menge). Wörter können lautmalerisch sein: boo, bubble, bump, click, crackle, crunch, fizz, hiss, plop, splash, thud, thump, wack, wham, wizz, zip, zoom. Um eine fremde Sprache zu lernen, muss man Vokabeln lernen. Die Frage ist, wie das am Besten geschieht. Für viele Kin- der wollen Wörtchen «nicht in den Kopf hinein», besonders dann, wenn Wörter als Willkürgebilde erlebt werden. Wenn Kinder aber Wortbild, Rhythmus, Ton und Klang der Wörter erleben können (Eurythmie ist da eine riesige Hilfe), fördert dies Lernmotivation und den Erinnerungsprozess. Die Hirnforschung würde sagen: Sprachprozesse laufen in verschiedenen HirnArealen ab. In dem einen Areal wird die Sprache (dank dem Zusammenhang mit anderen Wörtern) «verstanden», in einem anderen wird dieselbe «produziert». Für das Erinnern von Sprache verarbeitet die linke Hälfte des Gehirns Wörter und Grammatik, während der rechte Teil sich um Sprachmelodie, Ton, Klang, auch das Emotionale «kümmert». Der Erwerb eines Aktivwortschatzes braucht also keineswegs eine einzige Gedächtnisanstrengung zu sein. Ich glaube, Wilhem von Humboldt hatte Recht, als er schrieb «Die unfehlbare Gegenwart des jedesmal notwendigen Wortes ist gewiss nicht bloss Werk des Gedächtnisses. Kein menschliches Gedächtnis reichte dazu hin, wenn nicht die Seele instinktartig zugleich den Schlüssel zur Bildung der Wörter selbst in sich trüge.» Wenn also Lerntechniken entwickelt werden müssen wie jene mit den Kärtchen, auf denen vorne Einzelwörtchen in der Erstsprache, hinten in der Zielsprache geschrieben werden, dann wäre die Voraussetzung, dass die Kinder zuerst einen Zugang zum Wort selbst bekommen: Mit welchen anderen Wörtern kam das Wort vor, in welchem Zusammenhang, birgt es etwas Bildhaftes, Lautmalerisches? Die Kinder lernen die Fremdsprache zu sprechen Zwei Schülerinnen werden gebeten, zwei Minuten vor dem Klassenzimmer zu warten. Inzwischen entscheidet die Klasse sich für eins von 7 Adverbien (der Art und Weise), die anzeigen, wie die kommenden Befehle auszuführen sind: slowly, quickly, carefully, clumsily, loudly, softly, angrily. Die zwei werden herein gebeten. Sie geben Kameraden einen einfachen Befehl, damit sie an der Art der Ausführung raten können, welches Adverb gewählt wurde: go to the window and open it; go to the blackboard and write your name backwards in yellow chalk; stand on a chair and sing a little song, usw. Wird es dabei lärmig? Es wird aber auf Englisch kommuniziert und geübt: Hörverstehen, das richtige Reagieren, ganze «Sprechakte» (hier: Befehle), grammatikalische Formen (Befehlsform, die Endung -ly) und erst noch Wortschatz. Vertrauen wecken - Interesse nähren Beispiele für weitere Sprechanlässe: Die Kinder hören die Frage «Who stole the cookie from the cookie-jar?» Eines wird angewiesen zu antworten und es «beschuldigt» jemanden: «Freddie stole the cookie from the cookie jar!» Dann ensteht folgendes Gespräch: Who? Me? – Yes, you. – Not me! – Then who? Und Freddie «beschuldigt» das nächste Kind. Schreiben Ab der 4. Klasse wird mit dem Schreiben begonnen. Es werden zuerst bekannte Texte aus den ersten Jahren niedergeschrieben. Nachdem eine Reihe von Schreibweisen der fremden Sprache bekannt sind – z.B. im Französischen ou, eu, oi, ç, ê; im Englischen ee, oo, die Kombination Konsonant-Vokal-stummes E – werden allerlei Schreibaufgaben durchgeführt. Beispiele von Schreibaufträgen: – Schreibe 3 Befehle für andere Kinder auf Zettel – Schreibe eine Frage in 7 Wörtern und gebe sie deiner Nachbarin, die zur Antwort wiederum 7 Wörter gebraucht. Die Antwort kommt zurück, und jetzt kommt eine Anschlussfrage mit 6 Wörtern. So weiter bis zu einer Frage und Antwort mit nur 1 Wort – Wir sammeln alle Wörter, die wir zu einem Vokabelfeld kennen (z.B. Verkehr, Reise, Bergtour) – Schreibe die Zettel, die Teil einer Schatzsuche sind – Verwende gegebene Wörter zum Dichten eines Textes – Verfasse mit eigenen Worten eine in der Erstsprache erzählte Anekdote – Beschreibe den Pausenhof und was dort geschieht – Schreibe einen Brief an die Eltern. Lesen Texte, welche die Schüler bereits auswendig können, werden zuerst gelesen. «Lesen» heisst hier zunächst «Wortbilder wieder erkennen» sonst nichts.Erst wenn die Kinder bereits viele Schreibübungen immer wieder vorgelesen haben, kommt es allmählich zum sogenannten «sinnentnehmenden Lesen». Das Lesen von Lektüren beginnt vielleicht erst in der 5. Klasse. Vorher haben die Schüler also viele Schreibübungen durchgeführt, sie haben vielleicht sogar eine ganze Lektüre selbst geschrieben. Es wird laut vorgelesen oder jeder liest still für sich hin (15 Minuten «Bibliothekstunde», in der nicht geredet werden darf ). Ab 4. Klasse Grammatik bewusst Analog zu den Vokabeln birgt auch der Grammatikunterricht die Gefahr in sich, Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik bloss als willkürliches Regelwerk erlebt zu werden und wird auch bald als Gedächtnissache angesehen. Deutschlernende «wissen» dann, dass «nach ausser, bei, mit, nach, von, zu der Dativ steht»; Französischlernende: «Auf dem Oder schwimmen keine Grafen». (Wenn ou «oder» heisst, gibt es keinen accent grave). In Wirklichkeit heisst Grammatik «wie ich richtig schreibe» oder «wie ich korrekt spreche». Was Grammatik will, betrifftdie Klärung von Bedeutungen, Sachverhalten und des Verhältnises unter den Wörtern. Auf Deutsch sagt man: « Ich will, dass Fritz mir seine Brille ausleiht». Auf Englisch sagt man: « I want Fritz to lend me his glasses». (*Ich will Fritz zu leihen mir seine Brille.) Das «Fremde» der «Fremdsprache» muss zur «Bekannten», «Gewohnten» werden. Um eine neue Gewohnheit zu lernen, braucht es Zeit, Übung, also Anstrengung. Das für jedes Wort, jede Grammatikstruktur bei allen 20-30 Kindern hinzukriegen, ist, kurz gesagt, die Aufgabe, die Herausforderung eines Fremdsprachlehrers schlechthin. Durch das viele Sprechen, Sprechen und Sprechen der ersten Jahre haben sich viele Sprachmuster (Strukturen) wie von selbst festgesetzt. Es braucht dann ab 4. Klasse gar nicht mal so viel Anstrengung, die Schülerinnen auf die Regeln aufmerksam zu machen. (Am Besten lässt man sie gerad selbst darauf kommen). Dies geschieht zunächst auf einfache Art und ganz praktisch, nicht mit Regeln wie sie in einem Grammatikbuch stehen. «Praktisch» heisst, die Kinder lernen eine Form gebrauchen, lange bevor sie grammatikalische Begriffe davon bekommen. Wie soll das gehen? Für den Unterschied zwischen «plays» und «is playing» wird zum Beispiel die Geige verwendet, die in ihrem Kasten auf dem Lehrertisch liegt. «What instrument is this?» – «It’s a violin.» – «Whose is it?» – «It’s our teacher’s violin.» – (Scheinbar überrascht) «Does she play the violin?» – «Yes, she does!» – «Is she playing the violin?» Jetzt soll die Antwort «No» lauten, denn die Lehrerin ist im Lehrerzimmer und die Geige nicht unter ihrem Kinn. In einer 4. Klasse bekommen die Kinder das erstaunlich schnell heraus. Die Regel lautet also, wenn die Geige im Kasten ist, heisst es «Does she play the violin?» Und wenn die Lehrerin spielt «Is she playing the violin?» Klar. Einfach. Beispiel einer Englischstunde Eine kleine Geschichte muss aus dem Gedächtnis aufgeschrieben und in der nächsten Stunde frei erzählt werden. Das geht natürlich nur, wenn die Kinder die Vokabeln und die notwendigen Formen einigermassen kennen. Das folgende Bei- spiel soll zeigen, wie gerade durchs Tun sowohl das Lernen und das Üben Hand in Hand gehen. Die Geschichte wird zuerst erzählt (oder von einer Schülerin vorgelesen). Anschliessend fragt die Lehrerin, welche Wörter die Kinder noch aus der Geschichte wissen. Drei Kinder werden an die Tafel gebeten, um die jeweils gemeldeten Wörter anzuschreiben. Ergebnis: Die ganze Tafel steht voller Wörter. Danach fragt sie, wo, wann oder auf welche Weise die Wörter (an der Tafel) in der Geschichte vorkamen. Damit sind wir mitten im Grammatikunterricht! Der Rest der Stunde wird damit verbracht, die ganze Geschichte leserlich aufzuschreiben. Wer fertig wird, hat keine Hausaufgabe. In der nächsten Stunde werden einige Kinder gebeten, ihre Fassung vorzulesen. Es können bereits dann einige Korrekturen gemacht werden, aber die Hauptsache ist, dass die Eckpfeiler der Geschichte (the stepping-stones) stimmen; Ausschmückungen oder Abänderungen sind erlaubt. Die Lehrerin (der Lehrer) sammelt alles ein und korrigiert die wichtigsten Fehler; die verbesserte Fassung wird ins Reinheft abgeschrieben. Dann die Herausforderung: Wer kann nächste Stunde die Geschichte auswendig erzählen? (Diejenigen, die das nicht können, erzählen bloss einen Teil). Das führt zur Lerntechnik. Nach einigen Geschichten mehr haben alle Kinder gemerkt, dass sie eine Geschichte einfach erzählen können, ohne sie Wort für Wort auswendig zu lernen! Damit wäre das freie Sprechen schon einen Schritt näher. Wie es weiter geht Bis jetzt haben wir das Sprechen, das Hörverstehen, Schreiben, Lesen sowie Vokabel- und Grammatikarbeit der untersten fünf bis sechs Klassen ein wenig beleuchtet. Die Kinder in diesen Jahren sind in der Regel begeisterungsfähig (motivierbar) und arbeiten gut mit. Das Inspirierende, das Fantasie-anregende von Sprachen und deren Literatur haben es in sich, die Erfolgserlebnisse der Kinder über die Altersklippen hinweg zu retten; gelingt dies, so bleibt die Lernkurve der Kinder steil. Erfolg im Fremdsprachenunterricht heisst für die Schülerinnen und Schüler: Fremdes immer besser kennen lernen; immer wieder an Grenzen kommen, die dann überwunden werden; die Scheuen finden allmählich ihre Stimme, Ideenreiche bekommen neue Ausdrucksmittel, maAlec Templeton, 1948 in London geboren,alle Anglistikstudium (Doctorallexamen Utrecht, NL)Feld war von chen Erkundungen in das reiche von 1973-1997 Fremdsprachlehrer an der Rudolf andersdenkende Kulturen und SprachgeSteiner Schule Basel, ist heute an mehreren Walmeinschaften. dorf-Lehrerseminarien tätig, u.a. an der AfaP in Dornach. Er ist Autor des Lehrerhandbuchs «Teaching English to Teens and Preteens» (Szeged, Ungarn 07). 21 Franziska Heitz Ostheimer Handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten auf allen Schulstufen Nachbilden und Gestalten Gestalten ist ein menschliches Urbedürfnis, entspringt der tätigen Nachahmung. Das kleine Kind will die wahrgenommene Umgebung nachschaffen. Der Schulunterricht der unteren Klassen geht einen Weg: vom Spiel zur Arbeit. Der handwerklich-künstlerische Unterricht der mittleren und oberen Klassen verfeinert und erweitert den Prozess. Gestalten wird zur Lebensgestaltung. – Ein Überblick über zwölf Jahre Kunst und Handwerk an der Rudolf Steiner Schule. Ein blaues Stück Filz und ein Korb mit glänzenden Fäden in den schönsten Farben waren vor mir auf dem Tisch. Ich konnte mich nicht satt sehen vor Wonne. Jetzt zeigte mir die Kindergärtnerin, wie das schöne Blau mit einer Sticknadel geschmückt werden konnte und ich setzte meine ersten Stickstiche – unvergesslich. Warum erfüllt eine erste gestalterische Tätigkeit das kleine Kind und warum kann jede neue die Freude wieder hervorbringen? Entwicklung Gehen wir weit zurück zu den ersten Lebensspuren auf dieser Erde, stossen wir auch auf Funde, die eindeutig Menschenwerke sind. Das Erkennungszeichen, dass es sich sicher um menschliche Spuren handelt, ist immer die Formgebung. Bis vor etwa zweihundert Jahren ist der Strom des Gestaltens durch Menschen nicht abgebrochen, er hat immer wieder kulturelle Höhen erreicht und die Ausdrucksformen haben sich verwandelt. Mit dem Aufkommen der Massenproduktion ist dieser Strom abgeebbt, kanalisiert worden. Heute – kann man überspitzt sagen – gestalten die Designer von IKEA Alltagsgegenstände, unsere Einrichtung, unseren Schmuck zu Festen. Der Gestaltungswille der Kinder jedoch ist nicht versiegt, aber schaffende, tätige 22 Vorbilder im Alltag sind weniger geworden seit der industriellen Herstellung von Gebrauchsgütern. Das könnte zum Schluss führen, dass Kunsthandwerkliches an Spezialisten delegiert werden soll und die Lehrpläne von Schulen im Bereich der gestalterischen, handwerklichen Fächer entlastet werden können. Solche Tendenzen sind da und setzen sich kräftig durch. Bildung wird Menschenbildung Dass das Gestalten ein menschliches Urbedürfnis ist, offenbart sich in jedem Kind. Der Gestaltungswille entspringt der tätigen Nachahmung. Das kleine Kind, das vom ersten Lebenstag an seine Sinne am Wahrnehmen selbst entwickelt, will die wahrgenommene Umgebung nachschaffen. Lassen wir diesen Urquell versiegen, indem wir dem Kind alles fertig und perfekt nachgebildet in sein Kinderzimmer häufen, so nehmen wir dem heranwachsenden Menschen sein wichtigstes Lernfeld: das eigene Nachbilden und Gestalten seiner Umwelt. Gerade durch diese schöpferische Tätigkeit «erwächst» das Kind. Dieser Prozess vollzieht sich als Wechselwirkung zwischen Menschen verschiedenen Alters im Umfeld der Kinder. Dieser gewichtige Teilbereich des Bildungsprozesses im Schulalter ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts einem grossen Wandel unterworfen: Wo können es wird auch praktische Fantasie, klares Überlegen und Planen, sowie handwerklich und gestalterisch eine Menge gefordert. Resultat ist nicht das fertige Tier, sondern der innere Entwicklungsschritt. Kinder noch Menschen bei ihrer Berufsarbeit erleben? Vieles ist noch erlebbar, aber der Mensch als Tätiger tritt in den Hintergrund, er wird intensiv unterstützt durch Maschinenarbeit oder Elektronik – ich denke an Landwirtschaft, Stadtgärtner, Strassenfeger, Bauarbeiter, Bäcker usw. Auch im häuslichen Bereich wird stark rationalisiert, vor allem wenn beide Eltern ausser Hause beruflich tätig sind. Das heutige Berufsleben bildet also kaum mehr ein Lernfeld, in dem Kinder Erfahrungen und Grundwissen am Erleben von Berufsarbeit sammeln oder selbst bei den Arbeiten mit Hand anlegen können. Arbeit als Bildung – «Lebenskunde soll aller Unterricht geben»(1) Diese Situation stellt eine Schule, die Heranwachsende möglichst vielseitig bilden möchte, vor eine Aufgabe: Was in der Grosseltern- oder Elterngeneration noch im Hause und sozusagen auf der Strasse gelernt werden konnte, muss in die Schule geholt werden. In dem Lehrplan der Rudolf Steiner Schulen(2) ist bereits vor dem geschilderten Wandel im Berufsleben ein reicher handwerklich-künstlerischer Unterricht integriert worden. Er hatte seit der Gründung der Waldorfschule das Ziel, zur ganzheitlichen Entwicklung im Bereich Handfertigkeit und künstlerischen Gestaltens SchuVertrauen wecken - Interesse nähren lung zu vermitteln und bekommt dadurch einen gewichtigen Auftrag in der Bildung des jungen Menschen. Der genannte Auftrag wird beispielsweise in der Sachkunde und später im Technologieunterricht aufgegriffen. Ernährung, Bekleidung, Behausung Kenntnisse über die Entstehung der klassischen Berufe wird im Sachkundeunterricht des dritten Schuljahrs für die drei Bereiche Ernährung, Bekleidung und Behausung vermittelt. Das geschieht praktisch, indem die Neunjährigen in Werkstätten bei Berufsleuten zusehen und mit Hand anlegen dürfen. Die Themen werden gerne als Projekte durchgeführt. Beispiel: Ein kleines Haus wird gebraucht für den Pausenplatz, den Kindergarten oder für einen anderen Zweck – die beste Gelegenheit also für einen richtigen Hausbau vom Fundament bis zur Aufrichte. Dabei werden die ganzen Handwerker, ihre Arbeit und die notwendigen Werkzeuge gebraucht und können von den Drittklässlern kennen gelernt werden. In solch einem realen Zusammenhang wird die Sachkunde erweitert zum Spracherwerb. Erlebnisse und Arbeitserfahrungen bekommen Namen, Handwerkssprüche, Lieder werden einbezogen und damit Wurzeln unserer Kultur. Ein anderes Projekt ist der lange Weg vom Korn zum Brot, das in Zusammenarbeit Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik mit Berufsleuten auf einem Bauerhof geschieht. Hier werden eigentliche Urhandwerke ausgeführt: Pflügen, Eggen, Säen, Ernten, Dreschen, Korn zu Mehl vermahlen und Brot backen, alles Arbeiten die den Kindern unschätzbaren Reichtum mitgeben und eine tiefe Verbundenheit mit der Erde, auf er sie leben, bewirken. «Vom Stroh zum Gold» Im Handarbeitsunterricht kann sinnvoller Weise die Entstehung der Bekleidung kennen gelernt werden. «Vom Stroh zum Gold» hat das Thema in meinem Unterricht geheissen. Wenn eine Schulklasse bei einer Schafschur zusehen darf und erlebt, dass die Wolle ein Geschenk des Schafs ist, schmutzig und voll Stroh, noch unbrauchbar, bevor wir Menschen diese Wolle veredeln, so hinterlässt das ein Grundgefühl für den Zusammenhang zwischen Natur und Mensch. Ohne das Tier erhalten wir keine Wolle und ohne die Arbeit des Menschen wird aus dem Rohstoff kein Bekleidungsmaterial. Die Kinder lernen in eigener Arbeit die ganzen Prozesse der Wollverarbeitung tätig kennen: Wollwäsche, Kardieren, Färben mit Naturfarben, Spinnen und schliesslich auch die farbigen Garne zu verweben und daraus etwas Warmes zu stricken. Wo aber ist das Gold geblieben? Es ist beim Färben der weissen, gewaschenen Wolle mit Zwie- belschalen entstanden und hat alle Kinder überzeugt, dass man aus strohigem Material Gold machen kann, wenn man fleissig und gut arbeitet. Gestalten In eine andere, das Handwerk ergänzende Richtung wird das Schulkind durch künstlerisches Gestalten geleitet. Wird Handarbeit zu Hause oft als ein emsiges Erproben, ein sich spielerisch mit allerhand Material Beschäftigen, eben Basteln betrieben, hat im Gegensatz dazu die Handarbeit im Schulrahmen einen ganz anderen Charakter. Wie jedes Schulfach hat der Handarbeitsunterricht sein Richtziel: Ausbilden der Feinmotorik, Erwerben handwerklicher Fertigkeiten, aber auch Entwickeln der Sinne, des Sinns für Ästhetik im Umgang mit Farbe Form und vielfältigem Material. Einiges klingt abstrakt, ist aber in den Hinweisen von Rudolf Steiner mit einem sehr interessanten, praktischen Ansatz für das Design verbunden(3). Alle textilen Gegenstände, die als Arbeiten in der Schule ausgeführt werden, sind Gebrauchsgegenstände, nützliche Dinge und Spielsachen. Sie können so gestaltet werden, dass die Anwendung unterstützt wird, beispielsweise dass ich sehe, wo die Vorderseite meines Nadelbüchleins ist, es nicht vor dem Gebrauch mehrmals gewendet werden muss, bis die Nadeln bequem 23 Rosmarie Blaser entnommen oder versorgt werden kön- her ausgeformt wird, so planen, dass ich rungen? Wie dick und wie dicht will ich nen. Dieser Gesichtspunkt hat eine über- mein Tier in seiner typischen Bewegung das Taschenmaterial? Kann ich sie in Fargeordnete Gültigkeit(4). Was an dem klei- hinkriege? Wie kann ich die Aussenhaut be und Form so gestalten, wie ich sie mir nen Beispiel genannt ist, kann im Grossen meines Tiers in möglichst wenige Einzel- vorgestellt habe? Beim Weben ist die UnBedeutung erhalten. Hier zwei Erlebnisse: teile zerlegen? Welche Teile brauche ich terrichtende eine Begleiterin, die den Weg Auf vielen Reisen in Russland habe ich da? Solche Überlegungen müssen ge- durch alle Fadenwirren kundig aufzeigt, Bahnhöfe wie Paläste getroffen, mit wun- leistet werden, bevor die handwerkliche Entdeckungen nicht vorwegnimmt, sonderschönen Treppenaufgängen, wie Stu- Ausführung beginnt. Da ist allerhand zu dern an sie heranführt. Erfährt ein junger fen eines griechischen Tempels. Oben an- lernen und durchzuhalten bis das Tier so Mensch «ich kann Etwas neu erlernen und gekommen im Bahnhofsgebäude, ging es aussieht, wie die Zwölfjährigen sich das ich kann es selber gestalten», so hat sie/ wieder so prachtvoll hinunter zu den Ge- vorgestellt haben. Nicht nur die Vertiefung er eine Lebensqualität erworben(5). leisen, wieder über Marmorstufen und das des geografischen Themas kann sich da alles mit dem schweren Koffer. Und das abspielen, es wird auch praktische Fan- Der Gestalter bin ich selbst Zweite: Ein bekanntes Baseler Kleinthe- tasie, klares Überlegen und Planen, so- Kreativität ist ein Modewort geworden, ater wurde von einem mit Recht. Im Wort ist renommierten Archidie Wurzel schöpfen, tekten neu designed die Qualität also, die und ausgebaut. Die mit Leben, Neugeburt Stühle sind Fahrradhoverwandt ist und unseckern nachempfunden. re Zeit braucht sie. was in der ross eltern oder Ich sitze und sehne Wesentlicher jedoch das Ende der Vorstelhabe ich in meiner belterngeneration noch im ause lung herbei, weil mir ruflichen Arbeit, der und sozusagen auf der trasse der Fahrradlenker fehlt Pädagogik, das Gestalund ich noch immer ten erlebt. Gestalten, gelernt werden konnte muss in nicht freihändig fahfür eine Sache, eine ren kann. (Vor Kurzem Situation oder einen die chule geholt werden sind die Hocker durch Gedanken die richtige gute Stühle ersetzt Form finden, das ist worden). Was soll uns das innere Anliegen, diese Ästhetik? Sie hat wenn Rudolf Steiner mit der Verwendung die ersten Waldorflehnichts zu tun, ja sie ist rer auffordert, immer sogar hinderlich. Dennoch erleben wir alle wie handwerklich und gestalterisch eine mehr Künstlerisches in den Unterricht hinmodernes Design, das ebenso unbrauch- Menge gefordert. Resultat ist nicht das einzubringen(6). Wenn der Mensch gestalbar ist, wie die geschilderten Beispiele. fertige Tier, sondern der innere Entwick- tet, steht er in der Mitte dieses GescheWir brauchen heute eine neue Ästhetik, lungsschritt, der gefördert wird auf vie- hens und gibt dem zu Gestaltenden aus die den Menschen, den Benutzer mit ein- len Ebenen. seiner Mitte die richtige Gestalt. Arbeiten bezieht. Diesem Gedankengang folgend, wir in den Schule in diesem Sinne künstlekönnen wir auch den Unterschied verste- Spinnen und Weben risch mit den Kindern und Jugendlichen, so hen zwischen freiem Basteln als schöne Wenn im Technologieunterricht des zehn- erarbeiten sie sich Fähigkeiten für die ZuBeschäftigung und dem Schulungsauf- ten Schuljahrs Spinnen und Weben be- kunft. Die Verwandlung und Erweiterung trag im handwerklich-künstlerischen Un- handelt wird, kann das auf verschiedene des Gestaltens wird zur Lebensgestaltung. terricht. Der Schulunterricht der unteren Weise geschehen. Es kann der technische Das ganze Leben ist ein GestaltungsproKlassen geht einen Weg: vom Spiel zur Weg zur ersten Arbeitsteilung für die au- zess, will nicht jeder Gedanke, jede BegegArbeit, zum künstlerischen Gestalten ver- tomatisierte Fadenherstellung als Bei- nung, alles seine Gestalt bekommen und bunden mit dem Praktischen. spiel aufgezeigt und damit der Beginn der Gestalter ist jeder Mensch selbst. der Industrie behandelt werden. Ein andeDer handwerklich-künstlerische Unter- rer, zeitgemässer Zugang wäre, die techricht der mittleren und oberen Klassen ver- nische Seite praktisch beim Spinnen und feinert und erweitert den eben ausgeführ- Weben zu lernen und das Augenmerk auf ten Grundgedanken zur Gestaltung. So den Gesamtprozess zu legen. Dieser Argeht es beim textilen Erarbeiten von Tieren beitsweg folgt dem Entstehungsprozess nicht um Spielzeugherstellung, vielmehr von der Idee bis zum fertigen Werkstück. darum, die in der Geografie behandelten Mit der zweiten Möglichkeit wird der geKlimazonen und ihre spezifische Fauna stalterische Aspekt wieder einbezogen tiefer zu verarbeiten. Die Sechstklässler und damit der Benutzer der angefertigvertiefen beispielsweise ihre Kenntnisse ten Gegenstände, der Mensch. Wie viele über die Savannentiere, den Elefanten Ideen und Vorstellungen haben doch Juoder den Löwen, charakterisieren ihr ge- gendliche und wie interessant für sie zu wähltes Tier, zeichnen es und entwickeln erleben, ob ihre Idee sich verstofflichen aus ihrer Zeichnung den eigenen Schnitt lässt (hier Wort wörtlich). Kann ich mit Franziska Heitz Ostheimer: Schülerin der Rudolf für die Herstellung aus Stoff. Da wird ein den einfachen technischen Möglichkeiten Steiner Schule Basel, Studium: Zeichnen/Malen, geliebtes Thema zum Impuls, sehr schwie- diese Farbskizze für meine Wunschtasche Kunstgeschichte, Russisch, Nordistik. Lehrerin für Handarbeit, Kunst. Gründerin / Dozentin der Freien rige Vorstellungen zu erüben: Wie kann ich umsetzen? Welches Material macht Sinn, Schule für Kunsthandwerk, Gründungslehrerin von ein dreidimensionales Tier, das von innen entspricht den nötigen Qualitätsanforde- «Schule und Beruf». Die immer stärker wahrnehmbaren Forderungen der Wirtschaft an die Schule, die unstabile Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche verunsichern heute Eltern und Jugendliche gleichermassen. Das Erreichen der Matura gilt oft als das anzustrebende Ziel. Dieses bedingt ein enormes Aneignen von Lernstoff und die oben gestellte Frage ist aus diesem Blickwinkel verständlich. Aus der öffentlichen Diskussion über die Bildungsziele geht jedoch klar hervor, dass die reine Wissensvermittlung nicht genügt und das Erreichen der Matura weder für alle möglich noch erstrebenswert ist. Was aber kann einen jungen Menschen bestärken, nach der obligatorischen Schulzeit weitere drei Jahre eine Schule zu besuchen? Mit dem Projektunterricht und vor allem mit den vielfältigen Praktika von der 9. bis zur 12. Klasse gehen die Rudolf Steiner Schulen auf die entwicklungspsychologische Situation der Jugendlichen im 3. Jahrsiebt ein. Von der «pädagogischen Gebärde» einer schützenden Hülle der Unterstufe kommen wir zur «wegweisenden Gebärde». Die Jugendlichen sind auf der Suche nach ihrer Identität und nach ihrer eigentlichen Lebensaufgabe. Die Praktika kommen ihrem Bedürfnis nach Erfahrungen ausserhalb der Schule entgegen. In der 9. Klasse ermöglicht ihnen ein drei- 24 Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik G - H E S , S . Vertrauen wecken - Interesse nähren Vielfältiger Projektunterricht und Praktika in der Arbeitswelt Arbeiten statt Lernen oder Arbeiten und Lernen? Mit dem Projektunterricht und vor allem mit den vielfältigen Praktika von der 9. bis zur 12. Klasse gehen die Rudolf Steiner Schulen auf die entwicklungspsychologische Situation der Jugendlichen im 3. Jahrsiebt ein. Die Jugendlichen sind auf der Suche nach ihrer Identität und nach ihrer eigentlichen Lebensaufgabe. Die Praktika kommen ihrem Bedürfnis nach Erfahrungen ausserhalb der Schule entgegen. wöchiges Landwirtschaftspraktikum eine intensive Begegnung mit dem Leben auf dem Bauernhof. Die Achtung vor der Natur, der respekt- und liebevolle Umgang mit den Tieren, die enorme wirtschaftliche Herausforderung an einen Bauernbetrieb, die tiefe Befriedigung nach getaner körperlicher Arbeit sind nur einige der Aspekte, die den jungen Menschen bewegen und seine eigenen Probleme in den Hintergrund treten lassen. Die drei Wochen in einer anderen Familienstruktur können ausserdem eine gute Distanz und eine neue Sichtweise auf die Situation in der eigenen Familie schaffen. Beim Feldmessen, als Projekt der 10. Klasse, ist eine ganze Klassengemeinschaft gefordert. Die Vermessung eines Geländes in Gruppen verlangt grösste Sorgfalt und Genauigkeit. Der Fehler eines Einzelnen führt oft zum Neuansetzen der ganzen Arbeit. Das fachgerechte Handhaben von Messgeräten und schlussendlich das Übergeben des exakten Plans an eine Gemeinde oder Institution erfüllen die jungen Menschen mit Stolz. In dieser Stufe engagieren sich die Klassen auch häufig in einem Forst- oder Umweltprojekt. Dem Motiv einer 11. und 12. Klasse, das Suchen nach dem eigenen Weg und sich selbst, sowie das Erkennenwollen der heutigen Lebensbedingungen und der sozialen Zusammenhänge, wird mit dem Sozial- und Industriepraktikum Rechnung getragen. Es gilt, die eigenen Interessen zurückzustellen, ungewohnte Situationen zu bewältigen und Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen. In die 12. Klasse fällt auch das Theaterprojekt. Es ist der krönende Abschluss der gemeinsamen Schulzeit. Noch einmal finden sie sich als Klasse zusammen und übernehmen, neben der Rolle im gemeinsam gewählten Theaterstück, sämtliche dazu gehörenden Aufgaben wie Bühnenbild, Kostüme, Beleuchtung, Requisiten, musikalische Begleitung und das Gestalten des Flyers und des Programmhefts. Persönlichkeitsbildung ernst nehmen Die vielen Initiativen zum projektbezogenen Unter-richt zeigen, dass die heutigen IMS-Schulen (Integrative Mittelschulen der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz) die Persönlichkeitsbildung ihrer SchülerInnen sehr Ernst nehmen und ihnen manigfaltige Begegnungen ausserhalb des Schulzimmers ermöglichen. Ein Blick auf die Homepage der Schweizer IMS-Schulen lohnt sich. Viele Klassen begegnen zum Beispiel in einem Aufbauprojekt fremden Kulturen und entwickeln ein Sensorium für die soziale Ungerechtigkeit und das Gefälle zwischen Arm und Reich. Mit den im Lehrplan der Rudolf Steiner 25 Wir können die Arbeitswelt in einem gewissen Sinn nicht in unsere Schulzimmer herein holen, aber wir können die Jugendlichen hinaus schicken, damit sie sie kennen lernen können. Schulen verankerten Praktika erhalten die jungen Menschen einen ersten Einblick in die Arbeitswelt. Diese können ihnen jedoch auf die Frage nach der «Berufswahl» noch keine befriedigende Antwort geben. Die Strukturwandlung in der Arbeitwelt hat das Verständnis von Beruf und Arbeit in unserer Gesellschaft enorm verändert. Viele Berufe sind durch die technischen Errungenschaften ganz verschwunden, neue, viel versprechende Ausbildungswege stellten sich nach kurzer Zeit als bereits überholt heraus. Sich in der Vielfalt von Berufen und Ausbildungswegen zurecht zu finden, die Frage, was für einen wichtig und richtig ist und wie es nach der Schule weitergehen soll, kann zu einem quälenden Problem werden. Wer schon einmal das strahlende Gesicht eines jungen Menschen aus der 12. Klasse gesehen hat, der eben seine Anschlusslösung gefunden hat, wird mir beipflichten. Die meisten Schulen haben in ihren Curriculum das Fach Berufswahl-Vorbereitung aufgenommen. Fachleute oder ausgebildete LehrerInnen beraten die Jugendlichen und helfen ihnen bei der richtigen Fragestellung zu Neigungen, Fähigkeiten und Möglichkeiten. Reale Arbeitswelt erleben Noch einen Schritt weiter gehen die Schulen, die ihren SchülerInnen die Möglich26 keit geben, in mehreren Praktika die reale Arbeitswelt zu erleben, sei es in wiederkehrenden vierwöchigen Berufspraktika, oder mit der Unterteilung der Woche in Schul- und Arbeitszeit. «Es handelt sich darum, die ganze Pädagogik und die ganze Didaktik in ein elementares Gefühl zusammen zu fassen, so dass Sie gewissermassen in Ihrer Seele die ganze Schwere und die Wucht der Aufgabe empfinden: Menschen hinein zu stellen in diese Welt. Ohne das wird unsere Waldorfschule nur eine Phrase bleiben.» (Rudolf Steiner: Die Erziehung des Kindes im Reifealter) «Menschen hinein stellen in diese Welt» heisst auch, ihnen helfen, ihren Weg, ihre Aufgabe zu finden, in ihnen die nötigen Kompetenzen anzulegen, um darin bestehen zu können. In der Sonderbeilage des Goetheanums Nr. 14 vom 29. Juni 1997 sagte Heinz Zimmermann in einem Interview zu Oberstufenfragen: «Es muss die tätige Bekanntschaft mit der modernen Arbeitswelt bis in die industrielle Produktion hinein einen ganz grossen Stellenwert an der Schule haben». Wir können die Arbeitswelt in einem gewissen Sinn nicht in unsere Schulzimmer herein holen, aber wir können die Jugendlichen hinaus schicken, damit sie sie kennen lernen können. Ein äusserst wichtiger Aspekt ist, dass sie dabei weiterhin aufgehoben bleiben in ei- ner Klassengemeinschaft, die in der heutigen Zeit vermehrt auch die Funktion der Familie übernehmen muss. Die Berufswelt orientierten Praktika in der 11. und 12. Klasse verlangen von den jungen Menschen eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Arbeitswelt, aber auch mit sich selbst. Sie beginnen in der Schule mit einer gezielten Vorbereitung. Nach der Berufswahl-Vorbereitung in der 9. und 10. Klasse wissen einige bereits, welches Berufsfeld sie besonders interessiert. Die meisten sind noch unsicher und müssen einfach eine Wahl treffen. Die Jugendlichen suchen ihren Betrieb oder ihre Institution selber. Hinweise auf richtiges Telefonieren, (auch, oder besonders im Handyzeitalter) und auf die Wichtigkeit des ersten Eindrucks bei einem Vorstellungsgespräch sind hilfreich. Man muss sich vorstellen, dass diese ersten Schritte einigen schon viel Überwindung abverlangen. In einem Vertrag zwischen der Praktikantin/dem Praktikanten, dem Betrieb und der Schule werden die Praktikumsbedingungen geregelt. Im Betrieb werden die Jugendlichen dann mit ihren Stärken und Schwächen konfrontiert, entdecken oft auch ungeahnte Fähigkeiten. Meist treffen sie auf begeisterte Fachleute, die sie fachkompetent und mit sichtlichem Berufsstolz anleiten. Es finden wertvolle menschliche BeVertrauen wecken - Interesse nähren gegnungen statt. Gespräche, in denen oft auch private Schwierigkeiten angesprochen werden, geben wichtige Impulse für die weitere Entwicklung. Während der vier Wochen besucht der schulische Betreuer den Betrieb und führt mit dem dort Verantwortlichen und der Praktikantin/dem Praktikanten ein Gespräch über den Verlauf des Praktikums. Die Betriebe äussern sich dabei in höchstem Masse positiv über unsere Schülerinnen und Schüler: Sie zeigen ein grosses Interesse für den Beruf und den Betrieb, sie übernehmen Verantwortung, arbeiten sehr schnell selbständig, sind offen, teamfähig und sozialkompetent. Immer wieder wird betont, dass der Betrieb jederzeit bereit sei, für die Jugendlichen aus unseren Schulen einen Praktikumsplatz zur Verfügung zu stellen.Negativ verlaufende Praktika sind äusserst selten. Am Ende des Praktikums stellt der Betrieb der Praktikantin/ dem Praktikanten eine Qualifikation aus. Darin bewertet er das Verständnis für die Arbeit, das Interesse am Beruf, Zuverlässigkeit, Selbständigkeit und den Umgang im Team. Diese objektive Frembewertung ist für den jungen Menschen unendlich wertvoll und kann für die Suche nach einem weiteren Praktikumsplatz oder einer späteren Lehrstelle sehr hilfreich sein. Dass diese fast ausschliesslich positiven Rückmeldungen das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit eines Jugendlichen steigern, ist unbestritten. Die Erfahrungen im Verlauf der zahlreichen Praktika können für das ganze spätere Leben prägend sein. Wieder zurück in der Schule wird das Erlebte im Praktikumsbuch fest gehalten. Dazu gehört ein Beschrieb des Betriebs, der dort arbeitenden Menschen mit ihren unterschiedlichen Berufen, eine Recherche über Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die verwandten Berufe. So bekommt der junge Mensch ein genaues Bild und kann dieses mit seinen Neigungen und Fähigkeiten vergleichen. Im letzten Teil werden die persönlichen Erfahrungen ausgewertet. Hier ist Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik der junge Mensch gezwungen, mit sich ins Zwiegespräch zu kommen, sich ehrlich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinander zu setzen, sich darüber klar zu werden, was für ihn wichtig ist und wie er auf seiner Suche zu sich selbst weiter gehen will. Die schulische Betreuungsperson kann im abschliessenden Gespräch mit gezielten Fragen oft gute Hilfestellungen geben. Aufschlussreich ist zu sehen, welche Be- rufe unsere Schülerinnen und Schüler kennen lernen wollen. Sehr viel Interesse gilt dem sozialen, pflegerischen und heilpädagogischen Bereich. Da ist es auch relativ einfach, einen Praktikumsplatz zu bekommen, da eine helfende Hand mehr immer willkommen ist. Schwieriger gestaltet sich die Suche in den ebenfalls sehr begehrten künstlerischen Berufen. Dass die Jugendlichen es schaffen, im Bereich Grafik, Fotografie, Theater, Musik und der bildenden Künste eine Praktikumsstelle zu bekommen, zeigt, dass sie über Zielstrebigkeit und Überzeugungskraft ver- fügen. Das Handwerk nimmt nach wie vor einen grossen Stellenwert ein. Eher wenig Interesse zeigen sie (leider) für technische Berufe. Lebensziele finden Ganz klar wirken sich die Erfahrungen in den Praktika auch auf die schulischen Leistungen aus. Ein angehender Koch entdeckt zum Beispiel, dass Mathematik für die Einkäufe, die Preis- und Menüberechnungen sehr wichtig ist und dass das ungeliebte Französich in diesem Metier omnipräsent ist. Mit solchen Erkenntnissen kann der durch die Praktika «verloren» gegangene Schulstoff meist effizient aufgearbeitet werden. Doch dies ist meiner Meinung nach nur ein kleiner, wenn auch sehr positiver Nebeneffekt. Unendlich viel wichtiger erscheint mir, dass diese jungen Leute die Schule mit einem Berufs- und Lebensziel verlassen, mit dem Wissen, was sie in der Arbeitswelt erwartet, dass sie verstanden haben, dass man fast zu allem fähig ist, wenn man nur will und Aufgabe und Weg nur aus sich selbst zu finden sind. So werden sie zu «Autoren ihrer Biographie».* Zum Schluss möchte ich auszugsweise einige selber zu Wort kommen lassen: «Durch diese Praktika habe ich herausfinden können, was für mich wichtig ist. Ich habe gelernt, auf Neues zuzugehen und mich immer wieder auf neue Situationen einzustellen». «Es waren tiefe Einschnitte ins Schulleben, die sich jedoch lohnten. Gerade die Abwechslung brachte mir die Motivation fürs Lernen». «Ich konnte mich selbst finden, mich besser kennen lernen und abspüren, ob meine inneren Vorstellungen mit der Realität des Berufes übereinstimmen». «Die Qualifikationen gaben mir Mut und Selbstsicherheit». * Aus «Beruf und Biographie» von Michael Brater Rosmarie Blaser war 1990-2007 Französischlehrerin an der Oberstufe und IMS (Integrative Mittelschule) der Rudolf Steiner Schule Winterthur. Mitarbeit am Konzept für die berufswelt-orientierte IMS mit anschliessender Übernahme der Praktikumsbetreuung. 27 Zsolt Joanovits Freie Schulwahl IM H E UTIG E N BILDUNGSSYSTEM BESTEHT SO ETWAS Volksschule oder Eliteschule? WIE EINE KÄUFLICHE BILDUNGSWAHL: ENTWEDER ICH ZIEHE IN EIN GEHOBENES EINFAMILIENHAUSQUARTIER ODER ICH Wer das Angebot der staatlich organisierten Bildungseinrichtungen nicht nutzen will, muss für nicht staatliche Bildung privat aufkommen – zusätzlich zu dem über die Steuern geleisteten Beitrag an die staatliche Bildung. Obwohl auch Rudolf Steiner Schulen öffentliche Schulen sind. Die Volksschule ist unentgeltlich. So steht es sinngemäss in den Verfassungen des Staates und der Kantone. Aber womit wird die Bildung eigentlich finanziert? Klar, aus dem Mehrwert den die Wirtschaft erarbeitet. Über die Steuern schöpfen Bund und Kantone die Mittel für das öffentliche Leben ab, unter anderem also für unsere Schulen. Wer aber das Angebot der staatlich organisierten Bildungseinrichtungen nicht nutzen will, muss für nichtstaatliche Bildung privat aufkommen, zusätzlich zu dem über die Steuern geleisteten Beitrag an die staatliche Bildung. Das kennen wir gut: Die Rudolf Steiner Schulen sind aus Initiativen von Eltern und Lehrpersonen hervorgegangen. Sie sind zwar offiziell, also «staatlich», anerkannt und zugelassen, aber sie haben einen eigenen Lehrplan und nehmen für sich eine weitgehende Autonomie in Anspruch. Indem sie solches tun, sondern sie sich aus der Sicht des Staates vom einheitlichen Konzept Schule ab. Sie werden als privat bezeichnet – und werden aus den öffentlichen Geldern nicht finanziert. Die Eltern sind damit aufgefordert, für die Schule, deren Pädagogik sie in Anspruch nehmen wollen, ein Schulgeld zu entrichten. Das ist meist ein Familienbeitrag, der sich nach der Höhe des Familieneinkommens richtet. Darüber hinaus muss sich der Schulträger – insbesondere in Zeiten 28 schwacher Wirtschaft – einiges einfallen lassen, um zu den benötigten Geldmitteln für den Schulbetrieb zu kommen, wenn die Elternbeiträge nicht ausreichen. Und der Schulträger, das sind wiederum die Eltern, zusammen mit den Lehrpersonen. Die Erträge aus den Schulbazaren und von anderen Veranstaltungen, die sie gemeinsam organisieren, bilden einen fixen Posten im Budget der Schule und ermöglichen deren Fortbestehen. Nun, was heisst eigentlich «privat»? Im alltäglichen Sprachgebrauch hat sich eingebürgert, von einer privaten Schule zu sprechen, wenn sie nicht vom Staat organisiert und aufrecht erhalten wird. Eine private Schule ist somit – im Gegensatz zur staatlichen – nicht « öffentlich-rechtlich»’, sie ist also aus irgendeinem Grund nicht für alle gleichermassen zugänglich. Dabei gelten unterschwellig mehrere Kriterien, beispielsweise Religion, Rasse und Ethnie und – das Geld. Wer auf solche Dinge Wert legt, der wird gewisse Kinder lieber nicht in seine Schule aufnehmen wollen. Er ist «privat», das heisst, er sondert sich ab, ja noch mehr: er sondert aus. Das ist die eigentliche Bedeutung des Wortes. Ursprünglich war die Schule privat. Sie war das Privileg der reichen Oberschicht und wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein von kirchlichen Institutionen BEZAHLE EBEN EINE PRIVATSCHULE. betrieben. Es war ein echtes Kirchenmonopol, auch inhaltlich. Die Kirche bestimmte, was gelehrt und gelernt werden durfte. Bildung war ein Mittel kultureller Bedürfnisse. Sie war aber auch ein Mittel, die geistliche und weltliche Macht zu bewahren. Es war nur recht und billig, so etwas wie Bildung dem «gemeinen Volk» vorzuenthalten. Seit der Industrialisierung der Wirtschaft gehen zwei gesellschaftliche Entwicklungen Hand in Hand und sind voneinander abhängig. Zum einen benötigt die industrielle Produktion Mitarbeiter: in den Unternehmen braucht es unterschiedlich ausgebildetes Personal. Über die herkömmliche Bildung hinaus definiert die Wirtschaft ein allgemeines Basiswissen als Lernziel und als Grundlage jeglicher Spezialisierung. Als das Industrieproletariat entstand, wurde es Zeit, dass ein Einheitsstaat im eigenen Interesse von den kirchlichen Einrichtungen das Bildungsmonopol übernahm. Das war seinerzeit ein notwendiger und überaus positiver Schritt. Zum anderen aber – und das ist der zweite Prozess – führt vermehrte Bildung, führt die Auseinandersetzung mit elementaren Kulturtechniken und mit den Grundlagen der sich rasant entwickelnden Naturwissenschaft bei der gesamten beteiligten Bevölkerung zu einem Individualisierungsschub ungeahnten Ausmasses. Es ist leicht einVertrauen wecken - Interesse nähren zusehen, dass eine allgemeine Individualisierung den herkömmlichen Industrieunternehmen ziemlich ungelegen kommt. Aber mit der zunehmenden Technisierung, Computerisierung und Robotisierung der industriellen Produktion verändern sich die Anforderungen an Belegschaften in neuerer Zeit ohnehin radikal. Man spricht von der Dienstleistungsgesellschaft, von der lernenden Gesellschaft und von lernenden Unternehmen. Die «gleiche Schule für alle» wird angesichts dieser Tatsachen zum Anachronismus. Unter diesen Umständen wird das Bildungswesen des 19. Jahrhunderts mit dem staatlichen Bildungsmonopol, der allgemeinen Schulpflicht und den vereinheitlichten Lerninhalten den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht. Es kommt auf die Haltung an. In der Regel haben Rudolf Steiner Schulen keinen Grund, besondere Kriterien anzuwenden, um bestimmte Schüler oder Schülerinnen fernzuhalten. Im Gegenteil: in der bildungspolitischen Diskussion hört man immer wieder Stimmen aus der Waldorf- Ecke, dass man durchaus bereit sei, mehr so genannte «problematische» Kinder aufzunehmen. Und auch bei der Finanzierung gilt der Grundsatz, den Schulbesuch auch Kindern minderbemittelter Eltern zu ermöglichen, notfalls über eiEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik nen Sozialfonds. Insofern ist die Rudolf Steiner Schule, insofern sind die meisten nichtkommerziellen Privatschulen öffentlich – sie schliessen wenn immer möglich niemanden aufgrund von selbst gewählten Kriterien, und sei es nur aufgrund der Kaufkraft der Eltern, vom Schulbesuch aus. Sie haben vielleicht ein anderes pädagogisches Profil als die Staatsschule, aber «privat» sind sie nicht. Ein anderes pädagogisches Profil – das ist es ja, was die Rudolf Steiner Schule für viele interessant macht. Sie ist interessant für jene, die eine anthroposophische Pädagogik, eine behutsame Einführung der intellektuellen Inhalte und die Pflege der musischen Aktivitäten begrüssen. Für die Eltern steht das pädagogische Profil nicht unbedingt für eine spezifische Weltanschauung, aber doch mindestens für eine bestimmte Haltung, für einen bestimmten Umgang mit den Kindern und mit den Lerninhalten. Eine von aussen verordnete Anpassung des Lehrplans an staatliche Vorgaben steht darum zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion. Bildung und Volkswirtschaft Es herrscht heute ein allgemeiner Konsens darüber, dass Bildung die wichtigste Grundlage einer Volkswirtschaft sei. Trotz gründlich veränderter Rahmenbedingungen fordern aber Wirtschaftskreise auch heute noch, dass Schulabgänger eine einheitliche Grundausbildung mitbringen sollen. Es ist noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen, dass dies über kurz oder lang den eigenen Interessen und den Interessen des ganzen Wirtschaftsraumes zuwiderlaufen könnte, weil die Unternehmen sowohl in fachlichen Bereichen als auch in der Sozialkompetenz zunehmend auf eine immer breitere Palette von individuellen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter angewiesen sind, und weil das jetzige Bildungssystem mit den vereinheitlichten Lehrplänen eine wirklich individuelle Entwicklung erschwert. Seit einiger Zeit setzt sich die «elternlobby schweiz» für eine freie Schulwahl etwa nach skandinavischem Vorbild ein. Sie verlangt einerseits, dass Eltern auch innerhalb des staatlichen Schulsystems eine freie Wahl zwischen den einzelnen Schulen haben sollen. Und sie fordert, dass die bislang nichtstaatlichen Schulen in das gesamte Bildungskonzept miteinbezogen und damit auch vollumfänglich mittels einer Pro-Kopf-Pauschale vom Staat finanziert werden, ohne dass ihre Lehrpläne, wenn sie denn von jenen in den Staatsschulen abweichen, in Frage gestellt würden. Das soll allerdings nur gelten, wenn «der Zugang ohne ethnische, religiöse und finanzielle Einschränkung gewährleistet ist», wie es im Text der Verfassungsinitiative 29 der «elternlobby», die im Kanton Baselland bereits lanciert ist, wörtlich heisst. Dann sind die Schulen öffentlich, und damit wird, wie wir oben gesehen haben, die Unterscheidung zwischen den staatlichen und den nichtstaatlichen Schulen insofern hinfällig, als endgültig nur noch profitorientierte oder sonstwie selektierende Schulen als Privatschulen bezeichnet werden können. Argumentation Gegner der freien Schulwahl argumentieren mit der Finanzierungsfrage und mit der drohenden Segregation. Bei einer Grössenordnung von etwa 5% «Privatschüler» scheint die Finanzierung jedenfalls nicht das vordringlichste Problem zu sein, ganz abgesehen davon, dass die Kantone seit Jahrzehnten tüchtig von den selbstverwalteten Schulen profitieren. Was aber die Segregation betrifft, bekommt die Argumentation etwas bedrückendes: Durch die Privatisierung im Bildungswesen «werden die leistungsschwachen und sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler bezüglich Wahlmöglichkeiten und Chancengleichheit benachteiligt. Findet die freie Schulwahl schon während der obligatorischen Schulzeit statt, führt sie sowohl in der Schule als auch im gesellschaftlichen Umfeld zu einer sozialen Segregation, da in erster Linie gut gebildete und gut verdienende Bevölkerungsgruppen diese Schulen wählen.» (Aus einer Vorlage an den Landrat im Kanton Baselland, 10. April 2001). Auf deutsch: wir lassen die Finanzierung von privaten Schulen nicht zu, weil nur reiche Leute ihre Kinder in Privatschulen geben. In Wirklichkeit ist es genau andersherum: das heutige Bildungssystem ist es, das die Segregation begünstigt. Sie ist heute schon ziemlich fortgeschritten, weil nur die Reicheren etwas gegen die Zwangseinweisung tun können. Es besteht so etwas wie eine käufliche Bildungswahl: entweder ich ziehe in ein gehobenes Einfamilienhausquartier, um die territoriale Zuweisung meiner Kinder in ein besseres, nämlich von Kindern ähnlicher Herkunft frequentiertes staatliches Schulhaus zu nutzen, oder ich bezahle eben eine teure Privatschule. Damit begünstige ich die Entstehung der gefürchteten so genannten «Restschulen». 30 Für den Normalverdiener aber gilt: Sobald die freie Wahl unter den öffentlichen Schulen gewährleistet ist und alle, auch die staatlichen Schulen eine gewisse Autonomie bekommen, was den Lehrplan und die Erfüllung der vorgegebenen Lernziele betrifft, werden die Eltern ihr Wahlrecht allenfalls aufgrund von pädagogischen Profilen oder vielleicht auch aufgrund von problematischen Beziehungen ihrer Kinder untereinander oder zu den Lehrpersonen treffen. Wenn auch den Minderbemittelten oder auch den Minderbegabten, den «Bildungsfernen» und den Fremdsprachigen die freie Wahl zugestanden wird, vollzieht sich doch die gewünschte soziale Durchmischung auf längere Sicht von selbst. Je nach «Klientel» werden sich die Schulen dann so oder anders ausrichten müssen. Warum also wird die Segregation von den Gegnern ins Feld geführt? Ist es denn wirklich so, dass die Bildungspolitik in der Schweiz sich ganz auf die Interessen der Wirtschaft und auf die Erhaltung von Traditionen stützt? In einem Papier der Zürcher SVP von 1998 etwa steht zu lesen: «Eine Finanzierung nichtstaatlicher Schulen durch den Kanton stellt die bewährte Zürcher Schultradition in Frage und ist in Anbetracht des schwer defizitären Staatshaushaltes auch finanziell nicht verant- wortbar.» (Aus einer Vernehmlassung der SVP Zürich zum Gesetz über die Mittelschulen vom 4. März 1998). tobias richter Der «Waldorf-Lehrplan» – an über 1000 Schulen weltweit Das Bildungsmonopol ist realitätsfern. Ganz abgesehen davon, dass sich die wirtschaftliche Situation unterdessen markant verbessert hat: Warum will der Staat alleiniger Bildungsanbieter sein? Ist es sachlich notwendig, dass der Staat die Schulen selber führt, verwaltet und bis hinunter zur Zuteilung der Schüler in die Rechte der Eltern eingreift? Würden Lehrkräfte und Eltern nicht genügen, um eine gute Schule für die Kinder zu realisieren? Braucht es den Staat überhaupt? Nun, es ist mit Sicherheit unverzichtbar, dass die Kantone, die die Hoheit über das Bildungswesen haben, die Randbedingungen für die Institution Schule definieren, die Lernziele und überhaupt Mindestanforderungen festlegen und die Aufsicht über das Schulwesen wahrnehmen. Es ist auch notwendig, dass sie zusammen mit den Gemeinden die Bildung als Gesamtes aus den Steuereinnahmen finanzieren. Wenn sie aber auf der Vereinheitlichung aller Lehrpläne und auf dem von Beamten verordneten synchronen Ablauf des Ausbildungsverlaufs und selbst der einzelnen Unterrichtsstunden bestehen, dann sind zunehmende Schwierigkeiten unvermeidlich. Wie es ein Lehrer einer staatlichen Mittelschuleinrichtung mit vielen Migrantenkindern unlängst formuliert hat: «Ich muss die Stunde heute thematisch abschliessen. Ich kann keine Rücksicht darauf nehmen, wenn einzelne oder auch viele Schüler etwas nicht verstanden haben. Ich darf das Thema nicht wieder aufgreifen, um jenen, die langsamer lernen, zu helfen. Ich muss morgen mit dem nächsten Thema beginnen, das auf dem heute durchgenommenen Stoff aufbaut. Nach kurzer Zeit schwimmen auch diejenigen, die schnell von Begriff sind. So ist Unterricht kaum mehr möglich.» Globale Pädagogik Schon die Formulierung treibt manchem die Zornesröte ins Gesicht: Waldorflehrplan! Als ob es einen solchen gäbe! Erziehung und Freiheit – unvereinbar mit einem Plan. Und wenn, dann müsste auf jeder Seite durchlaufend notiert sein: «Die Freiheit des Waldorflehrers ist unantastbar»... Und dann gibt es ihn doch. In verschiedenen Fassungen – Gott sei Dank! Manche Waldorfschulen haben ihn für sich gemäss ihrem Schulprofil ausgearbeitet und formuliert. Er liegt bei den Schulbehörden vor und die Eltern kennen ihn. Dann der Lehrplan-Klassiker von C. v. Heydebrand (1925). Motto: das Wesentliche in Kürze – und besser hätte man es wahrlich nicht machen können! Die Sammlung Stockmeyer (Rudolf Steiners Lehrplan für die Waldorfschulen) gehörte lange zu der sog. grauen Literatur, war also nicht für jedermann frei zugänglich. Sie war – und ist noch immer – ein unverzichtbares Studienmaterial für alle Waldorflehrer in Bezug auf Lehrplanfragen. Schliesslich der im Auftrag der Internationalen Konferenz der Waldorf-/Rudolf Steiner Schulen (Haager Kreis) von Tobias Richter herausgegebe Band «Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule». Neben diesen deutschsprachigen Publikationen existieren selbstverständlich Ausarbeitungen des Waldorfcurriculums – oder Übersetzungen – in den Ländern, in denen es heute Waldorfschulen gibt. Selbständige Lehrpersonen Zsolt Joanovits ist Psychotherapeut und Erwachsenenbildner sowie Vizepräsident der elternlobby Schweiz Vertrauen wecken - Interesse nähren Ein Problem, von Rudolf Steiner selbst formuliert: «Nun gehört zu dem Unterricht dazu – und wir sollten das nicht ausser Acht lassen – eine gewisse Sehnsucht, völlig frei zu sein.»1 Später nochmals, als Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik ob diese Sehnsucht provoziert werden soll: «Natürlich müsste Vieles viele Male mehr gesagt werden, aber ich möchte ja aus Ihnen nicht lehrende Maschinen machen, sondern freie, selbständige Lehrpersonen.»2 Das steht am Ende des 14tägigen Lehrerbildungskurses, wo in den drei Lehrplanvorträgen die Grundzüge des Waldorfcurriculums dargestellt wurden (auf Grundlage einer Allgemeinen Menschenkunde und einer darauf aufbauenden Didaktik und Methodik). Und dennoch: Steiner hatte durchaus die Absicht, den Lehrplan systematisch auszuarbeiten und darzustellen – kam jedoch nicht mehr dazu.3* Damit ist also das Problem umrissen: Die Autonomie der LehrerInnen wird vorausgesetzt, um mit dem «abgelesenen», abgeleiteten Entwicklungsbedürfnis des Kindes und Jugendlichen (das meint das Waldorfcurriculum) umgehen zu können. « Wir müssen uns dem Lehrplan so nähern, dass wir uns in die Lage versetzen, eigentlich in jedem Augenblick ihn uns selber zu bilden, dass wir ablesen lernen dem 7., 8., 9., 10. Jahre usw., was wir in diesen Jahren zu treiben haben.»4 Aufgabe der Lehrerbildung ist es, die dafür notwendigen Fähigkeiten wachzurufen. Zum Wesen durchdringen Die Lehrerin, der Lehrer bewegt sich auf etwas zu, nähert sich, muss automobil werden. (Wer sich nicht bewegt, wird bewegt – und das ist oft schmerzhaft...) Bewegung verlangt Navigationsfähigkeiten: Wo will das einzelne Kind, wo die Kinderschar hin? (Sie bewegen sich nämlich auch!) Beobachten und verstehen lernen, was sich in der Individualbegegnung zeigt, wie auch im Kontext der Menschheits- und Kulturentwicklung, sind die ersten Navigationskoordinaten. Dann gilt es den adäquaten, damit korrespondierenden Inhalt (den «Stoff») zu suchen. Für diese Jäger- und Sammlertätigkeit bedarf es der Übung, da es immer notwendig ist, von der Erscheinung zum Wesen einer Sache durchzudringen. Schliesslich die Unterrichtsgestaltung: situativ, individuell, geistesgegenwärtig, zeit-, kultur- und sozialgemäss. Letzteres, die Sozialgemässheit, ist in mehrfacher Hinsicht wichtig: Das eigene schöpferische und phantasievolle Gestalten aus einem «Urhebertrieb», wie ihn Martin Buber nennt, trägt in sich den Keim von Vereinsamung. «Nur wenn ihn jemand an der Hand fasst... um ihm jenseits der Künste Gefährte, Freund, Liebender zu sein, wird er der Gegenseitigkeit inne und teilhaftig. Eine auf der Ausbildung des Urhebertriebs allein begründete Erziehung würde eine neue, schmerzlichste Vereinsamung der Menschen bereiten.»5 31 Das intensiv gespielte Instrument der Konferenzen an Waldorfschulen kann und soll eine entscheidende Hilfe gegen die Ausbildung eines Solistenprinzips sein. Bezogen auf das Curriculum heisst das: Studiert man es nicht vertikal (hierarchisch) sondern horizontal (sozial), so lässt es sich von allen in einer Klasse arbeitenden LehrerInnen als «Partitur» verwenden. So und nicht anders war auch der erste Lehrplan von C. v. Heydebrand angelegt und auch der Lehrplan von 2005 folgt selbstverständlich dieser Notwendigkeit.6 Von allem Anfang an skizziert Steiner diese Art der Zusammenarbeit in der Konferenz und ein Co-Teaching-Prinzip: «Der musikalisch Unterrichtende sollte dem rezitierend Unterrichtenden möglichst nahe stehen... Es würde besonders gut sein, wenn der musikalisch Unterrichtende noch bei dem Rezitation Unterrichtenden dabei sein könnte und umgekehrt, so dass der eine noch immer auf die Zusammenhänge mit dem anderen Unterricht hinweisen könnte. ...es muss der Unterricht als ein ganzer gestaltet werden. Darüber muss in der Wochenkonferenz der Lehrerschaft gesprochen werden.»7 Also Zusammenarbeit als viertes, zur Realisierung des Waldorfcurriculums notwendiges Element. I. Beobachtung und Studium der Individualentwicklung 2. Beobachtung und Studium der Menschheits- und Kulturentwicklung 3. Übung in Weltbegegnung. Von der Erscheinung zum Wesen 4. Zusammenarbeit in der Gestaltung des Unterrichts – lebendig, authentisch und verantwortungsvoll Pädagogik des Dialogs Dies macht die Waldorfpädagogik zu einer Pädagogik des Dialogs. Das können z. B. Eltern von den WaldorflehrerInnen erwarten – nicht nur weil es so intendiert, sondern weil es möglich ist! Was die Waldorfpädagogik mit am stärksten von der Regelschulpädagogik unterscheidet, ist die Bedeutung des Curriculums. Die Unterrichtsinhalte sind nicht als Ziel, sondern als Mittel zu verstehen. Was das Kind an der Botanik, an der Mathematik, an der Eurythmie lernt, ist ebenso wichtig, wie es das Kind lernt! (Vor einigen Jahren gab es den flott daherkommenden Sticker «Waldorf ist, wenn man es trotzdem lernt»; ein prägnanter Kurzschluss, denn: «Waldorf ist, wenn man es anders lernt.») Es ist also je und je zu prüfen, welcher Inhalt und welche Methode richtig sind für eine bestimmte Situation; und danach – z. B. durch Praxisforschung – welche Resultate sie gezeitigt haben. Hierbei muss jedoch immer auch der Langzeitwirkung, 32 dorf meint und Waldorflehrplan ist, deutlicher zur Erscheinung kommt: Die Waldorfpädagogik braucht die Welt. Globale, universale Pädagogik Waldorf ist, wenn man durch Erziehung Antwort geben kann auf das, was Not tut, was fällig ist, was die jungen Menschen – ganz gleich an welchem Ort – für ihre individuelle Entwicklung erhoffen. der Nachhaltigkeit ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Weder Kochbuch noch Komposition Diesem offenen Curriculum liegt – wie gezeigt- eine eindeutige anthropologische Orientierung zu Grunde: «Es ist unser ganzer Lehrplan nur etwas dem Geiste nach Bestimmtes; während in Bezug auf die einzelne Handlung man denkbar grösste Freiheit hat.»8 Wird der Waldorflehrplan wie ein Kochbuch gelesen, dann könnte dies einen verführen, bestimmte Gerichte (z. B. Epochen) mit bewährten Ingredienzien («da wählt man am besten...») und erprobten Kochlöffeln (Methoden) zu produzieren. Doch ein Kochbuch ist der Lehrplan genauso wenig wie ein Konstrukt oder eine fertige Komposition, allenfalls eine, die auf der Grundlage des Generalbasses** immer neu zu artikulieren ist. Versuchen wir Folgendes: Aus den Inhalten, die in den Klassen 1-12 bearbeitet werden können, soll der jeweilige Generalbass-Klang gesucht werden. Das sähe dann vielleicht so aus: Dass diese Skizze keinen Anspruch auf Verbindlichkeit besitzt, sollte überflüssig sein zu erwähnen, doch sie zeigt mindestens zweierlei: 1. Die Hauptmotive der Klassenstufen können als entwicklungsdyna- mischer Wirbel gelesen werden: aus der aperspektivischen Weite der Kindheit zur «Engführung» in der Zeit der Erdenreife – von dort in zunehmender Selbständigkeit zur verantwortungsvollen Realisierung frei gewählter Aufgaben. (Das ist hier mit «Pflicht» gemeint.) 2. Solche Hauptmotive können die LehrerInnen anregen zu gemeinsamen, individuellen Lehrplangestaltungen. Waldorfcurriculum – weltweit Nur aus dem Verständnis der Substanz des Waldorflehrplanes kann es gelingen, in den beinahe 1000 Waldorfschulen in mehr als 50 Ländern der Welt das auszuformulieren, was in Anbindung an die jeweiligen kulturellen Bedingungen und unter Berücksichtigung der dort geltenden Schulgesetze das Entsprechende ist. Waldorf ist, wenn man durch Erziehung Antwort geben kann auf das, was Not tut, was fällig ist, was die jungen Menschen – ganz gleich an welchem Ort – für ihre individuelle Entwicklung erhoffen. Waldorfinhalte zu exportieren oder zu importieren hiesse, das Curriculum missverstehen. Gerade durch die Unterschiedlichkeiten der Inhalte wie auch der Realisationsformen zeigt sich als Übergeordnetes das Waldorfcurriculum. Und jede Schule an jedem Ort der Welt hilft mit, dass das, was WalVertrauen wecken - Interesse nähren Wenn für die Bildung der Kinder und Jugendlichen aus der Entwicklungsdynamik Schlussfolgerungen gezogen werden, die für alle Menschen kraft ihres Menschseins gelten können, – dann ist die Waldorfpädagogik eine globale Pädagogik – auch wenn sie in Europa oft noch eurozentristisch verstanden wird und wenn für manche Orte der Welt noch die ihren Zielen angemessenen Unterrichtsbeispiele zu entwickeln sind; – dann ist sie die bisher einzige universale Pädagogik; – dann ist sie ein Mittel für globale Verständigung und Mobilität der Eltern und der jungen Menschen. Dass diese Skizze keinen Anspruch auf Verbindlichkeit besitzt, sollte überflüssig sein zu erwähnen, doch sie zeigt mindestens zweierlei: 1. Die Hauptmotive der Klassenstufen können als entwicklungsdynamischer Wirbel gelesen werden: aus der aperspektivischen Weite der Kindheit zur «Engführung» in der Zeit der Erdenreife – von dort in zunehmender Selbständigkeit zur verantwortungsvollen Realisierung frei gewählter Aufgaben. (Das ist hier mit «Pflicht» gemeint.) 2. Solche Hauptmotive können die LehrerInnen anregen zu gemeinsamen, individuellen Lehrplangestaltungen. Waldorfcurriculum – weltweit Nur aus dem Verständnis der Substanz des Waldorflehrplanes kann es gelingen, in den beinahe 1000 Waldorfschulen in mehr als 50 Ländern der Welt das auszuformulieren, was in Anbindung an die jeweiligen kulturellen Bedingungen und unter Berücksichtigung der dort geltenden Schulgesetze das Entsprechende ist. Waldorf ist, wenn man durch Erziehung Antwort geben kann auf das, was Not tut, was fällig ist, was die jungen Menschen – ganz gleich an welchem Ort – für ihre individuelle Entwicklung erhoffen. Waldorfinhalte zu exportieren oder zu importieren hiesse, das Curriculum missverstehen. Gerade durch die Unterschiedlichkeiten der Inhalte wie auch der Realisationsformen zeigt sich als Übergeordnetes das Waldorfcurriculum. Und jede Schule an jedem Ort der Welt hilft mit, dass das, was Waldorf meint und Waldorflehrplan ist, deutlicher zur Erscheinung kommt: Die Waldorfpädagogik braucht die Welt. Globale, universale Pädagogik Wenn für die Bildung der Kinder und JuEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik gendlichen aus der Entwicklungsdynamik Schlussfolgerungen gezogen werden, die für alle Menschen kraft ihres Menschseins gelten können, – dann ist die Waldorfpädagogik eine globale Pädagogik – auch wenn sie in Europa oft noch eurozentristisch verstanden wird und wenn für manche Orte der Welt noch die ihren Zielen angemessenen Unterrichtsbeispiele zu entwickeln sind; – dann ist sie die bisher einzige universale Pädagogik; – dann ist sie ein Mittel für globale Verständigung und Mobilität der Eltern und der jungen Menschen. * Wie dieser Lehrplan geworden wäre, muss offen bleiben. Wahrscheinlich ganz anders als alle inzwischen vorliegenden Ausarbeitungen – und damit wäre vielleicht auch die weitere Entwicklung der Waldorfschulen anders verlaufen. ** Generalbass (Basso continuo): die Gesamt-Fundamentstimme – das polyphone Stimmengewebe wird nicht spartiert, sondern die halb stegreifmässig zu spielenden Akkorde durch Ziffern angedeutet, wobei der Akkompagnist die gesamte Innenfüllung improvisiert. (H. J. Moser, Musiklexikon, Hamburg 1951) Literatur: 1 R. Steiner, Erziehungskunst - Methodisch-Didaktisches, GA 294, Freiburg 1947, S. 96 2 A. a. O. S.243 3 E. A. K. Stockmeyer, S. 5, Stuttgart, 21965 4 R. Steiner, a. a. O. S. 229 5 M. Buber, Reden über Erziehung, Heidelberg 1969, S. 17 6 s. Horizontaler Lehrplan – Unterstufe/Oberstufe S. 39-94 in Tobias Richter (Hrsg.), Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule, Stuttgart 22005 7 R. Steiner, a. a. O. S. 61 8 R. Steiner, Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung, GA 307, Dornach 1986, S. 265 Tobias Richter arbeitet in der WaldorflehrerInnenausbildung in Wien und Zagreb. Von 1973-91 war er Klassen- und Oberstufenlehrer an der Rudolf Steiner Schule Wien-Mauer 33 schwerpunkt Roland Muff Qualifizierte Schulabschlüsse mit Anschluss an die Tertiärstufe Profile der integrativen Mittelschule In den 90er Jahren zeichnete sich ab, dass wichtige weiterführende Ausbildungsangebote, die bisher Absolventinnen und Absolventen von Rudolf Steiner Schulen offen standen, in Fachhochschulen und Höhere Fachschulen umgewandelt würden – vor allem in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Gestaltung, Kunst, Erziehung. Diese Entwicklungen auf der Tertiärstufe machten eine bildungspolitische Neupositionierung der Klassen 10-12 der Rudolf Steiner Schulen erforderlich. Damit die Zulassung zu den neuen Fachhochschulen (FH) und Höheren Fachschulen (HF) gewährleistet werden konnte, ging es insbesondere darum, das pädagogische Profil und die Gleichwertigkeit des Bildungsganges an einer Rudolf Steiner Schule aufzuzeigen. Dazu war erforderlich, die bisherige Oberstufe eindeutig und unmissverständlich als Abschluss der Sekundarstufe ll zu positionieren. Das war die Geburtsstunde der Integrativen Mittelschule (IMS). Es gab auch wichtige pädagogische Gründe, die eine Verbesserung der Vorbereitung auf weiterführende Ausbildungen anzeigten. So wurde bei der ersten gesamtschweizerischen Ehemaligenbefragung von Goetze und Fink (1999) deutlich, dass für viele Ehemalige eine bessere Vorbereitung auf weiterführende Ausbildungsgänge in den letzten beiden Schuljahren erforderlich ist. Gefordert wurden insbesondere: Erhöhung des Leistungsdruckes, Vorbereiten auf den Berufsalltag, Üben im Umgang mit Konkurrenz, neue Lernformen, anerkannter Abschluss. Profil der Integrativen Mittelschule IMS Die Arbeitsgemeinschaft der Rudolf Steiner Schulen schuf in der Folge die SchweizeRoland Muff ist seit 1999 Mitarbeiter der Koordinationsstelle der Rudolf Steiner Schulen und für die Bereiche Bildungsentwicklung und Bildungspolitik verantwortlich. Er leitet die Schweizerische IMS-Konferenz. 34 Eine sehr gute Möglichkeit für Differenzierung ist es auch, die jungen Menschen selber ihre Schwerpunkte wählen zu lassen, an denen sie arbeiten möchten. rische Konferenz der Integrativen Mittelschulen und beauftragte sie, qualifizierende Schulabschlüsse zu entwickeln und die Übertritte der Schulabgänger/innen in weiterführende Bildungsgänge sicherzustellen. Für den breiten Fächerkanon mit Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften, musischen Aktivitäten und Bewegung wurde ein gemeinsamer Referenzlehrplan für alle IMS entwickelt. Neu wurden Schwerpunktfächer eingeführt, die eine Vertiefung berufsfeldbezogener Lernbereiche ermöglichen. Die Angebote umfassen je nach Schule die Bereiche Pädagogik/Soziales, Biologie/Chemie, Gesundheit, Musik, Bildnerisches Gestalten, Sprachen, Theater. In zusätzlichen Praktika ausserhalb der Schule können die Schüler/innen zudem eigenständige Erfahrungen in der Kulturund Arbeitswelt erwerben. – Schüler/innen, welche die Lernziele in den allgemein bildenden Fächern des Berufsschulunterrichtes erreicht haben, erwerben den Abschluss IMS B und können sich vom Unterricht und der Lehrabschlussprüfung in Allgemeinbildung dispensieren lassen. Neue Schulabschlüsse gibt es zudem an der Atelier-Schule Zürich, die einen Bildungsgang zur gymnasialen Matur anbietet und an der ROJ-Mittelschulen der Regio Jurasüdfuss, die auf die Fachmaturität vorbereitet. Ein Äquivalenzgutachten des Instituts für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen zeigte auf, dass der Abschluss IMS F hinsichtlich Lehrplan und Lernzielen in den allgemein bildenden Fächern als äquivalent einzustufen ist zum Abschluss einer Berufsmatur Gesundheit, Soziales und Gestaltung. Schulabschlüsse Es wurden zahlreiche Verhandlung mit FH/HF geführt und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Heute werden Absolventinnen und Absolventen mit dem IMS F Abschluss zu Studiengängen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Gestaltung, Erziehung, Umweltwissenschaften, Pädagogik, Kunst, Hotelfach, Tourismus, Musik und Theater zugelassen. In den genannten Bereichen sind neben Ausbildungen an höheren Fachschulen Am Ende der 12. Klasse erfolgt eine Einstufung der Schüler/innen hinsichtlich ihres weiteren Ausbildungsganges. Gesamtschweizerisch wurden dazu Rahmenreglemente ausgearbeitet: – Schüler/innen, die in den allgemein bildenden Fächern eine mit der Berufsmatur gleichwertige Ausbildung nachweisen können, erhalten den qualifizierenden Abschluss IMS F. Anschlüsse an die Tertiärstufe Vertrauen wecken - Interesse nähren insbesondere auch Zulassungen zu Studiengängen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Zürcher Hochschule der Künste, Berner Fachhochschule, Fachhochschule Nordwestschweiz, St. Galler Fachhochschule und Hochschule Luzern möglich. Pädagogische Freiheit und Methodenviel- falt einerseits und Verbindlichkeit sowie klare Regelungen andererseits bedingen sich gegenseitig. Der Zusammenarbeit zwischen den Integrativen Mittelschulen kommt deshalb besondere Bedeutung zu; sie fördert die Reflektion und kritische Analyse des eigenen pädagogischen Ansatzes. In Fachgruppenkonferenzen tau- schen sich die Lehrer/innen über Ziele, Anforderungen, Prüfungsinhalte, Bewertungen und Prüfungsformen aus. Der Austausch wird von den Teilnehmer/innen insgesamt positiv bewertet und soll in Zukunft im Rahmen der gesamtschweizerischen Lehrerweiterbildungstagung fortgesetzt werden. FÜLLE – TIEFE – WÄRME – SCHÄRFE Neben der Anpassung an neue Rahmenbedingungen entstand für die Integrativen Mittelschulen (IMS) auch ein neuer Freiraum, den jede Schule in einem mehrjährigen Prozess konzeptuell ausgestaltete. Auf diese Weise ist, trotz einheitlicher Eckwerte, ein vielgestaltiges auch regional angepasstes Angebot der verschiedenen Schulen entstanden. Wie die Rudolf Steiner Schule Bern die Herausforderung aufnahm und ihre Schwerpunkte setzte, zeigen die folgenden Schlaglichter. In einer Leitbildarbeit vor drei Jahren haben sich vier Begriffe herausgebildet. Darin verdichten sich die Qualitäten, die die Schülerinnen und Schüler an unserer IMS erleben: Fülle, Tiefe, Wärme, Schärfe. Es Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik wird deutlich, dass die IMS dem Ideal umfassender, ganzheitlicher Bildungsziele verpflicht ist. Das heisst, ein breites Angebot beibehalten und möglichst wenig spezialisieren. Viele der Lehrpersonen unterrichten seit langem in der Schule. Es gilt eine Zusammenarbeit zu pflegen, wo Veränderung und Kontinuität im gleichen Mass geschätzt und hinterfragt werden. Die Einführung der IMS mit den Zusatzqualifikationen B, F und M haben sich als logische Schritte ergeben. Wir waren dankbar für die schweizweite Koordination in den Anerkennungsfragen. Im Vordergrund stand immer die Lehrplanentwicklung, insbesondere als Folgestufe der andern Schuljahre. Daraus ergaben sich zwei wesentliche Ausprägungen: Ein hoher Stellen- wert des Künstlerischen und der Verzicht auf Niveaugruppen in allen Fächern. Der Verzicht auf Niveaugruppen in den Sprachen und der Mathematik waren Teil einer bewährten Tradition, die seit den siebziger Jahren bestand. Der Aspekt der Integration rechtfertigte auch im neuen Konzept die möglichst vollständige Beibehaltung stabiler Lerngemeinschaften in ganzen Klassen. Und nun, wo sich die staatlichen Institutionen zunehmend mit Inklusion und Integration befassen, sind wir «modisch» geworden. Differenzierung und Integration Dass eine Klasse von 25 oder mehr Schülern in einer bestimmten Zeit den gleichen Inhalt in der gleichen Tiefe aufnehmen kann, gehört zu den schwerwiegenden 35 5 Trugschlüssen über das Lernen in der Schule. Aber wie korrigiert die Schule dieses Missverständnis? Wenn man die zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema Differenzierung anschaut und ihre Inhalte zusammenzufassen versucht, dann wird eine klare Tendenz sichtbar. Die Einteilung in Gruppen nach Leistungsniveau wird skeptisch bewertet, dafür ist die Binnendifferenzierung der Schritt «in eine Richtung, zu der es trotz aller Schwierigkeiten keine Alternative geben wird.» Sie kombiniert die Ziele «der individuellen Förderung und der sozialen Integration aller Schülerinnen und Schüler einer Klasse sowie der gezielten Unterstützung ganzheitlichen, lebendigen und selbständigen Lernens.» (Differenzieren im Unterricht, Liane Paradies, Hans Jürgen Linser, Berlin, 2001). Dies soll am Beispiel zweier Fachbereiche beleuchtet werden. Beispiel Fremdsprachen Welchen Weg gehen wir Fremdsprachlehrpersonen in Ittigen für die 10. Klasse – teilweise auch schon in der 8. und 9. Klasse? Wir versuchen die Binnendifferenzierung konsequent anzuwenden. Alle Schüler erhalten Aufgaben, welche ihrem Niveau entsprechen. Bei den Proben und auch teilweise bei der Lektüre differenzieren wir nach den Buchstaben A, B und C. Grundsätzlich entscheiden alle Lernenden selber, welchen Schwierigkeitsgrad sie anstreben. Der Wechsel zwischen A, B und C ist immer offen. Dies ermöglicht eine Bewertung nach klaren Massstäben. Am wichtigsten erscheint der Effekt, den es bei vielen Schülern haben kann: Bei unge- nützten Fähigkeitsreserven kann der Ehrgeiz angesprochen werden. Zudem ist dies eine gute Vorübung für die Selbsteinschätzung, die die Wahl einer Zusatzqualifikation B, F und M erfordert. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass diese transparente Handhabung verschiedener Massstäbe die Einführung eines Kompetenzrasters wie im Europäischen Sprachenportfolio erleichtert. Richard Begbie Beispiel Deutsch Es sind die jungen Menschen, die mit ihren unterschiedlichsten Voraussetzungen und Begabungen, Interessen und Stärken, Zielen und Idealen in jeder Klasse eine lebendige und herausfordernde «Vielheit» bilden. Und es ist der Unterrichtsstoff, der im besten Fall, aus dieser Vielheit eine «Ganzheit» bilden kann, indem der individuelle Zugang der einzelnen zu einem gemeinsamen Erlebnis zusammenfliesst. Als besonders dankbar und beglückend erweist sich da immer wieder der Literatur-Unterricht. Behandle ich z.B. in einer 11. Klasse den «Parzival» von Wolfram von Eschenbach oder in der 12. Klasse Goethes «Faust», so ermöglichen die grossartigen Bilder in diesen Werken und die Lebensfragen, die sie aufwerfen, vielfältige Ebenen des Zugangs. Wo und wie sich die jungen Menschen berühren lassen, ist ein Teil ihrer eigenen Aktivität und hat nichts damit zu tun, ob sie eine Berufslehre oder ein Gymnasium anstreben. Und was dann, aus diesen verschiedenen Wahrnehmungen, im Gespräch zusammengetragen wird, bildet eine vielstimmige, differenzierte Ganzheit, die wiederum die einzelnen – und die Unterrichtende – bereichert. Besonders beeindruckend ist für mich, mit Jugendlichen die moderne Lyrik nach 1945 zu besprechen. Da zeigen sich Sensibilität für Sprache und eine Art Hellfühligkeit, die jenseits gängiger Kriterien für Intelligenz und Selektion liegen. Solche Stunden, in denen sich ein Gedicht in der Vielheit spiegelt und im respektvollen Sich-Zuhören zu einem gemeinsamen Erlebnis wird, sind unvergessliche Höhepunkte. Auch im Deutschunterricht ist es aber unerlässlich, Schülerinnen und Schüler nach ihren Ausrichtungen auf B, F oder M zu fordern und zu bewerten. Als ein Beispiel kann die Aufsatzschulung angeführt werden: Gliederung und Ausdruck werde ich bei einer angehenden Gymnasiastin oder einem zukünftigen Fachhochschul-Studenten strenger bewerten als bei einem Schüler, der sich auf einen handwerklichen Beruf vorbereitet. Inhaltlich aber können alle drei sich genau gleich intensiv und engagiert mit dem jeweiligen Thema befassen. Eine sehr gute Möglichkeit für Differenzierung ist es auch, die jungen Menschen selber ihre Schwerpunkte wählen zu lassen, an denen sie arbeiten möchten. So kann z.B. in den Übstunden eine Gruppe noch einmal an ihrer Rechtschreibung feilen, eine andere möchte gewisse Grammatikkapitel wiederholen, andere lieber ein Buch lesen und darüber eine Interpretation schreiben, einige ihre Kompetenz im Aufsatz verbessern. Wiederum wird diese Vielheit am Ende des Quartals mit einer Schlusspräsentation in der Klasse zu einem Ganzen. Blanche-Marie Schweizer Tiefe Wir arbeiten nicht nur aus dem Stoff des gegebenen Faches, sondern auch aus den zu entdeckenden menschlichen Bezügen. Wir legen Wert auf Vertiefung und unterrichten daher alle Fächer in projekt- und themenzentrierten Epochen. Wärme Wir fördern den menschlichen Zusammen36 «Beziehung kommt vor Erziehung» Ende Februar in «Das Magazin»: Remo H. Largo und Martin Beglinger plädieren für eine neue Schule, die konsequent vom Kind her gedacht ist. In sieben Thesen. Wir dokumentieren Auszüge: «Wir möchten zu jener Frage zurückkehren, die für uns den Kern der Bildungsdebatte darstellt: Was für eine Schule brauchen unsere Kinder? Denn nur eine Schule, die sich an den grundlegenden Entwicklungsbedürfnissen des Kindes orientiert, kann eine kindgerechte Schule sein.» 1. Ohne Beziehung geht nichts «Eine gute Lehrperson ist sich im Klaren darüber, dass sie in erster Linie Kinder unterrichtet und nicht nur Fächer. (…) So vieles, was wir an der Schule lernten, haben wir wieder vergessen. Doch an Lob und Kritik unserer Lehrer erinnern wir uns, als wäre es gestern gewesen und nicht dreissig oder mehr Jahre her. Das sollte kein Lehrer vergessen, wenn er vor einer Klasse steht. Eine gute Beziehung verbessert nicht nur die Lernbereitschaft, sondern führt, wie eine Reihe von Studien bewiesen hat, letztlich auch zu besseren schulischen Leistungen. (…) Die Klassenlehrerin bietet noch immer die beste Gewähr für eine gute Beziehungsarbeit und für klare Verantwortlichkeiten. Ebenso wie für die Eltern gilt auch für die Lehrkräfte: Beziehung kommt vor Erziehung.» 2. Die Schule erzieht mit Kernwerte der IMS in Ittigen Fülle Wir sind überzeugt, dass erst der Weg über die Fülle zu einer nachhaltigen Berufswahl führt. Die gängigen Fächer wie Physik und Englisch, Französisch und Biologie, Deutsch und Mathematik, Geografie und Geschichte bilden deswegen nur die eine Hälfte aller Lektionen. Die andere Hälfte belegen Künste und Handwerke wie Theater und Malen, Zeichnen und Eurythmie, Schreinern und Schmieden, Musik und Steinhauen, Chor, Plastizieren und Turnen. Remo H. Largo und Martin Beglinger über die kindgerechte Schule: halt, indem die Klassengemeinschaften über Jahre Bestand haben. Mit Kunstreisen, Fahrradtouren, Überlebenswochen und Sozialeinsätzen holen wir das Leben in die Schule und ermöglichen lebendiges Lernen und lernendes Erleben. Schärfe Beim präzisen Beobachten in Botanik und Astronomie oder auch beim exakten Verbinden von Holz und genauen Behauen von Stein üben unsere Schülerinnen und Schüler die Schärfe des Abgrenzens und Unterscheidens. Beim jährlichen Praktikum von drei Wochen in Gewerbebetrieben, Heimen und in der Industrie legen sie die Grundlage für ihre Lebensentscheide. Mit der Differenzierung nach B, F und M fordern wir unsere Schülerinnen und Schüler auf, sich einzuschätzen, d.h. ihre inneren Wünsche zu objektiv verlangten Leistungen in Relation zu setzen. Vertrauen wecken - Interesse nähren «Die Gesellschaft hat die Wahl, ob sie ihre Kinder über Mittag lieber alleine vor dem Fernseher sitzen, Chips essen und nach der Schule auf der Strasse herumlungern lässt. Oder ob die Kinder ausserhalb des Unterrichts gemeinschaftlich betreut, gefördert und mit gesunder Nahrung versorgt werden. Für uns steht ausser Frage, dass die kindgerechte Schule der Zukunft mehr betreuen muss und sich nicht mehr aufs ausschliessliche Unterrichten beschränken kann. Sie muss den Kindern sinnvolle Erfahrungsmöglichkeiten anbieten, weil viele Kleinfamilien selber diese Leistungen nicht mehr erbringen können.» 3. Die Vielfalt verlangt individuellen Unterricht «Eine Lehrerin, die dem einzelnen Kind geEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik recht werden will, versteht sich vorab als Spezialistin für das Kind als lernendes Wesen und nicht in erster Linie als Deutschoder Mathelehrerin. Sie interessiert sich mindestens so sehr für Kinder und Jugendliche wie für ihr Fach. Und sie weiss, dass man ein Kind ‚lesen‘ können muss, um es lesen lehren zu können. Oft genug glauben Erwachsene, Kinder würden nur lernen, wenn sie dazu angetrieben werden. Doch die Erfahrung mit kindlicher Entwicklung lehrt uns etwas anderes. Sie belegt, dass das Kind vom ersten Tag seines Lebens an eine innere Bereitschaft zum Lernen hat; eine Lernmotivation, die erhalten bleibt – sofern sich das Kind in der Schule geborgen fühlt und weder unter- noch überfordert wird. Die Kunst der Pädagogik besteht darin, diesen Punkt zu erspüren, der die natürliche Lernbereitschaft in Gang setzt, die in jedem Kind steckt.» 4. Kompetenzraster statt Noten «Meint es eine Schule wirklich ernst mit dem individualisierten Unterricht, dann ist es nur konsequent, auch die bisherigen kollektiven Lehrpläne aufzuheben und sie durch individuelle Lehrpläne zu ersetzen. Dies wiederum würde logischerweise auch das Ende von Einheitsprüfungen und des konventionellen Notensystems bedeuten. Denn warum soll man die Latte bei allen Schülern gleich hoch ansetzen, wenn sie doch einen völlig unterschiedlichen Entwicklungsstand aufweisen? In einem individualisierten Unterricht lernen Kinder auch ohne Notendruck. (…) Bereits heute gibt es Schulen, die erfolgreich nur noch mit detaillierten Kompetenzrastern oder Portfolios arbeiten und auf Zeugnisnoten verzichten.» 5. Zählt nur die Leistung, scheitert die Integration «Selbst wenn die notwendigen Gelder dafür gesprochen und die richtigen Lehrkräfte für diese Aufgaben gefunden werden, kann die Integration der Kinder mit besonderen Bedürfnissen nu gelingen, wenn die Schule es schafft, diese Kinder sozial und leistungsmässig in die Klasse zu integrieren. Und das heisst, dass sich die Kinder, trotz den unaufhebbar grossen Leistungsunterschieden, gegenseitig akzeptieren und respektieren.» Bildungsbewussten Mittelstandseltern «gilt es begreiflich zu machen, dass die Leistungen ihrer Kinder in integrierten Klassen nicht zu leiden brauchen und dass gerade die Leistungsstärkeren viel an sozialer Kompetenz gewinnen können, indem sie den schwächeren Kindern zum Beispiel bei den Aufgaben helfen. Kinder sind mitunter die besseren Lehrer als Erwachsene. Und Lernen durch Lehren ist eine höchst erfolgreiche Form des Lernens.» 6. Ganzheitliches Lernen statt Fachidiotie «Das oberste Ziel einer kindgerechten Ausbildung besteht nicht in einem Zeugnis mit lauter Sechsen in Wissen und Fertigkeiten, sondern in einem guten Selbstwertgefühl aller Schüler, also auch jener, die weder in Deutsch noch Mathe glänzen. (…) Ein gutes Selbstwertgefühl kann nur entstehen, wenn das Kind die Schule erfolgreich bestehen kann, also weder überZukunft mit Zuversicht in Angriff nehmen, dass es die eigenen Stärken zu nutzen und mit den Schwächen Gesellschaft, die emotional gefestigt, sozial kompetent und fähig sind, ihr Leben selbstständig zu meistern.» 7. Wider den Förderwahn «Ein Kind lässt sich nicht beliebig wie ein Gefäss mit Inhalten abfüllen. Wer glaubt, ein Kind werde sich umso besser entwickeln, je früher ihm die Erwachsenen Wissen und Fertigkeiten mit allen möglichen Tricks und Kniffen aufzudrängen versuchen, der irrt. Man kann keine Gymnasiasten züchten. Oder wie ein afrikanisches Sprichwort sagt: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Was die Kinder brauchen, sind umfassende Erfahrungsmöglichkeiten, in den ersten Lebensjahren und auch in der Schule. Das Lernen besorgen sie dann selber. (…) Bei allem verständlichen Willen, dem Kind einen erfolgreichen Start ins Leben zu ermöglichen, kann eine Prise Demut kaum schaden. Denn das Kind gehört nicht der Gesellschaft, nicht der Schule und auch nicht den Eltern. Es gehört nur sich selbst. Es ist nicht auf die Welt gekommen, um die Erwartungen der Erwachsenen zu erfüllen, sondern um zu jenem Wesen zu werden, das in ihm angelegt ist. Dies zu ermöglichen liegt in der Verantwortung der Eltern und der Schule.» Im März erschien von Remo H. Largo und Martin Beglinger das Buch «Schülerjahre. Wie Kinder besser lernen» (Piper-Verlag), das sich ausführlich mit Schulfragen und kindlicher Entwicklung beschäftigt: ISBN 3-492-05265-7, gebunden, 288 Seiten, 35.90 Franken. (jö) 37 Der Schulkreis Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz 1 Jahresabo (4 Quartalsausgaben) Fr. 35.– inkl. Porto/Verpackung (Ausland 25 Euro) Der Kampf um das Ich Jugendliche verstehen, begleiten und fördern – mit Beiträgen von Jörg Undeutsch («12 Thesen zur Pubertät»), Peer Wüschner («Übergangsrituale für Jugendliche»), Andreas Tielcke («weshalb die Steinerschule gerade auch in der Pubertätszeit die richtige Wahl ist»), Margareta Rudaz («Gestaltungsfreiheit sowie echte Verantwortung für Oberstufenschüler»). Mit Buch- und DVD-Tipps zum Thema und einem ausführlichen Verzeichnis der Integrativen Mittelschulen (IMS) in der Schweiz Fr. 6.– + Versandkosten Erich Hunziker Seinen beruflichen Weg finden B es t e l l u n g Unterstützungsmöglichkeiten zur Berufswahl, Schulwahl und Laufbahn der Jugendlichen entr’écoles Nouvelles des écoles Rudolf Steiner de la Suisse romande 1 Jahresabo (4 Quartalsausgaben) Fr. 35.– inkl. Porto/Verpackung (Ausland 25 Euro) ÁÁÁ Á§ 1VCMJnQBS MBDPNNVOBVUn EFUSBWBJMEFT nDPMFT3VEPMG 4UFJOFSFOTVJTTF (FPSH+PTU2VµFTUDFRVFMB QnEBHPHJF3VEPMG4UFJOFS 5IPNBT.BSUJ-FSIZUINF° VOFDMnQPVSBQQSFOESF +zSH6OEFVUTDI$PNNF EFMµIPNnPQBUIJF #SVOP7BOPOJ"JEFNoSFT QBJFQoSFTPVQBSUFOBJSFT ° -FQBSUFOBSJBUQBSFOUT nDPMF 5IPNBT.BSUJ4DPMBSJTBUJPO hRVBUSFBOT°VOF CBSCBSJF 5IPNBT)PNCFSHFS3FTQFDU EFMµJOEJWJEVBMJUn°3F EPVCMFS /POJOUnHSFS 6/&*/530%6$5*0/ "-"1&%"(0(*& 36%0-'45&*/&3 "MFD5FNQMFUPO-FTJNBHFT MFSIZUINFMFUPOMFTPO° -µBOHMBJTFUMµBMMFNBOEh MµnDPMF3VEPMG4UFJOFS 'SBO[JTLB)FJ[0TUIFJNFS -µBSUFUMµBSUJTBOBU°BDUJWJUnT BSUJTBOBMFTFUBSUJTUJRVFTh UPVTMFTiHFTEFMB TDPMBSJUn Eveiller la confiance – nourrir l’interet ??????????????????? ?????? ????????? ??????????????????? ?????? ????????? ??????????????????? ?????? ????????? ??????????????????? ?????? ????????? ??????????????????? ?????? ????????? ??????????????????? ?????? ????????? ??????????????????? ?????? ????????? 3PTNBSJF#MBTFS5SBWBJMMFS FUBQQSFOESF°4FNBJOFT IPSTDBESFFUTUBHFT EBOTMFNPOEFEVUSBWBJM ;TPMU+PBOPWJU[-FMJCSFDIPJY EFMµnDPMF°&DPMFEµnMJUF nDPMFQVCMJRVFPV MJCSFDIPJY Frs ??.– + port. commande 1/3 Seite hoch 125 x 136 mm Fr. 900.–/600 Euro 5PCJBT3JDIUFS1nEBHPHJF HMPCBMF°-F§QMBO TDPMBJSF¨8BMEPSG Vom Kleinkind zur Adoleszenz Ein Entwicklungspädagogischer Beitrag der Rudolf Steiner Schulen – übersichtlich, kurz gefasst und doch fundiert. Mit Beiträgen von Regula Stettler, Thomas Marti, Thomas Homberger, Magdalena Reinhard, Claudia Ackermann, Jörg Undeutsch, Prof. N. Herschkowitz, Henning Köhler, Daniel Aeschlimann, Cornelius Bohlen und Schulärztin Dr. med. Danielle Lemann. Fr. 10.– + Versandkosten 2. aktualisierte Auflage Die Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz Der erste geschichtliche Überblick über das inzwischen mehr als achtzig-jährige Wirken der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz. Die ersten Schulgründungen, die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg, die Zusammenarbeit der Schulen, die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, die Organe der Schulbewegung, das Ringen um die Sozialgestalt, Lehrerbildung, Schulportraits, Statistiken und Dokumente. Fr. 30.– + Versandkosten Lebenstüchtig Weltfremd? Zu wenig leistungsorientiert? schöngeistig? Zu wenig praxisbezogen? 50 Steinerschüler stellen sich als lebenstüchtige Ehemalige vor, die ihre Frau und ihren Mann stehen in Politik und Wissenschaft, Wirtschaft und Sport, sozialen Berufen und Kultur. Und zwar nicht «trotz», sondern – mindestens auch – «wegen» ihrer Schulzeit in einer Steiner Schule. Fr. 5.– + Versandkosten Les écoles Rudolf Steiner en Suisse Une traduction adaptée de l’ouvrage de H. Zimmermann et R. Thomas publié en langue allemande en septembre 2007. Une historique détaillée du développement de la pédagogie Rudolf Steiner en Suisse permet d’évaluer la distance parcourue depuis la fondation de la première école jusqu’à la situation actuelle en Suisse romande. Un ouvrage pour tous et surtout pour ceux qui construisent l’école d’aujourd’hui et de demain. Frs 20.– + port. commande 1/6 Seite hoch 60 x 90 mm Fr. 300.–/200 Euro 1/6 Seite quer 190 x 43 mm Fr. 450.–/300 Euro Erich Hunziker: Seinen beruflichen Weg finden Aus einem ganzheitlichen Menschenbild heraus wird auf die für die Berufswahl wichtigen persönlichen und beruflichen Merkmale hingewiesen. Der Weg der Berufsfindung mit seinen vielfältigen Aspekten wird geschildert und es werden konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, wie Jugendliche so unterstützt werden können. Dazu gibt es viele Hinweise zu Literatur und Informationsquellen. Bildungswege und -abschlüsse in der Schweiz und Wege im Europäischen Bildungsraum bilden den Abschluss. Fr. 15.– + Versandkosten m 1 Jahresabo «Der Schulkreis» Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz (4 Quartalsausgaben) m 1 Abonnement «entrécoles» Nouvelles des écoles Rudolf Steiner de la Suisse romande __ Ex. «Die Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz – eine Dokumentation __ Ex. «Les écoles Rudolf Steiner en Suisse – une documentation» __ Ex. «Der Kampf um das Ich» __ Ex. «Eveiller la confiance – nourrir l’interet» __ Ex. «Vom Kleinkind zur Adoleszenz» __ Ex. «Die Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz» ital. Ausgabe __ Ex. «Lebenstüchtig – Was Ehemalige von Rudolf Steiner Schulen heute machen.» Name/Vorname __ Ex. Erich Hunziker «Seinen beruflichen Weg finden» Adresse PLZ/Ort Senden: Koordinationsstelle der Arbeitsgemeinschaft, Carmenstr. 49, 8032 Zürich DatumUnterschrift 38 1/18 Seite hoch 60 x 43 mm Fr. 225.–/150 Euro Vertrauen wecken - Interesse nähren 1/3 Seite quer 190 x 90 mm Fr. 900.–/600 Euro Rudolf Steiner Schulen Schweiz Koordinationsstelle der Rudolf Steiner Schulen K-12 (=Kindergarten bis 12. Klasse) Coordination des écoles Rudolf Steiner K-12 (=Jardin d’enfants jusqu’à la 12ème classe) Carmenstr. 49, 8032 Zürich, Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02 www.steinerschule.ch (d,f,i) AG Aargau K-10 Rudolf Steiner Schule Aargau Alte Bernstr. 14, 5503 Schafisheim Tel. 062 892 05 20, Fax 062 892 05 24 www.steinerschule-aargau.ch Mayenfels K-12 (Oberstufe FOS) Rudolf Steiner Schule Mayenfels Mayenfels, 4133 Pratteln Tel. 061 821 22 66, Fax 061 821 21 25 [email protected] SO Münchenstein K-12 (Oberst. FOS) Rudolf Steiner Schule Münchenstein Gutenbergstr. 1, 4142 Münchenstein Tel. 061 413 93 73, Fax 061 413 93 72 www.muenchensteinerschule.ch Mittelschulen Region Jurasüdfuss (ROJ) 10-13 Bielstrasse 95, 4500 Solothurn Tel. 032 622 12 02, Fax 032 622 40 41 www.roj.ch BS Basel K-12 Rudolf Steiner Schule Basel Jakobsbergerholzweg 54, 4059 Basel Tel. 061 331 62 50 , Fax 061 331 62 55 www.steinerschule-basel.ch TG Schule und Beruf 10-12 Güterstr. 140, 4053 Basel Tel. 061 361 41 20, Fax 061 361 41 22 [email protected] TI Lenzburg Rudolf Steiner Sonderschule Bahnhofstrasse 19, 5600 Lenzburg Tel. 062 891 28 28, Fax 062 891 01 48 BE Bern/Ittigen K-12 Rudolf Steiner Schule Ittigen Ittigenstr. 31, 3063 Ittigen Tel. 031 924 00 30, Fax 031 924 00 31 www.steinerschule-bern.ch Bern/Langnau K-9 Rudolf Steiner Schule Langnau Schlossstr. 6, 3550 Langnau i. E. Tel./Fax 034 402 12 80 www.steinerschule-langnau.ch Bern/Melchbühl K-10 Rudolf Steiner Schule Bern/Melchenbühl Postfach 665, 3000 Bern 31 Tel. 031 350 40 30, Fax 031 350 40 31 www.steinerschule-bern.ch Bern/Kleinklassenschule 1-4 Rudolf Steiner Kleinklassenschule Eigerstr. 24, 3007 Bern, Tel. 031 372 11 21, Fax 031 372 11 06 Berner Oberland K-10 Rudolf Steiner Schule Berner Oberland Astrastr. 15, 3612 Steffisburg Tel. 033 438 07 17, Fax 033 438 07 18 www.steinerschulesteffisburg.ch Biel K-12 (Jurasüdfuss) Rudolf Steiner Schule Biel Schützengasse 54, 2502 Biel Tel. 032 342 59 19, Fax 032 341 83 03 www.steinerschule-biel.ch Oberaargau K-12 (Jurasüdfuss) Rudolf Steiner Schule Oberaargau Ringstr. 30, 4900 Langenthal Tel. 062 922 69 05, Fax 062 923 68 53 www.steinerschule-oberaargau.ch Schlössli Ins K-10 Rudolf Steiner Schule Schlössli Ins 3232 Ins, Tel. 032 313 40 75 Fax 032 313 40 25, [email protected] www.schloessli-ins.ch BL Birseck K-12 Rudolf Steiner Schule Birseck Apfelseestr. 1, 4147 Aesch/Dornach Tel. 061 756 90 70, Fax 061 756 90 71 www.steinerschule-birseck.ch Freie Oberstufe Baselland 10-12 Freie Oberstufenschule Baselland Gründenstrasse 95, 4132 Muttenz, Tel. 061 463 97 60, Fax 061 463 97 61 FL Schaan K-9 Waldorfschule Liechtenstein Im Bretscha 14, 9494 Schaan / FL Tel./Fax 00423 232 80 03 www.waldorfschule.li GE Genève K-12 Ecole Rudolf Steiner Genève Ch. de Narly 2, 1232 Confignon-Genève Tel. 022 727 04 44, Fax 022 727 04 45 www.ersge.ch GR Solothurn K-12 (Jurasüdfuss) Rudolf Steiner Schule Solothurn Allmendstr. 75, 4500 Solothurn Tel. 032 622 41 12, Fax 032 622 52 16 www.steinerschulesolothurn.ch Kreuzlingen K-10 Rudolf Steiner Schule Kreuzlingen Bahnhofstr. 15, 8280 Kreuzlingen Tel. 071 672 17 10, Fax 071 672 17 70 www.steinerschulekreuzlingen.ch Locarno K-7 Scuola Rudolf Steiner Locarno via Varenna 71, 6600 Locarno Tel./Fax 091 752 31 02 www.scuolasteiner.ch/locarno Lugano K-12 Scuola Rudolf Steiner Lugano via ai Magi, 6945 Carnago-Origlio Tel. 091 966 29 62, Fax 091 966 29 72 www.scuolasteiner.ch VD Lausanne K-12 Ecole Rudolf Steiner de Lausanne Route Bois-Genoud 36, 1023 Crissier Tel. 021 648 01 11, Fax 021 648 01 12 www.ecolesteiner-lausanne.ch Avrona 1-10 Bergschule Avrona, 7553 Tarasp/Scuol Tel. 081 861 20 10, Fax 081 861 20 11 www.bergschule-avrona.ch Yverdon-les-Bains K-5 Ecole Rudolf Steiner Yverdon Rue de la Plaine 9, 1400 Yverdon-les-Bains Tel. 024 426 20 22 www.ersy.ch Engiadina bassa K-9 Scoula Libra Rudolf Steiner Sotchà 231, 7550 Scuol, Tel. 081 864 89 43 www.scoulasteiner-scuol.ch ZH LU Luzern K-9 Rudolf Steiner Schule Luzern Luzernerstr. 145a, 6014 Littau Tel. 041 250 71 31, Fax 041 250 76 98 www.steinerschule-luzern.ch SG St. Gallen K-12 Rudolf Steiner Schule St. Gallen Rorschacherstr. 312, 9016 St. Gallen Tel. 071 282 30 10, Fax 071 282 30 11 www.steinerschule-stgallen.ch Wil K-9 Rudolf Steiner Schule Wil Säntisstr. 31, 9500 Wil Tel. 071 912 10 70, Fax 071 911 13 70 [email protected] www.steinerschule-wil.ch SH Schaffhausen K-10 Rudolf Steiner Schule Schaffhausen Vordersteig 24, 8200 Schaffhausen Tel. 052 625 95 80, Fax 052 624 70 88 www.steinerschule-sh.ch Sihlau K-12 Rudolf Steiner Schule Sihlau Sihlstr. 23, 8134 Adliswil Tel./ 044 710 12 42, Fax 01 709 20 39 www.steiner-schule.ch Winterthur K-12 Rudolf Steiner Schule Winterthur Maienstr. 15, 8406 Winterthur Tel. 052/202 19 97, Fax 052/202 20 15 www.steinerschule-winterthur.ch Zürcher Oberland K-12 Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland Usterstr. 141, 8620 Wetzikon Tel. 044 933 06 20, Fax 044 933 06 24 www.rsszo.ch, [email protected] Atelierschule 10-13 Atelierschule Zürich Plattenstrasse 37, 8032 Zürich Tel. 043 268 20 50, Fax 043 268 20 51 www.atelierschule.ch Zürich K-12 Rudolf Steiner Schule Zürich Plattenstr. 37, 8032 Zürich Tel. 043 268 20 40, Fax 043 268 20 41 www.steinerschule-zuerich.ch