Vertrauen wecken • interesse nähren

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Vertrauen wecken • interesse nähren
Vertrauen
wecken • interesse
nähren
Herausgegeben
von der Arbeitsgemeinschaft der
Rudolf Steiner
Schulen in der Schweiz
Georg Jost: Was ist Rudolf
Steiner Pädagogik?
4
Thomas Marti: Rhythmus –
ein Schlüssel zum Lernen
6
Jörg Undeutsch: SchulstoffHomöopathie – Ganzheitliche
Pädagogik von der Vorschustufe bis zum Schulabschluss
10
Bruno Vanoni: Hilfspersonal,
Zahleltern oder echte Partner? – Erziehungspartnerschaft zwischen Schule
und Elternhaus
12
Thomas Marti: Kindgerechte
Einschulung? Lebensprozesse respektieren
16
Eine Einführung
in die RudolfSteiner-Pädagogik
Thomas Homberger: Ehrfurcht
vor der Individualität: Kein
Sitzenbleiben – Integration
statt Selektion
18
Alec Templeton: Fremdes zu
Bekanntem machen – English,
Français an der Rudolf
Steiner Schule
20
Franziska Heiz Ostheimer:
Nachbilden und Gestalten –
handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten auf
allen Schulstufen
22
www.steinerschule.ch
www.schulkreis.ch
Rosmarie Blaser: Arbeiten
statt Lernen oder Arbeiten
und Lernen? – Vielfältiger
Projektunterricht und Praktika
in der Arbeitswelt
25
Zsolt Joanovitz: Frei Schulwahl – Volksschule oder
Eliteschule?
28
Tobias Richter: Globale Pädagogik – Der «Waldorf-Lehr
plan» an über 1000
Schulen weltweit
31
Roland Muff: Qualifizierte
Abschlüsse – Profile der
Integrativen Mittelschule
34
Interview mit Remo Largo:
«Beziehung kommt vor
Erziehung»
37
Sonderdruck von Der Schulkreis – der Zeitschrift der Rudolf Steiner
Schulen von Adliswil, Avrona, Basel, Bern/Ittigen, Biel, Birseck, Genève,
Ins, Kreuzlingen, Langenthal, Langnau, Lausanne, Luzern, Münchenstein, Muttenz, Pratteln, St. Gallen, Schaan, Schaffhausen, Schafisheim,
Scuol, Solothurn, Steffisburg, Wetzikon, Wil, Winterthur und Zürich
www.schulkreis.ch www.steinerschule.ch
Redaktion: Robert Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich,
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Der
Schulkeis
Die Zeitschrift der Rudolf-Steiner-Schulen in der Schweiz
1/3 Seite hoch
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Beiträge zu den Schwerpunktthemen
Pädagogik und Bildungspolitik
Aktuelle Nachrichten
aus der schweizerischen und
internationalen Schulbewegung
Weiterbildung und Stellenmarkt
Herausgegeben
von der Arbeitsgemeinschaft der
Rudolf-SteinerSchulen in der Schweiz
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la communauté
de travail des
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Steiner en suisse
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Der Schulkreis
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Vertrauen wecken - Interesse nähren
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
Jörg Robert
3
Was ist Rudolf Steiner-Pädagogik
Mut zum Wagnis
und Vertrauen
Zwei Gesten grenzt Georg Jost voneinander ab: Stellt sich die Erziehung, der
Erziehende mit seinen Forderungen, seinen «Lehrplänen» und «Erziehungszielen» der Individualität des Kindes entgegen – oder erklärt sich der Erziehende bereit, sich mit dem Kind auf dessen individuellen Weg zu begeben?
Rudolf Steiner Pädagogik stellt sich ganz in den Dienst der Lebensaufgabe,
des Zukunftspotentials jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen.
Ein 7-Minuten-Vortrag von Georg Jost.
In sieben Minuten kann keine auch nur
annähernd umfassende Antwort auf die
Frage «Was ist Steiner-Pädagogik?» gegeben werden. Also ist es angebracht,
einen Aspekt herauszugreifen, das Augenmerk auf einen grundlegenden Ansatz unserer Bemühungen zu richten.
Rudolf Steiner schreibt 1907 in seiner
frühen pädagogischen Schrift «Die
Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft»:
«Nicht Forderungen und Programme
sollen aufgestellt, sondern die Kindesnatur soll einfach beschrieben werden. Aus dem Wesen des werdenden
Menschen heraus werden sich wie von
selbst die Gesichtspunkte für die Erziehung ergeben.»1
Remo Largo
Um eine Brücke über die zurückliegenden 100 Jahre und zur aktuellen öffentlichen Bildungsdiskussion zu schlagen, drei Zitate aus einem Interview mit
Remo Largo, Kinderarzt in Zürich:
– «Orientieren wir uns also an den Fähigkeiten des einzelnen Kindes und
machen eine Schule, die diese möglichst fördert und dadurch kompetente und selbstbewusste Menschen
heranzieht.»
– «Diese Lehrplanziele (die von der Politik für die staatlichen Schulen vorgegebenen) orientieren sich nicht an den
Bedürfnissen der Kinder.»
– «Das Kind bestimmt mit seinem Entwicklungsstand, wozu es zu lernen
bereit ist.»2
Aussagen, die nahe beieinander liegen.
Wir – Lehrerinnen und Lehrer der Rudolf
Steiner Schule – gehen davon aus, dass
das Kind, wenn es geboren wird, als
«vollständige» Individualität die Erde
betritt, es seine Individualität schon
mitbringt. Mit ihr bringt es auch eine Art
Lebensaufgabe mit, sein Zukunftspotential. Wir verstehen das nicht als fatalistische Schicksalsergebenheit. Aber doch
so, dass es nicht unsere – damit sind
alle erziehenden Erwachsenen gemeint
– Aufgabe sein kann, die Individualität
und Zukunft des Kindes zu definieren,
zu gestalten und zu kreieren.
Diese Individualität des Kindes mit Ihrer
Zukunft begegnet nun den erziehenden
Erwachsenen: Eltern, Kleinkinderzieher/
innen, Kindergärtner/innen, Lehrerinnen
und Lehrern.
Vor allem aber ist es in der Regel so, dass
die Individualität schon vor der Geburt
Programmen begegnet: Die Zeugung ist
möglicherweise bald umfassend programmierbar, die Geburt und ihr Zeitpunkt ist zunehmend programmiert...
Die Liste kann jeder selbst fortsetzen.
Und selbstverständlich ist die rasant und
umfassend eingreifende «Durchcomputerisierung» der Gesellschaft nichts anderes als «Programm pur». Programme
sind eben ganz klar auch die Lehrplanziele der öffentlichen Schulen.
An unseren Schulen bemühen wir uns
darum, Rudolf Steiners Devise – aus
der Wahrnehmung des sich entwickelnden Kindes heraus die Gesichtspunkte
für die Erziehungsaufgabe «abzulesen»
– als Grundlage für eben diese Aufgabe
zu nehmen.
Natürlich haben auch wir Lehrpläne. Diese sind aber so aufgebaut, dass erstens
Stoffverarbeitung als Erziehungshilfe
verstanden wird und zweitens der Entwicklungsstand der Kinder massgebend
ist für die Frage, was wann und wie mit
den Schülerinnen und Schülern behandelt werden soll. Es ist auch klar, dass
wir diese grundsätzliche Erziehungshaltung nicht vollumfänglich und konsequent beibehalten können: Wir stehen
im Kontext von Gesellschaft und Zeitgenossenschaft und wollen unseren Schülerinnen und Schülern keine ihnen mög-
liche «Anschlüsse» verbauen.
Es geht um zwei in
ihrer Richtung gegensätzliche Gesten. Bei der einen
begegnet die Kindesindividualität einer Welt, in der Erwachsene definieren,
als Ziel inhaltlich festlegen, wohin ihre
Entwicklung führen soll; und je umfassender und feiner der Erziehungsprozess durchprogrammiert ist, desto absehbarer kann zwischenzeitlich beurteilt werden, ob das Ziel vom Kind erreicht wird oder nicht. Die inhaltliche
Definition des Zieles wird aus einer Einschätzung der Zukunft abgeleitet. Diese Einschätzung wird einerseits aus in
ihrer Vergangenheit von den Erwachsenen gemachten Erfahrungen, vor allem
aber aus Statistiken gewonnen, die ja
wiederum nichts anderes sind als der
Versuch, Zukunftsprognosen mittels
Programmen zu definieren oder aber
eine nur jeweils bruchstückhaft erfasste Gegenwart hochzurechnen. Zuerst
wird also die Zukunft definiert aus dem
Bedürfnis heraus, die Gegenwart zu optimieren oder gegenwärtige Defizite zu
korrigieren. So werden Programme formuliert, nach denen das Kind formen ist.
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
Beispiel: Die «Pisaergebnisse» lösen in
der Bildungspolitik Panik aus und führen
zu fieberhaften Umformulierungen nicht
nur der Lehrplanziele, sondern auch des
Bildungssystems.
Dieser Geste steht gegenüber die von
Steiner angeregte: Aus der Wahrnehmung der Individualität und des Entwicklungsstandes des Kindes heraus
versuchen zu ahnen, zu erspüren – ein
«Wissen» kann es nie sein -, was das
Kind braucht, damit es sein Potential
möglichst gut, das heisst möglichst umfassend entwickeln, entfalten kann.
Gegenüber in der
Erziehung, auf das
Kind.
Die Gesten sind
klar: Hier stellt
sich die Erziehung, der Erziehende mit seinen Forderungen der Individualität des Kindes
entgegen; da erklärt sie, erklärt sich der
Erziehende bereit, sich mit dem Kind auf
dessen Weg zu begeben.
Die Steinerschule als «System» bemüht
sich um diese begleitende Erziehungsgeste. Lehrerin oder Lehrer an einer Steinerschule zu sein alleine bewahrt aber
noch nicht davor, die konfrontative Geste einzusetzen. Hier ist die Individualität
der Lehrerin, des Lehrers gefragt, ihre
Überzeugung, ihre Bereitschaft.
Keine Programme
Programme geben scheinbar Sicherheit,
sie sind überschaubar, berechenbar. In
der Erziehung keine Programme aufzustellen – und dazu muss jeder «Plan»
gezählt werden, der ein inhaltlich definiertes Entwicklungsziel festlegt –, das
fordert nicht mehr und nicht weniger
als Mut und Vertrauen. Mut zum Wagnis, zum Suchen und Vertrauen auf das
1 Rudolf Steiner «Die Erziehung des Kindes vom
Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft»,
Dornach 2003, S. 14.
2 Interview mit Remo Largo, «Das Magazin» Nr. 2
vom 12. Januar 2008.
Thomas Marti
Vermittler des Gefühls- und Willenslebens,
Grundlage begrifflichen Denkens
Rhythmus – ein
Schlüssel zum
Lernen
Eine Pädagogik, die nur intellektuelle oder soziale Fähigkeiten im
Blick hat, müsste einseitig sein, wenn nicht auch die Entwicklung
der körperlichen Verfassung als zum ganzen Menschen dazugehörig
einbezogen würde. Die körperliche Verfassung ist quasi die irdische
Basis, auf der ein Mensch im handfesten Sinne überhaupt erst handlungsfähig werden kann. Die schönsten Ideen und ausgeklügeltsten
Konzepte taugen nichts, wenn sie nicht wirklich ins Leben hineingeführt werden können und damit erst Hand und Fuss bekommen.
Unser Leib ist dafür das wichtigste Werkzeug.
Das Herz und das gesamte Kreislaufsystem gehören gemeinsam mit den Atemorganen zur «Mitte» des Menschen. Ihre
Tätigkeit ist nicht nur die Folge von Körpervorgängen im Organismus (Transport
und Verteilung wichtiger Stoffe, Energieversorgung), die Organe widerspiegeln
auch seelische Vorgänge: Ein schnelles
oder langsames Herzklopfen, ein tiefer
Seufzer oder ein stockender Atem sind
ein jeweils direkter Ausdruck vielfältigster psychischer Zustände und Vorgänge.
In den Rhythmischen Organen greifen körperliche und seelisch-geistige Prozesse
intim ineinander und bestimmen wechselseitig ihre Funktion. Die Rhythmischen
Organe sind psychosomatische Organe
par excellence.
Auch für das Lernen ist Rhythmus eine
wichtige Voraussetzung. Rhythmus muss
aber selbst auch erlernt und entwickelt
werden. Wir können davon ausgehen,
dass diese Fähigkeitsbildung die ersten
ungefähr zwölf bis vierzehn Lebensjahre
beansprucht.
Die Herz-/Atem-Reife
Die Fähigkeit des Rhythmischen Systems,
körperliche und seelisch-geistige Vorgänge zusammenzubringen und zu koordinieren, ist nicht angeboren. Zwar haben
sich während der Embryonal- und Fötalentwicklung die Organe Herz und Lun
ge gebildet und sind auf die Geburt hin
zu elementaren physiologischen Funktionen ausgereift. Die Fähigkeit zum rhythmischen Zusammenspiel muss sich jeder
Mensch aber im Verlaufe seiner Kindheit
erst noch erwerben. Man kann sich diesen Erwerb vorstellen wie das Erlernen
des Musizierens: Der Besitz einer Flöte
oder Geige bedeutet ja noch nicht automatisch, dass auf diesen Instrumenten
auch schon gespielt werden kann. Das
Beherrschen der Instrumente und ihr Zusammenklingen bedürfen der langen und
beharrlichen Übung. Tatsächlich müssen
auch die Instrumente des Rhythmischen
Systems orchestral gestimmt werden, um
ihre Funktionen im Gesamtorganismus
voll und ganz erfüllen zu können.
Diese «Stimmung» oder rhythmische Koordination von Atem- und Herzfunktionen
findet zur Hauptsache im Alter zwischen
etwa 6 und 12 Jahren statt. Die volle Herz-/
Atem-Reife wird also erst im beginnenden
Jugendalter erreicht, womit die rhythmische Organisation «erwachsen» und in
einer gewissen Weise auch autonom wird.
Namentlich die ersten Schuljahre sind für
das Kind eine rhythmologisch besonders
sensible Zeit, weshalb der rhythmischen
Gestaltung der Lebensbedingungen eine
herausragende Bedeutung für die Gesundheit der Kinder zukommt. Aus diesem Grund wird in den Rudolf Steiner
Tatsächlich müssen auch die Instrumente des Rhythmischen
Systems orchestral gestimmt werden, um ihre Funktionen im
Gesamtorganismus voll und ganz erfüllen zu können.
Schulen hauptsächlich in den unteren
Klassen ganz besonderer Wert gelegt auf
eine rhythmische und künstlerisch durchgestaltete Arbeit mit den Kindern.
Eine Besonderheit des ausgereiften
Rhythmischen Systems ist die allnächtliche Harmonisierung von Herzpuls und
Atmung während des Schlafes. Rudolf
Steiner hat bereits 1905 darauf hingewiesen, dass sich diese Harmonisierung
in einem bestimmten Zahlenwert niederschlägt und sich das Einpendeln der Pulsund Atemfrequenz in einem einfachen
mathematischen Verhältnis ausdrücken
lässt: Beim gesunden Erwachsenen liegt
dieser Wert im Tiefschlaf bei 4:1, d.h. auf
vier Pulsschläge kommt ein Atemzug (ausgedrückt als QPA = Quotient Puls/Atem).
Tagsüber sind diese Werte individuell und
können je nach äusseren Anforderung
auch sehr unterschiedlich sein. Nachts
dagegen findet eine über-individuelle
rhythmische Ordnung um den Wert 4:1
statt (musikalisch entspricht das Verhältnis 4:1 der Doppeloktav). Bei Kindern im
Kindergarten und in den unteren Klassen
kann der nächtliche Wert bei 7:1, 6:1 oder
5:1 liegen. Erwachsene Werte treten erst
ungefähr ab der 6. Klasse auf. Sie sind der
«musikalische» Ausdruck der Herz-/Atemoder Rhythmischen Reife.
Was bedeutet dies nun alles? Die Verhältnisse im Nachtschlaf geben ein Bild
Vertrauen wecken - Interesse nähren
ab von der Fähigkeit, die täglichen Anforderungen seelisch bewältigen zu können
und wieder «geordnete» und «stimmige»
Verhältnisse herzustellen. Ein regenerierender, gesundender Schlaf ist objektiv
durch die beschriebene Harmonisierung
des Puls-/Atem-Quotienten gekennzeichnet, subjektiv wird beim Aufwachen erlebt: «Ich fühle mich ausgeschlafen, erholt und gekräftigt». Schlafstörungen
zeigen sich physiologisch in der Unfähigkeit, die tägliche «Chaotisierung» nachts
zu harmonisieren und zu ordnen. Ein disharmonischer und vom Goldstandard abweichender QPA ist Ausdruck der Unfähigkeit, im Schlaf wieder zu vollen Kräften
zu kommen.
Das Rhythmische System und seine Tätigkeit lässt sich in einem Bild ausdrücken: Das Rhythmische System ist wie
eine Tänzerin, die ihre Bewegungen in
ein sensibles Wechselspiel mit den Rhythmen der gespielten Musik zu bringen vermag. Dabei kann sie sowohl ganz bei sich
bleiben wie auch ganz in der Musik leben
und sich von ihr tragen lassen. Das Spielerische ist ihr Element. Im Gegensatz zu
marschierenden Soldaten, die unpersönlich werden müssen, um ihre uniformen
Schritte nach dem mechanischen Takt der
Pauken ausrichten zu können, schwingt
der Rhythmus des Tänzers und umspielt
die Rhythmen der Musiker. Musiker und
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
Tänzerin spielen miteinander und bringen
erst durch dieses Wechselspiel hervor,
was man einen lebendigen Gesamtrhythmus nennen kann.
Rhythmus und schulisches Lernen
Lernen ist weit mehr als ein blosses Aneignen von Fertigkeiten und Kenntnissen.
Die an der Informationstechnik orientierte
Vorstellung, Lernen sei eine Art der Eingabe, der Verarbeitung und Speicherung von
Daten, ist unzureichend. Eine blosse Datenverarbeitungsmaschine kann ja weder
Interesse aufbringen noch Begeisterung
entfalten oder sich gar langweilen! Das
sind alles Seelenregungen, die zwar aufgrund des Gehirns bewusst werden können, ihre Wurzeln aber im Gefühls- und
Willensleben haben. Für das Lernen ist
diese Einwurzelung im ganzen Menschen
unerlässlich. Das Gefühls- und Willensleben wird durch das Rhythmische System
vermittelt.
Zum Lernen gehört nicht nur das Gedächtnis und die Fähigkeit zum Erinnern, sondern auch das Vergessen. Wie sonst sollten wir Fantasie entfalten und für Neues
offen werden können, wenn wir ständig
besetzt wären von der Gegenwart des
schon Gewussten oder Bekannten? Die
Fähigkeit, sich im richtigen Moment an
das Richtige zu erinnern oder auf neue
und zündende Ideen zu kommen, geht ein-
her mit der Fähigkeit, auch vergessen und
loslassen zu können. Ein solches Vergessen und Loslassen geschieht aber immer
nachts, wenn wir schlafen – es ist sogar
die notwendige Bedingung dafür, überhaupt schlafen zu können!
Aus der neueren Schlafforschung ist empirisch gut belegt, dass das Gelernte nachts
nicht verloren geht, sondern eine essenzielle Wandlung und Läuterung erfährt.
Was wir gestern vielleicht mit Mühe und
Anstrengung gelernt haben, erfährt durch
den Schlaf eine Kräftigung und Verankerung in unserem Wesen, so dass wir nach
dem Aufwachen die Erfahrung machen
können, wie wir jetzt mehr können als
noch vor dem Einschlafen am Vorabend.
Auch Probleme lösen sich erstaunlicherweise oft im Schlaf - wenn wir dieser Lösung vorher nur kräftig genug zugearbeitet haben. Der Schlaf spielt ganz entscheiden eine seelisch-geistig klärende und
kräftigende Rolle!
Ein gesundes Lernen und das Vergessenkönnen gehören untrennbar zusammen. Ihre Verbindung ist eine ähnliche
wie diejenige zwischen Aufwachen und
Einschlafen oder zwischen dem Ein- und
Ausatmen: Erst in ihrer rhythmischen
Wechselwirkung kommt das Ganze des
jeweiligen Vorgangs zum Tragen. Die Herz/Atem-Reife geht also einher mit der Fähigkeit des richtigen Einschlafen- und
5
Kinder verfügen über ein vollumfängliches, also
auch intellektuelles Lernvermögen erst, wenn
sie fähig sind, sich selber im Schlaf zu ordnen
und sozusagen Anschluss an die regenerierenden
Ressourcen der Nacht zu finden.
Aufwachenkönnens als Voraussetzung
einer gesunden Lernkultur. Das Medium,
welches eine solche Lernkultur fördert,
heisst rhythmisch-künstlerischer Unterricht. Kinder verfügen über ein vollumfängliches, also auch intellektuelles Lernvermögen erst, wenn sie fähig sind, sich
selber im Schlaf zu ordnen und sozusagen Anschluss an die regenerierenden
Ressourcen der Nacht zu finden. Wie wir
gesehen haben, ist dies ab etwa dem 12.
bis 14. Lebensjahr der Fall.
Rhythmus und begriffliches Denken
Die Entwicklung des Rhythmischen Systems hat noch weitere Folgen für das Lernen des Kindes und Jugendlichen: Die
Herz-/Atem-Reife ist auch eine Vorbedingung für das realitätsbezogene oder
sachgemässe begriffliche Denken. - Da
dieser Zusammenhang nicht einfach so
auf der Hand liegt, versuche ich ihn kurz
zu erläutern:
Wenn wir etwa sagen, dass wir irgendeine
Erscheinung aus ihren Ursachen heraus
verstehen, dann ist dies nur möglich,
weil wir die Erscheinung nicht nur sinnlich wahrnehmen und erleben, sondern
sie auch begreifen und also in einem gesetzmässigen Zusammenhang mit anderen Erscheinungen denkend erfassen können. Ein Beispiel: Aus dem Erlebnis eines
sehr heissen und schwülen Sommertages
ergibt sich noch nicht ohne weiteres das
Verständnis des abendlichen heftigen
Gewitters. Und aus dem Erleben dieses
Gewitters verstehen wir auch noch nicht
unbedingt den erneut strahlenden und
sonnigen Folgetag. Zunächst erleben wir
ja nur eine Abfolge von wechselnden atmosphärischen Erscheinungen. Um die-se
jedoch in ihrem inneren Zusammenhang
auch zu verstehen, müssen wir die Erscheinungen nicht nur erleben, sondern
auch denken können. Das Erlebenkönnen
ist dabei unerlässlich, wenn wir zu den
Phänomenen auch einen begrifflichen,
denkenden Zugang bekommen wollen.
Das begriffliche Denken ist die wichtigste Voraussetzung naturwissenschaftlicher
Welterklärung und konstituiert im Wesentlichen unser modernes Bewusstsein.
Ohne begriffliches Denkvermögen würden
wir in einer Welt der blossen Bilder und
Empfindungen leben - bar jeder Möglichkeit, ihren Zusammenhang auch wirklich
verstehen zu können und zu tieferen Einsichten zu kommen.
Dieser begriffliche Zusammenhang ist
meistens ein kausaler, also ein Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Der
naive oder noch kindliche Mensch erlebt
nur die zeitliche Abfolge von Ereignissen,
ohne diese Abfolge aber auch begrifflich
durchdringen zu können. Jean Gebser
hat dies das «mythische Bewusstsein»
genannt, das von Wirkungsgeschichten
und vom Geheimnis ihrer magischen Hintergründe erfüllt ist. Erst im begrifflichen
Denken aber ist Aufklärung möglich, indem in der Wirkung auch die Ursache und
in der Ursache die Wirkung erfasst und gedacht werden kann.
Ursache und Wirkung gehören begrifflich
untrennbar zusammen. Es macht keinen
Sinn, von Ursachen zu reden, wenn ich
keinen Begriff von Wirkung habe - und
umgekehrt. In unserem Beispiel: Im Begriff «schwüler und heisser Sommertag»
ist die Wirkung «heftiges Abendgewitters»
gleichsam veranlagt. Der Begriff umfasst
nicht nur die Jahreszeit, die starke Sonneneinstrahlung mit hohen Temperaturen
und einer hohen Luftfeuchtigkeit, sondern
ebenso die damit zusammenhängende
atmosphärische Dynamik, das rasche
Aufziehen und mächtige Auftürmen von
Wolken, die einsetzenden Böen, dann der
heftige Wolkenbruch usw. In all diesen Erscheinungen ist das Gewitter als Wirkung
sozusagen schon inbegriffen, es ist in seinen erkennbaren Ursachen schon anwesend, bevor das Gewitter mit Blitz und
Donner ausbricht und uns als atmosphärische Erscheinung beeindruckt.
Was hat dies alles mit Rhythmus und mit
der Herz-/Atem-Reife zu tun? Zunächst
kann jetzt klar werden, dass kausales begriffliches Denken eine innere Bewegung
voraussetzt, und zwar von der Ursache
zur Wirkung und von der Wirkung zur Ursache. Das ist als Vorgang nichts anderes, als was z.B. auch die rhythmische
Verbindung schafft von Einatmen und
Ausatmen oder von Aufwachen und Einschlafen. Um Begriffe bilden zu können
und das Denken an die erfahrbare Realität anzuschliessen, bedarf es einer Art
dialektischer Beweglichkeit, eine Kunst
der inneren Gesprächsführung, durch welche Gegensätze und Widersprüche, Trennendes und Verbindendes, Einfälle und
Wahrnehmungen, Thesen und Antithesen
etc. aufgefunden und zur Begegnung oder
gar Aussöhnung geführt werden können.
Diese Fähigkeit zum inneren Dialog hat
als Voraussetzung die Fähigkeit, Differenzen und Spannungen seelisch auszuhalten und ertragen zu können, sie sogar
zu steigern und damit aktiv einer Lösung
und Klärung zuzuführen. Diese Grundlagenfähigkeit zum begrifflichen Denken ist
mit dem Beginn des Jugendalters durch
die Herz-/Atem-Reife gegeben. Es ist auch
die Zeit, in welcher sich der Jugendliche
selbst als Ursache begreifen lernt und anfängt, Zukunft zu gestalten und Geschichte zu machen. Die Herz-/Atem-Reife ist die
Grundlage für das Aufkommen des so genannten Jugendidealismus.
Rhythmus – eine Zeitaufgabe in doppelter Hinsicht
Rhythmus bedeutet «Gestaltung in der
Zeit»: Ruhe und Bewegung, BeschleuniVertrauen wecken - Interesse nähren
gung und Verlangsamung, äussere
Aktivität und innere Konzentration,
Vergessen und Erinnern, Leistung
und Erholung, Einschlafen und Aufwachen, sich verwandelnde Wiederholungen etc.
Das sind alles Beispiele solcher Gestaltungselemente
in der Zeit. Was wir
tagtäglich bewusst
oder unbewusst
tun und wie wir
dabei die Zeitläufe gestalten, greift
tief in das Rhythmische System unseres Organismus
ein und kann hier
zu körperlichen
Auswirkungen führen. Im idealen Fall gibt
Rhythmus Kraft, so wie auch umgekehrt
alle Einseitigkeiten wie ununterbrochene
Leistungsbereitschaft («Stress») oder
Ruhelosigkeit und Hektik an den Kräften
zehren und sich auf die Dauer krankmachend auswirken.
Die Organe des Rhythmischen Systems
sind eine Art Wahrnehmungsorgane für
zeitliche Lebensverhältnisse. Sie funktionieren nicht nur rhythmisch (Systole und
Diastole des Herzens, Einatmen und Ausatmen), sie tun dies im intimen Wechselspiel mit den Aussenrhythmen, in welchen
wir leben. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Herz- und Kreislauferkrankungen eigentliche Zivilisationskrankheiten sind und heute in der Rangliste der
verbreitetsten ernsthaften Beschwerden
ganz vorne stehen. In den meisten Fällen
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
treten die krankhaften Symptome erst
nach dem ungefähr 40. Lebensjahr auf.
Aus jüngeren Untersuchungen ist aber bekannt, dass die ersten pathologischen Veränderungen am Herzen schon in der frühesten Jugendzeit, wenn auch «verdeckt»,
aber doch nachweisbar auftreten. So haben Untersuchungen an jungen Organspendern ergeben, dass ungefähr 20 % aller 13- bis 19-Jährigen bereits arteriosklerotische Veränderungen der Herzkranzgefässe aufweisen und damit eine riskante
Disposition für spätere Erkrankungen zeigen. Bei den 20- bis 29-Jährigen ist der Anteil von Betroffenen bereits mehr als verdoppelt. Es ist dabei bekannt, dass neben
Rauchen, Fehlernährung und mangelnder
Bewegung der so genannte «Stress» (also
die Dauerüberspannung, die Hektik und
Atemlosigkeit) zu den Hauptrisikofaktoren
gehört. Der Pflege
rhythmischer Lebensverhältnisse
kommt aus diesen
Gründen eine ganz
besondere Bedeutung zu.
In der Pädagogik
der Rudolf Steiner
Schulen ist die Bedeutung des Rhythmus und der künstlerisch geführten
Prozesse bereits
in der Begründung
umfassend erkannt
worden und findet
ihren Niederschlag
nicht nur im Fächerkanon oder in der
Unterrichtsmethodik, sondern auch
in der Gestaltung
des Stundenplans
und dem epochalen Unterricht. Die rhythmisch-künstlerisch gestaltete Arbeit mit den Kindern
ist also nicht nostalgisch begründet und
folgt nicht romantischen Harmoniebedürfnissen, sondern ist von grösster Aktualität
und ergibt sich als unabdingbare gesundheitsfördernde Notwendigkeit aus den gegenwärtigen Zivilisationsverhältnissen.
1 Siehe dazu etwa: Thomas Marti: Wie
kann Schule die Gesundheit fördern? Erziehungskunst und Salutogenese. Verlag
Freies Geistesleben, Stuttgart 2006 (Kapitel «Schlafen und Wachen»)
Thomas Marti ist wissenschaftlicher Projektleiter
der basal-stufe an der Rudolf Steiner Schule Bern
und Dozent an der «Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik» in Mannheim
Jörg Undeutsch
Erwachsenen sehnen: Autorität, ohne autoritär sein zu müssen.
Ganzheitliche Pädagogik von der Vorschulstufe
bis zum Schulabschluss
Eurythmie und Gartenbau
Meist schon von der ersten Klasse an werden zwei Fremdsprachen unterrichtet in
den Rudolf Steiner Schulen - rhythmisch,
spielerisch vermittelt zunächst, später
mit auch mit Knochen und Sehnen, mit
Grammatik untermauert. Und es gibt eigentümliche Fächer in den Rudolf Steiner
Schulen, Gartenbau, Eurythmie und Kupfertreiben zum Beispiel, oder ein Landvermessungspraktikum. - Warum das alles?
Beschreiben diese Äusserlichkeiten, was
die Rudolf Steiner Schule will? Ja - aber
nur, wenn man zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Der grosse, der eigentliche
Unterschied zwischen den Rudolf Steiner
Schulen und fast allen anderen Schulen
liegt nämlich im Ziel der Schule selbst.
Die Rudolf Steiner Schulen kennen keine
«Lernziele», zumindest keine konkreten,
die man in klare Worte, in Anforderungsprofile giessen könnte und in Prüfungen
ermitteln. Sie will die Kinder und Jugendlichen zu nichts erziehen, nicht zu Christen,
nicht zu «nützlichen Gliedern der Gesellschaft», nicht zu «braven Bürgern» und
auch nicht zu rebellischen, sie will sie auch
nicht «fit machen für den Arbeitsmarkt».
Sie will die Kinder zu sich selber führen,
will ihnen helfen, sich zu entdecken, zu
erproben, zu entfalten. Jeder Mensch ist
eine unverwechselbare, eigenständige
Persönlichkeit, niemand kommt als «leere Tafel» auf die Welt. Jeder Mensch bringt
etwas mit, wenn er seine Erdenreise antritt, einen Lebensentwurf, ein Lebensziel,
Lebensthemen zumindest und zuvorderst
– sich selbst. Davon gehen Rudolf Steiner-Pädagoginnen und -Pädagogen aus.
Niemand irrt leer, sinn- und ziellos durch
die Welt. Dieses Ziel, diese Themen, letztlich: sich selbst (wieder) zu finden – dabei
will die Rudolf Steiner Schule helfen; damit jeder Schüler, jede Schülerin aufrecht
aus dieser Schule gehen kann mit dem zur
Gewissheit gereiften Empfinden: Ich kann
mich finden, ich gehe meinen Weg.
SchulstoffHomöopathie
«Nachhaltiges Lernen» haben sich die Rudolf Steiner
Schulen auf die Fahnen geschrieben, eine «ganzheitliche
Pädagogik» vertreten sie, vom Kleinkindalter bis in die
Oberstufe. Was heisst das – jenseits des alt bekannten
Schlagwortes von «Kopf, Herz und Hand»? Das Ziel der
Schulen ist ein anderes, meint Jörg Undeutsch. Um zu
beantworten, was er damit meint, nimmt er etwas Anlauf
– und legt damit zugleich eine kurze, allgemein verständliche Einführung in die Rudolf Steiner-Pädagogik vor.
Was unterscheidet die Rudolf Steiner-Pädagogik von der «Staatsschul»-Pädagogik
oder anderen Formen «alternativen» Umganges mit Kindern und Jugendlichen?
Äusserlich betrachtet, ist die Antwort
schnell gefunden. Schwieriger ist es, hinter den Kulissen nach dem zu suchen, was
eine ganzheitliche, nachhaltige Pädagogik
wirklich ausmacht.
Fangen wir mit dem an, was schnell zu finden ist: Es gibt keine Noten in der Rudolf
Steiner Schule, keinen äusserlich aufgezwungenen Leistungsdruck. Die Kinder
und Jugendlichen können nicht «sitzen
bleiben», in ihrem jeweiligen Klassenverband schreiten sie von Stufe zu Stufe gemeinsam weiter. Künstlerisch-Musisches
und Handwerkliches nimmt einen breiteren Raum ein als in den meisten anderen
Schulen, die Kinder singen und musizieren, malen und plastizieren, lernen und
sprechen Gedichte, spielen Theater.
Epochenunterricht
In den meisten Rudolf Steiner Schulen beginnt jeder Schulmorgen mit dem so genannten «Hauptunterricht»: eineinhalb
bis zwei Stunden Unterricht am Stück,
ohne Pause, dafür in sich gegliedert in
einen bewegten künstlerisch-rhythmischen Auftakt, eine konzentrierte Lernund Übphase und einen beruhigenden,
abschliessenden Schlussteil, in dem der
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Lehrer, die Lehrerin erzählt oder vorliest Märchen, Fabeln und Legenden in den unteren Klassen, später Sagen, Episoden aus
der Geschichte oder Biografien. Fast aller
«Stoff», alle üblichen «Fächer» werden in
diesem Hauptunterricht vermittelt: Schreiben, Lesen, Rechnen, Pflanzen- und Tierkunde, Heimat- und Erdkunde, Geschichte, Physik und Chemie, aber auch Astronomie, Haus- und Feldbau, Lebenskunde.
Immer mehrere Wochen lang behandelt
der Lehrer ein Fach, bleibt die Klasse an
einem Thema, vertieft das Thema Schritt
für Schritt, lebt sich darin ein – dann darf
es ruhen, absinken, wird erst ein halbes,
ein ganzes Jahr später wieder aufgegriffen und weiter entwickelt. «Epochenunterricht» nennt das die Rudolf SteinerPädagogik. Diesen Hauptunterricht in Unterichts-Epochen gibt der Klassenlehrer,
die Klassenlehrerin. Auch sie gehört zu
den Besonderheiten der Rudolf SteinerPädagogik, die ins Auge fallen: In den
Klassen eins bis acht begleitet in der Regel
dieselbe Lehrperson die Klasse, Jahr für
Jahr. So viel wie möglich unterrichtet sie
die Klasse selbst, begleitet sie nicht nur
als Lernpartnerin, sondern ein wenig auch
als Erzieherin oder – wie Allan Guggenbühl es einmal ausgedrückt hat – «Oberbandenchef». Sie will den Kindern ihrer
Klasse in dem Alter ein Vorbild sein, eine
Führerin, in dem sich Kinder nach solchen
Seelen-Nahrung
Deshalb bemüht sich die Rudolf Steiner
Schule, die Kinder so lange wie möglich
«bildsam» bleiben zu lassen, ihr Interesse zu wecken, ihre Lebendigkeit zu erhalten – und sie vor all den Einflüssen zu
schützen, die sie vorzeitig «verhärten»,
erstarren lassen, vertrocknen. Deshalb
versucht die Rudolf Steiner Schule, die
Kinder und Jugendlichen so vielseitig wie
möglich anzuregen, sich nicht nur an den
Kopf zu wenden, sondern auch Herz, Hand
und Fuss mit einzubeziehen. Und deshalb
ist der Schul»stoff» für die Rudolf Steiner Schule so etwas ganz anderes als wir
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Niemand irrt leer, sinn- und ziellos durch die Welt. Dieses
Ziel, diese Themen, letztlich: sich selbst (wieder) zu finden
– dabei will die Rudolf Steiner Schule helfen.
das von so vielen anderen Schulen her
gewohnt sind. Herkömmliche Schulen
wollen ihren Schülerinnen und Schülern
etwas beibringen; wollen, dass die Schülerinnen und Schüler sich etwas merken.
Für Rudolf Steiner Schulen ist der «Stoff»
kein Wissen, das ich abspeichern und
auf Befehl wiedergeben, im besten Fall
anwenden können muss. Der «Stoff» ist
Nahrung, Seelen-Nahrung. Er wird zum
Erlebnisschatz, zum Mittel individueller
Menschen-Bildung.
Aufwachen zu sich selber sollen die Kinder am «Stoff». Er soll ihnen helfen, all
die Entwicklungsschritte der Kindheit und
des Jugendalters kraftvoll zu durchleben,
an diesen Schritten, die jede und jeder
macht, das zu entfalten, was der ganz eigenen Entwicklung dient.
Deshalb fragt die Rudolf Steiner Schule nicht: Wie muss ich Stoffhäppchen an
Stoffhäppchen reihen, damit der Stoff
gut verdaulich den Kindern möglichst
schmerzlos eingeflösst werden kann. Sie
fragt: Welcher «Stoff» hilft den Kindern,
den Jugendlichen in welchem Alter, welchen Entwicklungsschritt zu tun? Jedes
Alter hat seine verborgenen, latenten
Fragen, manche bewusst, manche unbewusst. Sie zu beantworten, sie klären zu
helfen - das vor allem ist die Aufgabe des
Schulstoffes in der Rudolf Steiner Schule.
Denn nur so dient er nicht irgendeinem
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
äusseren Zweck, sondern dem einen grossen Ziel der Rudolf Steiner Schule: Menschen zu sich selbst zu führen – der Erziehung zu Selbstbestimmung und Freiheit.
Vergessen dürfen
Das führt uns noch einmal zu einem Unterschied zwischen den Rudolf Steiner
Schulen und den meisten anderen: Rudolf
Steiner Schulen wollen, dass die Schülerinnen und Schüler den Stoff vergessen.
Der Schulstoff der Rudolf Steiner Schulen
wirkt ein wenig so, wie der Stoff, die Materie, die Heilsubstanz in homöopathischen
Heilmitteln. Je höher diese potenziert werden, desto weniger Ausgangsstoff ist noch
in der Trägersubstanz, durch Verdünnen
und Verschütteln oder Verrühren, geht
so etwas wie die Essenz der Ausgangssubstanz auf die Trägerstubstanz, das
Wasser oder den Milchzucker über - und
verwandelt ihn, macht die Trägersubstanz
zum Heilmittel.
Wenn Kinder und Jugendliche Schulstoff
nicht lernen, sondern sich mit ihm verbinden, über mehrere Wochen hinweg,
ein wenig zu leben beginnen mit ihm,
dann wird er in ihnen lebendig, bleibt er
kein toter, äusserlich an sie herangetragener Stoff. Wenn sie dann die Fachepoche abschliessen, zu einem anderen
Thema übergehen, sinkt das Aufgenommene, das innerlich Bewegte und Bewe-
gende ab. Es sinkt in die Vergessenheit
– in die Tiefenstrukturen der Psyche und
lebt dort weiter: fähigkeits- und persönlichkeitsbildend. Das vergessen Dürfen
ist der Schlüssel zu nachhaltigem Schulerfolg. Dabei kommt es nicht darauf an,
was Schülerinnen und Schüler in Prüfungen wiedergeben können, was sie im Bewusstsein haben, was sie haben aufnehmen und sich merken können. Es kommt
darauf an, ob der Schulstoff ihnen etwas
sagen konnte, in ihnen etwas bewegen
konnte, ihren Wissensdurst und Erfahrungshunger stillen konnte, ohne sie einfach abzufüllen – ob er sie nähren konnte
– und weiter nährt, verwandelt zu Fähigkeiten, zu Lebenseinstellungen, zu Tatkraft, Mut und Lebenszuversicht.
Wer Rudolf Steiner-Schülerinnen und Schüler fragt, was sie gelernt haben,
stellt mitunter Defizite beim äusserlichen
Faktenwissen fest. Aber die meisten antworten: Wir trauen uns etwas zu. Weil sie
spüren, dass sie seelisch reichlich genährt
worden sind, einen tragfähigen Boden haben ausbilden können, dass sie sich auf
sich selbst verlassen können. Genau das
will eine nachhaltig arbeitende Schule
erreichen.
Jörg Undeutsch ist «Schulreis»-Redaktor. Der Journalist, Steinerschul-Lehrer und Kursleiter (www.
PubertaetVerstehen.ch) führt ein kleines Heim für
Menschen mit psychischen Behinderungen.
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5
Bruno Vanoni
Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und
Elternhaus
Hilfspersonal,
Zahleltern oder
echte partner?
Die Steinerschulen sind bekannt für ihre engen
Verbindungen mit den Eltern und versprechen
diesen gar «Erziehungspartnerschaft». Zu Recht? An
der Steinerschule Bern und Ittigen erleben Eltern
den pädagogischen Einbezug ins Schulleben sehr
unterschiedlich.
«Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus» – das versprechen die
Schweizer Steinerschulen im Internet. Jedenfalls lautet so eines der Schlagworte,
die auf www.steinerschule.ch das besondere Konzept dieser Schulbewegung umreissen. Doch was mit dieser Erziehungspartnerschaft konkret gemeint ist, wird
nicht näher erläutert.
Gewiss: Zu den Steinerschulen gehört
allgemein der Ruf, dass die Eltern hier
gefragter sind als an anderen Schulen
und in einem engeren Verhältnis zu den
Lehrpersonen stehen. Und bestimmt verlangen die Steinerschulen von den Eltern
mehr Engagement und einen grösseren
Einsatz an Zeit (vom stets knappen Geld
einmal ganz zu schweigen). Doch verdient
dies schon die hehre Bezeichnung «Partnerschaft»?
In einer Schule ganz unterschiedlich erlebt
Wie andere Eltern die Zusammenarbeit
mit der Steinerschule erleben und bewerten, versuchte ich für diesen SCHULKREIS-Beitrag mit einer kleinen Umfrage
in Erfahrung zu bringen. Von rund hundert Angeschriebenen nahmen sich nur
gut zehn für eine schriftliche Antwort Zeit.
Doch sie brachten dabei eine Fülle von
Stand- und Gesichtspunkten vor, wie sie
tausend Eltern nicht besser hätten zum
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Ausdruck bringen können. Verblüffend
war dabei, dass die Auseinandersetzung
mit dem vielversprechenden Schlagwort
«Erziehungspartnerschaft» zu völlig entgegengesetzten Urteilen führte.
Die «enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und PädagogInnen» sei ihr «ein wichtiges Anliegen», schrieb mir eine Mutter,
die sich in einem zeitaufwändigen Gremium der Steinerschule Bern und Ittigen
engagiert. Diese enge Zusammenarbeit
unterscheide die Steinerschule stark von
der Staatsschule. Zu dieser Besonderheit
gelte es, Sorge zu tragen – sonst käme
«vieles ins Wanken», und dies wäre «der
Begleitung unser Kinder nicht dienlich».
Ganz anders schrieb die Mutter eines Kindes, das seit bald zwei Jahren die gleiche
Steinerschule besucht: Eine «Erziehungspartnerschaft» zwischen Eltern und Lehrpersonen sei ihr da «im Laufe der Zeit
nicht besonders aufgefallen. Ich stelle fast
keinen Unterschied fest zwischen Staatsschule (an der unsere anderen beiden Kinder sind) und Steinerschule. Und ich weiss
nicht so recht, ob ich leider sagen soll. Und
ich weiss auch nicht, ob dies mit mir zu tun
hat oder mit der Schule.»
Aus pädagogischen Gründen gefordert
An der Schule sollte, ja dürfte es eigentlich
nicht liegen – wenn sie sich an der Haltung
ihres Namengebers orientiert: Rudolf Steiner hat (vielleicht anders, als man erwarten könnte) grossen Wert auf ein intensives Zusammenwirken von Lehrpersonen
und Eltern gelegt. Zwar spielten bei der
ersten Waldorf-Schule die Eltern weder
als Gründer noch als Träger dieser Schule
eine entscheidende Rolle. Denn die erste
Steinerschule war anfänglich Teil eines
Unternehmens (der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik), dessen Besitzer (Emil Molt)
den Kindern seiner Angestellten eine bessere Schulbildung ermöglichen wollte.
Doch schon für diese erste Waldorf-Schule – man vergesse dies nie: von einem sozial gesinnten Patron für Arbeiterkinder
geschaffen – hielt Rudolf Steiner 1921
unmissverständlich fest: «Wir brauchen
in dieser Schule, wenn wir in der richtigen Weise vorwärts kommen wollen,
mehr als in einer anderen ein vertrauensvolles Zusammenwirken mit den Eltern.» Zwei Jahre später stellte Steiner
den starken Elternbezug in einem öffentlichen Vortrag in Den Haag geradezu als
Charakteristikum und Ziel seiner Schulen
dar: «Eine Waldorfschule ist eine Schule, die ganz darauf aufgebaut ist, mit der
Elternschaft in enger Verbindung zu stehen.»
An Elternversammlungen, die er mal in
monatlichem, mal im vierteljährlichen
Rhythmus propagierte, plädierte Rudolf
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Steiner für «herzliches Einvernehmen» Geistesleben», die auf das «gemeinsa- die Besonderheiten in diesem Alter, die
zwischen Lehrer- und Elternschaft – aus- me pädagogische Anliegen» ausgerich- inneren Vorgänge im Kind». Dies sei «für
gehend von der Einsicht, dass «die Eltern- tet sei. Waldorfpädagogik, so ruft uns die Begleitung und Erziehung zu Hause
schaft das Teuerste, was sie hat, der Leh- Dietz in Erinnerung, beruht auf einer um- wichtig» und helfe ihr, sich besser in ihr
rerschaft anvertraut hat.» Und er sprach fassenden Wahrnehmung des einzelnen Kind einzufühlen.
davon, dass die Waldorfschule eine «freie Kindes. Und diese könne ohne Einbezug Eine andere, langjährige Schulmutter
Schule» sein solle und gerade deshalb der Eltern nicht gelingen. «Begegnung lobt in diesem Zusammenhang, dass
«auf die Hilfe der
in der Klasse ihElternschaft in eirer jüngsten Tochnem ganz ausserie menschlich individuelle egegnung von ter regelmässige
ordentlich hohen
Standortgespräche
ltern und ehrern wird zur tragenden äu eingeführt worden
Grade angewiesen» sei.
sind. Diese gäben
emü die «sonst nicht
Dass es Steiner bei le der gemeinsamen pädagogischen
dieser «Elternhilso angebotene»
hung
fe» nicht etwa um
Möglichkeit, indidie wirtschaftliche
viduell Fragen zur
und organisatorische Basis seiner Schulen mit den Elternhäusern trägt zum Verste- Steiner-Pädagogik zu stellen. Das indiviging, hat Karl-Martin Dietz in einem leicht hen des Kindes bei», schreibt Dietz: «Die duelle Gespräch müsse an den Steinerlesbaren Bändchen über «Eltern und Leh- menschlich-individuelle Begegnung von schulen «einen festen Platz» einnehmen,
rer an der Waldorfschule» (*) herausgear- Eltern und Lehrern wird zur tragenden fordert diese Mutter. Sie ist sich jedoch
beitet: «Elternhilfe auf die Finanzierung zu Säule der gemeinsamen pädagogischen bewusst, dass dies den Lehrpersonen eifokussieren (und im Gegenzug dazu die Bemühung.»
nen riesigen Zeitaufwand abverlangt. Und
eine oder andere Mitbestimmungsmög- Dieses Ideal persönlicher Begegnung und sie räumt ein, dass sie sich aus Rücksicht
lichkeit zuzulassen), ist ein Gedanke, der pädagogischer Zusammenarbeit klingt darauf früher mit Gesprächswünschen
Steiner völlig fern lag und der auch erst auch in den Erfahrungen an, die Schu- zurückgehalten hat. «Ich fand immer, die
viel später in einzelnen Waldorfschulen leltern vorab an Elternabenden und in Lehrer seien sonst schon genug überlastet
Einzug gehalten hat.»
persönlichen Gesprächen mit Lehrperso- und wollte nicht noch mit unseren Fragen
nen machen: Bei diesen Gelegenheiten, kommen.»
An einer gemeinsamen Grundhaltung ar- schreibt eine Mutter, erfahre sie «viel Neben Zeit braucht es zweifellos auch
beiten
über den gegenwärtigen Entwicklungs- grosse Offenheit, Bereitschaft und InitiaRudolf Steiner habe vielmehr Perspekti- stand meines Kindes, über den Lebens- tive zu einer echten Erziehungspartnerven aufgezeigt für eine «Partnerschaft im abschnitt, in dem es sich gerade befindet, schaft. Dass es daran fehlen kann, schil-
«D
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.»
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
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Zu den Rudolf Steiner Schulen gehört allgemein der
Ruf, dass die Eltern hier gefragter sind als an anderen
Schulen.
dert ein Elternpaar, das seine Kinder zunächst in die Staatsschule geschickt hatte und erst wegen Problemen an die Steinerschule wechselte: «An Elternabenden
spüren wir immer wieder, dass wir nicht
zu den eigentlichen Anthroposophen gehören, sondern eben als QuereinsteigerEltern manchmal nicht ganz ernst genommen werden.» Dies zeige sich etwa bei
Diskussionsthemen wie Medien- oder
Sexualerziehung.
In der Tat wird gerade bei solchen topaktuellen konkreten Erziehungsfragen
– auch der Umgang mit (Taschen-)Geld,
Handys und Suchtmitteln gehört dazu
– offensichtlich, wie stark die Haltungen
von Steinerschul-Eltern auseinandergehen können. Eine gemeinsame Basis für
die doch zunehmend erwünschte Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und
Elternhaus gibt es oft nur sehr beschränkt.
Umso wichtiger werden der Austausch unter den Eltern und das gemeinsame Erarbeiten von Grundhaltungen zu aktuellen
Erziehungsfragen.
Bereitschaft auf beiden Seiten erforderlich
Die «altersbewusste» Steiner-Pädagogik
biete dazu ein grosses Potential, meint
ein Schulvater. Er berichtet von der positiven Erfahrung einer Lesegruppe, in der
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sich Eltern zusammen mit der Klassenlehrerin regelmässig zusammenfanden, um
sich – ausgehend von der Lektüre eines
Buches – über die beginnende Pubertät
ihrer Schützlinge auszusprechen. So sei
es möglich, «die Erziehung lebensphasen-bezogen zu gestalten, sich auf neue
Phasen vorzubereiten und darüber Erfahrungen auszutauschen».
Wenn dies gelingt, wird die Steinerschule
auch zur «Elternschule» – einer Schule, in
der die Eltern voneinander, aber auch von
den Lehrpersonen und auch von den Kindern lernen. Gelegenheit dazu bieten auch
die vielfältigen Möglichkeiten, sich als Eltern an Klassenprojekten, Theaterdarbietungen, Konzerten, Lagern und Reisen zu
beteiligen. Eine Schulmutter, die selber in
einem Lehrberuf tätig ist, weiss aus Erfahrung, dass solches Elternengagement den
Kindern gut tut, ihre Entwicklung fördert
und ihnen Sicherheit gibt.
Wenn in einer Klasse Probleme auftreten,
müsse die Gemeinschaft der Eltern diskussions- und handlungsfähig sein, fordert ein Schulvater. Dies sei nur möglich,
«wenn Erziehungsfragen an Elternabenden immer wieder erörtert werden und
gegenseitiger Respekt vorhanden ist».
Dass diese Bedingungen leider nicht immer erfüllt sind, müssen Lehrkräfte und
Eltern immer wieder erfahren. So kommen offene Gespräche an Elternabenden
oft nur mühsam in Gang, und die Bereitschaft zur pädagogischen Weiterbildung,
zur Teilnahme an Vorträgen, Kursen und
Diskussionen ist beschränkt.
So berichtet eine Schulmutter, dass es
mangels Elternbeteiligung die Arbeitskurse nicht mehr gebe, die früher klassenweise über zwei, drei Abende hinweg
zu pädagogischen Themen stattgefunden
hätten. Aus einer andern Klasse klagt ein
Elternpaar, dass die Lehrperson den Austausch der Eltern nicht fördere: «Gefragt
sind Elternmeinungen in Bezug auf Finanzbeschaffung und praktische Mithilfe.
Meinungen zu eher pädagogisch-ideellen
Fragen werden wenig beachtet. Der Elternabend ist auch klar hierarchisch strukturiert. Vorschläge zu eher partnerschaftlicher Zusammenarbeit ist nicht gefragt.»
Solche Kritik macht deutlich, wie sehr die
versprochene Erziehungspartnerschaft
an den Steinerschulen von den einzelnen
Eltern und Lehrpersonen abhängt – von
den einzelnen Menschen, die nicht selten Eltern und Lehrer zugleich sind. Im erwähnten Büchlein warnt Karl-Martin Dietz
deshalb vor den Gefahren des Gruppendenkens: hier Eltern, dort Lehrkräfte. Er
plädiert stattdessen für eine dialogische
Zusammenarbeit, die sich an den einzelnen Individuen orientiert. Seine Devise
heisst: individuelle Begegnung statt kollektive Vereinnahmung.
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Voraussetzung dafür sind gegenseitige
Offenheit, Transparenz und Vertrauen.
Die eigentliche Kunst einer solchen Erziehungspartnerschaft besteht für Dietz
darin, auch dann fruchtbar miteinander
zusammenzuarbeiten, wenn man «nicht
so gut» miteinander auskommt oder einander gar als unsympathisch empfindet.
Die Konzentration mancher Eltern auf das
Vorbringen von Forderungen und ihr Streben nach Entscheidungsbefugnissen in
der vom Lehrerkollegium geprägten Steinerschule bezeichnet Dietz als «gefährliche Verkürzung der angestrebten Partnerschaft».
Den Blick aufs soziale Ganze nicht verlieren
Auch in der verständlichen Absicht vieler
Eltern, in der Steinerschule ihrem Kind die
bestmögliche pädagogische Versorgung
zu sichern, sieht er eine Gefahr: Sie könne
zu einer etwas egozentrischen Einstellung
gegenüber der Schule führen und vergessen lassen, dass ein Entscheid für diese
Schule eine «soziale Tat grossen Stils»
(Steiner) sein soll. Die zunächst auf das
eigene Kind ausgerichtete Erziehungspartnerschaft ist an den Steinerschulen
auf Dauer nicht möglich ohne ein solidarisches Verhalten, das den Fortbestand
der Schulgemeinschaft und damit auch
andern Eltern eine solche ErziehungsEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
partnerschaft ermöglicht. Für Familien in
schwierigen sozialen Situationen sei die
Steinerschule «eine Art Insel im Schlamassel», berichtet ein Schulvater, der im
Auftrag der Schule regelmässig Gespräche mit Eltern führt, die aus eigener Kraft
kaum ein minimales Schulgeld aufbringen
können. Trennungen, erzwungene Wohnortswechsel, finanzielle Schwierigkeiten,
verlorene Strukturen, Desorientierung
und Konflikte mit Partnern und Kindern
– all diese Situationen führten in Gesprächen mit betroffenen Elternteilen (oft
neu alleinerziehende Mütter) zu Aussagen, dass die Steinerschule als oft letzter
«sicherer Boden mit zuverlässigem sozialem Netz» empfunden werde. Ein Schulausschluss solcher Eltern aus finanziellen Gründen, wie er wegen der prekären
Schulfinanzen immer deutlicher diskutiert
werde, würde den Lebensnerv der betroffenen Familien, Erwachsenen und Kinder
sehr hart treffen.
Eine Steinerschule sei «ein Unternehmen,
das das Engagement aller Beteiligten
braucht – und will», heisst es im Büchlein
von Karl-Martin Dietz. Es warnt die Eltern
ausdrücklich vor der «Illusion, Waldorfpädagogik könne konsumiert, d.h. also
durch Entrichtung eines Schulbeitrags
gekauft werden». Neben dem Schulgeld
fürs eigene Kind braucht es das persönliche Engagement der Eltern für die ganze
Schulgemeinschaft. Die individuelle Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus
und Schule muss in ein grösseres Ganzes
eingebettet sein: in eine sozial tragfähige
Schulgemeinschaft.
15
Thomas Marti
Spielen hat in unserer Zivilisation aber einen schweren Stand. Zur Erholung in den
Pausen, am Feierabend, am Wochenende,
im Urlaub – kein Problem. Aber Spielen
während der Arbeit oder in der Schule?
Spielerisches Arbeiten und arbeitendes
Spielen im Berufsleben? Für die Kleinsten unter uns, ja! Aber wo kämen wir
Grossen auch hin, wenn wir keine klaren
Ziele hätten und für das Erreichen dieser
Ziele nicht effiziente Methoden einsetzten und die entsprechenden Leistungen
nicht erbrächten und wir nicht immer etwas schneller am Ziel wären als die anderen? Im Wettbewerb der globalen Märkte
jedenfalls – so hört man die grossen und
kleinen Global Players argumentieren
– hätten wir bald das Nachsehen. Hätten
wir dies wirklich?
Lebensprozesse respektieren
Kindgerechte
Einschulung?
Verbindliche Standards
Genau genommen findet die wichtigste
«Einschulung» mit dem Einnisten in die
Gebärmutter statt. Das Bildungsmilieu,
das heisst der mütterliche Schoss mit
Uterus und Plazenta, vermittelt dem Kind
hier alles, was für eine gedeihliche Entwicklung nötig ist. Das wichtigste ist Umhüllung und Geborgenheit, eine gesunde
Nahrung, Rhythmus, Wärme sowie eine
frohe Zuversicht und Freude der Mutter
auf die Niederkunft des Kindes. Das sind
alles organisierende, kräftigende und
bildende Momente, deren wirksame Gesamtheit wir in der anthroposophischen
Anthropologie den Bildekräfteleib nennen. Dieser Bildekräfteleib ist der «grosse Pädagoge» der leiblichen Bildung und
Erziehung und der Träger einer gesunden leiblich-seelischen Entwicklung. Mit
ihm haben wir «kleinen Pädagogen» intensiv zusammenzuarbeiten, wenn es
um eine gesunde Bildung des Menschen
gehen soll.
Die Geburt
Mit der Geburt verändert sich das Bildungsmilieu. Eine Art zweite Einschulung
findet jetzt statt. Nun setzt sich das Kind
verstärkt mit der physischen und sozialen
Welt auseinander. In ihr bildet sich das
Kind weiter, indem es zum Beispiel lernt,
sich gegen die Körperschwere aufzurichten, sein Gleichgewicht zu halten und
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Im Prinzip spielt das Alter der Einschulung gar keine
Rolle. Ob bereits mit 4 oder erst mit 7 Jahren
eingeschult wird, ist eigentlich zweitrangig und nur
eine Frage der Perspektive. Denn die Schule des Lebens und die Bildung des Menschen beginnt schon
sehr viel früher und dauert ein Leben lang.
Die Schule des Lebens, die das Kind seit seiner
Geburt durchläuft, kennt eine einzige Disziplin: das Spielen. Spielen ist quasi das Hauptfach dieser Lebensschule.
zweifüssig zu stehen und zu gehen; oder
indem es Sprechen lernt und im Umgang
mit anderen Menschen zu sich selber findet. Das sind alles spezifisch menschliche Bildungsvorgänge, die einerseits zu
einem Können führen, andererseits aber
auch den Körper und seine Organe weiter formen und ausbilden und damit die
vorgeburtliche Entwicklung weiterführen. Durch das Aufrichten beispielsweise bekommt die Wirbelsäule ihre schöne
Doppelschwingung und es strecken sich
die anfänglichen O-Beinchen, indem die
Hüftgelenke, die Knie- und die Fussgelenke soweit umgebildet werden, dass jetzt
ein geschlossener Stand und ein rundes
Abrollen der Füsschen möglich werden.
Ebenso schult das Kind seine Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten und
formt damit die entsprechenden Organe
aus – Gleichgewichtssinn, Bewegungsund Stellungssinn, Wärmesinn, Tast- und
Kraftsinn, Sehsinn, Hörsinn, die Sprachorgane usw. Besonders die Sinnes- und
Nervenorgane des Menschen bilden sich
im Gebrauch aus und Körpergeschicklichkeit kann nur in der realen Verschränkung
mit der wirklichen Welt entstehen. Deshalb sind ausgiebige und vielförmige Bewegungsaktivitäten und reiche sinnliche
Erfahrungen auch die wichtigsten Lehrund Lernmittel für die kindliche Leib- und
Gestaltbildung. Diese Leibbildung hat ihre
dann mit Bauklötzen oder hantiert es mit
Wasser, erweist sich das Kind als wesentlich gescheiter, als was das Gehirn eines
Maturanden im Physikunterricht zu erklären vermag. Das Kind hat die in der Lebensschule erworbenen physikalischen
Kenntnisse aber nicht im Kopf, sondern in
den Gliedern, im gesamten Leib. Bevor die
Intelligenz im Kopf aufwachen kann, muss
sie sich in den Gliedern geregt und hier
ihre Basis geschaffen haben. Diese Basis
nennen wir üblicherweise Erfahrung, Lebenserfahrung.
Die Schule des Lebens, die das Kind seit
seiner Geburt (der zweiten «Einschulung») durchläuft, kennt eine einzige Disziplin: das Spielen. Spielen ist quasi das
Hauptfach dieser Lebensschule. Die Palette der Kompetenzen, die hier vermittelt
werden, ist enorm breit und vielseitig. Ich
zähle nur stichwortartig auf: Beim Spielen
entwickeln sich Initiative, Hingabefähigkeit, Durchhaltewille, Geduld und Interesse, Phantasie und Kreativität, das Kind
lernt und übt soziales Verhalten (Gespräche, Konfliktlösung, Problembewältigung,
Teamwork, Umgang mit Rollen, Umgang
mit Grenzen, Regeln usw.). Das Kind schult
seine Sinne, es wird körperlich geschickter und sicherer und stärkt damit auch
sein Daseinsvertrauen. Nicht zuletzt kann
durch das Spielen ein «Sinn für den Sinn»
entstehen, also eine Art Wahrnehmung
Hauptzeit in den ersten etwa 7 bis 9 Lebensjahren, sie wird aber erst im Verlauf
der Adoleszenz abgeschlossen.
Gehen, Sprechen, Danken
Alle diese Umbildungen sind nicht biologisches Programm, sondern das Ergebnis einer vom Kind ständig intendierten Selbstbildung. Es ist gleichsam der individuelle
Wille des Kindes, der zum Aufrichten, zum
Sprechen und dann zum denkenden Begreifen der Welt führt. Aufrechtes Gehen,
Sprechen und Denken sind so betrachtet
die ersten drei Grundfertigkeiten, welche
sich der Mensch als Kulturwesen in den
ersten Jahren seines Lebens aneignet.
Sollten wir sie deshalb als die drei eigentlichen «Kulturtechniken» ansprechen?
Durch diesen Vorgang der Selbstbildung
und Selbstschulung erwirbt sich das Kind
ein kaum zu ermessendes Wissen. Dieses
Wissen hat das Kind aber nicht bewusst
zur Verfügung, sondern vorerst als Können und als Fähigkeit des praktischen Begreifens und Verstehens. Wenn ein Kind
etwa lernt, auf der Schaukel zu schwingen
oder mit dem Trottinett Kurven zu fahren,
dann beherrscht es damit einige Kapitel
Physik, für deren theoretische Bewältigung wir Erwachsene schon eine gehörige
Portion intellektueller Grütze benötigen.
Seine ersten Physiklektionen absolviert
das Kind beim sich Aufrichten. Spielt es
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
für die Bedeutung einer Sache oder eines
Tuns. Wer wirklich spielen kann, langweilt
sich seltener und ist v.a. im Jugend- und
Erwachsenenalter weniger anfällig für
Süchte (inkl. Arbeitssucht) und andere
problematische Verhaltensweisen (Z.B.
hat Mobbing oft Langeweile zur Ursache;
häufig werden jugendliche Gewalttaten
begangen, weil es sonst nichts Spannenderes mehr zu erleben gibt.).
Durch das Spielen erfolgt echte Persönlichkeitsschulung, Bildung im ursprünglichsten Sinne. Freies Spielen ist Selbstbildung und Ausdruck des individuellen
Willens, sich an der Welt zu formen und
ein selbstbestimmter Teil dieser Welt zu
werden. Der Mensch, so hat ein kürzlich
weltweit gefeierter Dichterphilosoph formuliert, «ist nur da ganz Mensch, wo er
spielt». Er ist es deshalb, weil er sich im
Spielen von den Zwängen befreit, z.B.
vom Erfolgs- und Leistungszwang oder
vom Konsumzwang. Spielen ist deshalb
so etwas wie eine Ur-Kulturtechnik, es ist
das Instrument zur Befreiung als Voraussetzung für kulturschaffende Tätigkeit. Es
gibt kein kultiviertes soziales Leben, keine Kunst, keine echte Wissenschaft, kein
schöpferisches Arbeiten, die ihre Quellen
nicht im Spielen haben. Nochmals: «Der
Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur
da ganz Mensch, wo er spielt».
In der gängigen Vorstellung gehört das
Spielen in die Vorschule, repräsentiert
durch den Kindergarten oder die «Gfätterlischuel». Hier darf das Kind noch spielen,
hier ist es noch im Paradies und fernab von
der Welt der Sachzwänge und Nutzenkalküle. Beneidenswert. Bald aber folgt auf
diese Vorschule die eigentliche, die «richtige» Schule. Neu wird diese Initiation
mit dem vollendeten 4. Lebensjahr vollzogen. Bereits nach der 2. Klasse soll das
Kind bestimmte Standards seiner Bildung
nachweisen müssen. Innovativ sind solche
Standards zwar nicht, denn verbindliche
Messlatten gibt es in den Schulen schon
lange. Neu ist nur, dass diese Standards
auch Inhalte und Methoden umschreiben
und flächendeckende Verbindlichkeit bekommen. Damit gehen wir auf eine Schule zu, die sich der Vermittlung vereinheitlichter Wissensbestände und uniformer
Weltbilder befleißigt und damit Bildung
einer zunehmenden Verflachung und Banalisierung aussetzt.
Der Heidelberger Pädagogikprofessor Georg Zenkert nannte diese im
Nachgang zu PISA angestrengten Reformen eine «Barbarei auf hohem
zivilisatorischen Niveau» (Frankfurter
Rundschau, 27.9.2005): Bildung lasse
sich weder verordnen noch herstellen,
denn Sachzwänge und Nutzenkalküle seien die Feinde des Versuchs, sich selbst zu
formen und ein freies Selbst- und Weltverhältnis zu finden. Eine standardisierte
Bildung, so Zenkert, sei der Abschied von
der abendländischen Bildungsidee, der es
immer um eine Befreiung des Menschen
gegangen sei.
Wenn es also um die Gestaltung einer
Thomas Marti ist wissenschaftlicher Projektleiter
der basal-stufe an der Rudolf Steiner Schule Bern
und Dozent an der «Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik» in Mannheim
17
Thomas Homberger
Ehrfurcht vor der Individualität
Kein
Sitzenbleiben
– Integration
statt Selektion
Im Konzept der Rudolf Steiner Schulen in der
Schweiz lautet eine der Kernaussagen: Kein Sitzenbleiben – Integration statt Selektion.
Thomas Homberger erläutert, wie in Steiner Schulen mit «begriffsstutzigen» oder leicht ablenkbaren
Kindern umgegangen wird.
Eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds stellt 2005 fest, dass Sitzenbleiben,
d.h. Repetition einer Klasse wegen ungenügender Leistungen, keine fruchtbare
Massnahme darstellt, obwohl im Lauf der
obligatorischen neun Schuljahre fast jedes 5. Kind eine Klasse wiederholen muss.
Das ist ein sehr hoher Anteil. Der Studienleiter, Prof. Bess von der Universität Fribourg, stellt lapidar fest: «Klassenrepetitionen sollten abgeschafft werden.» Sie
verpufften ohne Wirkung, Selektion solle
frühestens beim Übergang an die Sekundarstufe stattfinden. Im Pisa-Spitzenreiterland Finnland tritt sie erst nach neun
Schuljahren ein.
Es geht aber nicht nur um Klassenrepetitionen, sondern auch um Zuweisungen
zu Sonderklassen verschiedenster Art,
die heute auch im Umfeld der staatlichen
Volksschule abgenommen haben.
Steiner Schulen haben seit ihrem Bestehen Klassenrepetitionen sozusagen nie
zur Anwendung gebracht; es konnte sich
in ganz wenigen Fällen als notwendig erweisen, ein Kind eine Klasse zurückzuversetzen, weil es seinem seelisch-geistigen
Wesen nach eindeutig zu jung war für die
Klasse, in der es ursprünglich war. Nie
geschah dies aber wegen irgendwelcher
Selektions-Kriterien. Aus gleichen Gründen kam es auch schon vor, dass ein Kind
eine Klasse überspringen konnte, weil es
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seinem Wesen nach in der höheren Klasse besser aufgehoben war. Immer steht
das Wesen des Kindes im Mittelpunkt und
nicht ein irgendwie gearteter Leistungskataster.
Was sind die Hintergründe zu dieser Haltung, alle Kinder in ihrer angestammten
Klasse mitzuführen? Auch dann, wenn
ein Kind auf gewissen Gebieten – z.B. im
Rechnen – sehr große Schwierigkeiten
hat. Auch dann, wenn ein Kind Probleme
des Verhaltens zeigt. Auch dann, wenn ein
Kind durch lange Krankheit große Lücken
aufweist. Auch dann, wenn…
Entwicklungshemmungen wegräumen
Dazu möchte ich mir erlauben, einen Passus aus einem Vortrag von Rudolf Steiner
anzuführen, der in sehr grundsätzlicher
Weise unsere Aufgabe als Eltern und Lehrer charakterisiert: «Wir können uns da
ausserordentlich zu Hilfe kommen, wenn
wir, ich möchte sagen, wiederum meditierend uns recht tief zum Bewusstsein bringen, dass alle Erziehung mit der wirklichen
Individualität des Menschen im Grunde
genommen gar nichts zu tun hat, dass wir
eigentlich als Erzieher und Unterrichter im
Wesentlichen die Aufgabe haben, mit Ehrfurcht vor der Individualität zu stehen, ihr
die Möglichkeit zu bieten, dass sie ihren
eigenen Entwicklungsgesetzen folge und
wir nur die im Physisch-Leiblichen und
Leiblich-Seelischen, also im physischen
Leibe und im Ätherleibe liegenden Entwicklungshemmungen wegräumen. Wir
sind nur dazu berufen, diese im PhysischLeiblichen und im Leiblich-Seelischen liegenden Hemmungen wegzuräumen und
die Individualität frei sich entwickeln zu
lassen; so dass wir dasjenige, was wir
dem Kinde an Erkenntnissen beibringen,
im Grunde nur dazu benützen sollten, um
das Leibliche, sowohl das Physisch-Leibliche wie auch das Ätherisch-Leibliche,
so weit vorwärts zu bringen, dass der
Mensch sich eben frei entwickeln kann.»
(GA 302a, S.88)
Das ist keine einfache Aufgabe für uns
als Lehrer und Eltern. Die Ehrfurcht vor
der Individualität ist eine weit reichende
Herausforderung, die im Grunde genommen keine Selektion erlaubt. Die Individualität des Kindes soll sich nach ihren
eigenen Gesetzen entwickeln und entzieht
sich damit jeder Normierung. Aber das
Hinwegräumen von Hemmungen, das ist
eine begeisternde Aufgabe!
Bewusst Umwege beschreiten
Was für Hemmungen sind wir berufen, hinwegzuräumen? Da denke ich an bestimmte Schwächen im Bereich der Sinne, z.B.
beim Bewegungssinn und beim Tastsinn;
ein Kind bewegt sich ungeschickt, es hat
Mühe, sich an etwas heranzubegeben,
heranzutasten, es fällt ihm schwer, etwas
zu «begreifen». Diese Begriffsstutzigkeit
kann sich im Lesen, im Rechnen, in den
Fremdsprachen äussern. Es geht nun nicht
darum, direkt auf diese Fächer einzuwirken, sondern die Hemmungen im Bereich
der Bewegung, des Gleichgewichts, des
Tastens anzugehen. Das heisst, bewusst
Umwege zu beschreiten und nicht Symptombekämpfung zu betreiben. Entsprechende Übungen in spielerischer Form
können mit der ganzen Klasse angegangen werden; dadurch werden die betreffenden Kinder nicht stigmatisiert. Dazu
können – wenn nötig –gezielte Massnahmen in Zusammenarbeit mit dem Schularzt, z.B. durch Heileurythmie, angeordnet werden.
Ein anderes Beispiel: Ein sehr ablenkbares Kind kann sich nur kurze Zeit auf eine
Sache konzentrieren, dann schweift es
bereits wieder ab und hat alles rasch vergessen und ist darüber völlig unbekümmert. Die Hemmung liegt bei diesem Kind
im Seelisch-Leiblichen, alles geht gewissermassen durch das Kind hindurch und
hinterlässt zu wenig Spuren. Auch hier
können die Hemmungen so gross sein,
dass das Kind normierte Lernziele z.B.
im Schreiben und Lesen oder im Rechnen
nicht erreichen kann. Hier kann eine liebevoll intensive Beziehung zur Pädagogin, zum Pädagogen Wunder wirken. Der
Vertrauen wecken - Interesse nähren
schen, für ihre Geschichte, Traditionen
und geistigen Werte entwickeln.» (Jacques
Delors: Lernfähigkeit – Unser verborgener
Reichtum)
Lernen als soziale Tätigkeit
Immer steht das Wesen des Kindes im Mittelpunkt und nicht ein irgendwie gearteter Leistungskataster.
intensive «Liebefaden» bildet die Verbindung zur Welt.
Beim Wiederholen der Klasse hätten beide Kinder am Anfang vielleicht einen kleinen Vorsprung, der dann rasch «verpuffen» würde, denn die Hemmungen blieben bestehen.
In beiden Fällen – sie sollen beispielhaft
für die angesprochene Problematik stehen – brauchen wir als Begleiter einen
langen Atem. Dabei kann uns eine weitere Äusserung Rudolf Steiners Boden geben: «Pädagogisch betrachtet werden Sie
sich jetzt nicht mehr verwundern, wenn
Sie die Sache so ansehen, dass die Kinder verschieden sind mit Bezug auf die
Wachheit ihres Bewusstseins. (....) Das
werden Sie dann zum Anlass nehmen,
um durch starke Gefühle auf ein solches
Kind zu wirken. Und Sie werden dann die
Hoffnung haben können, dass diese starken Gefühle bei ihm auch das helle Erkennen erwecken werden, denn alles Schlafen hat dem Lebensrhythmus gemäss die
Tendenz, nach einiger Zeit aufzuwachen.»
(GA 293, S.110)
Das ist eine grosse Wahrheit, welche im
Umgang mit begriffsstutzigen Kindern von
zentraler Wichtigkeit ist. Natürlich muss
etwas am Schlafen sein; es darf ein nicht
Vorhandenes damit nicht verwechselt werden. Dabei ist ein wichtiges Zeichen, ob
das Kind auf die erwähnten starken GeEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
fühle anspricht. Eine weitere Äusserung
Rudolf Steiners in diesem Zusammenhang: «Ich kann nicht einsehen, dass es
so furchtbar schlimm sein soll, wenn so
ein Junge einfach da ist. Ganz spurlos geht
es nicht vorüber. Das Unbewusste hört die
Sache. Bei ihm müsste man warten, bis er
14 Jahre alt ist. Er sollte möglichst entlastet werden; wenig Unterrichtsstoff, und
der sollte stark wirksam sein.» (GA 300c,
Konferenz vom 29.4.1924)
Aufmerksamheit und Liebesfähigkeit
Natürlich dürfen wir es nicht zulassen,
dass Kinder reine Statisten in der Klasse
werden. «Stark wirksam», «starke Gefühle», «das Physisch-Leibliche wie auch das
Ätherisch-Leibliche so weit vorwärts bringen, dass der Mensch sich eben frei entwickeln kann» sind Forderungen an uns
Begleiterinnen und Begleiter, die von uns
höchste Achtsamkeit, Aktivität und Liebefähigkeit erfordern.
Integration statt Selektion ist eine Aufgabe, die nicht leicht zu bewältigen ist.
Es ist eine hochmoderne Aufgabe, die
Jacques Delors im Folgenden beleuchtet:
«Nachdem sich die Kommission diese Gedanken zu eigen gemacht hatte, hob sie
eine der vier Säulen, die sie als tragendes
Gerüst von Bildung sieht, besonders hervor: Lernen, zusammenzuleben, bei den
Menschen Verständnis für die Mitmen-
Lernen zusammenzuleben als wichtigste
Säule der Bildung in der Zukunft beinhaltet natürlich nicht nur das Zusammenleben unter den Kindern; dazu gehört das
Zusammenleben von uns Erwachsenen.
Das Konzept «Integration statt Selektion» kann nur fruchtbar werden, wenn Eltern und Lehrpersonen, Schulärztin oder
Schularzt, Therapeutinnen und Therapeuten so zusammenarbeiten, dass das Kind
in jedem Moment im Mittelpunkt der Bemühungen steht. Das heisst, beim Lernen
und Zusammenzuleben sind wir auf alle
Beteiligten angewiesen, auch auf die Eltern derjenigen Kinder, die keine besonderen Hemmnisse aufweisen, die keinen besonders schlafenden Eindruck machen.
Dazu geben neuere Forschungen bedeutsame Hinweise: «Aufgrund der Forschung
kann man von einer so genannten 20/50%
Regel ausgehen, d.h. solange der Anteil
weniger privilegierter Schüler weniger als
20% einer Klasse ausmacht, ist anzunehmen, dass die Leistung dieser schlechteren Schüler durch die hohe Anzahl von
guten Schülern positiv beeinflusst wird.
Weiter kann man annehmen, dass so lange die Zahl der Schüler mit schlechten
Lernvoraussetzungen weniger als 50% beträgt, die Leistungen der besseren Schüler
durch die anderen Schüler nicht negativ
beeinträchtigt wird.» (Dr. Stefan C. Wolter,
Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, Aarau,
in einem Referat anlässlich der «Worlddidac» 2002, Zürich)
Schliessen möchte ich mit einem kurzen
Zitat von Conrad Ferdinand Meyer, das
er seiner Dichtung «Huttens letzte Tage»
voransetzt:
«... Ich bin kein ausgeklügelt Buch.
Ich bin ein Mensch, mit seinem Widerspruch...»
Diesen Gedanken müssen wir ganz besonders im Umgang mit allen uns anvertrauten Kindern immer wieder denken. Auch
ich als Schreiber dieser Zeilen möchte ihn
für mich in Anspruch nehmen.
Thomas Homberger ist Klassen- und Fachlehrer an
der Rudolf Steiner Schule Zürich und Dozent an
verschiedenen Seminaren
19
Alec Templeton
English, Français an der Rudolf Steiner Schule
Fremdes
zu Bekanntem
machen
Was ist speziell am Fremdsprachenunterricht an einer Rudolf
Steiner Schule? Gibt es eine besondere Methode? Wie wird
ein Wortschatz aufgebaut? Wie lernen die Schülerinnen und
Schüler die fremden Sprachen zu sprechen und zu schreiben?
Die Kleinen lernen eine Fremdsprache mit
erstaunlichem Erfolg. Sie singen, rezitieren und sprechen die Texte irgendeines
Lernspiels. Sie meistern Aussprache,
Rhythmus und Tonfall mühelos; ja, es
ist wie wenn ihnen die neue Sprache gar
nicht so fremd ist: Das von der Lehrerin
(vom Lehrer) Vorgesprochene können sie
blitzschnell von den Lippen lesen. Ohne
intellektuelle Reserve gegenüber ihrem
Tun, stürzen sich die Kinder voller Freude, ohne Befangehnheit in das Abenteuer
«Fremdsprache».
Die Art wie hier gelernt und gelehrt wird,
hat viel mit bewegtem Unterricht zu tun:
Alles wird mit Geste, Gangart, Gebärde
koordiniert. So wissen auch die Kinder (in
etwa), was sie da sagen. Ein Beispiel:
Alle Kinder (oder eine Gruppe) gehen im
Kreis herum und singen einen Refrain
wie
Sur le pont d’Avignon
On y danse, on y danse
Sur le pont d’Avignon
On y danse tout en rond.
Dann stehen die Kinder still und mimen:
Damen, die einen Knicks machen; Herren,
die eine Verbeugung machen; Köche, die
eine Kelle schwingen usw.
Les belles dames font comme çi (Knicks)
Et puis encore font comme ça (wieder
Knicks).
20
So werden Wörter – nein: ganze Ausdrücke – auswendig gelernt. Oder:
This is the way we wash our hands,
wash our hands, wash our hands;
This is the way we wash our hand at six
o’ clock in the morning!
Dies lässt sich endlos ausdehnen: brush
our teeth, stir the porridge, bake our
bread, comb our hair usw.
Lautmalerische, stimmmungsvoll rhythmische Elemente sind es, was die Kinder
mögen.
Wortschatz plastisch und musikalisch
An diesen Beispielen sehen wir, dass
Sprache eine malerisch-plastische und
eine musikalisch-dichterische Seite hat.
Einerseits hat ein Wort eine Bedeutung,
andererseits bedient es sich vieler Mittel, um diese Bedeutung zum Ausdruck
zu bringen. Wörter bergen z.B. Bilder in
sich: Ein Eimer ist eigentlich ein «Ein-träger», einhenkeliges Gefäss; und Zuber ein
«Zwei-Träger; mobbing kommt von vulgus mobile (aufgebrachte Menge). Wörter
können lautmalerisch sein: boo, bubble,
bump, click, crackle, crunch, fizz, hiss,
plop, splash, thud, thump, wack, wham,
wizz, zip, zoom.
Um eine fremde Sprache zu lernen, muss
man Vokabeln lernen. Die Frage ist, wie
das am Besten geschieht. Für viele Kin-
der wollen Wörtchen «nicht in den Kopf
hinein», besonders dann, wenn Wörter
als Willkürgebilde erlebt werden. Wenn
Kinder aber Wortbild, Rhythmus, Ton und
Klang der Wörter erleben können (Eurythmie ist da eine riesige Hilfe), fördert dies
Lernmotivation und den Erinnerungsprozess.
Die Hirnforschung würde sagen: Sprachprozesse laufen in verschiedenen HirnArealen ab. In dem einen Areal wird die
Sprache (dank dem Zusammenhang mit
anderen Wörtern) «verstanden», in einem
anderen wird dieselbe «produziert». Für
das Erinnern von Sprache verarbeitet
die linke Hälfte des Gehirns Wörter und
Grammatik, während der rechte Teil sich
um Sprachmelodie, Ton, Klang, auch das
Emotionale «kümmert».
Der Erwerb eines Aktivwortschatzes
braucht also keineswegs eine einzige Gedächtnisanstrengung zu sein. Ich glaube,
Wilhem von Humboldt hatte Recht, als
er schrieb
«Die unfehlbare Gegenwart des jedesmal notwendigen Wortes ist gewiss
nicht bloss Werk des Gedächtnisses.
Kein menschliches Gedächtnis reichte
dazu hin, wenn nicht die Seele instinktartig zugleich den Schlüssel zur Bildung
der Wörter selbst in sich trüge.»
Wenn also Lerntechniken entwickelt werden müssen wie jene mit den Kärtchen,
auf denen vorne Einzelwörtchen in der
Erstsprache, hinten in der Zielsprache
geschrieben werden, dann wäre die Voraussetzung, dass die Kinder zuerst einen
Zugang zum Wort selbst bekommen: Mit
welchen anderen Wörtern kam das Wort
vor, in welchem Zusammenhang, birgt es
etwas Bildhaftes, Lautmalerisches?
Die Kinder lernen die Fremdsprache zu
sprechen
Zwei Schülerinnen werden gebeten, zwei
Minuten vor dem Klassenzimmer zu warten. Inzwischen entscheidet die Klasse
sich für eins von 7 Adverbien (der Art und
Weise), die anzeigen, wie die kommenden
Befehle auszuführen sind: slowly, quickly,
carefully, clumsily, loudly, softly, angrily.
Die zwei werden herein gebeten. Sie geben Kameraden einen einfachen Befehl,
damit sie an der Art der Ausführung raten
können, welches Adverb gewählt wurde:
go to the window and open it; go to the
blackboard and write your name backwards in yellow chalk; stand on a chair
and sing a little song, usw. Wird es dabei
lärmig? Es wird aber auf Englisch kommuniziert und geübt: Hörverstehen, das richtige Reagieren, ganze «Sprechakte» (hier:
Befehle), grammatikalische Formen (Befehlsform, die Endung -ly) und erst noch
Wortschatz.
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Beispiele für weitere Sprechanlässe: Die
Kinder hören die Frage «Who stole the
cookie from the cookie-jar?» Eines wird
angewiesen zu antworten und es «beschuldigt» jemanden: «Freddie stole the
cookie from the cookie jar!» Dann ensteht
folgendes Gespräch: Who? Me? – Yes, you.
– Not me! – Then who? Und Freddie «beschuldigt» das nächste Kind.
Schreiben
Ab der 4. Klasse wird mit dem Schreiben
begonnen. Es werden zuerst bekannte
Texte aus den ersten Jahren niedergeschrieben.
Nachdem eine Reihe von Schreibweisen
der fremden Sprache bekannt sind – z.B.
im Französischen ou, eu, oi, ç, ê; im Englischen ee, oo, die Kombination Konsonant-Vokal-stummes E – werden allerlei
Schreibaufgaben durchgeführt.
Beispiele von Schreibaufträgen:
– Schreibe 3 Befehle für andere Kinder
auf Zettel
– Schreibe eine Frage in 7 Wörtern und
gebe sie deiner Nachbarin, die zur Antwort wiederum 7 Wörter gebraucht. Die
Antwort kommt zurück, und jetzt kommt
eine Anschlussfrage mit 6 Wörtern. So
weiter bis zu einer Frage und Antwort
mit nur 1 Wort
– Wir sammeln alle Wörter, die wir zu
einem Vokabelfeld kennen (z.B. Verkehr,
Reise, Bergtour)
– Schreibe die Zettel, die Teil einer Schatzsuche sind
– Verwende gegebene Wörter zum Dichten eines Textes
– Verfasse mit eigenen Worten eine in der
Erstsprache erzählte Anekdote
– Beschreibe den Pausenhof und was dort
geschieht
– Schreibe einen Brief an die Eltern.
Lesen
Texte, welche die Schüler bereits auswendig können, werden zuerst gelesen.
«Lesen» heisst hier zunächst «Wortbilder
wieder erkennen» sonst nichts.Erst wenn
die Kinder bereits viele Schreibübungen
immer wieder vorgelesen haben, kommt
es allmählich zum sogenannten «sinnentnehmenden Lesen». Das Lesen von Lektüren beginnt vielleicht erst in der 5. Klasse. Vorher haben die Schüler also viele
Schreibübungen durchgeführt, sie haben
vielleicht sogar eine ganze Lektüre selbst
geschrieben. Es wird laut vorgelesen oder
jeder liest still für sich hin (15 Minuten
«Bibliothekstunde», in der nicht geredet
werden darf ).
Ab 4. Klasse Grammatik bewusst
Analog zu den Vokabeln birgt auch der
Grammatikunterricht die Gefahr in sich,
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
bloss als willkürliches Regelwerk erlebt zu
werden und wird auch bald als Gedächtnissache angesehen. Deutschlernende
«wissen» dann, dass «nach ausser, bei,
mit, nach, von, zu der Dativ steht»; Französischlernende: «Auf dem Oder schwimmen keine Grafen». (Wenn ou «oder» heisst, gibt es keinen accent grave).
In Wirklichkeit heisst Grammatik «wie ich
richtig schreibe» oder «wie ich korrekt
spreche». Was Grammatik will, betrifftdie
Klärung von Bedeutungen, Sachverhalten
und des Verhältnises unter den Wörtern.
Auf Deutsch sagt man: « Ich will, dass
Fritz mir seine Brille ausleiht». Auf Englisch sagt man: « I want Fritz to lend me
his glasses». (*Ich will Fritz zu leihen mir
seine Brille.) Das «Fremde» der «Fremdsprache» muss zur «Bekannten», «Gewohnten» werden. Um eine neue Gewohnheit zu lernen, braucht es Zeit, Übung,
also Anstrengung. Das für jedes Wort,
jede Grammatikstruktur bei allen 20-30
Kindern hinzukriegen, ist, kurz gesagt,
die Aufgabe, die Herausforderung eines
Fremdsprachlehrers schlechthin.
Durch das viele Sprechen, Sprechen und
Sprechen der ersten Jahre haben sich viele
Sprachmuster (Strukturen) wie von selbst
festgesetzt. Es braucht dann ab 4. Klasse gar nicht mal so viel Anstrengung, die
Schülerinnen auf die Regeln aufmerksam
zu machen. (Am Besten lässt man sie gerad selbst darauf kommen).
Dies geschieht zunächst auf einfache
Art und ganz praktisch, nicht mit Regeln
wie sie in einem Grammatikbuch stehen.
«Praktisch» heisst, die Kinder lernen eine
Form gebrauchen, lange bevor sie grammatikalische Begriffe davon bekommen.
Wie soll das gehen? Für den Unterschied
zwischen «plays» und «is playing» wird
zum Beispiel die Geige verwendet, die in
ihrem Kasten auf dem Lehrertisch liegt.
«What instrument is this?» – «It’s a violin.»
– «Whose is it?» – «It’s our teacher’s violin.» – (Scheinbar überrascht) «Does she
play the violin?» – «Yes, she does!» – «Is
she playing the violin?» Jetzt soll die Antwort «No» lauten, denn die Lehrerin ist im
Lehrerzimmer und die Geige nicht unter
ihrem Kinn. In einer 4. Klasse bekommen
die Kinder das erstaunlich schnell heraus.
Die Regel lautet also, wenn die Geige im
Kasten ist, heisst es «Does she play the violin?» Und wenn die Lehrerin spielt «Is she
playing the violin?» Klar. Einfach.
Beispiel einer Englischstunde
Eine kleine Geschichte muss aus dem
Gedächtnis aufgeschrieben und in der
nächsten Stunde frei erzählt werden. Das
geht natürlich nur, wenn die Kinder die
Vokabeln und die notwendigen Formen
einigermassen kennen. Das folgende Bei-
spiel soll zeigen, wie gerade durchs Tun
sowohl das Lernen und das Üben Hand
in Hand gehen.
Die Geschichte wird zuerst erzählt (oder
von einer Schülerin vorgelesen). Anschliessend fragt die Lehrerin, welche
Wörter die Kinder noch aus der Geschichte
wissen. Drei Kinder werden an die Tafel gebeten, um die jeweils gemeldeten Wörter
anzuschreiben. Ergebnis: Die ganze Tafel
steht voller Wörter. Danach fragt sie, wo,
wann oder auf welche Weise die Wörter
(an der Tafel) in der Geschichte vorkamen. Damit sind wir mitten im Grammatikunterricht!
Der Rest der Stunde wird damit verbracht,
die ganze Geschichte leserlich aufzuschreiben. Wer fertig wird, hat keine Hausaufgabe.
In der nächsten Stunde werden einige Kinder gebeten, ihre Fassung vorzulesen. Es
können bereits dann einige Korrekturen
gemacht werden, aber die Hauptsache
ist, dass die Eckpfeiler der Geschichte (the
stepping-stones) stimmen; Ausschmückungen oder Abänderungen sind erlaubt.
Die Lehrerin (der Lehrer) sammelt alles ein
und korrigiert die wichtigsten Fehler; die
verbesserte Fassung wird ins Reinheft abgeschrieben. Dann die Herausforderung:
Wer kann nächste Stunde die Geschichte
auswendig erzählen? (Diejenigen, die das
nicht können, erzählen bloss einen Teil).
Das führt zur Lerntechnik. Nach einigen
Geschichten mehr haben alle Kinder gemerkt, dass sie eine Geschichte einfach
erzählen können, ohne sie Wort für Wort
auswendig zu lernen! Damit wäre das freie
Sprechen schon einen Schritt näher.
Wie es weiter geht
Bis jetzt haben wir das Sprechen, das Hörverstehen, Schreiben, Lesen sowie Vokabel- und Grammatikarbeit der untersten
fünf bis sechs Klassen ein wenig beleuchtet. Die Kinder in diesen Jahren sind in der
Regel begeisterungsfähig (motivierbar)
und arbeiten gut mit. Das Inspirierende,
das Fantasie-anregende von Sprachen
und deren Literatur haben es in sich, die
Erfolgserlebnisse der Kinder über die Altersklippen hinweg zu retten; gelingt dies,
so bleibt die Lernkurve der Kinder steil.
Erfolg im Fremdsprachenunterricht heisst
für die Schülerinnen und Schüler: Fremdes immer besser kennen lernen; immer
wieder an Grenzen kommen, die dann
überwunden werden; die Scheuen finden
allmählich ihre Stimme, Ideenreiche bekommen
neue
Ausdrucksmittel,
maAlec
Templeton,
1948
in London geboren,alle
Anglistikstudium
(Doctorallexamen
Utrecht,
NL)Feld
war von
chen Erkundungen
in das
reiche
von
1973-1997 Fremdsprachlehrer
an der
Rudolf
andersdenkende
Kulturen und
SprachgeSteiner Schule Basel, ist heute an mehreren Walmeinschaften.
dorf-Lehrerseminarien tätig, u.a. an der AfaP in
Dornach. Er ist Autor des Lehrerhandbuchs «Teaching English to Teens and Preteens» (Szeged, Ungarn 07).
21
Franziska Heitz Ostheimer
Handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten
auf allen Schulstufen
Nachbilden und
Gestalten
Gestalten ist ein menschliches Urbedürfnis, entspringt der tätigen Nachahmung. Das kleine Kind will
die wahrgenommene Umgebung nachschaffen. Der
Schulunterricht der unteren Klassen geht einen Weg:
vom Spiel zur Arbeit. Der handwerklich-künstlerische
Unterricht der mittleren und oberen Klassen verfeinert
und erweitert den Prozess. Gestalten wird zur Lebensgestaltung. – Ein Überblick über zwölf Jahre Kunst
und Handwerk an der Rudolf Steiner Schule.
Ein blaues Stück Filz und ein Korb mit
glänzenden Fäden in den schönsten Farben waren vor mir auf dem Tisch. Ich
konnte mich nicht satt sehen vor Wonne.
Jetzt zeigte mir die Kindergärtnerin, wie
das schöne Blau mit einer Sticknadel geschmückt werden konnte und ich setzte
meine ersten Stickstiche – unvergesslich. Warum erfüllt eine erste gestalterische Tätigkeit das kleine Kind und warum kann jede neue die Freude wieder
hervorbringen?
Entwicklung
Gehen wir weit zurück zu den ersten Lebensspuren auf dieser Erde, stossen wir
auch auf Funde, die eindeutig Menschenwerke sind. Das Erkennungszeichen, dass
es sich sicher um menschliche Spuren
handelt, ist immer die Formgebung. Bis
vor etwa zweihundert Jahren ist der Strom
des Gestaltens durch Menschen nicht abgebrochen, er hat immer wieder kulturelle Höhen erreicht und die Ausdrucksformen haben sich verwandelt. Mit dem
Aufkommen der Massenproduktion ist
dieser Strom abgeebbt, kanalisiert worden. Heute – kann man überspitzt sagen
– gestalten die Designer von IKEA Alltagsgegenstände, unsere Einrichtung, unseren
Schmuck zu Festen.
Der Gestaltungswille der Kinder jedoch
ist nicht versiegt, aber schaffende, tätige
22
Vorbilder im Alltag sind weniger geworden
seit der industriellen Herstellung von Gebrauchsgütern. Das könnte zum Schluss
führen, dass Kunsthandwerkliches an
Spezialisten delegiert werden soll und die
Lehrpläne von Schulen im Bereich der gestalterischen, handwerklichen Fächer entlastet werden können. Solche Tendenzen
sind da und setzen sich kräftig durch.
Bildung wird Menschenbildung
Dass das Gestalten ein menschliches Urbedürfnis ist, offenbart sich in jedem Kind.
Der Gestaltungswille entspringt der tätigen Nachahmung. Das kleine Kind, das
vom ersten Lebenstag an seine Sinne am
Wahrnehmen selbst entwickelt, will die
wahrgenommene Umgebung nachschaffen. Lassen wir diesen Urquell versiegen, indem wir dem Kind alles fertig und
perfekt nachgebildet in sein Kinderzimmer häufen, so nehmen wir dem heranwachsenden Menschen sein wichtigstes
Lernfeld: das eigene Nachbilden und Gestalten seiner Umwelt. Gerade durch diese schöpferische Tätigkeit «erwächst»
das Kind. Dieser Prozess vollzieht sich
als Wechselwirkung zwischen Menschen
verschiedenen Alters im Umfeld der Kinder. Dieser gewichtige Teilbereich des
Bildungsprozesses im Schulalter ist seit
der Mitte des 20. Jahrhunderts einem
grossen Wandel unterworfen: Wo können
es wird auch praktische Fantasie, klares Überlegen und Planen, sowie
handwerklich und gestalterisch eine Menge gefordert. Resultat ist
nicht das fertige Tier, sondern der innere Entwicklungsschritt.
Kinder noch Menschen bei ihrer Berufsarbeit erleben? Vieles ist noch erlebbar,
aber der Mensch als Tätiger tritt in den
Hintergrund, er wird intensiv unterstützt
durch Maschinenarbeit oder Elektronik
– ich denke an Landwirtschaft, Stadtgärtner, Strassenfeger, Bauarbeiter, Bäcker
usw. Auch im häuslichen Bereich wird
stark rationalisiert, vor allem wenn beide
Eltern ausser Hause beruflich tätig sind.
Das heutige Berufsleben bildet also kaum
mehr ein Lernfeld, in dem Kinder Erfahrungen und Grundwissen am Erleben von
Berufsarbeit sammeln oder selbst bei den
Arbeiten mit Hand anlegen können.
Arbeit als Bildung – «Lebenskunde soll
aller Unterricht geben»(1)
Diese Situation stellt eine Schule, die
Heranwachsende möglichst vielseitig bilden möchte, vor eine Aufgabe: Was in der
Grosseltern- oder Elterngeneration noch
im Hause und sozusagen auf der Strasse
gelernt werden konnte, muss in die Schule geholt werden.
In dem Lehrplan der Rudolf Steiner Schulen(2) ist bereits vor dem geschilderten
Wandel im Berufsleben ein reicher handwerklich-künstlerischer Unterricht integriert worden. Er hatte seit der Gründung
der Waldorfschule das Ziel, zur ganzheitlichen Entwicklung im Bereich Handfertigkeit und künstlerischen Gestaltens SchuVertrauen wecken - Interesse nähren
lung zu vermitteln und bekommt dadurch
einen gewichtigen Auftrag in der Bildung
des jungen Menschen. Der genannte Auftrag wird beispielsweise in der Sachkunde und später im Technologieunterricht
aufgegriffen.
Ernährung, Bekleidung, Behausung
Kenntnisse über die Entstehung der klassischen Berufe wird im Sachkundeunterricht des dritten Schuljahrs für die drei Bereiche Ernährung, Bekleidung und Behausung vermittelt. Das geschieht praktisch,
indem die Neunjährigen in Werkstätten
bei Berufsleuten zusehen und mit Hand
anlegen dürfen. Die Themen werden gerne als Projekte durchgeführt. Beispiel: Ein
kleines Haus wird gebraucht für den Pausenplatz, den Kindergarten oder für einen
anderen Zweck – die beste Gelegenheit
also für einen richtigen Hausbau vom Fundament bis zur Aufrichte. Dabei werden
die ganzen Handwerker, ihre Arbeit und
die notwendigen Werkzeuge gebraucht
und können von den Drittklässlern kennen
gelernt werden. In solch einem realen Zusammenhang wird die Sachkunde erweitert zum Spracherwerb. Erlebnisse und
Arbeitserfahrungen bekommen Namen,
Handwerkssprüche, Lieder werden einbezogen und damit Wurzeln unserer Kultur.
Ein anderes Projekt ist der lange Weg vom
Korn zum Brot, das in Zusammenarbeit
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
mit Berufsleuten auf einem Bauerhof geschieht. Hier werden eigentliche Urhandwerke ausgeführt: Pflügen, Eggen, Säen,
Ernten, Dreschen, Korn zu Mehl vermahlen
und Brot backen, alles Arbeiten die den
Kindern unschätzbaren Reichtum mitgeben und eine tiefe Verbundenheit mit der
Erde, auf er sie leben, bewirken.
«Vom Stroh zum Gold»
Im Handarbeitsunterricht kann sinnvoller
Weise die Entstehung der Bekleidung
kennen gelernt werden. «Vom Stroh zum
Gold» hat das Thema in meinem Unterricht geheissen. Wenn eine Schulklasse
bei einer Schafschur zusehen darf und
erlebt, dass die Wolle ein Geschenk des
Schafs ist, schmutzig und voll Stroh, noch
unbrauchbar, bevor wir Menschen diese Wolle veredeln, so hinterlässt das ein
Grundgefühl für den Zusammenhang zwischen Natur und Mensch. Ohne das Tier
erhalten wir keine Wolle und ohne die Arbeit des Menschen wird aus dem Rohstoff
kein Bekleidungsmaterial. Die Kinder lernen in eigener Arbeit die ganzen Prozesse
der Wollverarbeitung tätig kennen: Wollwäsche, Kardieren, Färben mit Naturfarben, Spinnen und schliesslich auch die
farbigen Garne zu verweben und daraus
etwas Warmes zu stricken. Wo aber ist das
Gold geblieben? Es ist beim Färben der
weissen, gewaschenen Wolle mit Zwie-
belschalen entstanden und hat alle Kinder überzeugt, dass man aus strohigem
Material Gold machen kann, wenn man
fleissig und gut arbeitet.
Gestalten
In eine andere, das Handwerk ergänzende
Richtung wird das Schulkind durch künstlerisches Gestalten geleitet. Wird Handarbeit zu Hause oft als ein emsiges Erproben, ein sich spielerisch mit allerhand
Material Beschäftigen, eben Basteln betrieben, hat im Gegensatz dazu die Handarbeit im Schulrahmen einen ganz anderen Charakter. Wie jedes Schulfach hat der
Handarbeitsunterricht sein Richtziel: Ausbilden der Feinmotorik, Erwerben handwerklicher Fertigkeiten, aber auch Entwickeln der Sinne, des Sinns für Ästhetik im
Umgang mit Farbe Form und vielfältigem
Material. Einiges klingt abstrakt, ist aber
in den Hinweisen von Rudolf Steiner mit
einem sehr interessanten, praktischen
Ansatz für das Design verbunden(3). Alle
textilen Gegenstände, die als Arbeiten in
der Schule ausgeführt werden, sind Gebrauchsgegenstände, nützliche Dinge
und Spielsachen. Sie können so gestaltet
werden, dass die Anwendung unterstützt
wird, beispielsweise dass ich sehe, wo die
Vorderseite meines Nadelbüchleins ist, es
nicht vor dem Gebrauch mehrmals gewendet werden muss, bis die Nadeln bequem
23
Rosmarie Blaser
entnommen oder versorgt werden kön- her ausgeformt wird, so planen, dass ich rungen? Wie dick und wie dicht will ich
nen. Dieser Gesichtspunkt hat eine über- mein Tier in seiner typischen Bewegung das Taschenmaterial? Kann ich sie in Fargeordnete Gültigkeit(4). Was an dem klei- hinkriege? Wie kann ich die Aussenhaut be und Form so gestalten, wie ich sie mir
nen Beispiel genannt ist, kann im Grossen meines Tiers in möglichst wenige Einzel- vorgestellt habe? Beim Weben ist die UnBedeutung erhalten. Hier zwei Erlebnisse: teile zerlegen? Welche Teile brauche ich terrichtende eine Begleiterin, die den Weg
Auf vielen Reisen in Russland habe ich da? Solche Überlegungen müssen ge- durch alle Fadenwirren kundig aufzeigt,
Bahnhöfe wie Paläste getroffen, mit wun- leistet werden, bevor die handwerkliche Entdeckungen nicht vorwegnimmt, sonderschönen Treppenaufgängen, wie Stu- Ausführung beginnt. Da ist allerhand zu dern an sie heranführt. Erfährt ein junger
fen eines griechischen Tempels. Oben an- lernen und durchzuhalten bis das Tier so Mensch «ich kann Etwas neu erlernen und
gekommen im Bahnhofsgebäude, ging es aussieht, wie die Zwölfjährigen sich das ich kann es selber gestalten», so hat sie/
wieder so prachtvoll hinunter zu den Ge- vorgestellt haben. Nicht nur die Vertiefung er eine Lebensqualität erworben(5).
leisen, wieder über Marmorstufen und das des geografischen Themas kann sich da
alles mit dem schweren Koffer. Und das abspielen, es wird auch praktische Fan- Der Gestalter bin ich selbst
Zweite: Ein bekanntes Baseler Kleinthe- tasie, klares Überlegen und Planen, so- Kreativität ist ein Modewort geworden,
ater wurde von einem
mit Recht. Im Wort ist
renommierten Archidie Wurzel schöpfen,
tekten neu designed
die Qualität also, die
und ausgebaut. Die
mit Leben, Neugeburt
Stühle sind Fahrradhoverwandt ist und unseckern nachempfunden.
re Zeit braucht sie.
was in der ross eltern oder
Ich sitze und sehne
Wesentlicher jedoch
das Ende der Vorstelhabe ich in meiner belterngeneration noch im ause
lung herbei, weil mir
ruflichen Arbeit, der
und sozusagen auf der trasse
der Fahrradlenker fehlt
Pädagogik, das Gestalund ich noch immer
ten erlebt. Gestalten,
gelernt werden konnte muss in
nicht freihändig fahfür eine Sache, eine
ren kann. (Vor Kurzem
Situation oder einen
die chule geholt werden
sind die Hocker durch
Gedanken die richtige
gute Stühle ersetzt
Form finden, das ist
worden). Was soll uns
das innere Anliegen,
diese Ästhetik? Sie hat
wenn Rudolf Steiner
mit der Verwendung
die ersten Waldorflehnichts zu tun, ja sie ist
rer auffordert, immer
sogar hinderlich. Dennoch erleben wir alle wie handwerklich und gestalterisch eine mehr Künstlerisches in den Unterricht hinmodernes Design, das ebenso unbrauch- Menge gefordert. Resultat ist nicht das einzubringen(6). Wenn der Mensch gestalbar ist, wie die geschilderten Beispiele. fertige Tier, sondern der innere Entwick- tet, steht er in der Mitte dieses GescheWir brauchen heute eine neue Ästhetik, lungsschritt, der gefördert wird auf vie- hens und gibt dem zu Gestaltenden aus
die den Menschen, den Benutzer mit ein- len Ebenen.
seiner Mitte die richtige Gestalt. Arbeiten
bezieht. Diesem Gedankengang folgend,
wir in den Schule in diesem Sinne künstlekönnen wir auch den Unterschied verste- Spinnen und Weben
risch mit den Kindern und Jugendlichen, so
hen zwischen freiem Basteln als schöne Wenn im Technologieunterricht des zehn- erarbeiten sie sich Fähigkeiten für die ZuBeschäftigung und dem Schulungsauf- ten Schuljahrs Spinnen und Weben be- kunft. Die Verwandlung und Erweiterung
trag im handwerklich-künstlerischen Un- handelt wird, kann das auf verschiedene des Gestaltens wird zur Lebensgestaltung.
terricht. Der Schulunterricht der unteren Weise geschehen. Es kann der technische Das ganze Leben ist ein GestaltungsproKlassen geht einen Weg: vom Spiel zur Weg zur ersten Arbeitsteilung für die au- zess, will nicht jeder Gedanke, jede BegegArbeit, zum künstlerischen Gestalten ver- tomatisierte Fadenherstellung als Bei- nung, alles seine Gestalt bekommen und
bunden mit dem Praktischen.
spiel aufgezeigt und damit der Beginn der Gestalter ist jeder Mensch selbst.
der Industrie behandelt werden. Ein andeDer handwerklich-künstlerische Unter- rer, zeitgemässer Zugang wäre, die techricht der mittleren und oberen Klassen ver- nische Seite praktisch beim Spinnen und
feinert und erweitert den eben ausgeführ- Weben zu lernen und das Augenmerk auf
ten Grundgedanken zur Gestaltung. So den Gesamtprozess zu legen. Dieser Argeht es beim textilen Erarbeiten von Tieren beitsweg folgt dem Entstehungsprozess
nicht um Spielzeugherstellung, vielmehr von der Idee bis zum fertigen Werkstück.
darum, die in der Geografie behandelten Mit der zweiten Möglichkeit wird der geKlimazonen und ihre spezifische Fauna stalterische Aspekt wieder einbezogen
tiefer zu verarbeiten. Die Sechstklässler und damit der Benutzer der angefertigvertiefen beispielsweise ihre Kenntnisse ten Gegenstände, der Mensch. Wie viele
über die Savannentiere, den Elefanten Ideen und Vorstellungen haben doch Juoder den Löwen, charakterisieren ihr ge- gendliche und wie interessant für sie zu
wähltes Tier, zeichnen es und entwickeln erleben, ob ihre Idee sich verstofflichen
aus ihrer Zeichnung den eigenen Schnitt lässt (hier Wort wörtlich). Kann ich mit Franziska Heitz Ostheimer: Schülerin der Rudolf
für die Herstellung aus Stoff. Da wird ein den einfachen technischen Möglichkeiten Steiner Schule Basel, Studium: Zeichnen/Malen,
geliebtes Thema zum Impuls, sehr schwie- diese Farbskizze für meine Wunschtasche Kunstgeschichte, Russisch, Nordistik. Lehrerin für
Handarbeit, Kunst. Gründerin / Dozentin der Freien
rige Vorstellungen zu erüben: Wie kann ich umsetzen? Welches Material macht Sinn, Schule für Kunsthandwerk, Gründungslehrerin von
ein dreidimensionales Tier, das von innen entspricht den nötigen Qualitätsanforde- «Schule und Beruf».
Die immer stärker wahrnehmbaren Forderungen der Wirtschaft an die Schule, die
unstabile Situation auf dem Arbeitsmarkt
und die Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche verunsichern heute Eltern und
Jugendliche gleichermassen.
Das Erreichen der Matura gilt oft als das
anzustrebende Ziel. Dieses bedingt ein
enormes Aneignen von Lernstoff und die
oben gestellte Frage ist aus diesem Blickwinkel verständlich. Aus der öffentlichen
Diskussion über die Bildungsziele geht jedoch klar hervor, dass die reine Wissensvermittlung nicht genügt und das Erreichen der Matura weder für alle möglich
noch erstrebenswert ist. Was aber kann
einen jungen Menschen bestärken, nach
der obligatorischen Schulzeit weitere drei
Jahre eine Schule zu besuchen?
Mit dem Projektunterricht und vor allem
mit den vielfältigen Praktika von der 9.
bis zur 12. Klasse gehen die Rudolf Steiner Schulen auf die entwicklungspsychologische Situation der Jugendlichen im 3.
Jahrsiebt ein. Von der «pädagogischen
Gebärde» einer schützenden Hülle der Unterstufe kommen wir zur «wegweisenden
Gebärde». Die Jugendlichen sind auf der
Suche nach ihrer Identität und nach ihrer
eigentlichen Lebensaufgabe. Die Praktika kommen ihrem Bedürfnis nach Erfahrungen ausserhalb der Schule entgegen.
In der 9. Klasse ermöglicht ihnen ein drei-
24
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
G
-
H
E
S
,
S
.
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Vielfältiger Projektunterricht und Praktika
in der Arbeitswelt
Arbeiten statt
Lernen oder
Arbeiten und
Lernen?
Mit dem Projektunterricht und vor allem mit den vielfältigen
Praktika von der 9. bis zur 12. Klasse gehen die Rudolf Steiner Schulen auf die entwicklungspsychologische Situation
der Jugendlichen im 3. Jahrsiebt ein. Die Jugendlichen sind
auf der Suche nach ihrer Identität und nach ihrer eigentlichen
Lebensaufgabe. Die Praktika kommen ihrem Bedürfnis nach
Erfahrungen ausserhalb der Schule entgegen.
wöchiges Landwirtschaftspraktikum eine
intensive Begegnung mit dem Leben auf
dem Bauernhof. Die Achtung vor der Natur, der respekt- und liebevolle Umgang
mit den Tieren, die enorme wirtschaftliche Herausforderung an einen Bauernbetrieb, die tiefe Befriedigung nach getaner körperlicher Arbeit sind nur einige
der Aspekte, die den jungen Menschen
bewegen und seine eigenen Probleme in
den Hintergrund treten lassen. Die drei
Wochen in einer anderen Familienstruktur
können ausserdem eine gute Distanz und
eine neue Sichtweise auf die Situation in
der eigenen Familie schaffen.
Beim Feldmessen, als Projekt der 10. Klasse, ist eine ganze Klassengemeinschaft
gefordert. Die Vermessung eines Geländes in Gruppen verlangt grösste Sorgfalt
und Genauigkeit. Der Fehler eines Einzelnen führt oft zum Neuansetzen der ganzen
Arbeit. Das fachgerechte Handhaben von
Messgeräten und schlussendlich das
Übergeben des exakten Plans an eine Gemeinde oder Institution erfüllen die jungen Menschen mit Stolz. In dieser Stufe
engagieren sich die Klassen auch häufig
in einem Forst- oder Umweltprojekt.
Dem Motiv einer 11. und 12. Klasse, das
Suchen nach dem eigenen Weg und sich
selbst, sowie das Erkennenwollen der
heutigen Lebensbedingungen und der
sozialen Zusammenhänge, wird mit dem
Sozial- und Industriepraktikum Rechnung
getragen. Es gilt, die eigenen Interessen
zurückzustellen, ungewohnte Situationen
zu bewältigen und Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen. In die 12.
Klasse fällt auch das Theaterprojekt. Es
ist der krönende Abschluss der gemeinsamen Schulzeit. Noch einmal finden sie
sich als Klasse zusammen und übernehmen, neben der Rolle im gemeinsam gewählten Theaterstück, sämtliche dazu
gehörenden Aufgaben wie Bühnenbild,
Kostüme, Beleuchtung, Requisiten, musikalische Begleitung und das Gestalten
des Flyers und des Programmhefts.
Persönlichkeitsbildung ernst nehmen
Die vielen Initiativen zum projektbezogenen Unter-richt zeigen, dass die heutigen IMS-Schulen (Integrative Mittelschulen der Rudolf Steiner Schulen in
der Schweiz) die Persönlichkeitsbildung
ihrer SchülerInnen sehr Ernst nehmen
und ihnen manigfaltige Begegnungen
ausserhalb des Schulzimmers ermöglichen. Ein Blick auf die Homepage der
Schweizer IMS-Schulen lohnt sich. Viele
Klassen begegnen zum Beispiel in einem
Aufbauprojekt fremden Kulturen und entwickeln ein Sensorium für die soziale Ungerechtigkeit und das Gefälle zwischen
Arm und Reich.
Mit den im Lehrplan der Rudolf Steiner
25
Wir können die Arbeitswelt in einem gewissen Sinn nicht
in unsere Schulzimmer herein holen, aber wir können
die Jugendlichen hinaus schicken, damit sie sie kennen
lernen können.
Schulen verankerten Praktika erhalten die
jungen Menschen einen ersten Einblick in
die Arbeitswelt. Diese können ihnen jedoch auf die Frage nach der «Berufswahl»
noch keine befriedigende Antwort geben.
Die Strukturwandlung in der Arbeitwelt
hat das Verständnis von Beruf und Arbeit
in unserer Gesellschaft enorm verändert.
Viele Berufe sind durch die technischen
Errungenschaften ganz verschwunden,
neue, viel versprechende Ausbildungswege stellten sich nach kurzer Zeit als bereits überholt heraus. Sich in der Vielfalt
von Berufen und Ausbildungswegen zurecht zu finden, die Frage, was für einen
wichtig und richtig ist und wie es nach der
Schule weitergehen soll, kann zu einem
quälenden Problem werden. Wer schon
einmal das strahlende Gesicht eines jungen Menschen aus der 12. Klasse gesehen
hat, der eben seine Anschlusslösung gefunden hat, wird mir beipflichten.
Die meisten Schulen haben in ihren Curriculum das Fach Berufswahl-Vorbereitung
aufgenommen. Fachleute oder ausgebildete LehrerInnen beraten die Jugendlichen und helfen ihnen bei der richtigen
Fragestellung zu Neigungen, Fähigkeiten
und Möglichkeiten.
Reale Arbeitswelt erleben
Noch einen Schritt weiter gehen die Schulen, die ihren SchülerInnen die Möglich26
keit geben, in mehreren Praktika die reale
Arbeitswelt zu erleben, sei es in wiederkehrenden vierwöchigen Berufspraktika,
oder mit der Unterteilung der Woche in
Schul- und Arbeitszeit.
«Es handelt sich darum, die ganze Pädagogik und die ganze Didaktik in ein elementares Gefühl zusammen zu fassen,
so dass Sie gewissermassen in Ihrer Seele die ganze Schwere und die Wucht der
Aufgabe empfinden: Menschen hinein zu
stellen in diese Welt. Ohne das wird unsere Waldorfschule nur eine Phrase bleiben.» (Rudolf Steiner: Die Erziehung des
Kindes im Reifealter)
«Menschen hinein stellen in diese Welt»
heisst auch, ihnen helfen, ihren Weg, ihre
Aufgabe zu finden, in ihnen die nötigen
Kompetenzen anzulegen, um darin bestehen zu können. In der Sonderbeilage des
Goetheanums Nr. 14 vom 29. Juni 1997
sagte Heinz Zimmermann in einem Interview zu Oberstufenfragen: «Es muss die
tätige Bekanntschaft mit der modernen
Arbeitswelt bis in die industrielle Produktion hinein einen ganz grossen Stellenwert
an der Schule haben». Wir können die Arbeitswelt in einem gewissen Sinn nicht in
unsere Schulzimmer herein holen, aber
wir können die Jugendlichen hinaus schicken, damit sie sie kennen lernen können.
Ein äusserst wichtiger Aspekt ist, dass sie
dabei weiterhin aufgehoben bleiben in ei-
ner Klassengemeinschaft, die in der heutigen Zeit vermehrt auch die Funktion der
Familie übernehmen muss.
Die Berufswelt orientierten Praktika in der
11. und 12. Klasse verlangen von den jungen Menschen eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen
der Arbeitswelt, aber auch mit sich selbst.
Sie beginnen in der Schule mit einer gezielten Vorbereitung. Nach der Berufswahl-Vorbereitung in der 9. und 10. Klasse
wissen einige bereits, welches Berufsfeld
sie besonders interessiert. Die meisten
sind noch unsicher und müssen einfach
eine Wahl treffen. Die Jugendlichen suchen ihren Betrieb oder ihre Institution
selber. Hinweise auf richtiges Telefonieren, (auch, oder besonders im Handyzeitalter) und auf die Wichtigkeit des ersten
Eindrucks bei einem Vorstellungsgespräch
sind hilfreich. Man muss sich vorstellen,
dass diese ersten Schritte einigen schon
viel Überwindung abverlangen. In einem
Vertrag zwischen der Praktikantin/dem
Praktikanten, dem Betrieb und der Schule
werden die Praktikumsbedingungen geregelt. Im Betrieb werden die Jugendlichen
dann mit ihren Stärken und Schwächen
konfrontiert, entdecken oft auch ungeahnte Fähigkeiten. Meist treffen sie auf
begeisterte Fachleute, die sie fachkompetent und mit sichtlichem Berufsstolz anleiten. Es finden wertvolle menschliche BeVertrauen wecken - Interesse nähren
gegnungen statt. Gespräche, in denen oft
auch private Schwierigkeiten angesprochen werden, geben wichtige Impulse für
die weitere Entwicklung. Während der vier
Wochen besucht der schulische Betreuer
den Betrieb und führt mit dem dort Verantwortlichen und der Praktikantin/dem
Praktikanten ein Gespräch über den Verlauf des Praktikums. Die Betriebe äussern
sich dabei in höchstem Masse positiv über
unsere Schülerinnen und Schüler: Sie zeigen ein grosses Interesse für den Beruf und den
Betrieb, sie übernehmen
Verantwortung, arbeiten
sehr schnell selbständig, sind offen, teamfähig und sozialkompetent. Immer wieder wird
betont, dass der Betrieb
jederzeit bereit sei, für
die Jugendlichen aus unseren Schulen einen Praktikumsplatz zur Verfügung zu stellen.Negativ
verlaufende Praktika sind
äusserst selten. Am Ende
des Praktikums stellt der
Betrieb der Praktikantin/
dem Praktikanten eine
Qualifikation aus. Darin
bewertet er das Verständnis für die Arbeit, das
Interesse am Beruf, Zuverlässigkeit, Selbständigkeit und den Umgang
im Team. Diese objektive
Frembewertung ist für
den jungen Menschen
unendlich wertvoll und
kann für die Suche nach
einem weiteren Praktikumsplatz oder einer
späteren Lehrstelle sehr
hilfreich sein. Dass diese
fast ausschliesslich positiven Rückmeldungen das
Selbstwertgefühl und die
Selbstsicherheit eines Jugendlichen steigern, ist
unbestritten. Die Erfahrungen im Verlauf der zahlreichen Praktika können für das ganze spätere Leben
prägend sein. Wieder zurück in der Schule
wird das Erlebte im Praktikumsbuch fest
gehalten. Dazu gehört ein Beschrieb des
Betriebs, der dort arbeitenden Menschen
mit ihren unterschiedlichen Berufen, eine
Recherche über Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die verwandten Berufe. So bekommt der junge Mensch
ein genaues Bild und kann dieses mit seinen Neigungen und Fähigkeiten vergleichen. Im letzten Teil werden die persönlichen Erfahrungen ausgewertet. Hier ist
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
der junge Mensch gezwungen, mit sich
ins Zwiegespräch zu kommen, sich ehrlich
mit den eigenen Stärken und Schwächen
auseinander zu setzen, sich darüber klar
zu werden, was für ihn wichtig ist und wie
er auf seiner Suche zu sich selbst weiter
gehen will. Die schulische Betreuungsperson kann im abschliessenden Gespräch
mit gezielten Fragen oft gute Hilfestellungen geben.
Aufschlussreich ist zu sehen, welche Be-
rufe unsere Schülerinnen und Schüler
kennen lernen wollen. Sehr viel Interesse
gilt dem sozialen, pflegerischen und heilpädagogischen Bereich. Da ist es auch
relativ einfach, einen Praktikumsplatz zu
bekommen, da eine helfende Hand mehr
immer willkommen ist. Schwieriger gestaltet sich die Suche in den ebenfalls sehr
begehrten künstlerischen Berufen. Dass
die Jugendlichen es schaffen, im Bereich
Grafik, Fotografie, Theater, Musik und der
bildenden Künste eine Praktikumsstelle
zu bekommen, zeigt, dass sie über Zielstrebigkeit und Überzeugungskraft ver-
fügen. Das Handwerk nimmt nach wie vor
einen grossen Stellenwert ein. Eher wenig Interesse zeigen sie (leider) für technische Berufe.
Lebensziele finden
Ganz klar wirken sich die Erfahrungen in
den Praktika auch auf die schulischen
Leistungen aus. Ein angehender Koch entdeckt zum Beispiel, dass Mathematik für
die Einkäufe, die Preis- und Menüberechnungen sehr wichtig ist
und dass das ungeliebte
Französich in diesem Metier omnipräsent ist. Mit
solchen Erkenntnissen
kann der durch die Praktika «verloren» gegangene Schulstoff meist effizient aufgearbeitet werden. Doch dies ist meiner
Meinung nach nur ein
kleiner, wenn auch sehr
positiver Nebeneffekt.
Unendlich viel wichtiger
erscheint mir, dass diese
jungen Leute die Schule mit einem Berufs- und
Lebensziel verlassen, mit
dem Wissen, was sie in
der Arbeitswelt erwartet, dass sie verstanden
haben, dass man fast zu
allem fähig ist, wenn man
nur will und Aufgabe und
Weg nur aus sich selbst
zu finden sind. So werden
sie zu «Autoren ihrer Biographie».*
Zum Schluss möchte ich
auszugsweise einige selber zu Wort kommen lassen: «Durch diese Praktika habe ich herausfinden können, was für mich
wichtig ist. Ich habe gelernt, auf Neues zuzugehen und mich immer wieder auf neue Situationen
einzustellen».
«Es waren tiefe Einschnitte ins Schulleben, die sich jedoch
lohnten. Gerade die Abwechslung brachte
mir die Motivation fürs Lernen».
«Ich konnte mich selbst finden, mich besser kennen lernen und abspüren, ob meine inneren Vorstellungen mit der Realität
des Berufes übereinstimmen».
«Die Qualifikationen gaben mir Mut und
Selbstsicherheit».
* Aus «Beruf und Biographie» von Michael Brater
Rosmarie Blaser war 1990-2007 Französischlehrerin an der Oberstufe und IMS (Integrative Mittelschule) der Rudolf Steiner Schule Winterthur. Mitarbeit am Konzept für die berufswelt-orientierte
IMS mit anschliessender Übernahme der Praktikumsbetreuung.
27
Zsolt Joanovits
Freie Schulwahl
IM
H E UTIG E N
BILDUNGSSYSTEM
BESTEHT SO ETWAS
Volksschule
oder
Eliteschule?
WIE EINE KÄUFLICHE
BILDUNGSWAHL: ENTWEDER ICH ZIEHE
IN EIN GEHOBENES
EINFAMILIENHAUSQUARTIER ODER ICH
Wer das Angebot der staatlich organisierten Bildungseinrichtungen nicht nutzen will, muss für nicht staatliche Bildung
privat aufkommen – zusätzlich zu dem über die Steuern
geleisteten Beitrag an die staatliche Bildung. Obwohl auch
Rudolf Steiner Schulen öffentliche Schulen sind.
Die Volksschule ist unentgeltlich. So steht
es sinngemäss in den Verfassungen des
Staates und der Kantone. Aber womit wird
die Bildung eigentlich finanziert? Klar, aus
dem Mehrwert den die Wirtschaft erarbeitet. Über die Steuern schöpfen Bund und
Kantone die Mittel für das öffentliche Leben ab, unter anderem also für unsere
Schulen. Wer aber das Angebot der staatlich organisierten Bildungseinrichtungen
nicht nutzen will, muss für nichtstaatliche
Bildung privat aufkommen, zusätzlich zu
dem über die Steuern geleisteten Beitrag
an die staatliche Bildung.
Das kennen wir gut: Die Rudolf Steiner
Schulen sind aus Initiativen von Eltern
und Lehrpersonen hervorgegangen. Sie
sind zwar offiziell, also «staatlich», anerkannt und zugelassen, aber sie haben
einen eigenen Lehrplan und nehmen für
sich eine weitgehende Autonomie in Anspruch. Indem sie solches tun, sondern
sie sich aus der Sicht des Staates vom einheitlichen Konzept Schule ab. Sie werden
als privat bezeichnet – und werden aus
den öffentlichen Geldern nicht finanziert.
Die Eltern sind damit aufgefordert, für die
Schule, deren Pädagogik sie in Anspruch
nehmen wollen, ein Schulgeld zu entrichten. Das ist meist ein Familienbeitrag, der
sich nach der Höhe des Familieneinkommens richtet. Darüber hinaus muss sich
der Schulträger – insbesondere in Zeiten
28
schwacher Wirtschaft – einiges einfallen
lassen, um zu den benötigten Geldmitteln
für den Schulbetrieb zu kommen, wenn
die Elternbeiträge nicht ausreichen. Und
der Schulträger, das sind wiederum die
Eltern, zusammen mit den Lehrpersonen.
Die Erträge aus den Schulbazaren und
von anderen Veranstaltungen, die sie gemeinsam organisieren, bilden einen fixen Posten im Budget der Schule und ermöglichen deren Fortbestehen. Nun, was
heisst eigentlich «privat»? Im alltäglichen
Sprachgebrauch hat sich eingebürgert,
von einer privaten Schule zu sprechen,
wenn sie nicht vom Staat organisiert und
aufrecht erhalten wird. Eine private Schule ist somit – im Gegensatz zur staatlichen – nicht « öffentlich-rechtlich»’, sie
ist also aus irgendeinem Grund nicht für
alle gleichermassen zugänglich. Dabei
gelten unterschwellig mehrere Kriterien,
beispielsweise Religion, Rasse und Ethnie
und – das Geld. Wer auf solche Dinge Wert
legt, der wird gewisse Kinder lieber nicht
in seine Schule aufnehmen wollen. Er ist
«privat», das heisst, er sondert sich ab, ja
noch mehr: er sondert aus. Das ist die eigentliche Bedeutung des Wortes.
Ursprünglich war die Schule privat.
Sie war das Privileg der reichen Oberschicht und wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein von kirchlichen Institutionen
BEZAHLE EBEN EINE
PRIVATSCHULE.
betrieben. Es war ein echtes Kirchenmonopol, auch inhaltlich. Die Kirche bestimmte, was gelehrt und gelernt werden
durfte. Bildung war ein Mittel kultureller
Bedürfnisse. Sie war aber auch ein Mittel, die geistliche und weltliche Macht zu
bewahren. Es war nur recht und billig, so
etwas wie Bildung dem «gemeinen Volk»
vorzuenthalten. Seit der Industrialisierung
der Wirtschaft gehen zwei gesellschaftliche Entwicklungen Hand in Hand und
sind voneinander abhängig. Zum einen
benötigt die industrielle Produktion Mitarbeiter: in den Unternehmen braucht es
unterschiedlich ausgebildetes Personal.
Über die herkömmliche Bildung hinaus
definiert die Wirtschaft ein allgemeines
Basiswissen als Lernziel und als Grundlage jeglicher Spezialisierung. Als das
Industrieproletariat entstand, wurde es
Zeit, dass ein Einheitsstaat im eigenen Interesse von den kirchlichen Einrichtungen
das Bildungsmonopol übernahm. Das
war seinerzeit ein notwendiger und überaus positiver Schritt. Zum anderen aber
– und das ist der zweite Prozess – führt
vermehrte Bildung, führt die Auseinandersetzung mit elementaren Kulturtechniken und mit den Grundlagen der sich
rasant entwickelnden Naturwissenschaft
bei der gesamten beteiligten Bevölkerung zu einem Individualisierungsschub
ungeahnten Ausmasses. Es ist leicht einVertrauen wecken - Interesse nähren
zusehen, dass eine allgemeine Individualisierung den herkömmlichen Industrieunternehmen ziemlich ungelegen kommt.
Aber mit der zunehmenden Technisierung,
Computerisierung und Robotisierung der
industriellen Produktion verändern sich
die Anforderungen an Belegschaften in
neuerer Zeit ohnehin radikal. Man spricht
von der Dienstleistungsgesellschaft, von
der lernenden Gesellschaft und von lernenden Unternehmen. Die «gleiche Schule für alle» wird angesichts dieser Tatsachen zum Anachronismus. Unter diesen
Umständen wird das Bildungswesen des
19. Jahrhunderts mit dem staatlichen Bildungsmonopol, der allgemeinen Schulpflicht und den vereinheitlichten Lerninhalten den heutigen Anforderungen nicht
mehr gerecht.
Es kommt auf die Haltung an.
In der Regel haben Rudolf Steiner Schulen keinen Grund, besondere Kriterien anzuwenden, um bestimmte Schüler oder
Schülerinnen fernzuhalten. Im Gegenteil:
in der bildungspolitischen Diskussion
hört man immer wieder Stimmen aus der
Waldorf- Ecke, dass man durchaus bereit
sei, mehr so genannte «problematische»
Kinder aufzunehmen. Und auch bei der Finanzierung gilt der Grundsatz, den Schulbesuch auch Kindern minderbemittelter
Eltern zu ermöglichen, notfalls über eiEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
nen Sozialfonds. Insofern ist die Rudolf
Steiner Schule, insofern sind die meisten
nichtkommerziellen Privatschulen öffentlich – sie schliessen wenn immer möglich
niemanden aufgrund von selbst gewählten Kriterien, und sei es nur aufgrund der
Kaufkraft der Eltern, vom Schulbesuch
aus. Sie haben vielleicht ein anderes pädagogisches Profil als die Staatsschule,
aber «privat» sind sie nicht. Ein anderes
pädagogisches Profil – das ist es ja, was
die Rudolf Steiner Schule für viele interessant macht. Sie ist interessant für jene, die
eine anthroposophische Pädagogik, eine
behutsame Einführung der intellektuellen
Inhalte und die Pflege der musischen Aktivitäten begrüssen. Für die Eltern steht
das pädagogische Profil nicht unbedingt
für eine spezifische Weltanschauung, aber
doch mindestens für eine bestimmte Haltung, für einen bestimmten Umgang mit
den Kindern und mit den Lerninhalten.
Eine von aussen verordnete Anpassung
des Lehrplans an staatliche Vorgaben
steht darum zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion.
Bildung und Volkswirtschaft
Es herrscht heute ein allgemeiner Konsens darüber, dass Bildung die wichtigste Grundlage einer Volkswirtschaft sei.
Trotz gründlich veränderter Rahmenbedingungen fordern aber Wirtschaftskreise
auch heute noch, dass Schulabgänger eine
einheitliche Grundausbildung mitbringen
sollen. Es ist noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen, dass dies über
kurz oder lang den eigenen Interessen und
den Interessen des ganzen Wirtschaftsraumes zuwiderlaufen könnte, weil die
Unternehmen sowohl in fachlichen Bereichen als auch in der Sozialkompetenz zunehmend auf eine immer breitere Palette
von individuellen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter angewiesen sind, und weil das jetzige Bildungssystem mit den vereinheitlichten Lehrplänen eine wirklich individuelle Entwicklung erschwert. Seit einiger
Zeit setzt sich die «elternlobby schweiz»
für eine freie Schulwahl etwa nach skandinavischem Vorbild ein. Sie verlangt einerseits, dass Eltern auch innerhalb des
staatlichen Schulsystems eine freie Wahl
zwischen den einzelnen Schulen haben
sollen. Und sie fordert, dass die bislang
nichtstaatlichen Schulen in das gesamte
Bildungskonzept miteinbezogen und damit auch vollumfänglich mittels einer
Pro-Kopf-Pauschale vom Staat finanziert
werden, ohne dass ihre Lehrpläne, wenn
sie denn von jenen in den Staatsschulen
abweichen, in Frage gestellt würden. Das
soll allerdings nur gelten, wenn «der Zugang ohne ethnische, religiöse und finanzielle Einschränkung gewährleistet ist»,
wie es im Text der Verfassungsinitiative
29
der «elternlobby», die im Kanton Baselland bereits lanciert ist, wörtlich heisst.
Dann sind die Schulen öffentlich, und damit wird, wie wir oben gesehen haben,
die Unterscheidung zwischen den staatlichen und den nichtstaatlichen Schulen
insofern hinfällig, als endgültig nur noch
profitorientierte oder sonstwie selektierende Schulen als Privatschulen bezeichnet werden können.
Argumentation
Gegner der freien Schulwahl argumentieren mit der Finanzierungsfrage und mit
der drohenden Segregation. Bei einer
Grössenordnung von etwa 5% «Privatschüler» scheint die Finanzierung jedenfalls nicht das vordringlichste
Problem zu sein, ganz abgesehen davon, dass die Kantone seit Jahrzehnten tüchtig
von den selbstverwalteten
Schulen profitieren. Was aber
die Segregation betrifft, bekommt die Argumentation etwas bedrückendes: Durch die
Privatisierung im Bildungswesen «werden die leistungsschwachen und sozial benachteiligten Schülerinnen
und Schüler bezüglich Wahlmöglichkeiten und Chancengleichheit benachteiligt. Findet die freie Schulwahl schon
während der obligatorischen
Schulzeit statt, führt sie sowohl in der Schule als auch
im gesellschaftlichen Umfeld
zu einer sozialen Segregation,
da in erster Linie gut gebildete
und gut verdienende Bevölkerungsgruppen diese Schulen wählen.» (Aus einer Vorlage an den Landrat im Kanton
Baselland, 10. April 2001). Auf
deutsch: wir lassen die Finanzierung von privaten Schulen
nicht zu, weil nur reiche Leute ihre Kinder in Privatschulen geben.
In Wirklichkeit ist es genau andersherum:
das heutige Bildungssystem ist es, das
die Segregation begünstigt. Sie ist heute
schon ziemlich fortgeschritten, weil nur
die Reicheren etwas gegen die Zwangseinweisung tun können. Es besteht so
etwas wie eine käufliche Bildungswahl:
entweder ich ziehe in ein gehobenes Einfamilienhausquartier, um die territoriale
Zuweisung meiner Kinder in ein besseres,
nämlich von Kindern ähnlicher Herkunft
frequentiertes staatliches Schulhaus zu
nutzen, oder ich bezahle eben eine teure
Privatschule. Damit begünstige ich die
Entstehung der gefürchteten so genannten «Restschulen».
30
Für den Normalverdiener aber gilt: Sobald
die freie Wahl unter den öffentlichen Schulen gewährleistet ist und alle, auch die
staatlichen Schulen eine gewisse Autonomie bekommen, was den Lehrplan und
die Erfüllung der vorgegebenen Lernziele
betrifft, werden die Eltern ihr Wahlrecht
allenfalls aufgrund von pädagogischen
Profilen oder vielleicht auch aufgrund von
problematischen Beziehungen ihrer Kinder untereinander oder zu den Lehrpersonen treffen. Wenn auch den Minderbemittelten oder auch den Minderbegabten,
den «Bildungsfernen» und den Fremdsprachigen die freie Wahl zugestanden
wird, vollzieht sich doch die gewünschte
soziale Durchmischung auf längere Sicht
von selbst. Je nach «Klientel» werden sich
die Schulen dann so oder anders ausrichten müssen.
Warum also wird die Segregation von
den Gegnern ins Feld geführt? Ist es denn
wirklich so, dass die Bildungspolitik in der
Schweiz sich ganz auf die Interessen der
Wirtschaft und auf die Erhaltung von Traditionen stützt? In einem Papier der Zürcher SVP von 1998 etwa steht zu lesen:
«Eine Finanzierung nichtstaatlicher Schulen durch den Kanton stellt die bewährte
Zürcher Schultradition in Frage und ist in
Anbetracht des schwer defizitären Staatshaushaltes auch finanziell nicht verant-
wortbar.» (Aus einer Vernehmlassung der
SVP Zürich zum Gesetz über die Mittelschulen vom 4. März 1998).
tobias richter
Der «Waldorf-Lehrplan» – an über 1000 Schulen weltweit
Das Bildungsmonopol ist realitätsfern.
Ganz abgesehen davon, dass sich die
wirtschaftliche Situation unterdessen
markant verbessert hat: Warum will der
Staat alleiniger Bildungsanbieter sein?
Ist es sachlich notwendig, dass der Staat
die Schulen selber führt, verwaltet und bis
hinunter zur Zuteilung der Schüler in die
Rechte der Eltern eingreift? Würden Lehrkräfte und Eltern nicht genügen, um eine
gute Schule für die Kinder zu realisieren?
Braucht es den Staat überhaupt?
Nun, es ist mit Sicherheit unverzichtbar,
dass die Kantone, die die Hoheit über das Bildungswesen
haben, die Randbedingungen
für die Institution Schule definieren, die Lernziele und überhaupt Mindestanforderungen
festlegen und die Aufsicht über
das Schulwesen wahrnehmen.
Es ist auch notwendig, dass sie
zusammen mit den Gemeinden
die Bildung als Gesamtes aus
den Steuereinnahmen finanzieren. Wenn sie aber auf der
Vereinheitlichung aller Lehrpläne und auf dem von Beamten verordneten synchronen
Ablauf des Ausbildungsverlaufs und selbst der einzelnen
Unterrichtsstunden bestehen, dann sind zunehmende
Schwierigkeiten unvermeidlich. Wie es ein Lehrer einer
staatlichen Mittelschuleinrichtung mit vielen Migrantenkindern unlängst formuliert hat:
«Ich muss die Stunde heute
thematisch abschliessen. Ich
kann keine Rücksicht darauf
nehmen, wenn einzelne oder
auch viele Schüler etwas nicht
verstanden haben. Ich darf das
Thema nicht wieder aufgreifen,
um jenen, die langsamer lernen, zu helfen. Ich muss morgen mit dem
nächsten Thema beginnen, das auf dem
heute durchgenommenen Stoff aufbaut.
Nach kurzer Zeit schwimmen auch diejenigen, die schnell von Begriff sind. So ist
Unterricht kaum mehr möglich.»
Globale
Pädagogik
Schon die Formulierung treibt manchem die Zornesröte ins
Gesicht: Waldorflehrplan! Als ob es einen solchen gäbe!
Erziehung und Freiheit – unvereinbar mit einem Plan. Und
wenn, dann müsste auf jeder Seite durchlaufend notiert
sein: «Die Freiheit des Waldorflehrers ist unantastbar»...
Und dann gibt es ihn doch. In verschiedenen Fassungen
– Gott sei Dank!
Manche Waldorfschulen haben ihn für sich
gemäss ihrem Schulprofil ausgearbeitet
und formuliert. Er liegt bei den Schulbehörden vor und die Eltern kennen ihn.
Dann der Lehrplan-Klassiker von C. v. Heydebrand (1925). Motto: das Wesentliche
in Kürze – und besser hätte man es wahrlich nicht machen können! Die Sammlung
Stockmeyer (Rudolf Steiners Lehrplan für
die Waldorfschulen) gehörte lange zu der
sog. grauen Literatur, war also nicht für
jedermann frei zugänglich. Sie war – und
ist noch immer – ein unverzichtbares Studienmaterial für alle Waldorflehrer in Bezug auf Lehrplanfragen. Schliesslich der
im Auftrag der Internationalen Konferenz
der Waldorf-/Rudolf Steiner Schulen (Haager Kreis) von Tobias Richter herausgegebe Band «Pädagogischer Auftrag und
Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule». Neben diesen deutschsprachigen Publikationen existieren selbstverständlich Ausarbeitungen des Waldorfcurriculums – oder Übersetzungen – in
den Ländern, in denen es heute Waldorfschulen gibt.
Selbständige Lehrpersonen
Zsolt Joanovits ist Psychotherapeut und Erwachsenenbildner sowie Vizepräsident der elternlobby
Schweiz
Vertrauen wecken - Interesse nähren
Ein Problem, von Rudolf Steiner selbst formuliert: «Nun gehört zu dem Unterricht
dazu – und wir sollten das nicht ausser
Acht lassen – eine gewisse Sehnsucht,
völlig frei zu sein.»1 Später nochmals, als
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
ob diese Sehnsucht provoziert werden
soll: «Natürlich müsste Vieles viele Male
mehr gesagt werden, aber ich möchte ja
aus Ihnen nicht lehrende Maschinen machen, sondern freie, selbständige Lehrpersonen.»2 Das steht am Ende des 14tägigen Lehrerbildungskurses, wo in den
drei Lehrplanvorträgen die Grundzüge des
Waldorfcurriculums dargestellt wurden
(auf Grundlage einer Allgemeinen Menschenkunde und einer darauf aufbauenden Didaktik und Methodik). Und dennoch: Steiner hatte durchaus die Absicht,
den Lehrplan systematisch auszuarbeiten und darzustellen – kam jedoch nicht
mehr dazu.3* Damit ist also das Problem
umrissen: Die Autonomie der LehrerInnen
wird vorausgesetzt, um mit dem «abgelesenen», abgeleiteten Entwicklungsbedürfnis des Kindes und Jugendlichen (das
meint das Waldorfcurriculum) umgehen
zu können. « Wir müssen uns dem Lehrplan so nähern, dass wir uns in die Lage
versetzen, eigentlich in jedem Augenblick
ihn uns selber zu bilden, dass wir ablesen
lernen dem 7., 8., 9., 10. Jahre usw., was
wir in diesen Jahren zu treiben haben.»4
Aufgabe der Lehrerbildung ist es, die dafür
notwendigen Fähigkeiten wachzurufen.
Zum Wesen durchdringen
Die Lehrerin, der Lehrer bewegt sich auf
etwas zu, nähert sich, muss automobil
werden. (Wer sich nicht bewegt, wird bewegt – und das ist oft schmerzhaft...) Bewegung verlangt Navigationsfähigkeiten:
Wo will das einzelne Kind, wo die Kinderschar hin? (Sie bewegen sich nämlich
auch!) Beobachten und verstehen lernen,
was sich in der Individualbegegnung zeigt,
wie auch im Kontext der Menschheits- und
Kulturentwicklung, sind die ersten Navigationskoordinaten. Dann gilt es den
adäquaten, damit korrespondierenden
Inhalt (den «Stoff») zu suchen. Für diese Jäger- und Sammlertätigkeit bedarf es
der Übung, da es immer notwendig ist,
von der Erscheinung zum Wesen einer
Sache durchzudringen. Schliesslich die
Unterrichtsgestaltung: situativ, individuell, geistesgegenwärtig, zeit-, kultur- und
sozialgemäss.
Letzteres, die Sozialgemässheit, ist in
mehrfacher Hinsicht wichtig: Das eigene
schöpferische und phantasievolle Gestalten aus einem «Urhebertrieb», wie ihn
Martin Buber nennt, trägt in sich den Keim
von Vereinsamung. «Nur wenn ihn jemand
an der Hand fasst... um ihm jenseits der
Künste Gefährte, Freund, Liebender zu
sein, wird er der Gegenseitigkeit inne und
teilhaftig. Eine auf der Ausbildung des Urhebertriebs allein begründete Erziehung
würde eine neue, schmerzlichste Vereinsamung der Menschen bereiten.»5
31
Das intensiv gespielte Instrument der Konferenzen an Waldorfschulen kann und soll
eine entscheidende Hilfe gegen die Ausbildung eines Solistenprinzips sein. Bezogen auf das Curriculum heisst das: Studiert man es nicht vertikal (hierarchisch)
sondern horizontal (sozial), so lässt es
sich von allen in einer Klasse arbeitenden
LehrerInnen als «Partitur» verwenden. So
und nicht anders war auch der erste Lehrplan von C. v. Heydebrand angelegt und
auch der Lehrplan von 2005 folgt selbstverständlich dieser Notwendigkeit.6
Von allem Anfang an skizziert Steiner diese Art der Zusammenarbeit in der Konferenz und ein Co-Teaching-Prinzip: «Der
musikalisch Unterrichtende sollte dem rezitierend Unterrichtenden möglichst nahe
stehen... Es würde besonders gut sein,
wenn der musikalisch Unterrichtende
noch bei dem Rezitation Unterrichtenden
dabei sein könnte und umgekehrt, so dass
der eine noch immer auf die Zusammenhänge mit dem anderen Unterricht hinweisen könnte. ...es muss der Unterricht
als ein ganzer gestaltet werden. Darüber
muss in der Wochenkonferenz der Lehrerschaft gesprochen werden.»7
Also Zusammenarbeit als viertes, zur Realisierung des Waldorfcurriculums notwendiges Element.
I. Beobachtung und Studium der Individualentwicklung
2. Beobachtung und Studium der
Menschheits- und Kulturentwicklung
3. Übung in Weltbegegnung. Von der
Erscheinung zum Wesen
4. Zusammenarbeit in der Gestaltung
des Unterrichts – lebendig, authentisch und verantwortungsvoll
Pädagogik des Dialogs
Dies macht die Waldorfpädagogik zu einer Pädagogik des Dialogs. Das können
z. B. Eltern von den WaldorflehrerInnen
erwarten – nicht nur weil es so intendiert,
sondern weil es möglich ist!
Was die Waldorfpädagogik mit am stärksten von der Regelschulpädagogik unterscheidet, ist die Bedeutung des Curriculums. Die Unterrichtsinhalte sind nicht als
Ziel, sondern als Mittel zu verstehen. Was
das Kind an der Botanik, an der Mathematik, an der Eurythmie lernt, ist ebenso
wichtig, wie es das Kind lernt! (Vor einigen Jahren gab es den flott daherkommenden Sticker «Waldorf ist, wenn man
es trotzdem lernt»; ein prägnanter Kurzschluss, denn: «Waldorf ist, wenn man es
anders lernt.»)
Es ist also je und je zu prüfen, welcher Inhalt und welche Methode richtig sind für
eine bestimmte Situation; und danach –
z. B. durch Praxisforschung – welche Resultate sie gezeitigt haben. Hierbei muss
jedoch immer auch der Langzeitwirkung,
32
dorf meint und Waldorflehrplan ist, deutlicher zur Erscheinung kommt: Die Waldorfpädagogik braucht die Welt.
Globale, universale Pädagogik
Waldorf ist, wenn man durch Erziehung Antwort
geben kann auf das, was Not tut, was fällig ist, was
die jungen Menschen – ganz gleich an welchem Ort
– für ihre individuelle Entwicklung erhoffen.
der Nachhaltigkeit ein besonderes Augenmerk geschenkt werden.
Weder Kochbuch noch Komposition
Diesem offenen Curriculum liegt – wie gezeigt- eine eindeutige anthropologische
Orientierung zu Grunde: «Es ist unser ganzer Lehrplan nur etwas dem Geiste nach
Bestimmtes; während in Bezug auf die
einzelne Handlung man denkbar grösste
Freiheit hat.»8
Wird der Waldorflehrplan wie ein Kochbuch gelesen, dann könnte dies einen
verführen, bestimmte Gerichte (z. B. Epochen) mit bewährten Ingredienzien («da
wählt man am besten...») und erprobten
Kochlöffeln (Methoden) zu produzieren.
Doch ein Kochbuch ist der Lehrplan genauso wenig wie ein Konstrukt oder eine
fertige Komposition, allenfalls eine, die
auf der Grundlage des Generalbasses**
immer neu zu artikulieren ist.
Versuchen wir Folgendes: Aus den Inhalten, die in den Klassen 1-12 bearbeitet
werden können, soll der jeweilige Generalbass-Klang gesucht werden. Das sähe
dann vielleicht so aus:
Dass diese Skizze keinen Anspruch auf
Verbindlichkeit besitzt, sollte überflüssig
sein zu erwähnen, doch sie zeigt mindestens zweierlei:
1. Die Hauptmotive der Klassenstufen können als entwicklungsdyna-
mischer Wirbel gelesen werden: aus
der aperspektivischen Weite der
Kindheit zur «Engführung» in der
Zeit der Erdenreife – von dort in zunehmender Selbständigkeit zur verantwortungsvollen Realisierung frei
gewählter Aufgaben. (Das ist hier mit
«Pflicht» gemeint.)
2. Solche Hauptmotive können die LehrerInnen anregen zu gemeinsamen,
individuellen Lehrplangestaltungen.
Waldorfcurriculum – weltweit
Nur aus dem Verständnis der Substanz
des Waldorflehrplanes kann es gelingen,
in den beinahe 1000 Waldorfschulen in
mehr als 50 Ländern der Welt das auszuformulieren, was in Anbindung an die jeweiligen kulturellen Bedingungen und unter Berücksichtigung der dort geltenden
Schulgesetze das Entsprechende ist. Waldorf ist, wenn man durch Erziehung Antwort geben kann auf das, was Not tut, was
fällig ist, was die jungen Menschen – ganz
gleich an welchem Ort – für ihre individuelle Entwicklung erhoffen. Waldorfinhalte
zu exportieren oder zu importieren hiesse, das Curriculum missverstehen. Gerade durch die Unterschiedlichkeiten der
Inhalte wie auch der Realisationsformen
zeigt sich als Übergeordnetes das Waldorfcurriculum. Und jede Schule an jedem
Ort der Welt hilft mit, dass das, was WalVertrauen wecken - Interesse nähren
Wenn für die Bildung der Kinder und Jugendlichen aus der Entwicklungsdynamik
Schlussfolgerungen gezogen werden, die
für alle Menschen kraft ihres Menschseins
gelten können,
– dann ist die Waldorfpädagogik eine globale Pädagogik – auch wenn sie in Europa oft noch eurozentristisch verstanden
wird und wenn für manche Orte der Welt
noch die ihren Zielen angemessenen Unterrichtsbeispiele zu entwickeln sind;
– dann ist sie die bisher einzige universale
Pädagogik;
– dann ist sie ein Mittel für globale Verständigung und Mobilität der Eltern und
der jungen Menschen.
Dass diese Skizze keinen Anspruch auf
Verbindlichkeit besitzt, sollte überflüssig
sein zu erwähnen, doch sie zeigt mindestens zweierlei:
1. Die Hauptmotive der Klassenstufen können als entwicklungsdynamischer Wirbel gelesen werden: aus
der aperspektivischen Weite der
Kindheit zur «Engführung» in der
Zeit der Erdenreife – von dort in zunehmender Selbständigkeit zur verantwortungsvollen Realisierung frei
gewählter Aufgaben. (Das ist hier mit
«Pflicht» gemeint.)
2. Solche Hauptmotive können die LehrerInnen anregen zu gemeinsamen,
individuellen Lehrplangestaltungen.
Waldorfcurriculum – weltweit
Nur aus dem Verständnis der Substanz
des Waldorflehrplanes kann es gelingen,
in den beinahe 1000 Waldorfschulen in
mehr als 50 Ländern der Welt das auszuformulieren, was in Anbindung an die jeweiligen kulturellen Bedingungen und unter Berücksichtigung der dort geltenden
Schulgesetze das Entsprechende ist. Waldorf ist, wenn man durch Erziehung Antwort geben kann auf das, was Not tut, was
fällig ist, was die jungen Menschen – ganz
gleich an welchem Ort – für ihre individuelle Entwicklung erhoffen. Waldorfinhalte
zu exportieren oder zu importieren hiesse, das Curriculum missverstehen. Gerade durch die Unterschiedlichkeiten der
Inhalte wie auch der Realisationsformen
zeigt sich als Übergeordnetes das Waldorfcurriculum. Und jede Schule an jedem
Ort der Welt hilft mit, dass das, was Waldorf meint und Waldorflehrplan ist, deutlicher zur Erscheinung kommt: Die Waldorfpädagogik braucht die Welt.
Globale, universale Pädagogik
Wenn für die Bildung der Kinder und JuEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
gendlichen aus der Entwicklungsdynamik
Schlussfolgerungen gezogen werden, die
für alle Menschen kraft ihres Menschseins
gelten können,
– dann ist die Waldorfpädagogik eine globale Pädagogik – auch wenn sie in Europa oft noch eurozentristisch verstanden
wird und wenn für manche Orte der Welt
noch die ihren Zielen angemessenen Unterrichtsbeispiele zu entwickeln sind;
– dann ist sie die bisher einzige universale
Pädagogik;
– dann ist sie ein Mittel für globale Verständigung und Mobilität der Eltern und
der jungen Menschen.
* Wie dieser Lehrplan geworden wäre,
muss offen bleiben. Wahrscheinlich ganz
anders als alle inzwischen vorliegenden
Ausarbeitungen – und damit wäre vielleicht auch die weitere Entwicklung der
Waldorfschulen anders verlaufen.
** Generalbass (Basso continuo): die Gesamt-Fundamentstimme – das polyphone
Stimmengewebe wird nicht spartiert, sondern die halb stegreifmässig zu spielenden Akkorde durch Ziffern angedeutet,
wobei der Akkompagnist die gesamte Innenfüllung improvisiert. (H. J. Moser, Musiklexikon, Hamburg 1951)
Literatur:
1
R. Steiner, Erziehungskunst - Methodisch-Didaktisches,
GA 294, Freiburg 1947, S. 96
2
A. a. O. S.243
3
E. A. K. Stockmeyer, S. 5, Stuttgart, 21965
4
R. Steiner, a. a. O. S. 229
5
M. Buber, Reden über Erziehung, Heidelberg
1969, S. 17
6
s. Horizontaler Lehrplan – Unterstufe/Oberstufe
S. 39-94 in Tobias Richter (Hrsg.), Pädagogischer
Auftrag und
Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule,
Stuttgart 22005
7
R. Steiner, a. a. O. S. 61
8
R. Steiner, Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung, GA 307, Dornach 1986, S. 265
Tobias Richter arbeitet in der WaldorflehrerInnenausbildung in Wien und Zagreb. Von 1973-91 war
er Klassen- und Oberstufenlehrer an der Rudolf
Steiner Schule Wien-Mauer
33
schwerpunkt
Roland Muff
Qualifizierte Schulabschlüsse mit
Anschluss an die Tertiärstufe
Profile der
integrativen
Mittelschule
In den 90er Jahren zeichnete sich ab, dass wichtige weiterführende
Ausbildungsangebote, die bisher Absolventinnen und Absolventen von
Rudolf Steiner Schulen offen standen, in Fachhochschulen und Höhere
Fachschulen umgewandelt würden – vor allem in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Gestaltung, Kunst, Erziehung. Diese Entwicklungen
auf der Tertiärstufe machten eine bildungspolitische Neupositionierung
der Klassen 10-12 der Rudolf Steiner Schulen erforderlich.
Damit die Zulassung zu den neuen Fachhochschulen (FH) und Höheren Fachschulen (HF) gewährleistet werden konnte, ging
es insbesondere darum, das pädagogische
Profil und die Gleichwertigkeit des Bildungsganges an einer Rudolf Steiner Schule aufzuzeigen. Dazu war erforderlich, die bisherige
Oberstufe eindeutig und unmissverständlich
als Abschluss der Sekundarstufe ll zu positionieren. Das war die Geburtsstunde der Integrativen Mittelschule (IMS). Es gab auch
wichtige pädagogische Gründe, die eine Verbesserung der Vorbereitung auf weiterführende Ausbildungen anzeigten. So wurde bei
der ersten gesamtschweizerischen Ehemaligenbefragung von Goetze und Fink (1999)
deutlich, dass für viele Ehemalige eine bessere Vorbereitung auf weiterführende Ausbildungsgänge in den letzten beiden Schuljahren erforderlich ist. Gefordert wurden insbesondere: Erhöhung des Leistungsdruckes,
Vorbereiten auf den Berufsalltag, Üben im
Umgang mit Konkurrenz, neue Lernformen,
anerkannter Abschluss.
Profil der Integrativen Mittelschule IMS
Die Arbeitsgemeinschaft der Rudolf Steiner
Schulen schuf in der Folge die SchweizeRoland Muff ist seit 1999 Mitarbeiter der
Koordinationsstelle der Rudolf Steiner Schulen
und für die Bereiche Bildungsentwicklung und Bildungspolitik verantwortlich. Er leitet die Schweizerische IMS-Konferenz.
34
Eine sehr gute Möglichkeit für Differenzierung ist es auch,
die jungen Menschen selber ihre Schwerpunkte wählen zu
lassen, an denen sie arbeiten möchten.
rische Konferenz der Integrativen Mittelschulen und beauftragte sie, qualifizierende Schulabschlüsse zu entwickeln und die
Übertritte der Schulabgänger/innen in weiterführende Bildungsgänge sicherzustellen. Für den breiten Fächerkanon mit Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften,
Geistes- und Sozialwissenschaften, musischen Aktivitäten und Bewegung wurde ein gemeinsamer Referenzlehrplan für
alle IMS entwickelt. Neu wurden Schwerpunktfächer eingeführt, die eine Vertiefung berufsfeldbezogener Lernbereiche
ermöglichen. Die Angebote umfassen je
nach Schule die Bereiche Pädagogik/Soziales, Biologie/Chemie, Gesundheit, Musik,
Bildnerisches Gestalten, Sprachen, Theater. In zusätzlichen Praktika ausserhalb der
Schule können die Schüler/innen zudem
eigenständige Erfahrungen in der Kulturund Arbeitswelt erwerben.
– Schüler/innen, welche die Lernziele in
den allgemein bildenden Fächern des
Berufsschulunterrichtes erreicht haben,
erwerben den Abschluss IMS B und können sich vom Unterricht und der Lehrabschlussprüfung in Allgemeinbildung dispensieren lassen.
Neue Schulabschlüsse gibt es zudem an
der Atelier-Schule Zürich, die einen Bildungsgang zur gymnasialen Matur anbietet und an der ROJ-Mittelschulen der
Regio Jurasüdfuss, die auf die Fachmaturität vorbereitet. Ein Äquivalenzgutachten
des Instituts für Wirtschaftspädagogik der
Universität St. Gallen zeigte auf, dass der
Abschluss IMS F hinsichtlich Lehrplan und
Lernzielen in den allgemein bildenden Fächern als äquivalent einzustufen ist zum
Abschluss einer Berufsmatur Gesundheit,
Soziales und Gestaltung.
Schulabschlüsse
Es wurden zahlreiche Verhandlung mit
FH/HF geführt und zu einem erfolgreichen
Abschluss gebracht. Heute werden Absolventinnen und Absolventen mit dem IMS
F Abschluss zu Studiengängen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Gestaltung, Erziehung, Umweltwissenschaften, Pädagogik, Kunst, Hotelfach,
Tourismus, Musik und Theater zugelassen.
In den genannten Bereichen sind neben
Ausbildungen an höheren Fachschulen
Am Ende der 12. Klasse erfolgt eine Einstufung der Schüler/innen hinsichtlich ihres weiteren Ausbildungsganges. Gesamtschweizerisch wurden dazu Rahmenreglemente ausgearbeitet:
– Schüler/innen, die in den allgemein bildenden Fächern eine mit der Berufsmatur gleichwertige Ausbildung nachweisen
können, erhalten den qualifizierenden
Abschluss IMS F.
Anschlüsse an die Tertiärstufe
Vertrauen wecken - Interesse nähren
insbesondere auch Zulassungen zu Studiengängen an der Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften, Zürcher
Hochschule der Künste, Berner Fachhochschule, Fachhochschule Nordwestschweiz,
St. Galler Fachhochschule und Hochschule
Luzern möglich.
Pädagogische Freiheit und Methodenviel-
falt einerseits und Verbindlichkeit sowie
klare Regelungen andererseits bedingen
sich gegenseitig. Der Zusammenarbeit
zwischen den Integrativen Mittelschulen
kommt deshalb besondere Bedeutung
zu; sie fördert die Reflektion und kritische
Analyse des eigenen pädagogischen Ansatzes. In Fachgruppenkonferenzen tau-
schen sich die Lehrer/innen über Ziele,
Anforderungen, Prüfungsinhalte, Bewertungen und Prüfungsformen aus. Der Austausch wird von den Teilnehmer/innen insgesamt positiv bewertet und soll in Zukunft
im Rahmen der gesamtschweizerischen
Lehrerweiterbildungstagung fortgesetzt
werden.
FÜLLE – TIEFE – WÄRME – SCHÄRFE
Neben der Anpassung an neue Rahmenbedingungen entstand für die Integrativen Mittelschulen (IMS) auch ein neuer
Freiraum, den jede Schule in einem
mehrjährigen Prozess konzeptuell
ausgestaltete. Auf diese Weise ist, trotz
einheitlicher Eckwerte, ein vielgestaltiges auch regional angepasstes Angebot
der verschiedenen Schulen entstanden.
Wie die Rudolf Steiner Schule Bern die
Herausforderung aufnahm und ihre
Schwerpunkte setzte, zeigen die folgenden Schlaglichter.
In einer Leitbildarbeit vor drei Jahren haben sich vier Begriffe herausgebildet. Darin verdichten sich die Qualitäten, die die
Schülerinnen und Schüler an unserer IMS
erleben: Fülle, Tiefe, Wärme, Schärfe. Es
Eine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
wird deutlich, dass die IMS dem Ideal umfassender, ganzheitlicher Bildungsziele
verpflicht ist. Das heisst, ein breites Angebot beibehalten und möglichst wenig
spezialisieren.
Viele der Lehrpersonen unterrichten seit
langem in der Schule. Es gilt eine Zusammenarbeit zu pflegen, wo Veränderung
und Kontinuität im gleichen Mass geschätzt und hinterfragt werden. Die Einführung der IMS mit den Zusatzqualifikationen B, F und M haben sich als logische
Schritte ergeben. Wir waren dankbar für
die schweizweite Koordination in den Anerkennungsfragen. Im Vordergrund stand
immer die Lehrplanentwicklung, insbesondere als Folgestufe der andern Schuljahre. Daraus ergaben sich zwei wesentliche Ausprägungen: Ein hoher Stellen-
wert des Künstlerischen und der Verzicht
auf Niveaugruppen in allen Fächern.
Der Verzicht auf Niveaugruppen in den
Sprachen und der Mathematik waren Teil
einer bewährten Tradition, die seit den
siebziger Jahren bestand. Der Aspekt der
Integration rechtfertigte auch im neuen
Konzept die möglichst vollständige Beibehaltung stabiler Lerngemeinschaften
in ganzen Klassen. Und nun, wo sich die
staatlichen Institutionen zunehmend mit
Inklusion und Integration befassen, sind
wir «modisch» geworden.
Differenzierung und Integration
Dass eine Klasse von 25 oder mehr Schülern in einer bestimmten Zeit den gleichen
Inhalt in der gleichen Tiefe aufnehmen
kann, gehört zu den schwerwiegenden
35
5
Trugschlüssen über das Lernen in der
Schule. Aber wie korrigiert die Schule
dieses Missverständnis?
Wenn man die zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema Differenzierung anschaut und ihre Inhalte zusammenzufassen versucht, dann wird eine klare Tendenz sichtbar. Die Einteilung in Gruppen
nach Leistungsniveau wird skeptisch bewertet, dafür ist die Binnendifferenzierung
der Schritt «in eine Richtung, zu der es
trotz aller Schwierigkeiten keine Alternative geben wird.» Sie kombiniert die Ziele
«der individuellen Förderung und der sozialen Integration aller Schülerinnen und
Schüler einer Klasse sowie der gezielten
Unterstützung ganzheitlichen, lebendigen
und selbständigen Lernens.» (Differenzieren im Unterricht, Liane Paradies, Hans
Jürgen Linser, Berlin, 2001). Dies soll am
Beispiel zweier Fachbereiche beleuchtet
werden.
Beispiel Fremdsprachen
Welchen Weg gehen wir Fremdsprachlehrpersonen in Ittigen für die 10. Klasse
– teilweise auch schon in der 8. und 9.
Klasse? Wir versuchen die Binnendifferenzierung konsequent anzuwenden. Alle
Schüler erhalten Aufgaben, welche ihrem
Niveau entsprechen. Bei den Proben und
auch teilweise bei der Lektüre differenzieren wir nach den Buchstaben A, B und C.
Grundsätzlich entscheiden alle Lernenden
selber, welchen Schwierigkeitsgrad sie anstreben. Der Wechsel zwischen A, B und
C ist immer offen. Dies ermöglicht eine
Bewertung nach klaren Massstäben. Am
wichtigsten erscheint der Effekt, den es
bei vielen Schülern haben kann: Bei unge-
nützten Fähigkeitsreserven kann der Ehrgeiz angesprochen werden. Zudem ist dies
eine gute Vorübung für die Selbsteinschätzung, die die Wahl einer Zusatzqualifikation B, F und M erfordert. Die Erfahrung
hat auch gezeigt, dass diese transparente
Handhabung verschiedener Massstäbe
die Einführung eines Kompetenzrasters
wie im Europäischen Sprachenportfolio
erleichtert. Richard Begbie
Beispiel Deutsch
Es sind die jungen Menschen, die mit ihren unterschiedlichsten Voraussetzungen
und Begabungen, Interessen und Stärken,
Zielen und Idealen in jeder Klasse eine lebendige und herausfordernde «Vielheit»
bilden. Und es ist der Unterrichtsstoff, der
im besten Fall, aus dieser Vielheit eine
«Ganzheit» bilden kann, indem der individuelle Zugang der einzelnen zu einem gemeinsamen Erlebnis zusammenfliesst.
Als besonders dankbar und beglückend
erweist sich da immer wieder der Literatur-Unterricht. Behandle ich z.B. in einer
11. Klasse den «Parzival» von Wolfram von
Eschenbach oder in der 12. Klasse Goethes «Faust», so ermöglichen die grossartigen Bilder in diesen Werken und die Lebensfragen, die sie aufwerfen, vielfältige
Ebenen des Zugangs. Wo und wie sich die
jungen Menschen berühren lassen, ist ein
Teil ihrer eigenen Aktivität und hat nichts
damit zu tun, ob sie eine Berufslehre
oder ein Gymnasium anstreben. Und was
dann, aus diesen verschiedenen Wahrnehmungen, im Gespräch zusammengetragen
wird, bildet eine vielstimmige, differenzierte Ganzheit, die wiederum die einzelnen – und die Unterrichtende – bereichert.
Besonders beeindruckend ist für mich, mit
Jugendlichen die moderne Lyrik nach 1945
zu besprechen. Da zeigen sich Sensibilität
für Sprache und eine Art Hellfühligkeit, die
jenseits gängiger Kriterien für Intelligenz
und Selektion liegen. Solche Stunden, in
denen sich ein Gedicht in der Vielheit spiegelt und im respektvollen Sich-Zuhören zu
einem gemeinsamen Erlebnis wird, sind
unvergessliche Höhepunkte.
Auch im Deutschunterricht ist es aber unerlässlich, Schülerinnen und Schüler nach
ihren Ausrichtungen auf B, F oder M zu
fordern und zu bewerten. Als ein Beispiel
kann die Aufsatzschulung angeführt werden: Gliederung und Ausdruck werde ich
bei einer angehenden Gymnasiastin oder
einem zukünftigen Fachhochschul-Studenten strenger bewerten als bei einem
Schüler, der sich auf einen handwerklichen Beruf vorbereitet. Inhaltlich aber
können alle drei sich genau gleich intensiv und engagiert mit dem jeweiligen Thema befassen.
Eine sehr gute Möglichkeit für Differenzierung ist es auch, die jungen Menschen selber ihre Schwerpunkte wählen zu lassen,
an denen sie arbeiten möchten. So kann
z.B. in den Übstunden eine Gruppe noch
einmal an ihrer Rechtschreibung feilen,
eine andere möchte gewisse Grammatikkapitel wiederholen, andere lieber ein
Buch lesen und darüber eine Interpretation schreiben, einige ihre Kompetenz im
Aufsatz verbessern. Wiederum wird diese Vielheit am Ende des Quartals mit einer Schlusspräsentation in der Klasse zu
einem Ganzen.
Blanche-Marie Schweizer
Tiefe Wir arbeiten nicht nur aus dem Stoff des gegebenen Faches, sondern auch aus den zu entdeckenden menschlichen Bezügen. Wir legen Wert
auf Vertiefung und unterrichten daher alle Fächer
in projekt- und themenzentrierten Epochen.
Wärme Wir fördern den menschlichen Zusammen36
«Beziehung kommt
vor Erziehung»
Ende Februar in «Das Magazin»: Remo H. Largo
und Martin Beglinger plädieren für eine neue
Schule, die konsequent vom Kind her gedacht ist.
In sieben Thesen. Wir dokumentieren Auszüge:
«Wir möchten zu jener Frage zurückkehren, die für uns den Kern der Bildungsdebatte darstellt: Was für eine Schule
brauchen unsere Kinder? Denn nur eine
Schule, die sich an den grundlegenden
Entwicklungsbedürfnissen des Kindes
orientiert, kann eine kindgerechte Schule sein.»
1. Ohne Beziehung geht nichts
«Eine gute Lehrperson ist sich im Klaren
darüber, dass sie in erster Linie Kinder
unterrichtet und nicht nur Fächer. (…) So
vieles, was wir an der Schule lernten, haben wir wieder vergessen. Doch an Lob
und Kritik unserer Lehrer erinnern wir
uns, als wäre es gestern gewesen und
nicht dreissig oder mehr Jahre her. Das
sollte kein Lehrer vergessen, wenn er vor
einer Klasse steht. Eine gute Beziehung
verbessert nicht nur die Lernbereitschaft,
sondern führt, wie eine Reihe von Studien
bewiesen hat, letztlich auch zu besseren
schulischen Leistungen. (…) Die Klassenlehrerin bietet noch immer die beste Gewähr für eine gute Beziehungsarbeit und
für klare Verantwortlichkeiten. Ebenso wie
für die Eltern gilt auch für die Lehrkräfte:
Beziehung kommt vor Erziehung.»
2. Die Schule erzieht mit
Kernwerte der IMS in Ittigen
Fülle Wir sind überzeugt, dass erst der Weg über
die Fülle zu einer nachhaltigen Berufswahl führt.
Die gängigen Fächer wie Physik und Englisch, Französisch und Biologie, Deutsch und Mathematik,
Geografie und Geschichte bilden deswegen nur
die eine Hälfte aller Lektionen. Die andere Hälfte
belegen Künste und Handwerke wie Theater und
Malen, Zeichnen und Eurythmie, Schreinern und
Schmieden, Musik und Steinhauen, Chor, Plastizieren und Turnen.
Remo H. Largo und Martin Beglinger über die kindgerechte Schule:
halt, indem die Klassengemeinschaften über Jahre Bestand haben. Mit Kunstreisen, Fahrradtouren,
Überlebenswochen und Sozialeinsätzen holen wir
das Leben in die Schule und ermöglichen lebendiges Lernen und lernendes Erleben.
Schärfe Beim präzisen Beobachten in Botanik und
Astronomie oder auch beim exakten Verbinden von
Holz und genauen Behauen von Stein üben unsere
Schülerinnen und Schüler die Schärfe des Abgrenzens und Unterscheidens. Beim jährlichen Praktikum von drei Wochen in Gewerbebetrieben, Heimen und in der Industrie legen sie die Grundlage
für ihre Lebensentscheide. Mit der Differenzierung
nach B, F und M fordern wir unsere Schülerinnen
und Schüler auf, sich einzuschätzen, d.h. ihre inneren Wünsche zu objektiv verlangten Leistungen
in Relation zu setzen.
Vertrauen wecken - Interesse nähren
«Die Gesellschaft hat die Wahl, ob sie ihre
Kinder über Mittag lieber alleine vor dem
Fernseher sitzen, Chips essen und nach
der Schule auf der Strasse herumlungern
lässt. Oder ob die Kinder ausserhalb des
Unterrichts gemeinschaftlich betreut, gefördert und mit gesunder Nahrung versorgt werden. Für uns steht ausser Frage, dass die kindgerechte Schule der Zukunft mehr betreuen muss und sich nicht
mehr aufs ausschliessliche Unterrichten
beschränken kann. Sie muss den Kindern sinnvolle Erfahrungsmöglichkeiten
anbieten, weil viele Kleinfamilien selber
diese Leistungen nicht mehr erbringen
können.»
3. Die Vielfalt verlangt individuellen
Unterricht
«Eine Lehrerin, die dem einzelnen Kind geEine Einführung in die Rudolf Steiner Pädagogik
recht werden will, versteht sich vorab als
Spezialistin für das Kind als lernendes Wesen und nicht in erster Linie als Deutschoder Mathelehrerin. Sie interessiert sich
mindestens so sehr für Kinder und Jugendliche wie für ihr Fach. Und sie weiss, dass
man ein Kind ‚lesen‘ können muss, um es
lesen lehren zu können. Oft genug glauben Erwachsene, Kinder würden nur lernen, wenn sie dazu angetrieben werden.
Doch die Erfahrung mit kindlicher Entwicklung lehrt uns etwas anderes. Sie belegt,
dass das Kind vom ersten Tag seines Lebens an eine innere Bereitschaft zum Lernen hat; eine Lernmotivation, die erhalten
bleibt – sofern sich das Kind in der Schule geborgen fühlt und weder unter- noch
überfordert wird. Die Kunst der Pädagogik besteht darin, diesen Punkt zu erspüren, der die natürliche Lernbereitschaft in
Gang setzt, die in jedem Kind steckt.»
4. Kompetenzraster statt Noten
«Meint es eine Schule wirklich ernst mit
dem individualisierten Unterricht, dann ist
es nur konsequent, auch die bisherigen
kollektiven Lehrpläne aufzuheben und
sie durch individuelle Lehrpläne zu ersetzen. Dies wiederum würde logischerweise auch das Ende von Einheitsprüfungen
und des konventionellen Notensystems
bedeuten. Denn warum soll man die Latte
bei allen Schülern gleich hoch ansetzen,
wenn sie doch einen völlig unterschiedlichen Entwicklungsstand aufweisen? In
einem individualisierten Unterricht lernen
Kinder auch ohne Notendruck. (…) Bereits
heute gibt es Schulen, die erfolgreich nur
noch mit detaillierten Kompetenzrastern
oder Portfolios arbeiten und auf Zeugnisnoten verzichten.»
5. Zählt nur die Leistung, scheitert die
Integration
«Selbst wenn die notwendigen Gelder
dafür gesprochen und die richtigen Lehrkräfte für diese Aufgaben gefunden werden, kann die Integration der Kinder mit
besonderen Bedürfnissen nu gelingen,
wenn die Schule es schafft, diese Kinder
sozial und leistungsmässig in die Klasse
zu integrieren. Und das heisst, dass sich
die Kinder, trotz den unaufhebbar grossen Leistungsunterschieden, gegenseitig
akzeptieren und respektieren.» Bildungsbewussten Mittelstandseltern «gilt es begreiflich zu machen, dass die Leistungen
ihrer Kinder in integrierten Klassen nicht
zu leiden brauchen und dass gerade die
Leistungsstärkeren viel an sozialer Kompetenz gewinnen können, indem sie den
schwächeren Kindern zum Beispiel bei
den Aufgaben helfen. Kinder sind mitunter die besseren Lehrer als Erwachsene.
Und Lernen durch Lehren ist eine höchst
erfolgreiche Form des Lernens.»
6. Ganzheitliches Lernen statt Fachidiotie
«Das oberste Ziel einer kindgerechten
Ausbildung besteht nicht in einem Zeugnis mit lauter Sechsen in Wissen und Fertigkeiten, sondern in einem guten Selbstwertgefühl aller Schüler, also auch jener,
die weder in Deutsch noch Mathe glänzen.
(…) Ein gutes Selbstwertgefühl kann nur
entstehen, wenn das Kind die Schule erfolgreich bestehen kann, also weder überZukunft mit Zuversicht in Angriff nehmen,
dass es die eigenen Stärken zu nutzen
und mit den Schwächen Gesellschaft, die
emotional gefestigt, sozial kompetent
und fähig sind, ihr Leben selbstständig
zu meistern.»
7. Wider den Förderwahn
«Ein Kind lässt sich nicht beliebig wie ein
Gefäss mit Inhalten abfüllen. Wer glaubt,
ein Kind werde sich umso besser entwickeln, je früher ihm die Erwachsenen Wissen und Fertigkeiten mit allen möglichen
Tricks und Kniffen aufzudrängen versuchen, der irrt. Man kann keine Gymnasiasten züchten. Oder wie ein afrikanisches
Sprichwort sagt: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Was die Kinder brauchen, sind umfassende Erfahrungsmöglichkeiten, in den ersten Lebensjahren und auch in der Schule. Das
Lernen besorgen sie dann selber. (…) Bei
allem verständlichen Willen, dem Kind
einen erfolgreichen Start ins Leben zu ermöglichen, kann eine Prise Demut kaum
schaden. Denn das Kind gehört nicht der
Gesellschaft, nicht der Schule und auch
nicht den Eltern. Es gehört nur sich selbst.
Es ist nicht auf die Welt gekommen, um die
Erwartungen der Erwachsenen zu erfüllen,
sondern um zu jenem Wesen zu werden,
das in ihm angelegt ist. Dies zu ermöglichen liegt in der Verantwortung der Eltern
und der Schule.»
Im März erschien von Remo H. Largo und Martin
Beglinger das Buch «Schülerjahre. Wie Kinder besser lernen» (Piper-Verlag), das sich ausführlich mit
Schulfragen und kindlicher Entwicklung beschäftigt: ISBN 3-492-05265-7, gebunden, 288 Seiten,
35.90 Franken. (jö)
37
Der Schulkreis
Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der
Schweiz
1 Jahresabo (4 Quartalsausgaben) Fr. 35.–
inkl. Porto/Verpackung (Ausland 25 Euro)
Der Kampf um das Ich
Jugendliche verstehen, begleiten und fördern – mit
Beiträgen von Jörg Undeutsch («12 Thesen zur Pubertät»), Peer Wüschner («Übergangsrituale für Jugendliche»), Andreas Tielcke («weshalb die Steinerschule
gerade auch in der Pubertätszeit die richtige Wahl
ist»), Margareta Rudaz («Gestaltungsfreiheit sowie
echte Verantwortung für Oberstufenschüler»). Mit
Buch- und DVD-Tipps zum Thema und einem ausführlichen Verzeichnis der Integrativen Mittelschulen (IMS) in der Schweiz
Fr. 6.– + Versandkosten
Erich Hunziker
Seinen
beruflichen Weg
finden
B es t e l l u n g
Unterstützungsmöglichkeiten
zur Berufswahl, Schulwahl und Laufbahn
der Jugendlichen
entr’écoles
Nouvelles des écoles Rudolf Steiner de la Suisse
romande
1 Jahresabo (4 Quartalsausgaben) Fr. 35.–
inkl. Porto/Verpackung (Ausland 25 Euro)
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Eveiller la confiance – nourrir l’interet
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MJCSFDIPJY Frs ??.– + port. commande
1/3 Seite hoch
125 x 136 mm
Fr. 900.–/600 Euro
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Vom Kleinkind zur Adoleszenz
Ein Entwicklungspädagogischer Beitrag der Rudolf
Steiner Schulen – übersichtlich, kurz gefasst und
doch fundiert.
Mit Beiträgen von Regula Stettler, Thomas Marti,
Thomas Homberger, Magdalena Reinhard, Claudia
Ackermann, Jörg Undeutsch, Prof. N. Herschkowitz,
Henning Köhler, Daniel Aeschlimann, Cornelius Bohlen und Schulärztin Dr. med. Danielle Lemann.
Fr. 10.– + Versandkosten
2. aktualisierte Auflage
Die Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz
Der erste geschichtliche Überblick über das
inzwischen mehr als achtzig-jährige Wirken der
Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz. Die ersten
Schulgründungen, die Entwicklung nach dem 2.
Weltkrieg, die Zusammenarbeit der Schulen, die
Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, die Organe der
Schulbewegung, das Ringen um die Sozialgestalt,
Lehrerbildung, Schulportraits, Statistiken und
Dokumente.
Fr. 30.– + Versandkosten
Lebenstüchtig
Weltfremd? Zu wenig leistungsorientiert? schöngeistig? Zu wenig praxisbezogen? 50 Steinerschüler stellen sich als lebenstüchtige Ehemalige vor,
die ihre Frau und ihren Mann stehen in Politik und
Wissenschaft, Wirtschaft und Sport, sozialen Berufen und Kultur. Und zwar nicht «trotz», sondern
– mindestens auch – «wegen» ihrer Schulzeit in einer Steiner Schule.
Fr. 5.– + Versandkosten
Les écoles Rudolf Steiner en Suisse
Une traduction adaptée de l’ouvrage de H. Zimmermann et R. Thomas publié en langue allemande en
septembre 2007. Une historique détaillée du développement de la pédagogie Rudolf Steiner en Suisse permet d’évaluer la distance parcourue depuis
la fondation de la première école jusqu’à la situation actuelle en Suisse romande. Un ouvrage pour
tous et surtout pour ceux qui construisent l’école
d’aujourd’hui et de demain.
Frs 20.– + port. commande
1/6 Seite hoch
60 x 90 mm
Fr. 300.–/200 Euro
1/6 Seite quer
190 x 43 mm
Fr. 450.–/300 Euro
Erich Hunziker: Seinen beruflichen Weg finden
Aus einem ganzheitlichen Menschenbild heraus wird
auf die für die Berufswahl wichtigen persönlichen
und beruflichen Merkmale hingewiesen. Der Weg der
Berufsfindung mit seinen vielfältigen Aspekten wird
geschildert und es werden konkrete Möglichkeiten
aufgezeigt, wie Jugendliche so unterstützt werden
können. Dazu gibt es viele Hinweise zu Literatur und
Informationsquellen. Bildungswege und -abschlüsse
in der Schweiz und Wege im Europäischen Bildungsraum bilden den Abschluss.
Fr. 15.– + Versandkosten
m 1 Jahresabo «Der Schulkreis» Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in
der Schweiz (4 Quartalsausgaben)
m 1 Abonnement «entrécoles» Nouvelles des écoles Rudolf Steiner de la
Suisse romande
__ Ex. «Die Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz – eine Dokumentation
__ Ex. «Les écoles Rudolf Steiner en Suisse – une documentation»
__ Ex. «Der Kampf um das Ich»
__ Ex. «Eveiller la confiance – nourrir l’interet»
__ Ex. «Vom Kleinkind zur Adoleszenz»
__ Ex. «Die Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz» ital. Ausgabe
__ Ex. «Lebenstüchtig – Was Ehemalige von Rudolf Steiner Schulen heute machen.»
Name/Vorname
__ Ex. Erich Hunziker «Seinen beruflichen Weg finden»
Adresse
PLZ/Ort
Senden: Koordinationsstelle der Arbeitsgemeinschaft, Carmenstr. 49, 8032 Zürich DatumUnterschrift
38
1/18 Seite hoch
60 x 43 mm
Fr. 225.–/150 Euro
Vertrauen wecken - Interesse nähren
1/3 Seite quer
190 x 90 mm
Fr. 900.–/600 Euro
Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Koordinationsstelle der Rudolf Steiner Schulen
K-12 (=Kindergarten bis 12. Klasse)
Coordination des écoles Rudolf Steiner
K-12 (=Jardin d’enfants jusqu’à la
12ème classe)
Carmenstr. 49, 8032 Zürich, Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02
www.steinerschule.ch (d,f,i)
AG
Aargau K-10
Rudolf Steiner Schule Aargau
Alte Bernstr. 14, 5503 Schafisheim
Tel. 062 892 05 20, Fax 062 892 05 24
www.steinerschule-aargau.ch
Mayenfels K-12 (Oberstufe FOS)
Rudolf Steiner Schule Mayenfels
Mayenfels, 4133 Pratteln
Tel. 061 821 22 66, Fax 061 821 21 25
[email protected]
SO
Münchenstein K-12 (Oberst. FOS)
Rudolf Steiner Schule Münchenstein
Gutenbergstr. 1, 4142 Münchenstein
Tel. 061 413 93 73, Fax 061 413 93 72
www.muenchensteinerschule.ch
Mittelschulen Region Jurasüdfuss
(ROJ) 10-13
Bielstrasse 95, 4500 Solothurn
Tel. 032 622 12 02, Fax 032 622 40 41
www.roj.ch
BS
Basel K-12
Rudolf Steiner Schule Basel
Jakobsbergerholzweg 54, 4059 Basel
Tel. 061 331 62 50 , Fax 061 331 62 55
www.steinerschule-basel.ch
TG
Schule und Beruf 10-12
Güterstr. 140, 4053 Basel
Tel. 061 361 41 20, Fax 061 361 41 22
[email protected]
TI
Lenzburg
Rudolf Steiner Sonderschule
Bahnhofstrasse 19, 5600 Lenzburg
Tel. 062 891 28 28, Fax 062 891 01 48
BE
Bern/Ittigen K-12
Rudolf Steiner Schule Ittigen
Ittigenstr. 31, 3063 Ittigen
Tel. 031 924 00 30, Fax 031 924 00 31
www.steinerschule-bern.ch
Bern/Langnau K-9
Rudolf Steiner Schule Langnau
Schlossstr. 6, 3550 Langnau i. E.
Tel./Fax 034 402 12 80
www.steinerschule-langnau.ch
Bern/Melchbühl K-10
Rudolf Steiner Schule Bern/Melchenbühl
Postfach 665, 3000 Bern 31
Tel. 031 350 40 30, Fax 031 350 40 31
www.steinerschule-bern.ch
Bern/Kleinklassenschule 1-4
Rudolf Steiner Kleinklassenschule
Eigerstr. 24, 3007 Bern,
Tel. 031 372 11 21, Fax 031 372 11 06
Berner Oberland K-10
Rudolf Steiner Schule Berner Oberland
Astrastr. 15, 3612 Steffisburg
Tel. 033 438 07 17, Fax 033 438 07 18
www.steinerschulesteffisburg.ch
Biel K-12 (Jurasüdfuss)
Rudolf Steiner Schule Biel
Schützengasse 54, 2502 Biel
Tel. 032 342 59 19, Fax 032 341 83 03
www.steinerschule-biel.ch
Oberaargau K-12 (Jurasüdfuss)
Rudolf Steiner Schule Oberaargau
Ringstr. 30, 4900 Langenthal
Tel. 062 922 69 05, Fax 062 923 68 53
www.steinerschule-oberaargau.ch
Schlössli Ins K-10
Rudolf Steiner Schule Schlössli Ins
3232 Ins, Tel. 032 313 40 75
Fax 032 313 40 25, [email protected]
www.schloessli-ins.ch
BL
Birseck K-12
Rudolf Steiner Schule Birseck
Apfelseestr. 1, 4147 Aesch/Dornach
Tel. 061 756 90 70, Fax 061 756 90 71
www.steinerschule-birseck.ch
Freie Oberstufe Baselland 10-12
Freie Oberstufenschule Baselland
Gründenstrasse 95, 4132 Muttenz,
Tel. 061 463 97 60, Fax 061 463 97 61
FL
Schaan K-9
Waldorfschule Liechtenstein
Im Bretscha 14, 9494 Schaan / FL
Tel./Fax 00423 232 80 03
www.waldorfschule.li
GE
Genève K-12
Ecole Rudolf Steiner Genève
Ch. de Narly 2, 1232 Confignon-Genève
Tel. 022 727 04 44, Fax 022 727 04 45
www.ersge.ch
GR
Solothurn K-12 (Jurasüdfuss)
Rudolf Steiner Schule Solothurn
Allmendstr. 75, 4500 Solothurn
Tel. 032 622 41 12, Fax 032 622 52 16
www.steinerschulesolothurn.ch
Kreuzlingen K-10
Rudolf Steiner Schule Kreuzlingen
Bahnhofstr. 15, 8280 Kreuzlingen
Tel. 071 672 17 10, Fax 071 672 17 70
www.steinerschulekreuzlingen.ch
Locarno K-7
Scuola Rudolf Steiner Locarno
via Varenna 71, 6600 Locarno
Tel./Fax 091 752 31 02
www.scuolasteiner.ch/locarno
Lugano K-12
Scuola Rudolf Steiner Lugano
via ai Magi, 6945 Carnago-Origlio
Tel. 091 966 29 62, Fax 091 966 29 72
www.scuolasteiner.ch
VD
Lausanne K-12
Ecole Rudolf Steiner de Lausanne
Route Bois-Genoud 36, 1023 Crissier
Tel. 021 648 01 11, Fax 021 648 01 12
www.ecolesteiner-lausanne.ch
Avrona 1-10
Bergschule Avrona, 7553 Tarasp/Scuol
Tel. 081 861 20 10, Fax 081 861 20 11
www.bergschule-avrona.ch
Yverdon-les-Bains K-5
Ecole Rudolf Steiner Yverdon
Rue de la Plaine 9, 1400 Yverdon-les-Bains
Tel. 024 426 20 22 www.ersy.ch
Engiadina bassa K-9
Scoula Libra Rudolf Steiner
Sotchà 231, 7550 Scuol, Tel. 081 864 89 43
www.scoulasteiner-scuol.ch
ZH
LU
Luzern K-9
Rudolf Steiner Schule Luzern
Luzernerstr. 145a, 6014 Littau
Tel. 041 250 71 31, Fax 041 250 76 98
www.steinerschule-luzern.ch
SG
St. Gallen K-12
Rudolf Steiner Schule St. Gallen
Rorschacherstr. 312, 9016 St. Gallen
Tel. 071 282 30 10, Fax 071 282 30 11
www.steinerschule-stgallen.ch
Wil K-9
Rudolf Steiner Schule Wil
Säntisstr. 31, 9500 Wil
Tel. 071 912 10 70, Fax 071 911 13 70
[email protected]
www.steinerschule-wil.ch
SH
Schaffhausen K-10
Rudolf Steiner Schule Schaffhausen
Vordersteig 24, 8200 Schaffhausen
Tel. 052 625 95 80, Fax 052 624 70 88
www.steinerschule-sh.ch
Sihlau K-12
Rudolf Steiner Schule Sihlau
Sihlstr. 23, 8134 Adliswil
Tel./ 044 710 12 42, Fax 01 709 20 39
www.steiner-schule.ch
Winterthur K-12
Rudolf Steiner Schule Winterthur
Maienstr. 15, 8406 Winterthur
Tel. 052/202 19 97, Fax 052/202 20 15
www.steinerschule-winterthur.ch
Zürcher Oberland K-12
Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
Usterstr. 141, 8620 Wetzikon
Tel. 044 933 06 20, Fax 044 933 06 24
www.rsszo.ch, [email protected]
Atelierschule 10-13
Atelierschule Zürich
Plattenstrasse 37, 8032 Zürich
Tel. 043 268 20 50, Fax 043 268 20 51
www.atelierschule.ch
Zürich K-12
Rudolf Steiner Schule Zürich
Plattenstr. 37, 8032 Zürich
Tel. 043 268 20 40, Fax 043 268 20 41
www.steinerschule-zuerich.ch

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