Liebigschule in Gießen

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Liebigschule in Gießen
Ermutigung zur Hochbegabtenförderung
Ein Bericht aus der Praxis der Liebigschule Gießen
Vorbemerkung: Die Liebigschule
Die Liebigschule Gießen ist ein Gymnasium mit den Jahrgangsstufen 5 bis 13, das derzeit
über 1500 Schülerinnen und Schüler besuchen. Ca. 130 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten
an unserer Schule. In der Öffentlichkeit steht die Schule in dem Ruf, eine leistungsorientierte
Schule zu sein. Dies gründet sich neben dem Gütesiegel für Schulen, die hochbegabte
Schülerinnen und Schüler besonders fördern, welches die Liebigschule im Sommer 2006 vom
Hessischen Kultusministerium erhalten hat, u.A. auf eine weit zurückreichende und erfolgreiche naturwissenschaftliche Tradition der Schule, die in den erweiterten Kreis der MINTEC-Schulen aufgenommen wurde.
Ebenso trägt eine andere, fast 50-jährige Tradition im Bereich der Musik zu Ruf und Profil
der Liebigschule bei. Unsere „Schule mit Schwerpunkt Musik“ verfügt über ein ca. 100köpfiges Schulorchester und ein etwa ebenso großes Vororchester. Kammermusikgruppen,
Chöre, die Bigband und weitere AGs ergänzen das Angebot.
Darüber hinaus ist die Schule seit den siebziger Jahren Schulsportzentrum und Partnerschule
des Leistungssports für die Region und bietet ihren Schülern die Teilnahme an unterschiedlichen Talentaufbau-, -förder- und Leistungsgruppen an. Entsprechend gibt es in der Schülerschaft stets Spitzensportler in unterschiedlichen Disziplinen.
Seit nunmehr sieben Jahren bietet die Schule alternativ zu Englisch auch Französisch als erste
Fremdsprache an. Dieses Angebot hat sich stabilisiert. Ergänzt wird dieses Angebot durch
bilinguale Angebote sowohl in der Sekundarstufe I als auch in der Sekundarstufe II. Sprachzertifikate können in vier Sprachen erworben werden. Aus genannten Gründen ist die Schule
in den erweiterten Kreis der Certilingua-Schulen aufgenommen worden.
Durch die Aufnahme externer Schülerinnen und Schüler in den Jahrgang 11 von umliegenden
Schulen hat die Oberstufe eine große Jahrgangsbreite (ca. 200 Schüler). Dies macht ein differenziertes Angebot im Leistungskursbereich möglich. So werden u.A. in den Fächern Musik,
Latein, Kunst, Sport, Französisch und Informatik Leistungskurse angeboten.
Grundsätzlich herrscht – wie dies auch der Inspektionsbericht 2009 der Schulgemeinde
bescheinigt – ein Klima, das es interessierten und (hoch)begabten Schülerinnen und Schülern
leicht macht und nahe legt, Lern- und Entwicklungschancen wahrzunehmen und zu nutzen.
Die Hochbegabtenförderung
1. Die Leitung
Koordinierendes Zentrum der Begabtenförderung an der Schule ist neben der Schulleitung
eine eigens hiermit beauftragte Kollegin. Ihr obliegt es, das schulinterne Förderkonzept
weiterzuentwickeln, Eltern und Schüler zu beraten, Vortragsveranstaltungen und Fortbildungen des Kollegiums zum Thema Hochbegabung zu organisieren sowie auf Konferenzen
zum Thema zu informieren und Sonderveranstaltungen für Schüler anzubieten.
2. Die Identifizierung hochbegabter Schüler
Regelmäßig wird auf Klassen- und Zeugniskonferenzen das Leistungsbild der Schüler erörtert. Hierbei soll der individuelle Förderbedarf einzelner Schüler festgestellt werden. In
diesem Zusammenhang wurde auch das Erörtern der Frage, welche Schüler besonders begabt
sind, institutionalisiert. An konstanten, sehr guten Leistungen erkennt man in erster Linie
hochleistende Schülerinnen und Schüler, die allerdings nicht zwingend auch hochbegabt sein
müssen, die jedoch ebenfalls ein Anrecht auf individuelle Förderung ihrer Fähigkeiten haben.
Darüber hinaus erkennen wir besondere Begabungen im normalen Unterrichtsgeschehen
durch Gespräche und Diskussionen mit den Schülern. Manchmal werden wir auch durch
starke Leistungsschwankungen aufmerksam oder Verhaltensauffälligkeiten (Stichwort „Underachiever“) lassen einen aufhorchen. Nicht selten sind es außerunterrichtliche Angebote
und/oder Wettbewerbe, die erkennen lassen, dass ein sonst kaum hervortretender Schüler zu
besonderen Leistungen fähig ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt fördern wir entsprechende
Angebote. So nimmt beispielsweise der Jahrgang 6 geschlossen am „Känguru-Wettbewerb“
teil, einem Mathematikwettbewerb, der bundesweit stattfindet und abweichend vom herkömmlichen Mathematikunterricht starke Anteile im Bereich Textverständnis und Kombinatorik hat. Hier haben wir z.T. überraschende Ergebnisse bei Schülern festgestellt, die sonst
eher mittlere Leistungen zeigen. Ähnliches gilt für den Wettbewerb „Big Challenge“ im
Bereich des Englischen, an dem sehr viele Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Jahrgangsstufen teilnehmen. Im Jahrgang 5 führen wir einen Lesetest durch, der sowohl zur
Förderung schwacher Schüler als auch zur Diagnose besonders begabter Schüler herangezogen wird.
Darüber hinaus kann das Gespräch mit den Eltern die Wahrnehmung für besondere Talente
sensibilisieren, wobei sich die Einbindung des schulpsychologischen Dienstes des Staatlichen
Schulamtes und der Beratungsstelle BRAIN in Marburg oft als hilfreich erwiesen hat.
Immer öfter kommt es inzwischen vor, dass Eltern uns (zuweilen auch schon vor der Einschulung ihres Kindes bei uns) auf die bereits diagnostizierte Hochbegabung des Kindes ansprechen bzw. uns darüber informieren. In diesen Fällen bitten wir um eine Kopie des Gutachtens und beziehen die Ergebnisse in die Gestaltung individueller Fördermaßnahmen ein.
3. Das Zentrum der Förderung: der Regelunterricht
Der Schwerpunkt eines Förderkonzepts muss zunächst auf binnendifferenzierenden Maßnahmen im tagtäglichen Regelunterricht liegen. Hierbei ist es Anliegen der Schule, besonders
leistungsfähige Schüler durch zusätzliche Angebote im Regelunterricht zu fördern. Organisatorisch kann dies bspw. in offeneren Unterrichtsformen (wie Wochplanarbeit) realisiert
werden. Dies ist in allen Fächern von allen Kollegen angestrebt und kann den Unterricht für
die gesamte Lerngruppe bereichern. Regelmäßige Klassenkonferenzen dienen hier als Ort,
sich abzustimmen, zu informieren und das gemeinsame weitere Vorgehen zu koordinieren. Je
nach Interessen des Kindes und in Absprache mit ihm werden die jeweiligen Kollegen tätig.
Auf diese Weise wird an der Liebigschule auf breiter Basis individuell gefördert.
4. Außerunterrichtliche Zusatzangebote: AGs, Wettbewerbe, Pull-outs, Förderpläne
Angebote, die über binnendifferenzierende Maßnahmen im Unterricht hinausgehen, sind weit
gestreut und sehr verschieden. Sie können sowohl im Rahmen schulinterner Einrichtungen
(z.B. Orchester, Jugend forscht, Mathe-AG, Chinesisch- und Koreanisch-AG, Exkursionen im
Rahmen eines eintägigen Pull-out-Programms, Theaterbesuch usw.) als auch im Rahmen von
Projekten mit externen Einrichtungen (z.B. Universität, Ferienakademien, Studientage, unterschiedliche Angebote unterschiedlicher Stiftungen usw.) wahrgenommen werden. Entsprechende Angebote gehen regelmäßig den diagnostizierten sowie hochleistenden Schülern zu.
Ein „Pull-out“-Ausflug für begabte Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I führte
beispielsweise ins Liebieghaus nach Frankfurt in die Ausstellung „Bunte Götter“ und wurde
von den Teilnehmern nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, „mit Gleichgesinnten unterwegs
gewesen zu sein“, begeistert aufgenommen wurde.
Auch die Teilnahme an unterschiedlichsten Wettbewerben gehört zum festen Bestandteil der
Begabtenförderung (z.B. Fremdsprachenwettbewerb, Mathematikolympiade).
Die genannten Möglichkeiten finden auch immer wieder Eingang in die hausinternen Förderpläne bzw. –empfehlungen.
Grundsätzlich können wir auch zu einer Zusammenarbeit mit dem SSA und anderen Gütesiegelschulen ermutigen. Bereits seit längerer Zeit gibt es z.B. in unserem Schulamtsbezirk
eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema „Hochbegabtenförderung“ beschäftigt. Unter
anderem werden hier Veranstaltungsprogramme für Schüler, Eltern und Lehrer erarbeitet und
durchgeführt. Ein neues Projekt möchte in Zusammenarbeit mit anderen Gütesiegelschulen
des Schulamtbezirks und der Justus-Liebig-Universität einen Studientag für besonders
begabte Schülerinnen und Schüler initiieren. Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde im letzten
Schuljahr gestartet.
Viele dieser Maßnahmen kosten Geld. Insofern sind wir auch auf die finanzielle Unterstützung durch das HKM oder durch Sponsoren angewiesen.
5. Beratung
Eltern und Schüler, die Beratung wünschen (z.B. in Bezug auf das Thema „Klasse überspringen“), wenden sich entweder zunächst an den Klassenlehrer oder direkt an die mit der
Aufgabe „Hochbegabung“ betraute Kollegin. In erster Linie zeigen die Eltern hier Interesse
an den Fördermaßnahem und Angeboten der Schule für die betreffenden Schüler.
Auf Elterninformationsabenden (z.B. zum Übergang aus der Grundschule zu uns) informieren
wir regelmäßig zu unseren Angeboten im Bereich der Hochbegabtenförderung und stehen
bereits hier, noch vor der eventuellen Aufnahme des Kindes, beratend zur Seite.
Bei Fragestellungen, die jedoch über schulische Belange und Zuständigkeiten hinausgehen,
verweisen wir an das Staatliche Schulamt sowie die Beratungsstelle BRAIN in Marburg.
6. Vorträge und Fortbildungen
In den vergangenen Jahren haben immer wieder Fortbildungs- sowie Informationsveranstaltungen im Hause stattgefunden wie z.B. Vorträge zum Thema „Chancen und Herausforderungen im Jugendalter“, „Internatsschule Schloss Hansenberg – Eine Versuchsschule im
Rheingau“ oder Vorträge zum Thema: „Hochbegabung – eine Herausforderung für Schule
und Unterricht“ durch Herrn Ministerialrat Walter Diehl. Darüber hinaus war die Schule aktiv
beteiligt an einem Fortbildungsprogramm des Schulamtsbezirks, das sich sowohl an Schüler
als auch an Lehrer richtete.
Nicht zuletzt sind es immer wieder Hinweise und die Mitteilung von Evaluationsergebnissen
in Konferenzen und Kollegiumsbriefen, die für dieses wichtige Thema sensibilisieren.
Fazit
Es muss eine zentrale Aufgabe von Schule sein, sich um die individuelle Förderung von
Schülern zu bemühen. Die Hochbegabtenförderung ist innerhalb dieses Rahmens ein
wichtiger Baustein. Aufgrund unserer Erfahrungen und der positiven Rückmeldungen von
Schülern und Eltern ermutigen wir andere Schulen dazu, sich auf den Weg zu machen.
Tanja Schmidt (Beauftragte für Hochbegabung)
Dr. Carsten Scherließ (Schulleiter)
Zahlreiche außerunterrichtliche Angebote:
•
Pull-outs (z.B. Studientage, auch in Zusammenarbeit mit anderen Gütesiegelschulen)
•
Musik-, MathematikPlus-, NW-, Jugend forscht-, Sprach- (Cambridge, DELF,
DELE, Chinesich, Koreanisch), Sport-AGs,
•
Veranstaltungen und Kurse in Zusammenarbeit mit dem SSA +
Jugendakademien u.ä.
Gezielte innerunterrichtliche
Förderung durch Binnendifferenzierung
Förderpläne/Beratung für hochbegabte
Kinder und Jugendliche
Beratungslehrer
für Eltern und
Schüler
Verstärkte Teilnahme an diversen
Wettbewerben:
Jugend forscht, Jugend musiziert, Fremdsprachen- und Mathematikwettbewerbe
usw.
Begabungen erkennen
und fördern
in der Liebigschule
Eltern-AG
„Fördern und
Fordern“
Festschreibung im
Schulprogramm
Mitarbeit des Schulleiters und der HBBeauftragten im Arbeitskreis des SSA
(Fortbildungsprogramm Hochbegabung)
Fortbildungsveranstaltungen für die
Lehrer- und Elternschaft (z.B.
Vorträge)
Zusammenarbeit mit und Kontakte zu
kompetenten externen Institutionen:
z.B. BRAIN, Schulpsychologischer
Dienst des Staatl. Schulamtes, JustusLiebig-Universität, Schloss Hansenberg
= Schaffung eines lern- und leistungsfreundlichen Schulklimas