Es ist still geworden um den ehemaligen Tuner und

Transcrição

Es ist still geworden um den ehemaligen Tuner und
S
elbstverständlich hat er es
selber gemacht, das Lenkrad mit den Griffkranzmulden für Hände und
Daumen. Als erster – worüber heute keiner nachdenkt, weil alle
Autohersteller inzwischen ergonomisch
geformte Volants verwenden. Auch seine
Räder, die mehr als nur den Zweck erfüllen, Reifen zu tragen, sind heute Gang
und Gäbe – richtungsgebundene Felgen,
deren Versteifungsstreben zu Schaufeln
ausgebildet sind, um den Bremsscheiben mehr Kühlluft zuzufächern. Und
sein größter Wurf, das voll versenkbare
Walter Treser – ein Leben für
die Technik. Sein ehrgeizigstes
Projekt sorgte zugleich für den
heftigsten Karriereknick: Seine
Eigenentwicklung TR1 war zu
ambitioniert
Der
Es ist still geworden um den ehemaligen
Tuner und Autobauer Walter Treser.
Doch die Treser-Szene lebt, und fast
jeder Autofahrer hat täglich mit den
Weiterentwicklungen seiner Erfindungen
zu tun – bis hin zum Allradantrieb in
Personenwagen
Selber
macher
Selber macher
Der
Text: Roland Löwisch • Fotos: Andreas Aepler
Tresers Trick: Beim T1 verschwindet das klappbare
Hardtop aufrecht hinter den Sitzlehnen, ohne dem
Kofferraum Platz zu nehmen
Hardtop, hat inzwischen auch
schon jeder dritte Hersteller
im Programm. Kein Geringerer als Design-Papst Nuccio
Bertone adelte den Mann mit
seiner Aussage im Jahr 1983,
das sei „die erste voll realistische und realisierbare Konstruktion“ für so ein System.
Das Patent mit der Nummer
DE 3632058 C2 zeigt seine
Zeichnung, wie das kleine
Dach hinter den Sitzen verschwindet, ohne Kofferraum
zu kosten...
Dahinter steckt natürlich
Walter Treser. Ein Tausendsassa. Ehemaliger Rennleiter,
Autohersteller,
Ingenieur.
Baute mit dem TR1 ein ungewöhnliches Auto mit Klappdach, gilt als einer der Väter
des Quattro-Antriebs bei Audi
– ein entwicklungstechnisches
Husarenstück,
eingefädelt
und ausgetrickst mit keinem
Geringeren als dem Heiligsten aller Machtjongleure, dem
Porsche-Enkel und VW-Patriarchen Ferdinand Piëch. Für
den hat Treser fast nur Lob
übrig: „Ich bin ein großer Fan
von Herrn Piëch.“ So stimme
alles, was über ihn kolportiert
werde – sowohl seine ingenieurstechnische Genialität
als auch sein manchmal etwas schwieriger Umgang mit
Menschen.
Aber bereits bevor Treser
seinen Chef, Mentor, Rausschmeißer und Auftraggeber
Piëch kennen lernt, manifestiert er sich seinen Weg in die
Autoindustrie mit Selbstgebasteltem. Am 18. April 1940
in Bad König, Odenwald,
geboren, riecht er das erste Mal Pistenluft, als Georg
Dotterweich 1951 auf einer
Victoria FM-38 mit 79 km/h
auf der Autobahn MünchenIngolstadt einen MotorradWeltrekord fährt. Klein-Wal-
ter schnappt sich daraufhin
Mamas Fahrrad, baut einen
Ilo-Motor ein, dengelt ein
paar Bleche für die aerodynamische Verkleidung und fährt
im Windschatten von Papas
Mercedes etwa 80 km/h. Sagt
er.
Jedenfalls ist der Vater von
den Lenkkünsten seines Filius
begeistert. Zum IngenieurExamen schenkt er ihm deshalb 1963 einen DKW Junior
mit braven 34 PS. Das ist nur
bedingt etwas für Treser Junior – der baut das Auto erstmal zum Tourenwagen mit
85 PS um und chauffiert sich
prompt beim ersten Bergrennen in einen Straßengraben.
Nach Rennen auf DKWWerkswagen, in der Formel
3 und mit Alpina landet er
im Team mit Hans-Joachim
Stuck und Prinz Ferfried zu
Hohenzollern als Vertragsfahrer für die TourenwagenEuropameisterschaft. Doch
da hält es ihn nicht lange: Er
will lieber entwickeln. Und
wird Rennreifeningenieur bei
Veith-Pirelli.
1976 zieht es ihn zu Audi –
er bekommt die Chance, mit
dem Audi-Entwicklungschef
Ferdinand Piëch im Prototypen des Audi 200 Turbo von
München nach Ingolstadt zu
fahren. „’Herr Treser, was
wollen Sie denn bei uns machen?’ fragt er mich erst kurz
vor Ingolstadt,“ erinnert sich
Treser, „und ich habe geantwortet: ‚Autos entwickeln.
Ich bin ehrgeizig und will was
werden..’ Darauf hat Piëch
nur kalt geantwortet: ‚Das er-
Die Treser-Club-Garage ist
voller Andenken an eine
kurze, aber große Zeit:
Treser-Signet, gegossene
Kunststoff-Karosserie und
Aluminium-Chassis für den
Roadster TR1
warten wir von unseren Führungskräften...’“
Tresers Statement trifft also
voll ins Schwarze – so wird
Treser 1977 Chef der AudiFahrzeugkonzeptentwicklung
und des Dauerlaufs.
Roter
Und gemeinsam mit dem charismatischen Audi-Ingenieur
sowie dem Audi-Versuchsleiter Jörg Bensinger heckt
er anfangs ohne Budget und
Rückendeckung von ganz
oben den Allradantrieb für die
Audi-Limousinen aus. Denn
Bensinger hat mit einem allradgetriebenen VW Illtis bei
Vergleichsfahrten mit großen
Limousinen in Skandinavien
die komplette Konkurrenz
verblasen – so eine Technik
offenerquattro
Vom 200 PS starken
TreserAudi quattro roadster wurden nur 39 Stück
gebaut – dieses hier ist das
Original-Treser-Vorführfahrzeug, am 15.3.1984 erstmals zugelassen
müsste die Audi-Modelle
doch aus der altbackenen und
spießigen Ecke herausholen
können, glauben die Vordenker.
Erst als der VW-Vorstand
überzeugt worden ist („was
nicht einfach war“), erhält das
Projekt den Entwicklungscode 262, und Walter Treser
wird Projektleiter. Von ihm
stammt auch die Bezeichnung „quattro“: „Die wollten das System erst ‚Carat‘
nennen, für ‚Coupé mit Allradantrieb und Turbolader‘.
Aber ich besorgte ein billiges
Hausfrauenparfüm gleichen
Namens und stellte es bei
der Vorstandssitzung auf den
Tisch. Da war das Thema
dann schnell durch.“ Treser
schlug „quadro“ vor, Piëch
formulierte es mit „quattro“
etwas schärfer – fertig war der
Erfolgsgarant der Ingolstädter
Ringe-Firma.
Als die Quattro-Audi dann in
die Rallye-Szene einsteigen,
macht Piëch Treser zum Rennleiter. Ein Schleuderstuhljob.
Nicht immer klappt alles: Als
Treser mit Piëch nach Paris
reist, um Sponsorengelder für
die Rennerei aufzutreiben,
müssen sie unverrichteter
Dinge wieder zurückfahren.
Allerdings nutzen die beiden
Perfektionisten die Zeit in
der Metropole, um sämtliche
Läden auf der Champs-Elysee abzuklappern. Sie suchen
Ideen für den Autobau, und
sie entdecken an Uhren, Leder, Möbeln, Schuhen, Koffern, Kleidung, Federhaltern
und sogar Zahnbürsten Dinge, die sie auch realisieren
können: enge Spaltmaße,
beste Passform, hochwertige
Materialien, weiche Oberflächenhaptik. So sollten AudiFahrzeuge sein...
Doch die Motorsport-Quattros erfüllen die hohen Ansprüche zunächst nicht. Sie
sind zwar unglaublich schnell,
aber nicht ausgereift. Das
Drama gipfelt im Juli 1981 bei
der Rallye Akropolis: Treser
checkt unter dem Auto liegend das Hinterachsdifferential, als ein Mechaniker Benzin
Weltweites Einzelstück: das
T1 Coupé, Vorläufer des
TR1. Einzigartig auch die
Scheinwerferabdeckungen:
Sie klappen bei Bedarf hydraulisch nach unten
nachschüttet. Ein Teil darin
landet nicht im Tank, sondern
auf dem heißen Auspuff. Sofort steht das Heck in Flammen, Treser liegt mitten im
Inferno. Obwohl er schwere
Brandwunden erleidet, bleibt
er vor Ort – und muss miterleben, wie die gesamte QuattroArmada – in Führung liegend
– von den Sportkommissaren disqualifiziert wird. Der
Grund: Mit seiner Idee, die
innen liegenden Scheinwerfer auszubauen, dort Carbon-
klappen einzusetzen, diese mit
Klebeband zu fixieren, welches bei bestimmtem Tempo
abreißt und so mehr Kühlluft für den Motor zulässt,
glaubt Treser, das Reglement
voll ausgereizt zu haben. Die
Veranstalter erkennen dagegen einen Verstoß. Geknickt
und verbrannt wird Treser in
ein Krankenhaus eingeliefert,
wo ihn Rosen und ein Kündigungsschreiben seines Chefs
erwarten.
„Danach wollte Piëch mich
Zur Dauererprobung baute Walter Treser 24 Exemplare des T1 in der Cup-Version als TR1 – ohne Dach,
aber mit Überrollbügel. Dieses Exemplar wurde am
21.9.1987 zugelassen und besitzt einen knapp 1.8
Liter großen und 130 PS starken Vierzylinder
das ergonomische Lenkrad,
das Klapp-Hardtop. Das wird
sogar im fernen Japan goutiert: Mazda schickt zwei 626
mit dem Auftrag, die Wagen
mit einem Klappdach zu versehen. Treser liefert die fertigen Autos ab, Mazda macht
jedoch nicht mehr daraus.
Anders beim Audi 80 Avant
– ein Auto, das es nach dem
Willen des VW-Vorstandes
niemals hätte geben dürfen.
Um das Auto in den Focus
der Interessenten zu rücken,
tricksen Piëch und Treser
VW aus: Da Konzern-Mutter
VW der Tochter Audi verbietet, auf Basis des Audi 80 einen Kombi zu bauen, um den
Passat zu schützen, gibt Piëch
seinem Schützling den Auftrag, trotzdem so ein Auto auf
die Räder zu stellen und den
Wagen auf dem Treser-Stand
der IAA 1985 zu zeigen – als
T1
Studie „Avantgarde“. Piëch
führt die Presse und Händler
geschickt an den Treser-Stand
– alle sind begeistert. Und nun
darf Audi ihn bauen.
Treser begnügt sich aber
nicht nur mit der Herstellung von Anbauteilen und
Auftragsarbeiten. Auf AudiBasis entsteht 1985 der Tre-
einzigartig
zu seinem persönlichen Assistenten machen,“ sagt Treser,
„aber ich hatte andere Pläne.“
Klar, der Selfmademan sucht
die Selbstständigkeit. Bei Ingolstadt gründet er die Firma
„Walter Treser Automobiltechnik und Design“ – Piëch
hat ihm Aufträge in einer
Höhe von jährlich eine Million
Mark versprochen. Mit 25000
Mark Startguthaben von der
Bank, dem Willen, eine Firma
wie Lotus aufzubauen und einem braunen Audi 80 mit 55
PS und magerster Ausstattung
beginnt Walter Tresers nächstes Abenteuer.
Sein Laden brummt sehr
schnell. Im ersten Jahr macht
er eine Million Mark Umsatz.
Er erfindet die dunklen Heckleuchten, die Turbo-Räder,
Oben: Ebenfalls einmalig – das T1 Cabrio. Dieses Exemplar
stand 1987 auf der
IAA. Rechts: Der
Motor des TreserAudi Super 200 – 245
PS stark
serAudi Hunter, ursprünglich
ein Jagdwagen für FalknerScheichs in den Emiraten. Ein
sportlicher
Geländewagen,
ein geländegängiger Sportwagen, im Grunde der erste
Crossover. Es folgen ExtremUmbauten wie der Liner, der
geniale TreserAudi quattro
roadster, von dem er 39 Stück
baut, einen fährt Tennislegende Henri Leconte. Slogan des
Unternehmens: „Faszination
für Audi“. Aber dann soll es
ein komplett selbstentwickeltes und selbstgebautes Auto
sein: der T1.
Dafür gründet er in Berlin
eine neue Firma – die Wirtschaftsförderung der geteilten Stadt beschert ihm vier
Millionen Mark zu seinem
Startkapital. Es entstehen ein
T1 Cabrio und ein T1 Coupé – natürlich mit Klappdach
und mit einem von Treser erfundenen Mix aus geklebten
und genieteten Alu-Profilen
mit Kunststoffeinlagen. Doch
weil die Dauer-Erprobung
zu teuer ist für so ein kleines,
neues Unternehmen, baut
Treser 24 Rennsportvarianten. Die TR1 fahren auch
tatsächlich ein paar Läufe im
Rahmen der DTM – spätere
Größen wie Tom Christensen
absolvieren im TR1 ihr erstes
Rennen überhaupt.
Doch der Autobau kostet – und
Walter Treser benötigt weitere Investoren. Da melden sich
wahrlich illustre Gesellen, wie
zum Beispiel Prinz Ferfried
zu Hohenzollern oder Jürgen
Harksen. Letzterer wird später als professioneller Wirtschaftsbetrüger
verurteilt.
Auch Tresers Gefühl, von
eventuellen Geldgebern aus
der Firma gedrängt werden
zu sollen, behagt ihm nicht:
„Es ging um meine Idee, meine Arbeit, meine Firma – das
konnte ich nicht akzeptieren.“
Treser geht in die Insolvenz –
und die Ingolstädter Tuningfirma zieht es mit in die Pleite.
Am 16. August 1988 wird die
Firma auf Gerichtsbeschluss
geschlossen. 160 Mitarbeiter
müssen gehen.
Der Rest ist schnell erzählt:
Eineinhalb Jahre wickelt Treser die Firmen ab. „Nach der
Pleite wollte die Autoindustrie mich nicht mehr,“ resümiert er nüchtern, trotzdem
verweigert er den Gang zum
Arbeitsamt.
Dann kommt doch ein Angebot aus der Zubehörindustrie,
Treser schlägt zu. Zuerst als
Entwicklungschef für Sitze,
dann wird er dort Geschäftsführer. Kaum auf dem Chefsessel, ruft 1991 Opel an:
Chefentwickler Fritz Indra
will ihn als Motorsportchef
anheuern. Natürlich sagt Treser zu.
Auch bei den allradgetriebenen Calibra für die DTM findet Treser Reglementslücken,
die er ausnutzt: So entwickelt
er verschließbare Einsätze für
die Luftkühler, außerdem einen Heckflügel, der von innen
und während der Fahrt einstellbar ist. Deswegen siegen
zum Beispiel Manuel Reuter
und Keke Rosberg in Ho-
ckenheim – die Wagen lassen mit Tresers Ideen sowohl
schnelle Kurventempi als auch
sehr hohe Geschwindigkeiten auf der Waldgeraden zu.
Doch so zufrieden wie früher
wird der Rastlose nicht – erst
später gibt er zu: „Mein Herz
war immer bei Audi.“
Der letzte Karriereschritt ist
der zum Chef der Vorausentwicklung beim Rüsselsheimer
Hersteller Opel. Im Jahr 2003
beendet Walter Treser sein
aktives Berufsdasein.
Heute ist der Wahl-Hamelner Treser mit 71 Jahren
hauptsächlich involviert in
die Aktivitäten des rund 150
Mitglieder fassenden TreserClubs und dessen großen
Treser-Fuhrpark, zu dem
Schöpfungen wie Liner, Lago,
Avantgarde, zwei Hunter, ein
quattro roadster, das T1-Cabrio und das T1-Coupé gehören.
Und, Herr Treser, was wür-
den Sie heute anders machen, wenn sie noch einmal
die Chance dazu hätten? „Ich
würde mir bei so einem Vorhaben wie dem Autobau einen
professionellen Finanzberater
ins Haus holen. Ich bin letztlich daran gescheitert, dass ich
es alles selber machen wollte...“
Hans Dampf in allen Gassen: Walter Treser beim
Fachsimpeln am Audi quattro mit der besten Rallyefahrerin aller Zeiten, Michelle Mouton
Treser
Motorsport
INFORMATION
Walter Treser ein Leben für die Technik
Wenn Walter Treser (zweiter von
links) am Objekt parlierte, hörten
die Kollegen aufmerksam zu...
Keke Ros-Weltmeister
r Treser:
Der Formel-1
ten mit Walte eserei
-Z
el
p
O
zu
berg
der Tr
Bild hängt in
Das signierte
Clubgarage
Walter Treser kennt sie alle, alle kennen
Walter Treser: Der Sportchef im Gespräch mit dem jungen Ralf Schumacher
Geboren am 18. April 1940 in Bad König, wurde der Ingenieur für Kraftfahrzeuge und Flugzeugbau zunächst Rennfahrer
und Versuchsleiter bei Pirelli. 1976 übernahm er als Leiter die Vorentwicklung von
Sonderfahrzeugen bei Audi und war Projektleiter beim legendären Quattro.
Mit seiner eigenen Firma baute Treser ab
1982 Sonderfahrzeuge auf Audi- und
VW-Basis. Sein eigener Sportwagen, der
Treser TR1, starb 1988 aufgrund gescheiterter Finanzierung. Ab 1991 war Treser
Sportchef bei Opel, und entwickelte als
Direktor der Vorausentwicklung viele Neuerungen. Seit 2005 ist er Ehrenpräsident
des Treser Club e.V.

Documentos relacionados