Einführung in das Studium der Sprachwissenschaft
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Einführung in das Studium der Sprachwissenschaft
Einführung in das Studium der Sprachwissenschaft LITERATURVERZEICHNIS A. Einführungen in die Sprachwissenschaft: Bünting, Karl Dieter: Einführung in die Linguistik. 15. Aufl. Königsstein/Ts. 1995. Černý, Jiří: Úvod do studia jazyka. Olomouc 1998. Gross, Harro: Einführung in die germanistische Linguistik. 2. Aufl. München 1990. Linke/Nussbaumer/Portmann: Studienbuch Linguistik. Tübingen 1991. Imhasly/Marfurt/Portmann: Konzepte der Linguistik. Eine Einführung. 3. Aufl. Wiesbaden 1986. Lyons, John: Einführung in die moderne Linguistik. Aus dem Englischen übertragen von W. und G.Abraham. Für den deutschen Leser eingerichtet von W.Abraham. 4. Aufl. München 1979. Pelz, Heidrun: Linguistik für Anfänger. 9. Aufl. Hamburg 1990. Komplett überarbeitet. Neuauflage: Linguistik. Eine Einführung. 1. Aufl. Hamburg 1996. Schönherr, H.- Tiedemann,P.: Internet für Germanisten. Darmstadt 1999. Šimečková, Alena: O němčině pro Čechy. Praha 1996. B. Grammatiken: Duden – Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 5. völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Mannheim/Wien/Zürich 1998. (Duden. Bd. 4) Eisenberg, Peter: Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart 1986. Engel, Ulrich: Deutsche Grammatik. Heidelberg 1990. Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim: Deutsche Grammatik. 16. Aufl. Leipzig/Berlin/ München 1994. Povejšil, Jaromír: Mluvnice současné němčiny. 3. vyd. Praha 2004. Štícha, František: Česko-německá srovnávací gramatika. Praha 2003. Weinrich, Harald: Textgrammatik der deutschen Sprache. Mannheim/Leipzig/Wien/ Zürich 1993. Zifonun,G.-Hoffmann,L.-Strecker,B.:Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bde. Berlin/ NY 1997. C. Linguistische Wörterbücher: Althaus/Henne/Wiegand: Lexikon der Germanistischen Linguistik. 2. Aufl. Tübingen 1980. Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. 2. völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart 1990. Glück, Helmut (Hg.): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart/Weimar 1993. Lewandowski, Theodor: Linguistisches Wörterbuch. Bd. 1 - 3. 4. Aufl. Heidelberg/ Wiesbaden 1985. D. Deutsche Zeitschriften: I. ALLGEMEIN LINGUISTISCH: LB Linguistische Berichte Braunschweig 1969 ZDL ZPhon Wiesbaden Berlin (O) 1969 1947 Göttingen 1982 München 1973 Hildesheim 1969 Göttingen Berlin Berlin Leipzig 1974 1869 1973 1980 ZS Zschr. f. Dialektologie u. Ling. Zschr. f. Phonetik, Sprachwiss. u. Kommunikationsforschung Zschr. f. Sprachwissenschaft. II. GERMANISTISCH: ds Deutsche Sprache. Zeitschrift f. Theorie, Praxis, Dokumentation GL Germanistische Linguistik. Berichte aus dem Forschungsinstitut f. dt. Sprache LiLi Zschr. f. Literaturwiss. u. Ling. ZDPh Zschr. f. deutsche Philologie ZGL Zschr. f. germanist. Linguistik ZfG Zschr. f. Germanistik III. SPRACHDIDAKTISCH (muttersprachl. und fremadsprachlich. Unterricht): DaF Deutsch als Fremdsprache Leipzig 1964 DD Diskussion Deutsch Frankfurt/M. 1970 DU Der Deutschunterricht Stuttgart 1949 LuD Linguistik u. Didaktik München 1970 Mu Muttersprache. Zeitschr. f. Pflege Mannheim 1886 u. Erforschung d. dt. Sprache. WW Wirkendes Wort. Dt. Sprache u. Düsseldorf 1950 Literatur in Forschung u. Lehre. AUFGABE: Stellen Sie fest, welche deutsche linguistische Zeitschriften Sie in Zbrojnice zur Verfügung haben. I. Zur Terminologie Im deutschen Sprachraum werden heute die Termini Linguistik (lat. lingua „Zunge, Sprache“) und Sprachwissenschaft synonym verwendet. Der Ausdruck Linguistik meint aber manchmal im Gegensatz zur älteren, eher historisch ausgerichteten Sprachwissenschaft moderne oder auch strukturalistische Beschäftigung mit der Sprache (vgl. unten Strukturalismus – F. de Saussure – 1916). Der Ausdruck Linguistik weist auch internationalen Charakter auf und wird gerne bevorzugt. Die SW beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung und Beschreibung von Sprache, sie beantwortet die Fragen 1. Was ist Sprache? Das ist die Frage nach dem Ursprung der Sprache, dem Verhältnis zwischen Sprache und außersprachlicher Realität. Antworten darauf versucht u.a. die Sprachphilosophie zu geben. 2. Wozu brauchen wir Sprache? Das ist die Frage nach ihrer Funktion, sie führt zu verschiedenen Sprachmodellen (etwa dem Bühlerschen Organonmodel). 3. Wie funktioniert die Sprache? Der Aufbau und die Funktionsweise von Sprache stellen den wichtigsten Bereich der SW dar. Dabei soll die Sprache als wissenschaftlich definiertes System von Strukturen erforscht und beschrieben werden. II. Zweige der Sprachwissenschaft 1. Die Sprachstruktur untersucht die Grammatik mit ihren Teilbereichen: Phonetik / Phonologie - Ebene des Lautes Morphologie - Ebene des Wortes Syntax - Ebene des Satzes Semantik - Lehre von der Bedeutung Wortbildungslehre - Bildung von neuen Wörtern (manchmal Teil der Morphologie) Morphologie und Syntax stellen die Grammatik im engeren Sinne dar. Die Textlinguistik (früher die Stilistik) beschreibt die Differenzierung der Sprache in verschiedenen Textsorten. Die Grammatik kann entweder die Struktur einer Einzelsprache (Deutsch, Tschechisch, Englisch) beschreiben oder die Strukturen, die allen Einzelsprachen gemeinsam sind, die sog. sprachlichen Universalien (Wörter, Präsens, Vergangenheit, Imperativ, Singular, Plural, 1.Person ...) Gegenstand der Orthographie / Rechtschreibung ist die Umsetzung der Sprache in geschriebene Texte und Bildung der Kodifizierung. 2. Die Soziolinguistik untersucht die soziale Gliederung der Sprache (Jugendsprache, Berufsjargons), die Dialektologie untersucht die räumliche Differenzierung (Dialekte). 3. Die Namenkunde / Onomastik beschäftigt sich mit Beschreibung von Namen aller Art (Personen-, Orts-, Flussnamen usf.) 4. Mit der Sprechfähigkeit des Individuums befasst sich die Wissenschaft vom Spracherwerb, die Abhängigkeit der Sprechfähigkeit von psychischen Faktoren behandelt die Psycholinguistik 5. Die linguistische Pragmatik betrachtet die Sprache als Mittel zur Interaktion zwischen Individuen – „Sprechen als Handeln“ – im Mittelpunkt des Interesses steht die kommunikative Situation. 6. Die historische SW / die Sprachgeschichte untersucht die geschichtlichen Veränderungen der Sprache in Zeit und Raum. Sie muss anhand überlieferter historischer Texte, die die Paläographie entschlüsselt, frühere Sprachzustände rekonstruieren. 7. Die Etymologie beschäftigt sich mit der Herkunft und Bedeutung einzelner Wörter, bzw. mit den historischen Bedeutungsveränderungen und der Verwandtschaft von Wörtern. 8. Zu den Bereichen der Angewandten SW gehören: • Im pädagogisch-didaktischen Bereich der Mutterund Fremdsprachenunterricht, die Übersetzungswissenschaften = Übersetzen, Dolmetschen, und die Sprachtherapie (Heilen von Sprachstörungen). Durch den Einsatz des Computers gewinnt die Linguistische Datenverarbeitung immer mehr an Bedeutung, hierher gehören u.a. die maschinelle Übersetzung und die Computeranalyse sprachlicher Strukturen. 9. Die Semiotik / Sematologie / Semiologie beschäftigt sich mit der Lehre von den sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen. Die Syntax (zu unterscheiden von Syntax als Satzlehre) beschreibt die Beziehung der Zeichen zueinander, die Semantik zwischen Zeichen und Bedeutung, die Pragmatik die Beziehung zw. Zeichen und Zeichenverwender, die Sigmatik die Relation zw. Zeichen und Realität. • Die Grenzen zwischen den einzelnen Teilbereichen der SW sind nicht immer eindeutig zu ziehen. So werden manchmal Soziolinguistik, Psycholinguistik und linguistische Pragmatik wegen ihrer betonten Ausrichtung auf Sprache im gesellschaftlichen Umfeld der angewandten SW zugerechnet. Die Aufgaben und Ziele der (deutschen) Sprachwissenschaft können so formuliert werden: „Die deutsche Sprachwissenschaft verfolgt eine Untersuchung und Beschreibung der deutschen Sprache der Gegenwart und Vergangenheit in Grammatik und Wortschatz, in ihren geographischen und sozialen Differenzierungen, als Sprachsystem und im Gebrauch durch die Sprecher“. (Def.Bergmann/Pauly/Schlaefer) Sie untersucht die kommunikative Verwendung von Sprache sowie ihre gesellschaftliche Dimension. • Die Methoden und Ergebnisse der Sprachwissenschaft finden ihre Anwendung: in der Schule (Unterrichtsgegenstand Sprache, Erstlese- und Erstschreibunterricht, Deutsch als Fremdsprache) als medizinische Sprachwissenschaft, Logopädie (Sprachheilkunde, -therapie) in der Geschichtswissenschaft, Philosophie, Ethnologie für Textuntersuchungen zur juristischen Zwecken bei der Dudenredaktion und in den Verlagen im Bereich Übersetzen und Dolmetschen, oder von Übersetzungsprogrammen für Computer in der Werbung und Kommunikationstechnik bei der Computerverarbeitung von gesprochener Sprache und Texten in Firmen zur internen Kommunikation und zur Gesprächsführung mit den Kunden usw. AUFGABE: Reihen Sie die praktischen Sprachprobleme den linguistischen Disziplinen zu: Was ist Sprache? Das Wort Sprache hat verschiedene Gebrauchsweisen und umfasst ein breiteres Bedeutungsspektrum, z.B. deutsche Sprache, Bienensprache, Jugendsprache, Körpersprache, Computersprache, Sprache der Pflanzen, Trommelsprache usw. Im Satz es verschlug ihm die Sprache (jemand ist unfähig, sich sprachlich zu äußern, etw. durch Schreck, Überraschung – nebyl schopen promluvit, oněměl úžasem) bedeutet das Wort Sprache die allgemeine Fähigkeit des Menschen zu sprechen, Sprache zu benützen, das Sprachvermögen. Die deutsche Sprache, tschechische Sprache usw. bezeichnet die spezifische Sprache einer Gruppe von Menschen, eine Einzelsprache, die historisch gewachsen ist. Die germanischen Sprachen sind Gruppe von Einzelsprachen. Als Welthilfssprachen bezeichnen wir vom Menschen geplant geschaffene, also künstliche Sprachen, wie z.B. Esperanto, Volapük (uměle vytvořený jazyk), Computersprachen. Die wissenschaftliche Sprache ist aus der Normalsprache erwachsen, hat jedoch durch Beseitigung der logischen Mängel der Alltagssprache Eindeutigkeit, Präzisierungsfähigkeit und die Möglichkeit zu hoher Abstraktion gewonnen. Das Wort Trommelsprache bezieht sich hingegen darauf, in welcher Form eine sprachliche Äußerung auftritt. Ausdrücke wie blumige Sprache (d.h. floskelreiche Ausdrucksweise), schlechte Sprache (fehlerhafte), ordinäre Sprache (hrubá, sprostá) bezeichnen die Art und Weise, wie eine Einzelsprache benutzt wird. Eindeutig metaphorisch ist der Gebrauch des Wortes Sprache in Ausdrücken wie die Sprache der Blumen, die Sprache des Herzens. Die Körpersprache bezeichnet wieder ein Kommunikationssystem ohne Worte. Und wie ist das mit den Tiersprachen? Die Sprachen der Affen, Bienen oder Delphine sind hochdifferenzierte Signalsysteme, die anderen Tieren einen Reiz, einen Impuls, einen Stimulus zur bestimmten Handlung geben sollen. Die Beherrschung dieses Kommunikationssystems ist angeboren, nicht durch einen Lernprozess von den Eltern erworben. Die Biene kann mit ihrem Tanz genau anzeigen, wo sich die Nahrungsquelle befindet, die anderen Bienen beginnen mitzutanzen und dann begeben sich an den angegebenen Ort. Die erste Biene hat eine Information vermittelt, aber die anderen reagieren nicht im Sinne einer Mitteilung im menschlichen Sinn, z.B. Das ist sehr interessant, oder Das interessiert mich nicht! Zur Sprache im Sinne von menschlicher Sprache gehört also ein gewisser freier Umgang mit dem Kommunikationsmaterial, es handelt sich nicht um ein automatisches Reagieren auf Reize. (Die Papageien können die menschliche Sprache nur nachahmen, sie verstehen die Sprache nicht.) Wir unterscheiden: • Natürliche Sprachen: menschliche, historisch gewachsene, nicht konstruierte Sprachen, die sich verändern und entwickeln • Künstliche Sprachen: Welthilfssprachen wie Esperanto, Wissenschaftssprachen zur Darstellung komplexer Zusammenhänge, mathematische Formelsprachen wie Symbol- oder Computersprachen. Künstliche Sprachen ändern sich nicht, oder nur gering. • Andere Formen von Sprachen: menschliche Körpersprache, Tiersprachen, Zeichensprachen (Morsealphabet) Definition des Wortes „Sprache“ (im linguistischen Sinn) Sprache ist ein vom Menschen geschaffenes, geschichtlich gewachsenes Kommunikationssystem, mit dem der Mensch mit einem endlichen Zeichenvorrat eine unendliche Zahl von Äußerungen hervorbringen kann. (Gottfried Fischer in: ERNST, Peter: Einführung in die synchrone SW, Wien 1999). Bußmann (1990): Auf kognitiven (poznávací) Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischer Entwicklung unterworfenes Mittel zum Ausdruck und Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen, sowie zur Fixierung und Tradierung von Erfahrung und Wissen. Die Sprache ist eine nur dem Menschen eigene Ausdrucksform, die sich von allen anderen möglichen Sprachen wie Tiersprachen, künstlichen Sprachen usw. unterscheidet durch: • Die Kreativität – der Mensch gibt Mitteilungen und Appelle an seine Umwelt kund, drückt sich aus und setzt sich mit der Welt auseinander • Die Fähigkeit zur begrifflichen Abstraktion • Die Fähigkeit zur metasprachlichen Reflexion, d.h. zum Sprechen über Sprache (Metasprache) Metasprache – Sprache zur Verständigung über die Sprache (Gegensatz: Objektsprache) Terminologie zur Sprachbeschreibung Objektsprache: Paul ist mein Freund. Metasprache: Der Satz „Paul ist mein Freund“ ist ein Aussagesatz mit Prädikatsnomen. Meta-Metasprache: Die Aussage: „Der Satz ´Paul ist mein Freund´ ist ein Aussagesatz mit Prädikatsnomen“ müsste erläutert werden. Der Ursprung der Sprache Die Frage, ob die Sprache an mehreren Orten entstanden ist (Polygenese) oder an einem Ort sich von dort verbreitet hat (Monogenese), ist ebenso ungeklärt wie die Monooder Polygenese des Menschen selbst. Es gibt mehrere Grundüberlegungen über den Ursprung der Sprache. Nach der Bibel stand am Anfang der Menschengeschichte die Monoglossie, d.h. die Einsprachigkeit: „Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.“ Erst der Turmbau zu Babel hat eine Aufspaltung in viele Nationalsprachen als Gottesstrafe für die menschliche Überheblichkeit (= arogance, nafoukanost) provoziert. Aus biblischer Sicht entstand so die Sprachverschiedenheit. Bei den griechischen Philosophen der Antike gab es bereits die Kontroverse über die Herkunft der Sprache und die Bedeutung ihrer Wörter. So z.B. im Dialog „Kratylos“ von Platon (427-347 v.Ch.) stehen zwei Argumentationsgruppen gegenüber. Die Naturalisten behaupten, dass sich die Sprache natürlich entwickelt hat, also dass eine naturgegebene Beziehung zwischen einer Lautkette (z.B. Tisch) und dem, was sie bezeichnet (also einen Tisch), besteht. Die Konventionalisten behaupten, dass die Bezeichnungen und Namen der Sprache für bestimmte Dinge vereinbart sind und die Regeln der Sprache auch auf reiner Konvention beruhen. Eindeutig zu sehen ist der natürliche Zusammenhang nur bei lautmalerischen / onomatopoetischen Wörtern wie z.B. wau, wau, denn hier wird das Bellen des Hundes nachgeahmt. Bei Wörtern wie denken, Abkommen ist eine lautliche Verbindung mit Naturgegebenheiten schwerlich zu sehen. Andere Versuche, den Ursprung der Sprache zu erklären, waren brutaler. Der ägyptische König Psammetichos I. (er regierte 664 –610 v.Ch.), so berichtet der antike Geschichtsschreiber Herodot, hat zwei Neugeborene einsperren und ohne Sprachkontakt in völliger Isolation aufwachsen lassen. Das erste Wort, das diese Kinder sagen, sollte ein Beweis für die Ursprache sein. Ein Kind sagte laut Überlieferung etwas wie „bekos“, was auf phrygisch „Brot“ heißt und infolgedessen als Beweis galt, dass Phrygisch die Mutter aller Sprachen sei. (Phrygien ist eine historische Landschaft in der heutigen Türkei – in Inneranatolien, Phrygisch ist eine ausgestorbenen Sprache – frýzština) Man kann jedoch durch die Methoden der Sprachvergleichung von verwandten Sprachen Ursprachen rekonstruieren, z.B. gehen die deutsche Sprache und die anderen germanischen Sprachen auf ein Urgermanisch zurück, dieses wieder mit anderen europäischen und asiatischen Sprachen auf die Ursprache Indogermanisch / Indoeuropäisch. Es ist heute aber nicht eindeutig geklärt, ob die Ursprachen der indogermanischen und finno-ugrischen Sprachen eine gemeinsame Ursprache haben (wahrscheinlich sind sie an verschiedenen Orten selbständig entstanden, wie die Schriftsysteme, und sind nicht verwandt). Der Ursprung der Sprache ist also nicht eindeutig wissenschaftlich erklärt. III. Strukturalistische Sprachbetrachtung In den Jahren 1907 bis 1911 hielt der Indogermanist Ferdinand de SAUSSURE (1857 – 1913) an der Genfer Universität sprachwissenschaftliche Vorlesungen, die seine Schüler 1916, also 3 Jahre nach seinem Tod, herausgegeben haben, und zwar unter dem Titel Cours de linguistique générale. Die deutsche Übersetzung von Hermann LOMMEL erschien 1931: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft – er musste viele neue Termini prägen. Die tschechische Übersetzung erst 1989: Kurs obecné lingvistiky unter der Leitung von František Čermák. Mit diesem grundlegenden Werk wurde die sprachwissenschaftliche Epoche des Strukturalismus eingeleitet. De Saussure beschreibt die Sprache mit Hilfe von sog. Dichotomien (Dichotomie – aus dem griech. dicho-tomía = Zweiteilung, zweigliedriges komplementäres Begriffspaar). Eine Dichotomie ist ein Paar von einander inhaltlich entgegengesetzten Begriffen, für die aber eine interdependente (voneinander abhängige) Bedingtheit besteht. Beide Begriffe gehören zueinander, schließen sich aber in ihrer Bedeutung gegenseitig aus. – D E S K R I PT I V Der Strukturalismus versteht sich als rein beschreibende Wissenschaft, das heißt, er geht deskriptiv vor: das sprachliche System soll in seinem Ist-Zustand abgebildet werden. In manchen Grammatik-Richtungen liegt dagegen die vorschreibende – präskriptive Methode vor. PR Ä S K R I PT I V Folgende Dichotomien gelten in de Saussures Ansatz als zentral: 1. langue – parole 2. synchron – diachron 3. Inhalt – Ausdruck 4. arbiträr – motiviert 5. syntagmatisch - paradigmatisch – P A R OL E Um die Sprache eindeutig zu definieren, führt de Saussure 3 Begriffe ein. Als Gegenstand der Linguistik hat die Sprache mindestens drei Bedeutungsvarianten: Langage – Sprachfähigkeit, (řeč), genetisch verankerte Eigenschaft, die menschliche Fähigkeit zur Sprache allgemein Langue- Sprache als System (jazyk, systém), das uns zur Verfügung stehende System von Wörtern und Regeln (Einzelsysteme wie Deutsch, Englisch, Französisch). Man kann dies etwa mit einem Wörterbuch vergleichen, in dem die sprachlichen Einheiten festgelegt sind und von dem jeder Sprachteilnehmer ein Exemplar erhält. Parole – Rede, Sprechen, Sprachverwendung (promluva) – der individuelle Akt der Sprachverwendung (das Äußern) und auch das Produkt dieses Aktes (die Äußerung selbst). Dem Sprecher können beim Äußerungsakt selbstverständlich Fehler unterlaufen, die der parole angehören und bei Beschreibung der langue nicht berücksichtigt werden dürfen. Um dies zu gewährleisten, hat man später den Begriff des idealen Sprechers eingeführt. LANGUE D I A C HR O N I E – S Y N C HR O N I E Die entscheidende Neuerung des Strukturalismus besteht darin, dass er von der Methode der historisch-vergleichenden SW abgeht. De Saussure wandte sich vor allem gegen die Gruppe der Junggrammatiker. Bis dahin wurde die SW ausschließlich diachron (historisch, geschichtlich) betrieben, de Saussure sieht die Aufgabe der SW primär in der synchronen Sprachbeschreibung (Sprachzustand zu einem bestimmten Zeitpunkt). Die Sprache im synchronen Sinn wird als geschlossenes Zeichensystem betrachtet, dessen Strukturen (Beziehungen der Einzelelemente zueinander) aufzudecken sind. Die Sprache als Zeichensystem Die Sprache muss unter 2 Aspekten gesehen werden: 1. unter funktionalem Aspekt als Kommunikationsmittel 2. unter formalem Aspekt als Zeichensystem Die Semiotik / Zeichentheorie ist die Lehre von den sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen, die Sprache ist also nur ein Zeichensystem neben den anderen, z.B. Verkehrszeichen, Piktogramme (= verständliche Bildsymbole: auf dem Bahnhof, Flughafen usw. – z.B. Rauchverbot, Verkehrsampeln) Der Begründer der Semiotik ist der amerikanische Philosoph Charles Sanders PEIRCE (pэ:s), weitere Sprachtheoretiker sind Amerikaner Ch.W. MORRIS und Karl BÜHLER (Wien). Es lassen sich 3 Zeichenklassen unterscheiden: 1. Ikone (s Ikon) – sie haben eine abbildende Funktion und deshalb eine gewisse Ähnlichkeit mit ihren Objekten, z.B. Bilder, Modelle, Piktogramme, aber auch Metaphern, Vergleiche (blutrot), onomatopoetische / lautmahlende Wörter 2. Indizes (r Index) – sie haben eine anzeigende Funktion, sie verweisen auf etwas Individuelles, z.B. Gesten, Wegweiser, Verkehrsschilder, Eigennamen 3. Symbole (s Symbol) – sie haben eine rein bezeichnende Funktion ohne Ähnlichkeit mit dem Objekt, z.B. viele Warenzeichen (NIKE, ADIDAS), Formeln (H2O), Ideogramme (Zeichen, das einen ganzen Begriff repräsentiert - Hieroglyphen, die chinesische Schrift), Musiknoten, Buchstaben, die meisten Wörter. Beispiele: Ikon: “Sprint” Symbol: “weiblich”, Note “A”, Buchstaben, Zahlen Index mit Symbolen: “Durchfahrtshöhe” Index mit Ikon: „Rauchverbot“ Die chinesische Schrift = Ideogramme Oft werden die Begriffe Zeichen und Anzeichen verwechselt. Zeichen stehen stellvertretend für etwas, Anzeichen weisen auf eine Ursache als Indiz oder als Symptom. So kann Erröten ein Anzeichen für Verlegenheit oder Fieber sein, Gelbsucht ein Symptom für eine Leberkrankheit. De SAUSSURE hat als Erster ein Modell des sprachlichen Zeichens erstellt. Er unterschied zwei Beziehungen in der Struktur des sprachlichen Zeichens: 1. zwischen Zeichen und Objekt 2. zwischen Zeichenkörper und Zeichenbedeutung - I N HA L T Ein sprachliches Zeichen besteht aus einer materiellen Seite (etwa der Lautkette, den Schallwellen), die er als Ausdrucksseite bezeichnet, mit dieser Lautkette assoziiert der Hörer eine bestimmte Vorstellung, die er als Inhaltsseite bezeichnet. Der Inhalt ist die geistige Vorstellung der materiellen Sache. Inhalt und Ausdruck sind untrennbar miteinander verbunden wie die zwei Seiten eines Blattes Papier. Verbreiteste Benennungen für Ausdruck und Inhalt sind: AUSDRUCK AUSDRUCK Bezeichnendes Signifiant Lautkörper Form Name I N HA L T Bezeichnetes Signifié Begriff Bedeutung Sinn Das zweidimensionale Zeichenmodell von de Saussure wurde von den Sprachwissenschaftlern Charles Kay OGDEN und Ivor Armstrong RICHARDS unter Einbeziehung der sprachlichen Außenwelt zu einem dreidimensionalen Modell erweitert. Dieses Modell ist unter dem Begriff Semiotisches Dreieck bekannt (1923): VORSTELLUNG (IHNALT) LAUTKÖRPER (AUSDRUCK) ------------------- OBJEKT Wie aus dem Modell zu ersehen ist, besteht eine direkte Verbindung nur zwischen Ausdruck und Inhalt (Vorstellung) bzw. zw. Inhalt und Sache. Das heißt, wir verbinden mit einem bestimmten Lautkörper eine geistige Vorstellung, die selbst wieder auf einer materiellen Sache beruht. Der Ausdruck hat eine mittelbare Beziehung zum Objekt über die Vorstellung. – M OT I V I E R T Die Beziehung zwischen sprachlichem Zeichen und Sache / Objekt ist beliebig, willkürlich = arbiträr, denn das sprachliche Zeichen ist keine aus sich heraus bedeutungstragende Form, aber beruht auf Konvention (der Gegenstand Baum, wird in anderen Sprachen anders benannt – strom, tree, arvor – portugiesisch). Den Fall, dass die Ausdrucksseite den Inhalt direkt abbildet, gibt es wesentlich seltener, die Wörter sind motiviert. Es handelt sich um die Onomatopöie, die lautmalende Nachahmung – Tiere und ihre Äußerungen in unterschiedlichen Sprachen: ARBITRÄR Deutsch Schwedisch Englisch Finnisch Französisch Japanisch Tschechisch kikeriki kukkeliku cook-a-doodle-do kukkokiekuu cocarico kokkekokko kikirikí Ein anderes Beispiel für lautmalende Zeichen ist die Comics-Sprache, die mittels Buchstaben und der damit verbundenen Lautgebung bestimmte Geräusche nachvollziehen will, wie z.B. piff-paff, rroooooom, boing. Onomatopöie reicht nicht mehr, wenn es um abstrakte Phänomene geht. Diese Bezeichnungen müssen konventionalisiert sein, jeder Sprecher muss sich an der Konvention halten, um verstanden zu werden. Andererseits ist aber das Wort, das aus zwei arbiträren Begriffen besteht, nicht mehr arbiträr – bei den Zusammensetzungen liegt eine motivierte Beziehung zwischen den zwei Ausdrucksseiten vor, die beiden Begriffe sind zielgerichtet und nicht beliebig zusammengesetzt, wir sprechen von der „sekundären Motiviertheit“. Auch die Reihenfolge ist nicht zufällig, sondern bewusst gewählt. Kinder + Wagen = Kinderwagen und nicht Wagenkinder S Y N T A GM A – P A R A D I GM A / S Y N T A GM A T I S C H – P A R A D I GM A T I S C H Die Beziehung der einzelnen sprachlichen Zeichen zueinander stellt den Kernpunkt strukturalistischer Sprachbetrachtung dar. Eine Beziehung, die zwischen miteinander kombinierten sprachlichen Elementen besteht, nennt man syntagmatische Beziehung oder Syntagma (Syntagmen). Dies bezieht sich auf die Kombinierbarkeit von Lauten in einem Wort oder von Wörtern in einem Satz auf der Ebene der Syntax. Eine Beziehung, die zwischen untereinander austauschbaren sprachlichen Elementen besteht, nennt man paradigmatische Beziehung oder Paradigma. Es geht um die mögliche Austauschbarkeit einzelner Elemente auf der vertikalen Ebene. Der Beispielsatz: Syntagma Franz Er Gerda hilft hilft dankt seinem dem ihrer Freund Gärtner Oma Paradigma Ich möchte (ein) Die Kinder spielen. Bier / viel / Tier *Die Kinder spielt. (keine Kompatibilität) Das Ziel dieser zwei Analyserichtungen ist v.a. die Auswahlkriterien, die Kombinationsmöglichkeiten und die Verteilung, die sog. Distribution sprachlicher Elemente zu untersuchen. Unter Distribution verstehen wir „die Summe aller Umgebungen, in denen ein sprachliches Element erscheint, im Gegensatz zu jenen, in denen es nicht erscheinen kann“ (Helbig). – K L A S S I FI ZI E R U N G Nach de Saussure ist es notwendig, die zu untersuchenden Einheiten der Sprache zu bestimmen, da diese nicht a priori gegeben sind. Dies wird dadurch erreicht, dass die Sprache in ihre kleinsten Einheiten zerteilt – segmentiert – wird. Diese Segmentierung ist zunächst noch wertfrei. Die sprachlichen Einheiten müssen bewertet – klassifiziert – werden. Ein einfaches Beispiel dafür bietet die Untersuchung der Sprachlaute: Zunächst wird festgestellt, welche menschlichen Laute überhaupt zur Sprachbildung herangezogen werden, dies besorgt die Phonetik, die die Sprachlaute der einzelnen Sprachen wertungsfrei beschreibt. Dann ist zu S E GM E N T I E R U N G beurteilen, in welcher Weise diese Laute zur Sprachbildung miteinander kombiniert werden. (Im Deutschen ist die Kombination vlk nicht zulässig.) Eine derartige Klassifikation wird von der Phonologie getroffen. Sie beschreibt die Möglichkeiten und Restriktionen der lautlichen Kombinatorik. Die elementaren Bausteine der Sprache werden mittels Minimalpaarbildung bestimmt. Ein Minimalpaar besteht aus zwei sprachlichen Einheiten, die sich in nur einem solchen elementaren Baustein (Merkmal) voneinander unterscheiden. So bilden die beiden Wörter fast und fest ein Minimalpaar (Kissen – küssen). Die Methode der Segmentierung und Klassifizierung ist für den Strukturalismus von grundlegender Bedeutung. – REDUNDANT Die Elemente des Sprachsystems lassen sich anhand ihrer Merkmale beschreiben. Es gibt solche Merkmale, die zur Abgrenzung gegenüber anderen Elementen unbedingt notwendig sind. Sie werden vom Strukturalismus als relevant / distinktiv bezeichnet. Die Merkmale, die nicht so viel zur Abgrenzung beitragen, werden als redundant bezeichnet. So im Tschechischen und Deutschen ist distinktiv die Länge des Vokals: dráha – drahá, Masse – Maße, bitten – bieten; oder die Stimmhaftigkeit / -losigkeit der Konsonanten: Dank – Tank. Dagegen ist ich-Laut – ach-Laut, behauchtes – nicht behauchtes ph,th, kh – p, t, k für die Verständigung im Deutschen nicht relevant. RELEVANT Die Schulen der strukturellen Linguistik • Die strukturalistische Sprachwissenschaft wurde von Ferdinand de Saussure begründet. Unter seinem Grundaxiom der „Systemfertigkeit der Sprache“ haben sich verschiedene Richtungen entwickelt. Ihnen allen ist gemeinsam die Absage an die vorhergegangenen Epochen der Sprachwissenschaft, v.a. der historischen Betrachtungsweise. Aufbauend auf de Saussure untersucht der Strukturalismus seit den späten 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Sprache synchron als ein System. Die Grundfrage lautet: Wie funktioniert das Sprachsystem? Je nach dem theoretisch-methodischen Ansatz unterscheidet man verschiedene Schulen des Strukturalismus in der modernen Linguistik: 1. Die Genfer Schule (BALLY, SECHEHAYE) arbeitet in der Nachfolge Saussures; verarbeitet, erläutert und verteidigt die Ideen des „Cours“ In den 30er Jahren haben sich folgende drei Hauptschulen des Strukturalismus herausgebildet: 2. die Prager Schule, 3. die Kopenhagener Schule, 4. die amerikanische Schule. 5. Der moderne amerikanische Strukturalismus; generative Transformationsgrammatik von Noam Chomsky (1957 und 1965) geprägt. Da es keinen einheitlichen wissenschaftlichen Strukturalismus gibt, distanzierten sich die einzelnen strukturalistischen Schulen voneinander. HJELMSLEV (Vertreter der Kopenhagener Schule) beschrieb dies einmal so: „Die Prager Schule möchte lieber funktionalistisch als strukturalistisch genannt werden, um nicht mit den Kopenhagener Strukturalisten verwechselt zu werden; und die Kopenhagener Schule möchte lieber glossematisch als strukturalistisch genannt werden, um nicht mit den Prager Strukturalisten verwechselt zu werden. Hinter dieser scheinbaren Paradoxie verbirgt sich nichts als die Tatsache der großen Differenziertheit dessen, was man allzu global als Strukturalismus oder strukturelle Linguistik bezeichnet.“ • • • Die Grundprinzipien des analytischen, linguistischen Strukturalismus sind: a) das Prinzip der Funktionalität, b) das Prinzip der Opposition, c) das Prinzip der Systematizität. PRAGER SCHULE Die im Jahre 1926 gegründete Richtung des europäischen Strukturalismus „CERCLE LINGUISTIQUE DE PRAGUE“ wird als Prager Schule bezeichnet. Der Begründer ist Vilém MATHESIUS, weitere Mitglieder sind Bohuslav HAVRÁNEK, Bohumil TRNKA, Jan MUKAŘOVSKÝ. Die Grundthesen wurden zum ersten Mal 1928 vorgetragen. Ausgehend von der „Sprache als System mit Funktionen“ betrachten die sog. Funktionalisten die Sprachmittel nicht losgelöst von ihrer Funktion. Sie fragten also nach der Funktion der Sprache allgemein. Die Frage lautete: Wozu dient Sprache? Das schließt neben den innersprachlichen, rein linguistischen Aspekten auch psychologische, soziologische, philosophische Antworten mit ein, wie dies ROMAN JAKOBSON in seinem Kommunikationsmodell der Sprachfunktionen dargestellt hat. 1929 definierte BOHUMIL TRNKA die „Sprache als ein System von Ausdrucksmitteln, die geeignet sind, zur Erreichung eines Zieles“. Als Hauptvertreter dieser Schule kann Fürst NICOLAJ TRUBETZKOY genannt werden mit seinem Buch „Grundzüge der Phonologie“. KOPENHAGENER SCHULE Die Kopenhagener Schule wurde 1933 durch LOUIS HJELMSLEV und VIGGO BRONDAL begründet. Unter der konsequenten Weiterführung de Saussures Auffassung, wird die Sprache als reine Form betrachtet. Sie gilt als ein System von „Funktionen zwischen Begriffen, die alleine durch ihre wechselseitige Abhängigkeit charakterisiert sind“. Diese Schule wird auch als Glossematik bezeichnet. (Glossem ist nach dieser Schule die kleinste sprachliche Einheit, die nicht mehr reduzierbar ist). AMERIKANISCHE SCHULE • Die amerikanische Schule des Strukturalismus basiert auf LEONARD BLOOMFIELDs Buch „Language“, veröffentlicht 1933. Geprägt von der sog. behavioristischen Psychologie, die nur untersucht, was der direkten, intersubjektiven Beobachtung zugänglich ist, geht diese Schule rein induktiv von der Ebene der Parole aus. Sie wird deshalb in manchen Ansätzen als Deskriptivismus bezeichnet. Das menschliche Bewusstsein wird aus der wissenschaftlichen Betrachtung ausgeschlossen. Ihr Ziel ist die Beschreibung der Ausdruckseite als Abfolge bestimmter Phoneme und die Angabe der lautlichen Umgebungen, also die sog. Distribution. Daher wird manchmal diese Schule als Distributionalismus bezeichnet. Zu dieser Schule rechnet man: BLOCH, FRIES, CHOMSKY. HARRIS und v.a. NOAM Noam Chomsky Seine ersten linguistischen Arbeiten erschienen in den 60er Jahren des 20. Jhs. Die generativen Modelle: Phase I Bereits zu Beginn seiner wissenschaftlichen Arbeit entwickelte Chomsky seine Vorstellungen über die Aufgaben der Linguistik und die Methoden der linguistischen Forschung. Er fand in der deskriptiven Linguistik entwickelte Methoden vor, die er als Ausgangspunkt für die eigene Forschung nutzen konnte. Dazu gehörten v.a. das Konzept der Konstituentenstruktur und die Distribution. 1957 erschien sein Werk „Syntactic Structures“ (Syntaktische Strukturen), Ziel des Buches ist die Konstruktion einer Grammatik zur Generierung von Sätzen und die Aufstellung einer Theorie der Sprachstruktur ohne Bezug auf Einzelsprachen. Die angestrebte Grammatik soll ein Mechanismus sein, der alle grammatischen Formen erzeugt, ohne Rücksicht auf die Semantik. Chomskys Beispiel zweier Sätze, die beide in gleicher Weise sinnlos sind, von denen aber der erste als grammatisch bezeichnet wird: (wild schlafende farblose grüne Ideen) Colorless green ideas sleep furiously. Furiously sleep ideas green colorless. Die generativen Modelle: Phase II Zu Beginn der 60er Jahre entwickelte Chomsky eine umfassendere syntaktische Theorie, die er zusammenhängend in den „Aspects of the Theory of Syntax“ – „Aspekte der Syntax-Theorie“ (1965, dt. 1970) darlegte. Dieses Modell ist unter der Bezeichnung „Standardtheorie“ bekannt geworden. Im Zentrum der Standardtheorie steht wie bisher Aufbau und Funktionieren der Syntax. Es werden zwei syntaktische Strukturen angesetzt: Die Basiskomponente mit Phrasenstrukturregeln (PS-Regeln) generiert die Tiefenstruktur (Semantik), diese wird mittels Transformationsregeln (T-Regeln) in die Oberflächenstruktur (grammatisch korrekte Sätze) überführt. Die Basiskomponente erzeugt also abstrakte Strukturen, erst die Oberflächenstruktur entspricht den konkreten, wohlgeformten Sätzen der Sprache. Die Tiefenstruktur determiniert die semantische Interpretation eines Satzes, die Oberflächenstruktur die phonetische Interpretation. Mit dieser „Standardtheorie“ erwarb sich Chomsky endgültig die Aufmerksamkeit der internationalen Fachwelt. SEMANTIK Die Semantik ist die Lehre von der Bedeutung. Die praktische Anwendung der Semantik betrifft die Lexikographie, das Definieren, Interpretieren, die Stilistik, Sprachdidaktik, Übersetzung und maschinelle Sprachverarbeitung. Unterscheidung der Begriffe BEDEUTUNG x SINN Bedeutung – potentiell, lexikalisch-semantischer Aspekt (Venus) Sinn – aktuell, konkret oder Referenz auf ein Objekt (Morgenstern, Abendstern) Beispiel: die Bezeichnungen ABENDSTERN und MORGENSTERN haben einen jeweils verschiedenen Sinn, aber die gleiche Bedeutung VENUS Bedeutungsarten: • denotative Bedeutung (Hauptbedeutung; begrifflich, logisch) • konnotative Bedeutung (Nebenbedeutung; assoziativ, wertend) • kollokative Bedeutung (kontextabhängig, je nach der Kompatibilität mit kontextuellen Elementen) Bespiel: Das Wort BIRNE hat mindestens 3 denotative Bedeutungen: FRUCHT, GLÜHBIRNE, KOPF (salopp). Die letztere ist stark affektiv besetzt und stilistisch als niedrig festgelegt (jeweils abwertend, lächerlich). Kollokativ erlauben die Bedeutungen nur gewisse Kombinationen, z.B. Ich habe die Birne verloren, gilt nur für die Bedeutungen FRUCHT und GLÜHBIRNE, nicht aber als Synonym für die Redewendung Ich hab den Kopf verloren. AUFGABE Vogelstimmen: Ordnen Sie die kollokativ zusammengehörigen Begriffe einander zu: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. krähen schlagen schnattern gackern krächzen zwitschern piepsen klopfen a) b) c) d) e) f) g) h) Huhn Gans Küken Nachtigall Vogel Specht Hahn Krähe TRADITIONELLE SEMANTIK • Den Begriff Semantik gibt es erst seit 1897 (BREAL: Essai de semantique), aber schon seit je haben sich die Philosophen und Sprachwissenschaftler mit der Bedeutung beschäftigt, im 19.Jh v.a. historisch orientiert. • So versuchte man die Etymologie von Wörtern zu erforschen, d.h. die echte, ursprüngliche Bedeutung, indem man nicht nur ihre Laut-, sondern auch ihre Bedeutungsgeschichte zurückerfolgte. Dabei entdeckte man weitverzweigte Wortfamilien in den indoeuropäischen Sprachen. Diese gehen auf etymologische Wurzeln zurück. Damit ergibt sich die Zusammenarbeit mit der historischen Linguistik und der Soziolinguistik. • Definition WORTFAMILIE: Menge von Wörtern, deren gleiche oder ähnliche Stammmorpheme auf dieselbe etymologische Wurzel zurückgehen. • Neben der historischen Betrachtung entwickelte die traditionelle Semantik aber auch Begriffe für die wichtigsten Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern: Homonymie: ein Lautkörper repräsentiert (etymologisch) verschiedene Wörter mit verschiedener Bedeutung: Eine Wortfamilie im heutigen Deutsch: 1) stehen, bestehen, Stand, Stadt, Zustand, ständig, beständig, …. 2) fahren, Fahrt, Führer, Gefährt, …. Neben der historischen Betrachtung entwickelte die traditionelle Semantik auch Begriffe für die wichtigsten Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern: Bestimmen Sie, ob Homonymie oder Polysemie vorliegt, und erläutern Sie die verschiedenen Bedeutungen durch Synonyme: a) Die Suppe kostet 2,50. – Paul kostet lieber die Krabben. b) bergauf im 2.Gang – ein Gehörgang – ein wiegender Gang c) Das Schloss hat 99 Zimmer. – Dies Schloss ist verrostet. AUFGABEN Ordnen Sie folgende 4 Synonymgruppen nach ihrer stilistischen „Höhe“ bzw. affektiven Wertung: Muster: Haupt (hoch), Kopf (neutral), Birne (niedrig). a) b) c) d) Gesicht, Visage, Antlitz. Gaul, Ross, Pferd. Wagen, Karre, Auto. essen, speisen, fressen. Ordnen Sie die folgenden Synonympaare nach dem Grad ihrer Bedeutungsähnlichkeit „etwa gleich“ – „sehr ähnlich“ – „ähnlich“: 1. 2. 3. 4. 5. Samstag – Sonnabend wandern – schreiten Frühling – Lenz Kiefer – Föhre Fahrrad - Drahtesel Wie heißen die Antonyme von: 1. 2. 3. 4. 5. alt ankommen Vater grün schwimmen Suchen Sie die Oberbegriffe zu: a) Stuhl, Hocker, Sessel b) Bett, Liege, Couch Gehören auch Baumstumpf und Heuhaufen in die Gruppen? Ordnen Sie folgende Antonyme den 3 Klassen zu: (a) kontradiktorisch – (b) konträr – (c) konvers: lebendig Höhe schwer Wirt teuer kaufen falsch - tot Tiefe leicht Gast billig verkaufen wahr ledig verheiratet Kunde Verkäufer arm reich Wirbeltiere - Wirbellose weiblich - männlich Lehrer - Schüler bestehen - durchfallen STRUKTURELLE SEMANTIK UND KOMPONENTENANALYSE Die Wortfeldtheorie war zwar ein erster Versuch, Wortbedeutungen nicht nur rein intuitiv zu erfassen, doch der Anstoß zur exakten Analyse von Bedeutungsstrukturen kam erst aus der Phonologie. Wie dort findet sich auch in der Semantik sog. Minimalpaare (hier von Wörtern), die in unmittelbarer Opposition stehen und durch einfache distinktive Merkmale - Seme unterschieden werden können. Während für die Phonologie als distinktive Merkmale Artikulatiosart und –ort dienen, müssen für die Semantik neue Kriterien (wie Alter, Geschlecht usw.) gefunden werden und zwar so allgemein und ökonomisch wie möglich: Der nächste Schritt bestand darin, nicht nur ein Wortfeld, sondern auch die Bedeutung eines Lexems selbst, ein Semem als Struktur zu verstehen, und zwar aufgebaut aus den einzelnen Semen. Diese werden auch als Komponenten bezeichnet, und mit ihrer Hilfe können Komponentenanalysen durchgeführt werden. So kann man wieder analog beschreiben: Frau bedeutet: erwachsener weiblicher Mensch Irrtum bedeutet: unbewusster unvernünftiger Normverstoß AUFGABE Differenzieren Sie das Wortfeld „Sportarten“ mit möglichst wenig (3) semantischen Merkmalen: Fußball, Tennis, Fechten, Wasserball, Rudern (8er), Turmspringen WORTFELDTHEORIE • Über die Synonymie hinaus lassen sich bestimmte Wörter semantisch zu sog. „Wortfeldern“ gruppieren. • Definition: Ein Wortfeld ist die gegliederte Menge sinnverwandter, d.h. inhaltlich zusammengehöriger Wörter („Begriffsverwandter“). • Z.B. die „Verben des Gehens“: gehen, laufen, wandern, rennen ... oder die „Verben der Fortbewegung“: gehen, fliegen, reiten, schwimmen ... Diese Wörter sind in einem bestimmten Kontext austauschbar, d.h. es ergeben sich beim Austauschen sinnvolle Sätze, wenn auch mit unterschiedlichen Sinn: z.B. Wir gehen/laufen/wandern/rennen durch den Park.. (aber nicht: *Wir schwimmen durch den Park.) • Die Wortfeldforschung begann mit TRIER 1931 (diachronisch) und wurde besonders von WEISGERBER in Deutschland betrieben. Dabei wurde schon erkannt, dass die Bedeutungen der Wörter einander bedingen und sich im Laufe der Zeit gegeneinander verschieben. • Bekannte Wortfelduntersuchungen betreffen z.B. den „Sinnbezirk des Verstandes“ (klug, schlau, weise, listig ...), die Verben des Sterbens, der Fortbewegung, die Farben, Gewässer, Sitzgelegenheiten, räumliche Adjektive usw. • Die Relativität der Bedeutungen zeigt sich besonders deutlich am Beispiel eines „unechten“ Feldes (einer künstlichen Terminologie), wie es verschiedene Schulnotenskalen darstellen: AUFGABE Welcher Begriff passt nicht in seine Reihe? a) Schuhe – Pullover – Brille – Pyjama b) Stuhl – Regal – Spiegel – Aquarium c) Moment – Minute – Stunde - Sekunde Benennen und ergänzen Sie folgende Wortfelder: a) Mantel – Kleid – Hut – Hemd ..... b) Volksrepublik – Monarchie – Diktatur .... Als Vertreter der deutschen Sprechaktforschung ist D. WUNDERLICH zu nennen. Die Schrift Die Schrift ist ein Mittel zur Aufzeichnung von mündlicher Sprache, das auf konventionalisiertem System von graphischen Zeichen basiert. Die Schrift entwickelte sich aus den frühesten gegenständlichen Zeichen, die für die bezeichnete Sache stehen (Piktogramme), über Schriftzeichen für Worte bzw. bedeutungstragende Einheiten (Logogramme), bis zu den auf phonetischer Grundlage aufgebauten alphabetischen Systemen. Die ersten Schriftsysteme waren ideographisch, Ideogramme und Piktogramme bezeichnen ganze Wörter oder komplexe Gesamtbedeutungen (heute z.B. Verkehrsschilder, die internationalen Bildsymbole an Flughäfen und bei Olympischen Spielen). Die Entwicklungsgeschichte vieler Sprachen hat mit Piktogrammen begonnen, z.B. Chinesisch, Ägyptisch. Das älteste uns überlieferte Schriftsystem ist das Sumerische (ca. 3000 v.Ch.) in Südmesopotanien, die mit der Keilschrift geschrieben wurde. Seit dem 16.Jh.v.Ch. wird die Keilschrift auf das Hethitische angewandt – das Hethitische ist eine ausgestorbene ideur. Sprache aus Anatolien in Kleinasien (das 2.Jahrtausend v.Ch.). Hethitisch ist auf Keilschrifttafeln überliefert, die seit 1905 ausgegraben und relativ bald entziffert wurden. Bedřich HROZNÝ erkannte 1917, dass es sich um eine ideur. Sprache handelte. Die chinesische Schrift ist bis heute eine ideographische Schrift, darum sind alte chinesische Schriften bis heute verständlich. Die nächste Stufe ist die Silbenschrift – das Japanische, Indische. Eine wesentliche Vereinfachung war die phönizische Schrift (das 13.Jh.v.Ch.) – die erste Buchstabenschrift mit 22 Konsonanten. Dieses erste Alphabet wurde später von Griechen mit Vokalen ergänzt. Die wichtigsten modernen Alphabete, die z.T. als Basis von Alphabetschrift gedient haben oder noch dienen, sind das lateinische, griechische, hebräische, kyrillische, georgische (gruzínská) und die armenische Alphabetschrift. • Die lateinische Alphabetschrift wird außer für das Lateinische auch für eine große Zahl anderer Sprachen benutzt, und zwar zum Teil unter verschiedenartigen Abänderungen (vgl. Dänisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Polnisch, Tschechisch u.a.). • Die griechische Alphabetschrift dient heute nur noch der Verschriftung des Griechischen, außerdem werden griech. Buchstaben in mathematischen Texten verwendet. • Die hebräische Schrift ist im Wesentlichen eine Konsonantenschrift, mit der außer dem heutigen Hebräisch / Ivrit auch das Jiddische geschrieben wird. • Die kyrillische Schrift wird in slawischen Sprachen gebraucht: Russisch, Weißrussich, Ukrainisch, Serbisch, Makedonisch, Bulgarisch „die heiligen Hieroglyphen (aus dem griech. hiero-glyphika grámmata = Schriftzeichen“). Im engeren Sinne ist das die von Champollion 1825 entzifferte Schrift der Ägypter vom 4.Jh.v.Ch. bis zum 4.Jh.n.Ch. Die Hieroglyphen gebrauchen Ideogramme, Phonogramme und Piktogramme, oder daraus entwickelte abstrakte Zeichen. Im weiteren Sinne versteht man unter Hieroglyphen Schriften in Anatolien, Mexiko und bei den Mayas. Runen – aus dem ahd. runa „Geheimnis“ – es sind Schriftzeichen, welche die Germanen seit dem 2.Jh. verwendeten. Die Runenschrift ist eine Buchstabenschrift mit 24 Runen-Zeichen. Ursprünglich dienten Runen nicht der Kommunikation – man versah mit ihnen Waffen, Schmuckgegenstände, Grabsteine, sie wurden in Holz, Stein, Knochen und Metall geritzt. Bei den deutschen Stämmen kam die Verwendung von Runen im 7.Jh. außer Gebrauch, in Skandinavien hielt sich die Runen-Schrift erheblich länger (13.Jh.) SPRACHEN DER WELT Die Anzahl der menschlichen Sprachen ist groß, und der Grund für die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus (Wilhelm v. Humboldt) ist ebenso wenig geklärt wie der Ursprung der Sprachen selbst. Viele Sprachen konnten aufgrund ihrer schriftlichen Überlieferungen weit in ihre frühe Geschichte hinein zurückverfolgt werden, man konnte sie in ihrer Genealogie und genetischen Verwandtschaft untersuchen (= der genetische Aspekt) und hinsichtlich ihres phonologischen, morphologischen und syntaktischen Baus (= der morphologisch-typische Aspekt, sog. Sprachtypologie) vergleichen. Andere Sprachen sind im Hinblick auf ihre räumliche Verteilung analysiert worden ( = der areale / geographische Aspekt). Oft sind die Aspekte auch vermischt worden, um Klassifikationen oder Typologien zu erarbeiten. Für viele Sprachen (ohne Schriftlichkeit) musste mit Hilfe bestimmter Methoden eine grammatische und lexikalische Beschreibung rekonstruiert werden. Klassifikation der Sprachen ist Vorgang und Ergebnis der Zusammenfassung mehrerer Sprachen unter bestimmten Ordnungsprinzipien. a) Areale (geographische) Klassifikation beruht auf sprachlichen Ähnlichkeiten, die durch kulturelle Beziehungen zwischen Sprachgemeinschaften, meist auf Grund von geographischer Nähe (Prinzip der Kontiguität), entstanden sind, z.B. durch Entlehnung von Wörtern und grammatischen Konstruktionstypen, es entstehen sog. Sprachbünde, Beispiele sind die Balkansprachen oder die Beeinflussung des Vietnamesischen durch das Chinesische. Der Balkansprachbund setzt sich aus slawischen (Bulgarisch, Makedonisch) und romanischen Sprachen (Rumänisch, Moldauisch) sowie Albanisch und z.T. auch Neugriechisch zusammen. b) Genealogische / genetische Klassifikation beruht auf der Basis von sprachlichen Ähnlichkeiten, die auf die gleiche Abstammung von einer Proto(-Sprache) / Ursprache zurückgehen – z.B. Proto-Indo-Europäisch als Vorstufe der indoeuropäischen Sprachfamilie. Die genealogische Klassifikation stützt sich v.a. auf den gemeinsam bewahrten Wort- und Formenbestand. Die ersten genetischen Zusammenhänge zwischen einzelnen sprachen wurden zum Ende des 18.Jh. und v.a. im 19.Jh. mit Hilfe der historisch-vergleichenden Methode erkannt (Komparatistik, Indogermanistik). Die romanischen Sprachen lassen sich leicht auf das klassische Latein zurückführen und dieses wiederum verwies aufgrund von Schriftdenkmälern zusammen mit dem klassischen Griechisch, dem Sanskrit, dem Gotischen usw. auf eine indo-europäische Proto-Sprache. c) Typologische Klassifikation, die Sprachtypologie beruht auf strukturellen Ähnlichkeiten von Sprachen. Die erste Einteilung der Sprachen nach ihrer Morphologie bzw. Wortstruktur stammt von A.W.SCHLEGEL. HUMBOLDT gebrauchte für seine Unterscheidung die vier Haupttypen: den isolierenden, agglutinierenden, polysynthetischen (inkorporierenden) und flektierenden Sprachtyp. Seine Auffassung war eher charakteristisch als klassifizierend; es handelt sich bei ihm um Bildungsprinzipien, die in bestimmten Sprachen vorherrschen. Immerhin ermöglichen die vier Haupttypen eine gewisse Orientierung, sie sind in neuerer Zeit u.a. im Zusammenhang mit der Erforschung von sog. Universalien vielfach kritisiert worden. Die Grenzen dieser Sprachtypen sind als vage zu betrachten. Die Einteilung nach Černý: affigierend (mit Affixen) agglutinierend flektierend Sprachtyp ohne Affixe – isolierend (amorph) synthetische Sprachen analytische S. polysynthetische S. Agglutinierende Sprachen sind z.B. Türkisch, Japanisch, Finnisch. Jedem Morphem entspricht ein Bedeutungsmerkmal und die Morpheme werden unmittelbar aneinander gereiht: türkisch ev (Haus), -ler (Plural), -im (mein), -in (Genitiv) → evlerimin = meiner Häuser. Isolierende Sprachen, z.B. klassisches Chinesisch, Vietnamesisch, drücken die syntaktischen Beziehungen im Satz nicht durch morphologische Mittel, sondern außerhalb des Wortes durch grammatische Hilfswörter oder Wortstellung aus. Anmerkung: isolierte Sprachen sind Einzelsprachen, die auf Grund bisheriger Erkenntnisse keiner Sprachfamilie zugeordnet werden können, z.B. Baskisch (Iberische Halbinsel), Sumerisch (Mesopotamien). Flektierende Sprachen: die Morpheme tendieren formal zur Fusion, d.h. sie beeinflussen Nachbarmorpheme, und funktional zur Polysemasie, d.h. einem Morphem entspricht mehr als eine Bedeutung oder mehr als ein Merkmal. Synthetische Sprachen: Latein, Tschechisch; analytische Sprachen: Englisch, Französisch; Analytische Sprachen tendieren zu dem isolierenden Sprachbau: Verlust der Flexion, präpositionale Wortgruppen, grammatische Hilfswörter, Wortstellung. Polysynthetische Sprachen: Eskimo-Sprachen (ein Wort entspricht oft dem ganzen Satz). Die Zahl der Sprachen und Sprecher Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist mit 3500 – 7000 lebenden Sprachen zu rechnen (Černý), die sich etwa 20 Sprachfamilien zuordnen lassen. Nach Meyers großem Taschenlexikon (1990) wird die Zahl der Sprachen, die auf der Erde gegenwärtig oder früher gesprochen wurden, zwischen 2500 – 3500 geschätzt. Nach einem Dokument im Fernsehen (2003) gibt es auf der Welt 6300 Sprachen. Bei einer zu Beginn der 80er Jahre geschätzten Weltbevölkerung von rund vier Milliarden gehören etwa zwei Milliarden Sprecher der indoeuropäischen, über eine Milliarde Sprecher der sino-tibetischen und 260 Millionen Sprecher der afro-asiatischen Sprachfamilie an. Nach der Zahl der Muttersprachler liegt Deutsch mit ca. 100 Mio. an elfter Stelle aller Sprachen der Welt und an zweiter Stelle in Europa, nur hinter Russisch (nach Ulrich AMMON, 1997). Die Anzahl der Muttersprachler der numerisch stärksten Sprachen nach Comrie, 1987: Chinesisch 1 Milliarde, Englisch 300 Mio., Spanisch 280 Mio., Russisch 215 Mio., Hindi-Urdu und Indonesisch 100 Mio., Arabisch 160 Mio., Portugiesisch 150 Mio., Bengalisch 145 Mio., Japanisch 115 Mio., Deutsch 103 Mio., Französisch 68 Mio. Die Gesamtzahl der englisch Sprechenden auf der Welt (official language population) beträgt etwa 1,4 Milliarde. Periodisierung der deutschen Sprache Das Indogermanische (älterer Terminus), bzw. Indoeuropäische (moderner Terminus) umfasste die Gesamtheit der Sprachfamilie aller heutigen und historischen Sprachen des geographischen Raumes Europa und Vorderasien, die miteinander genetisch versandt sind, d.h. es wird als gemeinsame Grundsprache aller Sprachen von Island bis Indien, von Schweden bis Portugal angenommen. Das Indogermanische ist aber nur mit sprachwissenschaftlichen Mitteln und nur teilweise zu rekonstruieren (es gibt keine Textbelege), diese Sprache aber nicht real existierte, sondern nur in Form mehrerer indogermanischer Stammessprachen. Man nimmt an, dass die Heimat dieser Stammessprachen im Gebiet des Schwarzen Meers lag. Aus dem Indogermanischen haben sich sog. Tochtersprachen entwickelt und sich stammbaumartig verzweigt. Heute existierende nichtindgerm. Sprachen innerhalb dieses Sprachgebiets sind die Turksprachen (z.B. Türkisch), sowie Finnisch, Ungarisch, Estnisch und Baskisch. Diese Sprachen haben andere, nicht indogerm. Wurzeln. Als nächste sprachgeschichtliche Stufe nach dem Indogermanischen, von dem es sich lautlich unterscheidet, wird häufig das Urgermanische genannt (Ostseeraum, ca. 1000 v.Ch.), das als eine Vorstufe der germanischen Einzelsprachen betrachtet wird. Als ein gemeinsames Merkmal der germanischen Sprachen sieht man die Durchführung der ersten (germanischen) Lautverschiebung. Das Urgermanische spaltete sich in das Nord- und Südgermanische. Aus dem Nordgermanischen entwickelten sich die heutigen skandinavischen Sprachen, sowie die heute schon ausgestorbenen ostgermanischen Sprachen der Goten, Vandalen und Burgunder. Das Gotische hat einen besonderen Stellenwert, da es der älteste überlieferte germanische Dialekt ist, die ältesten in der gotischen Schrift überlieferten Texte stammen aus dem 4.Jh., die wichtigste Quelle ist der um 500 entstandene Codex Argenteus, eine ostgotische Evangelienübersetzung. Die germanische Völkerwanderung vom 3.Jh. bis 6.Jh. führte zu einer weiteren Differenzierung der Stammesdialekte, diese Stufe bezeichnet man als Althochdeutsch (500 – 1050). Das Althochdeutsche ist also keine einheitliche Sprache, sondern eine aus mehreren Stammesdialekten gebildete Sprache. GERMANISCHE SPRACHEN Nordgermanische Sprachen: Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch Westgermanische Sprachen: Englisch, Friesisch, Niederdeutsch, Niederländisch, Afrikaans (die Republik Südafrika), Hochdeutsch, Jiddisch (die Sprache europäischer Juden, heute in Israel, Argentinien, USA) • Ostgermanische Sprachen: (untergegangene Sprachen) Gotisch, Burgundisch, Vandalisch Jiddisch – Sprache der nicht assimilierten Juden, auch als Jüdisch-Deutsch oder Hebräisch-Deutsch bezeichnet. Heute ist charakteristisch die Verschmelzung mit semitischen, slawischen, romanischen Komponenten in Lautung, Wortschatz und Satzbau. • • HISTORIOLINGUISTIK 1. UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND DER HL • Die Historiolinguistik (auch: diachronische Sprachforschung) untersucht die Sprachgeschichte, d.h. die historische Entwicklung der Sprache, ihre Verwandtschaftsverhältnisse, die Gesetze und Ursachen des Sprachwandels vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen sowie die Entwicklungstendenzen der Gegenwartssprache. 2. VORGESCHICHTE • Die Sprachgeschichte war im 19. Jh. der absolute Forschungsschwerpunkt der Sprachwissenschaft überhaupt, es wurde die Verwandtschaft der indoeuropäischen Sprachen entdeckt und linguistisch nachgewiesen. Auf dieser Grundlage etablierte sich die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft (auch: Komparatistik), v.a. als „Indogermanistik“. Ihre Vertreter – F.BOPP, J.GRIMM oder A.SCHLEICHER – versuchten, die Wörter, Morpheme und Laute einer Sprache anhand alter Texte möglichst weit zurückzuverfolgen, sie verglichen die ältesten Formen mit denen anderer Sprachen und versuchten, daraus eine „Ursprache“ zu rekonstruieren, das „Indogermanische“. Man spricht oft von sogenannter komparativen Rekonstruktion. Es konnten dann sowohl Lautgesetze (Lautgesetze gehören zum Schwerpunkt der Forschung der Komparatistik) als auch die Beziehungen innerhalb der indoeuropäischen Sprachen nachgewiesen werden. Zu diesen gehören etwa 10 Sprachgruppen (6 weitere wie Hethitisch oder Tocharisch sind ausgestorben) mit über 1,6 Milliarden Sprechern: Tab.178 oben In Europa gehören Baskisch, Ungarisch, Finnisch und Estnisch nicht dazu. • • Über die Vorgeschichte der „Indogermanen“ gibt es nur wenig gesichertes Wissen. Ob ihre Heimat in Mittelasien, Südrussland oder Mitteleuropa lag, ist ungewiss. Archäologie und Linguistik haben einige Kenntnisse über Lebensformen, Gesellschaft und Religion erlangt, z.B. welche Pflanzen und Tiere, welche Metalle und Werkzeuge bekannt waren usw. Doch wird auch diese steinzeitliche Gesellschaft schon verschiedene Dialekte gesprochen haben, bevor dann vor etwa 5000 bis 4000 Jahren ihre Auflösung durch Wanderungen begann. Vor ca. 3500 bis 2500 Jahren lebten in Nordwesteuropa die Germanen, deren Sprache sich von allen anderen indoeurpäischen durch die Erste (auch: Germanische) Lautverschiebung unterscheidet (zwischen 5.Jh. v.Chr. und 3.Jh. n.Chr.): (=Grimmsches Gesetz – 1822 zum erstenmal von J. Grimm systematisch vorgestellt) • Die Epoche einer gemeinsamen germanischen Sprache, die man nur rekonstruieren kann und als Urgermanisch bezeichnet, dauerte etwa ein Jahrtausend. Dann breiteten sich die Germanen nach Osten und Süden aus und bildeten drei Großgruppen der Nord-, Ost- und Westgermanen. Zu den letzteren gehörten diejenigen Stammesverbände, aus deren Dialekten Englisch, Friesisch, Deutsch und Niederländisch hervorgegangen sind. 3. ZUR DEUTSCHEN SPRACHGESCHICHTE • Es geht um die Herausbildung einer deutschen Einheitssprache. • Ein genauer Zeitpunkt für den Beginn der deutschen Sprache ist natürlich nicht anzugeben. Man kann schon die Stammesdialekte aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten als „Vor- oder Frühdeutsch“ zusammenfassen. Durch die Gründung des Frankenreiches (481) war auch eine politische Grundlage für die Entstehung der Nationalsprachen gegeben, so dass zur Zeit der Reichteilung (843) schon Dokumente auf Altfranzösisch und Althochdeutsch abgefasst wurden. • Die Germanistik unterscheidet in der deutschen Sprachgeschichte traditionell zwischen Hoch- und Niederdeutsch. Grundalge dafür ist die „Zweite- oder Hochdeutsche Lautverschiebung“ (6./7. Jh. n.Chr.), die ähnliche Tendenzen zeigte, wie die erste und von etwa 600 an die oberdeutschen, von 800 bis 1500 an die mitteldeutschen Dialekte erfasste und sie von den niederdeutschen lautlich klar trennte. Hochdeutsch ist aber auch die Bezeichnung für überregionale Einheitlichkeit und Verwendung und später nicht mehr auf Süddeutschland beschränkt. • Da erst seit dem 8.Jahrhundert vollständige literarische Zeugnisse in altdeutscher Sprache erhalten sind, wird die Sprache davor als „vorliterarisches Deutsch“ bezeichnet. • Für die deutsche Sprachgeschichte kann man insgesamt einige allgemeine Tendenzen zugrundelegen: die Tendenz vom synthetischen zum analytischen Sprachbau (wenn auch bei weitem nicht so stark wie im Englischen); Formenvereinfachung durch Lautveränderungen; Ausbau des Wortschatzes durch Wortbildung und Entlehnungen; Tendenz zu einer Einheitssprache (überregionalen Hochsprache). • Im folgenden werden die einzelnen Epochen gekennzeichnet: 1. ALTHOCHDEUTSCH (FRÜHMITTELALTER): ca. 500 - 1050 • Schon im Frankenreich – besonders unter Karl dem Großen- wurde für die Zwecke der Verwaltung, Religion (Übersetzungen aus dem Latein) und Literatur eine relativ einheitliche Schriftsprache notwendig und möglich. Sie stand unter starkem lateinischen Einfluss und beruhte auf rheinfränkischer Grundlage. – Im 10./11. Jahrhundert wurde das Althochdeutsche jedoch in seiner schriftlichen Verwendung wieder fast ganz vom Latein verdrängt. • Die wichtigsten sprachlichen Merkmale des Althochdeutschen sind v.a.: 1) die 2. (hochdeutsche) Lautverschiebung (hier Vergleich mit Engl.): z.B. p wurde zu: - pf apple -→ Apfel oder zu: -ff ship -→ Schiff usw. 2) Entstehung des Artikels; 3) Entlehnungen (bes. aus dem Lateinischen); 4) sog. Monophthongierung (ai-→e und au-→o); 5) sog. Diphthongierung (e-→ie und o-→ou). 2. MITTELHOCHDEUTSCH (HOCHMITTELALTER): ca. 1050 - 1350/1500 • Im Hochmittelalter entstand mit dem Aufblühen des Feudalismus eine neue weltlichritterliche Kultur und bestand relative politische Einheit. Neben mehreren regionalen Schriftsprachen wurde besonders eine „künstliche“ Dichtersprache geschaffen, das Mittelhochdeutsch. Es beruhte auf oberdeutschen Grundlagen, kann aber auch als die deutsche Literatursprache jener Zeit gelten. • Sprachliche Merkmale: 1) Vokalschwächung in unbetonten Silben zu e (taga –→ tage); 2) Übergang von sk –→ sch (sconi –→ schoene); 3) Übergang von s –→ sch vor l, m, n, w, p, t : slange –→ schlange; 4) Entlehnungen aus dem Französischen, Slavischen und Arabischen usw. 3. FRÜNEUHOCHDEUTSCH: ca. 1350/1500 - 1650 • In dieser Zeit wurde die Notwendigkeit überregionalen Gebrauchssprachen immer deutlicher, und zwar sowohl für den Schriftverkehr der kaiserlichen und fürstlichen Kanzleien als auch für den Handel des aufsteigenden Bürgertums. So kam es zu Versuchen, in Süddeutschland das „Gemeine Deutsch“ und in Norddeutschland das Mittelniederdeutsch als Einheitssprache zu etablieren, was aber nur teilweise und vorübergehend gelang. – Diese Epoche muss als Übergang gesehen werden. • Sprachliche Merkmale: 1) Diphthongierung von u → au: hus → Haus; 2) Monophthongierung üe → ü: brüeder → Brüder; 1) Vokaldehnung in offener Silbe: sagen → sagen usw. 2) Vokalkürzung in geschlossener Silbe: brahte → brachte 4. NEUHOCHDEUTSCH (NEUZEIT): 1650 – bis heute • Den „Sieg“ als Einheitssprache trug schließlich die ostmitteldeutsche Verkehrssprache in Obersachsen und Thüringen davon. Wichtige Gründe dafür waren die Reformation Luthers und seine Bibelübersetzung (1534), die durch den Buchdruck stark verbreitet werden konnte, aber auch die sprachliche Teilhabe an Norden und Süden sowie die seit der Ostkolonisierung zentrale geographische Lage. • Natürlich muss man bei all solchen Epochisierungen von langen allmählichen Übergangsphasen ausgehen. Das Frühneuhochdeutsche reicht noch zum Teil bis ins 17. Jh. Und von einer echten neuhochdeutschen Gemeinsprache kann man eigentlich erst am Ende des 18.Jh. sprechen, als die Grammatiker, Schriftsteller und Lehrer (nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht) die Grundlagen dafür bereitet hatten. Zu einer offiziellen Einheitsrechtschreibung und –aussprache kam es sogar erst am Ende des 19.Jh. (DUDEN, SIEBS). • Die stärksten Impulse für die Verbreitung der Hochsprache kamen außer von der Schule vor allem von den Medien (Presse seit dem 17.Jh., Film und Fernsehen im 20.Jh.), von der Entwicklung der Großstädte, den jüngsten „Völkerwanderungen“ von Ost nach West und der allgemeinen Mobilität selbst. Gesprochene und geschriebene Sprache • Das Sprechen und Schreiben sind zwei Realisierungsformen einer Sprache und, anders als Varietäten, notwendig mit dem Begriff Sprache verbunden. Beide unterliegen jeweils ihren eigenen, speziellen Produktionsbedingungen. Daher werden beide Formen von der Sprachwissenschaft getrennt untersucht. Obwohl gesprochene und geschriebene Sprache beide auf demselben grammatischen Sprachsystem aufbauen, lassen sich in ihren Erscheinungsformen einige wesentliche Unterschiede nachweisen. • In der Geschichte des Menschen und der Sprache gab es zunächst nur die gesprochene Sprache, die Schrift wurde erst später entwickelt. Das älteste uns überlieferte Schriftsystem ist das Sumerische (ca. 3000 v.Chr.). Die Menschheit hat sich viel Mühe gegeben, Sprachsysteme zu entwickeln und noch heute lernt jeder Mensch zwar fast von alleine Sprechen, aber das Lesen und Schreiben muss oft mühsam unterrichtet und gelernt werden. Es gibt eine zum Teil recht hohe Quote an Analphabetismus in einzelnen Gesellschaften, aber gesprochen wird überall und von jedem. Der umgedrehte Fall ist nicht möglich, also dass Menschen zwar schreiben aber nicht sprechen können (ausgenommen etwa bei Stumm- oder Taubheit). Das bedeutet auch, dass die Schrift nicht unbedingt zum Überleben einer Sprache nötig ist, solange sie nur weiter gesprochen wird. Es gibt zahlreiche Sprachen, die nur gesprochen werden, von denen aber keine schriftlichen Texte existieren. Ein Beispiel ist das Komi-Permjakische, (eine finnougrische Sprache im Westsibirien), das erst 1921 verschriftet wurde, aber schon lange gesprochen existierte. Altgriechisch, Sanskrit (Altindisch) oder Gotisch hingegen gelten heute als „tote Sprachen“, da es keine Sprecher mehr gibt. Diese Sprachen entwickeln sich nicht mehr weiter, sie verändern sich nicht. Das Manx, die keltischgällische Sprache auf der britischen Insel Man, gilt erst seit kurzem als ausgestorben (1967 gab es noch zwei Sprecher). Eine Ausnahme bildet die „tote Sprache“ Latein. Sie wird erstens noch vereinzelt gesprochen (in Lateinlehrerzirkeln, Vatikan und Kirche) und zweitens auch weiterentwickelt (etwa vom Vatikan durch das Wörterbuch-Update in der Zeitschrift „Vox Romana“). • Geschriebene und gesprochene Sprache sind nicht gleichzusetzen, sondern haben beide ganz spezifische Eigenschaften, die historisch, funktional und durch die unterschiedliche Produktions- sowie Rezeptionsweise bedingt sind: Sprache ist nicht an ein Medium gebunden (man kann ja Texte vorlesen und Gesprochenes aufschreiben), aber die jeweils gesprochene oder geschriebene Sprache hat typische Merkmale (z.B. bei der Differenzierung Schriftdeutsch vs. Umgangssprache). Gesprochenes ist flüchtig und wird selten wortwörtlich im Gedächtnis behalten, es geschieht meist einmalig und wird nur selten wiederholt. Es stellt eine kontinuierliche Lautkette dar, die auch durch Nebengeräusche beeinflusst werden kann. Das einmalige Hören verlangt eine kürzere Gedächtnisspanne. Geschriebenes besteht aus einzelnen, voneinander getrennten graphischen Zeichen. Schriftliches kann der Leser einer Nachricht langsam oder schnell, einmal oder mehrfach selbst lesen. Die „Rezeptionsgeschwindigkeit“ ist abhängig von dem Rezipienten. Typisch für gesprochene Sprache sind die Varianz der Lautung, das Auslassen von Lauten, verschliffene oder besonders deutliche Artikulation, Pausen und Betonung als Gliederungssignale des Sprechens (Prosodie). Dazu gehören als typische Merkmale auch Gestik und Mimik. Gesprochene Sprache vollzieht sich in der Regel ohne zeitliche und räumliche Trennung der Gesprächspartner (Produzent und Rezipient). Einem Sprecher ist zudem sein Adressat meistens bekannt, einem Schreiber oft nicht. Gesprochene Sprache geschieht normalerweise dialogisch, mit Intervention anderer Sprecher, das Schreiben ist eher monologisch. Als syntaktische Merkmale lassen sich u.a. eine hohe Zahl von Ellipsen, Wiederholungen, Abbrüchen und Korrekturen feststellen. Als lexikalische Besonderheiten gelten das zahlreiche Vorkommen von Anredeformen, Interjektionen, Modalpartikeln usw.