Jim Kilpatrick Dean Hall Scottish Pipe Band Drumming

Transcrição

Jim Kilpatrick Dean Hall Scottish Pipe Band Drumming
Scottish Pipe Band Drumming
Highland Gathering Peine
ie Schotten haben nicht nur sehr eigenwillige
Sportarten wie "Tossing the Caber"
(Baumstamm-werfen) oder "Putting The
Stone" (Steinweitwurf) sondern auch einen ganz
eigenen Trommelstil, das Scottish Pipe Band
Drumming. Das Highland Gathering, das Anfang Mai
im niedersächsischen Peine stattfand, ist daher nicht
nur
Schauplatz
besagter
schottischer Traditionen, sondern
zugleich auch Austragungsort der
dritten "Open German Championships for Pipe Bands". Ein Volksfest
in besonderer Atmosphäre: unter
den altehrwürdigen Bäumen des
Stadtparks bieten Händler in ihren
Zelten Tartans, Kilts, schottischen
Malt Whiskey, Fudge und andere
Spezialitäten an. Dazu kommt das
unüberhörbare, ständige Gebläse
und Geklacker der Pipe Bands mit
ihren fast 500 Teilnehmern.
Mit dabei der Australier Dean Hall,
der seit drei Jahren in Deutschland lebt und an diesem
Samstag nun mit den Clan Pipers aus Frankfurt hier
gegen die Konkurrenz antritt. Sie spielen zwei Stücke
– den traditionellen "March Strathspey Reel" und ein
Medley aus 12/8 March, 4/4 Strathspey Dance, Slow
D
Air, 6/8 Jig, 7/8 Dance und einem 2/2 Reel. Dean ist
als Drum Instructor für Pipe Bands in ganz
Deutschland unterwegs und arbeitet als Berater für
"kilts & more" in Mühlhausen, einem Laden für
schottische Bekleidung und Instrumente. Er ist der
einzige Drummer in Deutschland, der im Grade 1
spielt, der höchsten Klasse. Sozusagen der schwarze
Gurt der Pipe Band Drummer. Ebenfalls
anwesend ist Jim Kilpatrick, der 16-fache
World Champion im Pipe Band Snaredrumming. Jim ist eher privat hier, um ein
wenig Kontakte zu pflegen und natürlich seine
eigenen Marchingprodukte zu promoten. Am
Tag darauf werden sie im Rahmen der SoloWettbewerbe allerdings noch ein paar
Demonstrationen
ihrer
Snarekünste
präsentieren. "Jim Kilpatrick ist einer der meist
verehrtesten und bewundertsten Drummer
unserer Szene. Er hat Grenzen gesprengt, auf
eine Weise, die inspirierend und "fun" zugleich
ist.", sagt Dean und nennt ihn in einer Reihe
mit Alex Duthart, dem großen Mastermind
des Scottish Drumming. Als Jim am Rande spontan
eine kleine Performance einlegt, bildet sich schnell
eine größere Menschentraube, die meisten davon
Drummer. Bewundernde Blicke sind ihm sicher, dem
"Star" des Rudimental Drumming. Der Schotte ist eine
Institution, eine Art lebende Legende. Er fing mit
zehn Jahren bei den Pipebands an. Mit 15 begann er
Schlagzeug zu spielen und verdiente kurz darauf das
erste Geld damit. Seinen ersten Weltmeistertitel
gewann er mit 18. Das war 1977. Mittlerweile
trommelt der 47-jährige nicht mehr nur, sondern
arbeitet als Berater für mehrere Firmen wie Premier
Percussion oder Remo und reist für Festivals und
Workshops rund um den Globus.
Ich bin mit Dean zum Interview verabredet, Jim wird
spontan dazustoßen. Wir legen den Interviewtermin
auf 19 Uhr, da von mittags zwölf bis abends um sechs
die Wettbewerbe laufen. Die Wartezeit zwischendurch
wird von den Bands ausgiebig genutzt: Stücke werden
noch geübt und auch das Marschieren in der
Formation will feinabgestimmt sein. Dann das
Einspielen und Stimmen der empfindlichen Bagpipes.
Der Pipe Major läuft mit seinem kleinen Korg
Stimmgerät von Dudelsack zu Dudelsack, hält es
während des Spiels an die größte Pfeife und korrigiert,
wenn nötig, mit geübten Griffen die Länge der Pfeife.
Dean ist der "Leading-Drummer" und geht mit seinen
Kollegen der Snare-Line immer wieder schwierige
Figuren durch. Überall stehen Trommler, einzeln oder
auch in kleinen Gruppen, die sich auf den
kevlarbespannten Sidedrums, wie die Snaredrums auch
genannt werden, warmspielen. Der Sound dieser
Trommel ist einzigartig und unverkennbar. Die
speziellen
Pipeband-Felle
werden auf mehrere hundert
Kilo Spannung gebracht. Das
Fell wird dabei über Tage
verteilt langsam immer höher
gespannt, bis es hart wie ein
Brett ist. Direkt unter dem
Schlagfell sitzt ein zweiter
Snare-Teppich. Ein kräftiger
Akzent mit den dicken
Marching-Sticks auf diesen
High-Tension Drums klingt
dann wie ein Pistolenschuss.
Klar und extrem durchsetzungsstark.
Die
Tenor
Drums dagegen sind nicht so
stark gespannt und vergleichbar mit den Toms an
einem Drumset. Sie werden mit weichen, kurzen
Schlägeln geschlagen, die wie kleinere Ausgaben der
fülligen Bassdrum Mallets daherkommen. Dazu
gehört das sogenannte "Flourishing", das effektvolle
"Stick"-Twirling der Tenor Drummer. Eindrucksvoll
auch das klangliche Erlebnis, als nach der
Siegerehrung alle Gruppen in der "Massed Band"
zusammen spielen. Gänsehauteffekt.
"Ich würde auch Angst bekommen, wenn ich jemand
wäre, der diese Musik zum ersten Mal hört und nicht
kennt.",
berichtet
Chef-Organisator
Helmut
Horneffer. "Aber das ist nicht Ziel der Sache gewesen.
Das haben die Engländer erfunden. Die wollten ihren
Gegnern damit Angst einflössen! Die schottische
Musik dagegen ist unglaublich friedlich. Ursprünglich
hat der Piper für seinen Chieftain, das sind die
Highland-Häuptlinge, die Chefs der Clans, zur
Unterhaltung gespielt. Das heutige Pipe Drumming
ist eine schottische Tradition, die natürlich aus der
reinen Militärmusik entstanden ist, wo es darum ging,
Befehle für die Fußtruppen laut und deutlich zu
geben. Königin Victoria hat im 19. Jahrhundert die
Bagpipes der schottischen Clans in das Militär
eingeführt, um die Moral der schottischen Truppen zu
stärken und ihnen auch in den fernen Kolonien des
British Empire ein heimatliches Gefühl zu geben. So
haben die schottischen Regimente im Prinzip die
schottische Musik erhalten! Denn viel früher, 1746,
nach der Schlacht von Culledon, wurde ja alles
Schottische verboten: die Musik, Kleidung, die
Sprache."
Da meine Interviewpartner auf sich warten lassen, darf
Helmut noch ein wenig mehr erzählen. Ich frage
danach, wie bewertet wird und worauf es den
schottischen Judges ankommt. "Der Spaß steht im
Mittelpunkt. Es ist ein Treffen Gleichgesinnter, um
sich auszutauschen und zusammen zu feiern.", erklärt
er ab und will sich nicht auf den Wettbewerbsgedanken beschränken lassen. Ich hake noch mal nach.
"Bei der Vorführung ist der Start und das Ende
wichtig. Das muss sauber und ordentlich ausgeführt
werden. Dann gibt es natürlich Regeln für die
technische Ausführung, sowohl für Drums als auch für
die Pipes. Es wird darauf geachtet, dass die Figuren im
richtigen Handsatz ausgeführt werden. Das Äussere ist
dabei auch wichtig, es handelt sich schließlich von der
Tradition her um Musik
mit
militärischem
Hintergrund. Es macht
einen
schlechten
Eindruck, wenn man als
ungekämmter,
ungepflegter Typ in einem
schmuddeligen
Kilt
auftaucht. Selbst wenn er
fantastische
Musik
macht, wird er so nie
einen
ersten
Platz
machen. Wer sich auf
diese Musik einlässt,
sollte sich darüber im
klaren sein, dass sie
militärisch ist! Wir sind sehr um Authentizität
bemüht und spielen die Stücke genau so, wie es die
schottischen Regimenter auch tun."
Donald McPhee, Inhaber von kilts & more, erzählt mir
dann, er habe Jim gerade ins Hotel gefahren. Wo
Dean sei, wisse er auch nicht. Er ist freundlich bemüht
– ich trinke erst mal ein Guinness. Später nimmt er
mich mit ins Hotel, wo wir auf Jim treffen. Nun bereit
zum Interview, ergibt sich auf der Hotelterrasse doch
noch ein höchst interessantes Gespräch.
"Wo siehst du die Verbindung zwischen dem
Rudimental Drumming und dem "normalen"
Drumset?
Pipe Band Drumming ist nicht so sehr ein "Rudimental
Thing" wie manche sagen würden, es ist einfach eine
Stilistik des Trommelns, so wie das Basler Trommeln
oder Jazz, Rock, was auch immer. Ich erinnere mich an
eine zufällige Session auf der Musikmesse. Da war
dieser türkische Percussionist mit seiner Darbuka. Wir
trommelten zusammen eine Art "Question & Answer"Ding. Er spielte exakt meine Figuren, obwohl er
niemals etwas mit unseren Rudiments zu tun hatte!
Letztlich ist jede Art von Drumming "rudimental".
Die besten Schlagzeuger der Welt sind Rudimental
Drummer gewesen. Billy Cobham, Steve Gadd, und
ich denke auch Buddy Rich, haben in DCI-Bands
(Drum Corps International, amerikanische Marching
Bands, Anm. d. Autors) angefangen und lernten dort
die Grundlagen des Rudimental-Spiels. Von diesem
Rudimentalzweig sind sie dann „abgebogen“ indem sie
weitere Instrumente dazugenommen haben. Wir als
Snaredrummer bleiben eben grundsätzlich erst mal bei
einer Trommel und breiten uns nicht auf andere
Trommeln aus. Obwohl wir in der Pipe Band natürlich
auch Bassdrums und Tenordrums haben. Die sind
dann aber verteilt auf einzelne Spieler. Was wir tun ist
natürlich rudimental, es geht jedoch darüber hinaus. Es
ist sehr technisch. Die Grundlage sind einzelne
Rudiments, die wir aber auf eine andere Weise nutzen.
Das ist für einen Drumsetplayer sicher genauso
schwierig, wie es für mich anders herum wäre. Ich
selbst habe enge Verbindungen zu vielen der TopDrummer weltweit, und mit ihnen zusammengespielt.
Chad Wackerman, Steve Smith, Simon Philips, Ricky
Lawson, Dennis Chambers und viele andere. Sie haben
großen Respekt vor den Pipe Band Snare Drummern.
Sie sagen zu uns: Es ist unbegreiflich, was ihr da tut!
Andersherum schaue ich mir diese Jungs an und sage
ihnen dann das gleiche! Sie sind wirklich außergewöhnlich. Immer, wenn du eine bestimmte
Spezialität hast, ist das, was für dich normal ist,
überhaupt nicht normal für jemand anderen. Ich bin
damit aufgewachsen. Deshalb ist die Art wie ich spiele
für mich einfach eine natürliche Sache. Es gibt also
einen beiderseitigen Respekt, auch gegenüber anderen
Rudimental-Stilen. Die Welt rückt auch hier durch
solche Dinge näher zusammen.
Was ist der Unterschied zwischen DCI Bands und
Scottish Pipe Band Drumming?
Vor allem die Größe! Zu einer Pipe Band gehören
durchschnittlich vielleicht 15 Pipers und sechs
Snaredrummer, drei Tenordrummer und ein
Bassdrummer. DCI-Bands haben dagegen alleine um
die 60 Blasinstrumente, Glockenspiel etc. Es sind
absolute Showbands. Sie haben die Color Guard,
hübsche Mädchen in Uniformen mit Choreografie,
Fahnen und Wimpel …. In der Besetzung sind es bis
zu acht Bassdrums, fünf oder sechs Tom-Sets, den
Quarts, Quints und Trios sowie allein 12
Snaredrummer. Das Ganze ist einfach etwas erweitert.
Und sie spielen dann in einem Stadion vor 50.000
Leuten! Das ist schon was anderes …
Es sind wirklich sehr gute Leute dort. Die sind alle
gut. Sie haben sehr talentierte Leute und einige der
besten Rudimental Drummer der Welt. Ich war
zusammen mit Jeff Queen vor drei oder vier Jahren bei
der PASIC (Percussive Arts Society International
Convention, Anm. d. Autors) beim „Snaredrum Heritage
Concert“ dabei. Eine Art "historische" DrumPerformance … Das war eine großartige Sache!
Natürlich ist es auch eine ganz andere Musik. Wir
haben ein melodisches Instrument mit nur neun
Tönen und daher nicht das ganze musikalische
System in den Händen. Um so erstaunlicher ist es, was
aus diesen neun Tönen rausgeholt wird. Das ist wohl
der offensichtlichste Unterschied. DCI Bands haben ja
sogar Pauken, Tubular Bells und Marimba dabei. Das
Jim Kilpatrick
ist eine ganz andere Welt.
Im Spielerischen besteht ein Unterschied darin, dass
sie Rolls meist als Open Rolls spielen. Wir spielen
hingegen traditionell meist den Closed Roll, also einen
Presswirbel. Spieltechnisch nehmen wir wiederum
Elemente aus diesem Stil wie das Backsticking und
einiges dieser Showsachen und fügen sie in unser Spiel
ein. Ein anderer Unterschied sind die DragBewegungen. Es gibt drei Arten, den Drag zu spielen.
Da ist der Buzz Drag, der sehr dicht ist. Dann der
Open Drag , bei dem die Schläge einzeln hörbar sind.
Eine Interpretation, wie sie ein klassischer
Perkussionist spielen würde: da-ga-dap! Wenn wir nun
einen Drag spielen ist das oft ein Closed Drag. Es ist
wie ein Flam, bei dem der erste Schlag des Flams ein
"toter" Schlag ist, ... it's a dead stick in the drum. Der
Stock wird ohne Bounce auf dem Fell liegen gelassen.
Das sind Beispiele dafür, wie wir eigentlich die
gleichen Rudiments auf eine andere Weise benutzen.
… und wir tragen Röcke! (allgemeines Gelächter)
Im Prinzip geht es um die Interpretation! Wir spielen
alle die gleichen Rudiments. Ich schreibe seit 20
Jahren an einem Snaredrum-Rudimental Buch. Ich
denke immer: Jetzt bin ich damit fertig …, komme
aber nie wirklich ans Ende! Ich werde sterben mit
diesem Buch in meiner Schublade!
Dabei sind es beim Trommeln letztlich nur zwei
Dinge, die wir tun: "either you tap or you buzz!" Das ist
es! Unabhängig davon wie viele Schläge, welche
Kombination, Akzente usw. Das ist die Grundformel.
Wenn man dieses Instrument jedoch richtig spielen
will, ist es eines der schwierigsten überhaupt … Was
mich dabei mehr als alles andere interessiert, ist, alle
diese verschiedenen Kulturen kennenzulernen. Zu
hören und zu sehen, auf welche Arten die einzelnen
Leute das, was sie spielen, auf ihre Musik anwenden."
Wie sehr dabei die offene, innovative Art der
schottischen Trommelkultur gelebt wird, macht Jim
noch an einem Beispiel der legendären und wohl
erfolgreichsten Pipe Bands aller Zeiten deutlich. Es ist
die Band mit dem klangvollen Namen The House of
Edgar Shotts & Dykehead Caledonia Pipeband. Er fing
bei dieser Band an und übernahm später auch die
Funktion des sogenannten Drum Majors. Auch Alex
Duthart oder John B. Kerr, ein weiterer bekannter
Drum Major, tauchen in der Historie dieser Band auf,
die etliche Weltmeistertitel gewinnen konnte. "Ein
aktuelles Stück, das wir für Wettbewerbe spielen, ist
von Coldplay! Ich spiele dazu den Groove von Steve
Gadd bei Paul Simon's "50 Ways To Leave Your
Lover". D.h. ich spiele den Snare-Part und Bassdrum
und Tenordrums übernehmen die Schläge von BD und
Floor-Tom."
Auch seinen Schülern, die den Namen Paul Simon oft
zum ersten Mal hören, versucht er so, den Horizont
für andere Musikstile zu öffnen, seine Erfahrungen und
Einflüsse weiterzugeben.
"Es wird heutzutage viel über Technik gesprochen
und jeder hat irgendwo etwas aufgeschnappt. Wie
denkst du darüber, z.B. bezüglich der vielzitierten
Moeller-Technik?
Ich bin nicht vertraut mit der Moeller Technik …
nein, nein, das stimmt nicht. Ich bin es doch, weil …
(überlegt kurz) Mmmh, es kommen so viele Drummer
zu meinen Workshops und sagen mir: wir spielen das
Moeller-System. Ich frage: was ist das Moeller-System?
Du hebst den Stock an, … natürlich, … der Rebound
usw. Ich sage dann nur: well, that's how you play a drum!
Es ist kein neues Konzept. Moeller hat es einfach nur
benannt.
Was ich für mich entwickelt habe – und ich bin immer
noch dabei, ist mehr eine Art Fingertechnik. Genauso
wie die natürliche Whip-Motion von Moeller baue ich
diese Fingerkontrolle in mein Spiel ein, um ein
entspanntes Spiel zu ermöglichen. Ich benutze dazu
meinen Mittel- und Ringfinger, um den Stock zu
manipulieren. Je schneller ich dabei spiele, desto
kleiner wird die Bewegung. Geschwindigkeit ist nicht
mit totaler Energie verbunden, sondern mit
eingesparter Energie. Du bist dabei entspannt und
hast mit der geringsten Bewegung die größtmögliche
Reaktion. Ich vergleiche es mal mit den Hula-Hoop
Reifen, wie die Kinder sie benutzen. Der Reifen dreht
sich zu Beginn langsam und du musst große
Bewegungen mit deiner Hüfte machen, um ihn in
Schwung zu halten. Wenn er sich dann schneller dreht
machst du selbst nur noch relativ kleine Bewegungen.
Das Gleiche gilt im Prinzip für den Drumstick."
Zu vorgerückter Stunde geht es nun ins Restaurant
zum wohlverdienten Abendessen. Hier treffe ich auch
Dean wieder – den smarten "Guy from Melbourne",
frisch geduscht und bester Laune. Er hatte sich nach
dem ganzen Trubel genau wie Jim erst mal ins Hotel
zurückgezogen. Während die anderen schon mal ihr
Essen bestellen, setze ich mich mit Dean zur fachlichen
Konversation an die Bar.
"Das Scottish Drumming hat viel zu bieten. Ich
glaube, dass sich jedem Drumkit-Spieler ganz neue
Türen öffnen, wenn er sich nur ein kleines bisschen
mit der schottischen Drumstilistik beschäftigt! Aber
natürlich auch für den Rudimental Drummer. Es ist
einzigartig. Wir haben den Closed Roll – für mich ist
das eine andere Dimension, die den Sound des Scottish
Drumming individuell macht. Mit dem Closed Roll
haben wir diese Sounds "doh-dig-a-dag-doohh (singt
eine längere Phrase vor…), was sich ganz schön
anhört.
Aber ich denke man könnte diesen Stil auch auf das
normale Drumkit übertragen. Ich denke es ist
möglich. Ich habe es nie getan, obwohl ich auch ein
wenig Drumkit gespielt habe. Ich spielte in einer
Celtic Rock Band, wo ich meine Pipeband-Drums in
das Set integriert habe und dann innerhalb der Stücke
zwischen Grooves und Rudimental Stuff wechseln
konnte. Eigentlich haben wir ja innerhalb eines Drum
Corps mit den Sidedrums, den Tenordrums und der
Bassdrum fast ein komplettes Drumkit. Gespielt von
verschiedenen Leuten mit verschiedenen Perspektiven.
Wenn man sich nun vom Rudimental Drumming hin
zum Kit-Playing bewegt, hilft all das natürlich in
erster Linie an der Drumkit-Snare. Es gibt dir die
Möglichkeit, interessante Figuren auf der Snare, wie
kleine Snaresoli, einzubauen.
Jim hat vorhin erzählt, dass sie praktisch einen
Groove von Steve Gadd spielen …
Ja, interessant, dass du ihn erwähnst. Steve Gadd
begann ja als Corps Drummer. Er hat mit seinen
ganzen Triplets und Open Rolls eine sehr
geschmackvolle Snare-Arbeit. Er spielt viele Open
Rolls mit Akzenten und das sehr schön auch in einer
dezenten Lautstärke. Ich liebe diese Technik, die er
benutzt. Wie du vielleicht heute gesehen hast, spielen
wir auf der Snare viel Open Runs, das sind Singles mit
Akzenten. Du kannst diese Rudiments auch von der
Snare auf das Drumkit übertragen und über mehrere
Trommeln spielen, was sehr effektiv ist. Wenn du es
noch auf ein höheres Level bringen willst, kannst du
die schottischen Phrasen direkt auf das Drumset
übertragen und auf die Trommeln verteilen.
Eine andere typische Eigenart des schottischen
Drummings ist die "Dot and Cut"-Phrasierung, bei der
gerade Sechzehntel shuffelig interpretiert werden. So
finden Dinge aus der Schlagzeugwelt ihren Weg ins
Pipe Band Drumming und umgekehrt. Das
die Swiss Ruffs, wie wir sie nennen. Das sind vier
Noten LRRL mit dem Akzent auf dem letzten Schlag.
Ein schönes kleines Rudiment, leicht zu spielen.
Scottish Drumming ist so eine offene Sprache. Ein Stil,
der Ideen von überall her aufgenommen hat, ohne
Clan Pipers Frankfurt mit Leading Drummer Dean Hall
schottische Drumming verwendet Rudiments aus allen
anderen Trommelsprachen. Es entwickelte sich aus
dem Military Drumming so etwa um 1850. Die Army
hatte Fife and Drum Bands und schmiss dann die
Pfeifen raus und ersetzte sie für die Schotten durch den
Dudelsack. Damals waren die Figuren sehr einfach
und straight. Sie waren noch nicht so ausdrucksstark
wie heute. In den 30er, 40er Jahren des letzten
Jahrhunderts brachte dann ein berühmter, irischer
Trommler, Patrick Donovan, die synkopierte
Spielweise in die schottische Musik. Er hatte keinen
militärischen Hintergrund und brachte praktisch den
"Groove" in die Pipebands, wie wir ihn heute haben.
Dann kam Alex Duthart. Duthart traf sich mit Dr.
Fritz Berger aus Basel (Erfinder der Schlaghandschrift,
Anm. d. Autors) und übernahm die Notation. Das war
in den 60ern, wo sich alles revolutionierte. Es wurde
voll und jazzy. Vorher war es "dummh-da-dum-dumdumdadumdadum"; nun wurde Doubletime gespielt,
es kamen mehr "Accent Roll"-Sachen sowie viele dieser
"Schweizer" Bewegungen dazu … All das gab den
Drummern die Möglichkeit, die Time mit coolen
Rudiments zu füllen, die einfach zu spielen waren.
Einfacher als nur mit Single Strokes. Ein Beispiel sind
Begrenzung. "American, Swiss, French, German… We're
taking anything that sounds good!". Das ist der Grund,
weshalb Pipe Band Drumming als eines der
anspruchvollsten und technisch schwierigsten Arten
des Trommelns angesehen wird.
Da ist noch ein interessanter Punkt: Der traditionelle
Marching Drummer ist ganz oft rechtslastig. Sehr
stark auf die Downbeats orientiert. Wir hingegen
benutzen die linke und rechte Hand gleichberechtigt.
Durch den Wechsel öffnet es sich mehr.
Du lebst ja hier in Deutschland. Die traditionellen
Spielmannszüge wirken auf viele Schlagzeuger
doch eher altbacken und wenig innovativ. Wie
beurteilst du die Szene in Deutschland?
Es entwickelt sich, ganz bestimmt. Gerade in
Deutschland sind in den letzten Jahren viele
Pipebands
entstanden.
Viele
Spielmannszüge
verwandeln sich in Pipebands. Eine Art Sinneswandel.
Sie verkaufen ihre Flöten und Posaunen und kaufen
sich Dudelsäcke … Wir haben mittlerweile 80 bis 100
Pipebands hier, vor zehn Jahren waren es halb so viele.
Dean, vielen Dank für das äußerst interessante
Gespräch und den kleinen Einblick in die Welt
des Rudimental Drummings!"
Websites:
www.jimkilpatrick.com
www.sdcpb.com
www.drummingmad.net
www.clanpipers.de
www.kiltsandmore.de
www.jokruse.de
Text u. Fotos, Notensatz: Jo Kruse

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