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PEDALE
92
TOUR 4 | 2008
Bindeglied
Das Pedalsystem verbindet Mensch und Rennmaschine.
Wir haben jeweils zwei Modelle von Look, Shimano,
Speedplay und Time verglichen und bewertet
ǺǫǾǺ Matthias Borchers ǬǵǺǵǹ Daniel Simon
D
ie wichtigste Funktion eines Pedalsystems ist die
sichere Verbindung zwischen Fuß und Kurbeltrieb. Das konnten zwar auch schon die alten
Pedale mit Haken und Riemen, aber um den Riemen für
den Ausstieg zu lösen, war jedesmal ein Handgriff nötig.
Den Fuß blitzschnell aus dem Pedal zu befreien, um einen
Sturz zu vermeiden, scheiterte meistens. Der Zugewinn
an Sicherheit, den das erste Systempedal von Look 1985
brachte, ist heute eine Selbstverständlichkeit und kaum
noch Thema. Der Blick richtet sich auf andere Kriterien:
Das Pedal soll leicht sein, der Ein- und Ausstieg intuitiv
funktionieren; seitliches Spiel für die Ferse schont die
Gelenke, trotzdem muss der Fuß in Sprint und Wiegetritt
sicher auf dem Pedal ruhen. Die Auslösehärte zum
Ausstieg aus der Bindung sollte sich individuell justieren
lassen, die Pedalplatten sollten möglichst lange halten
und die Lagerungen der Pedalachsen natürlich auch.
Den Markt für Rennradpedale teilen sich im wesentlichen vier Anbieter. Für unseren Vergleich der Systeme
haben wir die Top-Seller von Look, Shimano, Speedplay
und Time getestet.
Auf den ersten Blick fällt auf, dass sich drei der vier
Systeme inzwischen sehr ähnlich sind. Eine dreieckige
Kunststoffplatte unter der Schuhsohle greift mit der
vorderen Nase ins Pedal und wird an ihrer Rückseite
mittels einer Federklappe verriegelt. Simpel, aber effektiv.
So effektiv, dass Shimano und Time ihre eigenen Systeme
für Rennradpedale inzwischen aufgegeben haben, um
nach dem Auslaufen des Patents, das Pedal-Pionier
Look 20 Jahre lang hielt, auf das Look-Prinzip einzuschwenken – freilich mit so vielen Unterschieden im
Detail, dass die drei Systeme untereinander nicht kompatibel sind. Ein wirklich eigenständiges System, das sich
am Markt behaupten kann und viele Freunde gefunden
hat, bietet die amerikanische Marke Speedplay an. Größter Vorteil: Das Pedal ist von beiden Seiten „begehbar“.
Das Gewicht der Pedale hängt ab von Material und
Bauform, sehr schön zu illustrieren am Beispiel Time.
Titan statt Stahl und die filigrane Bauweise machen das
„RXS Ulteam Ti.Carbon“ mehr als hundert Gramm leichter als das „Xen E“ – dafür aber auch 200 Euro teurer.
Trotz der Ähnlichkeit der Bindungssysteme von
Look, Time und Shimano machen sich in der Praxis
Unterschiede bemerkbar. Ein- und Ausstieg gelingen bei
Shimano etwas besser als bei Look, die Nase vorne an
der Pedalplatte findet ihr Ziel im Pedalkörper leichter.
Bei Time erfordert es schon einige Übung, um das Pedal
treffsicher aufzunehmen. Bei Speedplay ist der Eindruck,
zumindest für Neulinge, zwiespältig. Da man das Pedal
von beiden Seiten benutzen kann, trifft man zwar problemlos auf den Knubbel, muss dann aber doch präzise
zielen, um die Aussparung in der Platte zu treffen, die
leicht abrutschen kann, wenn man ungenau aufsetzt und
mit Nachdruck einrasten will.
Der Ausstieg funktioniert bei allen Kandidaten nach
dem gleichen Prinzip: Ein Dreh zur Seite mit der Ferse,
und die Bindung gibt den Schuh wieder frei. Der
deutlichste Unterschied ist dabei zwischen den ShimanoPedalen und dem Modell „Light Action“ von Speedplay
zu spüren. Das Shimano-Pedal vermittelt ein sattes Gefühl an der Grenze zur Schwergängigkeit, bevor die Feder
den Fuß mit einem hörbaren Klacken freigibt. Beim
Speedplay-Pedal funktioniert der Austieg spielend leicht,
ohne Widerstand und lediglich über den Drehwinkel von
15 Grad. Wem das zu unsicher erscheint, für den bietet
Speedplay die „Zero“-Variante mit individuell einstellbarem Auslösewinkel an.
Dem unbeabsichtigten Ausstieg steht bei allen Pedalen außer Speedplays „Light Action“ ein Widerstand
entgegen, den eine in der Auslösehärte meist verstellbare
Feder leistet – beim „Xen E“ von Time liegt er zwischen
3 und 5 Newtonmetern, beim DuraAce-Pedal von Shimano zwischen
DZǻǸȀ ǻǴǪ DZǴǧǶǶ
strammen 14 und 25 Newtonmetern.
Das entspricht beim „Xen E“ einer Die Preisspanne der getesteten Pedale
Kraft von etwa 2,5 Kilogramm, die reicht von 60 bis 270 Euro, wobei
man mit der Ferse aufbringen muss, sich weniger die Funktion als geringes
um auszusteigen, bei Shimano in der Gewicht und edle Optik im Preis niehärtesten Einstellung 12,5 Kilogramm. derschlagen. Look, Time und Shimano
Der Stand auf dem Pedal ist bei haben sich technisch extrem angeallen Kandidaten ähnlich gut. Die nähert, nur Speedplay geht noch
Angleichung der Systeme und nicht einen interessanten Sonderweg. Das
zuletzt die sehr steifen Carbonsohlen beste Preis-Leistungs-Verhältnis in
der meisten aktuellen Rennradschuhe diesem Test bietet Shimanos neues
„Ultegra-SL“-Pedal.
verwischen die Unterschiede.
Bei den Geheigenschaften markieren die Marken Shimano und Speedplay die Extreme. Mit Shimanos Platten und deren
Dreipunkt-Aufstandsfläche vorne kann man die Kellertreppe relativ sicher bewältigen. Auf Speedplays Metallplatten ist hingegen stets Vorsicht geboten – sie rutschen
gerne einmal unvermittelt weg. Beim Verschleiß der
Platten verkehrt sich das dann ins Gegenteil: Während
kaum ein Rennradler seine Pedalplatten nach dem LookPrinzip über mehr als eine Saison rettet, halten die
(teuren) Speedplay-Platten in der Regel viele Jahre lang.
4 | 2008 TOUR
93
PEDALE
HERSTELLER
LOOK
LOOK
Modell
Preis Pedalsystem
Preis Ersatzplatten
Bezug/Info
Telefon
www.
Kéo Carbon
140 Euro
17,50 Euro
Grofa
0 64 34/2 00 80
lookcycle.com
Kéo Sprint
90 Euro
17,50 Euro
Grofa
0 64 34/2 00 80
lookcycle.com
TECHNISCHE DATEN
Systemgewicht*
Achse
Lagerung
Auslösekraft
Fersenfreiheit
Bauhöhe**
306 Gramm
Stahl
2 Kugel-, 1 Nadellager
10 bis 18 Nm
0/4,5/9 Grad
15 mm
BEWERTUNG
Gewicht
Bauhöhe
Ein- und Ausstieg
Stand im Pedal
Geheigenschaften
Plattenverschleiß***
1,5
2,0
2,0
2,0
3,0
5,0
D A S
R E N N R A D - M A G A Z I N
-Note 2,6
Das „Kéo Carbon“ ist leicht, der
Einstieg funktioniert gut, die
Geheigenschaften sind dank der
neuen Platten mit verbesserter
Lauffläche deutlich besser
als beim Vorgängermodell,
aber immer noch kippelig;
die Platten gibt es mit drei
Winkelgraden. Gut zugänglich
ist die Verstellung der Auslösehärte, die Ferse lässt sich fast
widerstandslos nach rechts und
links bewegen. Deutlich leichter, jedoch auch teurer ist die
Version mit Titanachse.
329 Gramm
Stahl
1 Kugel-, 1 Nadellager
6 bis 11 Nm
0°/4,5°/9 Grad
18 mm
1,5
2,5
2,0
2,0
3,0
5,0
Das günstigere „Kéo Sprint“ unterscheidet sich funktional kaum
vom Kéo Carbon. Lediglich die
Werte für die Auslösehärte sind
deutlich geringer. Die Lagerung
ist mit nur zwei Lagern einfacher
und die Bauhöhe aufgrund
eines höheren Pedalköpers drei
Millimeter größer. Der Plattenstandard ist identisch, leider ist
der Gang damit etwas kippelig.
Look bietet das Sprint in Weiß,
Schwarz und Rot an.
2,7
*pro Paar inkl. Platten und Schrauben **Abstand Pedalachsmitte – Schuhsohle
HERSTELLER
SHIMANO
SHIMANO
Modell
Preis Pedalsystem
Preis Ersatzplatten
Bezug/Info
Telefon
www.
Dura-Ace SL
199,95 Euro
16,95 Euro
Paul Lange
07 11/72 58 80
paul-lange.de
Ultegra SL
99,95 Euro
16,95 Euro
Paul Lange
07 11/72 58 80
paul-lange.de
TECHNISCHE DATEN
Systemgewicht*
Achse
Lagerung
Auslösekraft
Fersenfreiheit
Bauhöhe**
350 Gramm
Stahl
2 Kugel-, 1 Nadellager
14 bis 25 Nm
0°/8 Grad
13 mm
BEWERTUNG
Gewicht
Bauhöhe
Ein- und Ausstieg
Stand im Pedal
Geheigenschaften
Plattenverschleiß
2,0
2,0
1,0
1,0
1,0
3,0
D A S
R E N N R A D - M A G A Z I N
-Note 1,7
Das neue „Dura-Ace SL“-Pedal
wurde überarbeitet und unterscheidet sich von seinem
Vorgänger-Modell in der
vergrößerten Auflagefläche. In
der Praxis macht sich das durch
etwas mehr Widerstand bei seitlicher Bewegung bemerkbar. Bei
höchster Auslösehärte braucht
man ordentlich Kraft zum
Ausklicken. Bei der Lagerqualität setzt Shimanos Top-Pedal
Maßstäbe; das Einklicken ins
Pedal funktioniert sehr gut.
389 Gramm
Stahl
1 Doppelrillenkugel-, 1 Gleitlager
15 bis 22 Nm
0°/8 Grad
14 mm
2,5
2,0
1,0
1,0
1,0
3,0
1,8
***Die alten Kéo-Platten verschlissen schnell, zu den neuen liegen noch keine Langzeiterfahrungen vor; sie dürften länger halten.
94
TOUR 4 | 2008
Das „Ultegra SL“-Pedal ist lediglich halb so teuer wie die DuraAce-Version und bis auf Gewicht
und Lagerung fast ebenso gut.
Auch wenn die Lagerung weniger hochwertig ist: Das System
ist bekannt für lange, spielfreie
Funktion. Die Pedalplatten sind
bei allen Shimano-Modellen
baugleich und ebenfalls in einer
Null-Grad-Version erhältlich.
Sehr einfach funktioniert die
Verstellung der Auslösehärte.
PEDALE
HERSTELLER
SPEEDPLAY
SPEEDPLAY
Modell
Preis Pedalsystem
Preis Ersatzplatten
Bezug/Info
Telefon
www.
Light Action
195 Euro
47,50 Euro
ACS
05 31/2 87 29 13
speedplay.com
Zero CrMo
105 Euro
47,20 Euro
ACS
05 31/2 87 29 13
speedplay.com
TECHNISCHE DATEN
Systemgewicht*
Achse
Lagerung
Auslösekraft
Fersenfreiheit
Bauhöhe**
339 Gramm
Edelstahl
1 Doppelrillenkugel-, 1 Nadellager
1 Nm
15 Grad
12 mm
BEWERTUNG
Gewicht
Bauhöhe
Ein- und Ausstieg
Stand im Pedal
Geheigenschaften
Plattenverschleiß
2,0
1,5
1,5
1,0
5,0
2,0
D A S
R E N N R A D - M A G A Z I N
-Note 2,2
Das „Light Action“ bietet dem
Fuß freies Spiel nach links wie
rechts, ohne Widerstand. Auch
das Ausklicken funktioniert über
den Drehweg. Braucht etwas
Zeit zur Eingewöhnung, geht
dann aber selbst im Wiegetritt
oder bei kraftvollen Antritten in
Fleisch und Blut über. Aufwendige, diffizile Plattenmontage;
fast immer ist der Adapter
nötig, da es keine Schuhe mit
Vier-Loch-Bohrung mehr gibt.
Verschleißfeste, aber rutschige
Platten. Viele Farboptionen.
356 Gramm
Stahl
1 Doppelrillenkugel-, 1 Nadellager
9 Nm
0 bis 15 Grad
12 mm
2,0
1,5
1,5
1,0
5,0
2,0
2,2
Das „Zero CrMo“ sieht fast
genau so aus wie das „Light
Action“, funktioniert aber anders. Der Federmechanismus in
der Platte macht den Ein- und
Ausstieg knackiger, das Fersenspiel kann individuell eingestellt
werden. Die Bauhöhe ist – wie
beim Light Action – selbst mit
Look-Adapter extrem niedrig,
der Einstieg ebenfalls von
beiden Seiten möglich. Beide
Platten reagieren empfindlich
auf Verschmutzung und neigen
dann zum Knarzen.
*pro Paar inkl. Platten und Schrauben **Abstand Pedalachsmitte – Schuhsohle
HERSTELLER
TIME
TIME
Modell
Preis Pedalsystem
Preis Ersatzplatten
Bezug/Info
Telefon
www.
RXS Ulteam Ti.Car.
269 Euro
19,90 Euro
MCG
0 71 59/94 59 30
timesport.fr
Xen E
59,90 Euro
19,90 Euro
MCG
0 71 59/94 59 30
timesport.fr
TECHNISCHE DATEN
Systemgewicht*
Achse
Lagerung
Auslösekraft
Fersenfreiheit
Bauhöhe**
280 Gramm
Titan
1 Kugel-, 1 Nadellager
4 bis 6 Nm
10 Grad
13 mm
BEWERTUNG
Gewicht
Bauhöhe
Ein- und Ausstieg
Stand im Pedal
Geheigenschaften
Plattenverschleiß
1,0
2,0
3,0
2,0
2,0
3,0
D A S
R E N N R A D - M A G A Z I N
-Note 2,2
96
TOUR 4 | 2008
Das „RXS Ulteam Ti.Carbon“ –
das Top-Pedal der Franzosen –
zeichnet sich durch hochwertige
Materialien, filigrane Bauweise,
sehr niedriges Gewicht und
geringe Bauhöhe aus. Probleme
mit der Achsverschraubung, die
bei Markteinführung zu einem
Rückruf führten, sind längst
behoben. Mit Stahlachse ist das
Pedal-Pärchen zwar 50 Gramm
schwerer, dafür aber auch nur
halb so teuer.
398 Gramm
Stahl
1 Kugel-, 1 Kunsstoff-Gleitlager
3 bis 5 Nm
10 Grad
17 mm
2,5
2,5
3,0
2,0
2,0
3,0
2,5
Herausragende Eigenschaften
des neuen „Xen E“-Pedals von
Time sind sein günstiger Preis
und die in drei Stufen einstellbare, geringe Auslösehärte.
Gespart wurde dafür an hochwertigen Materialien und einer
aufwendigen Lagerung. Kritik
gibt es für den etwas hakeligen
Einstieg ins Pedal.