bodies in urban spaces

Transcrição

bodies in urban spaces
Willi Dorner
bodies in urban spaces
Mit Fotos von | With photographs by Lisa Rastl
Mit Beiträgen von | With texts by Willi Dorner und | and Franz Thalmair
sowie einem Gespräch zwischen | and a conversation between
Andrea Amort, Willi Dorner und | and Rainer Hofmann
Inhalt
Content
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Vorwort | Foreword
Willi Dorner
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Codes aus bodies in urban spaces | Codes in bodies in urban spaces
105
bodies in urban spaces. Intervention im städtischen Raum
Ein Gespräch zwischen Andrea Amort, Willi Dorner und Rainer Hofmann |
bodies in urban spaces: Intervention in Urban Space
A conversation between Andrea Amort, Willi Dorner and Rainer Hofmann
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body trail. Der Film | body trail: The Film
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Zwischenspielräume | Intermediate Spaces
Franz Thalmair
148 Teilnehmer und Festivals | Participants and Festivals
152
bodies in urban spaces in den Medien (Auswahl) | bodies in urban spaces in the Media (Selection)
154
Filmvorführungen von body trail | Screenings of body trail
156Biografien | Biographies
158Danksagung | Acknowledgments
Vorwort
Willi Dorner
Dass ich hier und jetzt dieses Vorwort zu einem Buch schreibe,
in dem es um ein Projekt geht, das eigentlich nicht die öffentli­
che Rezeption suchte, ist ziemlich paradox. Meine Arbeit bodies
in urban spaces war eine von mehreren Ideen, die ich während
eines Arbeitsaufenthaltes im Wiener Wohnbau »Hängende Gärten«
austesten wollte. Es war eine Idee, die ich zunächst als Fotoserie
konzipierte und von der ich nicht einmal dachte, dass ich sie in
einer zukünftigen Bühnenarbeit um­setzen würde. Und nun ist
gerade diese Choreografie der größte Erfolg in meinem künst­
lerischen Werk geworden: Sie wird noch immer eingeladen und
gezeigt, die Nachfrage von Festivals und Medien ist ungebrochen.
Ich fand, dass jetzt der Moment gekommen war, zurückzuschauen
und die Geschichte dieses erfolgreichen Projekts zusammen­zu­
fassen, um mich auch nochmals ausdrücklich bei den Menschen zu
bedanken, die zum Erfolg dieses Kunstprojekts beige­tragen haben.
Dazu gehören an erster Stelle die vielen Performer – und hier
insbesondere die Tänzer der ersten Stunde –, die mir vertraut,
an dem Experiment mitgewirkt und so den Ball erst ins Rollen
ge­bracht haben. Bei der Arbeit an den Parcours entwickelten
wir gemeinsam Codes, also eine »Sprache«, die diesen Event so
einzig­artig macht. bodies in urban spaces ist über die Jahre
herangereift, und das war nur möglich, weil ich kontinuierlich
daran arbeiten konnte.
Foreword
The fact that I am now writing this foreword to a book that deals
with a project that actually did not seek public reception is rather
paradoxical. My work bodies in urban spaces was one of several
ideas that I wanted to test while working in a Vienna residential
building called “Hängende Gärten” (Hanging Gardens). It was an
idea that I initially conceived as a series of photographs and never
thought would be made into a performance. Yet this choreogra­
phy has meanwhile become a huge success: we are still receiving
invitations, the performance is still being shown, and the demand
from festivals and the media remains strong. I thought that the
time had come to look back and to summarize the story of this art
project in order to once more express my sincere thanks to every­
one who contributed to its success.
Firstly, this includes the numerous performers—in particular the
dancers from day one—who trusted me, took part in the experi­
ment, and thus got the ball rolling. While working on the trails,
we devised codes, a special language, which made this event so
unique. bodies in urban spaces gradually matured over the years,
and this was only possible because I was able to work on it con­
tinuously.
Nicht zuletzt gilt mein besonderer Dank den vielen Veranstaltern,
die mir ihr Vertrauen schenkten und diese Weiterentwicklung erst
ermöglichten. Sie haben mir den organisatorischen Rahmen zur
Verfügung gestellt, um das Projekt in der Größen­ordnung umzu­
setzen, wie ich es mir gewünscht habe. Ich möchte mich hier vor
allem bei Pascale Henrot bedanken, die 2006 zu dem Pilotversuch
von bodies nach Barcelona gereist ist und trotz der vielen ent­
täuscht gehenden Zuschauer – da ja nicht im herkömmlichen
Sinne getanzt wurde – mir und der Idee vertraut hat und mich
einlud, einen Parcours für das Festival Paris quartier d’été, das
sie als Koleiterin mit­organisierte, zu gestalten.
Last but not least, I would like to extend my special thanks to the
many organizers who placed their confidence in me and made this
development possible. They provided me with the organizational
framework to implement the project on the desired scale. I would
particularly like to thank Pascale Henrot, who traveled to Barce­
lona to see the pilot of bodies in 2006 and, despite many of the
spectators leaving in disappointment as there was no dancing in
the traditional sense, trusted me and the idea, and invited me to
create a trail for the Festival Paris quartier d’été, of which she
was co-director.
Mit dieser Premiere im Juli 2007 hat bodies in urban spaces seinen
eigentlichen Anfang genommen und ist seitdem am Laufen. Mittler­
weile bin ich auf die Hilfe meiner Assistenten ange­­wiesen, die sich
um die Anfragen und Einladungen der Auf­­führung kümmern. Ihre
Mitarbeit gab mir die nötige Zeit, bodies mit zwei neuen Projekten
zu einer Trilogie zu erweitern, die das Verhältnis von Körper und
gebauter, dinglicher Umwelt thematisiert.
This premiere in July 2007 was the actual starting point for bodies
in urban spaces, and it has been running ever since. In the mean­
time, I am dependent on the aid of my assistants, who deal with
the inquiries and invitations for the performance. Their work gave
me the time required to develop bodies into a trilogy with two new
projects that address the relationship between the body and the
built, tangible environment.
Das eine Nachfolgeprojekt, above under inbetween, nimmt Bezug
auf Objekte des täglichen Lebens wie auf Möbel und stellt unseren
herkömmlichen Umgang mit diesen infrage. Der »skulpturale
Dialog« zwischen Performer und Objekt erweitert die Bedeutung
dieser Gegenstände. Das zweite Projekt, fitting, stellt dagegen
die Herstellung von Raum zur Diskussion und veranschaulicht das
One follow-up project, above under inbetween, refers to everyday
objects, for example, furniture, and our conventional use of them
into question. The “sculptural dialogue” between performer and
object enhances the importance of these objects. In contrast, the
second project, fitting, puts the creation of space up for discus­
sion and reveals the process of constructing as one of ordering it.
8
above under inbetween,
Theater der Welt, Essen, 2010
Links | Left: fitting, Saint-Étienne, 2012
Rechts | Right: fitting, Wien | Vienna, 2012
9
Bauen als einen Prozess des Ordnens. Beide Arbeiten verstehen
sich als Handlungs­anordnungen, die in verschiedenen räumlichen
Kontexten, auf der Straße, im Galerieraum, in einer offenen Halle,
aber auch im Bühnenraum, zu erproben sind. Der Zuschauer wird
Zeuge dieser Praxis.
Doch zurück zum Anfang von bodies in urban spaces: Die Idee zu
bodies entstand 2004 nach einer sechswöchigen Researchphase
mit zahlreichen Installationen und Performances in den verschie­
denen Räumlichkeiten des Wiener Wohnbaus »Hängende Gärten«.
Die Dimensionen von Wohnungen beziehungsweise Wohnräumen in
Bezug zum menschlichen Körper waren dabei ein wichtiges Thema.
Der Modulor von Le Corbusier inspirierte mich, das Zusammenspiel
von Körper und Raum zu untersuchen, also wie der Körper auf die
jeweiligen Raumgrößen reagieren und agieren kann. Eine meiner
Ideen war es, Räume aufzufüllen, also buchstäblich eine Küche
oder ein Wohnzimmer mit Menschen zu füllen. Mein Team und ich
sind jedoch daran gescheitert, da ich nicht die dafür benötigte
Anzahl an Menschen zusammenbringen konnte. Eine durchschnitt­
liche, leere Wohnung mit ihren verschiedenen Untereinheiten war
zu groß. Ich durfte einige Wohnungen, die schon bezogen waren,
besuchen und war erstaunt, wie sehr die Menschen sie mit Möbeln
verstellen und wie wenig unverstellten Raum sie sich selbst zuge­
stehen. Mir sind die engen Zwischenräume ins Auge gefallen, und
so begann ich, diese aufzufüllen, wie etwa die Fläche zwischen
dem Sofa und der Wand oder den Zwischenraum zwischen den
Schränken. Ich wollte mich auf diese begrenzten Räume fokussie­
ren, auf diese hinweisen und durch das Hinstellen und Auffüllen
mit menschlichen Körpern deren Größe sichtbar machen. Mich
bewegte dabei immer die Frage, wie viel Bewegungsraum sich die
Menschen ihren Wohnbereichen lassen. Die dabei entstandenen
Fotos wurden anschließend im Besucherzentrum des Wohnbaus
ausgestellt.
Erst zwei Jahre später griff ich die Idee wieder auf, als sie quasi
an mich herangetragen wurde. Ich sollte bodies aus dem Privat­
raum in den öffentlichen Raum übertragen und durfte erstmals
mit einer Gruppe von dreizehn Tänzern und Architekten in einer
wiederholbaren Reihenfolge mehrere Installationen zusammen­
stellen, um sie in einer festgelegten zeitlichen Abfolge vorzeigen zu
können. Der Anlass zu diesem Schritt war eine Einladung von der
Abteilung für Architektur der Universitat Politècnica de Catalunya
in Barcelona. Ich referierte dort über meine bisherigen Arbeiten
im urbanen Raum und erarbeitete in einem zweiwöchigen Work­
shop das Pilotprojekt zu bodies in urban spaces. Die Präsentation
während des Outdoorfestivals Dies de Dansa war nicht gerade ein
Erfolg. Eine für diese Arbeit zu große Zuschauermenge erschien,
löste sich rasch wieder auf, da die Performer, die sie zu sehen
bekamen, nicht – wie das Publikum es gewohnt war – im her­
kömmlichen Sinne zu tanzen begannen; die Tänzer blieben in ihren
angewiesenen Positionen und verließen diese erst nach vorgege­
benem Zeichen, um sich in einer neuen Position weiter weg wieder
zu formatieren. So blieben nur wenige Zuschauer bis zum Schluss,
darunter befand sich Pascale Henrot, die sehr begeistert war
und mich zu ihrem Festival einlud. Ein Jahr später in Paris war
die Premiere von bodies in urban spaces ein großer Erfolg.
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Both works are viewed as arrangements to be tested in different
spatial contexts—on the street, in the gallery space, in an open hall,
but also on stage. The spectator becomes a witness to this practice.
Returning to the inception of bodies in urban spaces: the idea for
bodies emerged in 2004 after a six-week research period with
numerous installations and performances in the various spaces of
the “Hängende Gärten” building mentioned above. In this respect,
the dimensions of apartments and living spaces in relation to the
human body were an important topic. The Modulor by Le Corbusier
inspired me to examine the interaction between the body and
space, how bodies can react to and in the apartments with their
respective dimensions. One of my ideas was to fill rooms, that is,
to literally fill a kitchen or living room with people. My team and I
failed on this count, as I was unable to bring together the required
number of people. An average vacant apartment with different
subunits was too large. I was allowed into some of the apartments
that were already occupied, and I was astonished at how much
people clutter them with furniture and how little free space they
give themselves. The confined intermediate spaces caught my
attention, such as the area between the sofa and the wall or the
space between cupboards, and so I started to fill them. I wanted
to focus on and emphasize these and make their size visible by
arranging and filling them with human bodies. In this respect, I was
always moved by the question of how much of their living space
people leave open for movement. The photographs taken were
then exhibited in the visitor’s center of the building.
I only returned to the idea when it was brought to my attention two
years later. I was asked to transfer bodies from private to public
space, and I was able to assemble several installations in a repeat­
able sequence with a group of thirteen dancers and architects, in
order to show them in a set chronological sequence. The invitation
to do so came from the department of architecture at the Univer­
sitat Politècnica de Catalunya in Barcelona. I gave a lecture on my
previous work in urban spaces and developed the pilot project for
bodies in urban spaces in a two-week workshop. The presentation
at the Dies de Dansa outdoor festival was not exactly a success.
A large audience showed up, but it was much too big and quickly
dispersed, as the performers the people had come to see did not
begin to dance in the way the audience was accustomed to see­
ing: the dancers stayed in their assigned positions and only left
these after receiving a prescribed sign, reassembling themselves
further along the trail. For this reason, only few spectators stayed
until the end, including Pascale Henrot, who was very enthusiastic
and invited me to her festival. The premiere of bodies in urban
spaces in Paris a year later was a tremendous success. The televi­
sion channel Arte and the French state television channel TV2
were already accompanying and reporting on my rehearsals. Ac­
cordingly, there was a great response in printed media. That was
the start of the success story.
Oben links, rechts | Top left, right:
Mapperley, 2006
Unten links | Bottom left:
Hängende Gärten, Wien | Vienna, 2004;
Von unten nach oben liegend | Stacked from bottom to top:
Willi Dorner, Matthew Smith, Norbert Pfaffenbichler,
Dieter Spath, Anna Macrae, Lotte Schreiber
Unten rechts | Bottom right:
Hängende Gärten, Wien | Vienna, 2004
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Fernsehinterview |
TV interview,
Paris, 2007
Was bedeutet nun Außenraum für diese sehr zurück­haltende,
stille Arbeit? Im Draußen empfand ich den Kontrast zwischen dem
unbewegten, ruhig verharrenden Körper und der lauten, nervö­
sen Geräuschkulisse einer Großstadt extrem stark. Der Außen­
raum unterstützt und betont die Stille, die der Körper durch sein
bloßes Dasein ausstrahlt. Wie in den Wohnungen richtete ich mein
Augenmerk auf Zwischenräume, suchte nach Orten, auf die man
nie den Blick richtet, die man ausspart, und erweiterte die Idee
auf Wege, die in Stadtgebiete führen, aber den Bewohnern meist
nicht geläufig sind. Straßen und Gassen, die uns wegführen von
den viel begangenen Hauptstraßen und letztlich überraschender­
weise wieder dahin zurückmünden, um sie nur zu überqueren, um
wieder wegzugehen und die Häuser und Straßen der »zweiten
Reihe« aufzusuchen. Bei meinen Vorbereitungen frage ich aus
diesem Grund immer nach den Gegenden und Vierteln, in die man
nicht so gerne geht, was auch immer die Gründe dafür sein mögen,
diese Teile der Stadt zu vermeiden. Ich versuche in den Gesprä­
chen herauszuhören, wo städte­baulich, aber auch stadtpolitisch
gesehen Veränderungen geschehen. Wo gibt es Konflikte, wo ist es
gefährlich? Ich versuche schließlich, wenn die Größe der Stadt es
erlaubt, möglichst viele dieser heterogenen »Stadtlandschaften«
zu verbinden. Ich zeige meine Sicht auf die Stadt und lade die Be­
wohner ein, meinem Spaziergang zu folgen, sich die Zeit zu nehmen
und wieder die eigene Stadt zu erkunden. Durch die verschiedenen
Platzierungen der Körper lenke ich den Blick, kann so auf Interes­
santes hinweisen, durchbreche den normalen Bewegungsradius
der Augen und unmerklich nehmen die Spaziergänger die Sichtwei­
se von Touristen ein.
12
What does outdoor space mean for this very reserved, silent
work? I felt that the contrast between the motionless, calm bodies
and the clamorous background noises of a large city was extreme­
ly strong outdoors. Outdoor space supports and underscores the
stillness emitted by the body just by being there. Like in the apart­
ments in Vienna, I focused on the intermediate spaces; I sought out
places that are often ignored and left open, and I extended the idea
to trails that pass through urban areas but which are not familiar
to most inhabitants. Streets and alleyways that lead us away from
the numerous much-used main streets and then surprisingly take
us right back, only to cross them and walk away again to visit the
buildings and streets in the “second row.” When preparing the
trails, I therefore always ask to see the districts and neighbor­
hoods that are not so popular, for whatever reason. During inter­
views, I try to sound out where changes are taking place in terms
of urban development, but also in terms of urban policy. Where
are the conflicts, where is it dangerous? Ultimately, if the size
of the city allows it, I try to link as many of these heterogeneous
“cityscapes” as possible. I present my view of the city and invite
inhabitants to join my walk, to take the time to explore their own
city again. I use the different positions of the bodies to direct their
gaze and thus point out its interesting features, to break through
the normal radius of eye movement, and the walkers imperceptibly
adopt the perspective of tourists.
Audiences are only informed about the starting point for the per­
formance. The route itself and the end point are not revealed until
they have set out on the trail, which I always try to lay out so that
it is interesting and full of surprises.
crack New York City, 2010
Der TV-Sender Arte begleitete bereits meine Probenarbeiten und
berichtete darüber, ebenso das staatliche französische Fernsehen
TV2. Dementsprechend groß war das Echo in den Printmedien. Das
war der Beginn einer Erfolgsgeschichte.
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Parcours | Trail, New York City, 2010
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Parcours | Trail,
Triennale, Linz, 2010
Dem Publikum wird für die Performance immer nur der Startpunkt
bekannt gegeben. Die Route selbst und der Endpunkt erschließen
sich erst im Laufe des Gehens. Ich versuche stets den Weg für
die Ein­wohner interessant anzulegen und mit Überraschungen zu
versehen.
Das gemeinsame Gehen bringt die Leute dazu, miteinander in
Kontakt zu kommen, sich zu unterhalten und auszutauschen.
Wenn zu viele Interessierte erscheinen, kann es schon passieren,
dass die große Menge der Zuschauer auf der Straße loszieht, sie
einnimmt und so den Verkehr blockiert. Die Einwohner nehmen
sich den Platz in ihrer Stadt, so geschehen in Städten wie London
und Berlin. Im Laufe der Zeit habe ich viel über das Vermögen des
menschlichen Körpers gelernt und erfahren. Je bekannter die
Arbeit wurde, umso mehr Performer aus den verschiedensten
künstlerischen Bereichen haben sich dafür beworben. Der Hin­
tergrund ihrer Technik kann Tanz, physisches Theater, Zirkus,
Parkour, Freerunning, aber auch Klettern sein. In der Zusammen­
stellung der Teilnehmer versuche ich darauf zu achten, dass die
Gruppe sich aus Performern aus möglichst verschiedenen
Skizze für den Parcours | Sketch for the trail in Austin, 2009
16
The group walk allows people to establish contact, talk, and
exchange views. If too many interested spectators come, it has
happened that the large crowd goes onto the street, occupies it,
and thus blocks traffic. People take over their city, such as this
occurred in London and Berlin. Over the years, I have learned a lot
about the capacity of the human body. The better known the work
became, the more performers from the various artistic areas
applied to join the project. Their backgrounds range from dance,
physical theatre, circus, and parkour to free running and climbing.
When arranging the participants, I try to ensure that the group
consists of performers from as many different areas as possible.
During the period of their collaboration, members of the group
exchanges ideas and enrich one another. They have to learn from
each other within a short period of time, as the rehearsals only
last five days. Whoever wishes to participate needs some courage
as well as the ability and willingness to push their limits. Yoga is a
Publikum | Audience,
Tanz im August, Berlin, 2009
17
Bereichen zusammensetzt. In der Zusammenarbeit tauschen auch
sie sich aus und bereichern sich gegenseitig. Sie müssen inner­
halb kürzester Zeit – die Probenarbeiten dauern nur fünf Tage
– voneinander lernen. Wer mitmachen möchte, braucht Mut, sollte
aber auch die Fähigkeit und Bereitschaft mitbringen, über seine
Grenzen zu gehen. Eine gute Voraus­setzung und auch Einstimmung
für die Proben ist Yoga, es stärkt die Performer in der Vorberei­
tung, physisch und mental. Ich konnte im Laufe der Jahre mit gut
trainierten Performern arbeiten und so eine Reihe von Positionen
entwickeln, die ich zu Beginn nicht für möglich gehalten hätte: Sie
halfen mir, ein vielfältiges Spektrum aufzubauen und Grenzen zu
erweitern.
Da sich architektonische Gegebenheiten in vielen Städten ähneln,
wie beispielsweise Hausfassaden und Hauseingänge, aber auch
Plätze, Übergänge, Passagen, sich das städtische »Mobiliar«
wiederholt, haben wir über die Jahre hinweg ein Repertoire von
Positionen entwickelt. So haben sich eine Reihe von Bezeichnungen
eingestellt, die wir in unserer internen Kommunikation als Codes
verwenden, wie beispielsweise »shoebox«, »fly«, oder »batwoman«.
body trail, der Film
Sehr früh war für mich klar, die Live-Performance in das Medium
Film übersetzen zu wollen. Die Dynamik des Laufens bildet den
Kontrast zu der Stille der Installationen. Der Film body trail
bezieht sich darauf und verdichtet diesen Kontrast. Die beiden
Hand­kameras, die an den laufenden Performern dranbleiben, sind
das geeignete Stilmittel dazu. Meine Wahl für die Aufnahmen fiel
dabei auf die nächtlich spät angesetzten Performances in Wien,
denn die Dunkelheit der Nacht unterstützt den subversiven
Charakter der Aktion. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Films
verstärken diese Intention. Der Film verdichtet und intensiviert
auf seine Weise das Erleben der Performance und stellt für mich
eine gelungene Transformation dar.
beneficial and good warm-up exercise, as it strengthens the per­
formers physically and mentally. I have been able to work with welltrained performers over the years and thus create a series of
positions that I would not have thought possible at the beginning:
they helped me to develop a wide spectrum and extend boundaries.
As architectural conditions are similar in many cities, such as
building façades and entrances, but also squares, crossings,
arcades—that is, urban furniture recurs in the same form—we
developed a repertoire of positions. Thus a series of names
emerged—codes such as “shoebox,” “fly,” or “batwoman”—that we
use to communicate with each other.
body trail, the film
I realized very early that I wanted to translate the live perfor­
mance into the medium of film. The dynamism of running contrasts
with the stillness of the installations. The film, body trail, refers to
and condenses this contrast. The two handheld cameras, which
were kept on the running performers, are the appropriate stylistic
devices. Furthermore, I chose the late-night performances in
Vienna for the film, as darkness supports the subversive charac­
ter of what is taking place. The black-and-white footage in the film
further reinforces this intention. The film condenses and intensi­
fies the experience of the performance and in my view represents
a successful transformation.
For me, film and photography are important partners in the
bodies in urban spaces project; they counter the fleetingness
of this undertaking and are the independent results of the same
artistic work. This book brings together all of this work, but it
does not represent its conclusion.
Film und Fotografie sind im Projekt bodies in urban spaces für
mich wichtige Partner, um der Flüchtigkeit dieses Unternehmens
etwas entgegenzuhalten, und sind doch eigenständige Ergebnisse
derselben künstlerischen Arbeit. Dieses Buch fasst nun alle diese
Arbeiten zusammen und doch bedeutet es nicht deren Ende.
Oben | Top: Probenvorbereitung | getting ready for rehearsal, Suresnes, 2012
Mitte links | Center left: Willi Dorner erklärt eine Position | Willi Dorner explains a position, Suresnes, 2012
Mitte rechts | Center right: Besprechung vor der Generalprobe | briefing before dress rehearsal, Barcelona, 2013
Unten links | Bottom left: Generalprobe | dress rehearsal, Barcelona 2013
Unten rechts | Bottom right: Aufwärmen für die Probe | warming up before the rehearsal, Hastings, 2013
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carpet Philadelphia, 2008
carpet New York City, 2010
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Making of doorway Salzburg, 2013
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double leaning Brighton, 2010
double leaning Seoul, 2011
double leaning Marseille, 2010
double leaning Brüssel | Brussels, 2010

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