Erasmus- Erfahrungsbericht - Germanistik, vergleichende Literatur

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Erasmus- Erfahrungsbericht - Germanistik, vergleichende Literatur
Erasmus- Erfahrungsbericht
über die University of Oxford
im WS 2012/13
Erasmus- Erfahrungsbericht
Im Wintersemester 2012/13 konnte ich ein halbes Jahr als Visiting Student im St. Hugh’s
College an der University of Oxford verbringen. Es war ein unglaublich intensiver und wunderbarer Aufenthalt. Von den Vorbereitungen in Bonn an, bis hin zu meiner eigentlichen Zeit
in England hat alles hat sehr gut geklappt und war hervorragend organisiert.
Mich um den Erasmusplatz in Oxford zu bewerben war eher eine spontane Entscheidung und ich würde jedem empfehlen sich von dem großen Namen dieser Universität nicht
einschüchtern zu lassen. Es ist eine außergewöhnliche Uni mit hohen Ansprüchen, aber man
kann alles sehr gut meistern. Die einzige Umstellung zum deutschen System ist der vermehrte
Arbeitsaufwand im Semester- dafür hat man in den Ferien aber wirklich frei.
Nach dem ich das Bewerbungsprozedere hier in Bonn durchlaufen hatte, habe ich
mich hauptsächlich auf der Homepage von Oxford über die Uni informiert, was verwirrend
und hilfreich zugleich war. Das Collegesystem ist das Herzstück der Universität, aber so richtig durchdringt man es erst, wenn man vor Ort ist, egal wie gut man es zuvor zu verstehen
geglaubt hat. Es gibt um die 40 Colleges, die alles eigene kleine Unternehmen sind und alle
vollkommen unterschiedlich funktionieren. Es ist ganz gleich, auf welches College man geht,
jedes hat seinen eigenen Charakter und seine ganz eigene Geschichte. Es ist wahrscheinlich
am einfachsten das System mit dem in Hogwarts zu vergleichen, nur dass es 40 und nicht nur
vier „Häuser“ gibt. Das College ist der Ort, an dem man zu Hause ist. Man wohnt und isst
dort, hat seine Gemeinschaftsräume und von dort aus wird alles für einen organisiert. Informationen zu all dem bekommt man früh genug von seinem College zugesendet, bei mir inklusive eines Einführungsprogramms mit College- und Stadtrundgängen und Willkommenspartys und vielem weiteren. Sobald alles ins Rollen kommt, gibt es genug Informationen von
allen Seiten, man muss sich nur erstmal ein wenig gedulden. Ansonsten sollte man sich vorher
eigentlich nur überlegen, wie man an sein Geld kommt. Ich habe kein Konto an einer englischen Bank eröffnet, sondern einfach eines hier bei der Deutschen Bank. Mit dem kann man
dann bei Barclays ohne Gebühren Geld abheben. Oxford ist keine billige Stadt und man sollte
von ca. 500 Pfund Lebenshaltungskosten ohne Collegegebühren (da sind die Miete und alle
Nebenkosten mit drin) ausgehen.
Gewohnt habe ich auf dem Collegegelände in einer hübschen, englischen Villa. So
schön das auch erstmal klingt, merkt man doch schnell, dass Isolierungen, Mischbatterien und
Doppelverglasung in England nicht zum Standard dazu gehören. Mein Zimmer war schön,
aber kalt und zugig. Ich empfehle viele Pullover und würde auf jeden Fall in einen kleinen
Heizlüfter „investieren“ (der Günstigste genügt völlig! Zehn Pfund bei Argos, dem Oxforder
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Ikea- Equivalent). In meinem Haus haben ansonsten nur Engländer gewohnt, was wunderbar
war. Die Collegestruktur verhindert, dass man in das berühmte „Erasmus- Loch“ fällt und nur
mit anderen Deutschen oder Erasmus- Studenten zu tun hat. Ich habe in der gesamten Zeit
tatsächlich keinen anderen Austauschstudenten kennengelernt. Bad und Küche musste ich mir
mit den andern Hausbewohnern teilen, was für Oxford ganz normal ist. Allerdings hat man
einen Scout, der jeden Tag die gemeinschaftlich genutzten Räume putzt, deinen Mülleimer
leert und einmal die Woche in jedem Zimmer staubsaugt. Auf dem Collegegelände zu wohnen hat viele Vorteile. Die Essenshalle ist ganz nah und man müsste theoretisch nie kochen,
wenn man nicht wollte, die Bibliothek ist nur einen Steinwurf entfernt und man bekommt alle
Aktivitäten des Collegelebens mit. Jede Woche war bei meinem College mit vielen, vielen
Events gefüllt. Filmabende mit Pizza, Kuchennachmittage, Mottopartys (Bob genannt), Sonntagsbrunchs und die berühmten formal halls. Das sind Dinners, bei denen einem schick herausgeputzt ein Drei- Gänge- Menü serviert wird und man sich gemeinsam von dem Essaystress bei einem Glas Wein erholen kann. Zu Beginn ist es etwas ungewohnt, sich im Cocktailkleid oder Anzug zum Essen zu begeben, aber irgendwann wird auch das zur Routine. Jedes College macht seine formal halls etwas anders und so würde ich empfehlen so viele wie
möglich, auch in anderen Colleges zu besuchen (man kann als Gast eingeladen werden). Ansonsten findet man in seinem College alles, was man zum Leben braucht und noch vieles
mehr (Waschküchen, Bar, Fitnessstudio).
Das Herzstück der Lehre in Oxford sind die berühmten Tutorien. Jeder Bachelorstudent bekommt einen Tutor aus seinem College zugewiesen, der hauptverantwortlich für die
Lehre des Studenten ist. Man darf sich nur nicht von der Bezeichnung verwirren lassen, denn
ein Tutor ist ein Dozent oder Professor. Beim tutorial teaching handelt es sich tatsächlich um
Einzelunterricht mit seinem Tutor. Zu jedem Tutorium wird ein Essay zu einem vorher bestimmten Thema geschrieben, welches dann vorgelesen und diskutiert wird. Geschrieben und
gesprochen wird auf Englisch, auch wenn man Deutsch studiert! Neben dieser ganz besonderen Art des Unterrichts werden ganz normal auch Vorlesungen und Seminare besucht, die
allerdings auf Universitätsniveau, also nicht im College, sondern in den jeweiligen Instituten,
frei zugänglich für alle Studenten der Universität, egal von welchem College, abgehalten
werden. Meinem Englisch hat zudem besonders die Teilnahme an Übersetzungskursen geholfen. Das klingt zunächst alles etwas verwirrend, aber man lernt es relativ schnell zu durchschauen.
Und geholfen wird einem überall. Nicht nur die englische Höflichkeit, sondern auch
die wunderbaren Mitarbeiter in jedem College und die vielen, wirklich engagierten Studenten
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helfen einem immer und sofort bei jeglichem Problem. Dadurch, dass Studium und Leben so
eng verwoben sind, gibt es auch eine ganz andere Studentenkultur als man sie aus Deutschland kennt. In der Freizeit kann man sich in den sogenannten Clubs und Societys engagieren.
Clubs werden alle ‚Vereine‘ genannt, die sich um jedwede sportliche Betätigung drehen (vom
Rudern, das wirklich so wichtig ist, bis hin zum Quidditch ist alles dabei) und eine Society
kann alles (!) andere sein. Ich selbst war in dem Hiking- Club, der Psychology- Society und
der Pudding Society. Pudding ist das englische Wort für Dessert und wir haben uns einfach
einmal die Woche zum Backen und Teetrinken getroffen, was neben dem stressigen Essayschreiben eine sehr nette und leckere Abwechslung war. Damit sei gleich noch auf eine weitere Besonderheit hingewiesen: Oxford spezifische Wörter. Mein College schickte mir vor Beginn meines Aufenthaltes einige Informationsmaterialien und dadrin unter anderem ein Glossar voll mit Wörtern, die es nur in Oxford gibt. Diese verunsichern zunächst sehr, werden aber
von allen ständig verwendet, sodass man sich sehr schnell daran gewöhnt. Angefangen mit
den besonderen Namen der Trimester (Michaelmas, Hilary, Trinity) über die ungewöhnlichste
Aussprache einiger Orte und Colleges bis zur besonderen Bezeichnung der Kleidungszusammenstellung, die man zur offiziellen Immatrikulation tragen muss, dem Subfusc.
Abschließend kann ich nur sagen, dass es sich gelohnt hat, den Bewerbungsstress und
all die Bürokratie auf sich zu nehmen. Die Chance so (verhältnismäßig) einfach nach Oxford
zu gehen ist wohl einmalig und ich habe eigentlich keine wirklich negativen Erfahrungen gemacht. Eine wunderschöne, alte Stadt, viele neue Menschen, ein komplett anderes System,
Essaystress als Erfahrung und vieles mehr bietet diese Uni. Dass die Stadt so alt ist, hat aber
auch seinen Preis und so ist höchstens der Zustand der Räume und alten Gebäude negativ anzumerken. Eine meiner eindrücklichsten Erfahrungen, die mir eigentlich nur das Besondere
dieser Stadt und Universität vor Augen geführt hat, hatte ich gleich kurz nach meiner Ankunft: Ein Vortrag wurde im wunderschönen Sheldonian Theatre gehalten und es gab anschließend für die Diskussion einen Empfang mit Sekt und Canapés in der Divinity Schooldieser Saal nimmt einem den Atem, wenn man noch nicht an das ständig Alte und Schöne in
Oxford gewöhnt ist.
Fragen gerne an: [email protected]
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Matriculation (Immatrikulationsfeier) im Sheldonian Theatre
Mein Zimmer im St. Hugh's College
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Divinity School
St. Hugh's College