Kino

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Kino
Kino
NUMMER 18
Kino kompakt
DONNERSTAG, 23. JANUAR 2014
Nachgefragt
» ZUM FILM „ERBARMEN“
HANNAS REISE
Therapeut der
Gesellschaft
Unfreiwilliger Trip
führt zum Liebesglück
„Hannas Reise“ ist ein ganz und gar
nicht freiwilliger Trip. Um ihre
Karriere zu beschleunigen, will die
ehrgeizige Hanna (Karoline
Schuch) ihren Lebenslauf aufpeppen – mit einem Praktikum in Israel. Der Plan, hierfür eine gefälschte Bescheinigung zu bekommen,
geht nicht auf. Und so landet Hanna
in einem Behindertendorf in Tel
Aviv ... Regisseurin Julia von Heinz
erzählt von Gegensätzen, von den
Schatten der Vergangenheit und
dem schwierigen Alltag in Israel.
Vor allem aber ist „Hannas Reise“
eine romantische Liebesgeschichte. (dpa)
***
Start in Augsburg, Ulm
Mikkel Nørgaard, Jahrgang 1974, besuchte die
Nationale Filmschule in
Dänemark und arbeitete
unter anderem als Assistent von Lars von Trier.
O
I, FRANKENSTEIN
Ein Monster kämpft
für die Menschheit
Er lebt in Darkhaven, einer finsteren Stadt, mitten unter den Menschen. Erschaffen aber wurde Adam
(Aaron Eckhart) vor 200 Jahren
von dem Wissenschaftler Dr. Victor
Frankenstein. In der actionreichen
US-australischen Komödie „I,
Frankenstein“ – basierend auf einem gleichnamigen Comic – muss
Adam sich mit fiesen Kreaturen,
Gargoyles und Dämonen, anlegen.
Frankensteins aus Leichenteilen
zusammengesetztes Geschöpf befindet sich in einem Kampf, bei dem
nicht weniger auf dem Spiel steht als
das Schicksal der Menschheit.
(dpa)
**
Start in vielen Kinos der Region
O
CRASHKURS
Senioren stellen sich
gegen die Bankenkrise
Der Schrecken ist groß für Frau
Meyenburg, als ihr der Bankangestellte eröffnet, dass das ganze Geld
weg ist: Die New Yorker Bank, bei
der die Wertpapiere lagen, ist insolvent. Dabei hatten sich Eva Meyenburg und ihr Mann Alexander
den Ruhestand so angenehm ausgemalt. Die Bankenkrise macht dem
Ehepaar einen gehörigen Strich
durch die Rechnung. Eva will sich
das nicht gefallen lassen; mit anderen Betroffenen fordert die 72-Jährige ihr Geld zurück und kämpft
für Gerechtigkeit. „Crashkurs“, der
erste Langfilm von Regisseurin
Anika Wangard, basiert auf einer
wahren Geschichte. (dpa)
***
Noch nicht angelaufen in der Region
O
Unsere Wertungen
* sehr schwach
** mäßig
*** ordentlich
**** sehenswert
***** ausgezeichnet
Weiter sehenswert
● The Wolf of Wall Street *****
Leonardo DiCaprio in Scorseses
Epos über die Gier.
● 12 Years A Slave *****
Schonungslos realistisches Sklavendrama von Steve McQueen
● Nebraska ****
Charmantes Roadmovie
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Blockbuster, an welchen Projekten
arbeiten die Regisseure?
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Nikolaj Lie Kaas (links) als Kommissar Carl Mørck und Fares Fares als Hafez el-Assad in „Erbarmen“.
Foto: Christian Geisnaes/NFP/dpa
Die Schnüffler aus dem Polizeiarchiv
Erbarmen Und jetzt die Dänen: Nach dem Erfolg der Schwedenkrimis hat Mikkel Nørgaard
nun Jussi Adler-Olsen verfilmt. Ein Film-Noir mit überraschender Erzählstruktur
VON MARTIN SCHWICKERT
Nach den Erfolgen der Schwedenkrimis auf dem internationalen
Buchmarkt haben die Verfilmungen
von Stieg Larssons Millennium-Trilogie auch im Kino den Weg für eine
Welle von skandinavischen NoirKrimis geebnet. Gemeinsam sind
ihnen eine tiefe Skepsis gegenüber
der Wohlstandsgesellschaft und der
feste Wille unter der Oberfläche des
sozialen Friedens verbrecherische
Abgründe zu erkunden. Nun
springt auch das dänische Kino auf
den Zug auf und beweist mit Mikkel
Nørgaards „Erbarmen“, dass es
nicht nur Dogma, sondern auch
Genre kann.
Als Vorlage diente Jussi AdlerOlsens gleichnamiger Roman, der
sich auch hierzulande auf der Bestsellerliste ganz weit nach oben arbeitete. Vier Fortsetzungen sind bereits auf dem Markt, fünf weitere
Folgen wurden angekündigt. Genug
Stoff also für so ein skandinavisches
Franchise-Unternehmen. Im Zentrum der Reihe steht der nahezu unausstehliche Kommissar Carl Mørck
– ein typischer Noir-Cop nordischer
Herkunft: geschieden, wortkarg,
impulsiv und subordinationsresistent. Nach einem verpatzten Einsatz, bei dem ein Kollege getötet
und ein weiterer schwer verletzt
wurde, wird der erfahrene Ermittler
zum Aktenverschieben in den Keller versetzt. Gemeinsam mit dem
aus Syrien stammenden Kollegen
Assad (Fares Fares) soll er ungelöste
Fälle durchsehen. Aber Mørck
nimmt seine Arbeit im „Sonderdezernat Q“ ernster, als es seinen Vorgesetzten lieb ist. Er verbeißt sich in
den Fall der jungen Politikerin Merete Lynggaard (Sonja Richter), die
auf einer Fähre spurlos verschwand.
Selbstmord hieß es damals im Abschlussbericht, aber Carl stößt schon
bald auf einige Ungereimtheiten in
den Akten und tut das, was er ei-
gentlich nicht soll: ermitteln. Mit
den Nachforschungen setzt eine Paralleldramaturgie ein, aus der schon
bald hervorgeht, dass Merete entführt wurde und noch am Leben ist.
Interessant ist die Erzählstruktur
deshalb, weil das Publikum stets einen kleinen Wissensvorsprung vor
den Kriminalisten hat, was der Geschichte jedoch nicht den Wind aus
den Segeln nimmt, sondern die
Spannung auf paradoxe Weise steigert. Hinzu kommt Nørgaards sicheres Gespür fürs Atmosphärische
und der Wille zur ästhetischen Variation der Genrevorschriften. Regierten in den schwedischen NoirWerken wie „Verblendung“ oder
„Der Hypnotiseur“ kalte, stahlblaue Farbtöne, arbeitet „Erbar-
Mikkel Nørgaard
● Erste Erfolge Die Laufbahn von
Regisseur Mikkel Nørgaard ist eng
mit den dänischen Comedians Casper
Christensen und Frank Hvam verbunden. Die Comedy-Show „Klovn“,
brachte ihnen den erhofften Erfolg.
2010 kam der Film zur Serie ins Kino.
● Weitere Regiearbeiten Neben
Fernsehproduktionen führte Nørgaard auch Regie bei mehreren Folgen
der Krimiserien „Anna Pihl – Auf
Streife in Kopenhagen“ (2007-2008)
und „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ (2010/11). (AZ)
Ohne Ruhepause
men“ mit stärkeren Kontrasten zwischen unwirtlicher Außenwelt und
den in warme Brauntöne getauchten
Szenen im Polizeiarchiv.
Der wichtigste Joker des Filmes
ist allerdings Nikolaj Lie Kaas. Dänische Filme sind ja immer ein wenig wie ein Klassentreffen und Kaas
war in Werken wie Lars von Triers
„Idioten“, Anders Thomas Jensens
„Flickering Lights“ oder Susanne
Biers „Open Hearts“ und „Brüder“
immer ein gern gesehener Gast. Oft
wurde er als Choleriker besetzt,
aber hier in „Erbarmen“ leitet er die
aggressive Energie konsequent nach
innen. Wie ein vor sich hin brodelnder Vulkan wirkt sein griesgrämiger
Polizist, zu dem Fares Fares („Jala!Jala!“) einen interessanten, tiefenentspannten Gegenpol bildet. Sicherlich trägt „Erbarmen“ nicht die
emotionale wie intellektuelle Vielschichtigkeit der Stieg-LarssonVerfilmungen in sich. Aber als geradliniges, um einen eigenen Stil bemühtes Genrekino kann sich dieser
dänische Franchise-Auftakt durchaus sehen lassen.
****
O
Start in Augsburg, Ingolstadt, NeuUlm
Was macht Jussi Adler-Olsens Roman
zu einer interessanten Filmvorlage?
Nørgaard: Adler-Olsen hat in seinem
Roman ein spannendes Universum
mit starken Charakteren und einer
komplexen Erzählstruktur entworfen. In Schweden und Dänemark
haben wir in den letzten zehn Jahren
eine eigene Tradition von skandinavischen Noir-Krimis entwickelt und
für mich war es eine interessante
Herausforderung, diese Geschichte
innerhalb dieses Genres zu erzählen.
Warum kommt diese Welle von sehr
düsteren Thrillern eigentlich ausgerechnet aus Skandinavien?
Nørgaard: Skandinavische Länder
haben nach außen hin immer ein
Heile-Welt-Image. Und es stimmt:
Wir verfügen über eine gute Infrastruktur, eine relativ stabile Wirtschaft und einen funktionierenden
Sozialstaat. Aber diese Romane und
Filme wollen herausfinden, was sich
unter der polierten Oberfläche befindet. Sie wollen die dunkle Seite
erkunden, die in uns allen steckt und
mit der wir als Gesellschaft klarkommen müssen.
Ist dieser Pessimismus in der skandinavischen Gesellschaft verankert oder ist
er nur das schicke Hobby von ein paar
Autoren und Filmemachern?
Nørgaard: Ich glaube, dieser Pessimismus ist in den skandinavischen
Ländern unterschwellig schon vorhanden, aber diese Bücher und Filme eröffnen den Menschen die
Möglichkeit, jene dunklen Welten
in einer sicheren Umgebung zu erforschen. Man kann im Kino oder
beim Lesen mit diesen Gedanken
und Gefühlen spielen und danach
sein hoffentlich schönes und liebenswertes Leben weiterleben.
Thriller als Gesellschaftstherapie?
Nørgaard: Wenn Sie so wollen. Ich
bin der festen Überzeugung, dass,
wenn man die dunklen Seiten der
Seele immer unterdrückt, diese irgendwann umso stärker zum Vorschein kommen. Filme können als
Spiegel benutzt werden, um unsere
eigenen Gefühle zu reflektieren.
Wir sollten akzeptieren, dass wir als
Menschen sehr viele verschiedene
Emotionen in uns tragen. Solche
Filme bieten die Möglichkeit, diese
Gefühle an sich herankommen zu
lassen. Und das ist wichtig für die
Gesundheit einer Gesellschaft.
Interview: Martin Schwickert
Mit Ungereimtheiten
Homefront Statham kämpft gegen Drogenbosse Der blinde Fleck Benno Fürmann rollt das Oktoberfest-Attentat neu auf
Da konnte kaum etwas schiefgehen:
Schauspieler Sylvester Stallone
schreibt das Drehbuch, Actionspezialist Jason Statham spielt die
Hauptrolle, ein Routinier wie Gary
Fleder übernimmt die Regie, die
meisten Rollen sind prominent besetzt. Wenn das so einfach wäre.
Mehr als ein höchstens passabler
Thriller ist „Homefront“ nicht geworden. Dies liegt primär am unglaubwürdigen Drehbuch, das über
simple Gut-Böse-Schablonen nicht
hinauskommt.
Die Geschichte vom abgetauchten Ex-Drogenermittler Phil Broker
(Statham), der nach dem Tod seiner
Frau mit der zehnjährigen Tochter
Maddy in einer Kleinstadt im Süden
der USA ein neues Leben anfangen
will, lässt von Beginn an jeden
Hauch von Plausibilität vermissen.
Da schlägt Maddy auf dem Schulhof
den Neffen des örtlichen Drogenbosses fast krankenhausreif. Dieser
Fiesling namens Gator Bodine (unfreiwillig komisch: James Franco)
schnüffelt dann in Brokers Haus herum, findet herumliegende Ermittlungsakten, und klaut der kleinen
Maddy das Kuscheltier und die Kat-
ze. Da muss die Kleine richtig weinen, ihr Papa wird richtig böse …
Die New York Times belächelte
den Film bereits als „ländliche
Freak Show“. Was Multitalent
Franco geritten hat, den Part des
Drogenbosses anzunehmen, bleibt
sein Geheimnis. Mehr als ein dämonisches Dauergrinsen braucht er für
diese schwachsinnige Rolle nicht.
Am
Startwochenende
spielte
„Homefront“ mickrige sieben Millionen Dollar ein. Diese Schlacht
kennt keine Gewinner. (dpa)
*
Start in vielen Kinos der Region
VON ANDRÉ WESCHE
O
Die jüngsten Opfer waren sechs,
acht und elf Jahre alt. Auch zwei
17-Jährige wollten sich amüsieren
und wurden jäh aus dem Leben gerissen, als am 26. September 1980
eine Bombe auf dem Münchner Oktoberfest detonierte. 13 Biografien
endeten an diesem Tag, darunter die
des Gundolf Köhler, dem man alsbald die Alleinschuld an dem feigen
Verbrechen zuschreiben wird.
Der Journalist Ulrich Chaussy,
der im Film „Der blinde Fleck“ von
Jason Statham und Izabela Vidovic in
„Homefront“.
Foto: Universum Film
Durch seine Recherchen macht Ulrich Chaussy (Benno Fürmann, links) den undurchsichtigen Meier (August Zirner) auf sich aufmerksam.
Foto: Ascot Elite Filmverleih
Benno Fürmann verkörpert wird,
glaubt nicht an die These vom Einzeltäter. Er stellt auf eigene Faust
umfangreiche Recherchen an und
stößt auf zahlreiche Ungereimtheiten, die nicht ins offizielle Bild passen. Aber Chaussy kämpft gegen die
(Wind-)Mühlen der Justiz, seine
Erkenntnisse werden geflissentlich
ignoriert. Als er Anfang des neuen
Jahrtausends anregt, die Beweise
noch einmal mithilfe neuer wissenschaftlicher Methoden zu untersuchen, folgt der nächste Tiefschlag.
Die Asservate vom Tatort wurden
vernichtet. Angeblich, um Platz im
Archiv zu schaffen.
Am Ende schlägt Daniel Harrichs
Film einen dramaturgischen Bogen
zum NSU-Skandal. An diesen hat
sich der Zuschauer von Anfang an
erinnert gefühlt, wenn Politik und
Staatsschützer die Augen vor den
Tatsachen verschließen und die
Möglichkeit einer rechtsradikalen
Vernetzung konsequent ausklammern. Es kann nicht sein, was nicht
sein darf. Bar jeder Sensationslust
präsentiert der Film die Fakten, wobei die tatsächlich involvierten Personen in der Regel mit neuen Namen versehen oder mehrere Charaktere zu einem Protagonisten zusammengefasst wurden. Auch das
Privatleben Chaussys im Film entspricht nicht zwangsläufig der Realität.
Über die interessante und spannend aufgearbeitete Thematik hinaus bietet das Drama „Der blinde
Fleck“ eindrucksvolles deutsches
Schauspielerkino.
Merkwürdig,
dass man dieses Thema nicht viel
eher entdeckt hat.
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Start in Augsburg, Kempten, Landsberg, Ulm
O

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