Ausgasungen aus Siliconen
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Ausgasungen aus Siliconen
Ausgasungen aus Siliconen Dr. Frédéric Gubbels, Masayuki Onishi, Dr. Martin Stephan Dow Corning S.A., Seneffe, Belgien und Dow Corning GmbH, Wiesbaden, Deutschland Zusammenfassung Es ist seit langem bekannt, dass Ausgasungen (Desorption) sowie Ausbluten und Spreiten von nicht vernetzten Bestandteilen aus Siliconprodukten elektrische und elektronische Baugruppen in ihrer einwandfreien Funktion beeinträchtigen können. So fordern heutzutage mehrere Hersteller in den jeweiligen technischen Datenblättern eine strikte Vermeidung von Siliconen im Inneren und der Umgebung von Relais. Solche Hinweise nehmen Fortschritte in Produktentwicklung und Bauteildesign zur Vermeidung von Silicon-Kontaminationen nicht ausreichend in Betracht. Dieser Beitrag verfolgt nicht das Ziel, die Situation zu beschönigen, sondern die Vorteile und die Grenzen der Anwendung von Siliconschutzlacken aufzuzeigen, um deren einwandfreien Einsatz zu ermöglichen. Neben einem kurzen historischen Rückblick werden die herausragenden Eigenschaften ebenso beschrieben, wie die verschiedenen Ursachen für Kontaminationen und Strategien zu deren Vermeidung. Fallbeispiele werden beschrieben. Das Spreiten bzw. Ausbluten von Fluids bzw. Formulierungsbestandteilen ist dabei von Ausgasungen aus unvernetzten und vernetzten Siliconen zu unterscheiden. Stichworte Silicone, Polysiloxane, Siliconschutzlacke, Conformal Coatings, Zuverlässigkeit von elektronischen Baugruppen, flüchtige Bestandteile, Desorption, Spreiten, Ausbluten, Kontaktwiderstand, Kontamination von Oberflächen Einleitung Der Schutz von Leiterplatten bzw. ganzen elektronischen Baugruppen wird in seiner Bedeutung zunehmen. Immer komplexere und miniaturisierte Elektronik und Elektrik wird mit immer höheren Anforderungen an Zuverlässigkeit in extremer Umgebung betrieben. Dies stellt gerade für Anwendungen im Fahrzeug eine große Herausforderung dar. Bauteildesign und Auslegung verlangen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistungsfähigkeit, Kostenrahmen und Prozesstechnik der eingesetzten Materialien zum Schutz dieser Baugruppen. Für die Entscheidungsfindung sind sehr gute Materialkenntnisse erforderlich. Soll ein Schutzlack zum Einsatz kommen oder besser eine Vergussmasse, ein Gel oder ein Klebdichtstoff? Ist einem hermetisch dichten Gehäuse der Vorzug zu geben? Wie werden die Anforderungen von Spezifikationen erfüllt und sehr teure Feldausfälle vermieden? So manches Design beruht auf „jahrelanger Erfahrung“. Dabei kommen Vergussmassen zum Einsatz, deren Ersatz durch eine erheblich geringere Menge Schutzlack einen ebenso guten Schutz gewährleisten würde, bei niedrigeren Kosten und zudem minimiertem Bauteilgewicht. Lösemittelfreie Siliconschutzlacke sind zudem oft kostengünstiger als entsprechende lösemittelhaltige organische Pendants. Der Prozentgehalt eines Lösemittels ist Teil des Kilopreises, leistet jedoch keinen Beitrag zur Schutzschicht. Lösemittel unterliegen zudem häufig Umweltrichtlinien und Emissionsvorschriften. Eine häufig noch anzutreffende Meinung: je dicker die Schicht, umso länger hält der Schutz vor. Viel hilft viel! Schätzungen zufolge stellen Silicone ca. 40% des globalen Marktes für Schutzlacke. Warum ist dieser Anteil nicht höher, wenn Silicone vorteilhaft organische Materialien ersetzen können. Gründe dafür sind unter anderem Materialkosten, bestehende Erfahrungen mit organischen Materialien und deren Verarbeitung, Temperaturbedingungen, sowie häufig noch anzutreffende Vorbehalte gegenüber Siliconen und den durch sie verursachten Kontaminationen. All dies erschwert dem Anwender einen Materialwechsel. Im folgenden sollen die Vorteile und Grenzen der Anwendung von Siliconschutzlacken dargestellt werden, um deren einwandfreien Einsatz zu ermöglichen [1,2]. Kaum ein Jahr verging zwischen Markteinführung von Siliconen im Jahr 1943 und dem Erscheinen der ersten Artikel über Siliconkontaminationen [3-5]. In einem dieser Beiträge [6] stellt L.E Moberly im Jahr 1960 fest: „With the increasing demands for high temperature materials, it is natural that silicones, whose retention of properties at high temperatures is well known, should be applied in many new equipment and apparatus designs. The fact that silicone vapors affect the performance of contacts has been recognized for some time“. Die Schilderung des Sachverhalts vor über 40 Jahren erscheint heute nach wie vor zeitgemäß und war 1960 in den Grundzügen seit 15 Jahren bekannt. Diese Artikel wurden Jahre vor dem Auftreten von Siliconkontaminationen in Relais in der Telekommunikationsindustrie bzw. von Problemen bei der Lackierung von Fahrzeugteilen publiziert. Obwohl beide Fehlerbilder auf völlig unterschiedlichen Effekten beruhen, werden sie zuweilen heute noch mit einer gemeinsamen Ursache verknüpft. In dem erstgenannten Fall sind Ausgasungen aus vernetzten Elastomeren die Ursache, während im zweiten Fall Spreiten bzw. Ausbluten von flüssigen Bestandteilen für die Ausfälle verantwortlich sind. In den vergangenen 10-15 Jahren konnten gerade im Bereich der quantitativen Analytik (GCMS, Oberflächenanalyse, gezielte Verunreinigung, Grenzwerte) [2] und der Produktentwicklung (hochreine Formulierungsbestandteile, low-volatile content Produkte) entscheidende Fortschritte erzielt werden. Haupteigenschaften von Siliconschutzlacken (Silicone Conformal Coatings) Das Rückrat von Siliconpolymeren besteht aus einer Kette von sehr stabilen SiliziumSauerstoffbindungen. Die Bindungsenergie (110 kcal/mol) liegt dabei um ca. 30 kcal/mol höher als die vergleichbarer C-C-Einfachbindungen in rein organischen Polymeren. Dazu ermöglicht eine größere Si-O-Bindungslänge eine niedrigere Rotationsbarriere. Das Resultat sind sehr stabile und gleichzeitig flexible Elastomere über einen Temperaturbereich von 60°C bis zum Erreichen der Zersetzungstemperatur bei > 300°C. Unter den physikalischen Eigenschaften sind z.B. die dielektrischen Eigenschaften, die Isolationsfestigkeit und die Beständigkeit gegen UV-Licht hervorzuheben. Me Me Si Me Abb. 1: O Me n Si Me Me Bindungsverhältnisse / Polymerstruktur von Siliconen (Dimethylpolysiloxan). Die Anzahl n+1 der Me2SiO-Gruppen beschreibt den Polymerisierungsgrad. Eine weitere herausragende Eigenschaft ist das Verhalten gegenüber Feuchtigkeit. Auf der einen Seite durchlässig für Wasserdampf, sind Werkstoffe aus Silicon außerordentlich hydrophob. Diese Eigenschaftskombination ist ideal für die Eliminierung von Oberflächenfeuchte nach Applikation auf ein Substrat und Schutz vor Wasser durch Kondensation. Die Sättigungskonzentration von Wasser in Siliconen liegt mit < 0.1% häufig um Größenordnungen unter denen organischer Materialien. Dieser Unterschied hat einen direkten Einfluss auf die Diffusion / Migration von Ionen durch eine Schutzschicht. Weiterhin sei noch auf die gute Haftfähigkeit auf sehr vielen Substraten sowie auf die generelle physiologische Unbedenklichkeit hingewiesen. Die Ursachen von Kontaminationen durch Silicone Eine hervorragende Übersicht über die verschiedenen Mechanismen, die zu Kontaminationen von Oberflächen durch Siliconmaterialien führen können, ist dem IVF-Report zu entnehmen [2]. Darin wurde die Desorption von niedermolekularen linearen und zyklischen Siloxanen aus Siliconelastomeren (z.B. Klebdichtstoffen, Vergussmassen, Schutzlacken und Gelen) im Hinblick auf negative Auswirkungen bzgl. Eigenschaften wie Adhäsion und Verunreinigung elektrischer Kontakte und Lötstellen qualitativ wie quantitativ untersucht. Die Hauptziele dieser Untersuchung waren: • • • • die Risikoabschätzung im Zusammenhang mit Elektronikanwendungen (Bestimmung von Grenzwerten flüchtiger Bestandteile) die Ausarbeitung einer zuverlässigen Analysemethode die Relation zwischen Spreiten/Ausbluten und Desorption (Ausgasung) beim Vernetzungsprozess die Ausarbeitung einer kontrollierten und nachvollziehbaren Methode zur Verunreinigung von Oberflächen mit Siliconen. Abb. 2: Dampfdrücke linearer und zyklischer Dimethylpolysiloxane; L2 bis L10 sind lineare Silicone mit Polymerisierungsgrad 2-10; D3 bis D9 sind zyklische Silicone mit 2-9 monomeren Me2SiO-Einheiten. Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Verunreinigungen durch flüchtige oder flüssige Bestandteile. Ein flüchtiger Bestandteil zeichnet sich durch einen für die jeweilige Temperatur signifikanten Dampfdruck aus. Während dies bei niedermolekularen linearen wie zyklischen Polysiloxanen der Fall ist, zeigen Silicone mit einem Polymerisierungsgrad über 20 das typische Verhalten von „non-volatile fluids“. Das Verdampfen in die Gasphase ist direkt abhängig von der Temperatur, dem Molekulargewicht und der Molekularstruktur. Abb. 2 zeigt die Zusammenhänge: lineare Polysiloxane sind flüchtiger als ihre zyklischen Pendants; je niedriger das Molekulargewicht, umso höher der Dampfdruck. Der Einfluss der Umgebungstemperatur wird sehr gut illustriert durch den Vergleich der Dampfdrücke dieser Polysiloxane bei 20°C, 100°C und 200°C. Bei 20°C ist L10 eine reine Flüssigkeit, bei 100°C jedoch so flüchtig wie D6 bei Raumtemperatur; bei 200°C ist L10 ebenso flüchtig wie L3 bei Raumtemperatur. Auf dieser Basis kann zwischen flüssigen und flüchtigen Bestandteilen gut differenziert und die zu erwartende Kontamination nachvollziehbar beschrieben werden. Wir können so drei unterschiedliche Fälle für zwei Arten von Verunreinigungen erfassen (Abb. 3): Kontamination kann verursacht werden durch flüchtige Bestandteile, Aerosole und flüssige Bestandteile. Arten der Kontamination Flüchtige Silikone aus Pasten, Fluids, vernetzten und nicht-vernetzten Silikonen 1 Aus Aerosolen (Sprays) 2 Spreiten aus Pasten, Fluids und nicht-vernetzten Silikonen sowie Ausbluten/Spreiten aus vernetzten Silikonen 3 20th April 2004 Abb. 3: Ohne direkten Kontakt (Gasphase) Nur im direkten Kontakt 12 Arten der Kontamination mit Siliconmaterialien Die Art der Kontamination durch flüchtige Silicone und Aerosole ist identisch: der Austausch erfolgt über die Gasphase ohne direkten Kontakt. Die Konsequenzen können allerdings außerordentlich verschieden sein, da Aerosole auch aus nicht flüchtigen Fluids (Ölen) bestehen können. Auf Aerosole soll im Folgenden aber nicht weiter eingegangen werden, da diese kaum bei der Verarbeitung von Schutzlacken entstehen. Es wird jedoch ausdrücklich vor SprühApplikationen in Produktionsbereichen gewarnt, da die Verbreitung über die Raumluft bzw. die Belüftungssysteme unkontrolliert erfolgen kann. SelectCoat®- bzw. Tauchverfahren sind unbedingt vorzuziehen. Von Aerosolen abgesehen, können Kontaminationen durch Flüssigkeiten nur im direkten Kontakt entstehen. Zur Kontamination durch flüchtige Bestandteile besteht ein wesentlicher Unterschied: sofern nicht hermetisch eingeschlossen, wird die flüchtige Komponente dauerhaft entweichen; eine Flüssigkeit wird hingegen am Ort verbleiben und muss in einem gesonderten Schritt entfernt werden. Flüchtige Bestandteile von Siliconen sind demzufolge für Lötprozesse oder Lackierungen kein Risiko, da sie leicht von Oberflächen verdampfen und zudem chemisch sehr innert sind. Bei Raumtemperatur ist ein flüchtiges Siliconoligomer wie D5 innerhalb 15 Minuten quantitativ von einer beliebigen Oberfläche verschwunden, wenn es ist nicht hermetisch eingeschlossen ist. Im Gegensatz dazu ist die Oberflächen-Kontamination einer Lötstelle oder einer zu lackierenden Oberfläche mit einem höhermolekularen Siliconfluid problematisch. Es mag überraschend sein, dass verdampfbare Silikone nahezu ideale Löse- und Reinigungsmittel für Siliconfluids auf Oberflächen sind. Wie bereits erwähnt, sind flüchtige Bestandteile nur dann eine Quelle für dauerhafte Verunreinigungen, wenn sie entweder nicht entweichen können oder chemisch verändert werden. Dies kann bei elektrischen Stellmotoren, Relais oder Potentiometern der Fall sein. Wird eine mit Siliconschutzlack versehene Leiterplatte zusammen mit einem Stellmotor in einem Gehäuse hermetisch eingeschlossen, so können die flüchtigen Bestandteile sukzessiv durch Reaktion im Lichtbogen bis zum Siliziumdioxid abgebaut werden. Es bilden sich feste und abrasive Rückstände an Kontakten. Sie erhöhen Kontaktwiderstände, schädigen Kollektoren und führen zu einem beschleunigten Ausfall [3-6]. Der Einsatz von Silicon-Klebdichtstoffen in Frontscheinwerfergehäusen (Verklebung der Streuscheibe) kann durch die im Klebdichtstoff enthaltenen niedermolekularen Bestandteile bei nicht sachgemäßer Materialauswahl das sog. „Fogging“ verursachen. Dafür verantwortlich sind Silicone, die durch UV-Strahlung langsam oxidativ abgebaut werden und die Funktion der Reflektoren durch Bilden weißlicher Rückstände dauerhaft beeinträchtigen. Bemerkenswert ist, dass dieser Effekt auch bei organische Materialien auftritt; die Rückstände auf den Reflektoren haben in diesem Fall eine gelbliche Farbe. Kontamination durch flüssige Bestandteile kann für Relais und Elektromotoren nur dann problematisch werden, wenn die elektrischen Kontakte direkt benetzt werden. Für korrekt gedichtete Bauteile stellt dies kein Problem dar. Umspritzte Bauteile können jedoch Mikrorisse aufweisen, die häufig erst durch Temperaturwechsel während des Betriebs entstehen. Siliconfluids können wegen der geringen Oberflächenspannung durch sehr feine Risse ins Innere solcher Bauelemente migrieren. Vermeidung von Kontaminationen durch flüssige Silicone Der effektivste Schutz vor Kontamination durch flüssige Bestandteile aus Siliconen ist offensichtlich die Vermeidung des direkten Kontakts zwischen Silicon und Substrat. Bezogen auf den Einsatz von Siliconschutzlacken bedeutet dies, dass ein Materialauftrag auf kritische Stellen wie Lötkontakte oder nicht gedichtete Relais vermieden werden muss. Das heißt allerdings nicht, dass Silicone für die Verwendung auf bestückten Leiterplatten nicht geeignet sind. Tatsächlich sind Silicone in diesem Bereich seit Jahren erfolgreich im Einsatz. Wichtig sind hier ein gutes „Housekeeping“ sowie die Trennung der einzelnen Produktionsbereiche. Eine präzise und selektive maschinelle Produktapplikation ist ebenso notwendig wie ein kontrollierter und vollständiger Vernetzungsprozess, so dass ein Migrieren nicht vernetzter Bestandteile unterbunden wird. Obwohl ein vollständig vernetzter Schutzlack Kleinstmengen an unvernetzbaren Fluids enthält, ist deren Migration aus dem elastomeren Netzwerk heraus um Größenordnungen langsamer als die Migration von Fluids bzw. Formulierungsbestandteilen aus dem aufgetragenen und noch nicht vernetzten Schutzlack. Nach dem Auftrag ist also auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Auftrag und vollständiger Vernetzung zu achten. Im Rahmen der IVF-Studie [2] wurde gerade die Migration solcher Fluids aus Siliconen heraus und das Ausbreiten auf dafür besonders sensiblen Goldoberflächen untersucht. Modellexperimente und Untersuchungen an Leiterplatten haben gezeigt, dass für vernetzte Produkte in unmittelbarerer Umgebung zu einem Goldkontakt das Risiko einer Verunreinigung außerordentlich gering ist; spezielle Materialien mit besonders hoher Reinheit schließen dieses Risiko vollständig aus [2]. Vermeidung von Kontaminationen durch flüchtige Silicone Cyclic content vs Contact Failure for Relays Relay Life (50 % Failure ON/OFF Counts) TEST CONDITION 10000000 •Voltage : 24 V 1000000 •Current : 24 mA • Frequency (ON/OFF) : 5 Hz 100000 •Temperature : 70 C 10000 •Silicone : 10 g 1000 0.001 •Cell : 1 L 0.01 0.1 1 10 Cyclic Content (%) Abb. 4: •Contact : 8 Lebensdauer von Relais, betrieben in einem abgeschlossenen Raum in Gegenwart von Silicon mit unterschiedlichem Gehalt zyklischer Siloxane (D4-D10) Cyclic content vs Contact Failure for Electrical Motors Motor Life (h) 10000 1000 No Silicone D4-D10:0.3% 100 D4-D10:0.03% D4-D10:0.01% 10 TEST CONDITION •Voltage : 5.5 V 1 •Current : 45 mA •Temperature : 60 C Cyclic content vs Contact Failure for Electrical Motors •Silicone : 2 g 1000 Motor Life (h) No effect •Cell : 450 mL Threshold •Motor : 8 100 10 1 1 10 100 1000 10000 100000 Cyclics maximum content in the air (ppm) Abb. 5: Lebensdauer eines Elektromotors, betrieben in einem abgeschlossenen Raum in Gegenwart von Silicon mit unterschiedlichem Gehalt zyklischer Siloxane (D4-D10) Alle auf Silicon basierenden Materialien weisen einen gewissen Prozentgehalt flüchtiger Bestandteile auf – sowohl vor als auch nach der Vernetzung. In Standardmaterialien variieren diese Anteile zwischen 0.5 bis 3%. Bei sehr niedrigen Viskositäten können die Werte auch höher liegen. Es sind jedoch am Markt ganze Produktgruppen so genannter „controlled volatility silicones“ verfügbar, welche einen Gehalt von < 0.001% aufweisen. Für Elektromotoren, Potentiometer und Relais konnte gezeigt werden, dass es Grenzwerte für flüchtige Bestandteile gibt, unterhalb derer keine Veränderung bei Kontaktwiderständen beobachtet wird [7]. Für Silicone in einer abgeschlossenen Lokalatmosphäre liegt dieser Grenzwert bei 10 ppm. Tests zeigen die Auswirkungen von Siliconen bei Vorliegen unterschiedlicher Konzentrationen. Sowohl Relais als auch Elektromotor wurden zusammen mit Siliconproben mit unterschiedlichen Konzentrationen flüchtiger Bestandteile in einer abgeschlossenen Atmosphäre unter Betriebsbedingungen untersucht. Das Relais wurde mit einer Frequenz von 5 Hz geschaltet, während der Motor unter normalen Bedingungen betrieben wurde. Die Resultate sind in Abb. 4 und 5 dargestellt. Die Daten belegen, dass Siliconmaterialien mit kontrolliert niedrigem Gehalt flüchtiger Bestandteile einen Betrieb von Elektromotoren und Relais in unmittelbarer Nähe in einem geschlossenen gemeinsamen Gehäuse sicher betrieben werden können. Der Grenzwert liegt bezogen auf D4 bei ca. 30 ppm, wobei dies sicher den Worst Case darstellt. A m o u n t o f S ilic o n e V o la tile s in th e a ir in p p m 30 S a fe le v e l a c c o rd in g to D o w C o rn in g e x p e rim e n t S a fe le v e l a c c o rd in g to T .T a m a i 10 L e v e l S ta n d a rd S ilic o n e 1 g /l a ir a p p lie d 227 1 0 Abb. 6: 100 L e v e l in C V S ilic o n e 1 g /l a ir a p p lie d 200 Der Anteil flüchtiger Bestandteile in Luft Amount of silicone to be applied (g) Safe amount of silicone to be applied in a confined space according to the volatile content 1000 100 0.001 % volatiles 10 0.01 % volatiles 1 0.1 % volatiles 0.1 0.01 0 5 10 Volume of the electronic device (l) Abb. 7: Obergrenzen für flüchtige Bestandteile in eingeschlossenen Gehäusen von Elektromotoren und Relais In Abb. 6 wird der Unterschied zwischen Standardsilicon und einem „controlled volatility silicone“ dargestellt. Es zeigt sich sehr eindeutig, dass bei der Gegenwart von 1 g Standardsilicon in einem eingeschlossenen Volumen von einem Liter fehlerfreier Betrieb eines Elektromotors nicht gewährleistet werden kann; hingegen ist die gleiche Menge eines Silikonmaterials mit kontrolliert niedrigem Gehalt flüchtiger Bestandteile als unbedenklich einzustufen. Abb. 7 stützt diesen Sachverhalt. Dort ist für verschiedene Anteile flüchtiger Bestandteile in vernetztem Siliconmaterial die Menge (in g) dargestellt, die in einem eingeschlossenen Volumen (Gehäuse des Bauteils) maximal verwendet werden kann. Die Frage, ob ein Schaltrelais oder ein Elektromotor in der Umgebung eines Standardsilicons betrieben werden kann, kann also eindeutig mit ja beantwortet werden. Der bereits über Jahrzehnte erfolgende Einsatz im Bereich von Fahrzeuggeneratoren und deren Reglern belegt dies. Wichtig ist dabei freier Luftaustausch, damit flüchtige Bestandteile entweichen können. Fazit Siliconmaterialien mit kontrolliert niedrigem Gehalt flüchtiger Bestandteile (sog. „controlled volatility silicones“) können in unmittelbarer Umgebung sensibler elektrischer und elektronischer Bauteile wie Elektromotoren und Relais sicher eingesetzt werden. In einigen Fällen ist dies sogar in hermetisch abgeschlossenen Gehäusen möglich. Die Risiken sind heute auf der Basis qualitativer und quantitativer Untersuchungen sehr gut abzuschätzen. Die Fortschritte in der Produkttechnologie und der quantitativen Analytik, aber auch bei der präzisen Verarbeitung unterstützen die Anwendung von Siliconen in scheinbar kritischen Bereichen. Weiterhin steigende Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Elektrik und Elektronik im Fahrzeug zusammen mit Umweltrichtlinien sprechen zunehmend für den Einsatz von Siliconschutzlacken (Conformal Coatings) in den kommenden Jahren. Literatur [1] F. Gubbels, M. Onishi, Controlled volatility silicone conformal coatings: why and how to use them, Global SMT & Packaging, 10-14 (2004) [2] H. Anderson et al., Silicone contamination project – final report, IVF Report 1997/49 [3] C. Von Brunt, Carbon brush contact films, General Electric Review 47, 16-19 (1944) [4] J. Maraden, Effect of silicone vapor on brush wear, AIEE Transactions 67, 1186-1190 (1948) [5] C. Lynn, Effect of commutator surface film conditions on commutation, AIEE Transactions 68, 106-112 (1949) [6] L.E. Moberly, Performance of silver contacts in atmosphere containing silicone vapors, Insulation 4, 19-24 (1960) [7] T. Tamai, M. Aramata, Safe level of silicone contamination for electrical contact, IEEE Holm Conf. Electric Contacts, 269-273 (1993) Adressen Dr. Frédéric Gubbels Dow Corning S.A. Parc Industriel - Zone C B-7180 Seneffe, Belgien Mailto:[email protected] Dr. Martin Stephan Dow Corning GmbH Rheingaustrasse 34 D-65201 Wiesbaden Mailto:[email protected]