Johanna Dohnal Frauenenquete 2015

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Johanna Dohnal Frauenenquete 2015
„Selbstbestimmt statt Fremdbeherrscht“
Johanna Dohnal Frauenenquete 2015
Johanna Dohnal Frauenenquete 2015
Die Fristenregelung ist 1975 in Kraft getreten. Welche Herausforderungen stellen
sich heute, vierzig Jahre später, im Kampf um die Rechte der Frauen?
"Selbstbestimmt statt fremdbeherrscht": Unter diesem Motto fand heuer zum 10.
Mal die Frauenenquete in Zusammenarbeit der SPÖ-Frauen mit den
Jugendorganisationen Sozialistische Jugend, Verband sozialistischer StudentInnen,
Aktion kritischer SchülerInnen, Junge Generation, FSG Jugend und Rote Falken statt.
Zum ersten Mal wurde heuer die Enquete der ersten österreichischen
Frauenministerin Johanna Dohnal gewidmet, die am 14. Februar Geburtstag gefeiert
hätte.
Um die Ergebnisse zu sichern und sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen,
finden sich im Folgenden die Zusammenfassungen der einzelnen Workshops.
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Inhaltsverzeichnis
Sexualpädagogik in Theorie und Praxis (Rote Falken)……………………………………………..………
4
Gemeinsam gegen sexuelle Belästigung Schwerpunkt:
Arbeitsplatz (FSG-Jugend)……………………………………………………………………………...……
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Gender-Medizin (VSStÖ)……………………………………………………………………………..………
7
„Queer Theory“ (AKS)……………………………………………………..…………………………………..
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„Rererevolution: Sexualität und Beziehungskonstrukte
zwischen Selbst- und Fremdbestimmung (SJ)………………………………..…………………….
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Mein Bauch gehört mir! 40 Jahre Fristenregelung (JG)………………………………………..
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Sexualpädagogik in Theorie und Praxis
Foto: Julia Wertheimer
Referentinnnen: Laura Schoch (BJV), Kristina Strauß-Botka (Rote Falken)
Im Workshop „Sexualpädagogik in Theorie und Praxis“ wurden eingangs die aktuelle Kampagne
und die Forderungen der Bundesjugendvertretung (BJV) thematisiert. Sexualpädagogik ist bereits
viel früher als oft gedacht in der Entwicklung der Kinder wichtig. Daher wurde im Praxisteil durch
das Ausprobieren von Spielen zum Thema, Erforschen von Bilderbüchern und Reflektieren des
gesellschaftlichen Zugangs zu Kindern und Sexualität/Geschlecht herausgefunden, wie
Sexualpädagogik für Kinder unter sechs Jahren aussieht. Die TeilnehmerInnen des Workshops
konnten durch das Ausprobieren unterschiedlicher Methoden, die für das Kleinkindalter gedacht
sind, hautnah erleben, wie vielfältig Sexualpädagogik ist, wie breit abseits von einem
„Aufklärungsgespräch“ mit Kindern gearbeitet werden sollte.
Zusammenfassend wurde festgestellt, dass Kinder sehr oft von der Umwelt mit sexualisierter
Sprache, geschlechtsstereotypen Vorstellungen, Normen und Werten, Heteronormativen
Vorstellungen, Körperidealen, Tabus und sexualisierter Gewalt konfrontiert werden.
Sexualpädagogik will starre Geschlechterrollenbilder aufbrechen, Familienbilder vielfältiger zeigen,
Kinder über ihren Körper informieren, Selbstbewusstsein stärken und vor Missbrauch schützen.
Forderungen:





Kinder haben ein Recht auf Sexualpädagogik!
Sexualpädagogik in die Ausbildung von ElementarpädagogInnen!
Sexualpädagogik-Weiterbildungen für bereits praktizierende PädagogInnen!
Bildungsmaterialien modernisieren!
Eltern aufklären!
Link zur BJV-Kampagne „RDN WR KLRSEX.“: http://www.bjv.at/klrsex/
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Gemeinsam gegen sexuelle Belästigung Schwerpunkt: Arbeitsplatz
Foto: Rainer Kriesch
Expertin: Mag.a Sandra Konstatzky, Gleichbehandlungsanwaltschaft
Ein Kollege redet am Mittagstisch „über die geilen Hasen“ vom Samstagabend, ein Mitschüler
hängt in der Klasse ein Poster mit nackten Frauen auf, der Fahrlehrer sagt ständig „Pupperl“ zu mir
und berührt mich unabsichtlich, als er mir die Gangschaltung erklärt, ein Kollege fragt mich „wie
die Nacht mit meinem Freund gestern war“. Das alles und viel mehr passiert Tag für Tag. Doch
meist werden solche Vorfälle tabuisiert, heruntergespielt oder es wird so getan, als ob es ganz
normal wäre, dass Frauen derartige Belästigungen aushalten müssten.
Was ist sexuelle Belästigung? Welche Formen sexueller Belästigung gibt es und wann wird von
sexueller Belästigung gesprochen? Bevor diese Fragen später im Workshop im Detail und auf
Grundlage von Gesetzen erklärt und besprochen wurden, begann die Expertin Mag.a Sandra
Konstatzky, stellevertretende Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, mit einem
Meinungsbarometer zum Thema. Es wurden verschiedene Situationen zum Thema sexuelle
Belästigung dargelegt. Die Workshop-TeilnehmerInnen sollten auf Basis ihres bisherigen Wissens
und persönlicher Einschätzung beurteilen, ob bestimmte Vorfälle und Situationen vom
Gleichbehandlungsgesetz erfasst werden und/oder, ob es sich um sexuelle Belästigung handelt.
Auszug der besprochenen Beispiele:




Eine Frau wird in der U-Bahn im Gedränge von einem Mann am Po begrapscht – Wird dieser Vorfall
vom GlBG erfasst? (nein)
Der Mann ist Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe. Wird dieser Vorfall vom GlBG erfasst? (ja)
In einer Tageszeitung erscheint ein Artikel mit frauenverachtenden Aussagen und sexistischen
Fotos. – Wird dieser Vorfall vom GlBG erfasst? (nein)
Eine Frau wird als Servicetechnikerin in einem rein männlichen Betrieb angestellt. Der Chef
versendet ein Pornovideo, indem eine Frau mit entblößtem Unterkörper einen Computer repariert,
an die männlichen Kollegen und teilt dazu mit, dass Umsätze nun „steil bergauf gehen werden“. –
Ist das sexuelle Belästigung? (ja)
Das Gleichbehandlungsgesetz regelt Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der
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Arbeitswelt, Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit,
Religion, Weltanschauung, Alters oder sexuellen Orientierung und die Gleichbehandlung ohne
Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit oder des Geschlechtes beim Zugang zu Gütern und
Dienstleistungen. Es ist sowohl unmittelbare Diskriminierung, also die Ungleichbehandlung
aufgrund eines Merkmals (z.B. Bewerbung einer Frau wird nicht berücksichtigt, weil ein Mann für
eine Stelle gewünscht ist) verboten, als auch mittelbare Diskriminierung. Das bedeutet, dass dem
Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten
Merkmales in besondere Weise benachteiligen (z.B. Teilzeitbeschäftigte erhalten Leistung nicht).
Sexuelle Belästigung hat viele unterschiedliche Formen und richtet sich nach subjektivem
Empfinden der Betroffenen. Es ist ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde
einer Person beeinträchtigt, für diese unerwünscht ist und die (Arbeits-)umwelt für diese Person
beeinträchtigt oder dies bezweckt. Das können Witze, Bemerkungen über Figur und sexuelles
Verhalten, Einladungen mit eindeutiger Absicht, pornografische Bilder/Texte, Berührungen uvm.
sein. Sobald für dich dieses Verhalten unerwünscht ist, dich in deiner Würde beeinträchtigt oder
eine demütigende, beleidigende (Arbeits-)umwelt schafft sprechen wir von sexuelle Belästigung.
Mithilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft kann sexuelle Belästigung geklagt werden. Wichtig ist
zu wissen, dass für die Betroffenen eine Beweismaßerleichterung gilt. Das heißt, dass die
betroffene Person die sexuelle Belästigung glaubhaft machen, sie aber nicht beweisen muss.
Im Strafrecht ist sexuelle Belästigung nur dann strafbar, wenn eine Belästigung durch
geschlechtliche Handlung vorliegt, das heißt nur direktes Berühren der Geschlechtsorgane. Das
berühmte Po-Grapschen würde demnach nicht darunter fallen. Durch die Novelle des
Strafgesetzbuches soll der §218 so geändert werden, dass das zukünftig möglich ist.
Abgeschlossen wurde der Workshop mit einem Rollenspiel, basierend auf einem wahren Verfahren
vor der Gleichbehandlungskommission (GBK). In diesem Verfahren stellte eine Frau einen Antrag
an die GBK, in dem sie mitteilte, dass sie sich wegen sexueller Belästigung diskriminiert fühlte. Der
Antrag wurde gegen den Belästiger und gegen die Flugschule, an der die Frau als Fluglehrerin tätig
war, weil sie, nachdem sie sich über die Belästigung aufregte, gekündigt wurde.
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Gender-Medizin
Foto: Rainer Kriesch
Expertin: Univ.-Lektorin Dr.in Miriam Leitner, MSc, Fachärztin für Gendermedizin
Geschichte der Gender-Medizin
In der Neuzeit war die Medizin, wie alle anderen Bereiche des Hochschulsektors, nur den
Männern* vorbehalten. Erst seit dem letzten Jahrhundert dürfen Frauen* alle Studienrichtungen
studieren. Somit war die Entwicklung der Medizin (und der Forschung) vorerst eine rein männliche.
Schulmedizin ist von Männern* für Männer* gemacht, Frauen* (und andere Geschlechter) wurden
und werden auch heute noch als Ärzt_innen, Patient_innen und Wissenschafter_innen ignoriert.
Die Gender-Medizin entwickelte sich aus der Frauen*gesundheitsbewegung heraus und entstand
in den 70er Jahren aufgrund der Kritik der Feministinnen* an der Medikation von Frauen*. In den
90er Jahren lag der Schwerpunkt auf der Bewusstseinsschaffung über den Ausschluss von Frauen*
aus Medikamentenstudien.
Auf der letzten Weltfrauen*konferenz in Peking 1995 wurde ein Aktionsplan für
Frauen*gesundheit beschlossen, 1997 Gender Mainstreaming implementiert und 2002 durch die
Wiener Erklärung zu Frauengesundheit (Vienna Statement on Investing in Women’s Health) im
Rahmen einer WHO-Konferenz die Frauen*gesundheitsberichterstattung begründet.
Was ist Gender-Medizin?
Gender-Medizin hat sich aus der Frauen*gesundheit heraus entwickelt. Sie betrachtet
geschlechtsspezifische Unterschiede, die sich einerseits durch hormonelle, genetische oder
anatomische, aber auch soziokulturelle Unterschiede ergeben. Sie ist eine Querschnittsmaterie, die
alle Disziplinen der Medizin umfasst, aber auch psychosoziale und soziokulturelle Aspekte
berücksichtigt und somit interdisziplinär arbeitet. Ziel ist es, Gender-Medizin als
Querschnittsmaterie in allen Bereichen der medizinischen Forschung zu verankern.
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Welche Ableitungen gab es im Workshop?
Wichtig war für die Teilnehmerinnen* vor allem jener Aspekt, dass Gender-Medizin mehr in den
Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt wird: So kann es für Frauen* fatal sein, wenn sie nach
schulmedizinischen Aspekten ohne Einbeziehung des Geschlechts behandelt werden: Herzinfarkte
können als solche nicht erkannt werden, da die Symptomatik bei Frauen eine andere ist, als bei
Männern*. Es kann zu Überdosierungen gewisser Medikamente kommen, da sich die empfohlene
Dosis am medizinischen „Norm“-Mann (weiß, 70 kg) orientiert. Aber auch für Männer hat das
Ignorieren gender-spezifischer Symptome schwere Folgen: So werden bei Männern* Depressionen
oft nicht als solche erkannt, da sich andere Symptome äußern als bei Frauen*
Wichtig ist ebenfalls, Gender-Medizin nicht rein biologistisch zu betrachten. Sie ist eine
Interdisziplinäre Forschungsrichtung, die auch soziokulturelle und psychologische Aspekte
beleuchten muss. Ableitungen, die aus Forschungsergebnisse gezogen werden, müssen ebenfalls
von mehreren Blickwinkeln aus betrachtet werden.
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„Queer Theory“
Foto: Julia Wertheimer
Expertin: Tatjana Gabrielli
Im Workshop „Queer Theory“ wurde eine Übersicht über die Geschichte der Queer-Bewegung
und die Frauen*-Bewegung gegeben. Hier tauchten viele Begriffe auf die im Laufe des Workshops
und der Diskussion erklärt wurden.
Auch über geschlechtsneutrale Sprache wurde gesprochen, diskutiert und aufgeklärt.
Begriffe:
Abkürzung
L
G
B
T
Q
I
A
P
Bedeutung 1
Lesbian
Gay
Bisexual
Transsexual
Queer
Intersexual
Asexual
Pansexual
Bedeutung2
Bigender
Transgender
Questioning
(Straight) Ally
Transsexual = Transsexuelle:
Transsexualität bedeutet, das biologische Geschlecht anszustreben/zuhaben, mit welchem ein
Mensch nicht geboren wurde
Transgender = Transgender Personen:
Transgender bedeutet, das soziale Geschlecht, welches mit dem biologischen Geschlecht
anerzogen wird, nicht anzunehmen. Muss nicht bedeutet, dass zum Beispiel eine Frau gerne ein *
wäre.
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Queer:
Queer kommt von den Queer Theorys, welche Geschlecht grundsätzlich versuchen zu
dekonstruieren, aber auch gesellschaftliche Umstände, Körperbewusstsein (Schönheitsideale,
Behinderung,...) werden diskutiert.
Intersexual = Interesexuelle
Intersexualität, bedeutet, dass ein Mensch mit sowohl männlichen als auch weiblichen
Geschlechtsmerkmalen geboren wurde.
Asexual = Asexuelle
Asexualität bedeutet die Abwesenheit sexueller Anziehung zu anderen, oder Mangel an Interesse
beziehungsweise Verlangen nach Sex. Asexualität bedeutet jedoch nicht, dass ein Mensch sich
nicht verliebt.
(Straight) Ally = (Heterosexuelle) Verbündete
Pansexualität:
Das Geschlecht, das Aussehen, etc. spielt keine Rolle, ob eine Person sich in eine andere Person
verliebt.
Heteronormativität
„Heteronormativismus“ bedeutet eine Art der Diskriminierung anderer Lebensweisen,
indem die heterosexuelle Lebensart über andere gestellt wird und als Maßstab für anderes
hergenommen wird.
Queer Theory:
Die Entstehungsbedingungen von queer als politischer Bewegung und theoretischem Denkansatz
liegen in den USA der späten Achtzigerjahre. Der Hintergrund, aus dem sich das Queer Movement
ableitet, ist sehr vielfältig: Die Schwulen-, Lesben-, und Frauen*bewegung hatten separatistische
Politiken mit im Einzelnen sehr unterschiedlicher Ausrichtung verfolgt, die die Entstehung von
homogenisierten Ghettos unterstützte. Die fortschreitende Institutionalisierung der Lesben-,
Schwulen- und Frauenbewegung leitete eine Hinwendung ihrer Funktionär_innen zur LobbyPolitik ein, die auch ihr Stück vom Kuchen abhaben wollte. Führende schwule Aktivist_innen
versuchten, Schwule und Lesben als »ethnische Identität« zu verkaufen und damit in die USamerikanische Verteilungspolitik zu integrieren. Sie stellten Schwule als assimilationswillige
großstädtische Einkommenselite dar, die sich nach Anerkennung durch den Mainstream sehnt. Ein
Ergebnis dieser Ausrichtung war die Kommerzialisierung und Entpolitisierung der CSD
(Christopher Street Day)-Paraden. All dies förderte eine homogenisierte Darstellung nichtheterosexueller Lebensformen, die stillschweigend ihre weißen, mittelständischen und
männlichen Vertreter zur Norm machte. Die lesbisch-feministische Szene formulierte einen
sexuellen Verhaltenskodex, der von vielen Frauen ebenfalls zunehmend als normativ erlebt
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wurde. Die Auseinandersetzungen, die sich vor allem um Pornografie, Bisexualität, Promiskuität,
Penetration und Sadomasochismus drehten, waren so heftig, dass sie als sex wars bezeichnet
wurden. Diese Entwicklungen führten dazu, dass sich viele Lesben und Schwule nicht mehr in
diesen Bewegungen repräsentiert sahen.
Zeitgleich mobilisierte die Neue Rechte gegen die bescheidenen Errungenschaften der
Bürger_innenrechtsbewegungen der Sechziger- und Siebzigerjahre. Der Kampf gegen Abtreibung
und Homosexualität stand dabei ganz oben auf der Liste.
Ein weiterer zentraler Beweggrund für die Entstehung von queer politics waren die sozialen
Folgen der Aids-Epidemie. Vor allem zu Beginn wurden über Aids massiv homophobe Vorurteile
geschürt: Das Gerede von Risikogruppen grenzte die Zahl der »Betroffenen« auf
die Randgruppen der moral majority ein: Schwarze, Schwule, Prostituierte und Junkies.
Geschichte:
Gleichgeschlechtliche Liebe ist so alt wie die Menschheit selbst. Der Sammelband "Gleich und
anders – Eine Globale Geschichte der Homosexualität" von Robert Aldrich, Professor für
europäische Geschichte an der Universität in Sydney, gibt einen unterhaltsamen Überblick über
die Geschichte der Homosexualität und spart auch Klischees und Mythen nicht aus.
Im alten Griechenland gab es noch kein zuschreibendes Wort namens "schwul". Damals war Sex
mit schönen jungen Männern* eine so alltägliche wie lustvolle Betätigung neben der Ehe. Daraus
einen Skandal zu machen oder gar die sexuelle Identität der Ehemänner* kritisch zu
thematisieren, fiel überhaupt niemandem ein.
Doch leider wurden, wie so oft, diese Privilegien der Ausschweifung primär von Männern*
genossen. Die Frauen* waren in klassischer patriarchaler Tradition von den meisten Genüssen des
Lebens ausgeschlossen und kümmerten sich um Ehe, Erziehung und Hausarbeit.
Da ist es kein Wunder, dass die Aufzeichnungen zum Lesbianismus deutlich spärlicher ausfallen.
Seitdem der Apostel Paulus Sex unter Frauen* genauso wie den unter Männern* als Sodomie
definierte, war der Lesbianismus so dämonisiert wie verpönt in der westlichen Welt.
Faszinierende Anekdoten von crossdressed Women und weiblicher Männlichkeit ziehen sich seit
mehr als 500 Jahren durch die westliche Historie.
Dass am Ende dieser Anekdoten meist Verbrennung und Verstümmelung standen, Gefängnis oder
gar KZ, ist eine der grausamsten Wahrheiten der Menschheitsgeschichte.
Die Sexualwissenschaft und die Psychologie taten ihren Teil dazu, Homosexualität als Krankheit zu
definieren und Menschen, die die sozialen Grenzen des Begehrens oder des Geschlechts
überschritten, einzusperren.
Von dieser Selbstverständlichkeit sind wir heute trotz der Aufstände in Stonewall und den Demos
auf den Straßen San Franciscos, dem Marsch durch die Institutionen und einigen homosexuellen
Prominenten immer noch entfernt.
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Sprache:
Geschlechtsneutrale Formulierungen also Sprache, die nicht explizit Auskunft über das Geschlecht
gibt, gelten als eine Möglichkeit der geschlechtergerechten Sprachverwendung, die bereits
vielfach anzutreffen ist. Geschlechtsneutrale Bezeichnungen umfassen beispielsweise Wörter, die
sich aus der Endung "person" oder "kraft" zusammensetzen (z.B. "Führungskraft", "Lehrperson"),
Wörter, die aus Adjektiven oder Partizipien gebildet werden (z.B. "die Studierenden") oder auch
die Verwendung des Partizip Perfekt (z.B. "herausgegeben von") bzw. von Umschreibungen (z.B.
"diejenigen, die Studienbeihilfe beziehen" anstatt "Studienbeihilfebezieher"). Die Anwendung
geschlechtsneutraler Formulierungen wirkt oft einfacher als die Explizitmachung von Männern*
und Frauen* in der Sprache. Dennoch erweisen sich geschlechtsneutrale Formulierungen als
wenig zielführend, wenn es um die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit geht, da sie eher
unpersönlich sind und den Geschlechteraspekt nicht sichtbar oder hörbar machen.
Geschlechtsneutrale Formulierungen wirken meistens nur wenig emanzipatorisch, da das
weibliche und andere Geschlechter kaum Platz in der Sprache erhalten und somit das männlich
zentrierte Denken und Formulieren nicht explizit hinterfragt wird.
Intersektionalität:
Intersektionalität beschreibt die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungs- formen in
einer Person. Intersektionelle Diskriminierung liege vor, „wenn – beeinflusst durch den Kontext
und die Situation – eine Person aufgrund verschiedener zusammenwirkender
Persönlichkeitsmerkmale Opfer von Diskriminierung wird.“ Diskriminierungsformen wie
Rassismus, Sexismus oder Klassismus addieren sich nicht nur in einer Person, sondern führen zu
eigenständigen Diskriminierungserfahrungen. So wird ein gehbehinderter Obdachloser
gegebenenfalls nicht nur als Obdachloser und als Gehbehinderter diskriminiert, sondern er kann
auch die Erfahrung machen, als gehbehinderter Obdachloser diskriminiert zu werden. Das neue
Erkenntnisinteresse in der Intersektionalitätsforschung gilt den Verflechtungszusammenhängen,
welche sich durch das Zusammenwirken verschiedener Diskriminierungsformen ergeben.
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„Rererevolution: Sexualität und Beziehungskonstrukte zwischen Selbstund Fremdbestimmung
Foto: Rainer Kriesch
Expertin: Verena Kuckenberger
Im Workshop „Rererevolution: Sexualität und Beziehungskonstrukte zwischen Selbst- und
Fremdbestimmung“ wurde eingangs versucht, eine allgemeine Reflexion des persönlichen
Sexualitätsbegriffes durchzuführen. Anfänglich zaghafte Begriffe, die in den Raum geworfen
wurden, verdichteten sich schon bald zu einem festen Netz aus Schlagwörtern, die viele von uns
mit Sexualität assoziieren würden, manche auch nicht. Durch diese anfängliche Übung wurde
bereits der erste Schritt in das inhaltliche Arbeiten gesetzt: Die Vielfältigkeit von Sexualität wurde
von Anfang an aufgezeigt, auf ihr baute der Workshop auf. Auf diese Vielfältigkeit kehrte auch die
inhaltliche Linie immer wieder zurück.
Ein weiterer inhaltlicher Leitfaden für die Inputs und Diskussionen war die Orientierung an der
„ersten und zweiten sexuellen Revolution“:
Ein Teil der Workshopzeit wurde aufgewandt, um einen Text zu lesen, der die Phase der ersten
sexuellen Revolution – der sexuellen Revolution des 18. Jahrhunderts - genauer beleuchtete. In der
Zeit vor der ersten sexuellen Revolution - bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts - war Sexualität immer
eine öffentliche Handlung und Angelegenheit. Sexuelles „Fehlverhalten“, wie etwa verbotene
Stellungen beim Sex oder Geschlechtsverkehr mit einer Person, die nicht der/die eigene PartnerIn
war, wurde schwer bestraft, Sexualität streng reglementiert. Die sexuelle Überwachung war ein
fester Bestandteil der vormodernen Gesellschaft und Ausdruck der (noch immer) bestehenden
Machtverhältnisse: Patriarchat und Klassen wurden dadurch gefestigt, sexuelle Überwachung
wurde zum praktischen Mittel von Machterhalt. Erst nach langer Zeit, die von christlicher
Scheinmoral geprägt war, änderten sich die Verhältnisse und parallel zur religiösen Toleranz
erwuchs auch eine sexuelle Toleranz. Viele neue Freiheiten – vor allem für Männer – entstanden.
Zur gleichen Zeit veränderte sich die Vorstellung von weiblicher Sexualität drastisch: Frauen
durften nun nur mehr tugendhafte, reine Wesen sein. Gleichzeitig durften Männer ihre Sexualität
voll auskosten – etwa mit Sexarbeiterinnen. Die Doppelmoral, die damals entstand, spüren wir
heute oftmals noch immer.
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Nach einer Diskussion dieses Textes ging es an die Bearbeitung eines Textes, der die Veränderung
der allgemeinen Situation beleuchtet:
Lange Zeit blieben diese Moralvorstellungen bezüglich Sexualität relativ unverändert. Erst in den
1960er Jahren kam es zu einem spürbaren Umschwung. Gedacht als Gegenmodell zur
bürgerlichen Kleinfamilie, als Reaktion auf autoritäre und konservative Strukturen, entstanden
Kommunen. In ihrem Rahmen wurde versucht, die traditionellen Familienstrukturen aufzubrechen
und Sexualität zu befreien. Sexualität – etwas vormals Privates – wurde vor allem in privilegierten
und elitären Kreisen zu etwas Politischem und somit Öffentlichem gemacht. Durch
Demonstrationen und ähnliches konnte dieser Diskurs in den späten 60ern auch in die breitere
Gesellschaft getragen werden. Schließlich folgte ein breiteres Umdenken, das sich in einer
„unpolitischen sexuellen Revolution“ äußerte. Sex wurde als etwas zu einer Beziehung Gehörendes
diskutiert. Sex wurde mit Lust für beide PartnerInnen in Verbindung gebracht. Vor allem die
Sexualität von Frauen wurde endlich erkannt. Erste Sexshops eröffneten und Sexualität gewann
ganz neue Aspekte, unter anderem auch den konsumkapitalistischen, den sie bis heute in sehr
vielen Bereichen fortträgt. Sexuelle Befreiung unter dem Diktat des Kapitalismus – auch das
passierte zu dieser Zeit.
Schließlich wurde im Workshop auch Bezug auf aktuelle Debatten rund um Sexualität Bezug
genommen. 50 Shades of Grey waren ebenso ein Thema wie Rollenbilder und Pornographie. das
Verhältnis zwischen Kapitalismus und Sexualität wurde ebenso diskutiert. Die gute Durchmischung
der Workshop-Gruppe ermöglichte viele spannende Diskussionen rund um die verschiedensten
aktuellen Entwicklungen und Themen.
Der gemeinsame Nachmittag lässt sich mit den folgenden (politischen) Ableitungen
zusammenfassen:
Aus der Diskussion um die sexualitätsbefreiende Revolution der 68er ließ sich ableiten, dass viele
Themen, die damals behandelt wurden, heute fast gänzlich aus dem öffentlichen Diskurs
verschwunden sind:

Die Forderung nach einer Diskussion um die Verteilung von Reproduktionsarbeit ist eine enorm
wichtige. Erst durch sie kann vieles aufgebrochen werden, das uns heute in Rollen zwängt und eine
Gleichberechtigung von Frauen faktisch unmöglich macht.
- Eine Diskussion um das Thema Frauenrecht Abtreibung wird heute kaum noch geführt. Die
meisten Menschen nehmen dieses Recht als gegeben und unantastbar. Parallel dazu existieren
aber bis heute zu viele reaktionäre Gruppierungen, die dieses Recht anzweifeln. Ihr Ziel ist ein
Verbot der Abtreibung. Unser Kampf hat also noch lange kein Ende, vehementes Ankämpfen gegen
diese Gruppierungen ist auch heute noch mehr als nur notwendig.

Im Rahmen der Diskussion zum Thema aktuelle Entwicklungen in Bezug auf Sexualität und
öffentliche Wahrnehmung wurde besonders intensiv das Phänomen 50 Shades of Grey diskutiert.
Es ergab sich daraus die Forderung nach einem fundierten öffentlichen Diskurs zum Thema BDSM
(Bondage/Discipline, Dominance/Submission und Sadomasochismus).

Im Zusammenhang mit der Thematik BDSM wurde ebenso sexualisierte Gewalt diskutiert. Da
Privates heute immer weniger öffentlich ist, liegt es an der Öffentlichkeit, dieses Thema aufs Tapet
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zu bringen und zu diskutieren. Die Forderung danach, sexualisierte Gewalt öffentlich „zum Thema“
zu machen wurde ebenso als eine sehr wichtige gewertet.
Aus allen Texten und insbesondere aus der Diskussion um die aktuelle gesellschaftliche Situation in
Hinblick auf Sexualität ließ sich vor allem die Forderung ablesen, dass eine kritische Reflexion von
Rollenklischees gesamtgesellschaftlich dringend notwendig ist. Biologistische Ansätze beherrschen
bis heute den größten Teil der Öffentlichkeit. Sie zählen mitunter zu den gefährlichsten und
reaktionärsten, da durch sie das Patriarchat gerechtfertigt wird.
Anknüpfend an das Thema Klischees und Rollenbilder entwickelte sich eine weitere Forderung. So
wie die allermeisten Medien ist auch die Pornographie beherrscht von Rollenbildern. Sie
reproduziert mitunter auf eine besonders gefährliche Art Rollenbilder und führt zu verzerrten
Bildern von Sexualität und Lust. Die Forderung nach der Förderung von vielfältiger statt einfältiger
Pornographie, fernab von Rollenbildern, Klischees und Heteronormativität kristallisierte sich somit
als eine sehr wichtige heraus.
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Mein Bauch gehört mir! 40 Jahre Fristenregelung
Foto: Rainer Kriesch
Expertin: Irmtraut Karlsson
Vor 40 Jahren wurde die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich gesetzlich geregelt.
Obwohl vier Jahrzehnte vergangen sind, gibt es noch immer KritikerInnen und GegnerInnen dieses
„Symbols“ für die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper. Gemeinsam mit unserer Expertin Irmtraut
Karlsson haben wir nicht nur erörtert, wie es geschafft wurde dieses, die österreichische Gesellschaft
polarisierende Gesetz, zu beschließen. Wir diskutierten auch darüber, welche Forderungen heutzutage
notwendig sind, damit die Selbstbestimmung der Frau endlich gelebte Realität wird und was wir von
damals für die Strategie und Umsetzung lernen können. Zum Abschluss des Workshops wurden wir auch
noch kreativ und künstlerisch für eine Aktion zum Frauentag tätig.
Was wird einer Frau vorgeworfen, wenn sie abtreibt/abtreiben will?
 „Selber Schuld, dass sie schwanger geworden ist – jetzt muss sie mit den Konsequenzen leben.“
 „Hätte sie halt aufgepasst.“
Gesellschaftliche Hürden:
 Moralisch
 Finanziell
Was müssen wir tun?
 Enttabuisierung ist notwendig
 Auftreten von unserer Seite nicht immer nur als Reaktion, sondern als Aktion
 Generationen müssen gemeinsam auftreten
Unsere Ziele:
1. Enttabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs
2. Für weitere Schritte innerparteilich Stimmung machen
3. International:
a. Gesetze screenen
b. Fokus: Europa
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Thema aus Tabuzone holen:
1. Wie können wir Leute erreichen?
a. Abbruch = letztes „Mittel“, um kein Kind zu bekommen
b. Lebensrealitäten aufzeigen von Zeugung bis Abbruch
c. Aktion „Ich habe abgetrieben“
d. Was passiert mit Frauen, die nicht abtreiben durften/konnten => Geschichten
emotionalisieren
2. Was brauchen wir für Angebote/Forderungen?
a. Raus aus dem StGB
b. Bessere Beratung und Betreuung nach dem AbbruchVerstärkte Beratung im Wechsel
c. Sexualerziehung
d. Abbrüche müssen in jedem Bundesland möglich sein
e. Zugang zu Verhütungsmittel erleichtern g. Keine finanziellen Hürden bei Abbruch
 Krankenschein
Slogans:
Was wollen wir vermitteln?
Selbstbewusst, selbstbestimmt, Stärke nicht Scham, es gehören 2 dazu
„Es kann jeder Frau passieren, dass sie schwanger wird, aber sie braucht sich nicht dafür zu schämen“
„Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“
„Ich habe abgetrieben“
„Ich wollte ja verhüten, aber ich konnte es mir nicht leisten“
Aktionsidee:
T-Shirts unter dem Motto „Mein Bauch gehört mir“ gestalten – T-Shirt als Symbol für den Bauch, das
kreativ gestaltet wird
Den Ideen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es können Forderungen auf das Shirt geschrieben
werden, es bemalt, zerschnitten oder wieder vernäht werden.
Fertig gestaltete T-Shirts werden im öffentlichen Raum Aus „Ausstellung“ gezeigt.
Link-Tipp: www.svss-uspda.ch/de/facts/facts.htm
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