inform 3/13 - Hessische Zentrale für Datenverarbeitung

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inform 3/13 - Hessische Zentrale für Datenverarbeitung
Hessische Zentrale für Datenverarbeitung
INFORM
Magazin für die Hessische Landesverwaltung
Größte Umwälzung seit
Einführung der Schreibmaschine
Die neue Arbeitsweise als
Gewinn annehmen
Elektronischer Rechtsverkehr wird für die Justiz
verpflichtend
Interview mit Manfred Beck, Präsident der IT-Stelle
der hessischen Justiz
3/13
40. Jahrgang
September 2013
Impressum
INFORM erscheint viermal jährlich (40. Jahrgang)
HERAUSGEBER
Hessische Zentrale für Datenverarbeitung
Mainzer Straße 29, 65185 Wiesbaden
Telefon: 0611 340- 0, [email protected], www.hzd.hessen.de
CHEFREDAKTION
Manuel Milani
REDAKTION
Friederike van Roye, Birgit Lehr
BEIRAT
Markus Brückner, Herbert Guder, Dr. Alberto Kohl, Wolfgang Lehmann,
Susanne Mehl, Marcus Milas, Manfred Pospich, Eckart Ruß,
Dr. Peter Triller
GRAFISCHES KONZEPT
ansicht kommunikationsagentur, www.ansicht.com
LAYOUT
Agentur 42 Konzept & Design, www.agentur42.de
FOTOS
Titel: Förderband einer Druckmaschine im HZD-Druckzentrum in der
Außenstelle Hünfeld (siehe auch Seite 18); S. 26 © kiono – Fotolia;
S. 46–48 © ITS; S. 49 © Sonderstandesamt Bad Arolsen; S. 51 © Image
supplied by NPL Archive, Science Museum (London, UK)
Alle nicht namentlich genannten Bilder: Andreas Stampp, HZD
DRUCK
mww.druck und so... GmbH, Anton-Zeeh Straße 8, 55252 Mainz-Kastel
Beiträge mit Namenszeichnung stellen die persönliche Meinung der
Autoren dar. Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind
urheber­rechtlich geschützt. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
schrift­licher Genehmi­­­gung der HZD.
Für unverlangt eingereichte Manuskripte, Fotos und Illustrationen
wird keine Gewähr übernommen. Die Bezieher der INFORM sind in
einer Adressdatei gespeichert.
INFORM wird gedruckt auf Ökoart Matt, FSC-recycelt.
Wenn Sie die INFORM regelmäßig erhalten möchten, schreiben Sie uns: [email protected] oder rufen Sie uns an: Tel. 0611 340-1484.
EDITORIAL
LIEBE LESERIN,
LIEBER LESER,
die Zukunft der Justiz ist digital. Das ist nicht nur Annahme, das ist Gesetz. Am
13. Juni hat der Bundestag das „Gesetz zur Förderung des elektronischen
Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ verabschiedet (siehe Bericht Seite16). Jetzt
gilt es die Weichen komplett umzustellen. „Der elektronische Rechtsverkehr
und die elektronische Akte werden in wenigen Jahren das Bild der Justiz prägen,
die Papierakte wird bald kaum noch eine Rolle spielen“, ist sich unser Gesprächspartner Manfred Beck, Präsident der IT-Stelle in Bad Vilbel, sicher (siehe Inter­view ab Seite 8).
Die Justiz geht den eJustice Weg konsequent weiter. Dabei steht sie vor besonderen Herausforderungen. Ihre Daten sind meist höchst vertraulich und benötigen spezielle Sicherheitsstandards. Um dies zu unterstützen, hat die Hessische
Zentrale für Datenverarbeitung seit über 20 Jahren eine eigene Abteilung für die
Justiz. Die Verfahren der Justiz werden überwiegend in dem Rechenzentrum
der HZD-Außenstelle in Hünfeld betrieben. Ein eigenes Justiznetz mit gesondertem Acitve Directory ist Teil hervorragender Sicherheitsstandards. Seit Jahren
arbeiten HZD, hessische Justiz und ihre IT-Stelle in Bad Vilbel eng und vertrauensvoll zusammen. Die Rückmeldungen unserer Kunden aus der Justiz sind
nahezu ausschließlich positiv. Die gegenseitige Wertschätzung ist hoch. Das
Projekt E-Nachricht der hessischen Justiz (siehe Seite 20), über das wir in diesem
Heft berichten, belegt das eindrucksvoll.
Unsere Kunden, besser gesagt Kundinnen, der E-Nachricht kommen ab Seite 22
zu Wort. Seit einem Jahr arbeiten sie mit dem Pilot-Verfahren im Landgericht
Limburg an der Lahn. Für mich zeigt dieses Beispiel beeindruckend, wie Anwenderinnen und Entwickler gemeinsam ein sehr praxisnahes Verfahren auf
die Beine gestellt haben.
Verschlüsselte E-Mails, Geodaten online oder das Rechenzentrum der Zukunft
– an vielen weiteren Projekten und Themen hat die HZD in den vergangenen
Wochen und Monaten gearbeitet. Erfahren Sie mehr darüber in dieser Ausgabe.
Viel Freude bei der Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Ulrich Schmidtberg
Direktor der HZD
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INHALT
Manfred Beck, Präsident der IT-Stelle der hessischen
Justiz, im Interview, Seite 8
Druck- und Versandzentrum der HZD, Seite 18
IM GESPRÄCH
»Die neue Arbeitsweise als Gewinn annehmen« Interview mit Manfred Beck, Präsident der IT-Stelle der hessischen Justiz 8
KOLUMNE
HZD Web-Lounge Second Screen – sieht man mit dem zweiten wirklich besser?
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HZD-MAGAZIN
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»Größte Umwälzung seit Einführung der Schreibmaschine«
Elektronischer Rechtsverkehr wird für die Justiz verpflichtend /
Staatssekretär Kriszeleit besucht HZD in Hünfeld
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Druckreif
Das Druck- und Versandzentrum der HZD in der Mitte Deutschlands
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Mit E-Nachricht schneller zum Gericht
Neues Verfahren der HZD beschleunigt elektronischen Postversand
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»Mit so viel positiver Resonanz hatten wir gar nicht gerechnet«
Ein Gespräch im Landgericht Limburg über E-Nachricht
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E-Mails verschlüsseln – ganz einfach
Software-Zertifikate lösen PKI-Chipkarte ab
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Berichte einfach erstellen
Landesverwaltung steht eine moderne Systemplattform
für Berichtswesen zur Verfügung
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INHALT
Das Sonderstandesamt in Bad Arolsen, Seite 46
Alan Mathison Turing, Pionier, Seite 50
Von der DV-Manufaktur zur IT-Fabrik
Zur Konzeption einer IT-Fabrik für das Land Hessen
Interview mit Dr. Peter Triller, Abteilungsleiter Rechenzentrum der HZD
Das neue Geodaten online
Überführung nach INSPIRATION / Verbesserung der Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit
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Brücke zwischen Projekt und Kunde
HessenPC – Teilprojekt Rollout
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IT IN BUND UND LAND
NSA-Spionageaffäre39
Interview mit Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Hessischer Datenschutzbeauftragter
SERVICE
SharePoint – weit mehr als eine Dateiablage
Konfigurationsmöglichkeiten und Anwendungsentwicklungen
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MS Word
Kopf- und Fußzeilen gestalten
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INS LAND GESCHAUT
Die Mitte der Besatzungszonen
Im hessischen Bad Arolsen arbeiten das Sonderstandesamt
und der International Tracing Service die deutsche Vergangenheit auf
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PORTRÄT
Alan Mathison Turing
Pioniere der Informationstechnologie, Teil 3
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DRUCKREIF
Wie die Teile dieser Druckmaschine im Druckzentrum der HZD in Hünfeld greifen auch bei der
hessischen Justiz verschiedene eJustice-Verfahren ineinander. Das müssen sie auch. Das kürzlich
vom Deutschen Bundestag verabschiedete „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs
mit den Gerichten“ bestimmt, dass die Kommunikation mit den Gerichten mittelfristig weitgehend
elektronisch zu erfolgen hat. Die IT-Stelle der hessischen Justiz in Bad Vilbel wird den anstehenden
Medienwechsel fachlich begleiten (Seite 9). Justizstaatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit prophezeit in
diesem Zusammenhang „die größte Umwälzung seit Erfindung der Schreibmaschine“ (Seite 16). Die
HZD stellt unter anderem mit E-Nachricht ein geeignetes Werkzeug dafür zur Verfügung (Seite 20),
mit dem das Landgericht Limburg bereits seit einem Jahr arbeitet (Seite 23). Was das Gesetz für das
Druckzentrum der HZD bedeutet, lesen Sie ab Seite 19.
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IM GESPRÄCH
»DIE NEUE ARBEITSWEISE
ALS GEWINN ANNEHMEN«
Manfred Beck, Präsident der IT-Stelle der hessischen Justiz (ITS),
über eJustice, den anstehenden Medienwechsel und die Zusammenarbeit mit der HZD
INFORM: Seit dem 1. Januar 2012 gibt es die IT-Stelle der
hessischen Justiz in Bad Vilbel als eigenständige Behörde.
Aber auch davor gab es schon am selben Ort mit einem
weitgehend identischen Mitarbeiterstamm eine „Gemeinsame IT-Stelle“. Worin besteht der Unterschied?
Beck: Kurz gesagt: An die Stelle einer komplizierten und
schwer zu führenden virtuellen Struktur ist eine Landesoberbehörde der hessischen Justiz mit gesetzlich definierten
Aufgaben, klarer Schwerpunktbildung und strafferer Organisation getreten.
Die frühere „GIT“, die Gemeinsame IT-Stelle des Oberlandes­
gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft in Bad Vilbel,
war nur für die IT-Angelegenheiten der ordentlichen Gerichts­
barkeit und der Staatsanwaltschaften zuständig. Daneben
gab es die „GIT-Fach“ in Kassel für die Fachgerichtsbarkeiten
und die ADV-Leitstelle in Weiterstadt für den Justiz­vollzug.
Solange die Aufgabenschwerpunkte noch auf der Entwicklung, Einführung und Betreuung spezifischer Fachanwendungswelten lagen, war diese Organisationsform durchaus
zweckmäßig und auch recht schlagkräftig. Heute stellen sich
an eine moderne Justiz-IT aber ganz andere Anforderungen,
die so nicht mehr erfüllt werden konnten.
Das entscheidende Stichwort dazu lautet „eJustice“, nament­
lich und in erster Linie die Öffnung der Infrastruktur für die
elektronische Kommunikation mit Rechtsanwälten, Notaren,
anderen Dienststellen, sonstigen quasi professionellen Kom­munikationspartnern der Justiz und natürlich auch den Bür­­
gern. In Hessen ist der elektronische Rechtsverkehr mit den
Gerichten und Staatsanwaltschaften schon seit Jahren
zugelas­sen, und die Nutzerzahlen steigen ständig; wir
haben gerade auf diesem Gebiet also bereits große
Erfahrung sammeln können. Kürzlich erst hat der Deutsche
Bundestag das „Gesetz zur Förderung des elektronischen
Rechtsverkehrs“ beschlossen. Es macht unter anderem für
Rechtsanwälte, Notare und Be­hör­den die elektronische
Kommunikation in wenigen Jahren zur Pflicht. Es dürfte auf
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der Hand liegen, dass spätestens dann Papierakten bei der
Justiz ausgedient haben.
Wir können uns also nicht nur mit unseren ausgefeilten
Fach­anwendungen befassen, Aufgabe der ITS ist es vor
allem, den anstehenden Medienwechsel bis hin zur elektronischen Aktenführung in praktisch allen Arbeitsbereichen zu
gestalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu bewirken.
Dafür benötigt man breites Know-how auf allen angespro­
chenen Gebieten – von der Kenntnis der rechtlichen Regelungen und zweckmäßiger Gestaltung der Arbeitsabläufe
bis hin zu wirklich anspruchsvollen technischen Fragestel­
lungen. Die Arbeiten hieran werden in umfangreichen
Projekten vorangetrieben, und zwar geschäftsbereichsübergreifend: Proprietäre Lösungen sollen möglichst vermieden
werden.
Erst die neue Rechtsform der ITS hat den Rahmen geschaffen, diese Aufgaben konsequent und zielstrebig bewältigen
zu können.
INFORM: Sie stehen der neuen Behörde als Präsident vor.
Was waren die größten Herausforderungen in dieser Zeit?
Beck: Es ist keine Kleinigkeit, quasi nebenher eine Behörde
auch mit völlig neuen Verwaltungsaufgaben aufzubauen,
zumal wenn gleichzeitig die Sachaufgaben uneingeschränkt
fortzuführen und neue Projektaufgaben zu übernehmen
sind. Personalverstärkungen aus Anlass der Behördengründung waren in dem Gründungskonzept – verständlicherweise – ausgeschlossen. Wir mussten also alles daran setzen,
möglichst viel mit „eigenen Leuten“, also den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ITS-Vorläuferorganisationen, zu
erreichen.
Unser oberstes Ziel war es zunächst, die Arbeitsorganisation
zu straffen, qualitative Nachteile für die von uns betreuten
Geschäftsbereiche der Justiz aber dennoch zu vermeiden.
Wichtig war es natürlich auch, der ITS rasch eine eigene
Identität zu geben, in der sich unsere Mitarbeiterinnen
IM GESPRÄCH
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IM GESPRÄCH
»Es ist mein Anliegen, dass die
ITS die in ihre Gründung gesetzten
Erwartungen rechtfertigt.«
und Mitarbeiter auch wiederfinden konnten. Dazu hat die
Verabschiedung eines gemeinsam definierten Leitbildes der
ITS als Servicedienststelle sicher beigetragen. Eine große
Herausforderung lag in der Schaffung und Organisation
einer zentralen Koordinationsabteilung mit Schwerpunkten
im Projektmanagement und geschäftsbereichsübergreifender Aufgabenerledigung. Die größte Herausforderung liegt
aber in der Bewältigung des anstehenden Medienwechsels
in der Justiz, und damit werden wir uns auch in den nächsten Jahren vorrangig zu befassen haben.
INFORM: … und was sind Ihre wichtigsten Ziele, die Sie mit
der IT-Stelle erreichen wollen?
Beck: Es ist mein Anliegen, dass die ITS die in ihre Gründung gesetzten Erwartungen rechtfertigt, so schwierig das
im einzelnen auch manchmal ist, und zwar zur Zufriedenheit
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz und auch
unserer eigenen Leute. Mir ist wohl bewusst, dass die Gründung einer neuen Behörde in einer von Einsparvorga­ben
geprägten Zeit ungewöhnlich ist und besonderer Rechtfertigung bedarf, dass nicht alle Beteiligten diesen Weg für
den richtigen hielten und auch das aktuelle große Handlungsziel, der Medienwechsel in der Justiz, keine ungeteilte
Begeisterung hervorruft. Besonders die Arbeit mit elektronischen Akten gestaltet sich eben anders als – oft langjährig
– gewohnt.
Als Handlungsziel der ITS sehe ich vor diesem Hintergrund
vorrangig die Schaffung und Bereitstellung von Lösungen,
die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz, gleich
welchen Berufsstandes, wirklichen konkreten Nutzen für ihre
tägliche Arbeit bieten, so dass sie die neue Arbeitsweise als
Gewinn annehmen können und nicht als Nachteil oder gar
Zumutung empfinden. Gerade unter diesem Aspekt sind
mir der ständige Dialog mit den Geschäftsbereichen und
die Zusammenarbeit mit „Praktikern“ und Gremienvertretern
besonders wichtig. Wir haben nicht viel Zeit. Andererseits
sind „schnelle Lösungen“ oft auch nicht sehr gut. Unser Weg
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erfordert ständige Zusammenarbeit und Gemeinsamkeit mit
allen Beteiligten, dann wird es ein Erfolg werden.
INFORM: Die HZD-Außenstelle in Hünfeld übernimmt über­
wiegend Aufgaben für die hessische Justiz. Können Sie kurz
beschreiben, wie sich die Aufgaben der IT-Stelle und der
HZD in Hünfeld voneinander unterscheiden?
Beck: Beide – HZD Hünfeld und ITS – sind Dienstleister der
hessischen Justiz und arbeiten ständig eng zusammen. In
Details ist die Aufgabenabgrenzung oft fließend und hängt
von den jeweiligen Auftragslagen unseres Ministeriums ab.
Stark vereinfachend und generalisierend könnte man sagen,
dass die HZD für den Betrieb und Support des Rechenzentrums und der Netze sowie die technische Beratung der
ITS und des Ministeriums zuständig ist. Für die ITS gibt es
eine gesetzliche Aufgabendefinition in § 1 Abs. 3 des ITStellengesetzes. Sie ist danach umfassend zuständig für die
Informations- und Kommunikationstechnik der Justizdienststellen, insbesondere für die Entwicklung, Einführung, Pflege und Weiterentwicklung von Fachverfahren einschließlich
des elektronischen Rechtsverkehrs, die Anwenderbetreuung
sowie für die Ausstattung der Dienststellen mit Geräten und
Software.
INFORM: In welchen Bereichen arbeiten Sie mit der HZD in
Hünfeld zusammen? Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit?
Beck: Es gibt wohl nur wenige Aufgabenbereiche, in denen
wir nicht in irgendeiner Weise mit der HZD-Außenstelle
Hünfeld kooperieren; schon in der Projektphase ist oftmals
die technische Expertise der HZD erforderlich, bei Einführung und Betrieb neuer Verfahren oder Systeme obliegt ihr
die operative Betriebsführung. Mein Ziel war es von Anfang
an, die schon langjährig zwischen GIT und HZD bewährte
Zusammenarbeit fortzuführen und so zu vertiefen, dass
unsere Dienstleistungen im Verhältnis zu den Gerichten,
Staatsanwaltschaften und Vollzugsanstalten quasi wie aus
einem Guss wirken. Das funktioniert auch sehr gut. Es finden
IM GESPRÄCH
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IM GESPRÄCH
»Das gute Klima zwischen den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der HZD und der ITS unterstreicht das
kollegiale partnerschaftliche Verhältnis«
ständige Abstimmungen statt, die Arbeit läuft „Hand in
Hand“, und das gute Klima zwischen den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der HZD und der ITS unterstreicht das
kollegiale partnerschaftliche Verhältnis.
bundesweite Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter
erhalten, die eine elektronische Fußfessel zu tragen haben.
Diese Abteilung der ITS arbeitet im 24-Stunden-Schichtbetrieb und ist natürlich ständig besetzt.
INFORM: Im IT-Stellengesetz ist die Fachaufsicht der Justiz in
IT-Angelegenheiten der IT-Kontrollkommission übertragen
worden. Welche Bedeutung messen Sie diesem Gremium
für die Zusammenarbeit der IT-Stelle mit der HZD zu?
Ich habe immer wieder erlebt, wie groß das Interesse an un­
se­rer „Fußfessel-Stelle“ ist. Besichtigungs- und Interview­an­fra­
gen sind recht häufig geworden und beziehen sich ei­gent­
lich so gut wie immer auf die „GÜL“. Auch bei Arbeitstreffen
mit Vertretern aus den anderen Bundesländern steht eine
Besichtigung der GÜL immer auf dem Programm, beson­ders
dann, wenn die aktuelle Diskussion oder Nachrichtenlage
sich wieder einmal mit der elektronischen Fußfessel befasst.
Beck: Der IT-Kontrollkommission ist in § 3 des IT-Stellengesetzes eine Mitwirkungsbefugnis bei Überprüfungen zum
Schutz vor unbefugten Zugriffen durch Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der HZD im Rahmen fachaufsichtlicher Überprüfungen durch die ITS eingeräumt. Sie setzt sich aus Vertretern der oberen Richtervertretungen, des Bezirksstaatsanwaltsrates und des Hauptpersonalrates und einem Vertreter
der ITS zusammen und hat bereits mehrfach Informationsund Prüfgespräche auch in der HZD-Außenstelle in Hünfeld
geführt. Ich war und bin vollständig davon überzeugt, dass
die gesetzliche Etablierung dieses Kontrollgremiums geboten war, und die bisherigen Erfahrungen bestätigen aus meiner Sicht, wie wichtig und wertvoll die Mitwirkung der Kommission in dem immer komplexer werdenden Umfeld der
Justiz-IT ist. Nach meiner Einschätzung profitieren wir – HZD
wie ITS – gleichermaßen von der institutionalisierten Mitwirkung gewählter Vertreter der Praxis, einerseits dadurch, dass
die Sensibilität für möglicherweise problematische Handhabungen oder Vorhaben erhöht wird, vor allem aber dadurch,
dass die Öffnung für so weitreichende Kontrollen ja auch
vertrauensbildend und akzeptanzerhöhend wirkt, und das
halte ich ganz persönlich für entscheidend wichtig.
INFORM: Landläufig wird die IT-Stelle auch gerne „Fußfessel-Behörde“ genannt. Warum ist das so?
Beck: Es trifft ja zu, allerdings wird unser Bild in der Öffentlichkeit wohl oft auf unsere Abteilung 9, die „GÜL“ – die gemeinsame Überwachungsstelle der Länder – reduziert. Mit
Gründung der ITS haben wir auch die Zuständigkeit für die
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INFORM: Gab es denn auch schon brenzlige Situationen für
die „Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder“?
Beck: Nein, erfreulicherweise nicht. Jedenfalls nicht in dem
Sinne, dass die Aufgabenerfüllung durch die ITS in Frage
gestanden hätte. Spannende Situationen gibt es allerdings
immer wieder. So hat unsere Fußfesselabteilung bekanntlich
dazu beitragen können, einen rückfällig gewordenen Straftäter zu überführen. Der Fall nahm vor einigen Monaten in der
Medienberichterstattung breiten Raum ein. Auf Intervention
unserer GÜL erfolgen auch immer wieder Polizeieinsätze.
Vor einigen Wochen gab es einmal einen recht seltsamen
Vorfall: Wir erhielten eine Postsendung, die an die „Unrechtsüberwachungsstelle“ adressiert war und auch sonst
verdächtig wirkte, ein Sprengstoffhund der Polizei erkannte
aber zuverlässig, dass der Inhalt dennoch harmlos war.
INFORM: Welchen Stellenwert haben der zunehmende
elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akte aus
Ihrer Sicht für die hessische Justiz?
Beck: Dazu habe ich ja schon vieles gesagt, will es aber
gerne nochmals auf den Punkt bringen: Der elektronische
Rechtsverkehr und die elektronische Akte werden in wenigen Jahren das Bild der Justiz prägen, die Papierakte wird
bald kaum mehr eine Rolle spielen.
IM GESPRÄCH
MANFRED BECK
PRÄSIDENT DER IT-STELLE DER HESSISCHEN JUSTIZ
LEBENSLAUF
März 1986 1. Juristisches Staatsexamen
April 1989 2. Juristisches Staatsexamen
Februar Richter beim LG Marburg, später beim AG
1990 Frankfurt
Juni 1997 Abordnung an das Bundesministerium der
Justiz, Referent für Informationstechnik im
Referat ZB3 und Jahr 2000-Beauftragter des
BMJ
Herbst Richter am AG Frankfurt und Leiter des Pro-
1999jekts Elektronisches Grundbuch beim ADVReferat des OLG Frankfurt
Über diesen Medienwechsel ist zwar schon seit längerer
Zeit von recht unterschiedlichen Standpunkten aus diskutiert worden, jetzt kommt er aber sozusagen mit Macht und
kraft Gesetzes, und wir wollen gewährleisten, dass die damit
verbundenen neuen Möglichkeiten genutzt werden können.
Ich möchte hierzu nur wenige Stichworte nennen, um den
Rahmen nicht zu sprengen: Jederzeitige, ggf. auch parallele
Verfügbarkeit der elektronischen Akte, überlegene Möglichkeiten der Informationsrecherche, der Vorstrukturierung und
der inhaltlichen Erschließung durch Strukturierungswerkzeuge, Unterstützung der Heim- und Mobilarbeit, elektronische Akteneinsicht. Daran werden sich absehbar auch neue
Wege der Interaktion zwischen Gerichten oder Staatsan-
2003 Richter am Oberlandesgericht, ab 2004
daneben Leiter des ADV-Referats beim OLG
Frankfurt
2005 Leitung der Gemeinsamen IT-Stelle
2007 Leitung der geschäftsbereichsübergreifenden
GIT-Justiz
2011Beendigung der Tätigkeit als Richter am Oberlandesgericht und Abordnung an das HMdJIE
Seit 2012
Leitung der ITS
waltschaften und Verfahrensbeteiligten, insbes. Rechtsanwälten, eröffnen. Auch innerhalb der Justiz werden sich die
organisatorischen Abläufe bei überwiegend elektronischer
Kommunikation und der Führung originär elektronischer
Akten erheblich verändern und „verschlanken“. Die Summe
dieser Veränderungen wird die Arbeitswelt in der Justiz im
Zusammenwirken mit den Verfahrensbeteiligten neu prägen. Der Stellenwert dieser Aktivitäten kann nach alledem
also eigentlich kaum überschätzt werden.
INFORM: In wenigen Tagen beginnt der 22. EDV-Gerichtstag in Saarbrücken. Welchen Zweck erfüllt diese Veranstaltung des gemeinnützigen Vereins und was sind aus Ihrer
Sicht die spannendsten Themen in diesem Jahr?
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IM GESPRÄCH
»Die spannendsten Themen kreisen –
wie könnte es anders sein – um den Übergang
zur originär elektronischen Aktenführung ... «
Beck: Der EDV-Gerichtstag ist das langjährig etablierte und
spezialisierte Publizitäts- und Diskussionsforum für die JustizIT in Deutschland. Die traditionell im Herbst stattfindende
Veranstaltung erfreut sich großer Aufmerksamkeit sowohl in
Fachkreisen innerhalb der Justiz als auch bei Dienststellenleitern, Geschäftsleitern oder interessierten Nutzern, aber
auch bei den Anbietern von Hard- und Softwareprodukten;
Sie ist zugleich ein Schnittpunkt der Interessen von universitärer Forschung, IT-Strategie und operativem Betrieb. Ich
kann den Besuch also nur empfehlen. Auch wir werden
natürlich beim EDV-Gerichtstag vertreten sein.
Die spannendsten Themen kreisen – wie könnte es anders
sein – um den Übergang zur originär elektronischen Aktenführung, Fragen der elektronischen Kommunikation und
neuer Dienstleistungsangebote, aber auch der Gewährleistung der IT-Sicherheit.
INFORM: Sie waren Richter am Oberlandesgericht in Frankfurt, bevor Sie in den Bereich der IT für die hessische Justiz
wechselten. Welche Erinnerungen verbinden Sie an Ihr
früheres Richteramt?
Beck: Die besten. Ich habe meine richterlichen Aufgaben
beim 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt sehr
gerne wahrgenommen. Der Senat hatte neben seiner allge­
meinen Zuständigkeit für Berufungen in Zivilsachen auch
sehr interessante spezialisierte Sonderzuständigkeiten, etwa
in Pressesachen, für Streitigkeiten in Börsen- und Warenterminangelegenheiten und in Reisesachen. Es war also eine
bunte Mischung mit einigen Besonderheiten. Solange es
möglich war, habe ich meine richterliche Berufsausübung
stets neben meiner vor nunmehr auch schon 16 Jahren begonnenen Befassung mit Fragen der Justiz-IT fortgeführt.
INFORM: Was war Ihre Motivation gänzlich in die Informationstechnologie der hessischen Justiz zu wechseln?
Beck: Mit der Gründung der neuen Behörde wäre eine
Aufgabenteilung zwischen richterlicher Tätigkeit und einer
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Leitungsfunktion bei der ITS rechtlich nicht mehr möglich
gewesen. So interessant und reizvoll meine derzeitigen
Aufgaben als Behördenleiter auch sind, die Entscheidung
ist mir dennoch nicht leicht gefallen. Einen gewissen Anstoß
mag auch der damalige Präsident des Oberlandesgerichts,
Herr Aumüller, gegeben haben, der mir den Wechsel empfahl und etwa verbleibende Bedenken mit der Bemerkung
milderte, das Oberlandesgericht hätte ja auch dann noch
viele gute Richter.
INFORM: Zum Abschluss eine persönliche Frage. Sie spielen
sehr gerne Klavier. Welche Art von Musik spielen Sie am
liebsten und was gefällt Ihnen daran besonders gut?
Beck: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich habe
schon seit meiner Kindheit eine vielleicht sogar etwas einseitige Vorliebe für klassische Musik im weiteren Sinne mit
Schwerpunkten bei Bach, Beethoven, Schubert, Schumann
und gelegentlich Liszt. Nach dem Abitur bin ich dem Vorschlag meiner russischen Klavierlehrerin, nach Freiburg zu
gehen und Musik zu studieren, aber nicht gefolgt, sondern
wurde Jurist. Die musikalischen Interessen haben sich jedoch gehalten. Wenn ich Zeit finde, befasse ich mich heute
eigentlich lieber denn je mit Sonaten, Präludien und Fugen,
gelegentlich mit Liedbegleitung, oft aber auch einfach mit
freien Improvisationen. Ich vermag eigentlich nicht genau zu
sagen, was mir daran besonders gefällt, ich weiß aber, dass
mir sehr viel fehlen würde, wenn ich diese Ausdrucksmöglichkeit nicht mehr hätte
INFORM: Herr Beck, vielen Dank für dieses Gespräch
Das Interview führte Friederike van Roye, HZD
KOLUMNE
HZD WEB-LOUNGE
Second Screen – Sieht
man mit dem zweiten
wirklich besser?
Politische oder gesellschaftliche Großereignisse werden
heute oft live im Fernsehen übertragen. Neben dem Publikum vor Ort erreichen sie dann evtl. Millionen Zuschauer
auf elektronischem Weg. Viele von diesen sind aktive Internetnutzer. Da bleibt es nicht aus, dass die Sendungen
auch im Netz kommentiert werden – und das zunehmend
„live“. Das Wiedergeben von Gesagtem, das Kommentieren und Fragen finden parallel zur Sendung statt.
Für das Phänomen, Liveübertragungen auf einem Computer gleichzeitig in einem weiteren Medienkanal zu
ver­folgen, hat sich der Begriff „Second Screen“ eta­
bliert. Während die eigentliche Sendung auf dem ersten
Bildschirm – egal ob Fernseher oder Computerbildschirm
– geschaut wird, wird der alternative Kanal auf einem
zweiten Bildschirm – auf PC, Tablet oder Smartphone –
genutzt und ggf. bedient. So bilden z. B. Kommentare
in Kurznachrichtendiensten wie Twitter einen weiteren
Strom von Informationen, der durch die Verwendung von
Schlagworten – sog. Hashtags – auf einfache Art verfolgt
werden kann.
Was auf den ersten Blick lediglich wie eine zusätzliche Di­
mension der Unterhaltung aussieht, kann aber auch die
Art der Mediennutzung grundlegend verändern: Durch
die parallele Kommunikation über den Second Screen
ent­stehen plötzlich Möglichkeiten der Rückkopplung
in Echtzeit für Medien, die bisher auf das Verbreiten von
Inhalten beschränkt waren. Verglichen mit dem „Zuschau­
ertelefon“ oder dem Tele-Dialog, TED, der frühen Fernseh­
unterhaltung ist Second Screen ein Massenphänomen.
Das haben auch die Veranstalter von Live-Events und
die Fernsehsender erkannt. Immer häufiger wird dazu
aufgefordert, sich mittels eines vorgegebenen Hashtags
mit Kommentaren in den Kurznachrichtendiensten zu beteiligen oder dort auch Fragen zu stellen. Der Bayerische
Rundfunk hat diese Möglichkeiten im Sommer 2012
im Rahmen einer experimentellen Fernsehsendung sehr
intensiv erprobt. An der sog. „Rundshow“ konnten sich
Zuschauerinnen und Zuschauer mittels einer eigenen
App per Smartphone oder Tablet beteiligen. Damit konnten sie bei Fragen abstimmen, Fotos und Videos hoch­
laden oder per Knopfdruck applaudieren bzw. buhrufen.
Diese Möglichkeiten, unmittelbar Feedback zu erhalten,
war für die Macher der Show eine wichtige Erfahrung.
Auch bei vielen Liveveranstaltungen gibt es den alternati­
ven Informationskanal. So kann man z. B. Tagungen,
Debat­ten oder Pressekonferenzen verfolgen, ohne direkt
dabei zu sein. Hier ist allerdings zu beachten, dass Kommentare subjektiv gefärbt sind und Zitate nicht unbedingt
wortgetreu wiedergegeben werden. Auch bei dieser Art
der Verwendung kann der vom Second Screen erzeugte
Nachrichtenstrom für die Rückkopplung genutzt werden.
So ist es z. B. bei Podiumsdiskussionen möglich, dass
die Beteiligten auf einem Bildschirm die eingehenden
Nachrichten verfolgen können und so direktes Feedback
zu ihren Beiträgen erhalten.
Schnelles Feedback kann dazu beitragen, dass Sendun­
gen und Veranstaltungen besser werden, indem sie
verstärkt auf das Publikum eingehen. Bedenkt man aber,
dass die Fähigkeit verschiedene Informationen parallel
wahrzunehmen, begrenzt ist, stellt sich jedoch die Frage,
ob man mit dem Second Screen wirklich besser sieht.
Dr. Markus Beckmann
Produkte und Standards
Verfasser des Trendberichts der HZD
[email protected]
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HZD-MAGAZIN
Hans-Georg Ehrhardt-Gerst, HZD
»GRÖSSTE UMWÄLZUNG
SEIT EINFÜHRUNG DER
SCHREIBMASCHINE«
Elektronischer Rechtsverkehr wird für die Justiz verpflichtend /
Staatssekretär Kriszeleit besucht HZD in Hünfeld
Am 13. Juni 2013 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“ beschlossen. Was das konkret bedeutet, machte Hessens Justizstaatssekretär Dr. Rudolf
Kriszeleit bei einer Pressekonferenz im Juli in der HZD-Außenstelle Hünfeld deutlich. Der Ort war dabei
nicht zufällig gewählt, ist die HZD-Außenstelle doch der IT-Dienstleister für die hessische Justiz und
wird als solcher für die technische Umsetzung des neuen Gesetzes maßgeblich zuständig sein.
Worum geht es?
Trotz des technischen Fortschritts und des Einsatzes moderner IT-Verfahren in der Justiz kommunizieren Anwaltschaft
und Gerichte nach wie vor in vielen Fällen schriftlich. Grund
dafür sind Regelungen, die auf die Anfänge des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zurückgehen und nie modernisiert wurden.
Dazu gehört beispielsweise die Beglaubigungspflicht bei
gerichtlichen Bescheiden. Sie durfte bisher nur manuell
auf Papier erstellt werden. Die Bundesländer Hessen und
Baden-Württemberg haben deshalb eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um den elektronischen RechtsHZD-Mitarbeiterin Medine Pehle zeigt dem Gast aus Wiesbaden die
Doppel-Kuvertierung (Brief im Brief). Eine Methode, die bei Versendungen im Rahmen des Automatischen Mahnverfahrens (AUMAV)
angewandt wird.
verkehr für alle Verfahrensordnungen – mit Ausnahme der
Strafprozessordnung – bis spätestens zum Jahr 2022 für
alle verpflichtend zu machen. Dieses Gesetz wurde nach
Einarbeitung verschiedener Änderungswünsche aus anderen Ländern jetzt im Bundestag verabschiedet. Es betrifft
alle, die professionell mit Gerichten kommunizieren. Dazu
gehören Rechtsanwälte und Notare, aber auch Kommunen,
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
„Das Gesetz wird die Kommunikation im Bereich der Justiz
revolutionieren – es ist die größte Umwälzung seit der
Einführung der mechanischen Schreibmaschine“, sagte
der Staatssekretär während der Pressekonferenz. Mit dem
Gesetz werden außerdem weitere wichtige Vereinfachungen
im elektronischen Rechtsverkehr umgesetzt. Dazu gehören
u. a.:
ƒƒ D
e-Mail wird für den elektronischen Rechtsverkehr zugelassen.
ƒƒ E
in maschinelles Siegel ersetzt die manuelle Beglaubigung auf Papier und ermöglicht damit den schnelleren
und kostengünstigeren Postversand über die Druckstraße
der HZD.
ƒƒ E
lektronische Formulare können, nachdem eine Rechtsverordnung des Bundesjustizministeriums mit Zustimmung des Bundesrates ergangen ist, ab dem 1. Juli des
kommenden Jahres auf einer Kommunikationsplattform
im Internet zur Nutzung bereit gestellt werden.
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INFORM 3/13
HZD-MAGAZIN
Für Kriszeleit führt damit der Weg unumkehrbar in Richtung
elektronischer Akte: „Wer durchgängig elektronisch kommuniziert, muss die Dokumente sinnvollerweise auch in
elektronischen Akten führen“.
Besuch des Druck- und Rechenzentrums
Bei dem anschließenden Rundgang durch die HZD-Außenstelle zeigten sich Dr. Rudolf Kriszeleit und Dr. Ralf Köbler,
IT-Abteilungsleiter der Justiz, beeindruckt von den leistungsfähigen Maschinen im Druckzentrum, dem modernen
Hochsicherheitsrechenzentrum und dem Technical Monitoring Center, TMC. Das TMC dient der technischen Unterstützung bei der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung EAÜ.
Mit Hilfe des bundesweit eingesetzten Verfahrens werden
Personen unter bestimmten Voraussetzungen anhand einer
elektronischen Fußfessel überwacht. Die HZD sorgt in einem
7x 24 Stunden Dienst für die technische Dienstleistung,
während die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder
(GÜL) in Bad Vilbel für die fachliche Aufsicht zuständig ist.
Kriszeleit betonte in diesem Zusammenhang, wie zufrieden
auch die anderen Bundesländer mit der Arbeit der HZD
seien.
Neue Aufgaben für die HZD
Für die HZD bedeutet das „Gesetz zur Förderung des
elektronischen Rechtsverkehrs“ neue Aufgaben. Sie wird
die technischen Voraussetzungen für den elektronischen
Hessens Justizstaatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit bei der Presse­
konferenz in der HZD-Außenstelle Hünfeld. Rechts im Bild:
der Leiter der Außenstelle, Herbert Guder.
Rechtsverkehr schaffen und Prozessänderungen in die ITLandschaft einpassen. Dafür ist sie gut gerüstet. Die sehr
hohen Sicherheitsstandards, wie sie bereits heute von der
HZD bereitgestellt werden, bleiben dabei erhalten. Dazu gehört zum Beispiel das in sich geschlossene und gesicherte
Justiznetz ebenso wie eine justizeigene Benutzerverwaltung
in einem Active Directory. Zusätzliche Druckaufträge für die
Justiz, wie sie durch den Wegfall der Beglaubigungspflicht
zu erwarten sind, wird die HZD in gewohnter Qualität und
Schnelligkeit bearbeiten. Da der Druck der KFZ-Steuer ab
dem 2. Quartal 2014 bundesweit zentral in Nürnberg er­
folgt, können im Druckzentrum der HZD damit freigeräumte
Kapazitäten quasi nahtlos der Justiz zur Verfügung gestellt
werden. Staatssekretär Kriszeleit ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er die technische Umsetzung des Gesetzes
gewährleistet sieht. „Die Zusammenarbeit zwischen Justiz
und HZD ist von Beginn an sehr vertrauensvoll und partnerschaftlich“, betonte er während seines Besuchs. Was die
HZD gerne bestätigt. .
Hans-Georg Ehrhardt-Gerst Kundenberater Justiz
[email protected]
INFORM 3/13
17
HZD-MAGAZIN
Edgar Volk, HZD
DRUCKREIF
Das Druck- und Versandzentrum der HZD in der Mitte Deutschlands
Die HZD-Außenstelle in Hünfeld ist nicht nur IT-Dienstleister der Hessischen Justiz, seit 2009 betreibt
sie dort auch das Druck- und Versandzentrum der HZD. Mit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Förderung
des elektronischen Rechtsverkehrs“1 wird sich das Aufgabenspektrum im Druckzentrum erweitern.
XX Im Jahr 2009 wurden die ehemals zwei Druckzentren
(Wiesbaden und Hünfeld) an einem Standort zusammen­
gelegt und so die Voraussetzungen für ein Hochleistungs­
druckzentrum geschaffen. Der Standort in der Mitte
Deutschlands, ausreichend Kapazitäten, professionelles
Know-how und fortschrittliche Technologien zeichnen es für
eine zentrale, landesübergreifende oder gar länderübergreifende Produktion aus. Derzeit werden dort jährlich
ca. 90 Mio. Seiten gedruckt und rund 13 Mio. Sendungen
18
INFORM 3/13
kuvertiert sowie nach Leitregionen sortiert und bei der Deutschen Post zur Versendung eingeliefert.
Eines der größten Verfahren, das durch das Druckzentrum
der HZD betreut wird, ist die hessische Steuerverarbeitung
im Rahmen von KONSENS (Koordinierte neue Softwareent s. Artikel Seite 16
Software für die Einkommens- und Strukturförderung im Rahmen
des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft
1
2
HZD-MAGAZIN
wicklung in der Steuerverwaltung). Weitere komplexe Verfahren sind z.B. die Erstellung der Gehaltsmitteilungen aller
hessischer Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger. Außerdem werden Bescheide der hessischen Justiz, der hessischen
Wohngeldstellen, die E-Beihilfe sowie verschiedene landwirtschaftliche Produktionen im Rahmen des EU-weiten „SEStERZ2Förderprogramms“ verarbeitet. Im Bereich der Justiz erlaubt
das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs
ab dem 01.07.2014 in konkreten Fällen ein maschinelles Siegel anstelle der bisherigen manuellen Beglaubigung auf Papier. Damit ist der Weg frei, vermehrt Dokumente der Justiz schneller und kostengünstiger über die HZD zu drucken
und zu versenden. In der Folge könnte die Justiz zum größten
Kunden des Druckzentrums werden.
Konkret werden bei jedem Verfahren die Rohdaten des jeweiligen Kunden mit der Outputmanagementsoftware entgeRund 90 Millionen Seiten druckt das HZD-Druckzentrum in Hünfeld
jedes Jahr. Das meiste davon für Hessens Steuerverwaltung.
gen genommen. Auf Kundenwunsch werden die Daten konvertiert und modifiziert. Beim Großteil der Verfahren erfolgt
eine Aufbereitung in Form einer DV-Freimachung, durch die
sich sehr hohe Rabattierungen bei einem Versanddienstleister (im Falle der HZD die Deutsche Post AG) realisieren lassen.
Anschließend werden die fertig aufbereiteten und durch das
Druckzentrum in Hünfeld gedruckten und kuvertierten Sendungen der Deutschen Post AG übergeben.
Ausblick
Für die nächste Zukunft liegt der Schwerpunkt des HZDDruckzentrums auf dem dauerhaften Betrieb der Druck- und
Kuvertierstraßen für die eigenen Bedarfe inklusive der Katastrophen-Fall-Abdeckung, der Deckung fremder Bedarfe für
Katastrophen-Fall-Szenarien als Dienstleister im Back-Up-Bereich sowie der Schaffung von Erweiterungsmöglichkeiten
für künftige Auftragsübernahmen. Dabei muss die vorhandene Basis-Infrastruktur so ausgerichtet werden, dass mit
wachsenden Anforderungen im laufenden Betrieb der Ausbau skalierbar und flexibel erfolgen kann. Der derzeit vorhandene Standort mitten in Deutschland ist geradezu ideal
für alle potenziellen Mandanten.
In einem weiteren Erweiterungsschritt wäre denkbar, dass
auch kleinere Aufträge hessenweit von allen Behörden und
Dienststellen durch die HZD eingesammelt werden. Idealerweise würden auf diese Weise hessenweit sämtliche zu druckenden/kuvertierenden Daten zentral durch die HZD verarbeitet werden. Allein im Bezug auf Porto ist dies lohnend,
ganz zu schweigen von der personellen Auswirkung bei der
Bündelung kleiner Sendungsmengen.
Edgar Volk
Bereichsleiter
Druckzentrum
[email protected]
INFORM 3/13
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HZD-MAGAZIN
Adam Miosga, HZD
MIT E-NACHRICHT
SCHNELLER ZUM GERICHT
Neues Verfahren der HZD beschleunigt
elektronischen Postversand
XX Weg vom Papier – hin zu mehr digitalen Prozessen.
Die­sen Weg geht die hessische Gerichtsbarkeit konsequent weiter und hat mit einem ihrer jüngsten Projekte,
der „E-Nachricht“, hier einen deutlichen Schritt nach vorne
gemacht. Seit September 2012 läuft das Verfahren im Pilotbetrieb beim Landgericht Limburg an der Lahn und seit
kurzer Zeit auch beim Landgericht Kassel. Im Oktober dieses Jahres wird die HZD-Außenstelle in Hünfeld mit dem
Rollout via zentraler Softwareverteilung auf die übrigen
Gerichte beginnen. Dieses soll Anfang des kommenden
Jahres abgeschlossen sein. E-Nachricht löst den EGVP1Classic-Client ab und wurde in enger Abstimmung mit
der IT-Stelle der hessischen Justiz in Bad Vilbel und dem
Landgericht in Limburg von der HZD entwickelt.
Das neue Verfahren basiert auf einem anderen technischen
Prinzip und bietet zahlreiche Vorteile. Im Gegensatz zur
bestehenden Kommunikation mit dem EGVP-Classic-Client
ist mit der E-Nachricht-Applikation der elektronische
Postverkehr nicht nur von einzelnen, speziell autorisierten
PCs möglich, sondern von jedem Arbeitsplatz. Dies erspart
allen Beteiligten viel Zeit und Papier. Gerichts­protokolle
und andere Dokumente müssen jetzt nicht mehr ausgedruckt und nach draußen verschickt werden, die Prozesse
werden insgesamt schneller, der Nachrichteneingang und
–ausgang wird automatisiert im Postbuch eingetragen und
steht recherchierbar zur Verfügung. Von außen kommende
Dokumente, beispielsweise von Notaren oder Anwälten,
werden – wie bisher auch – an das elektronische Gerichtspostfach gesandt. Von dort verteilt die Posteingangsstelle
die Nachrichten weiter an die zuständigen Serviceeinheiten des Gerichts. Dies tut sie anhand der Postbuch-Einträge wie Aktenzeichen oder Nachrichten-ID. Das eigentliche
Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach
1
20
INFORM 3/13
Blick in den großen Schwurgerichtssaal des Landgerichts Limburg
Dokument bleibt für sie unsichtbar. Im bisherigen Verfahren ist dies so nicht möglich. Die Dokumente gelangen nur
bis in das elektronische Gerichtspostfach. Von dort müssen
sie in Papierform weiterverteilt werden.
Wichtigste Forderung war die sichere „Ende zu Ende“ Verschlüsselung, d. h. ein elektronisches Dokument passiert
seinen Weg sicher und verschlüsselt vom Sender zum
Empfänger. Das Verfahren basiert auf einer Service-Orientierten Architektur (SOA) und bedient sich aktueller Techniken wie BizTalk-Server, IIS7, .NET 4.0 und WPF. Verschiedene eigenständige Komponenten lassen sich dabei wie
Zahnräder zu verschiedenen Funktionen zusammensetzen.
Dies führt zu einer großen Flexibilität und Ausbaufähigkeit
des Verfahrens. So ist beispielsweise geplant, E-Nachricht
auch auf andere Kanäle wie Fax oder De-Mail auszudehnen. Zu den weiteren Vorteilen der Architektur gehören:
HZD-MAGAZIN
Das Eingangsportal zum Landgericht Limburg an der Lahn
ƒƒ d
ie Entwicklung einer automatischen Weiterleitung vom
elektronischen Postfach zu den Fachverfahren
ƒƒ d
ie direkte Einbindung einer sicheren Signatur über
Public-Key-Infrastructure (PKI) in das Verfahren
Bereits voll funktionsfähig und im Einsatz ist ein Word-AddInn, das das Versenden aus Word heraus über E-Nachricht
ermöglicht.
In der Serviceeinheit für Zivilsachen werden u.a. Akten registriert
und bearbeitet sowie der elektronische Postversand abgewickelt.
Im Landgericht Limburg ist E-Nachricht bereits seit
September 2012 als Pilot im Einsatz und findet dort große
Akzeptanz nicht nur im Gericht (s. Interview Seite 22 ff.),
sondern auch bei den teilnehmenden Anwälten und
Notaren. Die schnelle und erfolgreiche Entwicklung ist vor
allen Dingen der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen IT-Stelle, HZD und dem Landgericht
Limburg zu verdanken. Die IT-Stelle lieferte die Konzepte
mit den fachlichen Anforderungen, die Anwenderinnen
des Landgerichts Limburg unterstützten und unterstützen
das Projekt nicht nur durch ihre Bereitschaft, die neue
Technik zu testen, sondern brachten selbst zahlreiche wert­volle Vorschläge aus der Praxis in die Entwicklung mit ein.
Darunter waren Anregungen beispielsweise zur Darstel­lung, Menüführung oder Ablaufoptimierung. Die HZD
sorgte für die fachkompetente Umsetzung sowie den Aufbau und die Bereitstellung der erforderlichen Technik.
Adam Miosga Anwendungsmanagement
[email protected]
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HZD-MAGAZIN
»MIT SO VIEL POSITIVER
RESONANZ HATTEN WIR
GAR NICHT GERECHNET«
Ein Gespräch im Landgericht Limburg über E-Nachricht
Monika Sommer ist Geschäftsleiterin und Personalreferentin am Landgericht Limburg an der Lahn. Sie
leitet dort das Projekt E-Nachricht und arbeitet eng mit Ivonne Pfeiffer und Stephanie Leist zusammen,
die die Anwendung testeten und betreuen. Alle Drei stehen in engem und direktem Austausch mit
dem Entwicklerteam der HZD und den Projektverantwortlichen in der IT-Stelle in Bad Vilbel. INFORM
sprach mit den drei Frauen über ihre Erfahrungen mit E-Nachricht.
INFORM: In aller Kürze: Wofür ist das Landgericht in Limburg zuständig?
Sommer: Das Landgericht Limburg ist ein mittelgroßes
Landgericht in Hessen mit dem viertgrößten Landgerichtsbezirk. Wie jedes Landgericht haben wir Zivil- und Strafkammern. Jährlich ergibt sich ein Zugang von circa 1.800 erstinstanzlichen Zivilverfahren. Die Zivilkammern sind zudem die
Berufungs- und Beschwerdegerichte für Rechtsstreitigkeiten, die von den vier Amtsgerichten im Landgerichtsbezirk
erstinstanzlich verhandelt wurden. Die Strafkammern sind
zuständig für alle schwereren Strafverfahren, die nicht in die
Zuständigkeit der Amtsgerichte fallen sowie für die Berufungs- und Beschwerdeverfahren aus dem Bezirk.
Zu den weiteren Aufgaben eines Landgerichts zählen Verwaltungsdienstgeschäfte wie etwa Notarangelegenheiten.
INFORM: Seit wann arbeiten Sie mit dem von der HZD entwickelten Verfahren E-Nachricht?
Pfeiffer: Am 28. September 2012 haben wir offiziell mit dem
Echtbetrieb angefangen. Das war der Tag der offenen Tür
der hessischen Justiz, und wir wollten den Bürgerinnen und
Bürgern gerne unser Programm vorführen.
INFORM: Wofür nutzen Sie das Verfahren?
Sommer: Zurzeit arbeiten insgesamt 15 Anwenderinnen und
Anwender hier bei uns mit E-Nachricht. Dadurch, dass wir
jetzt E-Nachricht zusammen mit der elektronischen Signatur
anwenden, können wir eigentlich so gut wie alles elektro22
INFORM 3/13
Ivonne Pfeiffer, Monika Sommer und Stephanie Leist (v.l.)
nisch verschicken – vorausgesetzt die Empfänger verfügen
über elektronische Gerichts- und Verwaltungs-Postfächer.
Mit E-Nachricht verschicken wir zum Beispiel Urteile, Sit­zungs­
protokolle, Beschlüsse, aber auch Ladungen – also sehr
sensible Dokumente. Für unseren Geschäftsablauf ist dies
äußerst praktisch, weil wir damit viel Zeit und auch Kosten
sparen können, die ansonsten durch das aufwändige Kopieren und Verschicken der Schriftstücke entstehen.
Pfeiffer: Wir sind selbst ganz erstaunt, wie viel wir bereits
über die E-Nachricht abwickeln können. Mittlerweile verschicken wir bestimmt 40 Prozent unserer Post elektronisch und
Bild rechts: Monika Sommer, Geschäftsleiterin und Personalreferentin am Landgericht Limburg
HZD-MAGAZIN
INFORM 3/13
23
HZD-MAGAZIN
Stephanie Leist beantwortet Fragen zur E-Nachricht
das wird ganz sicher noch zunehmen. Allein im Juli hatten
wir ca. 200 elektronische Eingänge über E-Nachricht und
konnten ca. 700 elektronische Ausgänge verzeichnen. Das
ist unglaublich. Dass dieses Verfahren E-Nachricht so schnell
angenommen und genutzt wird, hätten wir selber nicht gedacht. Ich denke, wir werden schon bald auf die Ausgangszahl 1.000 kommen.
INFORM: Was sagen denn die Rechtsanwälte und Notare
dazu?
Leist: Die sind eigentlich durchweg begeistert. Mit so viel
positiver Resonanz hatten wir gar nicht gerechnet. Manchmal rufen sie hier an, um sich zu erkundigen, wann sie mit
der Zustellung eines Protokolls oder eines gefällten Urteils
rechnen können. Dann sagen wir: „Schauen sie bitte mal
in ihr elektronisches Postfach, es dürfte bereits zugegangen sein.“ Es geht somit auch für die Anwaltsbüros durch
E-Nachricht alles viel schneller und kostengünstiger. Zur
Akzeptanz hat sicherlich beigetragen, dass die Anwälte und
Notare bereits mit dem elektronischen Schriftverkehr durch
das Verfahren E-Rechnung vertraut waren.
INFORM: Ist es nicht zeitaufwändig Pilot-Anwender zu sein,
also mit einem Programm zu arbeiten, das sich noch in der
Entwicklung befindet?
Sommer: Doch, das ist es schon. Aber wir sehen es vor allen
Dingen als Chance für die Praxis. Sonst ist es doch häufig
so: Den Anwendern wird gesagt, ab dem und dem Datum
gibt es eine neue Anwendung und die Geschäftsabläufe
sind darüber zu erledigen. Als Nutzer muss man sich dann
wohl oder übel damit abfinden, was entwickelt wurde. Jetzt
24
INFORM 3/13
können wir mitgestalten, und es macht uns wirklich Freude
in dieser Form am Entwicklungsprozess beteiligt zu sein.
Mit Frau Pfeiffer und Frau Leist habe ich zwei sehr computererfahrene Anwenderinnen, die sich sowohl in der Anwendungsbetreuung als auch der Administration auskennen.
Weil sie außerdem auch ganz „normale“ Anwenderinnen in
der Praxis sind, die mit dem Programm ihre tägliche Arbeit
erledigen, schafft dies auch viel Akzeptanz bei den Kolleginnen und Kollegen im Haus und darüber hinaus auch bei
anderen Gerichten.
Pfeiffer: Wir sagen den Kolleginnen und Kollegen immer:
„Meldet euch, wenn euch etwas auffällt oder etwas nicht
verstanden wird oder vielleicht auch nicht funktioniert.“ Das
klappt richtig gut und hat den Vorteil, dass im Vorfeld vieles
im Team erarbeitet und getestet werden kann.
INFORM: Können Sie zum Abschluss noch kurz aus Ihrer
Sicht die Zusammenarbeit mit der HZD in Hünfeld in diesem
Projekt beschreiben?
Sommer: Das war und ist eine sehr gewinnbringende, vertrauensvolle und zudem bereichernde Zusammenarbeit. Wir
waren von Anfang an in die Entwicklung mit eingebunden
und haben uns regelmäßig zu Arbeitsgesprächen getroffen.
Das HZD-Team hat unsere Anregungen immer gerne aufgegriffen und umgesetzt, was umzusetzen ging. Umgekehrt haben wir natürlich akzeptiert, wenn wir mal die Rückmeldung
bekamen, dass etwas technisch nicht machbar war oder der
Aufwand einfach zu groß gewesen wäre.
Leist: Der Kontakt zur HZD ist wirklich prima. Wenn ich Herrn
Miosga mal nicht direkt erreiche, meldet er sich mit großem
Verlass schnellstmöglich.
INFORM: Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Das Interview führte Friederike van Roye, HZD
HZD-MAGAZIN
Markus Keutner, HZD, Friederike van Roye, HZD
E-MAILS VERSCHLÜSSELN
– GANZ EINFACH
Software-Zertifikate lösen PKI-Chipkarte ab
Schon lange vor Publikwerden der aktuellen Datenspionageaffäre hat das Land Hessen großen Wert
auf eine Verschlüsselungstechnik für E-Mails gelegt und diese ab 2009 mit der Public-Key-Infrastructure (PKI) bereitgestellt. Mit der Einführung von Software-Zertifikaten ist die Handhabung jetzt deutlich
komfortabler geworden.
Bilden das Kernteam der HZD rund um die E-Mail-Verschlüsselung: Matthias Aevermann, Hiltrud Landau und Markus Keutner (v.l.)
XX Manchmal findet Technik keine Akzeptanz und oft genügen dafür schon kleinere Hemmnisse. Bei der Hessen-PKI
war das so. Zu umständlich, zu langsam, zu teuer. So oder so
ähnlich lautete das Urteil vieler Anwenderinnen und Anwender. Ein E-Mail Verschlüsselungs-Verfahren ist aber unerlässlich für die Landesverwaltung. Für die HZD galt es deshalb,
das Verfahren attraktiver und einfacher zu gestalten. Dies hat
sie jetzt getan.
Seit 2009 können Landesmitarbeiterinnen und -mitarbeiter
ihre E-Mails via Hessen-PKI verschlüsseln und so vertrauliche
Mitteilungen untereinander oder aber über die Landesgren­
zen hinaus austauschen. Die Hessen-PKI ist Teil der Verwaltungs-PKI des Bundes. Diese wird durch das Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betrieben. Welche
E-Mails in jedem Fall vertraulich zu behandeln sind, regelt
unter anderem die „Richtlinie zur Nutzung von E-Mail- und 
INFORM 3/13
25
HZD-MAGAZIN
Internetdiensten in der Hessischen Landesverwaltung“. Darin
heißt es: „Die Übertragung von vertraulich zu behandelnden
Daten an Empfängerinnen und Empfänger außerhalb des
Hessennetzes darf auf elektronischem Weg nur verschlüsselt
erfolgen. Personalaktenrelevante Daten und Daten, für die
eine ähnliche Missbrauchsgefahr besteht, dürfen auch inner­
halb des Hessennetzes nur PKI-verschlüsselt übertragen
werden.“
Die Hessen-PKI nutzte bisher eine Chipkarte mit Kartenleser. Der auf der Chipkarte befindliche Kryptographiechip
beinhaltete die Zertifikate und die dazugehörigen privaten
Schlüssel. Um eine verschlüsselte E-Mail zu entschlüsseln oder eine E-Mail „elektronisch unterschrieben“, also
signiert, zu versenden, las ein Kartenleser den privaten
Schlüssel aus. Zuvor war die Eingabe einer 6-stelligen PIN
in den Kartenleser erforderlich. Das Verfahren gilt als sehr
sicher und erlaubte damit, Nachrichten und Dokumente mit
einer digitalen Unterschrift zu versehen. Allein es fehlte die
Akzeptanz. Die Technik führt zu Wartezeiten; ein Pin-Code,
der ausschließlich Zahlen enthält, ist schwer zu behalten und
für Chipkarte und Kartenleser entstehen Anschaffungskosten sowie zusätzlicher technischer Administrationsaufwand.
Waren bisher Zertifikate und private Schlüssel auf der Chipkarte gespeichert und nur via Kartenleser zugänglich, bietet
26
INFORM 3/13
die HZD ab sofort eine veränderte Lösung an. Zertifikate
und dazugehörige private Schlüssel werden jetzt in Form
von Dateien bereitgestellt, per E-Mail versandt und auf dem
Computerarbeitsplatz im eigenen Benutzerprofil installiert.
Da die Speicherung auf einer separaten Hardware – dem
Kryptographiechip – entfällt, entstand die Bezeichnung
„Softwarezertifikate“.
Sicher
Um die Sicherheit vor unbefugtem Zugriff auf die Softwarezertifikate bzw. den darin enthaltenen privaten Schlüsseln zu
gewährleisten, werden die Dateien mit einem extra Kennwort gesichert. Dieses erhält der PKI-Teilnehmer in einem
separaten Kennwortbrief auf dem Postweg. Erst wenn beide
Komponenten vorliegen – die Dateien mit Zertifikaten und
privaten Schlüsseln sowie das Kennwort –, können die Zerti­
fikate auf dem Computerarbeitsplatz eingerichtet werden.
Damit der private Schlüssel auch nach der Installation geschützt ist, wird er in einem speziellen Speicherbereich im
Benutzerprofil mit einem Schlüssel-Kennwort versehen, das
der Anwender selbst vergibt. Wenn er dann eine verschlüsselte E-Mail lesen möchte, nutzt er für die Entschlüsselung
das Schlüssel-Kennwort. Dieses muss achtstellig sein und
darf sowohl Buchstaben als auch Ziffern enthalten.
HZD-MAGAZIN
Schnell und kostengünstig
Verschlüsselte Gruppenkommunikation
Mit der neuen Hessen-PKI basierend auf Softwarezertifikaten
verkürzen sich nicht nur die Wartezeiten beim Ver- und Entschlüsseln, sondern es entfallen auch alle Zusatzkosten für
PKI-Hardware und den zuvor erforderlichen PKI-Sicherheits­
raum in den Dienststellen. Die Zertifikate und das Schlüssel­
material werden nun direkt in der Zentralen Registrierungs­
stelle der Hessen-PKI in der HZD auf gesicherten (gehärteten)
Systemen erzeugt und von dort an die PKI-Teilnehmer verteilt.
Als nächsten Entwicklungsschritt plant die HZD die Einrich­
tung von Gruppenzertifikaten für Gruppen- und Funktions­
postfächern, so dass alle mit Zertifikat ausgestatten
Gruppen­teilnehmer verschlüsselt kommunizieren können.
Dies ist besonders für Teams interessant, bei denen mehrere
Personen über vertrauliche Vorgänge zusammenarbeiten.
Zudem ergibt sich damit die Möglichkeit, über zentrale
E-Mailadressen zu bestimmten Verfahren eine verschlüsselte
Kommunikation – auch über die Hessische Landesverwaltung hinaus – zu gewährleisten.
Software-Zertifikate beantragen
Ganz konkret bedeutet dies für Anwenderinnen und Anwender: Um PKI nutzen zu können, stellen sie über den
PKI-Verantwortlichen der Dienststelle einen Zertifikatsantrag
bei der Hessen-PKI in der HZD. Diese sorgt in ihrer Registrierungsstelle für die Zertifikatserstellung und Zertifikatsübermittlung. Anschließend installieren die PKI-Teilnehmer die
zugesandten Dateien gemäß Anleitung auf ihrem Computerarbeitsplatz und binden die Zertifikate in Outlook ein. Von da
an können sie ihre E-Mails verschlüsselt versenden.
Die neue Hessen-PKI basierend auf Software-Zertifikaten
unterstützt nur noch die Funktionalität des Verschlüsselns von
E-Mails. Das Zertifikat für die Fortgeschrittene Elektronische
Signatur, mit der das elektronische „Unterschreiben“ von
Dokumenten und E-Mails nach Signaturgesetz (SigG) möglich
war, wird nicht mehr angeboten.
Markus Keutner Unified Communication
[email protected]
Friederike van Roye Kommunikation, Information
[email protected]
PUBLIC-KEY-INFRASTRUCTURE
Die Public-Key-Infrastructure des Landes Hessen dient der
Erstellung von digitalen Zertifikaten, die in der elektronischen Kommunikation verwendet werden. PKI unterscheidet sich von anderen Verfahren zur Verschlüsselung durch
die Verwendung eines Schlüsselpaares. Der eine Schlüssel wird nur zur Verschlüsselung verwendet, er wird als
öffentlich bezeichnet. Die Entschlüsselung ist dagegen nur
mit dem privaten Schlüssel möglich. Während bei anderen Verfahren zur Verschlüsselung das Schlüsselmaterial
geheim gehalten werden muss, wird bei einem PublicKey-Verfahren der öffentliche Schlüssel für alle Kommunikationspartner bereitgestellt, ohne dass sich daraus ein
Risiko für die Sicherheit der Informationen ergibt. Der zu
schützende private Schlüssel bleibt immer in dem alleinigen Besitz des Zertifikatsnehmers und muss bzw. darf für
den verschlüsselten Nachrichtenaustausch niemals dem
Kommunikationspartner zur Verfügung gestellt werden.
Um das Schlüsselpaar eindeutig einer Person und einem
Verwendungszweck (z.B. Verschlüsselung) zuzuordnen,
findet eine Zertifizierung durch eine Zertifizierungsstelle
(Certificate Authority CA) statt. Mit dem erzeugten Zerti­fikat erfolgt der Beleg, dass die Schlüsseldaten und Personen­­
daten (insbesondere der Name und die E-Mailadresse)
zusammengehören.
DIE VERWALTUNGS-PKI
Die Hessen-PKI ist Mitglied der Verwaltungs-PKI des Bun­
des, die durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betrieben wird. Dort ist die oberste
Zertifizierungsstelle, die sogenannte Stamm- oder Wurzelzertifizierungsstelle, angesiedelt, unter der neben dem
Land Hessen auch andere Bundesländer untergeordnete
Zertifizierungsstellen zur Ausgabe von Anwender- und
Computerzertifikaten herausgeben.
INFORM 3/13
27
HZD-MAGAZIN
Elke Stüber, HZD, Dr. Achim Weinzettel, HMdF
BERICHTE EINFACH
ERSTELLEN
Landesverwaltung steht eine moderne Systemplattform
für Berichtswesen zur Verfügung
XX In den Jahren 2000 bis 2008 führte das Land Hessen mit
dem Projekt „Neue Verwaltungssteuerung (NVS)“ die doppi­
sche Buchführung mit Kosten- und Leistungsrechnung in den
Verwaltungsbetrieb ein. Alle Daten des Finanz- und Rechnungswesens werden in der HZD im zentralen SAP Enterprise-Resource-Planning-System (ERP) zusammengeführt.
Die Menge der zusammengeführten Finanzdaten aus Rech­
nungswesen, Finanzwesen, Controlling, Logistik, Baumana­
ge­ment und Immobilien ist trotz der Möglichkeit, kontext-
bezogene Berichte in den ERP-Systemen zu erstellen, nicht
überschaubar. Insbesondere sind übergreifende Sach­zu­
sam­menhänge nur schwer darstellbar und analysierbar.
Darüber hinaus bildet sich in der Hessischen Landesverwaltung mit wachsendem Ausmaß die Anforderung heraus, Daten des Rechnungswesens mit Daten aus den Fachsystemen
der Buchungskreise in gemeinsamen Berichten auszuwerten.
Die Visualisierung komplexer Sachzusammenhänge, die
Erstellung von Trendanalysen, die Ableitung von Prognosen
Das Projektteam „Systemplattform für Berichtswesen“ v.l.: Beate Maaß (HCC), Petra Schielke (HCC), Dr. Achim Weinzettel (HMdF),
Elke Stüber (HZD), Hubert Brandstädter (HCC), Peter Welzenbach (HCC), Harald Klink (HCC), Ralf Köhler (HZD), Dr. Jörg Raimann (HCC)
28
INFORM 3/13
Windows Terminal Server (WTS)
Präsentation,
Analyse
Formatierte
Stan­dardberichte
Visualisierung
Analyse
Individuelle
Berichts­
erstellung
Planung
(zukünftig)

Schnelle und komfortable Lösung
Die geschilderten Anforderungen lassen sich mit einer Systemplattform für Berichtswesen einfach, schnell und komfortabel lösen. Eine Systemplattform für Berichtswesen wird im
Auftrag des Hessischen Ministeriums der Finanzen (HMdF)
seit 2010 in aufeinander folgenden Phasen aufgebaut und
durch produktive Einsatzzyklen verifiziert.
Die Systemplattform für Berichtswesen in Hessen wird auf
der Grundlage der SAP Business Objects Berichtswerkzeuge (BI Suite) und dem SAP Business Warehouse System
Land Hessen erstellt.
Die Berichtsdaten werden in einer Datenhaltungs- und
Daten­speicherungsschicht zusammengeführt. Gebildet
wird die Schicht durch das SAP Business Warehouse. Um
alle relevanten Berichtsdaten des Landes – SAP-Daten
wie Fachdaten – aufnehmen zu können, ist das Business
Warehouse entsprechend den Richtlinien eines Enterprise
Data Warehouse (EDW) strukturiert und geschichtet. Die
SAP Business Objects-Berichtswerkzeuge sind in einer dem
Anwender zugewandten Präsentations- und Analyseschicht

Die bisherige Praxis zur Erstellung von Berichten ist durch die
erforderlichen detaillierten Planungen und den Aufbau einer
geeigneten Systemtechnik aufwändig und langwierig. Er­
kenntnisse können nur für zukünftige Aufgabenstellungen
gewonnen werden. In die aktuell durchgeführten Aufgaben
kann nicht steuernd eingegriffen werden. Neben einer zeit­
nahen, möglichst intuitiven, komfortablen und nach vorne
gerichteten Berichtserstellung wird deshalb heute eine flexible und einfache IT-Unterstützung gefordert, die das ERPSystem aufgrund seiner Architektur nicht zu leisten vermag.

sowie die Analyse und Bewertung von Beziehungen zwischen
unterschiedlichen Sachgebieten ist nicht oder nur mit sehr
hohem Aufwand im Berichtswesen des ERP-Systems möglich.
SAP
Non-SAP
z. B.
Rechnungswesen
Fach­
systeme

Business Datawarehouse System Land Hessen
Daten aus Rechnungswesen, Finanzwesen, Controlling, Logistik,
Baumanagement, Immobilien, Fachdaten
Datenintegrationsstelle
Datenhaltung
und Daten­
speicherung

Systemplattform für Berichtwesen

Technischer Aufbau der Systemplattform
HZD-MAGAZIN
Daten­quellen
eingebettet. Gegenwärtig sind Crystal Reports, Dashboard,
Web Intelligence und Analysis im Einsatz. Berichtsanwender
greifen nur auf die SAP Business Objects Werkeuge der
Präsentations- und Analyseschicht zu.
Eine Datenintegrationsschicht stellt medienbruchfrei Ver­
bindungen zu den Datenquellen, SAP-Systemen wie LRMRechnungswesen und zu Fachsystemen der Verwaltung her.
Bis zur Implementierung dieser Systemkomponente in 2014
bis 2015 werden SAP-Daten über sogenannte Extraktoren
und Fachdaten manuell als CSV-Dateien oder über andere
Eingabemöglichkeiten in das Business Warehouse geladen.
Aktuell ist lediglich das Landesreferenzmodell Rechnungswesen (LRM-ReWe) fest an die Systemplattform angebunden. Damit kann medienbruchfrei auf alle diese Daten
zugegriffen werden.
Das Projekt
Aufbau und Betrieb einer Systemplattform für Berichtswesen
benötigen fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten aus den
unterschiedlichsten Fachbereichen, z.B. der Softwareentwicklung, der Technik, der Organisationsentwicklung sowie
der Gestaltung der Betriebsprozesse. Die enge und medienbruchfreie Integration aller Teilkomponenten ist innerhalb
einer Schicht (vertikale Integration), aber auch zwischen
den Schichten (horizontale Integration) erforderlich, um
die Prozesse zur Informationsbereitstellung mit den Prozessen zur Analyse und Bewertung der Informationen allgemeingültig aufeinander abzustimmen. Hierdurch wird die
Konsistenz der Aussagen von entwickelten Berichten, die zu
unterschiedlichen Zeiten erstellt wurden und miteinander in
einem fachlichen Kontext stehen, erreicht.
Bereits seit Ausgestaltung der Datenhaltungs- und Datenspeicherschicht werden deshalb die anstehenden Aufgaben
in Konzeption, Entwicklung und Betrieb durch ein Team
INFORM 3/13
29
HZD-MAGAZIN
SYSTEMPLATTFORM FÜR BERICHTSWESEN
Für wen: Für alle, die Berichte anwenden bzw. erstellen,
z.B. Führungskräfte, Controller, Sachbearbeiter
Für was: Berichte aus SAP- und Fach-Daten
Vorteile: Vereinfachte Berichterstellung, medienbruchfrei,
kostengünstig bzw. Einsparpotential
Interesse? Gerne beantworten wir Ihre Fragen oder stellen Ihnen die Systemplattform in einer Präsentation vor
Kontakt:
Beate Maaß (HCC),
Telefon: 0611-7038778
E-Mail: [email protected]
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Hessischen
Ministerium der Finanzen (HMdF), dem Hessischen Competence Center (HCC) und dem HZD-Bereich „Technisches
Hessisches Competence Center (T-HCC)“ wahrgenommen.
Um ein ganzheitlich abgestimmtes Zielmodell sicherzustellen, diskutiert das Projektteam alle geplanten Aktivitäten und
bewertet sie hinsichtlich der Zielsetzung.
Seit Abschluss der Einführungsphase von SAP Business Objects im März 2013 konnten bereits einige Berichtsanforderungen mit den neuen Reportwerkzeugen produktiv gesetzt
werden bzw. befinden sich aktuell in der Umsetzungsphase.
Mit dem Zugriff auf alle Berichtsanforderungen über Windows Terminal Server (WTS) wird zudem die Nutzung der
Business Objects Systemlandschaft für eine größere Nutzerzahl realisiert. Die Einrichtung von sogenannten Powerusern
wird dem Gedanken der Unterstützung von „Self-ServiceBusiness Intelligence“ durch die Systemplattform gerecht.
Poweruser können für Anwenderinnen und Anwender ihres
Organisationsbereichs ab Oktober 2013 auf der Datenbasis,
die das HCC zur Verfügung stellt, Berichte individuell ent­
wickeln und Veröffentlichungen vornehmen.
Ausblick
Zur weiteren Verbesserung plant das Projektteam in den
kommenden beiden Jahren u.a.:
ƒƒ V
orstudie und Implementierung einer Dateninte­
grationsschnittstelle durch medienbruchfreie
Anbindung von SAP- und Fach-Systemen aus der
Verwaltung
ƒƒ R
eleaseupgrade des SAP Business Warehouse sowie
der SAP BI Suite
ƒƒ P
rüfung und Bereitstellung der aktualisierten bzw.
neuer Berichtswerkzeuge
30
INFORM 3/13
ƒƒ E
inbindung der Systemplattform für Berichtswesen
in das Service-Portal des Landes Hessen.
Ab Mitte 2014 soll das neue Berichtswerkzeug SAP Design
Studio der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden. SAP
Design Studio kommt dem Anwenderwunsch nach Reduktion der Anzahl der Berichtswerkzeuge und intuitiver Bedienung entgegen. SAP Design Studio und SAP Analysis sind
eng miteinander verknüpft. Berichtsfragmente und Daten
können zwischen den beiden Werkzeugen ausgetauscht
werden. Beide Berichtswerkzeuge decken die Funktionsvielfalt aller bereits eingesetzten Berichtsmerkmale ab. Zusätzlich kommen weitere Möglichkeiten hinzu wie die einfachere
Gestaltung von Mobil-Berichten. Für den Einsatz der SAP
BI-Suite in der Hessischen Landesverwaltung zeichnet sich
demnach Analysis, Design Studio und Crystal Reports ab.
Crystal Reports ist ein sehr mächtiges Berichtswerkzeug und
wird den Anwendern erst nach umfassender Unterweisung
zur Verfügung gestellt.
Elke Stüber SAP-Betrieb (T-HCC)
[email protected]
Dr. Achim Weinzettel Referat für Haushaltsautomation,
Prozessoptimierung und Verwaltungssteuerung
Hessisches Ministerium der Finanzen
[email protected]
HZD-MAGAZIN
VON DER
DV-MANUFAKTUR
ZUR IT-FABRIK
Interview mit Dr. Peter Triller, Abteilungsleiter Rechenzentrum der
HZD, zur Konzeption einer IT-Fabrik für Hessen
INFORM 3/13
31
HZD-MAGAZIN
Dr. Triller: Wir orientieren uns hier an marktüblichen Dienstleistungen, bei denen die Kunden in einem Serviceportal
zum Beispiel Server-, Speicher- oder Datenbankkapazitäten
bedarfsgerecht und schnell zu- und abbuchen können. Sie
bezahlen nur die Kapazitäten, die tatsächlich genutzt wurden. Der Zuwachs in diesem neuen Geschäftsfeld ist enorm
und mittlerweile in der Privatwirtschaft weit verbreitet. Aber
auch im Privatbereich nutzen Viele Cloud-Dienste bereits
sehr extensiv, denken Sie hier beispielsweise an die iCloud
von Apple.
INFORM:
Herr Dr. Triller, Sie sind Abteilungsleiter Rechenzentrum bei der HZD. Derzeit konzipieren Sie ein Modell für
eine IT-Fabrik. Was stellt man sich darunter vor?
Dr. Triller: Die HZD hat sich als der zentrale IT-Dienstleister
der Hessischen Landesverwaltung das Ziel gesetzt, bundesweit führend bei der Lieferung von erstklassigen IT-Services
zu sein. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die nur
durch Nutzung moderner Technologien zu erreichen ist. Daher beschäftigen wir uns seit knapp zwei Jahren intensiv mit
dem Thema Cloud Computing und arbeiten an der Realisierung einer HZD-Cloud.
Als infrastrukturelle Basis der HZD-Cloud soll hierzu im
Rechenzentrum ein effizienter, elastischer, standardisierter,
skalierbarer und automatisierter Plattformbetrieb realisiert
werden, der sich an den Cloud-Bereitstellungsmodellen
IaaS1 und PaaS2 orientiert.
Intern nennen wir diesen Ansatz „IT-Fabrik“, um die industriellen Analogien des neuen Produktionsmodells hervorzuheben. Eine wesentliche Komponente ist in diesem
Zusammenhang die Entwicklung und schrittweise Umsetzung eines ganzheitlichen Rechenzentrums-Automationskonzepts, das die bislang isolierten Automationsansätze in
den Betriebsteams in übergreifenden und automatisierten
Prozessketten integriert. Vor einigen Wochen haben wir ein
Projekt gestartet, um die konzeptionellen Grundlagen für
die übergreifende Automation zu legen.
INFORM: Cloud-Paradigma, IaaS und PaaS – können Sie
diese Begriffe und deren Kern für unsere Leserinnen und
Leser grob skizzieren.
Infrastructure as a Service
Platform as a Service
1
2
32
INFORM 3/13
Für uns im Rechenzentrum der HZD sind jedoch weder
private Konsumenten noch unmittelbar die User in den
Dienststellen die Kunden, sondern vor allem die Anwendungsbereiche der HZD. Ihnen wollen wir diese standardisierten Plattformen – wir sprechen von Produktionslinien – zur
Verfügung stellen, damit sie wesentlich schneller und auch
kostengünstiger als bisher die Fachanwendungen wiederum
ihren Kunden, den Usern in den Dienststellen, bereitstellen
können. Intern stellen wir derzeit eine IaaS-Plattform für die
Entwickler der HZD in einem ersten Pilotprojekt fertig.
Insbesondere bei querschnittlichen Verfahren und Bürokommunikationslösungen liegt es dann natürlich nahe, diese
selbst wieder als Cloud-Dienste in Self-Service Portalen
den Nutzern anzubieten. Im Rahmen des HessenPC mit der
Zentralen Betreiberplattform aber auch mit den Employee
Self Services-Ansätzen im Verwaltungsportal werden hier die
ersten Schritte bereits gegangen. Schließlich entwickelt unser Architekturbereich gerade erste HZD-Apps, zum Beispiel
für eine überall verfügbare und sichere Dokumentenablage.
Man sieht, Clouds entstehen in der HZD an verschiedenen
Stellen und formieren sich immer mehr zu einer HZD-Cloud.
INFORM: Worin liegen die Chancen der IT-Fabrik für die
Hessische Landesverwaltung?
Dr. Triller: Die Chancen sind enorm: Erstens: Wir sind mit
der IT-Fabrik in der Lage, wesentlich schneller InfrastrukturRessourcen bereitzustellen. Dauert heute das Deployment
eines virtuellen Servers aufgrund der Beteiligung unterschiedlicher Betriebsteams mehrere Tage, wird sich diese
Zeit bei Vollausbau der IT-Fabrik auf wenige Stunden,
vielleicht sogar Minuten, verkürzen. Zweitens: Die Auslastung kann aufgrund einer besseren Nutzung der technischen Ressourcen durch Virtualisierung und Automation
weiter verbessert werden. Das wirkt sich kostensenkend aus.
Drittens: Mit der einhergehenden Standardisierung wird
HZD-MAGAZIN
die Komplexität des IT-Betriebs gesenkt. Damit wird dessen Steuerung deutlich vereinfacht und gleichzeitig führen
höhere Stückzahlen gleichartiger Systeme zu geringeren
Beschaffungs-, Wartungs- und Administrationskosten. Das
kommt alles auch unseren Kunden durch besseren Service
und dem Haushalt durch geringere Betriebsaufwendungen
zugute. Das ist jedenfalls das Versprechen der IT-Fabrik und
unser Motiv.
Intern ergeben sich auch neue Chancen für die Kolleginnen
und Kollegen. Sie können sich in ganz andere Richtungen
weiterentwickeln und qualifizieren, da neue Rollenprofile
entstehen werden, zum Beispiel die des Prozessdesigners
oder Automatisierungsexperten. Schließlich verbessern sich
für die HZD die Möglichkeiten, technische Kooperationen
mit anderen Verwaltungen einzugehen, sofern das von der
Politik gewünscht werden sollte.
INFORM: … und die Risiken?
Dr. Triller: Natürlich bestehen auch Risiken, die zum einen
in einem langjährigen Umstellungsprozess begründet
sind, zum anderen haben wir das Akzeptanzproblem zu
überwinden. Letzteres besteht im eigenen Haus darin,
HZD RECHENZENTREN – KENNZAHLEN
Baujahr
Fläche
Physische/
Virtuelle
Server
(VMware)
Kapazität
(in Höheneinheiten)
Wiesbaden
1992–
2010
1.300 m2
Physische
Server: 1.549
Virtuelle
Server: 913
14.355
Mainz
2011
810 m2
Physische
Server: 164
Virtuelle
Server: 319
4.956
Hünfeld
Rechen­zentrum
1999
500 m2
Druck­zentrum
2009
900 m2
Summe
1992–
2011
3.510 m2
Physische
Server: 90
Virtuelle
Server: 550
Physische
Server: 1.803
Virtuelle
Server (VMware): 1.782
2.430
21.741
dass eingespielte Praktiken und anwendungsfallbezogene
Optimierungen von den Betriebsteams – zumindest zum Teil
– aufgegeben werden müssen. Das fällt nicht immer leicht.
Aber auch bei einigen unserer Kunden wird es Einwände
geben, da diese einen individualisierten und speziell angepassten Anwendungsbetrieb bis hinab in den Storage- und
Netzbereich gewohnt sind und von den Vorzügen eines
standardisierten Plattformbetriebs noch überzeugt werden müssen. Das Kosten- und Serviceargument sollte aber
ausreichend überzeugend sein. Wie auch immer, das Thema
IT-Fabrik ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein
organisatorisches und ein Kommunikationsprojekt.
INFORM: Sind wir
weit von einer
IT-Fabrik entfernt
– technisch, organisatorisch, prozessual, personell
und mental?
Dr. Triller: Das
ist höchst unterschiedlich. Bezogen auf den Punkt
Virtualisierung
sind wir schon vergleichsweise weit,
aber längst noch
nicht fertig, bei der
Standardi­sierung
nehmen wir gerade einen neuen Anlauf und bezüglich
der übergreifenden Rechenzentrums-Automation und der
notwendigen Überzeugungsarbeit befinden wir uns am
Anfang. Die besondere Herausforderung besteht darin, die
bestehenden Unterschiede auszugleichen und die Teilprojekte zu synchronisieren.
Da gleichzeitig noch der Tagesbetrieb zu erledigen ist, dafür
werden wir ja primär beauftragt, wird die Umsetzung des
gesamten Programms IT-Fabrik mindestens drei, realistisch
gesehen aber bis zu fünf Jahre dauern. Wir brauchen daher
einen langen Atem, viel Geduld und Hartnäckigkeit.
INFORM: Warum ist Ihrer Meinung nach jetzt der richtige
Zeitpunkt für die Konzeption einer IT-Fabrik?
Dr. Triller: Die Vorteile des Cloud-Paradigmas kann heute
niemand mehr ernsthaft infrage stellen. Es hat sich in den
INFORM 3/13
33
HZD-MAGAZIN
innovativen und vorauseilenden Unternehmen
bewährt. Als eher risikominimierende „Technologienachzügler“ kann und muss sich nun auch die Öffentliche
Hand mit diesem Thema intensiv beschäftigen, so auch
die HZD. Aber auch andere Datenzentralen haben sich die
Cloud als wichtiges oder sogar wichtigstes Schwerpunktthema vorgenommen. Mit anderen Worten, auch unsere
Branche steht in den Startlöchern. Dabei sind die Startbedingungen der HZD gut – sie will und wird hier entsprechend ihrer Unternehmensvision die Nase vorne haben.
INFORM: Das Rechenzentrum ist das Herz der HZD. Ist der
Eingriff eine OP am offenen Herzen?
Dr. Triller: Das Bild stimmt und beschreibt das Risiko recht
gut. Daher wollen wir minimalinvasive Techniken einsetzen.
Immer dann, wenn größere Veränderungen ohnehin anstehen oder wenn ganz neue Verfahren eingeführt werden,
sollen weitere Teile der IT-Fabrik gebaut werden.
Wir werden auch den Gedanken des kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses weiter verstärken, um unsere
Betriebsprozesse voranzutreiben und einen neuen Schub
in der Implementierung der ITIL-Prozesse, wie das Configuration Management oder das Availibility Management,
auslösen. Die Steuerungs- und Monitoringprozesse im Rechenzentrum müssen verbessert, das heißt Fabrik-mäßiger,
werden. Hierzu ist bereits ein Betriebsleitstand, das Service
Operating Center, SOC, im Aufbau. Es integriert zurzeit
das IT-Operating des Mainframe-Betriebs in Wiesbaden
mit dem Service-Desk in Hünfeld und bietet somit a priori
Ausfallsicherheit. Schrittweise sollen weitere Aufgaben in
das SOC auch aus den Anwendungsbereichen der HZD
integriert werden.
Schließlich beabsichtigen wir, unsere RechenzentrumsInfrastruktur zu konsolidieren. Damit ist im Wesentlichen die
Versorgung der Systeme mit Strom und Klima gemeint. Das
ist dringend geboten, die letzte große Sanierung in Wiesbaden liegt bereits über 20 Jahre zurück. In veralteten Rechen34
INFORM 3/13
zentrumsräumen sollte man keine neue IT-Fabrik aufbauen.
Mit dem Rechenzentrum Mainz ist zum Glück die notwendige Ausweichmöglichkeit vorhanden. Dennoch macht dieser
Aspekt die Aufgabe nicht gerade einfacher.
Die Koordination der vielen und temporär wechselnden
Einzelaktivitäten erfordert daher ein Programmmanagement
– sozusagen einen Chefarzt, nach dem oben skizzierten
Bild –, um das Gesamtziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Bauplan der künftigen IT-Fabrik mit der System- und
Netzarchitektur wird in einer ersten Version in Abstimmung
mit den Anwendungsbereichen der HZD gerade erstellt.
Ich gehe davon aus, dass wir diesen Bauplan über die Jahre
mehrfach aktualisieren müssen.
INFORM: Haben Sie sich Erfolgsfaktoren gesetzt?
Dr. Triller: Der wichtigste Erfolgsfaktor ist für mich die Kundenzufriedenheit. Wir gehen davon aus, dass diese durch
die neuen Rechenzentrums-Strukturen steigen wird. Das
Kundenmanagement als unser Seismograf wird uns darüber
fortlaufend Auskunft geben. Daneben messen wir natürlich
– wie bereits jetzt – weiter fortlaufend die Verfügbarkeit, die
Servicelevel-Einhaltung und Antwortzeiten der Systeme.
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist die Senkung der Produktionskosten, den wir mit den vorhandenen Instrumenten
im SAP aber auch mit einem speziell entwickelten Fachleistungscontrolling messen können. Die Wirtschaftlichkeit muss
im Zeitalter der Schuldenbremse ständig erhöht werden.
Last but not least ist die Mitarbeiterzufriedenheit für uns
ganz entscheidend. Die neuen Rollen und Aufgaben müssen
angenommen und als persönliche Bereicherung angesehen
werden. Da die Themen alle sehr spannend und anspruchsvoll sind, bin ich mir sicher, dass wir auch dieses Ziel erreichen werden – zumindest nach der anstrengenden Zeit des
Übergangs von der jetzigen DV-Manufaktur zur IT-Fabrik.
Die Fragen stellte Birgit Lehr, HZD
HZD-MAGAZIN
Dr. Harald Wegner, HZD
INSPIRATION – DAS NEUE
GEODATEN ONLINE
Überführung des Systems / Verbesserung der Verfügbarkeit und
Ausfallsicherheit
Das E-Commerce-Verfahren „Geodaten online“ der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement
und Geoinformation (HVBG) läuft in einer neuen Version. Seit Ende 2011 hat die HZD das Migrationsprojekt1 der HVBG begleitet. Im Rahmen dieses Projekts wurde der Geodatenserver nach INSPIRATION
überführt.
XX Schwerpunkte der HZD-Unterstützung im Migrationsprojekt waren der Aufbau einer neuen Systemumgebung sowie
die Betriebseinführung der neuen Software für das Verfahren. Diese Unterstützungsleistungen mündeten in den termingerechten Start des produktiven Betriebs des Verfahrens
am 14. Mai 2013 im Rechenzentrum der HZD.
Ziele
Geodaten online – seit 2004 im Einsatz
ƒƒ U
pgrade der Smallworld-GIS-Anwendungen auf die neue
Version CST 4.2
Das Verfahren Geodaten online blickt auf eine mehrjährige
Tradition zurück. Die erste Version startete bereits Ende
2004 und war bis Ende 2009 in Betrieb. Geodaten online
ist über das Internet unter www.gds.hessen.de aufrufbar
(Abb. 1, S. 36). Kunden der HVBG können über diese Seite
Produkte beziehen. Die Seite hat sich durch die Migration
vom Äußeren und von den Funktionen her auf den ersten
Blick kaum verändert. Neben der Shop-Funktion hat Geodaten online auch die Funktion einer Produktionsdatenbank
bzw. eines Datenservers für die Geobasisdaten der HVBG.
Schon die Vorgängerversion von Geodaten online war ein
komplexes System, das auf den Softwareprodukten Intershop Enfinity2, Smallworld GIS3 und Oracle4 basierte. Es
wurde als Test-, Referenz- und Produktionssystem auf fast
100 Servern in der HZD betrieben.
Für das Amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem
(ALKIS) und das Amtliche Topographisch-Kartographische
Informationssystem (ATKIS) der Hessischen Vermessungsverwaltung ist das Verfahren Geodaten online mit INSPIRATION die zentrale Datenhaltungskomponente sowie die
Auskunfts- und Präsentationskomponente. Darüber hinaus
werden in dem System ab 2014 auch die Daten der Festpunkte der Landesvermessung (AFIS5) vorgehalten bzw.
vertrieben.
Die Migration von Geodaten online hatte folgende Ziele:
ƒƒ Überführung des Geodatenservers nach INSPIRATION
ƒƒ A
ktualisierung der Fachschale ALKIS zur Unterstützung
der GeoInfoDok 6.0.1
ƒƒ E
insatz von deegree6 für die Bereitstellung von Navigationsdiensten (im Shop)
ƒƒ Migration der Shop-Software auf Intershop Enfinity Suite 6.2
ƒƒ Migration der Datenbank-Software auf Oracle 11g
ƒƒ Vereinheitlichung der Linux-Systeme auf Novell SLES11
ƒƒ V
ereinheitlichung der Windows-Systeme auf Microsoft
Windows 2008 Server
ƒƒ V
erbesserung der Ausfallsicherheit wichtiger Komponenten (Datenbank-Server, Dienste-Server, NavigationsServer, Web-Server, Shop-Server)
ƒƒ V
erbesserung der Skalierbarkeit und Verfügbarkeit von
Systemkomponenten durch Virtualisierung
Neben der Anpassung der verwendeten Software auf aktuelle Versionen hatte die Migration somit auch das wesent- 
1 GID6 „Migration des Geodatenservers DHK/APK zur Unterstützung
der GeoInfoDok 6.0.1“ / 2 Shop mit Storefront und Backoffice /
3 Geographisches Informationssystem / 4 Relationales DatenbankManagementsystem / 5 AFIS Amtliches Festpunkt Informations­
system / 6 Es handelt sich hierbei um Open Source
INFORM 3/13
35
HZD-MAGAZIN
sind auch Systeme (SIPGIS8- und Geo-Webdienste-Server9)
zu finden, die nicht zu INSPIRATION, aber zum Verfahren
Geodaten online gehören und in dessen Systeminfrastruktur
untergebracht sind. Diese Systeme liefern wichtige HVBGDienste, beispielsweise Unterlagen für die Vermessungsstellen und die Navigationsdaten für den Shop von Geodaten
online.
Vorbereitungen zur Betriebsaufnahme
Abb.1: Storefront Geodaten online
Schon früh bezog die HVBG die HZD in die Projektplanung
mit ein. Dabei konnte die HZD ihre Erfahrungen aus mehreren Jahren Betrieb des Vorgängersystems einbringen. Somit
konnten gezielt bekannte Schwachstellen angesprochen
und weitestgehend abgestellt werden. Zur Vorbereitung der
Betriebseinführung durch die HZD gehörten u. a.:
ƒƒ Abstimmung und Review der Spezifikation
ƒƒ P
lanung und Aufbau der Extranetzone im Rechenzentrum
Mainz
ƒƒ Beschaffung, Bereitstellung und Einrichtung der Systeme
ƒƒ Installation, Konfiguration und Qualitätssicherung der
Software
Abb. 2: Systemübersicht Geodaten online
liche Ziel, die Verfügbarkeit und die Ausfallsicherheit von
Geodaten online insgesamt zu erhöhen bzw. deutlich zu
verbessern.
Aufbau von Infrastruktur und Systemen
Aufgrund der beengten Raumsituation im HZD Rechenzentrum in Wiesbaden und den sich abzeichnenden Systemanforderungen für das neue Geodaten online wurde im Projektverlauf deutlich, dass die neuen Komponenten im neuen
Rechenzentrum in Mainz untergebracht werden sollen. Für
den Aufbau und die netztechnische Anbindung der neuen
Systeme wurde in Mainz dazu eine moderne Infrastruktur in
Form einer neuen, sogenannten Extranetzone geschaffen.
Nur durch dieses Vorgehen war es möglich, die gut 100 Server für Test-, Referenz- und Produktionssystem im geplanten
Zeitraum unterzubringen und netzwerktechnisch optimal
anzubinden. Der größte Teil der Server wurde auf HZDStandardplattformen7 virtualisiert. Nur die Datenbank- und
Shop-Server wurden als eigenständige physikalische Server
aufgesetzt, um den Anforderungen der darauf betriebenen
Standardsoftware gerecht zu werden.
Geodaten online wird auf einer Infrastruktur mit einer hohen
Komplexität und einer Vielzahl von Rechnern betrieben. Mit
Ausnahme der Datenbank-Server und dem Netapp-Fileserver werden Linux SuSe 11 und Windows 2008 Server als
Betriebssysteme eingesetzt (s. Abb. 2). In dieser Umgebung
36
INFORM 3/13
ƒƒ D
efinition, Vorbereitung und Durchführung betrieblicher
Tests
ƒƒ Einrichtung von Systemüberwachungen
ƒƒ Einrichtung von Datensicherungen
ƒƒ E
inrichtung sicherheits- und netzwerktechnischer
Firewall-Freischaltungen
Fazit
Aufgrund der frühzeitigen Einbeziehung in das HVBG-Projekt konnte die HZD mit zahlreichen betriebsvorbereitenden
Maßnahmen entscheidend zum termingerechten Start des
neuen Geodaten online beitragen. Betriebsvorbereitende
Maßnahmen tragen dazu bei, ein Projekt bis zum Betriebsstart als Verfahren so zu begleiten, dass ein termingerechter
Betriebsstart gelingt. So kann die HZD von Beginn an einen
stabilen und zuverlässigen Betrieb eines Verfahrens sicherstellen, der Kunden und Anwender zufriedenstellt.
Dr. Harald Wegner Anwendungsmanagement
[email protected]
Zentrale Virtualisierungsplattform der HZD auf Basis von VMWare
vSphere Clustern / 8 Das Digitale Rissarchiv der HVBG / 9 Webbasierte Karten und Verortungsdienste
7
HZD-MAGAZIN
Horst Kiehl, HZD
BRÜCKE ZWISCHEN
PROJEKT UND KUNDE
HessenPC – Teilprojekt Rollout
Mit dem HessenPC wird die Standardisierung und Zentralisierung verschiedener IT-Dienstleistungen –
verbunden mit einer vereinfachten Abrechnung – im Land Hessen weiter vorangetrieben. Fragen der
Kunden, die mit der aktuell laufenden Erweiterung im Zusammenhang stehen, bearbeitet und beantwortet das HZD-Teilprojekt-Team „Rollout“ unter Leitung von Dr. Martina Murrmann.
XX Betrachtet man die bisherige IT-Ausstattung der Landesverwaltung insgesamt, so ergibt sich ein erstaunlich heterogenes Bild:
ƒƒ H
ardware aller Altersstufen und Leistungsklassen: zum
Teil gekauft, zum Teil geleast, zum Teil aus Beständen
anderer Dienststellen übernommen
ƒƒ S
oftware wurde zum Teil individuell gekauft, zum Teil
über Volumenlizenzen beschafft – in vielen Fällen ohne
Software-Assurance, und hier und da auch mit schwer zu
führendem Nachweis einer korrekten Lizenzierung
ƒƒ Z
entrale Software-Verteilung und Client-Management auf
Basis unterschiedlicher Systeme, Paketierung identischer
Software in leicht unterschiedlicher Weise an mehreren
Stellen
Um den Übergang zum HessenPC für die Dienststellen so
einfach wie möglich zu machen, klärt das Rollout-Team die
Anforderungen und Rahmenbedingungen individuell mit
jedem Kunden und erstellt gemeinsam mit ihnen den geeigneten Ablauf für den ersten Hardware-Austausch und die
Migration auf die Zentrale Betreiberplattform (ZBP). 
INFORM 3/13
37
HZD-MAGAZIN
»Ziele sind, die Anzahl der Termine für den
Austausch der PCs möglichst gering zu halten
sowie den Hardware-Rollout und die
Migration auf die Zentrale Betreiberplattform
zu harmonisieren.« Dr. Martina Murrmann
ANSPRECHPARTNERIN
ROLLOUT
Dr. Martina Murrmann
E-Mail:
[email protected]
Telefon: 0611 340-1990
Dabei gilt es folgende Parameter im Blick zu behalten:
ƒƒ Am 8. April 2014 läuft der Support für Windows XP aus
ƒƒ Ressourcen- und Terminplanung
ƒƒ D
er Zeitpunkt für den Austausch der Hardware muss in
Abhängigkeit von der Altersstruktur der vorhandenen
Geräte gewählt werden
Parallel zur Umstellung auf einen künftig im vierjährigen
Rhythmus wiederkehrenden Hardware-Austausch steht auch
die Einführung der ZBP an. Sie ist das operative Herzstück
der gegenwärtigen Erweiterung, weil erst durch sie die
Möglichkeit besteht, die PC-Arbeitsplätze der gesamten
Landesverwaltung mit einer bisher nicht erreichten Effizienz
zu managen.
Die Umstellung auf eine neue ZBP ist ein komplexes und
zeitaufwändiges Vorhaben, da die Prozesse bei den Kunden
nur minimal beeinträchtigt werden dürfen. Nach aktuellen
38
INFORM 3/13
Planungen wird der Großteil der Migrationen in den Dienststellen auf die neue ZBP im Jahr 2016 abgeschlossen sein.
Aus rein technischer Sicht kann der Hardware-Austausch in
den Dienststellen und deren Migration auf die ZBP dabei
zeitlich unabhängig voneinander vorgenommen werden. Im
Interesse der Kunden versucht das Rollout-Team die Reihenfolge der beiden Vorgänge (erst Hardware-Austausch /
erst Migration auf die ZBP / beides parallel) so aufeinander
abzustimmen, dass diese möglichst reibungslos erfolgen.
Der Umstieg von Windows XP auf Windows 7 macht es darüber hinaus erforderlich, die Lauffähigkeit der Fachanwendungen auf der neuen Betriebssystemversion sicher zu stellen
(„Windows 7 Readiness“). Die dazu erforderlichen Aktivitäten
laufen derzeit bei vielen Kunden – ein Umstieg auf Windows 7
ist für diese Kunden aber erst nach Erreichen der „Readiness“ möglich.
Mit dem HessenPC ist langfristig ein deutlicher Effizienzgewinn verbunden. Unannehmlichkeiten während der Umstellungsphase versucht die HZD in enger Zusammenarbeit mit
ihren Kunden so gering wie möglich zu halten.
Horst Kiehl Produktmanagement HessenPC
[email protected]
IT IN BUND UND LAND
NSA-SPIONAGEAFFÄRE
Interview mit Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch,
Hessischer Datenschutzbeauftragter
INFORM: Provokant gefragt: Brauchen wir in Hessen überhaupt noch einen Datenschutz, wenn die Daten sowieso
jahrzehntelang umfassend und systematisch abgegriffen
wurden, wie es jetzt im Zusammenhang mit dem amerikanischen Spähprogramm PRISM in den Medien dargestellt
wird?
Ronellenfitsch: Wir brauchen den Datenschutz mehr denn
je. Die sogenannte Datenspionageaffäre ist in erster Linie
ein Kommunikationsproblem. Die Behörden der Vereinigten
Staaten verhalten sich naturgemäß im Einklang mit ihrem ei­
ge­nen Rechtssystem und haben offenbar gar nicht erkannt,
dass sich die rechtliche Situation in Deutschland hier­von fundamental unterscheidet. Für die Amerikaner sind Daten zunächst einmal Waren und dem öffentlichen Markt zugäng­liche
Informationen. Und es soll nach deren Meinung grundsätzlich die Freiheit bestehen, diese Informationen zu ermitteln
und zu verwerten. Bei uns hingegen herrscht die Auffassung,
Daten gehören demjenigen, über den sie gesam­melt wurden. Aufgabe der Datenschutzbehörden in Deutschland ist
es, für einen höheren Bekanntheitsgrad des deutschen und
europäischen Datenschutzrechts zu sorgen. 
INFORM 3/13
39
IT IN BUND UND LAND
»Ich halte mich an den Grundsatz
der Datensparsamkeit.«
geordneten Datenabfluss beitragen. In diesem Sinn ist auch
die gemeinsame Presseerklärung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, „Geheimdienste gefährden massiv den Datenverkehr zwischen Deutschland und
außereuropäischen Staaten“, vom 24. Juli 2013 zu verstehen.
INFORM: Wie schützen Sie sich privat vor Datenspionage via
Internet?
Ronellenfitsch: Ich halte mich an den Grundsatz der Datensparsamkeit.
INFORM: Gibt es Verhaltensregeln bei der Internetnutzung,
die Ihrer Ansicht nach jeder beachten sollte?
INFORM: Glaubt man den Medien, so kann momentan nicht
ausgeschlossen werden, dass auch von hessischen Bürgern
Kommunikationsdaten wie SMS, Internet-Traffic, E-Mails und
Telefonate ins Ausland abgeflossen sind. Wie kann so etwas
zukünftig zuverlässig verhindert werden?
Ronellenfitsch: Eine „zuverlässige Verhinderung“ des Datenabflusses ins Ausland ist niemals zu 100 % sicherzustellen.
Die politischen Repräsentanten der Bundesrepublik und
EU sind aber gehalten, durch vertragliche Vorkehrungen
mit Drittstaaten zu gewährleisten, dass der Datenabfluss in
geordneten Bahnen verläuft. Beispielsweise sollte das „Safe
Harbor-Abkommen“ präziser gefasst werden.
INFORM: Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Datenabfluss für den Hessischen Datenschutzbeauftragten?
Ronellenfitsch: Der Hessische Datenschutzbeauftragte kann
nur Anregungen in vorstehendem Sinne geben und auf
dem Boden der geltenden deutschen Gesetze zu einem
40
INFORM 3/13
Ronellenfitsch: Jeder sollte es ebenso halten. Aber auch
Verschlüsselung nutzt in jedem Fall. Allerdings braucht es
dazu eine sogenannte Kritische Masse; denn wenn nur
eine ganz kleine Minderheit verschlüsselt, dann machen
diese sich verdächtig, dann wird man versuchen, diese zu
entschlüsseln. Je mehr sich aber auf diese Weise schützen,
umso aufwendiger und schwieriger ist es, diese Informationen auszuwerten.
INFORM: Müssen wir mehr in die Informationssicherheit und
den Datenschutz investieren als bisher?
Ronellenfitsch: Auf jeden Fall. Insbesondere soll die Verfügbarkeit über essentielle Infrastruktureinrichtungen im EDVBereich in Händen der deutschen Staatsgewalt verbleiben.
INFORM: Vielen Dank für dieses Gespräch.
Die Fragen stellte Friederike van Roye, HZD
SERVICE
Dr. Peter Mayer, HZD
SHAREPOINT –
WEIT MEHR ALS EINE
DATEIABLAGE
Konfigurationsmöglichkeiten und Anwendungsentwicklungen
SharePoint ist vielen als Dokumenten-Management-System bekannt, z. B. für die Projektdokumentation
oder in Abteilungs-, Referats- und Bereichsteamräumen. Ich möchte Ihnen in diesem Artikel eine zweite
Nutzungsmöglichkeit von SharePoint zeigen: Die Konfiguration bzw. Entwicklung von Anwendungen.
XX Die Anwendungsentwicklung mit SharePoint hat einige
Vorteile: Sie können einen bestehenden Teamraum als Basis
nehmen und je nach Anforderungen und Vorkenntnissen
diesen durch eine Konfiguration erweitern. Ein SharePointTeamraum bringt viele Funktionen mit, u. a. eine eigene
Berechtigungsverwaltung und viele Oberflächenelemente.
Komplexe Anforderungen können über eine Software-Entwicklung abgedeckt werden.
Wann ist aus Anwendersicht die Entwicklung mit
SharePoint sinnvoll?
inrichten von Workflows: Viele Anforderungen können
E
über die bereits von SharePoint mitgelieferten und vorhandenen Workflows abgedeckt werden, z. B. einfache
und papierlose Genehmigungen von Formularen und
Anträgen aller Art, die die Abstimmung von Protokollen
und Dokumenten mit mehreren Personen oder Informationen nach einer festgelegten Reihenfolge verteilen.
Umfangreichere Workflows, die mehrstufige Genehmigungen oder Verzweigungen abbilden, sind über eine
Software-Entwicklung umsetzbar.
Aus Anwendersicht können u. a. die nachfolgenden Anforderungen über Konfiguration oder Software-Entwicklung
abgedeckt werden:
ƒƒ D
ie Erfassung und Verwaltung von Daten: Daten werden angelegt, gelesen, geändert und gelöscht. In der
Fachsprache sind das CRUD-Anwendungen, für Change,
Read, Update und Delete. Die Beispiele dafür reichen von
einer einfachen Abwesenheits- oder Aufgabenliste bis zu
komplexen und umfangreichen Erfassungsmasken mit
vielen Eingabefeldern und gegenseitigen Abhängigkeiten.
Ein Beispiel aus der Praxis: Die Erfassung der offenen
Stellen im Land Hessen wird in SharePoint durchgeführt
und danach im Mitarbeiterportal veröffentlicht.
Abb.1: Ausschnitt einer Maske zum Einrichten eines Workflows
INFORM 3/13
41
SERVICE
Ein sehr einfaches Praxisbeispiel ist die Vor- und Nachbereitung von regelmäßigen Sitzungen. Eine Vorlage für
die Sitzung wird in einem Teamraum abgelegt und per
Workflow werden die Teilnehmer vor dem Termin um
Beiträge gebeten. Während der Sitzung wird die Vorlage
ergänzt. Im Idealfall entfällt die Nachbereitung der Unterlagen. Abb.1, S. 41 zeigt die Einrichtung eines solchen
Workflows.
ƒƒ S
chreib- und Löschschutz: Ein anderes, komplexeres Beispiel ist die Einführung eines Schreib- und Löschschutzes
für abgeschlossene Dokumente in SharePoint: Nach der
IT-Dokumentationsrichtlinie für Projekte dürfen abgeschlossene Dokumente nicht mehr verändert werden. Das
wird durch einen speziell dafür entwickelten Workflow
sichergestellt. Dieser setzt ein solches Dokument auf eine
Hauptversion und sperrt es zeitgleich für eine weitere
Verarbeitung. In diesem Fall kann nur noch lesend auf
das Dokument zugegriffen werden. Dieser Schreib- und
Löschschutz ist inzwischen nicht nur für Projektdokumente
verfügbar.
ƒƒ D
ie Standard SharePoint-Funktionen können erweitert
werden, beispielsweise um gesetzliche und fachliche
Rahmenbedingungen zu erfüllen.
Ein Praxisbeispiel ist die Vorgesetztenrückmeldung in Hessen:
Weil die SharePoint-Standardumfragen die Anforderungen
des Datenschutzes an Umfragen mit höchst vertraulichen
Daten nicht erfüllten, veränderte die HZD die Konfiguration
der Standardumfrage, so dass die Anonymität an keiner Stelle – auch nicht von den Systemadministratoren - aufgehoben
werden kann. Es erfolgt sofort eine Trennung der Teilnehmer- und Antwortenliste und die Daten werden zusätzlich in
willkürlicher Reihenfolge per Zufallsmechanismus abgelegt.
Anderes Beispiel: Suchfunktionen. SharePoint-Inhalte können über die SharePoint-Standard-Suche gefunden werden
oder über eigens für einen speziellen Zweck konfigurierte
Suchfunktionen. So gibt es z. B. eine Suchfunktion, die nach
42
INFORM 3/13
freien Plätzen in den Tagungsstätten des Landes Hessen
sucht (siehe auch INFORM 4/12). Die Tagungsstätten selbst
präsentieren sich in einem Teamraum, in dem auch die freien Kapazitäten hinterlegt sind.
Drittes Beispiel: Zusammenfassung und Auswertung von
Daten. Über verschiedene Mechanismen ist es möglich
SharePoint-Listen mehrerer Teamräume oder mehrerer
Datenquellen zusammenzufassen und auszuwerten. Solche
dezentral erfassten und zentral aufbereiteten Listen sind u. a.
für Flächenverwaltungen interessant. Die Datenquellen müssen nicht unbedingt in SharePoint-Teamräumen liegen. Vor
SERVICE
ƒƒ S
ie haben Teamräume im Einsatz und die vorgesehenen
Anforderungen werden bereits teilweise durch diese
abgedeckt.
ƒƒ S
ie haben bereits Microsoft-Technologien wie .Net oder
SQL Server im Einsatz.
ƒƒ Innerhalb der Domaine ITSHESSEN soll die gewünschte
Anwendung über einen Browser bedient werden, ohne
dass eine erneute Anmeldung in der Anwendung nötig
ist.
ƒƒ D
ie Anwendung soll eine unabhängige Berechtigungsverwaltung, ggf. mit AD-Gruppen bzw. SharePoint-Gruppen besitzen.
ƒƒ D
ie Anwendung soll mit Office-Dokumenten zusammenarbeiten.
ƒƒ Excel-Listen sollen verarbeitet oder aggregiert werden.
ƒƒ E
ine dezentrale Administration wird gewünscht, viele
Nutzer können Beiträge einstellen.
Wo finden Sie weitere Informationen?
Auf unserer Produktseite finden Sie eine Liste von Verfahren,
die in Hessen im SharePoint umgesetzt wurden: Zentrales
Mitarbeiterportal > Verwaltungsmodernisierung > E-Goverment > MOSS > Links: SharePoint Produktseite
einigen Jahren wurde auf diese Art eine Umfrage an allen
hessischen Schulen zum Krankenstand während der Schweinegrippe durchgeführt. Die freitags erfassten Wochenmeldungen der einzelnen Schulen standen am Montagmorgen
zusammengefasst dem Kultusministerium zur Verfügung.
Wann ist aus technischer Sicht die Entwicklung
mit SharePoint sinnvoll?
Aus technischer Sicht ist SharePoint bei folgenden Rahmenbedingungen und Anforderungen interessant:
Wenn Sie sich ausführlicher über die vielfältigen Möglichkeiten informieren möchten, die sich auf Basis von SharePoint
umsetzen lassen, können Sie sich gerne an mich wenden.
Dr. Peter Mayer DMS, SharePoint Produkte, Services
[email protected]
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43
SERVICE
Detlef Bartel, HZD
MS WORD Kopf- und Fußzeilen gestalten
XX Hat ein Dokument mehrere Seiten, kann es hilfreich sein,
Kopf- und Fußzeilen einzufügen. Was auf den ersten Blick
recht einfach erscheint, hat schon so manche Word-Anwen­
der schier zur Verzweiflung gebracht. Letztlich liegt das
daran, dass Word ausgesprochen viele Möglichkeiten bietet,
Dokumente im Kopf- und Fußbereich nach den eigenen
Vorstellungen zu gestalten.
Ein Beispiel
Im Normalfall besteht ein einfaches, langes Dokument aus
Titelseite, Inhaltsverzeichnis und Textteil. Als Beispiel für die
vielseitige Einsetzbarkeit von Kopf- und Fußzeilen wählen
wir folgendes Szenario: In einem beliebigen Dokument mit
obigem Aufbau sollen erst ab dem Textteil Seitenzahlen
eingefügt werden, Titel und Inhaltsverzeichnis bleiben ohne
Seitenzahlen.
Dafür muss das Dokument zunächst in zwei Abschnitte
geteilt werden. Stellen Sie die Schreibmarke vor den ersten
Buchstaben des Textteils. Anschließend wechseln Sie in die
Registerkarte „Seitenlayout“, dort zu „Umbrüche“ (Abb. 1)
Abbildung 1
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INFORM 3/13
und klicken unterhalb von „Abschnittsumbruch“ auf
„Nächste Seite“. Der Abschnittsumbruch steht nun zwischen
Inhaltsverzeichnis und dem Beginn des Textteils.
Nun können Sie die Kopf- und Fußzeilen bearbeiten. Durch
das Einfügen des Abschnittsumbruchs haben Abschnitt 1
(Titelseite und Inhaltsverzeichnis) und Abschnitt 2 zunächst
die gleiche Einstellung, das heißt: Seitenränder, Ausrichtung
und auch die Einstellungen für die Kopf- und Fußzeilen sind
identisch.
Seitenzahl in Fußzeile
Um die Seitenzahl im Textteil einzufügen, müssen Sie als ers­tes den Cursor auf die erste Seite des Textteils stellen und
dann die Registerkarte „Einfügen“ anwählen. Wählen Sie für
unser Beispiel „Fußzeile“ (Abb. 2) und wählen einen der vorgegebenen Vorschläge aus oder gehen auf Fußzeile bearbeiten – damit bekommen Sie eine leere Fußzeile, in die Sie
im einem späteren Schritt die Seitenzahl einfügen können.
In der Menüleiste erscheint nun die Registerkarte „Kopfund Fußzeilentools – Entwurf“. Sie gibt an, dass die Fußzeile
in diesem zweiten Abschnitt mit dem vorherigen verbun-
Abbildung 2
SERVICE
Abbildung 3
Abbildung 4
den ist: in der Menüleiste ist die Funktion „Mit vorheriger
verknüpfen“ aktiviert (Abb. 3) und in einem blauen Kästchen
am oberen Rand der Fußzeile steht „wie vorherige“. Deaktivieren Sie diese Funktion durch Anklicken in der Menüleiste
(Abb.3, der Cursor steht dabei in der Fußzeile der ersten
Seite des zweiten Abschnitts). Andernfalls blieben die beiden Abschnitte miteinander verknüpft und die Seitenzahlen
würden auch auf dem Titel und im Inhaltsverzeichnis eingefügt. Jetzt können Sie über den Button „Seitenzahl“ ihre
Seitenzahl in die Fußzeile in Abschnitt 2 einfügen. (Abb. 4)
Die Seitenzahl im Textteil beginnt mit „3“. Sie möchten aber,
dass er mit „1“ beginnt. Wählen Sie dafür unter „Seitenzahl
> Seitenzahl formatieren“ „Beginnen bei“ und dann „1“.
Natürlich können Sie Ihre Kopf- und Fußzeilen entsprechend
diesem Schema auch mit Texten, Clip-Arts oder Logos versehen. Fortgeschrittene können dort auch mit Feldern arbeiten
(siehe Tipps und Tricks INFORM 1-13)
Zum Schluss noch ein Tipp: Legen Sie nicht zu viele QuickSteps an, das wird sonst schnell unübersichtlich.
Gerade und ungerade Seiten
Genau wie in verschiedenen Abschnitten, können Sie auch
Kopf- und Fußzeilen rechter und linker Seiten unterschiedlich gestalten und außerdem bestimmen, ob die erste Seite
eines Abschnitts anders aussehen soll als die übrigen.
Klicken Sie dafür in der Registerkarte „Seitenlayout > Seite
einrichten “ auf den blauen Pfeil und wählen die Registerkarte „Layout“ (Abb. 5).
Probieren Sie es in Ihrem Testdokument an der Kopfzeile
aus. Bearbeiten Sie zuerst in Abschnitt 2 die Kopfzeile und
setzen das Häkchen bei „gerade/ungerade Seiten anders“.
Das Kästchen bei „erste Seite anders“ lassen Sie leer.
Achtung: Die Kopfzeilen des Abschnitts 1 und 2 sind noch
miteinander verknüpft. Die Verknüpfungen müssen sowohl
für die geraden als auch die ungeraden Seiten einzeln
wieder deaktiviert werden. Jetzt können Sie auf der ersten
ungeraden Seite des Abschnittes einen Text eingeben. Er
Abbildung 5
wird auf allen ungeraden Seiten des Abschnittes 2 erscheinen. Geben Sie analog einen anderen Text auf der ersten
geraden Seite von Abschnitt 2 ein.
Sie werden feststellen, dass die Seitenzahlen auf den geraden Seiten Ihres Textes noch nicht vorhanden sind. Dazu
müssen Sie auf der ersten geraden Seite Ihres Textes in der
Fußzeile wieder zuerst die Verknüpfung aufheben. Danach
können Sie auch hier die Seitenzahl wie oben beschrieben
einfügen. In Abschnitt 1 können Sie anschließend im Seitenlayout (Abb. 5) den Haken auf „erste Seite anders“ ausprobieren. Das Kästchen bei „gerade/ungerade Seiten anders“
lassen Sie leer. Wenn Sie jetzt z.B. „Inhaltsverzeichnis“ in der
Kopfzeile auf der zweiten Seite eingeben, wird die Titelseite
in der Kopfzeile leer bleiben.
Fazit
Kopf- und Fußzeile gehören zu den Grundfunktionen jeder
Textverarbeitung. Die Logik in Word ist zum einen nicht
einfach zu verstehen und zum anderen auch nicht einfach zu
handhaben. Sind in einem Dokument die Kopf- und Fußzeilen noch nicht so, wie Sie es gerne hätten, dann können
Sie diese manuell ändern. Beginnen Sie dafür am Ende des
Dokuments und arbeiten Sie sich an den Anfang vor.
Detlef Bartel
KONSENS-I-Dialog und Bewertung
zuständig für Word-Automation
[email protected]
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INS LAND GESCHAUT
Birgit Lehr, HZD
DIE MITTE DER
BESATZUNGSZONEN
Im hessischen Bad Arolsen arbeiten das Sonderstandesamt und der
International Tracing Service die deutsche Vergangenheit auf
Das Sonderstandesamt und der International Tracing Service (ITS, Internationaler Suchdienst) beschäftigen sich unter anderem mit der Aufarbeitung des Holocaust. Bei der Beurkundung von Todesfällen
in den Konzentrationslagern kooperieren sie. Im Juni dieses Jahres hat die UNESCO die Original­
dokumente und Zentrale Namenkarte des ITS in das Register des Weltdokumentenerbes „Memory
of the World“ aufgenommen.
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INS LAND GESCHAUT
Bild oben: Im Archiv des ITS befinden sich über drei Millionen Korrespondenzakten zum Schicksal von NS-Verfolgten. Es
handelt sich um Anfragen von Opfern, Familienangehörigen, Anwälten und Behörden.
Bild linke Seite: Zentrale Namenkartei des ITS mit 50 Millionen Hinweisen zum Schicksal von 17,5, Millionen Opfern der NS-Verfolgung
XX Standesbeamte beurkunden von Gesetzes wegen Gebur­
ten, Ehen und den Tod von Personen. Das Sonderstandes­amt
in Bad Arolsen kümmert sich ausschließlich um Todesfälle
von Häftlingen der ehemaligen deutschen Konzentrationslager. „Diese wurden – wenn überhaupt – durch ehemalige
Lagerstandesämter oder Standesämter vor Ort beurkundet.
Für die vielen Fälle, für die keine Beurkundung erfolgte,
sind wir zuständig“, erklärt Siegfried Butterweck, seit 1982
Standesbeamter im Sonderstandesamt Bad Arolsen, eine
nachgeordnete Behörde des Hessischen Innenministeriums.
Rückblick: Als die Alliierten 1943 den Ausgang des Krieges
näher rücken sahen, stellten sie genauere Erhebungen über
die Situation der Inhaftierten, Zwangsarbeiter und Flüchtlinge in Mitteleuropa an. Diese Aufgabe übertrugen sie den
Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces, die ab
dem 15. Februar 1944 ein Zentrales Suchbüro einführten.
Der Standort folgte der Front: von London nach Versailles
und nach Frankfurt am Main. Im Januar 1946 wurde das
Zentrale Suchbüro nach Arolsen verlegt, da die nordhessi-
sche Kleinstadt in etwa im geografischen Mittelpunkt der
damaligen vier Besatzungszonen lag und darüber hinaus
über eine intakte Infrastruktur verfügte. Drei Jahre später,
am 1. September 1949, wurde auf Anregung des ITS das
Sonderstandesamt eingerichtet, das seit 1951 bundesweit
tätig ist. „Angehörige und Nachfahren aus der ganzen Welt,
Behörden und Ämter von München bis Hamburg, von Köln
bis Berlin fragen bei uns an“, so Siegfried Butterweck. Er erläutert: „Anfangs ging es mehrheitlich darum, den Nachweis
beispielsweise für Renten- oder Erbansprüche, Entschädigung oder Wiedergutmachung zu bringen. Heute, nach fast
70 Jahren, hat die Enkel-Generation ein anderes Anliegen:
Sie möchte vor allem die Familiengeschichte aufarbeiten.“
Siegfried Butterweck und sein Kollege Karl Moissl sowie
die beiden standesamtlichen Mitarbeiter Jan Schulze und
Elisabeth Welteke bearbeiten 2.000 bis 3.000 Fälle im Jahr.
Um eine Sterbeurkunde ausstellen zu können, finden sie
den Nachweis über den Tod in einem Konzentrationslager
im Archiv des ITS. Fehlende Angaben über Geburt, Familien­
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INS LAND GESCHAUT
Totenbücher aus dem Konzentrationslager Gross-Rosen
stand oder Wohnort werden europaweit ermittelt. „Seit Jahrzehnten arbeiten wir gut und eng mit dem ITS zusammen“,
bestätigt der Standesbeamte. Der ITS stellt gleichzeitig aber
auch das Gros der Anfragen. „Für die Familienangehörigen
der Ermordeten bedeutet es sehr viel, Gewissheit über die
Verfolgung und die Umstände des Todes zu erlangen. Wir
durchforsten unser Archiv nach allen Informationen, die wir
zum Schicksal der einzelnen Opfer finden können. Diese
geben wir an das Sonderstandesamt weiter, die sie vervollständigen bzw. berichtigen, um dann die Sterbeurkunde
auszustellen“, so Kathrin Flor, Pressesprecherin des ITS.
Immer wieder gibt es aber auch Fälle, in denen weder das
Sonderstandesamt noch der ITS weiterhelfen können. Über
eine Million Juden wurde in Osteuropa durch Erschießungskommandos ermordet. Hierüber gab es keine namentlichen
Auflistungen. Auch in den Vernichtungslagern, wie etwa
Sobi­bor oder Treblinka, wurden keine Totenbücher geführt.
Zahlreiche Dokumente aus den Konzentrationslagern gingen zudem verloren, da sie durch die SS oder Kriegseinwirkungen zerstört wurden. „Wenn es weder ein Todesdatum
noch ein Grab zum Trauern gibt, ist dies für die Angehörigen
häufig sehr schmerzhaft“, erklärt Kathrin Flor. „In der Regel
können wir bei etwa 50 Prozent aller Anfragen Dokumente
finden.“
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INFORM 3/13
17,5 Millionen Schicksale
Der ITS dokumentiert, informiert und forscht über die national­
sozialistische Verfolgung, Zwangsarbeit sowie den Holocaust. Er führt Familien wieder zusammen und gibt Auskünfte aus den Dokumentenbeständen an Überlebende und
Familienangehörige von Opfern. Die Suche nach Vermissten, die Schicksalsklärung sowie Auskünfte für Familienangehörige bleiben bis heute seine Hauptaufgaben.
Das ITS-Archiv umfasst rund 30 Millionen Dokumente zur
Inhaftierung in Konzentrationslagern, Ghettos und GestapoGefängnissen, über die Zwangsarbeit und das Schicksal der
Überlebenden. Die Zentrale Namenkartei mit über 50 Millionen Hinweiskarten zu 17,5 Millionen Menschen wurde vom
ITS im Laufe der Jahrzehnte aufgebaut. Sie bildet bei der
Recherche nach Einzelschicksalen einen wichtigen Schlüssel zu den Dokumenten im Archiv. Im Juni dieses Jahres
wurde das Archiv in das Register „Memory of the World“ der
UNESCO aufgenommen. Professor Rebecca Boehling,
Direktorin des ITS: „Dies ist eine große Ehre für uns und
wird sicher ein noch größeres Interesse an dieser einzigartigen Sammlung über die nationalsozialistische Verfolgung
hervorrufen. In unserer Verantwortung, die wir alle für die
dauerhafte Wahrung dieser Dokumentensammlung tragen,
INS LAND GESCHAUT
Sterbebücher des Sonderstandesamtes Bad Arolsen
werden wir durch die Entscheidung der UNESCO bestärkt.“
Bis vergangenes Jahr stand der ITS unter der Trägerschaft
des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Genf. Seit
2013 ist das Bundesarchiv neuer institutioneller Partner. Ein
Internationaler Ausschuss aus elf Ländern legt seit 1955 die
Richtlinien für die Arbeit fest. Seit Ende 2007 ist das Archiv
auch für Forschung und Bildung zugänglich. Der ITS kann
nach vorheriger Anmeldung besucht werden. Es finden
auch Workshops, Veranstaltungen und Wanderausstellungen statt.
Weitere Informationen: www.its-arolsen.org
Birgit Lehr
Kommunikation, Information
[email protected]
DIGITALISIERUNG DER ARCHIVALIEN
Alle bei der UNESCO im Register „Memory of the World“
aufgenommenen Dokumente hat der ITS vollständig digitalisiert und in verschiedenen Archiven und Institutionen
der elf Mitgliedsstaaten des Internationalen Ausschusses
zugänglich gemacht: ITS (Bad Arolsen), Yad Vashem (Jerusalem), US Holocaust Memorial Museum (Washington),
Nationales Institut des Gedenkens (Warschau), Dokumentations- und Forschungszentrum über den Widerstand
(Luxemburg), belgisches und französisches Staatsarchiv
sowie Wiener Library (London).
Derzeit werden im ITS drei Millionen Korrespondenzakten
zwischen Suchdienst, Behörden, Überlebenden der natio­
nalsozialistischen Verfolgung und deren Angehörigen
digitalisiert und elektronisch archiviert. Rund ein Drittel der
knapp 300 Mitarbeiter ist damit beschäftigt.
Übrigens: Auch das Sonderstandesamt geht mit der Zeit –
im Zuge der Verwaltungsmodernisierung werden Todesfälle ab kommendem Jahr elektronisch beurkundet.
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PORTRÄT
Julia Schwamberger, HZD
ALAN MATHISON TURING
Pioniere der Informationstechnologie, Teil 3
Alan Turing (1912–1954) ist Erfinder der gleichnamigen Maschine – ein wichtiges Rechenmodell der
theoretischen Informatik. Aufgrund seines Erfolgs als Codeknacker der deutschen Chiffriermaschine
Enigma hat er außerdem maßgeblich zum Sieg der Alliierten im U-Boot-Krieg während des Zweiten
Weltkriegs beigetragen.
XX Turing wurde am 23. Juni 1912 in London geboren. In
Christopher Morcom fand der Einzelgänger Alan einen
Freund und Vertrauten. Der Tod Morcoms mit nur 19 Jahren
in Folge von Tuberkulose war für Turing ein schwerer Schock.
Zuflucht fand er im Marathonlauf und in der Mathematik.
Turingmaschine
Der begabte und intelligente Turing besuchte ab 1931 das
King’s College in Cambridge, wo er die Grundlagen der
heu­tigen theoretischen Informatik in Form der Turingmaschine entwickelte. Die Turingmaschine ist ein reines Gedankenexperiment. Ihr Kernstück ist ein Band, das aus unendlich
vielen nebeneinander angeordneten Feldern besteht. Da­rüber befindet sich ein Kopf, der diese Felder beschreiben
bzw. ihren Inhalt lesen kann. Durch verschiedene Befehle
wird das Band mit Zeichen beschriftet und anschließend
um ein Feld nach links oder rechts verschoben. Außerdem
kann die Turingmaschine verschiedene Zustände einnehmen, so dass ein konkreter Arbeitsschritt sowohl von dem
jeweils gelesenen Zeichen auf dem Band als auch vom
aktu­el­len Zustand abhängt. Die Regel „0, 1, L, 4“ bedeutet
beispielsweise: Wenn im aktuellen Zustand eine 0 gelesen
wird, überschreibe diese mit einer 1, bewege das Band eine
Stelle nach links und gehe dann in den 4. Zustand. Ein durch
solche Regeln definiertes Programm endet, wenn der Haltezustand erreicht wird.
Turing wies mit seiner Maschine nach, dass man in der Mathe­matik nicht alles berechnen kann. Er bezieht sich dabei auf
das von dem Mathematiker David Hilbert formulierte Ent­
schei­dungsproblem. Auch eine Turingmaschine – also die
Beschreibung vom Anfangszustand des Bandes und der
Regeln – kann selber wieder als Eingabe für eine Turing­
maschine dienen. Somit kann eine Maschine – die sog. uni* Bletchley Park ist der Name eines Landsitzes in der gleichnamigen
englischen Stadt etwa 70 km nordwestlich von London. Hier war der
Sitz der militärischen Dienststelle, die im Zweiten Weltkrieg erfolgreich den deutschen Nachrichtenverkehr entzifferte. Heute ist in
Bletchley Park das Nationale Computer-Museum Großbritanniens.
50
INFORM 3/13
verselle Turingmaschine – eine andere Maschine ausführen.
Damit schuf Turing ein theoretisches Modell der heutigen
Hard- und Software. Eine Turingmaschine könnte theoretisch
all das leisten, was ein heutiger Computer vollbringt.
Codeknacker der Enigma
Während des Zweiten Weltkriegs nutzten die Deutschen zur
Verschlüsselung ihrer Botschaften eine Maschine namens
Enigma. Aufgrund ihrer Komplexität hielten sie diese selbst
für unentschlüsselbar. Turing war zu jener Zeit einer der
herausragenden Wissenschaftler bei den erfolgreichen Versuchen in Bletchley Park*. Er entwickelte mathe­ma­tische Modelle, mit denen er und seine Kollegen die deutschen Funksprüche dechiffrieren konnten. Die Englän­der verzeichneten
daraufhin weitreichende Erfolge. Die Entziffe­rung geheimer
deutscher Funksprüche war eine kriegsent­scheidende Komponente für den Sieg der Alliierten im U-Boot-Krieg. Dass
Turing als einer der wichtigsten Codeknacker mitwirkte, war
bis in die 1970er Jahre geheim.
Mit 40 Jahren wurde Turing aufgrund seiner Homosexualität
zur „chemischen Kastration“ verurteilt. Homosexualität galt
damals als Straftat. Turing wurde körperlich immer schwächer, seine Erfolge als Marathonläufer ließen nach, er litt an
Depressionen. Am 7. Juni 1954 starb er. Vermutlich beging
er Suizid.
2009 entschuldigte sich Großbritanniens Premierminister
Gordan Brown öffentlich für Turings Verurteilung mit den
Worten: „We’re sorry. You deserved so much better.“
Weitere Informationen zu Alan Turing: www.turingarchive.org
Julia Schwamberger
Praktikantin
Kommunikation, Information
[email protected]
SERVICE
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DER NEUE JAHRESBERICHT
DER HZD
Hessische Zentrale für Datenverarbeitung
Jahresbericht 2012
Mit großem
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