Dienstleistungsorganisationen als lose

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Dienstleistungsorganisationen als lose
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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Inhaltsverzeichnis
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und
organisierte Anarchien ....................................................................................... 2 1. Die Perspektive der Losen Kopplung........................................................... 2 Der (organisations-) theoriehistorische Kontext .......................................... 3 Was bedeutet ›lose‹ Kopplung? ................................................................... 5 Woran erkennt man lose Kopplung?.......................................................... 13 2. Organisierte Anarchien und das Papierkorb-Modell der
Entscheidung .................................................................................................. 18 3. (Ent-)Kopplung in der neoinstitutionalistischen
Organisationsforschung.................................................................................. 26 4. Wie eng ist die Verbindung von loser Kopplung und sozialen
Dienstleistungsorganisationen? ...................................................................... 28 5. Implikationen ............................................................................................. 35 5.1 Organisation als Herstellung................................................................ 35 5.1 Führung in organisierten Anarchien .................................................... 38 5.3 Von der Praxisnähe zur Praxissensibilität............................................ 47 6. Kritische Würdigung: Erfolgreich bis zur Unkenntlichkeit?...................... 49 7. Literatur...................................................................................................... 52 Lose Kopplung: Primärliteratur (in der Reihenfolge des
Erscheinens)............................................................................................... 52 Lose Kopplung: Sekundärliteratur............................................................. 53 Organisierte Anarchie: Primärliteratur (in der Reihenfolge des
Erscheinens)............................................................................................... 53 Organisierte Anarchie: Sekundärliteratur .................................................. 54 Sonstige Literatur....................................................................................... 55 2
Stephan Wolff
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte
Systeme und organisierte Anarchien
Stephan Wolff
1. Die Perspektive der Losen Kopplung
Der Gedanke der losen Kopplung organisatorischer Strukturelemente taucht in
der organisationswissenschaftlichen Literatur ziemlich genau zur selben Zeit auf
wie die vier anderen heute vorherrschenden Organisationstheorien: die Idee der
evolutionären Anpassung von Organisationen an ökologische Nischen
(population ecology), die These, dass die Höhe der Transaktionskosten
ausschlaggebend für die Wahl des jeweiligen institutionellen Arrangements, d.h.
von Markt, Vertrag oder Organisation, sei (transaction cost theory), die
Vorstellung, Organisationen trachteten danach, ihre Abhängigkeiten von
externen Ressourcen zu minimieren bzw. für andere wichtige Ressourcen zu
kontrollieren (resource dependence theory) und die Vorstellung, dass
Organisationen, um in einem gesellschaftlichen Feld bestehen zu können, sich an
den
dort
institutionalisierten
Vorstellungen
im
Hinblick
auf
Organisationsgestaltung und Aufgabenerfüllung zu orientieren hätten
(institutional theory). Orton und Weick räumen in der Rückschau selbstkritisch
ein, »each of these four perspectives has a more distinctive paradigm, a more
compact theory, and more empirical support than is true of loose coupling«
(1990: 203; vgl. Weick 1988), weshalb das Konzept der losen Kopplung viele
Diskussionen, aber weniger Forschung ausgelöst habe als vergleichbare Ansätze.
Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass das Konzept der ›Losen Kopplung‹
keine Theorie im strikten Sinne darstellt, weshalb ich, einen Vorschlag von
Ingersoll (1993: 83) aufgreifend, von der Perspektive der losen Kopplung
sprechen werde.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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Ich möchte im Folgenden das große Anregungspotenzial und die enorme
Reichweite dieser Perspektive verständlich machen. Jene Aspekte, welche die
Steuerung von und Entscheidungsfindung in lose gekoppelten Systeme betreffen,
werden durch das Konzept der ›organisieren Anarchie‹ und das damit eng
verwandte ›Papierkorbmodell‹ der Entscheidung angesprochen, denen ich deshalb besondere Aufmerksamkeit schenken werde. ›Lose Kopplung‹ und ›organisierte Anarchie‹ werden hier gemeinsam behandelt, obwohl sie trotz weitgehender Übereinstimmung im Grundsätzlichen jeweils einen anderen Fokus besitzen.
Beide Positionen interessieren sich für den organisatorischen Umgang mit Ambiguität und Unsicherheit. ›Lose Kopplung‹ beschäftigt sich mit Fragen der Struktur bzw. der Strukturierung von Organisationen; ›organisierte Anarchie‹ bezieht
sich eher auf Prozesse der Entscheidungsfindung. Die beiden Konzepte sind zudem auf unterschiedlichen theoretischen Abstraktionsebenen angesiedelt, insofern ›organisierte Anarchie‹ eine spezifische Konstellation für Entscheidungen
und deren Beeinflussung beschreibt, die sich unter Bedingungen loser Kopplung
ergibt. Andererseits weisen beide Konzepte vom analytischen Zugriff her interessante Parallelen auf: beide sind paradox formuliert, genauer sie stellen Oxymora
dar. Das erschwert zwar, wie sich zeigen wird, ihre Rezeption und Operationalisierung, macht sie zugleich aber auch besonders anregend und provokativ.
Der (organisations-) theoriehistorische Kontext
James March und Karl Weick fungierten gemeinsam als Geburtshelfer des
Konzepts der losen Kopplung. 1 Weick (1988) erzählt dazu folgende Geschichte:
March und ihn habe ein gemeinsames Unbehagen gegenüber der Systemtheorie
der 1960er-Jahre umgetrieben. Letztere neigte ihrer beider Meinung nach dazu,
»to treat interdependence as a constant rather than a variable (…) that
organization theory was beginning to portray the elements in organizations as
tied together more determinately than in fact they were. This distortion was
crucial because it reified organizations and portrayed them as more unified,
stable, and responsive than in fact they were«. 2 Klassische wie neo-klassische
1
2
Trotz grundsätzlicher Übereinstimmung in der Sache verfolgen March und Weick durchaus
unterschiedliche theoretische Perspektiven: Weick nimmt Einflüsse der evolutionären Systemtheorie (u.a. von Bateson, Campbell und Maruyama), der Sozialpsychologie (Heider, Festinger)
und der Ethnomethodologie (Garfinkel) auf und entwickelt sie zu einer originellen Version der
kognitiven Organisationstheorie fort (vgl. Weick 1985, 1993). March steht als früherer Mitautor
von Herbert Simon in der Tradition der Carnegie-Schule der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungsforschung (vgl. Berger/Berhard-Mehlich 2006).
Mit ihrem Unbehagen standen March und Weick keineswegs alleine. Ende der 1960er- und
Anfang der 1970er-Jahre lässt sich eine Reihe paralleler Entwicklungen in der Organisations-
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Stephan Wolff
Ansätze der Organisationstheorie hatten die Bi-Polarität von Autonomie und
Interdependenz, die ja eigentlich im Zentrum jeder Organisationstheorie steht,
als Gegensatz interpretiert, indem sie beispielsweise mechanistische und
organische Modelle des Managements einander gegenüberstellten (wie
Burns/Stalker 1961; McGregor 1960). 3 Zwar wurde so die seit Webers Idealtyp
der Bürokratie gewohnte Gleichsetzung von strukturell loser Kopplung und
Ineffektivität langsam überwunden. Dass Organisationen zugleich lose und eng
verkoppelt sein könnten, lag aber noch außerhalb der organisationstheoretischen
Denkmöglichkeiten. March und Weick interessierten sich hingegen gerade für
jene offenbar gar nicht so seltenen und durchaus erfolgreichen Fälle von hoher
Differenzierung und geringer Integration, die ihnen bei ihren empirischen
Untersuchungen von Erziehungsorganisationen aufgefallen waren. Weick
berichtet, dass March 1974 das National Institute of Education (NIE) davon
überzeugt hatte, dass nunmehr die »discrepancy between espoused theory and
actual practice (…) serious enough« sei, um eine kleine Tagung einzuberufen,
die alternative Formulierungen erörtern sollte. »Thus, a diverse set of people
gathered in La Jolla, California, on February 2, 1975, to explore the phrase
›loosely coupled system‹ as a possible description of organizations they knew«. 4
Weick fungierte als Leiter dieses Workshops und übernahm später die Aufgabe,
einen Bericht an das NIE zu verfassen, der Perspektiven für ein entsprechendes
Förderprogramm aufzeigen sollte. Aus diesem Bericht entstand der bekannte
Aufsatz, der im Administrative Science Quarterly 1976 veröffentlicht wurde.
Die verschiedenen Arbeiten, die sich der Perspektive der losen Kopplung
zuordnen (lassen), eint, dass sie sich mit den Herausforderungen und Varianten
des Organisierens unter Bedingungen von Ambiguität und Unsicherheit
3
4
theorie beobachten, die auf diesen Mangel reagieren. Man denke an die Versuche von Katz/Kahn
(1966), organisatorische Systeme für Inputs aus ihrer Umwelt zu öffnen; an die Forschungen von
Kontingenztheoretiker Lawrence/Lorsch (1967) oder der Aston-Gruppe (Pugh 1968), die
günstige Passungsverhältnisse von Organisations- bzw. Führungsstrukturen und organisatorischen Umwelten auf empirisch-statistischem Weg zu ermitteln versuchten und damit die
klassische Idee eines besten Wegs zum Management in Frage stellten; an die Herausforderung
der strukturfunktionalistischen Ordnungsvorstellungen durch die symbolisch-interaktionistische
und die ethnomethodologische Handlungstheorie (Silverman 1970; Garfinkel 1967) oder auch an
den Nachweis der besonderen Bedeutung und Nützlichkeit schwacher Verbindungen in sozialen
Netzwerken (Milgram 1967; Granovetter 1973).
Ähnlich argumentierten die in den 1950er- und 60er-Jahren verbreiteten Zweck-FaktorenTheorien der Führung und der Arbeitsmotivation wie jene von Blake/Mouton oder Herzberg.
Zu den Teilnehmern gehörten neben March und Weick heute noch bekannte Forscher wie Craig
Lundberg, John Meyer, Karlene Roberts und Gerald Salancik sowie einige Experten für Fragen
der Schulverwaltung.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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beschäftigen. Unsicherheit stellt sich ein, wenn nicht genügend Informationen
vorliegen, um sich kein klares Bild der Situation zu machen. Ambiguität
beschreibt demgegenüber eine Konstellation, in der Orientierungsprobleme entstehen, weil zu viele Interpretationen der Situation vorliegen. 5 Die durch Ambiguität ausgelösten Konfusionen können nicht – wie Unsicherheiten – durch ein
Mehr an Informationen, sondern müssen durch neue Interpretationen ausgeräumt
werden. 6
Was bedeutet ›lose‹ Kopplung?
Das Konzept der losen Kopplung beschreibt eine bestimmte Form der Beziehung
zwischen den Elementen sozialer Systeme, wie man sie in vielen sozialen
Dienstleistungsorganisationen findet. Der Begriff ›Element‹ wird dabei weit
gefasst und bezeichnet »anythings that may be tied together« (Weick 1976: 5). 7
Wenn Systemelemente lose gekoppelt sind, dann besteht zwischen ihnen zwar
wechselseitige Abhängigkeit. Diese ist aber insoweit reduziert, als immer eine
gewisse Eigenständigkeit und Identität der einzelnen Elemente gewahrt bleibt.
Die Interaktion zwischen den verschiedenen Elementen gilt als lose, wenn die
Auswirkungen wenig intensiv sind (statt bedeutsam), plötzlich (statt kontinuierlich) und unregelmäßig (statt konstant) eintreten, auf Umwegen und über
Zwischenschritte (statt direkt) erfolgen und zeitverzögert (statt unmittelbar)
einsetzen. (Weick 1976: 3, 1982: 380). Reduzierte Abhängigkeit bedeutet
5
6
7
»Ambiguity refers to a lack of clarity or consistency in reality, causality, or intentionality. Ambiguous situations are situations that cannot be coded precisely into mutually exclusive categories. Ambiguous purposes are intentions that cannot be specified clearly. Ambiguous identities
are identities whose rules or occasions for application are imprecise or contradictory. Ambiguous
outcomes are outcomes whose characteristics or implications are fuzzy« (March 1994: 174).
»The problem with ambiguity is that people are unsure what questions to ask and whether there
even exists a problem they have to solve. These are the issues that need to be hammered out
through subjective options, because no one has the foggiest idea what objective data, if any, are
relevant« (Weick 1995: 99).
Orton und Weick (1990) beschreiben acht Typen von Elementen, die mit- und untereinander in
Kopplungsbeziehungen gebracht werden können: Individuen (z.B. in Teams), Abteilungen (z.B.
Parallelklassen in Schulen), Organisationen (z.B. Filialen in multinationalen Unternehmen), Organisation-Umwelt-Beziehungen (z.B. hinsichtlich der Unterschiede zwischen interner und nach
außen gerichteter Kommunikation), Hierarchieebenen (z.B. im Verhältnis von Verwaltungs- und
professionellen Bereichen), Aktivitäten (z.B. die Relationierung zwischen Informationen sammeln, Entscheiden und Evaluieren), Ideen (z.B. hinsichtlich der Einheitlichkeit der Interpretation
der Organisationsgeschichte und ihrer Mission) und schließlich die Beziehung zwischen Absichten und Handlungen (z.B. bezüglich der Differenz zwischen formalen und informellen
Erwartungen).
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zudem, dass vergleichsweise wenige formale Mechanismen der Kontrolle und
Koordination (wie Befehlsketten, wechselseitige Aushandlungsprozesse oder
formale Meetings) etabliert sind bzw. dass deren Einsatz der Mobilisierung
besonderer Anstrengungen und/oder Bereitschaften bedarf. Lose gekoppelte
Systeme beschränken sich auf solche Koordinationsmechanismen, die weniger
soziale, sachliche und zeitliche Anforderungen stellen und entsprechend weniger
Kosten verursachen, wie z.B. Aufgabenteilung, Kompetenzabgrenzung oder
professionellen Takt. Lose gekoppelte Systeme repräsentieren eine besondere
Kombination
der
Variablen
Verschiedenheit
(distinctiveness)
und
Ansprechbarkeit (responsiveness): Ohne Verschiedenheit und ohne
Ansprechbarkeit kommt kein organisiertes System zustande, weshalb man in
einem solchen Fall man von einem nicht-gekoppelten System ausgehen müsste. 8
Ansprechbarkeit ohne Verschiedenheit beschreibt Zustände in eng gekoppelten
Systemen (modelliert im Weber’schen Idealtyp der Bürokratie). Nur wenn beide
Variablen ausgeprägt sind, kann man von loser Kopplung sprechen. »If there is
distinctiveness and responsiveness, the system is loosely coupled« (Orton/
Weick 1990: 205). Lose Kopplung kann also nicht heißen, dass alle Kopplungen
lose ausfallen. Bloße Lockerheit vermag die für jede Organisation nötige
Kohärenz nicht zu gewährleisten.
Weick veranschaulicht die Funktionsweise loser Kopplung am Beispiel von
Erziehungsorganisationen:
»Thus, in the case of an educational organization, it may be the case that
the counsellor’s office is loosely coupled to the principal’s office. The
image is that the principal and the counsellor are somehow attached, but
that each retains some identity and separateness and that their attachment
may be circumscribed, infrequent, weak in its mutual affects, unimportant,
and/or slow to respond. Each of those connotations would be conveyed if
the qualifier loosely were attached to the word coupled. Loose coupling
also carries connotations of impermanence, dissolvability, and tacitness all
of which are potentially crucial properties of the ›glue‹ that holds organizations together« (Weick 1976: 3; kursiv durch S.W.).
Ursprünglich stammt der Begriff »lose Kopplung« aus der biologischen
Systemtheorie (Glassman 1973). Die Intensität der Kopplung wurde dabei als
8
Das Verlagssystem und die Manufakturen in der Phase der beginnenden Industrialisierung
stellen Annäherungen an solche nicht-gekoppelten Systeme dar.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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eine Dimension aufgefasst, auf der sich unterschiedliche Systeme anordnen
lassen. Die grundlegende These lautet hier, dass in evolutionärer Perspektive
lose gekoppelte Systeme zur Dauerhaftigkeit tendieren. Diese These lässt mit
Hilfe des Simon’schen Theorems der Fast-Dekomponierbarkeit komplexer
Systeme weiter präzisieren. Danach sind komplexe Systeme wie eine Hierarchie
von Ebenen konstruiert (in der Form von boxes-within-boxes; vgl. Simon 1962:
128). In jedem System gibt es verschiedene Komponenten, die dadurch zur
Gesamtfunktion des Systems dadurch beitragen, dass sie bestimmte Subfunktionen erfüllen (wie z.B. die Organe für den Körper). Die Interaktion der Systemkomponenten ist schwach, aber nicht nichtig. Angesichts dessen kann man die
Gesamtfunktion des Systems beschreiben, ohne auf die Subfunktionen im Detail
eingehen zu müssen. Wenn man nun eine solch komplexe Struktur aktiv gestalten will, sollte man entsprechend versuchen, sie in fast-unabhängige Komponenten zu zerlegen. Wichtig dabei ist das ›Fast‹! Die Evolutionsfähigkeit eines
komplexen Systems hängt nämlich unmittelbar davon ab, inwieweit es die
Bedingung
der
Fast-Dekomponierbarkeit
erfüllt.
Vollständige
Dekomponierbarkeit würde die Sicherstellung der Gesamtfunktion dem Zufall
überlassen. Wollte man andererseits ganz auf Nummer sicher gehen und alles
miteinander eng verknüpfen, würde sich die die Störbarkeit eines Systems
immens erhöhen, weil Wirkungen zwischen den Ebenen direkt weitergeben
würden. Offensichtlich haben deshalb auch hierarchisch geordnete Systeme9
einen evolutionären Vorteil gegenüber ähnlich großen nicht-hierarchischen
Systemen (Bolz 2005).
Die folgende Darstellung von Frederick Vester gibt die besondere Leistungsfähigkeit und die ›evolutionäre Logik‹ lose gekoppelter Systeme anschaulich
wieder.
9
Das Ausschlaggebende an der Hierarchie ist hierbei nicht die Ausübbarkeit von Macht (die mag
hinzukommen), sondern die Unterscheidung verschiedener Ebenen (vgl. Baecker 1994: 27ff.).
8
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Ein unvernetztes System ist nicht stabil
Mit steigender Vernetzung steigt die
Stabilität zunächst an, bis sie ab einem
bestimmten Vernetzungsgrad wieder
absinkt.
Es sei denn, es bilden sich Unterstrukturen,
dann bleibt das System auch bei hoher
Vernetzung lebensfähig
Abbildung 1: Lose und enge Verknüpfungen nach Vester
Quelle: Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken, Stuttgart 1999, S. 68f.
Die klassischen Empfehlungen und Strategien zur Verbesserung der Effektivität
und Effizienz von Organisationen liefen demgegenüber in aller Regel auf eine
engere Verkopplung der organisatorischen Elemente hinaus. Die diesbezüglichen
Instrumente reichen von Organigrammen über Arbeitsplatzbeschreibungen,
Auflaufpläne, Mitarbeitergespräche, Qualitätshandbücher bis zu Zielvereinbarungen. Alle diese Verfahren sind darauf ausgerichtet, das organisatorische
System in enger Kopplung an den vorgegeben Zwecken bzw. Bedingungen
auszurichten und so Ungewissheiten möglichst gering zu halten, diffuse Situationen in überschaubare Entscheidungsalternativen zu überführen und Mechanismen einzubauen, die eine zeitnahe Korrektur von aufgetretenen Zielabweichungen erlauben. Weick, March und andere Vertreter der Perspektive der losen
Kopplung haben demgegenüber auf die Kehrseite enger Anbindung und auf die
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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besondere Leistungsfähigkeit lose gekoppelter bzw. langsam und in relativer
Autonomie agierender Systeme hingewiesen. Organisationen verdanken ihr
Weiterbestehen gerade auch dem Umstand, dass sie eben nicht schnell und
konsequent regieren, nicht bereitwillig die ›notwendigen‹ Konsequenzen ziehen,
nicht sofort den aktuellen Moden und Meinungen hinterherlaufen, oder nicht so
spezialisiert und in arbeitsteilige Programme eingebunden sind, dass sie nicht
doch bei Ausfällen füreinander einspringen könnten. Bei den im Folgenden
referierten typischen Konsequenzen dieser Organisierungsform muss man daher
immer zweierlei bedenken: zum einen, dass den geschilderten Stärken immer
komplementäre Schwächen gegenüber stehen; zum anderen, dass lose
gekoppelte Strukturen auch selbst nur lose mit tatsächlichen organisatorischen
Zuständen, Aktivitäten und ›Outcomes‹ gekoppelt sind.
Insofern sich die Elemente lose gekoppelter Systeme durch eine gewisse
Unterschiedlichkeit und wechselseitige Autonomie auszeichnen, erweist es sich
als schwierig, ein derartiges System als Ganzes zu verändern: es ist beharrlich.
Das Schulsystem, das vielen Veränderungswellen vonseiten der Schuladministration getrotzt hat, kann als typisches Beispiel für diesen strukturellen
Konservatismus dienen, obwohl March (1985: 4) schon ein wenig übertreibt,
wenn er feststellt, dass »changing education by changing educational
administration is like changing the course of the Mississippi by spitting into the
Allegheny«. Sicherlich ist Wandel auch in bzw. von lose gekoppelten Systemen
möglich. Allerdings sind Wandlungsprozesse hier eher längerfristig, graduell
und auf einzelne Bereiche begrenzt, während Wandel von eng gekoppelten
Systemen eher kurzfristig, schubweise und großflächiger erfolgt (vgl. Spender/
Grinyer 1995: 909). Umgekehrt kann man angesichts unterschiedlicher
Beharrlichkeit bei vergleichbaren Organisationen – etwa dem Allgemeinen
Sozialdienst gegenüber dem Gesundheitsamt, den geisteswissenschaftlichen
gegenüber naturwissenschaftlichen Fakultäten oder dem Außen- gegenüber dem
Innendienst von Versicherungen – auf eine weniger oder mehr ausgeprägte
Intensität der Kopplung schließen.
Lose gekoppelte Elemente sind vergleichsweise selbstgenügsam und weniger
als andere von anderen abhängig. Die Zahl der Schnittstellen wie der damit
verbundenen Abstimmungsprobleme bleibt relativ überschaubar. Dies wiederum
erlaubt es, im Zweifel nach eigenem Ermessen vorzugehen sowie einen der
eigenen Identität angemessenen Weg zu verfolgen, was wiederum das Gefühl der
Selbstwirksamkeit steigert. Das für lose Kopplung charakteristische
Baukastenprinzip verlangsamt zwar den Informationsfluss, verringert aber auch
die bei zu enger und vielfältiger Anbindung drohende Gefahr eines information
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overload. Diese Pufferfunktion blockt die unkontrollierte Weiterverbreitung
sowie das Aufschaukeln von Fehlern und Störungen von einem auf andere
Elemente ab. Engere Kopplung erhöht möglicherweise die Schlagkraft und
Zielorientierung einer Organisation, steigert aber auch die Durchschlagskraft und
-häufigkeit externer und interner Turbulenzen. Relativ lose angekoppelte
Einheiten können Umwelt-Turbulenzen eher auffangen und sie in abgemilderter
Form weiterleiten. Fällt z.B. ein Zuschuss für eine soziale Einrichtung dem
Rotstift zum Opfer, gefährdet und beschäftigt dies im Falle loser Kopplung nicht
gleich die anderen Einrichtungen des betreffenden Trägers, sondern zwingt
zunächst einmal nur die betroffene Einheit, nach ›lokalen‹ Lösungen zu suchen.
Die Einheiten eines Systems funktionieren also auch als mehr oder weniger
eigenständige Wahrnehmungs- und Interpretationssysteme (vgl. Daft/Weick
1984). Je loser die Kopplung, d.h. je vielfältiger und unabhängiger ihre Sensoren
arbeiten können, desto facettenreicher fällt das von ihnen erzeugte Bild der
organisatorischen Umwelt aus. Solche Systeme beherbergen sozusagen multiple
Realitäten. Das heißt umgekehrt, dass ambige und komplexe Welten durch lose
gekoppelte Systeme angemessener erfasst werden können. Ein lose gekoppeltes
System ist – zumindest im Prinzip – ein sensibles Medium, um Abläufe und
Sachverhalte außerhalb seiner selbst zu registrieren.
So stellt ein Allgemeiner Sozialdienst angesichts seiner vielen ortsnah arbeitenden Mitarbeiterinnen oder ein Call-Center einer Bank angesichts der vielen
dort auflaufenden Kundenanfragen ein ausgezeichnetes und differenziertes Medium dar. Da in beiden Fällen aber in der Regel Instanzen, Instrumente und
Bereitschaften fehlen, diese Informationen aufzubereiten, in handlungsrelevantes
Wissen zu überführen und dann anderen Elementen des Systems zugänglich zu
machen, bleiben die betreffenden Organisation als ganze auf diesem Auge blind.
Dies gilt ebenso für Allgemeine Sozialdienste, wo man immer umfangreichere
Datenbestände anlegt, immer vollständiger seine Akten führt, immer mehr
Checklisten anlegt und immer leistungsfähigere EDV-Systeme einführt – damit
oft aber eher weniger als mehr Durchblick gewinnt.
Lose gekoppelte Systeme sind auf der anderen Seite selbst ziemlich flüchtige
und schwer greifbare Objekte. Genau die Eigenschaft, die sie zu guten Sensoren
werden lässt, erschwert es externen wie internen Beobachtern, sie und ihre
Funktionsweise als Ganzes zu erfassen, was sich praktisch u.a. in Schwierigkeiten bei der Durchführung von Organisationsdiagnosen, Evaluationen und
Qualitätssicherungsmaßnahmen niederschlägt.
Lose gekoppelte Systeme vermögen sich in besonderem Maß an lokale
Bedingungen und Besonderheiten ihrer Umgebung anzupassen. Daher sind sie
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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bzw. ihre Elemente in der Lage, neue Nischen zu entdecken und eigenständig
nach lokal angepassten Lösungen zu suchen. Sie können sich auf ihre eigenen
Möglichkeiten und Relevanzgesichtspunkte konzentrieren, ohne immer zugleich
die Erfüllung vorgegebener Kriterien und organisationsweit festgelegter
Standards mit im Blick behalten zu müssen. Man kann Organisationen intern in
ganz unterschiedliche Abteilungen ausdifferenzieren, um sehr sensibel auf
bestimmte Umwelten (Märkte, Klienten) zuzugehen. Sie vertragen sogar
Widersprüche in der Ausrichtung und der Vorgehensweise (z.B. Unterschiede im
Umgang mit Kunden vonseiten der Marketing- und der Inkasso-Abteilung einer
Firma!). Weil sie in erster Linie sich selbst Rechenschaft schuldig sind, stehen
sie nicht unter dauerndem Rechtfertigungszwang bezüglich dessen, was sie
(noch) nicht erreicht haben. Einerseits erhöht dies die Überlebenschancen einmal
entwickelter Innovationen; andererseits erschwert eben dieser Umstand das
Bekanntwerden und die Durchsetzung von Innovationen in der Organisation als
Ganzer. In evolutionstheoretischer Hinsicht handeln lose gekoppelte Systeme die
Fähigkeit zu kurzfristiger Anpassung zulasten langfristiger Anpassungsfähigkeit
ein. Im besten Fall gelingt es, abweichende Meinungen und Vorgehensweisen
gelten zu lassen, ohne dass das Gefühl aufkommt, man würde das Ganze aus den
Augen verlieren. Bei entsprechender Organisationskultur erhält sich ein solches
Gefühl einer unified diversity dann selbst in kritischen Situationen.
Die andere Seite der Medaille lässt sich gelegentlich in Hochschulen
beobachten, wo zumal in großen Abteilungen von einzelnen Hochschullehrern
exotische Hobbys gepflegt und geduldet werden, deren Zusammenhang mit
zünftiger Forschung und der in den Studienordnungen versprochenen Lehre bei
näherem Hinsehen als problematisch angesehen werden müsste.
Orton und Weick (1990: 215) berichten über eine Reihe von Untersuchungen, die einen positiven Zusammenhang von loser Kopplung und (Arbeits-)Zufriedenheit gefunden hätten. Entscheidend dafür sei das Gefühl, seine Absichten
im eigenen Arbeitsfeld umsetzen zu können, das Bewusstsein gemeinsamer Aufgabenerfüllung und Rücksichtnahme in überschaubaren Abteilungen und Teams
sowie die Sicherheit, sich auf Experimente und Improvisation(en) einlassen zu
dürfen, ohne gleich für etwaige Fehler und Regelabweichungen bestraft zu
werden. Hinzu kommt die Überschaubarkeit möglicher Konfliktherde durch
Reduzierung von Schnittstellen und Abstimmungsnotwendigkeiten. Allerdings
kann lose Kopplung durchaus gegenteilige Effekte haben, wenn Autonomie als
Belastung empfunden wird und das Gefühl des Alleingelassenseins aufkommt.
Auch kann jeder Insider aus Schulen, Beratungsstellen oder Ministerien ein Lied
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davon singen, dass lose Kopplung die Konfliktintensität keineswegs automatisch
reduziert.
Damit sind schon die besonderen Bedingungen angedeutet, unter denen lose
gekoppelte Systeme ihre Stärken besonders gut entfalten: Effektiv sind sie
insbesondere in Konstellationen, in denen es gilt, inkompatible Erwartungen an
eine Organisation zu versöhnen oder zumindest zu verhindern, dass der
eigentliche Betrieb durch diese Widersprüche zu stark eingeschränkt wird;
ähnliches gilt für die Zähmung interner Konflikte zwischen verschiedenen
Abteilungen und Beschäftigtengruppen, die auf ihre Autonomie und
Anerkennung pochen. Lose Kopplung ist zum anderen gerade dann hilfreich,
wenn man mit komplexen, unvorhersehbaren und schwer beherrschbaren
Umwelten zu tun hat. Angesichts dessen, dass engere Kopplung die
Transaktionskosten erhöht (weil alle diesbezüglichen Verfahren für
Kommunikation, Koordination und Aufsicht einen zusätzlichen Aufwand mit
sich bringen), bedeutet die Ermöglichung loser Kopplung eine nicht
unerhebliche Reduktion der sozialen, zeitlichen und sachlichen Kosten. Das
macht derartige Einrichtungen vergleichsweise billig. Billig zu sein, kann in
Organisationen, die Posten nach Unterstellungsverhältnissen, insbesondere nach
der Leitungstiefe, bewerten, freilich ein praktischer Nachteil sein. Da die
Anerkennung eines Amtes immer auch eine Funktion der Höhe der
Eingruppierung der Leitungsstellen ist, tendiert die Position lose gekoppelter
Einheiten dazu, strukturell schwächer zu sein als die enger gekoppelter Einheiten
(z.B. der Jugendhilfe gegenüber der Schule).
Deutlich wird, dass sich nicht die Alternative stellt zwischen enger auf der
einen und loser Kopplung auf der anderen Seite. Organisationen benötigen
offenbar enge und lose Kopplung zugleich. Wir haben eine Paradoxie vor uns,
die sich im Fall einer ausschließlichen Verfolgung einer der beiden Richtungen
als Verschleierung der jeweils anderen erweist. Enge und lose Kopplung sind
(notwendige) Teile einer Kopplungsform, die zwei Teile beinhaltet, und die sich
konkret darin ausdrückt, wie es ihr jeweils gelingt, ein brauchbares Verhältnis
dieser beiden Kontrahenten zueinander zu finden. Eine plausible Form des
Verhältnisses von enger und loser Kopplung scheint in einer engen Kopplung
innerhalb der Untereinheiten bei gleichzeitiger loser Kopplung dieser
eigenständigen (autonomen, dezentralisierten) Subeinheiten in Gestalt eines
Gesamtsystems zu liegen. Vielleicht gelingt es Organisationen auf solche Weise,
eine »familiäre« Gelassenheit, Großzügigkeit und Vergesslichkeit im kleineren
Subsystem mit der Unduldsamkeit, Genauigkeit und Rechenschaftslegung des
übergeordneten Systems zu verknüpfen. So werden dann neue Programme zur
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
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engeren Kopplung in den Untersystemen lose gekoppelt abgearbeitet. So
kombiniert sich der verringerte potenzielle Nutzen mit dem verringerten
potenziellen Schaden. Organisationen benötigen, um mit Baecker (1994: 77) zu
sprechen ein ausgewogenes Mischungsverhältnis zwischen Rationalität,
Stringenz und Planbarkeit einerseits und Spontaneität, Intuition und Flexibilität
andererseits – etwas wie eine allgemeine Besonnenheit, die dem unruhigen
Geschäft ein gewisses Maß an Ruhe ermöglicht.
Woran erkennt man lose Kopplung?
Der Grad an Lockerheit der Kopplung lässt sich organisationsdiagnostisch mit
Blick auf verschiedene Indikatoren erschließen. Folgende offene Liste von
Auffälligkeiten bietet gute Einsteige in eine genauere Analyse (Weick 1976: 6):
• verzögerte Reaktionszeiten (wenn angeforderte Haushaltsmittel nur langsam abfließen)
• akzeptierte Mittelvielfalt (wenn jeder Dozent seine eigene Didaktik verfolgt)
• langsamer Informationsfluss (wenn viele kleine, enge und exklusive
Beziehungsnetze vorhanden sind, aber ohne Personen, die diese ›strukturellen Löcher‹ überbrücken)
• schwache Koordination (wenn es nicht gelingt, gemeinsame Termine zu
finden)
• Fehlen eindeutiger Regelungen (wenn Arbeitsplatzbeschreibungen notorisch veraltet sind)
• Unempfindlichkeit gegenüber Irritationen von außen (wenn über Zuständigkeitsfragen souverän intern entschieden werden kann)
• Nichtvorkommen eindeutiger Ursache-Wirkungs-Ketten (wenn Handlungen auf der Arbeits- in keinem direkten Zusammenhang mit Handlungen
der Leitungsebene stehen)
• Nichteinsehbarkeit relevanter Handlungsfelder (wenn Inspektionen der
Leitung oder außenstehender Beobachter von der Arbeitsebene verhindert
werden können)
• Seltene Überprüfungen (wenn Evaluationen und Leistungskontrollen nicht
durchgeführt bzw. aus diesen keine Konsequenzen gezogen werden)
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• Dezentralisierung von Zuständigkeiten bzw. Delegation von Entscheidungskompetenzen (wenn selbst bei weitreichenden Entscheidungen letztendliche Verantwortlichkeiten kaum festzumachen sind)
• Irreführende Organisationspläne (wenn ungeachtet offizieller Strukturvorgaben ein hoher Grad an Informalität herrscht und erwartet wird)
• Nichtvorhandensein von vorgesehenen Verknüpfungen (wenn man Berichtspflichten unbehelligt verletzen lassen kann)
• Widerstand gegenüber Veränderungsimplusen (wenn entsprechende Initiativen immer wieder schon im Ansatz versanden)
• Geringe sequenzielle Strukturierung von Angeboten (wenn Kunden organisatorische Dienstleistungen ganz nach ihren zeitlichen und inhaltlichen
Wünschen wählen und kombinieren können).
Mit der bloßen Feststellung von losen Verknüpfungen ist die Analyse aber keineswegs beendet. Das Konzept der losen Kopplung impliziert nämlich eine Art
Zwei-Ebenenanalyse, die das System zugleich als handelnde Einheit und als
Summe seiner Teile in den Blick nimmt. Weicks diesbezügliche Faustregel
lautet: Wenn ein System als Ganzes reagiert und seine Teile unterschiedlich
bleiben, dann kann man von loser Kopplung sprechen, 10 wenn letzteres nicht der
Fall ist, dann ist ein Zustand enger Kopplung gegeben. Da, wie gesagt, ein
System weder ausschließlich aus losen noch ausschließlich aus festen Kopplungen, sondern immer aus beiden besteht, wäre es verfehlt, lose mit dezentraler und
enge mit zentraler Steuerung gleichzusetzen.
Die entscheidende Frage bei diesem wie bei allen dialektischen Modellen
lautet: Warum und wie hält es zusammen? Die klassische Systemtheorie verwies
auf geteilte Ziele, Normen und Werte, verbunden mit den entsprechenden Sanktionen. Aber gerade diese traditionellen Kopplungsmechanismen sind bei den
hier zur Debatte stehenden Organisationen typischerweise eher schwach ausgeprägt: Weder erstellen sie – trotz aller aktueller Bemühungen in dieser Richtung – genau umschriebene Produkte, 11 auf die hin arbeitsteilige Produktions-
10 Oder wenn die Teile reagieren, das System als Ganzes aber unbeeindruckt bleibt.
11 Dies belegen u.a. die praktischen Schwierigkeiten, die sich bei der Formulierung der im Rahmen
der sog. Neuen Steuerungsmodelle geforderten ›Produktbeschreibungen‹ einstellen. Wenn man
besonders genau sein will, fallen die Beschreibungen zu kleinteilig aus, um der Komplexität und
Flexibilität sozialer Arbeit gerecht zu werden, und erzeugen darüber hinaus einen erheblichen
Verwaltungsaufwand. Die Organisation koppelt ihr praktisches Tun eng an ihre eigenen Fiktionen und blockiert sich damit u.U. selbst. Ähnliches ließe sich vermutlich anhand der Fall-
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
15
prozesse organisiert werden könnten, noch verfügen sie über eine einheitliche,
leicht replizierbare und arbeitsteilige Handlungstechnologie. Zudem ist Durchgriffsmacht der Leitung, also der Amtsautorität, begrenzt. Angesichts der oft
unterschiedlichen Mitgliedergruppen ist zudem kaum mit besonders starken
Organisationskulturen zu rechnen. 12 Da übergreifende vereinheitliche Mechanismen fehlen, müssen die Verbindungen zwischen lose verkoppelten Einheiten
(die selbst in sich natürlich enger gekoppelt sind) erst geschaffen werden. Hierfür
können verschiedene Ebenen zu einem quasi-hierarchischen System verbunden
werden. Die Integration der Ebenen erfolgt nicht, wie in üblichen Hierarchien,
über Einzelpersonen und Autoritätsbeziehungen, sondern über die Verkopplung
von Subsystemen und verschiedenen Systemebenen. Beispiele für lose
Kopplungen wären
• Wahlen, die Amtsinhaber und Wählerschaft im Wahlvorgang eng koppeln,
während der Legislaturperiode aber gewisse Spielräume für die Amtsinhaber frei lassen, die zwischenzeitlich dann nicht mehr auf jede Veränderung in den Bedürfnis- oder Stimmungslagen ihrer Wählerschaft reagieren
müssen;
• Zielvereinbarungen, bei denen sich beide Parteien auf bestimmte, möglichst eindeutig definierte Zielwerte einigen, deren Erreichung sie aber den
Beteiligten überlassen;
• Termine, durch die der Zeitpunkt der Erledigung einer Sache, nicht aber
der Weg dahin fixiert wird;
• Kategorien, Diagnosen und Zeugnisse, auf die sich alle Beteiligten
beziehen können, ohne hinsichtlich ihrer Bedeutung exakt übereinstimmen
zu müssen.
• Ähnlich wirken runde Tische, Kollegialität, Selbstbindung (z.B. der Verwaltung hinsichtlich der Ausübung des Ermessens), commitment, persönliche Freundschaften, Vertrauen, Kontrakte (wie in der systemischen
Therapie); ja sogar der Zufall kann – etwa in Gestalt eines ungeplanten
Zusammentreffens – einem losen Beziehungszusammenhang plötzlich eine
andere Qualität geben.
pauschalen in der Medizin, der Leistungskataloge für ambulante Pflege oder der Modul- und
Qualitätshandbücher für die Lehre an Hochschulen zeigen.
12 Die ›Stärke‹ einer Organisationskultur bestimmt sich nach Kriterien wie Prägnanz, Homogenität,
Verankerungstiefe und zeitlicher Stabilität der betreffenden Erwartungs- und Orientierungsmuster (vgl. Schein 1995).
16
Stephan Wolff
Das Zugleich von lockerer und straffer Kopplung eröffnet durch enge
Anbindung an einer Stelle Freiräume an anderen Stellen. Solche Kopplungen
sind sicherlich auch riskant. Daher gewinnt die Fähigkeit von Organisationen,
den Grad der Kopplungen situationsangepasst variieren zu können, besondere
Bedeutung. Wer ›die Gänge zu wechseln‹ vermag (Louis/Sutton 1991),
verschafft sich eine Autonomie höherer Ordnung, selbst in solchen Situationen,
in denen tatsächlich wenig operative Autonomie verbleibt (vgl. Grote 2004). 13
Da die ›Dialektik‹ der losen Kopplung, das gleichzeitige Vorhandensein von
sicheren, eindeutigen, rational planbaren und unsicheren, mehrdeutigen, nicht
rational planbaren Aspekten oft übersehen bzw. eindimensional vereinfacht wird,
indem die enge der lockeren Verkopplung abstrakt gegenübergestellt wird, ist zu
fragen, wie man solche Simplifizierungen vermeiden kann. Orton und Weick
schlagen diesbezüglich vor, bipolare Variablen (eng-lose) in Zwei-VariablenMatrizen zu übersetzen, auf Abweichung regulierende Feedback-Schleifen zu
achten und insbesondere bei der Untersuchung einer Organisation angesichts von
engen Verbindungen immer gleich zu fragen »und wo liegen die losen
Verkopplungen?« bzw. umgekehrt. Hilfreich sei zudem die Vermeidung von
Forschungsmethoden, die auf flache, statische Beschreibungen hinauslaufen und
so detaillierte und vor allem dynamische Beschreibungen erschweren. Ethnographien, Fallstudien und systematische Beobachtung böten sich diesbezüglich
eher an als Fragebögen und gelegentliche Beobachtungen. Dies läuft auf die aus
anderen Zusammenhängen schon bekannte Weick’sche Empfehlung hinaus (vgl.
Weick 1985: 67), man solle, wenn man Organisationen verstehen wolle,
Substantive einstampfen und sie in Verben überführen. Im Fokus steht für ihn
nicht die Organisation, sondern der Prozess des Organisierens, in dessen
Vollzug die betreffende ›Organisation‹ produziert und reproduziert wird (vgl.
Boden 1994).
In gleicher Weise, wie durch diesen Blickwechsel Organisationen nicht mehr
als statische Objekte, sondern als Ergebnis von und als Arena für andauernde
Prozesse ihrer eigenen Herstellung sichtbar werden, wird Kopplung selbst zu
einem Ergebnis des Organisierens – und als solches steht sie und ihre jeweilige
Ausrichtung nicht ein für alle Mal fest. Eine Organisation kann durchaus hinsichtlich ihres Kopplungsarrangements changieren. Kopplung von Strukturelementen ist ein dynamischer Prozess. Elemente, die früher lose gekoppelt
13 Dies setzt selbstverständlich Bereitschaften und Kompetenzen bei den Mitarbeitern voraus,
solche Impulse tatsächlich aufzunehmen und kreativ umzusetzen.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
17
waren, können heute enger gekoppelt sein; umgekehrt kann es von den Beteiligten unbemerkt zu einem schleichenden structural drift kommen, sodass früher
eng abgestimmte Abläufe plötzlich nicht mehr zusammenpassen – und dies
gelegentlich mit fatalen Folgen, wie Snooks (2000) Analyse eines sog. friedly
fire-Zwischenfalls demonstriert. Die Enge der Kopplung ist kein von außen
einfach zu konstatierender Zustand, gleichsam eine empirische Feststellung über
das ›Wesen‹ einer Organisation, sondern eine praktische Leistung der in einem
Handlungsfeld agierenden Mitglieder. Gerade in Krisen kann man beobachten,
wie sich der Aggregatszustand einer Organisation plötzlich ändert. Unter bestimmten Bedingungen wird ein höheres Maß an Kopplung aktiviert, insbesondere, aber nicht nur, was die Außenwahrnehmung betrifft. Die Schilderung einer
solchen Krise und ihrer Bewältigung veranschaulicht eine solche kurzfristige,
Erhöhung des Kopplungsgrades (vgl. Wolff 1983: 79):
An einem Wochenende muss, von einem Nachbarn alarmiert, die Polizei
bei einem Fall schwerer Kindesmisshandlung einschreiten. Das Kind
kommt sofort in ein Heim. Bei der Überprüfung der Eltern stellt sich
heraus, dass diese Kontakt mit der zuständigen Bezirkssozialarbeiterin
gehabt hatten, der Fall also dem ASD offiziell bekannt gewesen war.
Dieser Sachverhalt wird in einem kritischen Bericht verschiedener
Montagszeitungen erwähnt. Innerhalb weniger Stunden weiß das Amt und
vermutlich auch die politische Leitung davon, sei es, weil eine offizielle
Stellungnahme des Sozialdezernenten von einem Reporter nachgefragt, sei
es durch Telefonketten quer durch die Verwaltung. Schon weil die
Dezernentin dazu Stellung nehmen will, ist man sich in der Leitung des
ASD klar, hier reagieren zu müssen. Besagte Sozialarbeiterin, ihre
Gruppenleiterin und auch die Leiterin der Unterabteilung werden in die
Zentrale zitiert, wo man zunächst alle Beteiligten bezüglich des Falles zu
absoluter Verschwiegenheit Dritten gegenüber ermahnt. Die Leiterin lässt
sich informieren und stellt fest: Dieser ›Katastrophenfall‹ hätte jedem
passieren können. Eine einseitige Schuldzuweisung an die Sozialarbeiterin
wird mit Rücksicht auf die Einhaltung der internen Solidarität im ASD zu
keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen. Es gelte jetzt, die Reihen zu
schließen, also insbesondere zu belegen, dass angesichts der gegebenen
Umstände in ausreichendem Maße Sorgfalt geübt wurde. Gottseidank
finden sich in der Akte Hinweise auf erst kurz zurückliegende Hausbesuche; die Sozialarbeiterin war also ›am Fall‹ gewesen und aus der in
den Akten vermerkten Falllage war nach menschlichem Ermessen eine
18
Stephan Wolff
solche Zuspitzung nicht zu erwarten. Nachdem man dies abgeklärt hat, eilt
die Leiterin des ASD zur Dezernentin und bereitet mit dieser eine
Erklärung an die Presse vor. Die konkret betroffene Sozialarbeiterin ist als
Person aus dem Fall. Jetzt ist es allein Sache des Amtes zu handeln. Drei
Wochen später, als sich die öffentliche Erregung gelegt hat, kommt ein
Rundschreiben an die Gruppenleiter, das aus gegebenem Anlass zu
besonderer Sorgfalt in Fällen drohender Kindesmisshandlung anhält.
›Kopplung‹ kann sich sowohl auf die tatsächliche Verknüpftheit wie auf die
Wahrnehmung bzw. Unterstellung des Verknüpftseins beziehen. Empirisch ist
beides kaum auseinander zu halten, weil die Unterstellung von Gekoppeltheit
wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wirkt. Das Konzept ›Kopplung‹ wird
dann, ähnlich wie Bittner (1965) das für ›Organisation‹ gezeigt hat, ein interpretatives Instrument ihrer eigenen Herstellung. Es ist diese Unterstellung einer
Logik, die lose gekoppelte Elemente faktisch in Beziehung zueinander setzt.
2. Organisierte Anarchien und das Papierkorb-Modell der Entscheidung
Das Konzept der losen Kopplung hat sich nicht zuletzt in Absetzung von
rationalistischen Entscheidungstheorien im Anschluss an deren Infragestellung
durch Herbert Simon in den 1950er-Jahren entwickelt. Simons Idee der bounded
rationality lief auf die These hinaus, dass die Kapazität des menschlichen
Geistes zur Formulierung und Lösung komplexer Probleme immer geringer sei,
als sie sein müsste, wenn man die Maßstäbe klassischer Rationalität anlegt
(1957: 198). Dies waren zunächst einmal psychologische und noch keine organisationstheoretischen Feststellungen. Später erweitert Simon in Zusammenarbeit
mit March (1958) diese These, indem er Organisationen als komplexe
Problemlösungssysteme beschreibt und diskutiert, wie organisatorische Aktivitäten die bounded rationality individueller Entscheider beeinflussen – und umgekehrt (vgl. zur Theorieentwicklung Hodgkinson/ Starbuck 2008: 6). March
(1971) geht später noch einen Schritt weiter und zieht sogar grundsätzlich in
Zweifel, ob die Unterstellungen der rationalen Theorien empirisch zutreffen
können, vernachlässigten sie doch, dass Zielstellungen sich mit der Zeit ändern
und Präferenzen sich oft erst aus der Rückschau ergeben, nachdem die Erfahrungen mit bestimmten Aktivitäten ausgewertet worden sind. Man müsse
deshalb – zumindest als Ergänzung der rationalen Theorie – eine Technologie
der Verrücktheit, besser wäre wohl zu sagen: eine Theorie der vernünftigen
Nicht-Rationalität entwickeln, die zu beschreiben vermag, wie es den Akteuren
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
19
selbst noch in unübersichtlichen Situationen und unter beschränkten sozialen,
sachlichen und zeitlichen Bedingungen und Möglichkeiten gelingt, handlungsund entscheidungsfähig zu bleiben, Entdeckungen zu machen und Lernprozesse
einzuleiten. 14 Eine nochmalige Weiterentwicklung der Simonschen These
bedeutet Marchs Hinweis auf die Einschränkungen, die sich durch politische
Prozesse für organisatorische Entscheidungen ergeben. Bei der Untersuchung
organisatorischer Entscheidungen (er hatte dabei Personalentscheidungen an
Universitäten im Auge) würde man immer wieder auf Situationen stoßen, in den
heterogene Probleme, verschiedenartige Lösungsmöglichkeiten und unterschiedliche Akteure in unberechenbarer Weise aufeinander träfen. Solche
schwach strukturierten Situationen, in denen man sich auf keine klare und
akzeptierte Vorstellung darüber, was eigentlich der Fall und was angesichts
dessen zu tun ist, beziehen und verlassen kann, kennt jeder von sich selbst. In
Organisationen, zumal in lose gekoppelten Systemen, scheint die
Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens kaum geringer, die Schwierigkeiten
damit umzugehen, jedoch noch ausgeprägter zu sein. Besonders häufig treten
schwach strukturierte Situationen nach den Beobachtungen von March und
seinen Mitarbeitern in Einrichtungen des Erziehung- und Gesundheitswesens, in
der Öffentlichen Verwaltung, in Parteien, politischen Gremien, Kabinetten und
Aufsichtsräten auf. Aber selbst die organisierte Kriminalität und das Militär
scheinen dagegen nicht gefeit zu sein (March/ Olsen 1976; March/ WeissingerBaylon 1986).
Schon die ersten organisationswissenschaftlichen Veröffentlichungen, die
sich ausdrücklich auf die Idee der losen Kopplung beriefen, wandten diese auf
organisatorische Entscheidungen an (Cyert/March 1963; Cohen/March/Olson
1972). Das rationale Modell des Entscheidens war bekanntlich von einer engen
und gerichteten Verkopplung von Problemen, Zielen und Mitteln ausgegangen.
Wenn angesichts der bounded rationality organisatorische Entscheidungen und
ihre Umsetzung sich aber nicht nach dem Muster der hierarchischen BefehlGehorsam-Kette modellieren lassen und wenn man noch dazu mit unklaren bzw.
uneindeutigen Zielvorgaben, wechselnden Präferenzen und fragwürdigen
14 Ähnlich argumentiert Weick: »Wenn man den Leuten zuhört, merkt man, 90% ihrer Aktivitäten
haben nichts, aber auch gar nichts mit einem rationalen Modell zu tun. Alles, was sie im Laufe
eines Tages machen, wird nicht durch die herkömmlichen rationalistischen Handlungstheorien
gedeckt. Vielmehr haben die Leute das Gefühl, durch den Tag zu stolpern und immer wieder in
ein neues Schlammassel zu geraten. Der Begriff des Hineingeworfenseins umschreibt genau das,
worum es grundsätzlich im Leben geht (…). Genau diese ständige unsichere Suchen und Tasten
nach Sinn macht doch die menschliche Existenz aus« (2001: 129).
20
Stephan Wolff
Technologien zu rechnen hat, dann droht offensichtlich Anomie (Thompson/
Tuden 1959), genauer: ein Zustand der Anarchie. Die theoretische und
praktische Herausforderung lautet somit zu klären, wie sich diese Anarchie
organisieren lässt, weshalb Cohen/ March (1974) als Bezeichnung für diese
widersprüchlichen Tendenzen das Oxymoron der organisierten Anarchie
vorgeschlagen haben. 15 Organisierte Anarchien wären danach eine besondere
Klasse von Entscheidungssituationen, nämlich solche, in denen viele und wechselnde Präferenzen gegeben sind, in den die verfügbaren Mittel zur Zielerreichung von den Mitspielern kaum verstanden werden, wo fluktuierende Anwesenheiten und wechselndes Engagement herrschen, sodass die Grenzen der
Organisation unscharf sind und die Rollen der Beteiligten changieren. Wie es in
organisierten Anarchien zugeht, veranschaulicht die Metapher des ›verrückten
Fußballfelds‹:
»Stellen Sie sich ein rundes, abfallendes Fußballfeld vor, auf dem nicht nur
zwei, sondern eine ganze Reihe von Toren stehen (goal bedeutet im
Englischen: Tor und Ziel!). Viele verschiedene Spieler (allerdings nicht
jeder) können sich in das Spiel einschalten (oder auch es verlassen) und
dies zu verschiedenen Zeiten. Manche Leute werfen neue Bälle ins Spiel,
manche entfernen welche. Jeder einzelne versucht, so lange er auf dem
Spielfeld ist, den Ball, der in seine Nähe kommt, in die Richtung des Tores
zu befördern, das ihm am besten gefällt. Oder aber, er bemüht sich, Bälle
von jenen Toren, die er verteidigen will, fern zu halten. Durch die leichte
Abschüssigkeit des Feldes gibt es eine gewisse Tendenz, in die Richtung
der Spielfeldbereiche und Tore, die sich weiter unten sich befinden. Das
heißt aber nicht, dass man den Verlauf des Spiels und das Ergebnis
eindeutig voraussehen könnte. Nach dem Spiel tut freilich jeder so, als
15 Wie auch das übrige von ihnen bevorzugte Begriffsinventar belegt, zeichnen sich March und
Weick durch ihr Faible für paradoxe oder zumindest paradox klingende Formulierungen aus: von
Marchs Technologie der Torheit und seinem Papierkorbmodell des Entscheidens war schon die
Rede. Er hat aber auch das learning from samples of one or fewer, die Kurzsichtigkeit des
Lernens oder die Beidhändigkeit (exploration/expoitation) zu bieten; während uns Weick neben
der losen Kopplung die retrospektive Rationalität, die small wins, das Organisationslernen, die
Improvisation als Haltung des Organisierens, das serious play, die disciplined imagination und
das Management des Unerwarteten offeriert und uns schließlich sogar auffordert: drop your
tools! Es spricht einiges dafür, das Vorkommen paradoxer Begriffe als Indikator für die Qualität
und Praxissensibilität von organisationswissenschaftlichen Theorien zu verwenden (vgl.
Ortmann 2004).
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
21
wäre das Ergebnis logisch und zu erwarten gewesen« (March/ Olsen 1976:
276).
Dieses Fußballspiel ist, wie man schnell erkennt, bei aller scheinbaren Regellosigkeit keineswegs zufällig und ungeordnet. Es erlaubt durchaus Improvisation, Wandel, Neudefinition von Zielen und individuelle Experimente. Aber es
weist zugleich Mechanismen auf, die für ein Mindestmaß Ordnung sorgen – wie
das Gefälle (das bestimmte Spielerpositionen begünstigt), die Tore (es zählt nur,
was dort reingeht), der Zeitrahmen (der begrenzt ist), der Umstand, dass nur
bestimmte Leute mitspielen (und nicht alle Zuschauer), dass es um Bälle geht,
die mit den Fuß befördert werden müssen (und keine anderen Sportgeräte oder
Hilfsmittel zugelassen sind) und so weiter. Solche Gelegenheiten ähneln Papierkörben (garbage cans), 16 in denen mit der Zeit alles Mögliche nebeneinander
deponiert wird. In Organisationen wären dies Probleme, Lösungen und
Teilnehmer, die durchaus unterschiedliche Nähe zu den gerade anstehenden
Problemen aufweisen und sich bestimmten Lösungsformen mehr oder weniger
verschrieben haben. Alle diese nur lose verknüpften Elemente suchen nach
Bindung, jedes zunächst für sich selbst:
»Organizations can be described for some purposes as collections of
choices looking for problems, issues and feelings looking for decision
situations in which they might be aired, solutions looking for issues to
which they might be an answer, and decision makers looking for work«
(Cohen et al. 1972: 1). 17
Zu klären wäre, wie solche ›anarchischen‹ Organisationen es trotz aller
Uneindeutigkeit und Unsicherheit schaffen, überhaupt noch zu Entscheidungen
zu kommen, wie sie ihre Aufmerksamkeit steuern und wie sie das erforderliche
Maß an Kohärenz nach innen wie nach außen sicherstellen. Das Papierkorbmodell schärft den Blick für die eigentümliche Logik schwach strukturierter
Entscheidungssituationen. Wichtig ist zunächst die Unabhängigkeit der verschiedenen Elemente bzw. ›Ströme‹, die sich in den Papierkörben finden. Üblicher16 Ich ziehe die Übersetzung von garbage can als ›Papierkorb‹ der ebenfalls möglichen und gebräuchlichen als ›Mülleimer‹ vor, weil letztere irreführende Assoziationen hinsichtlich der
Qualität der solchermaßen zustande gekommenen Entscheidungen wecken könnte.
17 Marchs Beispiel: Eine Besprechung, in der über Firmenparkplätze entschieden werden soll, kann
in einer Diskussion über Forschungsetats, sexuelle Belästigung, Managementvergütung und
Marketingpolitik enden.
22
Stephan Wolff
weise unterstellt man, dass Entscheidungen von Problemen ausgehen und sich
ihre Lösungen suchen. Bei loser Kopplung muss man aber damit rechnen, dass
Lösungen in relativer Unabhängigkeit von Problemen ein Eigenleben führen.
Dienstleistungsorganisationen kultivieren z.B. typischerweise bestimmte Lösungen, von denen einige immer im Angebot sind: Dazu gehören etwa didaktische
Modelle, Psychotherapieprogramme, Medikamente, Operationsformen, die
diversen Methoden sozialer Arbeit oder einfach Geld. Sind solche Lösungen
parat und werden sie von den gerade anwesenden Mitgliedern favorisiert, dann
beginnt die Suche nach, genauer gesagt, die Konstruktion von Problemen, die
damit angegangen werden könnten. Antworten suchen nach Fragen, zu denen sie
passen könnten. Manche Fragen liegen bereits vor, auf andere gilt es zu warten
oder aber sich aktiv an deren Findung zu beteiligen. Natürlich identifizieren sich
die Teilnehmer mit bestimmten Problemen, aber auch mit bestimmten Lösungen
und versuchen, diese ins Spiel zu bringen. Angesichts der ›anarchischen
Struktur‹ können sie sich in aller Regel nicht auf unbestreitbare Gesichtspunkte
zu ihrer Durchsetzung berufen. 18 Zudem kann man unter solchen Bedingungen
nicht mit stabiler Teilnehmerschaft rechnen und muss berücksichtigen, dass die
Anwesenden ganz unterschiedlich engagiert sein können und zuweilen auch ihre
Vorlieben und Bindungen ändern. Je mehr Themen anstehen, desto geringer ist
die Bedeutsamkeit für die meisten der Beteiligten, wiewohl jeder Beteiligte,
schon um seinen Status zu bestätigen, gute Gründe in die ein oder die andere
Richtung zu mobilisieren vermag. Man muss andererseits damit rechnen, dass
einzelne Teilnehmer oder ganze Gremien an ihren Problemen hängen, also gar
keine endgültige Entscheidung anstreben, weil sie sonst ein liebgewonnenes
›ewiges Thema‹ verlieren (das gilt oft für Konfliktthemen wie das Verhältnis von
Innen- und Außendienst!). 19 Natürlich sollte man darauf achten, ob überhaupt
eine Entscheidungsgelegenheit vorliegt, also eine Situation, in der die Erwartung
besteht, dass es zu Entscheidungen kommt. Eine Entscheidung kommt unter
solchen Modell-Bedingungen nur zustande, wenn passende Probleme, Lösungen
und Teilnehmer zum richtigen Zeitpunkt zusammentreffen. Ob ein Problem und
18 Diesen Umstand machen sich die in der Organisationsberatung beliebten gruppendynamischen
Übungen zunutze. Beispielhaft ist diesbezüglich die sog. Dienstwagenübung, die eine Entscheidungssituation in einem Team simuliert und die Teilnehmer für deren Unlösbarkeit sensibilisieren soll. Die besondere Schwierigkeit besteht in der ›Versuchung der Hierarchie‹, die sich
aus dem Status des Teamleiters ergibt, und der dieser in diesem egalitären Setting aber kaum
nachgeben kann (vgl. Antons 2000).
19 Oder den anderen ›Klassiker‹: Hilfe und Kontrolle, d.h. im Fall drohender Kindeswohlgefährdung die Auseinandersetzung um die Frage: ressourcenorientierte Hilfeleistung oder
kontrollorientierte Fremdplatzierung.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
23
eine Lösung miteinander verknüpft werden, hängt stark davon ab, ob sie zur
gleichen Zeit auftreten.
Da alle vier Elemente, also Probleme, Lösungen, Teilnehmer und
Wahlentscheidungen nur lose miteinander gekoppelt sind, ist die
Wahrscheinlichkeit gering, dass es zu einem schnellen und ›sauberen‹
Entscheidungsprozess lege artis kommt, ganz im Gegenteil: »in purest garbage
can situation we assume that any problem and any decision maker can be
attached to any choice« (March/Olsen 1989: 13). In realen ›Papierkörben‹ treffen
Entscheider, Lösungen und Probleme durchaus nicht ganz zufällig aufeinander,
sondern werden nach dem Vorgaben der Organisationsstruktur zusammengeführt, wodurch Teilnehmerkreis, Beteiligungsrechte und Termine
beeinflusst werden können. Papierkörbe entwickeln eigene Geschichten (wann
wurden welche Elemente mit welcher Kombination eingebracht? Wer hat wann
mit wem gestimmt? Welche Rechnungen sind noch offen? Wie steht es um die
Vorgänge in anderen Papierkörben, in denen sich die Beteiligten begegnen?).
Auf den Papierkörben liegt nicht nur der Schatten der Vergangenheit, sondern
zumeist auch der Schatten der Zukunft. Man trifft man sich doch vermutlich
noch öfter, und hat daher Ausgleichshandlungen in der einen oder anderen
Richtung zu erwarten. Zu einem klassischen Entscheidungsprozess kommt es
paradoxerweise dann am ehesten, wenn es um nichts geht, die Situation für alle
offensichtlich und/oder die Homogenität der Gruppe bzw. ihrer Interessen
außerordentlich hoch ist. Das bedeutet faktisch, dass nur wenige Probleme
solchermaßen direkt gelöst werden. Eher werden sie im Lichte vorhandener
Lösungen reformuliert, vermieden oder mit anderen als den ursprünglichen
Gesichtpunkten verknüpft. Je mehr Themen sich im Korb befinden, desto wahrscheinlicher bleiben einzelne Probleme offen und. um so länger dauert es, bis sie
einer Lösung zugeführt werden. Aber auch dann gilt es, den richtigen Zeitpunkt
zu erwischen.
Man denke z.B. an eine Situation vor Gericht (vgl. ausführlich Wolff 1995),
in der es darum geht, ob einem medikamentenabhängigen Sexualstraftäter die
Möglichkeit einer Bewährungsstrafe eingeräumt werden kann, die aus ganz
unterschiedlichen Interessen für die Verteidigung, den Richter und den Staatsanwalt von Vorteil wäre. Die Verhängung einer Bewährungsstrafe ist nur bei
Vorliegen einer verlässlichen und ambulant durchführbaren diagnostischen
Kontrolle zu verantworten. Zufällig kennt der anwesende Gutachter ein Labor
der nahen Medizinischen Hochschule, das, aus dem Gerichtssaal vom Richter
angerufen, die grundsätzliche Durchführbarkeit einer solchen Kontrollmaßnahme
bestätigt, wenn der Proband in Abständen von wenigen Tagen regelmäßig ins
24
Stephan Wolff
Labor kommt. Da dieser aber kurz danach einräumen muss, vor nicht allzu
langer Zeit ein ähnlich getaktetes Behandlungsprogramm nicht durchgehalten zu
haben, fällt das von allen Beteiligten sorgsam geschnürte Packet wieder
auseinander.
Wollen sich solche kairotischen Momente nicht einstellen, sind andere
Formen der Entscheidung wahrscheinlicher: Etwa eine Entscheidung durch
Übersehen (by oversight), wenn die Beteiligten ihre Aufmerksamkeit auf ein
anderes Problem richten und das eigentliche Problem ausklammern oder
»übersehen«. Wenn es gelingt, die Entscheidung schnell zu treffen, bevor solche
Probleme die Möglichkeit haben, von anderen Entscheidungen zu »fliehen« und
sich an die in Frage stehende Entscheidungsgelegenheit anzulagern, kann relativ
problemlos und mit einem Minimum an Zeitaufwand entschieden werden. So
kann, um das March’sche Beispiel aufzunehmen, eine Führungsposition in einer
Organisation problemlos mit einem männlichen Bewerber besetzt werden, wenn
Probleme der Gleichstellung sich (noch) nicht an derartige Rekrutierungsentscheidungen geheftet haben, sondern bei Entscheidungen über familienfreundliche Arbeitszeitmuster und gleiche Bezahlung verweilen. Als dritte Möglichkeit könnte eine Entscheidung durch Flucht (by flight) zustande kommen.
Hierrunter ist eine Konstellation verstehen, bei der in der Diskussion eine neue
attraktive Alternative auftaucht, auf die man sich in dem Moment gut einigen
kann. Daher wandert das ursprüngliche Problem in eine andere Entscheidungsarena ab, wo die Chancen für einen günstigen Zeitpunkt, an dem alles zusammenpasst, günstiger erscheinen. So ist denkbar, dass eine lange Zeit strittige
Entscheidung über neue Arbeitszeitregelungen problemlos gefällt wird, nachdem
das Problem der Gleichstellung in diesem Zusammenhang nicht mehr zur
Geltung gebracht wird, sondern entmutigt zur Entscheidung über Betriebskindergärten »geflohen« ist.
March und seine Mitarbeiter geben in ihren Arbeiten gute Gründe dafür an,
warum eine solche Form des Entscheidens durchaus vernünftige Resultate
produzieren kann, und warum nicht oder doch nicht krampfhaft versucht werden
sollte, Ambiguität zu Gunsten von Vorhersehbarkeit und Kontrolle zu eliminieren. Auf diese Weise wird es überhaupt möglich, dass trotz divergierender
Interessen, komplexer Problemlagen und unklarer Wege zu deren Abhilfe
überhaupt Entscheidungen gefällt und Prozesse vorangebracht werden können,
und Organisationen selbst in Fällen, in denen sie nicht wissen, was sie tun,
handlungsfähig und damit letztendlich lernfähig bleiben. Organisationen lernen
auf diese Weise in unkonventioneller und innovativer Weise, indem sie neue
Ziele (für erprobte Mittel) aufspüren. Organisierte Anarchien sind Zwecke
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
25
suchende und nicht lediglich Zwecke umsetzende bzw. an Zwecken orientierte
Systeme. Papierkorbentscheidungen ermöglichen zudem ein an den verfügbaren
kognitiven, materiellen und sozialen Ressourcen orientiertes, d.h. ein ökologisch
angepasstes Vorgehen.
Entscheidungen in Papierkorbsituationen sind Versuche, eine Logik der
Angemessenheit zum Bezugspunkt des Vorgehens zu machen und sie der
klassisch-rationalistischen Logik der Folgebeziehung gegenüberzustellen (March
1994). Die empirische Relevanz der Logik der Angemessenheit haben March
und seine Kollegen in zahlreichen Studien nachzeichnen können, wobei die
Untersuchungsfelder von der demokratischen Politik, der Produktion
akademischer Lehrbücher, der strategischen Planung in Unternehmen, der Personalauswahl an Universitäten und Verwaltungsreformen bis hin zu militärischen Einsätzen reichen (vgl. March/Olsen 1989; March 1999). Es wäre
durchaus ein Missverständnis, die scheinbare Zufälligkeit von Entscheidungen
im Papierkorbmodell als Beliebigkeit und organisierte Anarchien als Inbegriff
des Chaos zu beschreiben, als Ausrutscher eines ›eigentlich‹ sonst ordentlichen
Betriebs. Zum einen weisen selbst die anarchischen Anteile der Organisation
eine gewisse Ordnung auf, wenngleich diese Ordnung vielleicht auch nicht den
üblichen Erwartungen entspricht. Die Theorie der organisierten Anarchie beschreibt einen Teil der Aktivitäten fast jeder Organisation, jedoch nicht alle und
zu jeder Zeit (March 2001: 331).
Die tragische Ironie organisierter Anarchien besteht darin, dass selbst gut
gemeinte Versuche der Steigerung der formalen wie der prozeduralen Rationalität (durch Informationsbeschaffung, Zielklärung, Planung, Qualitätssicherung
und ähnliches) hier zu nicht-intendierten Nebenfolgen, ja zu gegenteiligen
Effekten führen können, insoweit sie die Bereitschaft einschränken, überhaupt
etwas zu tun oder zu entscheiden. Die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit
steigt unter Ambiguitätsbedingungen nämlich gerade dann an, wenn die
betreffenden Personen sich nicht über alle denkbaren Alternativen im Klaren
sind bzw. sein wollen, und wenn sie die Erfolgsaussichten ihrer Handlungen
überschätzen. Insoweit eigentlich ›irrationale‹ Entscheidungen zumindest den
Prozess am Laufen halten, führen sie paradoxerweise oft zu besseren Resultaten
als das konsequente Beharren auf den Prinzipien rationaler Entscheidungsfindung: »Individuals and organizations need ways of doing things for which
they have no good reason. Not always. Not usually. But sometimes. They need to
act before they think« (March/ Olsen 1976: 75). Ähnliches gilt hinsichtlich
vermeintlich rationaler Anforderungen an die Stringenz von Überzeugungen und
der Enge der Kopplung von Absichten und Handlungen: »Because organizations
26
Stephan Wolff
have diverse goals and stakeholders that cannot be satisfied simultaneously,
organizational leaders have to espouse different visions at different times and
support mutually inconsistent actions. Such hypocrisy helps organizations to
make controversial decisions and to take forceful actions« (Hodgkinson/ Starbuck 2008: 11; s. besonders dazu auch Brunsson 2003).
Eine Lehre aus Marchs Untersuchungen zu organisatorischen Entscheidungsprozessen ist sicherlich, dass die Substanz von Entscheidungen typischerweise
überbewertet wird. Dafür spricht zum einen, dass Entscheidungen zu einem
Gutteil Versuche darstellen, Konfusionen zu ordnen, die sich in einer mehrdeutigen und schwer durchschaubaren Situation ergeben haben. Andererseits
zeigt sich, dass Entscheidungsprozesse in Organisationen noch eine ganze Reihe
weiterer Funktionen erfüllen als die ihnen offiziell zugedachten. Das zeigen die
folgenden Beobachtungen, die man typischerweise in organisierten Anarchien
machen kann:
• dass in vielen Fällen das Recht zur Teilnahme heiß erkämpft wird, um
später dann gar nicht wahrgenommen zu werden,
• dass man, um entscheiden zu können, große Mengen an Informationen
sammelt, anfordert und sie dann nicht nutzt,
• dass die Abteilungen, die für Information, Planung und Evaluation zuständig sind, bei wirklich wichtigen Fragen nicht mit am Tisch sitzen und
• dass sich kaum jemand um die Implementation oder gar die Evaluation von
Programmen oder Gesetzen kümmert, selbst wenn die Entscheidung viel
Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
Wie sich zeigt, sind Entscheidungen sind immer auch Rituale, »by which we
recognize saints, socialize the young, reassure the old, recite scripture and come
to understand the nature of our existence« (March 1986: 22).
3. (Ent-)Kopplung in der neoinstitutionalistischen Organisationsforschung
Es findet sich noch eine dritte Variante der Perspektive der losen Kopplung mit
besonderer Relevanz für soziale Dienstleistungseinrichtungen: die neoinstitutionalistische Theorie. 20 Da dieser Ansatz in einem eigenen Kapitel gewürdigt wird
(vgl. den Beitrag von Thomas Drepper in diesem Band), beschränke ich mich
20 Eine weitere, aber auf industrielle Produktionsbetriebe ausgerichtete Variante der Kopplungsperspektive bietet die normal accident theory von Charles Perrow (1984).
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
27
hier auf einen kurzen Exkurs. Dies ist schon deshalb angezeigt, weil die
Neoinstitutionalisten lose Kopplung nur in einem ganz besonderen und
spezifisch begrenzten Sinn in ihre Theorie integriert haben. Die Rolle der losen
Kopplung wird hier nämlich primär mit Blick auf die Entsprechung von organisatorischen Strukturen und den Erwartungen ihrer gesellschaftlichen Umwelt
diskutiert. Aus der Notwendigkeit, Legitimität in ihrem jeweiligen organisatorischen Feld sicherzustellen, resultiert aufseiten der Organisationen eine Tendenz
zur relativ engen Kopplung eigener Strukturen mit institutionalisierten Vorgaben
und Regeln. Diese treten der Organisation in Gestalt bestimmter Zwänge (z.B.
rechtlich-politischer Art), normativer Vorgaben (z.B. professioneller Regeln)
und nachahmenswerter Vorbilder (z.B. sog. benchmarks oder best practices)
gegenüber und führen in der Konsequenz zu einer Isomorphie der strukturellen
Merkmale von Organisationen in einem bestimmten organisatorischen Feld.
Insofern diese Übernahmeprozesse anderen Kriterien gehorchen als jenen der
unmittelbaren Aufgabenerfüllung und internen Funktionalität, entsteht eine Dynamik hin zu einer Ent-Koppelung der formalen Strukturen von der eigentlichen
Arbeitsebene. So ist die Arbeit von Hochschuldozenten mit deren Abbildung in
dem für die Akkreditierung benötigten Modulhandbuch nach außen hin eng, im
Innenverhältnis aber eher lose gekoppelt, ebenso wie das, was in Arztbriefen
steht, nicht unbedingt das abbildet, was mit dem Patienten im Krankenhaus
geschehen ist.
Anders als bei Weick und March wird Kopplung von den Neoinstitutionalisten dichotomisch gefasst. Wenn nur die Wahl zwischen enger oder loser
Kopplung bleibt, dann wird die Ent-Kopplung von Oberflächenstrukturen und
tatsächlichen Abläufen zum Mittel der Wahl, um die Funktionsfähigkeit nach
innen wie nach außen hin sicherzustellen. Während die formalen Strukturen die
Erwartungen der Umwelt verkörpern bzw. reflektieren, müssen die Abläufe
innerhalb der Organisation davon aktiv abgekoppelt werden, um störende
Interferenzen zu verhindern und allfällige Inkonsistenzen zu maskieren. Die enge
Ver-Kopplung von Struktur und Umwelt, wird der nötigen Ent-Kopplung von
organisatorischer Oberfläche und dem alltäglichen Betrieb gegenübergestellt.
Die Struktur wird dann zur zeremoniellen Fassade und dient als Puffer, der
verhindert, dass die Funktionsweise des eigentlichen Betriebs gestört wird.
Regeln und Strukturen bekommen einen demonstrativen Charakter. In ihrem für
die neoinstitutionalistische Position wegweisenden Artikel sprechen Meyer und
Rowan (1977) von rationalisierten Mythen und Zeremonien, die der Legitimation im betreffenden organisatorischen Feld dienen, nicht aber für das tatsäch-
28
Stephan Wolff
liche Geschehen bestimmend sind. 21 Die Ent-Kopplung hilft der Organisation,
arbeitsfähig zu bleiben und zugleich ihr Gesicht zu wahren. Dies gewinnt gerade
dann an Bedeutung, wenn die betreffende Dienstleistung wenig standardisierbar
und die Zielerfüllung mit Unwägbarkeiten belastet ist.
Tabelle 1 stellt die drei Varianten der Perspektive der losen Kopplung noch
einmal vergleichend zusammen.
Tabelle 1: Varianten der Perspektive der losen Kopplung
Theorie Protagonisten
Zentrales
Konzept
Focus auf
Prototypischer/s
Ort/Dokument
Entscheidender
Faktor
Felder
Einheiten der
Verknüpfung
Probleme
Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie March
Organisierte Anarchie
(Papierkorbmodell)
Kognitive Organisationstheorie Neoinstitutionalismus Weick
Lose Kopplung
Meyer/Rowan
Entkopplung
Entscheidung
Gremien
Protokoll
Zeitliche
Simultanität
Universität
Militär
Lösungen, Probleme,
Teilnehmer,
Gelegenheiten
(Sinn-)Struktur
Aufführung
Zielvereinbarung
Sachliche
Kohärenz
Schule
Orchester
Elemente
Ambiguität und
Unsicherheit
Ambiguität und
Unerwartbarkeit
Formalstruktur
Zertifizierung
Organigramm
Soziale
Plausibilität
Bildungswesen
Standardisierung
Struktur und
Umwelt
Legitimation und
Handlungsfähigkeit
4. Wie eng ist die Verbindung von loser Kopplung und sozialen
Dienstleistungsorganisationen?
Form und Inhalt der Theorieproduktion zur losen Kopplung entsprechen sich auf
eigentümliche Weise. Dass es 1975 tatsächlich zu dieser begrifflichen
Kristallisation kam, entsprang einer Konstellation, die sehr an das
Papierkorbmodell erinnert, und war im Grunde einem Zufall geschuldet. Dieser
21 Mythen verweisen auf faktisch nicht oder doch nur schwach substanziierte Behauptungen und
Glaubenssysteme (etwa professionelle Ideologien). Zeremonien wären periodische Bekräftigungen dieser Mythen durch symbolische Aktionen wie Akkreditierungen, Rechenschaftsberichte oder Feiern.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
29
bestand in einer zeitlichen Koinzidenz der erklärten Ambivalenzen von Leuten
mit durchaus unterschiedlichen organisationswissenschaftlichen Präferenzen und
Provenienzen, die zum selben Termin an einem Ort zusammenkamen (s.o., S.
3f.), und die in einem, zunächst eher unscharfen Begriff, nämlich ›lose
Kopplung‹, ihr gemeinsames boundary object fanden. 22 Der Begriff besaß den
zusätzlichen Vorteil, eine Lücke zu schließen, die sich auf einem ganz anderen
Feld als der organisationswissenschaftlichen Theoriebildung aufgetan hatte. Ich
spreche damit die Verbindung des Konzepts mit dem empirischen Feld der
sozialen Dienstleistungsorganisationen an.
Das Konzept der losen Kopplung war im Bewusstsein der wissenschaftlichen
Öffentlichkeit von Beginn an eng mit Erziehungsorganisationen verknüpft. Diese
seien, wie Weick schreibt, zu dieser Zeit gleichermaßen einzigartig, vernachlässigt, im Überfluss vorhanden und rätselhaft erschienen, zumal die üblichen
Unternehmensmodelle diesbezüglich quasi einen unerklärten Rest übrig gelassen
hätten. Das Konzept habe den Erziehungsorganisationen dann nicht nur eine
Beschreibungs- und Erklärungsfolie geliefert, sondern auch eine gewisse
Besonderheit und Herausgehobenheit verschafft. Weick (1976: 1) selbst hat
diese Tendenz durch seine Wahl des Aufsatztitels unterstützt, der ja nahelegt‚
dass sich Schulen und andere Erziehungsorganisationen ›simply did not behave
like industrial or commercial enterprises‹ und dass sich als entscheidendes
Unterscheidungsmerkmal eben ›lose Kopplung‹ anbietet. Ganz ähnlich
argumentierte zunächst auch March, der aufgrund seiner Untersuchungen an
Universitäten zu dem Schluss gekommen war, es handele sich dabei um
prototypische Fälle für seine Version der losen Kopplung der Elemente von
Entscheidungsprozessen. Diese theoriepolitischen Tendenzaussagen trafen sich
mit den etwa zeitgleich publizierten Bemühungen der Pioniere der Forschung zu
sozialen Dienstleistungsorganisationen wie Lipsky (1980), Prottas (1979), Pratti
(1982) und Hasenfeld (1982) um eine eigenständige Theoriebildung auf diesem
Gebiet. Bei der Entwicklung dieser Theorietradition spielte das Konzept der
22 Von Star/Griesemer (1989) stammt folgende Charakterisierung derartiger ›Grenzobjekte‹:
»Boundary objects are both plastic enough to adapt to local needs and constraints of the several
parties employing them, yet robust enough to maintain a common identity across sites. They are
weakly structured in common use, and become strongly structured in individual-site use. They
may be abstract or concrete. They have different meanings in different social worlds but their
structure is common enough to more than one world to make them recognizable means of
translation. The creation and management of boundary objects is a key in developing and
maintaining coherence across intersecting social worlds« (393) … »Their boundary nature is
reflected by the fact that they are simultaneously concrete and abstract, specific and general,
conventionalized and customized. They are often internally heterogeneous« (408).
30
Stephan Wolff
losen Kopplung (weniger das der organisierten Anarchie!) in der Folge dann
auch eine prominente Rolle. Es wurde nicht selten als Lösung für prototypische
Probleme der Organisierung sozialer Dienstleistungen offeriert und stützte damit
indirekt die These von der Besonderheit der human service organizations
(HSOs) 23 bzw. der kritischen Differenz zwischen HSOs und profitorientierten
Unternehmen.
Hasenfeld (1983: 1) definiert HSOs als »the set of organizations whose
principal function is to protect, maintain, or enhance the personal well-being of
individuals by defining, shaping, or altering their personal attributes«. 24 Soweit
in diesen Einrichtungen Menschen zugleich ›Rohmaterial‹, Produkte und
Konsumenten sind, spricht man auch von people-changing bzw. peopleprocessing organizations. HSOs besitzen darüber hinaus eine Reihe von
Eigenschaften,
die
ihrerseits
wiederum
typische
Probleme
und
Herausforderungen für deren Organisierung mit sich bringen: Sie zeichnen sich
durch eine starke Abhängigkeit von externen Ressourcen aus. Viele HSOs
befinden sich in öffentlicher Trägerschaft bzw. werden (auch) mit öffentlichen
Mitteln finanziert. Wesentliche Ressourcen werden somit durch externe Akteure
(Klienten, Aufsichtsbehörden, Interessengruppen) kontrolliert und müssen in
leicht störbaren und schwer absehbaren politischen Aushandlungsprozessen
gesichert werden. Viele HSOs sind zudem auf die Kooperation anderer
Organisationen bei ihrer Leistungserbringung angewiesen, müssen sich externen
Stakeholdern gegenüber rechtfertigen und nachweisen, dass sie den im
betreffenden Feld geltenden Standards genügen. Dies gilt insbesondere im
Hinblick auf Strukturmerkmale, Handlungstechnologien und ihre Berichts- und
Begründungsformen. Der Bedarf an wie die Erbringung von sozialen Dienstleistungen erweisen sich als schwer messbar, schon weil sie faktisch nicht
unabhängig voneinander sind, insoweit sich der Bedarf in vielen Fällen erst im
Prozess der Erbringung ermitteln lässt. Gleichzeitig sind Ressourcen im
Verhältnis zu möglichen Bedarfen grundsätzlich knapp. Typischerweise ist die
Dienstleistungserbringung von außen kaum einseh- und kontrollierbar.
Zahlreiche legale und/oder berufsethische Einschränkungen schützen die
Vertraulichkeit der Klientenbeziehung. Zur Abschottung trägt die unter
Professionellen weit verbreitete Ansicht bei, die Qualität der Leistung und die
23 Aus Platzgründen verwende im Folgenden statt ›soziale Dienstleistungsorganisation‹ das in der
englischsprachigen Literatur gängige Kürzel HSO (human service organization).
24 Als typische Beispiele für HSOs gelten Krankenhäuser, Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens, Sozialverwaltungen, Schulen, Universitäten, Kindergärten und Einrichtungen der
Kinderpflege, Polizei, Gefängnisse, Gerichte sowie verwandte Einrichtungen.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
31
gegenseitige Vertrauensbeziehung nähmen Schaden, würden Dritte als
Beobachter zugelassen. Nicht zuletzt aus diesem Grund fehlt es oft an
verlässlichen und validen Kriterien für die Beurteilung der Leistungserbringung.
Der Versuch unmittelbarer Beobachtung der Klientenkontakte wird von den
Beschäftigten als Übergriff, ja als ernster und unziemlicher Angriff auf die
eigene ›Privatsphäre‹ gewertet und entsprechend beantwortet. 25 Die
Durchgriffsmacht der Leitung, also ihre Amtsautorität, ist vergleichsweise
begrenzt. In HSOs arbeiten in der Regel mehrere Berufsgruppen und
Professionen zusammen, die jeweils eigene Organisationskulturen entwickeln
und zueinender in vielfältigen Kooperations-, aber auch Konkurrenzbeziehungen
stehen. Die Ziele der verschiedenen Mitspieler sind vielfältig, oft mehrdeutig
und nicht selten in sich widersprüchlich, d.h. sie lassen sich nur fiktiv auf den
offiziellen Organisationszweck reduzieren. Sprichwörtlich für HSOs ist der
unausrottbare Konflikt zwischen dem Dienstleistungsbereich und den
Verwaltungs- und Unterstützungsabteilungen, der in den einschlägigen Theorien,
professionellen Selbstbeschreibungen und Kantinengesprächen seit jeher
liebevoll gepflegt wird. 26
Die genannten Merkmale weisen alle in dieselbe Richtung: Gemeinsam
erschweren sie die Fähigkeit einer Organisation, eng verkoppelte
Arbeitsarrangements zu entwickeln, Standard Operation Procedures einzusetzen
und routinemäßig zu handhaben, eindeutige Evaluationen vorzunehmen und
ihnen Konsequenzen folgen zu lassen, Überwachungs- und Qualitätssicherungsinstrumente einzusetzen und hierarchische Kontrollen zu etablieren.
Insofern ist es nicht überraschend, wenn man hier überwiegend Organisationen
findet, die lose strukturiert sind. Die Geschlossenheit der Organisation und die
Minimierung der Widersprüche zwischen den verschiedenen Zielen »are
achieved precisely through the loose coupling of the various internal work units«
(Hasenfeld 1983, S. 152), wobei lose Kopplung sowohl vertikal – im Hinblick
auf die Autoritätsstruktur –, wie auch horizontal – im Hinblick auf das Verhältnis
der Arbeitseinheiten und das der Beschäftigten untereinander – konstatiert wird.
Das folgende Schema gibt den Stand der Diskussion um HSOs und ihr
25
Aus interaktionistischer wie aus professionstheoretischer Sicht fällt auf, dass die Theorien
sozialer Dienstleistungsorganisationen dazu neigen, die Abhängigkeit der Dienstleistung von der
Koproduktion oder wenigstens der compliance der Klienten herunterspielen.
26 Die Gegensatzpaare (oder Gegensatztrios) variieren bereichsspezifisch: in der Sozialverwaltung:
Innen–Außendienst; im Verein: Ehrenamtliche–Hauptamtliche, in Universitäten: Professorenschaft–Verwaltung; in Schulen: Lehrerschaft–Ministerium; im Krankenhaus: Ärzte–Pflege–
Verwaltung; im Gefängnis: Vollzugsdienst–Funktionsdienst. Diesen Aspekt von HSOs betont
insbesondere die sog. domain-theory (Kouzes/Mico 1979).
32
Stephan Wolff
Verhältnis zur Perspektive der losen Kopplung gegen Ende der 1970er-Jahre
wieder. Man erkennt dabei zum einen eine klare Gegenüberstellung von HSOs
und Geschäfts- bzw. Industrieunternehmen, sodann eine Identifizierung von
HSOs bzw. der präferierten Form ihrer Organisierung mit loser Kopplung und
schließlich eine eindeutige Kontrastierung von loser mit enger Kopplung.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
33
Dimension
Human Service
Organisations
Business/Industrial
Organisations
Primary motive
Service
Profit
Primary beneficiaries
Clients
Owners
Primary resource base
Public taxes
Private capital
Goals
Relatively ambiguous and
problemetic
Relatively clear and explicit
Psychological orientation of
workforce
Professional
Instrumental
Transformation processes
Staff-client interactions
Employee-product
interactions
Connectedness of events
and units
Loosely coupled
Tightly coupled
Means-end relation
Relatively indeterminant
Relatively determinant
Outputs
Relatively unclear and
intangible
Relatively clear and
tangible
Measures of performance
Qualitative
Quantitative
Primary environmental
influences
The political and and
professional communities>
The industry and suppliers
Abbildung 2: Stand der Diskussion um HSOs und ihr Verhältnis zur Perspektive der losen Kopplung
gegen Ende der 1970er-Jahre
Quelle: Kouzes/Mico 1979: 454.
Die Logik dieser Argumentation ist ebenso plausibel wie irreführend: Plausibel,
weil sie von einer Eigentümlichkeit sozialer Dienstleistung kurzschlüssig auf
eine ›Organisationsschwäche‹ schließt. Wenn lose Kopplung als Lockerheit
interpretiert und Lockerheit mit Ineffektivität identifiziert wird, liegt natürlich
der Vorschlag nahe, diese Defizite durch konsequentes Gegensteuern in die
andere Richtung zu beheben, d.h. hin zu engerer Vernetzung von Diensten und
Bearbeitern,
zu
klareren
Produktdefinitionen,
zu
konsequenterer
Leistungskontrolle, zu strikt evidenzbasiertem Vorgehen und verstärkter
Übernahme von in der Privatwirtschaft bewährten Managementformen. Eine
solche Argumentation findet sich typischerweise bei den diversen Protagonisten
34
Stephan Wolff
der Modernisierung des Wohfahrtsstaats, wenn sie für Strategien wie das Neue
Steuerungsmodell, das Neue Kommunale Finanzmanagement, das (Total)
Quality Management, den Bolognaprozess oder die Fallpauschalen werben. Aus
der Perspektive der losen Kopplung wäre diese Argumentation aber zugleich
irreführend, insoweit sie den Kopplungsaspekt der losen Kopplung übersieht und
somit die besondere Rationalität und Leistungsfähigkeit lose gekoppelter
Systeme ebenso verfehlen muss wie die Schwächen der neuen
Kopplungsstrategien.
So wird man beispielsweise aus der Perspektive der losen Kopplung das
Qualitätsmanagement differenziert beurteilen müssen. Qualität ist unter
Kopplungsgesichtspunkten einerseits »a story that holds events together in a
plausible manner and allows self-fulfilling prophecies to be mobilized in ways
that enact structure. What keeps this from being solipsistic is that others are
doing the same thing, at the same time, around conflicting interests, often with
more resources« (Weick 2000: 163). Allerdings ist diese Kopplungswirkung in
problematischer Weise überzogen, wenn Qualitätsmanagement mit dem Attribut
›Total‹ versehen wird, weil dadurch ein klarer Endpunkt festgelegt wird. Man
determiniert einen offenen Lernprozess mit etwas, was künstlich statisch ist (die
vermeintlich ›totale‹ Qualität). Total Quality Management präferiert Strukturen
zuungunsten von Prozessen. Der damit zumindest implizit erhobene Anspruch
einer Organisationsreform »total aus einem Guss« verführt zu enger
Verkopplung
von
Maßnahmen
und
Prozessen,
vervielfacht
Schnittstellenprobleme, erschwert retrospektive Sinnstiftung und steigert damit
die Wahrscheinlichkeit von Rationalitätsbrüchen, Heuchelei und entsprechenden
Zynismen.
Das Besondere der HSOs ist jedoch nicht ihre mangelnde Rationalität,
sondern ihre vielfältige Widersprüchlichkeit: 27 Sie sind, so Weick, zugleich
helfend und hilflos, sich verausgabend bzw. selbstausbeuterisch und teuer,
selbstlos und beherrschend, einschränkend und entwickelnd; die Arbeit in ihnen
wird als Berufung empfunden und gleichzeitig löst sie burn out aus.
Entsprechend beruht die Leistungsfähigkeit des Konzepts der losen Kopplung im
Zulassen zweier scheinbar unvereinbarer Sachverhalte: von Rationalität und
Unbestimmtheit in demselben System. Es beschreibt nicht nur das ›Lose‹ der
Kopplung (was viele unter negativem Vorzeichen schon getan haben). Es erklärt,
wie und warum derartige Organisationen trotz einer auf den ersten Blick
ineffektiven und ineffizienten Struktur ihre Aufgaben erfüllen können, ja mehr
27 Weick (1976: 4) spricht von ›erratic organizing‹.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
35
noch, es zeigt, warum dies unter den gegebenen Umstanden ein durchaus
effektiver und effizienter Weg der Aufgabenerfüllung sein kann. Wie das
Beispiel der Erziehungsorganisationen belegt, können diese sehr wohl ohne
vertikale Planungs- und Kontrollstrukturen funktionierten; selbst wenn diese –
etwa infolge der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen – installiert
sind, wird nur eine beschränkte Varianz dessen, was in solchen Organisationen
passiert, damit zu erklären sein. Andererseits zeigen die post-bürokratischen
Organisationen der öffentlichen Verwaltung durchaus auch Züge von
›organisierten Anarchien‹, und dies relativ unabhängig von ihrer besonderen
Ausrichtung und ihrem Alter (Sproull et al. 1978: 5). Dies trifft nicht nur auf
klassische soziale Dienstleistungsorganisationen, sondern auf eine Vielzahl
anderer Einrichtungen zu: auf politische Organisationen bis hinauf zu Kabinetten
(vgl. Padgett 1980; Zahariadis 1999, 2003), auf den Bereich der
Entscheidungsfindung in der Außenpolitik (vgl. Newmann 1998), auf
militärische Organisationen und Operationen (vgl. March/ Weissinger-Baylon
1986), auf Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens (vgl. Clarke 1989)
oder auf den Organisationen der politischen Öffentlichkeit (Kingdon 1995).
5. Implikationen
5.1 Organisation als Herstellung
Wer die Protagonisten der Perspektive der Losen Kopplung nach ihrem
›Organisationsverständnis‹ fragt, erntet für gewöhnlich Achselzucken und
Zeichen der Unlust. March und Weick sind sich einig, dass man ganz gut ohne
den Organisationsbegriff auskommen könnte. Es lohne sich kaum und sei zudem
nicht aussichtsreich, nach Organisationen zu suchen:
»Das Wort Organisation ist ein Substantiv, und es ist außerdem ein
Mythos. Wenn Sie nach einer Organisation suchen, werden Sie sie nicht
finden. Was Sie finden werden, ist, dass miteinander verbundene Ereignisse vorliegen, die durch Betonwände hindurchsickern; und diese Sequenzen, ihre Pfade und ihre zeitliche Ordnung sind die Formen, die wir
fälschlich in Inhalte verwandeln, wenn wir von Organisationen reden.
Ebenso wie die Haut eine irreführende Grenze für die Markierung des
Punktes ist, wo eine Person aufhört und die Umwelt anfängt, sind es auch
die Wände einer Organisation. Die Ereignisse innerhalb von Organisationen und Organismen sind in Kausalkreise eingebunden, die über diese
künstlichen Grenzen hinausreichen« (Weick 1985: 129).
36
Stephan Wolff
Da der Fokus auf dem sozialen Handeln von Individuen unter Bedingungen von
Unsicherheit und Ambiguität liegt, wird Organisation hier in ihrem Vollzug und
im Hinblick auf ihre interaktive bzw. kollektive Herstellung thematisiert. Es ist
eher der ›Prozess des Organisierens‹, um den es diesen Organisationswissenschaftlern zu tun ist. Die Konzepte der Losen Kopplung und der organisierten
Anarchie implizieren schon wegen ihrer paradoxen Struktur Prozesse, Sequenzen, Geschichte, Momente, Gleichzeitigkeiten, Unterbrechungen, d.h. Zeit!
Weick spricht davon, die Organisation sei nichts Anderes als ein Aneinanderreihen und Verknüpfen von Interaktionen, ein Zusammenspiel von
unterschiedlichen Prozessen, aus denen schließlich habitualisierte Routinen und
Netzwerke von Handlungen hervorgehen. Auch March betont immer wieder die
Wichtigkeit des Prozessgedankens: Organisationen sind für ihn Systeme
koordinierter Handlungen zwischen Individuen und Gruppen, die sich in
Präferenzen, Information, Interessen und Wissen unterscheiden. ›Organisation‹
stellt so gesehen gleichsam ihr eigenes Produkt dar, das in stetigem Vollzug in
situ produziert und reproduziert wird. Sie ist keine feste Einheit, weil, immer
wenn ihre Mitglieder wieder zusammenkommen, sie eine leicht veränderte
Organisation herstellen und vorfinden. Gerade aus der Perspektive der losen
Kopplung richtet man sein Augenmerk darauf, wie die Menschen in ihrem täglichen Handeln das Organisieren bewerkstelligen und wie es ihnen (zumindest
zeitweise) gelingt, die Illusion einer eigenständigen, abgrenzbaren und
kohärenten Einheit ›Organisation‹ zu erzeugen. Von daher lässt sich aus der
Perspektive der losen Kopplung keine Präferenz für einen bestimmten
Organisationstyp herauslesen, schon gar keine grundsätzliche Unterscheidung
nach dem Muster Profit- versus Non-Profit-Organisationen oder HSO versus alle
anderen. Auch Weick war in der Folgezeit stets bestrebt, die Vorstellung von
loser Kopplung für möglichst viele Phänomene und Organisationen
offenzuhalten (Weick 1979, 1987; Orton/Weick 1990; Weick/ Roberts 1993).
Mit der Veränderung des Organisations- geht ein anderes Rationalitätsverständnis einher. Die rationalistischen Theorien sehen die Rationalität in
Strukturen verwirklicht, die Ziele umsetzen, in Kontrollen, die sie absichern, in
Technologien, die gestatten, verlässlich bestimmte Produkte zu erstellen und in
Personen, die konsequent ihren Nutzen mehren. Aus der Perspektive der losen
Kopplung entspricht Rationalität aber nicht der konsequenten Übernahme und
Umsetzung eines bestimmten Rationalitätsmodells. Rationalität als Prozess zu
verstehen, heißt in den Blick zu nehmen, wie Organisationen sich abmühen,
unter grundsätzlich defizitären Bedingungen möglichst intelligent zu verhalten
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
37
(the Pursuit of Organizational Intelligence). Dabei mag es gelegentlich durchaus
zu Entscheidungen nach dem klassischen Rationalitätsmuster kommen. Viel
wahrscheinlicher aber ist, dass Entscheidungen in solchen Papierkorbsituationen
keine oder andere oder neue Probleme lösen. Marchs Vorstellung organisatorischer Intelligenz bezieht sich deshalb nicht auf einen Versuch der ›Verbesserung‹ eingeschränkter Rationalität. Statt dessen richtet sie sich auf eine
Erweiterung und Prozessualisierung des Rationalitätsbegriffes selbst – bis zum
logischen Endpunkt einer Ent-Kopplung von individueller und organisatorischen
Rationalität bzw. einer rein politischen Festlegung dessen, was ›Rationalität‹ im
konkreten Fall bedeuten soll. Statt auf Rationalität setzt er (wie Weick) den
Akzent auf Lernfähigkeit, die ihrerseits die Fähigkeit einschließt, immer auch die
Kurzsichtigkeit des Lernens in Erwägung und daraus gegebenenfalls entsprechende Konsequenzen zu ziehen (Levinthal/ March 1993). Ein nicht unwesentliches Element intelligenten Entscheidens unter Bedingungen von Ambiguität
wird neben der Kombination rationaler 28 ›Logik der Konsequenz‹ und nichtrationaler ›Logik der Angemessenheit‹ der Einbau spielerischer Elemente bei der
Organisierung organisatorischer Entscheidungsprozesse. March hat hierfür den
wunderbar paradoxen Begriff der ›Technologie der Verrücktheit‹ geprägt. Hierzu
gehören: das Vertrauen auf Intuition, die zeitweise Akzeptanz von Unsicherheiten, der spielerische Umgang mit Inkonsistenzen oder die auf dem Hintergrund des jeweiligen Anspruchsniveaus und der verfügbaren organisatorischen ›Überschüsse‹ (slack) immer wieder neu zu justierende Balance zwischen
neugierigem Erspüren (exploration) neuer Optionen und dem gewissenhaften
Ausbeuten alter Lerngewinne (exploitation). »Individuals and organizations need
ways of doing things for which they have no good reason. Not always. Not
usually. But sometimes. They need to act before they think« (March 1976: 75).
Noch stärker als March betont Weick die Orientierungs- und Legitimationsfunktion von Rationalität. Rationalität ist aus seinem Blickwinkel betrachtet eine
besondere Form des sensemaking, der typischerweise aus der Rückschau erfolgenden interpretativen Verdichtung zunächst lose gekoppelter Beziehungen
zwischen Handlungen, Intentionen, Motiven und Ergebnissen. Solchermaßen
hergestellte ›Rationalität‹ liefert Gründe, die man den Handlungen unterstellen
kann, sodass sie für andere nachvollziehbar, verständlich, sinnvoll und akzeptabel werden – Gründe, die es ermöglichen, im konkreten Fall einer Person oder
Organisation agency zuzubilligen oder sie und ihr Tun als bloße Auswirkungen
von structure abzutun. Auffälligerweise handeln gerade Experten nicht nach dem
28 ›Rational‹ hier im klassischen Sinne gemeint!
38
Stephan Wolff
rationalen Modell, obwohl ›Rationalität‹ ein wichtiger Bezugpunkt ihrer
Rhetorik darstellt.
»Insofern liefert sie keine wirkliche Handlungsanleitung; sie ist vielmehr
eine Rhetorik, die man verwendet, um sich und sein Handeln auf eine
bestimmte, für andere leicht verständliche Weise zu präsentieren, obwohl
man bei den kleinsten Umweltveränderungen und Problemverschiebungen
eigentlich willkürlich, zufallsabhängig, launisch, opportunistisch oder wie
auch immer agiert. Ich finde es spannend zu beobachten, wie sich
Menschen mit der Rhetorik der Rationalität Freiräume schaffen, und
trotzdem vertrauenswürdig genug erscheinen, so dass man sie nicht bestraft
oder ihnen auch nicht die Ressourcen entzieht« (Weick 2001: 125).
5.1 Führung in organisierten Anarchien
Das Management lose verkoppelter Systeme ist wegen der größeren Selbststeuerungsfähigkeit der Untereinheiten einerseits leichter, andererseits schwieriger als in anderen Organisationsformen. Wer einer organisierten Anarchie vorsteht, hütet gleichsam einen Flohzirkus (allerdings einen mit z.T. höchst reflexiv
handelnden Flöhen!). Lose Kopplung räumt organisatorischen Untereinheiten
erhebliches Ermessen im Handlungs- wie im kognitiven Bereich ein, das sie
ohne direktes Monitoring der Leitung auszuüben vermögen. Sie können sich
Informationen beschaffen und daraus ein eigenständiges Verständnis der
Situation entwickeln und ihrem Tun zugrunde legen. Lose Kopplung verlangt
hingegen, dass sich das Ermessen durch angemessene Maßnahmen der Führung
noch im Blick behalten und ggf. justieren lässt. Damit lose Kopplung ihr ganzes
Potenzial entfaltet, müssen also ›Ordnung stiftende‹ Kompensationsmechanismen vorhanden sein. Orton und Weick (1990: 212ff.) beschreiben drei solche
Mechanismen: die Ausrichtung der organisatorischen Aufmerksamkeit auf bestimmte Zielstellungen, Maßnahmen oder Grundannahmen; die Erarbeitung,
Bestätigung und zeremonielle Bekräftigung gemeinsamer Werte; und schließlich
als dritten und in gewisser Weise übergreifenden Kompensationsmechanismus
eine ›gesteigerte‹ Form von Führung (enhanced leadership). Es würde nun den
Einsichten in die Funktionsweise von loser Kopplung zuwider laufen, wollte
man ›gesteigert‹ mit stärker im Sinne von vereinheitlichend, bestimmend und
durchgreifend gleichsetzen. Lose gekoppelte Systeme und organisierte
Anarchien können ja aufgrund der in ihnen herrschenden fundamentalen
Unklarheiten typischerweise nicht auf eindeutige Ziele, starke Machtzentren,
anerkannte Technologien oder einheitliche Situationsdefinitionen zurück greifen.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
39
Dieser Umstand reduziert die Eindeutigkeit von Kommunikationen, schränkt die
Möglichkeiten ein, direkt Einfluss zu nehmen, verzögert oder verfälscht
Feedbacks und macht die Zuschreibung von Verantwortlichkeiten, aber auch von
(Miss-)Erfolgen problematisch. Es liegt somit in der Natur der Sache, dass lose
gekoppelte Systeme schwerer als andere zu führen sind und dass hierzu
besondere, d.h. über das klassische Führungsverständnis hinausgehende, diesem
sogar zuwider laufende Strategien erforderlich sind.
Kluges Führungsverhalten in organisierten Anarchien bedeutet angesichts
dessen zunächst, sich von der heroischen Version der Handlungswirkung zu
verabschieden. Post-heroisches Management (Baecker 1994) widersteht der Versuchung, sich selbst zu überschätzen, insbesondere, was langfristige und nachhaltige Wirkungen des eigenen Tuns betrifft. Dabei mag die Einsicht beruhigen,
dass die meisten Themen sowieso wenig dauerhaft und herausragend sind und
dass Organisationen sich grundsätzlich durch eine gewisse Unbeweglichkeit,
sowohl in aktiver wie in passiver Hinsicht auszeichnen. Fast jede Entscheidung
kann zum Papierkorb für jedes Problem werden. Angesichts begrenzter Kapazitäten sind organisatorische Kommunikations- und Entscheidungssysteme eigentlich ständig überlastet, verfügen aber gleichzeitig nur über eine notorisch dünne
Informationsbasis (vgl. Sutcliffe/Weick 2008). Nicht nur stehen für eine direkte
Steuerung die klassischen Beeinflussungs- und Kontrollmechanismen lediglich
in beschränktem Maße zur Verfügung. Auch die Möglichkeiten, solchen Steuerungsversuchen Widerstand entgegenzusetzen oder sie schlicht ins Leere laufen
zu lassen, sind vielfältig. Energische Steuerungsversuche können angesichts dessen geradezu gegenteilige als die erhofften Resultate zeitigen. Führung
funktioniert in lose gekoppelten Organisationen tendenziell eher diffus und
unfokussiert. Insofern liegt es nahe, zwischen Versuchen zu seiner Lenkung und
solchen zur Pflege des Systems zu unterscheiden.
Die Pflege des Systems bezieht sich zunächst darauf, es trotz aller Inkonsistenzen, Interessengegensätze, Auffassungsunterschiede und Schnittstellen
arbeitsfähig zu halten, d.h. Konflikt einzugrenzen, Konsistenzanforderungen
richtig zu kalibrieren und genügend Grenzobjekte vorzusehen, auf die sich alle
Seiten beziehen können, ohne in ihren jeweiligen Perspektiven völlig übereinstimmen zu müssen. Führungspersonen reüssieren hier (ich beziehe mich im
Folgenden exemplarisch auf Führungsprobleme in Hochschulen!)
paradoxerweise dann am ehesten, wenn sie keine eigene Strategie verfolgen oder
doch zumindest so wahrgenommen werden. In lose gekoppelten Systemen wird
die formale Fairness der Abwicklung zu einem wichtigen Merkmal der
Führungsfähigkeit.
40
Stephan Wolff
Ein klassisches Beispiel sind Sparrunden, die überwiegend (wenngleich mit
abnehmender Tendenz) nach dem ›Rasenmäherprinzip‹ vorgenommen werden.
Ein solches Vorgehen vermeidet eine sachliche Stellungnahme über die Bedeutung von Partialinteressen und die Gewichtigkeit ihrer Vertreter. Die fortgeschrittene Variante wäre der Rückgriff auf im Feld schon institutionalisierte
Leistungsindikatoren (wie die für die Hochschulfinanzierung maßgeblichen
Indikatoren: Drittmittel, Promotionszahlen und Studierende in der Regelstudienzeit), die dann bis auf die Ebene einzelner Institute ›heruntergebrochen‹ werden.
Versuche, von solchen Verteilungsprinzipien abzuweichen, haben die Tradition,
Gewohnheitsrechte und institutionelle Übereinkünfte gegen sich und verlangen
daher erheblichen Begründungsaufwand. Ob eine gegebene Begründung im
Einzelfall ausreicht, wird der geschickte Rektor/Präsident – auch wenn ihm das
jeweilige Hochschulgesetz die Macht dazu gibt – nicht immer selbst entscheiden
wollen, sondern die Materie stattdessen vielleicht eher in eine Kommission des
Senats oder der Dekane unter Vorgabe eines fixen Mittelvolumens und eines
Termins für deren Vorschlag weiterreichen.
Eine weitere unaufwendige Form der Pflege des Systems besteht darin, sich
auf die Kontrolle wichtiger Kennwerte zu beschränken und sicherzustellen, dass
diese sich nicht aus einer definierten zone of safety (Hirschhorn 1994) herausbewegen. Diese Sicherheitszone bezieht sich zum einen auf die Pflege der mikround makropolitischen Landschaft, zum anderen die Verhinderung starker positiver Rückkopplungen, welche die einzelnen Teile der Organisation sich allzu
unterschiedlich entwickeln lassen und damit ihre Kohäsionskräfte überfordern
könnten. So sollten Universitätsleitungen ein signifikantes Auseinanderdriften
von Fachbereichen verhindern, aber auch ein wachsames Auge auf die diversen
hochschulpolischen Stakeholder und Konkurrenten haben, um kommende
Bedrohungen besser antizipieren zu können. Wenn es gilt, einen Zustand jenseits
der jetzigen Sicherheitszone anzuvisieren, sollte es der Führung gelingen, die
Organisation selbst in einen Prozess der Erarbeitung positiver oder negativer
Entwicklungsszenarios zu locken bzw. zu nötigen. Gerade die dosierte Vielfalt
der Szenarien bietet die Möglichkeit, die Spannungen in einem lose gekoppelten
System gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen, zu kanalisieren und positiv zu
nutzen. Eine aktuell beliebte Strategie von Hochschulleitungen besteht in der
Lancierung von strategischen Themen oder Agenden für die zukünftige
Entwicklung (unter Titeln wie »Minerva 2020« u.ä.), bei denen möglichst in sich
bereits enger gekoppelte Einheiten (wie Fakultäten oder Fachbereiche) Forschungspläne aufstellen müssen. Wichtig ist, dass jede dieser Einheiten sich dazu
verpflichten lässt, weil dies Bindungskräfte nach innen auslöst, die Hoch-
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
41
schulleitung sich also nicht mehr um die Mitmachbereitschaft einzelner Institute
kümmern muss und sich ganz auf die Setzung und Kontrolle von Terminen,
einzuhaltenden Formaten und gemeinsam zu adressierender Kennwerte beschränken kann. Die diversen Exzellenzinitiativen, Akkreditierungen, Evaluationen, Qualitätsoffensiven oder Leitbildprozesse wirken in dieselbe Richtung: sie
halten das System in Bewegung und lösen evolutionäre Dynamiken aus, denen
sich nur wenige entziehen können.
Überhaupt scheint ›den Betrieb in Bewegung halten‹ sich als Grundmaxime
erfolgreicher Führung in organisierten Anarchien zu eignen. Die Menge an
Aktivitäten sollte eher hoch, die Größe, Reichweite und Zielgenauigkeit der
Maßnahmen kann demgegenüber durchaus eher gering ausfallen. Nicht Organisationsentwicklung im Sinne episodischer Maßnahmen, kräftezehrender Projekte
und gut gemeinter Steuerungsimpulse, sondern die sorgfältige Begleitung kontinuierlicher Veränderungsprozesse steht im Vordergrund. Erfolgreiche Führung
lose gekoppelter Systeme bedeutet im Kern, deren Eigendynamik zu nutzen und
ggf. bereits laufende Anpassungsprozesse im Hinblick auf gerade anstehende
innere und äußere Erfordernisse zu reorientieren:
»… the administrator has to start projects earlier, start more projects, start
projects with greater variety of places, talk more frequently about those
projects that have been started and articulate a general direction in terms of
which individual members of the system can make their own
improvisations« (Weick 1982: 675).
Ein weiteres Merkmal des sensiblen Managements lose gekoppelter Systeme
besteht darin, dass es hier weniger um das Knüpfen von neuen Verbindungen
oder gar um die Kappung alter geht, sondern um die Bestätigung und Stärkung
existierender Verbindungen bzw. die Bereitstellung von förderlicher
Infrastruktur zur Generierung von Querverbindungen innerhalb des bestehenden
Apparats. Auf der Agenda von Hochschulleitungen stehen daher
Anreizprogramme für solche Projekte, Forschungsthemen, Tagungen, Kollegs
und Organisationseinheiten, die Grenzen von bestehenden Instituten, Disziplinen
und Einrichtungen überschreiten, die Erleichterung von MehrfachMitgliedschaften oder auch die infrastrukturelle Förderung von sich bildenden
Netzwerken, sog. Communities of practice bzw. communities of interest (Wenger
et al. 2002).
Die in lose gekoppelten Systemen vorherrschenden ›schwachen Situationen‹
lassen ›Persönlichkeiten‹ (ggf. in Verbindung mit einem durch die Organisation
42
Stephan Wolff
mitgeprägten beruflich-professionellen Habitus) eine vergleichsweise große
Bedeutung für die Strukturbildung zukommen. 29 Eine Möglichkeit dazu besteht
in der Führungsperson selbst, die in lose gekoppelten Systemen tunlichst nicht
nur im Büro sitzt, sondern umhergeht, Foren, Klausurtagungen und Treffpunkte,
also zeitliche und räumliche Vorwände und Kristallisationspunkte für
Kommunikation schafft und so selbst als Verknüpfungselement erlebbar wird (s.
Mezias 2003). Selbstverständlich spielt die Pflege der Organisationskultur und
des Ethos einer Organisation, also ihrer spezifischen Stimmungslage, eine
wichtige Rolle als ›Kleber‹ (glue), der hilft, einen in vielerlei Hinsicht disparaten
Laden zusammenzuhalten. Nicht zufällig besinnen sich selbst die diesbezüglich
lange abstinenten Hochschulleitungen zunehmend auf die Bedeutung des
symbolischen Managements, investieren in corporate design, richten
akademische und auch weniger akademische Feiern aus, halten Ansprachen und
geben Interviews, erfinden neue oder aktivieren vergessene Formen der
Auszeichnung
und
Ehrung,
installieren
Spezialisten
für
Unternehmenskommunikation, geben Hochglanzmagazine heraus und lassen
sich bei gesellschaftlichen Ereignissen sehen. Die Wirkung von Führung in lose
gekoppelten Systemen beruht ganz zentral auf ihrer Fähigkeit, das
organisatorische sensemaking zu unterstützen, was nicht zuletzt durch die
Konstruktion neuer und Elaborierung alter Geschichten der Organisation als
Ganzer oder wichtiger ihrer Projekte geschehen kann. Die retrospektive
Sinnstiftung wird durch die Offerierung von denkbaren Zukünften unterstützt,
wie sie in Visionen, Leitbildern und strategischen Ausrichtungen zum Ausdruck
gebracht werden können. 30
Die Aufgabe der Führung besteht aber nicht nur auf der Seite der Kopplung
des Losen, sondern auch auf der Seite des Lösens der Kopplung bzw. der Stabilisierung des gewünschten Grades an loser Kopplung. Dies kann einerseits
dadurch geschehen, dass man Gekoppeltheit erhöhende Maßnahmen zurück29 Kupers (2002) Untersuchungen in integrierten Gesamtschulen ergeben, dass solche
professionellen Einrichtungen mit hoher Komplexität von einer gleichmäßigen Kombination von
starker Leitung, ausgeprägter Kollegialität und wahrgenommener individueller Verantwortung.
profitieren. Schwache Kollegialität und Verantwortungsübernahme kann durch starke Leitung
allein aber nicht kompensiert werden.
30 Die Bereitschaft, organisatorische Sachverhalte als Ausdruck von ›Führung‹ oder als Einbruch
des Schicksals zu verstehen, steigt in Situationen, die als Krise, Unsicherheit und Unterbrechung
erlebt werden, also dann, wenn sich schlagartig der wahrgenommene Kopplungsgrad der Welt
verändert. Da sich diese Bereitschaft bei Veränderungen in die positive wie in die negative
Richtung hin einstellt, besteht die Kunst der Leitung darin, die allfälligen Attributionen
entsprechend zu beeinflussen.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
43
nimmt, indem man liebgewonnene Geschichten, Selbstverständlichkeiten und
Ursachenkarten (cause maps) zu diskreditieren versucht. Das kann allerdings ein
gefährliches Unterfangen sein, weil dadurch alle möglichen Widerstände
geweckt werden, gerade wenn sich die Führungspersonen diesbezüglich
eindeutig positionieren. Andererseits lassen sich durch geschickt gesetzte
Irritationen Prozesse in Gang bringen, die alten Kopplungen gleichsam den
Boden entziehen, ohne die Richtung und Intensität des Neuen gleich schon
festzuschreiben.
Will man z.B. als ein für einen Studiengang verantwortliches Institut seinen
AbsolventInnen neue Beschäftigungsfelder eröffnen und zudem den geografischen Einzugsbereich in einem schwer durchschaubaren Markt erweitern, dann
könnte man auf die Idee kommen, die erforderlichen Praktika einerseits zu
verlängern (etwa auf sechs Monate) und zugleich die Vermittlungstätigkeiten des
Praktikumsbüros bewusst einzuschränken. Die Löschung des organisatorischen
Gedächtnisses würde die Suche nach neuen Adressen über den bisherigen,
tendenziell eher ortsnahen Bestand hinaus durch die Studierenden selbst nötig
machen. Die locker gekoppelten einzelnen Studierenden dürften auf der Suche
nach neuen Nischen der Beschäftigung erfolgreicher sein als das eng vernetzte
und wenig zahlreiche hauptamtliche Personal, das hauptsächlich seine alten
Kontakte wiederbelebt. Zudem induziert die sechsmonatige Praktikumszeit eine
engere Kopplung von Praktikant und Stelle (weil diese mehr in die Betreuung
investieren, von einem Halbjahrespraktikanten aber auch größeren Nutzen
haben), was für die spätere Einmündung in den Beruf von Vorteil ist (vgl. Wolff
2004).
Gerade weil soziale Dienstleistungsorganisationen übersät sind mit Gremien,
Projektgruppen, Teams, Kollegialorganen, dort also eine Vielzahl von Papierkörben herumsteht, ist es für Führungspersonen wichtig zu wissen, welche Strategien in einer solchen Umgebung Erfolg versprechen. Cohen und March verdanken wir eine Liste von acht nützlichen und anregenden Empfehlungen für das
erfolgreiche Bestehen in derartigen Situationen. 31 Dort gilt es:
31 Die Empfehlungen richten sich an jene, die pragmatisch mit solchen Situationen umzugehen
versuchen. Man kann, wie March (1994) ausführt, den Papierkörben auch als Reformer gegenübertreten, d.h., sie zu verbannen oder so umzustrukturieren trachten, bis sie in das rationale
Muster passen. Dies würde aber unweigerlich auf Kosten der Komplexität von Problemsicht und
Problemlösung gehen. March hat als dritte Gruppe noch die Enthusiasten im Blick. Darunter
subsumiert er jene, die Papierkorbentscheidungen um ihrer selbst willen schätzen. Eine solche
Haltung ist für wissenschaftliche oder andere Beobachter sicherlich leichter einzunehmen als für
die beteiligten Führungspersonen. Daher dürften letztere in der Regel eher zu den Pragmatikern
gehören.
44
Stephan Wolff
• Zeit zu investieren (was sich durch bessere Informiertheit, durch Dankbarkeit vonseiten der Zeitknappen und durch Wartenkönnen auf den richtigen Zeitpunkt auszahlt)
• Auszuharren (weil Themen nicht ein für alle Mal erledigt werden und Vorschläge oft ihre Zeit brauchen, bis sie abstimmungsreif und akzeptabel
sind)
• Status gegen Substanz zu tauschen (weil für manche Teilnehmer das bloße
Dabei-Sein und andere Statusfragen wichtiger sind als die eigentlichen
Inhalte, sind sie für entsprechenden Tauschgeschäften zugänglich)
• Gegnern die Teilnahme zu ermöglichen (weil Entscheidungsprozesse eine
Eigendynamik entwickeln und Personen in Verfahrensrollen einbinden,
haben sie auch erzieherische und das Anspruchsniveau senkende Effekte.
Gegner mit wenig Zeit ziehen sich oft zurück, nachdem sie die Implikationen der tatsächlichen Teilnahme realisiert haben)
• Das System zu überladen (wer viele Projekte einbringt, dem können kaum
alle abgelehnt werden; man sollte sein Herz nicht zu sehr an ein bestimmtes
Projekt hängen, sondern sich darüber freuen, dass überhaupt etwas weiter
geht)
• Papierkörbe in größerer Zahl bereitzustellen (weil dies ermöglicht, irrelevante, unbequeme oder hartnäckige Probleme und ihre Vertreter
abzulenken oder auf unschädliche Stellen abzuschieben)
• Unauffällig zu managen (weil direkte Konfrontation Energie kostet bzw.
bei anderen mobilisiert, empfehlen sich kleine, indirekt wirkende Interventionen wie die Festsetzung von Berichtspflichten, Formaten, Terminen,
Kennwerten, die Einberufung von adhoc-Kommissionen usw.)
• An der offiziellen Geschichte zu arbeiten (wer die Geschichte der Organisation fixieren kann, etwa in offiziellen Protokollen, der bringt nicht nur
Ordnung in das anarchische Gewirr von Interpretationen, der beeinflusst
auch mögliche Zukünfte – nicht zuletzt über die Sozialisation damit
instruierter neuer Mitglieder).
Insgesamt laufen diese Empfehlungen und das, was wir oben hinsichtlich der
Optionen von Führung in lose gekoppelten Systemen herausgearbeitet haben, auf
ein Führungsverständnis hinaus, das James March an der Metapher des Segelns
veranschaulicht:
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
45
»Es gibt drei Möglichkeiten, sich Management vorzustellen. Sie können es
sich als Rennfahrt mit einem Powerboot, als Segeltörn oder als ein Sichtreiben-lassen auf einer Luftmatratze vorstellen. Management ist für meine
Begriffe am ehesten mit der Metapher des Segelns zu erfassen. Manager
legen sich auf keine Matratze und lassen sich treiben, noch steigen sie in
ein Boot und geben Gas, um auf kürzesten Weg ihr Ziel zu erreichen. Sie
besteigen eher das Segelboot und sagen: ›Da möchte ich hin‹, aber sie wissen, dass sie nur dort ankommen, wenn sie es verstehen, die Winde auszunutzen. Sie müssen immer wieder vor und zurück, nach links und nach
rechts. Ein guter Manager arbeitet in diesem Bild mit dem Wind, nicht
gegen ihn« (March 2001: 32).
Man sollte nicht vergessen, dass sich der March’sche Segler, ebenso wie sein
Weick’scher Kollege in einer Welt jenseits klassischer Rationalitätsvorstellungen
bewegt, in der sich Wahrheiten nur in seltenen Momenten zeigen, die man zudem noch oft verpasst. In einer solchen Welt voller Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten und Überraschungen begeben wir uns auf eine Reise, um die Fahrt zu
genießen und weniger wegen der Freuden, die uns am vermeintlichen Ziel
erwarten. 32 Die Einsicht in die Grenzen der eigenen Wirksamkeit könnte eine
Führungsperson zu einer zynischen und verantwortungslosen Haltung verführen.
Um in einer solchen Welt Orientierung und Motivation für den alltäglichen
Betrieb aufzubringen, gibt es für March (vgl. March/Weil 2005: 111f.) drei
mögliche Grundhaltungen, die er an Führungsfiguren der klassischen Literatur
veranschaulicht:
• Pessimismus, ohne zu verzweifeln (beispielhaft verkörpert durch Solschenizyns Ivan Denissovich Leben im Gulag, aus »Ein Tag im Leben des Iwan
Denissowitsch« )
• Indifferenz, ohne den Glauben zu verlieren (er denkt an Tolstois General
Kutuzov während der Schlacht bei Borodino aus »Krieg und Frieden«)
• Optimismus, ohne sich große Hoffnungen zu machen. March selbst neigt
der dritten Attitüde zu, die er in Cervantes’ Don Quixote verkörpert sieht,
32 Weick (1985: 374f.) zitiert dazu das Gedicht »Ithaka« von C.O. Cavafy, dessen letzte Strophe
lautet: »Ithaka gab dir die prächtige Reise,/ ohne sie hätt’st du dich nie aufgemacht./ Nichts blieb
ihr, was sie dir jetzt geben könnte./ Und wenn Du sie arm findest, hat Ithaka dich doch nicht
betrogen./ So weise, wie du dann sein wirst, so voll mit Erfahrung,/ wirst du verstehen, was diese
Ithakas sind«.
46
Stephan Wolff
der »acting as a knight errant for the sake of beauty of the world and the
exhilaration of living what he feels to be his vocation, thereby
accomplishing the obligations that he wants to be worthy enough to fulfill«
(March/ Weil 2005: 112).
In der Don-Quixote’schen Version von der Führung verbinden sich die
Eigenschaften von Einbildungskraft, Selbstverpflichtung und Freude. DonQuixote ist kein Realist, sowohl was die Anerkennung des neuen nüchternen
Zeitalters als auch, was die Mehrung seines eigenen Nutzes betrifft. Er erblickt
Schönheiten, wo andere andere nur Schmutz sehen, und er weiß genau, wer er
ist, eben ein Ritter, und schöpft eben daraus Orientierung, Stolz und ein Gefühl
für Angemessenheit:
»I think that Quixote tells an organizational leader that good leadership
combines an exuberance for life with a commitment to the duties of leadership; that leadership is poetry and routine as well as action; that it is beauty
as well as truth, the appreciation of complexity as well as simplicity, the
pursuit of contradiction as well as coherence, the achievement of grace as
well as control« (March/ Weil 2005: 121). 33
Es wird auffallen, dass im Zusammenhang mit Führung bislang nicht von Macht
die Rede war. Dies entspricht einerseits dem allgemeinen Trend in der
organisationswissenschaftlichen Literatur, der es selbst den mächtigen
Herausgebern des maßgeblichen ›Handbook of Organization Studies‹ angeraten
erscheinen lässt, den eigenen Artikel zu diesem Thema mit »Some Dare Call It
Power« zu überschreiben (Hardy/Clegg 2006). Die Protagonisten der Perspektive
der losen Kopplung würden andererseits zurückfragen: »Warum sollten wir
auch?« Macht ist theoretisch zu stark von Kraftmodellen und mit relativ
einfachen (Labor-)Situationen verbunden, als dass man sie gewinnbringend als
33 Marchs Bild einer Führungspersönlichkeit ist eher das einer Gärtnerin als jenes eines Ingenieurs:
»Engeneers are helpless when deprived of a full understanding of the complex relationships of
causality that govern phenomena and access to sufficient means of action and control. Gardeners
accept this powerlessness in the face of the overwhelming forces of nature, but believe that they
can nevertheless plant seed at the appropriate time, pull up weeds regularly, and adapt their
watering to the sunshine. These are small, mundane actions that, performed with constancy, will
ultimately yield more opportunities to foster the emergence of a world that is increasingly true,
beautiful, and just« (March/Weil 2006: 112). Bemerkenswert ist die auffällige Parallele zum
systemtheoretischen Interventionsverständnis (vgl. Willke 1999).
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
47
Erklärungs- und Beschreibungskategorie für komplexe Beziehungsgefüge mit
Rückkopplungsschleifen verwenden könnte. Und als Restkategorie für unerklärte
Varianz taugt sie nur bedingt, obwohl (und weil!) sie im alltäglichen Reden über
Organisationen diesbezüglich allgegenwärtig ist. Angesichts der Ambivalenz der
Macht unter Bedingungen loser Kopplung (und organisierter Anarchie) wird
Macht selbst mehrdeutig. March wie Weick interessieren sich daher weniger für
Macht als für das Umgehen mit Machtlosigkeit oder für die Rolle von
Machtattribution in organisatorischen Sinnstiftungsprozessen (Weick 2006). 34
5.3 Von der Praxisnähe zur Praxissensibilität
Wer, wie viele Studierende, Lehrende und Praktiker im Bereich sozialer Dienstleistungen, Praxisnähe für einen Wert an sich hält, wird an den diesbezüglichen
Aussagen von March und Weick wenig Freude haben. So begann March jedes
seiner Seminar in Stanford mit den Worten »Meine Ideen sind weder jetzt für die
Praxis von Bedeutung, noch waren sie es jemals zuvor« (Conto 2006). Für den
Umgang mit Beratern, einer Berufsgruppe, zu der wohlgemerkt ein Gutteil seiner
Absolventen gehört, gab er im selben Interview den Managern den Rat: »If a
manager asks an academic consultant what to do and that consultant answers,
then the consultant should be fired. No academic has the experience to know the
context of a managerial problem well enough to give specific advice about a
specific situation«. Uns sollten solche Aussagen nicht zu sehr überraschen,
stellen sie doch eine konsequente Umsetzung der Idee der losen Kopplung auf
das Verhältnis von Theorie und Praxis dar. Damit wird das Konzept der Losen
Kopplung sozusagen selbstreflexiv. Ganz in diesem Sinn rät Weick ebenfalls zur
Vorsicht vor allzu energischem Bemühen um Relevanz. Ein solches Streben sei
schon deshalb problematisch, weil es von der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit
einer engen Kopplung von Theorie und Praxis, von Wissenschaft und deren
Verwendung ausginge. Nach allem, was man weiß, sind Ideale, politische
Absichten und Pläne auf der einen und ihre Umsetzung, deren Resultate und
Evaluation auf der anderen Seite typischerweise nur lose miteinander gekoppelt.
34 Kritisch könnte man einwenden, dass viele der insbesondere von March vorgestellten Strategien
im Grunde solche der Machtverschleierung sind und dass die Protagonisten der losen Kopplung
durch ihre Aussagen aktiv an einer Ideologie der ›Machtlosigkeit‹ mitarbeiten. Eine solche
›machiavellistische‹ Deutung mag, nicht zuletzt angesichts des z.T. ironischen Grundtons
mancher ihrer Einlassungen, auf den ersten Blick naheliegen. Sie übersieht freilich die
schwerwiegenden Argumente hinsichtlich der theoretischen, empirischen und praktischen
Schwächen des Machtkonzepts – auch und gerade unter Bedingungen von Ambiguität,
Komplexität und Vernetztheit.
48
Stephan Wolff
Daher hält er es für erfolgversprechender, die Aufmerksamkeit auf das »public
sector management of policies and policy making« zu richten und nicht auf die
politischen Inhalte per se. »Our strength may lie in articulating the dynamics that
loosen and tighten couplings between policy and execution, in working
backward from outcomes toward intermediate practices that implement policy,
and in articulating how movements at the grass roots shape policy at other
levels« (Weick 2005).
Aus der Perspektive der losen Kopplung ist auch deshalb schwer einzusehen,
warum sich die sozialwissenschaftliche Theorie und Forschung generell am
Leitbild der Praxissensibilität orientieren sollte, weil eine allzu enge
Verkopplung beider Seiten die Autonomie und Operationsfähigkeit der jeweils
anderen Seite beeinträchtigen würde. Wer Praxisnähe forciert und auf unmittelbare Anwendung der Inhalte drängt, die Wissenschaft mit der Praxis eng
zu verkoppeln versucht, ebnet nicht nur diese Differenz ein, sondern verspielt die
wechselseitigen Wahrnehmungs- und Reflexionsgewinne, etabliert eine Art
imperatives Mandat in die eine oder andere Richtung und/oder lädt zur
Scheinheiligkeit ein. Die geschickte Justierung von Differenz und Kopplung
verspricht andererseits interessante Einsichten in Dinge, die sich weder die
Praxis noch die Theorie vorher so denken konnten (vgl. dazu ausführlicher Wolff
2008).
Weick hat schon in der 1976er Veröffentlichung deutlich gemacht, dass er
lose Kopplung nicht per se als erstrebenswertes Ziel betrachtet, auf das der Prozess des Organisierens normativ ausgerichtet werden sollte, obwohl er einräumt,
dass »this paper takes a neutral, if not mildly affectionate, stance« (1976: 6).
Weick gibt keine Handlungsempfehlungen, sondern formuliert eher Faustregeln.
Diese laufen typischerweise auf kreative Selbstbindungen bzw. auf aktive EntKopplungen eingespielter struktureller Festlegungen hinaus, die geeignet sind,
experimentelle Formen des evolutionären Lernens anzuregen. Hinsichtlich der
Reichweite seiner Aussagen unterscheidet er nicht zwischen Wirtschaftsunternehmen und sonstigen Organisationen. Er erprobt die Ideen der losen Kopplung
und der Sinnstiftung nicht nur an den Strukturen und Prozessen von und in
Erziehungsorganisationen, sondern ebenso erfolgreich am Zusammenspiel von
Jazzorchestern; an Feuerwehrleuten, die Waldbrände bekämpfen; an Fluglotsen,
die sich einen Reim auf die wandernden Zeichen auf ihren Monitoren machen;
an Kliniken, die es schaffen, statistische Häufungen von tödlichen Zwischenfällen auf Kinderstationen zu übersehen; und an Abstimmungs- und Rückmeldungsprozessen in hektischen Operationssälen, auf schwankenden Decks von
Flugzeugträgern oder in abgeschirmten Kontrollständen von Atomkraftwerken.
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
49
6. Kritische Würdigung: Erfolgreich bis zur Unkenntlichkeit?
Das Faszinierende an der Perspektive der losen Kopplung besteht weniger in
ihrer theoretischen Stringenz oder ihrer empirischen Triftigkeit, obwohl man sich
angesichts der vorliegenden Systematisierungsversuche (insbesondere von
Weick 1982b und Orton/ Weick 1990) sowie angesichts der kontinuierlichen
Bemühungen von March und seinen Mitarbeitern 35 diesbezüglich sicherlich nicht
zu verstecken braucht. Fruchtbar ist diese Perspektive vor allem als intellektuelle
Grundhaltung. In den Organisationswissenschaften dominierten und dominieren
teilweise heute noch solche Ansätze, die Organisationen als geordnete Gebilde
verstehen, die nur hin und wieder von eigentlich vermeidbaren Regelabweichungen und Unschärfen ›gestört‹ werden. Die Perspektive der losen Kopplung
erklärt demgegenüber gerade diese Ungeordnetheit, Unsicherheit und Ambivalenz zum eigentlichen Ausgangspunkt der Theoriebildung und aller praktischen Versuche des Organisierens. Sie nötigt uns damit, liebgewonnene Selbstverständlichkeiten und Reifizierungen (wie Ordnung, Rationalität, Organisation
oder Kundenorientierung, Qualität, Verantwortung) sozusagen in Anführungszeichen zu setzen und die Systematik der Prozesse ihrer Herstellung ins Zentrum
der Analyse zu rücken. Strukturen sind danach nicht etwas, was Organisationen
haben, sondern etwas, was Organisationen tun. Und eben indem sie dies tun,
reproduzieren sie sich als Organisationen! Die Idee der organisierten Anarchie
und das Papierkorb-Modell ihrerseits haben geholfen, überhaupt eine genuin
organisatorische Perspektive auf Entscheidungen zu begründen, indem sie den
einzelnen Entscheider aus seiner Stellung als zentraler Analyseeinheit verabschiedet, die individuelle Rationalität zugunsten des Strebens nach organizational intelligence relativiert und konsequent den Prozess des Entscheidens in
den Blickpunkt gerückt haben.
Es fällt auf, dass Weick in seinen jüngeren Arbeiten (d.h. nach 1990) das
Konzept der losen Kopplung nicht mehr weiter vertieft und sich statt dessen
lieber der Idee der Sinnstiftung (sensemaking) zugewandt hat. Im Sinnstiftungsansatz kommen für ihn die Handlungs- und Prozesskomponente und der interpretative Charakter des Organisierens deutlicher zum Ausdruck. Dies bedeutet
nicht, dass Weick sich von der Idee der losen Kopplung distanzieren würde. Er
hat sie im Gegenteil in gewisser Weise sogar generalisiert. Sinnstiftung
beschreibt nämlich die Kopplung von Elementen in einer sehr grundsätzlichen
35 Vgl. Cohens (2001) Klarstellungen gegenüber der Kritik der Papierkorbmodells aus dem rational
choice-Lager von Bendor, Moe und Shotts (2001).
50
Stephan Wolff
Weise, nämlich der Dokumentarischen Methode (Garfinkel 1967: 78). Die
dokumentarische Methode bezeichnet das Einbringen der Elemente in einen
Interpretationsrahmen, der eben dadurch als solcher konstituiert wird. Da man
nicht nur eine Gestalt in der Unordnung erkennt, sondern durch neue Reize und
Reaktionen des Gegenübers immer wieder auch die Unordnung in der Gestalt
erfährt, wird der Prozess der Sinnstiftung Zug und Zug weitergetrieben. Insoweit
füllt Weick mit dem Sinnstiftungsansatz ein oft beklagtes Desiderat der Kopplungsperspektive, nämlich, die Mechanismen der Kohäsion zwischen den
Elementen genauer zu bestimmen. Auch March und seine Mitstreiter haben,
wenngleich begrenzter und vorsichtiger, interpretative Elemente in ihre Arbeiten
integriert, nicht zuletzt als Konsequenz der Einsicht in den fiktiven Charakter
ihres Modells 36 bzw. in die Grenzen von Laborstudien (wie die PapierkorbStudie von Cohen u.a. letztlich eine war). Entscheidungen und ihre Rationalität
werden nun ausdrücklicher als Ergebnisse komplexer, politischer und in ihrem
Verlauf unvorhersehbarer kommunikativer Prozesse beschrieben – wohl
gemerkt: nur als eine Form von Ergebnissen in eine Reihe anderer. Verbunden
mit der Logik der Angemessenheit und den diversen Strategien einer
Technologie der Verrücktheit entstand daraus eine konzeptuelle Dynamik, die
immer mehr wegführte vom ursprünglichen Ausgangspunkt des Problemlösens,
und sich einer allgemeinen organisatorischen ›theory of action‹ annähert. Dies
würde in der Konsequenz bedeuten, Organisationen statt als Problemlösungseinrichtungen als Handlungsgeneratoren zu betrachten (wie dies Starbuck schon
1983 den Autoren empfohlen hatte). Probleme können neben Programmen, Terminen, Strukturen, Berichtspflichen und Meetings als derartige Handlungsgeneratoren fungieren, gleichzeitig aber auch Resultate anderweitig ausgelöster
Aktivitäten sein.
Die Unterstellung eines sich aus der Logik der Sache ergebenden exklusiven
Zusammenhangs zwischen der Perspektive der Losen Kopplung und dem empirischen Feld der HSOs, die angesichts der ursprünglich von deren Protagonisten
36 Natürlich war die Idee dreier voneinander unabhängiger ›Ströme‹ eine solche Fiktion: Probleme
und Handlungen sind nur unter ganz besonderen Bedingungen gänzlich unabhängig voneinander,
zumindest implizieren sie sich in den Augen der Teilnehmer. Die meisten Probleme werden
konstruiert bzw. rekonstruiert, um beabsichtigte Handlungen möglich und verständlich zu
machen. Zudem empfinden die Teilnehmer Entscheidungsprozesse trotz aller Kontingenz
letztendlich meist als durchaus logisch und folgerichtig bzw. verhalten sich, indem sie auf die
Resultate ihrer Handlungen wechselseitig reagieren, also ob des diese Logik gäbe (vgl. Starbuck
1983). Bei aller Berechtigung und Innovativität des Aspektes der Gleichzeitigkeit unterschätzte
das Modell die Bedeutung von inhaltlicher Kohärenz (d.h. von sachlicher Passung und sozialer
Anschlussfähigkeit).
Dienstleistungsorganisationen als lose gekoppelte Systeme und organisierte Anarchien
51
bevorzugten Forschungsfelder vielleicht nahe lag, erscheint aus heutiger Sicht
nicht gerechtfertigt. Die Überschätzung der Entsprechung von loser Kopplung
und sozialen Dienstleistungsorganisationen wurde in den 1990er-Jahren
spätestens dann spürbar, als sich die Versuche mehrten, soziale Dienstleistungsorganisationen durch Übernahme von Managementkonzepten, -prinzipien und
-praktiken aus dem Unternehmensbereich enger zu koppeln, und sich dies trotz
aller Kritik und vieler unerfreulicher Nebenkosten als durchaus machbar erwies.
Einerseits häuften sich mit der Zeit die Belege dafür, dass sich lose Kopplung
und organisierte Anarchien in allen Organisationstypen in vergleichbarem Ausmaß wiederfinden lassen. Andererseits hatte man übersehen, dass die in den neuen engen Verkopplungsversuchen eingesetzten Verfahren (wie Zielvereinbarungen, indikatorgestützte Mittelzuteilung, Fallpauschalen etc.) durchaus in den
Bereich der Varianten loser Kopplung fallen können. 37
Lose Kopplung eignet sich nicht als normativer Standard für die Gestaltung
HSOs, wohl aber als analytischer Bezugspunkt für deren, wie für die
Untersuchung anderer Organisationen. Ob eine derartige Form der Kopplung
von Theorie und Praxis genügend Orientierungs- und Bindekräfte bereithält, um
sowohl für die Weiterentwicklung der Organisationstheorie wie für die intelligentere Ausrichtung sozialer Dienstleistungsorganisationen nützlich zu sein, sei
37 Angesichts dessen erscheint es nur konsequent, wenn in der Literatur zu HSOs seit Mitte der
1990er-Jahre die Spuren der klassischen Schriften und Konzepte von March und Weick verblassen. Nimmt man dafür die repräsentativen Veröffentlichungen Yeheskel Hasenfelds (1972,
1992, 2000, 2009), des halb-offiziellen Chronisten der Theorie sozialer Dienstleistungsorganisationen zum Maßstab, dann fällt auf, dass schon in Hasenfelds Handbuchartikel von 1992
nurmehr auf die neoinstitutionalistische Version der losen (Ent-)Kopplung (insbesondere
verschiedene Arbeiten der Gruppe um John Meyer) Bezug genommen wird. 2000 findet sich
Weick wieder, allerdings unter ›culture‹ und ›sensemaking‹ rubriziert. Zitiert wird das 1995erBuch zur Sinnstiftung, wobei die entscheidenden Stichworte ›Integration‹ und ›sozialer
Zusammenhalt‹ sind. Der Zusammenhang mit der Kopplungsidee bleibt unerwähnt. Statt
Strukturfragen interessieren jetzt Aspekte der kognitiven Rahmung der Realitätskonstruktion,
also Fragen der kulturellen Konsistenz und ihres Zerfalls in Krisensituationen. In der 2009erAusgabe wird Weick eine eigentümliche Rolle zugewiesen. Hasenfeld stellt ihn dort nämlich als
Advokaten einer lose gekoppelten Theoriebildung vor. Angesichts der immer noch dürftigen
theoretischen Grundlegung des Feldes, der Übernahmen oft fragwürdiger Managementkonzepte
zur Rationalisierung des herrschenden Betriebs und angesichts der Nichtbeachtung wichtiger
theoretischer Entwicklungen und empirischer Einsichten sei es für die HSOs an der Zeit, ihre
praktischen Organisationsfragen enger mit darauf beziehbaren theoretischen Angeboten zu
koppeln und die eingesetzten Praktiken einem konsequenten Wirklichkeitstest zu unterziehen.
Dabei komme es nicht auf die Adoption einer ganz bestimmten theoretischen Perspektive an.
»To paraphrase Weick (1995), over time, administrators will act as if they are feminist,
rationalist, political economist or radicalist« (Hasenfeld 2009: 75).
52
Stephan Wolff
dahingestellt. Dass die Perspektive der losen Kopplung (zusammen mit dem
Konzept der organisierten Anarchie) ein kleines, aber konsequentenreiches Stück
theoretischer Struktur anbietet, scheint mir aber offensichtlich.
7. Literatur
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