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03.12.2011
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L.MAGAZIN
Für alle: mehr
Menschenrechte
Mit Iro zum Krönchen
Miss California eine Lesbe?
Die letzte Bastion ist gefallen: Im kalifornischen Long Beach hat zum ersten
Mal eine offene Lesbe bei einer
Miss-Wahl teilgenommen. Und
nicht nur das: Statt mit Föhnwelle und Glitzerrobe präsentierte sich Jenelle Hutcherson
mit Iro und Smoking, die obligatorische Bikinirunde drehte
sie in einem geringelten
Badeensemble im 30er-JahreStil. Damit sorgte die 25-Jährige
für beste Stimmung im Publikum
und schied erst im Finale aus. „Ich
habe keine Krone oder Schärpe gewonnen“, sagte Hutcherson anschließend.
„Aber es haben sich Türen geöffnet, die sich
nie wieder schließen werden.“ Ein Partyspaß war der
Auftritt für sie nicht, denn die Frisörin, die sich im LBGT-Center von Long Beach
engagiert, hat eine Botschaft: Gleichheit für alle, ungeachtet ihrer Kultur und sexuellen Orientierung – das sei ihre Interpretation des typischen Miss-Wahl-Wunsches
nach Weltfrieden, sagte sie im L-MAG-Interview. „Wir Erwachsenen sollten mit
gutem Beispielvorangehen und für die Jugend eine Welt schaffen, die alle so annimmt,
wie sie sind – ein Privileg, das so viele von uns nicht haben.“ Dabei hatte Hutcherson nicht nur die Rückendeckung des (übrigens schwulen) Veranstalters, der die MissWahl ausdrücklich auch für „unkonventionelle Kandidatinnen mit ungewöhnlichen
Frisuren, Piercings und Tattoos“ geöffnet hatte, auch „die Unterstützung aller
anderen Mädels übertraf bei Weitem meine Erwartungen“. Und die Jagd nach dem
Krönchen geht weiter. Im Januar holt Hutcherson wieder ihren Smoking aus dem
Schrank: Auf persönliche Einladung der Organisatoren nimmt sie an der „Miss California USA“-Wahl teil– und diesmal, so kündigte sie bereits an, will sie gewinnen.
Leitfaden der Hirschfeld-EddyStiftung, um aktiv zu werden
Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung, die Menschenrechtsinitiative des LSVD, hat mit „Yogyakarta
Plus“ einen Leitfaden
herausgegeben, der
Problemfelder und
Handlungsmöglichkeiten im Umfeld der
„Yogyakarta-Prinzipien“ aufzeigt. Diese
wurden im Jahr 2007
von internationalen
Menschenrechtsexperten aufgestellt, um
LGBT-Rechte explizit als Bestandteil in die von der UN geschützten
allgemeinen Menschenrechte aufzunehmen. Der
Leitfaden soll in politischen Gremien und Stiftungen, aber auch in der Politik Sensibilität für dieses
Thema wecken. Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung will
dazu anregen, die faktische Anerkennung der Prinzipien durch die Bundesregierung nunmehr konsequent in die deutsche Außenpolitik und die internationale Entwicklungszusammenarbeit einzubinden. Die Broschüre richtet sich darüber hinaus
an politisch Interessierte, die Fragen der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller
Orientierung nachgehen wollen und selbst im
Kampf für mehr Gerechtigkeit in der Welt aktiv
werden möchten.
Elke Koepping
Karin Schupp
Kostenloser Download: www.hirschfeldeddy-stiftung.de/yogyakarta-plus
Frischer Wind aus Amerika
„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ‚The L Word‘ die einzige und letzte
Lesbenserie sein soll“, sagte Leisha Hailey vor Jahren im L-MAGInterview. Ganz unrecht behielt sie nicht, denn immerhin startete in Großbritannien die Serie „Lip Service“ (Staffel 2 soll bald laufen), doch einen echten
Trend haben Alice, Bette und Shane nicht losgetreten. Zumindest in den USA
könnte sich das aber demnächst ändern, denn einige US-Sender haben Interesse
an Lesbenserien geäußert und bereits Pilotfolgen drehen lassen. So will die lesbische Regisseurin Lisa Cholodenko ihren Film „The Kids Are All Right“ als
TV-Serie bei HBO weitererzählen. Ob Julianne Moore oder Annette Bening
wieder dabei sein werden, ist jedoch fraglich. NBC hat gleich zwei lesbische
Sitcoms zur Auswahl: In „I Hate That I Love you“ geht es um zwei Lesben,
die von ihren Hetero-Freunden verkuppelt werden und sofort – das darf heutzutage nicht fehlen – über ein Baby nachdenken. Und Vorbild für „My Friend
is a Lesbo“ ist die echte Freundschaft zwischen den beiden Drehbuchautorinnen – die eine lesbisch, die andere hetero. Auf reale Freundinnen und Comedy
setzt man auch bei ABC: Ihre Sitcom-Idee dreht sich um die lesbische Fernsehköchin Susan Feniger und ihre Geschäftspartnerin Mary Sue Milliken,
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Foto: Suzanne Tenner © 2009 Overture Films
Shanes Erbinnen im US-amerikanischen TV
Bald als TV-Serie? Annette Bening (li.) und Julianne Moore
im Spielfilm „The Kids Are All Right“ von Lisa Cholodenko
mit der sie eine Restaurantkette aufgebaut hat. Bevor jedoch tatsächlich mehr
Vielfalt auf die Mattscheibe kommt, müssen sich diese Ideen erst einmal
gegen eine harte Konkurrenz durchsetzen: Auf den Tischen der Senderchefs
stapeln sich derzeit über 150 Pilotsendungen – und deren Hauptfiguren sind
alle hetero.
Karin Schupp
L-MAG
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Das Takatuka-Land in der Rassismus-Kritik
Der Kinderbuchklassiker „Pippi Langstrumpf“
erhitzt wieder einmal die Gemüter
H E L D I N N E N
Joan Nestle
Archivarin und Fem(me)inistin
(geboren 1940 in New York City)
Heldinnentaten: Joan Nestle wurde 1940 in der Bronx geboren und
wuchs im manchmal etwas chaotischen Haushalt ihrer verwitweten
Mutter auf, die der Tochter eine sexpositive Erziehung angedeihen
ließ. Ihr Coming-out hatte sie lange vor Stonewall und dem Beginn
der Homobewegung: Bereits gegen Ende der 50er Jahre fand sie ein
Zuhause in der lesbischen „Working-Class“-Barkultur, insbesondere
in einer Mafia-betriebenen Spelunke, von deren bizarren Damenklo-Regeln – abgezähltes Klopapier, die Toiletten durften nur einzeln
betreten werden – sie noch heute oft erzählt. In den 60er Jahren
engagierte sie sich in der Bürgerrechtsbewegung, unterrichtete nach
ihrem Universitätsabschluss in einem Programm für marginalisierte
Student/innen und schloss sich der Gay Activist Alliance und dem
Lesbian Liberation Committee an. 1974/5 gründete sie die Lesbian
Herstory Archives mit, die lange Jahre in ihrer Privatwohnung
untergebracht waren und heute die weltweit größte Sammlung an
Legendär: Inger Nilsson als Pippi Langstrumpf
in den Verfilmungen der Astrid-Lindgren-Bücher
ebenso wie etliche weitere ungewöhnliche, skurrile
und wissenswerte Fakten sind passenderweise gerade 2011 für eine junge Zielgruppe unter dem
Titel „Astrid Lindgren. Wer ist das?“ im Verlag
Bloomsbury erschienen. Also womöglich ein
schöner Aufhänger, um zum Entdecken, Bereden
und Diskutieren einzuladen, statt zu verbieten und
unter den Tisch fallen zu lassen?
sv
Material über Lesben und ihre Communitys beinhalten. Als sie
schließlich 1979 begann, erotische Geschichten und Texte über die
Butch-Femme-Kultur zu veröffentlichen, katapultierte sie das an die
Frontlinien der feministischen „Sex Wars“ und machte sie zur Zielscheibe diverser Attacken aus den Reihen der Anti-PornografieAktivistinnen. Heute lebt Nestle mit ihrer Partnerin in Australien.
Schräges: Die Anti-Pornografie-Feministin Sheila Jeffreys diffamierte
Nestle wegen ihres Butch-Femme-Aktivismus als Teil einer „antifeministischen Gegenbewegung“.
„Man muss vorsichtig sein, nicht neue Gefängnisse zu errichten, wenn man eigentlich denkt,
man stößt neue Türen auf. Dass Lesben die Möglichkeit nutzen, Babys zu haben, ist wundervoll,
aber ich glaube auch, dass Familien in diesem Land eine verkonservativierende Kraft sind“
L-MAG
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Foto: 2011 Studio100 Media.
Hergé, „Mecki bei den Negerlein“ oder aber
„Lurchis Abenteuer“, das zunächst „bei den
Wilden“ und später dann „in Afrika“ spielte, geraten immer wieder (und teilweise völlig zu Recht) in
die Kritik.
2009 ersetzte der deutsche Oetinger Verlag dementsprechend etliche der angeprangerten Formulierungen. Da aber auch noch immer etliche alte
Fassungen der fraglichen Bücher im Umlauf sind,
werden nun Stimmen laut, die für
ein Verbot derselben in öffentlichen
Einrichtungen wie Schulen oder
Bibliotheken plädieren. Also ausgerechnet dort, wo man Kinder pädagogisch schulen und anhand unterschiedlicher Fassungen auf das
Phänomen Diskriminierung und
Rassismus aufmerksam machen
könnte. Und vielleicht auch darauf,
dass die Autorin sich ihr Leben lang
für die Rechte der Kinder starkgemacht hat. Informationen darüber,
Courtesy of Jonathan Silin. Copyright © The Estate of Robert Giard.
105 Jahre wäre sie dieses Jahr geworden, doch am
28. Januar jährt sich zum zehnten Mal ihr Todestag:
Astrid Lindgren, Erfinderin einiger der bekanntesten, eigenständigsten und selbstbewusstesten
Mädchenfiguren der Kinderliteratur: Lotta aus der
Krachmacherstraße, Madita, Ronja Räubertochter
und vor allem Pippi. Jene Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf,
die erneut die Gemüter erhitzt mit der Frage: Ist sie
rassistisch oder ist sie es nicht?
Angestoßen durch den Vortrag
„Das Gift der frühen Jahre“,
den die feministische Theologin Eske Wollrad Anfang
November 2011 im Antidiskriminierungsbüro Sachsen hielt,
ist diese Fragestellung weder
für die Pippi-LangstrumpfReihe noch bei anderen Kinderbuchklassikern ein Einzelfall. Auch „Tim und Struppi im
Kongo“ des Comiczeichners
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L.MAGAZIN
Traurig-deutsche Fernsehwelt
Foto: RTL / Anja Glitsch
Im Fernsehjahr 2012 sind nur wenige lesbische Figuren in Sicht
Bine (Ela Paul, li.) und Rebecca (Imke Brügger) in der Serie „Unter uns“
Lesben sind überall – nur nicht in deutschen Fernsehserien. Die Regenbogenfahne halten derzeit nur Tanja aus der „Lindenstraße“ und seit neuestem Rebecca und Bine in der RTL-Soap „Unter uns“ hoch (aber wird
ihr Glück diesen Monat überdauern?). Dass wir im Fernsehjahr 2012
wenigstens ein bisschen auf unsere Kosten kommen, haben wir eher den
US-Serien zu verdanken. Wenn im Januar die zweite Staffel von „Glee“
(SuperRTL) mit Santanas Coming-out endet, können wir nur auf eine
baldige Fortsetzung hoffen, denn in Staffel 3 wird’s spannend: Santana
wird fies geoutet und wir erfahren, ob sie und Brittany endlich offiziell
zusammenkommen. In den neuen Folgen von „Grey’s Anatomy“
(ProSieben, ab Frühjahr) sind Callie und Arizona das stabilste Paar im
Seattle Grace Hospital, haben aber immer noch Mark, den Erzeuger
ihres Babys, am Hals. Dreizehn in „Dr. House“ (RTL, Staffel 8 ab Frühjahr) darf mit einer Frau glücklich werden, wandert aber schon in Folge
3 aus, denn Darstellerin Olivia Wilde verlässt die Serie. In der vierten
Staffel von „True Blood“ (Syfy, ab Februar) überrascht Tara, bis dato eine
der wenigen Hetero-Frauen der Vampirserie, mit einer Loverin. Leider
noch unklar ist, ob Kabel 1 „The Good Wife“ weiterführt – schade, denn
gerade wurde es spannend um die toughe, bisexuelle Detektivin Kalinda.
Im Herbst besucht Lady Gaga die „Simpsons“ (ProSieben) und küsst
keine Geringere als Marge. Dann könnte auch ein neuer Name auf die
deutsche TV-Lesben-Liste rücken: wenn nämlich die Krimiserie „Mord
mit Aussicht“ (ARD, neue Staffel im Herbst) das zuletzt zaghafte
Coming-out von Dorfpolizistin Bärbel weitererzählt.
Karin Schupp
Für mehr gesellschaftliche Offenheit
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gegründet
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terinnen der Community mit an
Bord: der Fachverband Homosexualität, Völklinger Kreis,
LSVD, Lesbenring, die
Bundeskonferenz schwullesbischer Landesnetzwerke, Queer Nations,
Lambda und die HUK.
Trans-Inter-Projekte wie
der Verein TrIQ kritisierten
hingegen ihre Nichtberücksichtigung. Litwinschuh signalisierte inzwischen eine
mögliche
Zusammenarbeit
etwa im künftigen Fachbeirat.
Andere, wie der Lesbenring e.V.,
zeigten sich von ihrer Berufung überrascht, zumal es diesmal vorab keine parlamentarische Debatte gegeben hatte. Zu den
Auswahl- bzw. Ausschlusskriterien äußerte sich
Michael Kauch, wonach nur solche Verbände berücksichtigt worden seien, die sich im Vorfeld „aktiv für die Stiftung engagiert“ hatten, „die Breite
der Community repräsentieren“ und über eine bundesweite Organisation verfügen. Für weitere Kritik
von Opposition und LGBT-Verbänden sorgten der
fehlende internationale Anspruch der Stiftung sowie die Nichtberücksichtigung aktueller Themen
Ministerin
Leutheusser-Schnarrenberger
mit dem neuen Hirschfeld-Stiftungsvorstand Jörg Litwinschuh
wie Mehrfachdiskriminierung. Meint es die Bundesstiftung mit ihrem Vorhaben, die Lebenswelten
von Homosexuellen zu erforschen, wirklich ernst,
wird sie um solche Fragen nicht herumkommen.
Sirko Salka
L-MAG
Foto: Presse
Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ist im
November mit dem hehren Ziel gegründet worden,
der gesellschaftlichen Diskriminierung von
Lesben und Schwulen entgegenzuwirken und, laut
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger,
„einen wichtigen Beitrag für die Offenheit der
Gesellschaft“ zu leisten. Inhaltlich liegt der Fokus
auf Bildung, Forschung, Erinnerung. So soll zum
Beispiel historisches Unrecht wie die Verfolgung
von Homosexuellen während der NS-Zeit aufgearbeitet und das Werk und Wirken des Berliner
Arztes und Sexualforschers Magnus Hirschfeld
weiter erforscht werden. Zudem will sich die Stiftung, auch im Sinne ihres Namensgebers, mit
Fragen zu Transgender und Intergeschlechtlichkeit
auseinandersetzen. Zum Vorstand wurde der
parteilose Kommunikationsberater Jörg Litwinschuh berufen, der sich nach eigenen Angaben seit
2005 ehrenamtlich für die Stiftung engagiert.
Die zähe Gründungsgeschichte der mit einem
Startvermögen von zehn Millionen Euro ausgestatteten Stiftung reicht zurück ins Jahr 2000.
Damals scheiterte das rot-grüne Projekt vor allem
an Streitereien um die Besetzung des Kuratoriums.
Auch diesmal sorgte dessen Ernennung teilweise
für Unverständnis. So sind neben Abgesandten
aller im Bundestag vertretenen Parteien und den
zuständigen Ministerien acht Vertreter und Vertre-
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DIE
- KAMPAGNE
L WIE OFFEN LESBISCH
Sexuell lesbisch
L-MAG
Foto: Tanja Schnitzler
Foto: Brigitte Dummer
Sie ist der Star des queer Pornofilms: Jiz Lee aus San Francisco. Bekannt wurde sie durch die „Crash Pad Series“ der
Regisseurin Shine Louise Houston. Mittlerweile ist die 31Jährige, die sich selbst als „gender-queer“ sieht, in jeder Hinsicht begehrte Darstellerin diverser Sexfilme sowohl im
queer-alternativen Bereich als auch immer mehr im sich neu
orientierenden Mainstream-Porno. L-MAG traf die kommunikative, in Hawaii geborene Internetspezialistin auf dem
6. Porn Film Festival Berlin, wo sie in nicht weniger als sechs
Filmen mitwirkte. Immer wieder erfrischend sind auch Jiz
Lees reflektierte Überlegungen zum Thema Sex, Geschlechterrollen und Pornografie. Lesenswert ist außerdem ihre Webseite mit vielen Infos aus der Welt des queer Pornos.
kay
http://jizlee.com
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